Bachelorarbeit

(Re-) Produktionen von
Ungleichheit und Rassismus in der
Entwicklungszusammenarbeit am
Beispiel der internationalen
Freiwilligendienste
Friedrich Keil
veröffentlicht unter den socialnet Materialien
Publikationsdatum: 13.05.2016
URL: http://www.socialnet.de/materialien/27586.php
11.12.2015
(Re-) Produktionen von Ungleichheit und Rassismus in der
Entwicklungszusammenarbeit am Beispiel der
internationalen Freiwilligendienste
Bachelorarbeit zur Abschlussprüfung an der Hochschule Darmstadt
Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Soziale Arbeit
Vorgelegt von: Friedrich Keil
Matrikelnr.:
730882
Erstreferentin: Prof. Dr. Susanne Spindler
Zweitreferentin: Prof. Dr. rer. soc. Angelika Groterath
Inhaltsverzeichnis
Editorische Notiz................................................................................... 1
Abkürzungsverzeichnis bezüglich häufig
verwendeter Abkürzungen..................................................................... 1
1.
Einleitung............................................................................................. 2
2.
Internationale Freiwilligendienste: Eine Form von
bürgerschaftlichem Engagement und Entwicklungszusammenarbeit – Theoretische Annäherung
an Internationale Freiwilligendienste................................................3
2.1
Internationale Freiwilligendienste als eine Form
bürgerschaftlichen Engagements..................................... 3
2.1.1
Bürgerschaftliches Engagement.......................................3
2.1.2
Verortung (internationaler) Freiwilligendienste im
Bereich des bürgerschaftlichen Engagements................. 4
2.2
Internationale Freiwilligendienste und Entwicklungspolitik/ -Zusammenarbeit.................................................6
Die Entwicklungszusammenarbeit und -politik der
BRD unter dem Postulat der nachhaltigen
Entwicklung..................................................................... 6
2.3
Internationale Freiwilligendienste: Grundlegendes
über die verschiedenen Formate...................................... 8
2.3.1
Begriffliche Bestimmung als „entwicklungs-“ und
„bildungspolitisch“.......................................................... 8
2.3.2
Zusammenfassende und allgemeine Definition von
internationalen Freiwilligendiensten............................. 10
2.3.3
Daten zu verschiedenen Formaten.................................12
2.4
Weltwärts genauer betrachtet.........................................12
2.4.1
Geschichtliches und Allgemeines.................................. 13
2.4.2
Zielländer, wichtige AkteurInnen und dem
zugrundeliegende Leitlinien.......................................... 14
2.4.3
Ablauf und (neu formulierte) Ziele des Programms
15
2.4.4
Die Süd-Nord-Komponente...........................................18
3.
Rassismus und soziale Ungleichheit im Spiegel der postkolonialen Theorie und die Transnationalisierung sozialer
Ungleichheit....................................................................................... 19
3.1
Grundlagen von Rassismus und der
Transnationalisierung sozialer Ungleichheit................. 19
3.1.1
Rassismus...................................................................... 19
Allgemeine Definition von Rassismus.......................... 19
Rassismus als Legitimation von Ungleichheit...............20
3.1.2
Soziale Ungleichheit..................................................... 21
Definition von sozialer Ungleichheit im
Allgemeinen...................................................................21
Die Transnationalisierung Sozialer Ungleichheit.......... 21
3.2
Rassismus und soziale Ungleichheit im Spiegel
der postkolonialen Theorie: Basiswissen über
postkoloniale Theorie.................................................... 22
3.2.1
Über die Relevanz der postkolonialen Theorie
für die Ausarbeitung...................................................... 22
3.2.2
Postkoloniale Theorie.................................................... 23
3.2.3
Rassismus als Legitimation von sozialer
Ungleichheit im Kolonialismus..................................... 25
3.3
Rassismus und soziale Ungleichheit im Spiegel
der postkolonialen Theorie: Wichtige
Überlegungen der postkolonialen Theorie im
Kontext von Rassismus und sozialer Ungleichheit...... 26
3.3.1
Neokolonialismus......................................................... 27
3.3.2
Allgemeine neokoloniale Denkweisen.......................... 28
Eurozentrismus und die Universalisierung
„europäischer“ Normen................................................. 28
Neokolonialer und kulturalisierter Rassismus............... 29
3.3.3
Die (Re-) Produktion sozialer Ungleichheit sowie
von Rassismus in der Entwicklungszusammenarbeit
anhand neokolonialer Handlungsmuster........................30
Die Universalisierung einer eurozentrischen,
„westlichen“ Entwicklungsnorm................................... 30
Wissensproduktion sowie Deutungs- und
Repräsentationsmacht …............................................... 32
Dichotome Teilung in GeberInnen(-) und
EmpfängerInnen (-länder)............................................. 33
3.4
4.
Folgerungen für die Analyse..........................................34
Analyse............................................................................................... 35
4.1
Ungleichheiten und die Stärkung Privilegierter
bezüglich dem Zugang zu weltwärts............................. 36
4.1.1
Anspruchsverfehlung bezüglich der Erreichung
der Zielgruppen.............................................................36
4.1.2
Mögliche Gründe für das geringe Erreichen der
Zielgruppe der Auszubildenden.....................................36
4.1.3
Ungleichheiten bezüglich Geschlecht, Migration
und Menschen mit Behinderung....................................38
4.1.4
Problempotenziale dieser Ungleichheiten anhand
der Theorie des „Grenzennutzens“................................ 39
4.2
Beispiele für Reformulierungen der aktuellen
Ausrichtung................................................................... 40
4.3
Die Bedeutung von Entwicklung bei weltwärts
sowie das neokoloniale Potenziale aufweisende
Entwicklungsverständnis des BMZ................................41
4.3.1
Grenzziehungen in Entwicklungsländer und
Nicht- Entwicklungsländer............................................ 41
4.3.2
Das Entwicklungsverständnis des BMZ und
von weltwärts................................................................ 42
4.3.3
Zur Wichtigkeit der Bildungsarbeit bei weltwärts.........46
4.4
Der Einbezug der Partnerorganisationen und die
Einseitigkeit der Freiwilligendienstes............................47
4.4.1
Der Einbezug der Partnerorganisationen bei
Gründung des Freiwilligendienstes............................... 47
4.4.2
Die Einbindung der Partnerorganisationen aktuell........48
4.4.3
Zum Wirken und Nutzen der Süd-Nord-Komponente...51
4.5
Verortung der Probleme sowie des Wirkens und
des Nutzens in der weltwärts-Partner-Beziehung..........52
4.5.1
Verortung der Probleme und des Entwicklungspolitischen Nutzens........................................................52
4.5.2
Lernende Freiwillige zwischen subtil rassistischen
Überlegenheitsgefühlen und reflektierender
PraktikantInnenen Rolle................................................ 54
4.5.3
Reproduktion bestehender Machthierarchien
durch weltwärts............................................................. 55
5.
Fazit.................................................................................................... 58
6.
Anhang............................................................................................... 61
7.
Literaturverzeichnis..........................................................................62
Editorische Notiz
In der folgenden Ausarbeitung wird die Terminologie „Globaler Süden“ verwendet, um,
angelehnt
an
Kristina
Kontzi,
„,eine
im
Globalen
System
benachteiligte
gesellschaftliche, politische und ökonomische Position' [glokal e.V. 2013b, S. 8 zit. n.
Kontzi 2015, S. 17] von Ländern und Regionen zu beschreiben, die in Bezug auf die
Zeit des Kolonialismus (und oftmals bis heute) die Erfahrung der Ausbeutung teilen. Im
Gegenzug beschreibt der begriff des Globalen Nordens eine bevorteilte Position, die
jene Regionen umfasst, die Ausbeutung vorantrieben bzw. -treiben und als
Profiteurinnen aus der Geschichte des Kolonialismus hervorgehen (…) Obgleich auch
diese Begriffe homogenisierend wirken, gelten sie momentan als Gegenentwürfe zu
älteren Bezeichnungen wie zum Beispiel ,Erste' und ,Dritte Welt', die als stark
hierarchisierend und eurozentrisch abgelehnt werden“ (Kontzi 2015, S. 17).
Abkürzungsverzeichnis bezüglich häufig verwendeter Abkürzungen
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - BMZ
Entsendeorganisation/-en
- EO
Entwicklungspolitik
- EP
Entwicklungszusammenarbeit
- EZ
Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit
- GIZ
Internationale/-r Freiwilligendienst/-e
- IFD
Partnerorganisation /-en
- PO
1
1. Einleitung
Um der großen Nachfrage junger Erwachsener nach
entwicklungspolitischen
Auslandsaufenthalten zu Anfang des Jahrtausends gerecht zu werden, wurde 2007
schließlich der entwicklungspolitische, internationale Freiwilligendienst weltwärts
durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) gegründet. Die Beliebtheit internationaler Freiwilligendienste (IFD) speist sich
aus der „verstärkte[n] Mobilität junger Menschen und der damit einhergehenden
Reiselust, die mit etwas Sinnvollem verbunden werden soll“ (Haas 2012, S. 1).
Junge Erwachsene sollen sich bei weltwärts durch die Zusammenarbeit und dem
Austausch mit Menschen aus dem Globalen Süden weiterbilden und nach ihrer
Rückkehr dem entwicklungspolitischen Bereich idealerweise erhalten bleiben.
Weltwärts dient also auch der Nachwuchsförderung bezüglich der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) und Entwicklungspolitik (EP). Vom Januar des Jahres 2008 an
bis heute reisen Freiwillige, meist junge AbiturientInnen, im Rahmen von weltwärts,
zunächst unter dem Motto „Lernen durch tatkräftiges Helfen“ (Haas 2012, S.20) in den
Globalen Süden, um dieses in die Tat umzusetzen. Der aktuelle Schwerpunkt des
Dienstes liegt auf dem Lernen durch die Begegnung und Zusammenarbeit mit den
Menschen aus den sogenannten Partnerländern (vgl. weltwärts 2014a, S. 2).
Doch der IFD muss sich regelmäßiger Kritik, z.B. von Seiten der sog. postkolonialen
Wissenschaften, stellen. So wird weltwärts beispielsweise dafür kritisiert, dass es sog.
neokoloniale Tendenzen aufweist (vgl. Haas 2012, S. 87), was kurz gesagt bedeutet,
dass Herrschaftsmuster und Ungleichheitsverhältnisse der Kolonialzeit zwischen
Globalem Norden und Süden, die auf Rassismus beruhen, im Hier und Jetzt
reproduziert werden. In der folgenden Ausarbeitung soll sich diesem Sachverhalt
angenähert und analysiert werden, inwiefern weltwärts, als ein Beispiel der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit, Rassismus und soziale Ungleichheit reproduziert.
Kapitel zwei widmet sich zunächst dem Themenfeld der IFD in Deutschland, vor allem
weltwärts. Es erfolgt eine Zuordnung zur EZ. Kapitel drei setzt sich folglich mit
einigen Theorien, besonders aus dem Feld der postkolonialen Theorie auseinander, die
zur Untersuchung von weltwärts auf seine Ungleichheit und Rassismus (re-)
produzierenden Potenziale hin hilfreich sein können (Kapitel 3). Danach folgt in
Kapitel vier die Analyse, während in Kapitel fünf ein Fazit gezogen wird. Insgesamt
erfolgt eine Orientierung an der Gliederung von Haas (2012) und Kontzi (2015).
2
2. Internationale Freiwilligendienste: Eine Form von bürgerschaftlichem
Engagement und Entwicklungszusammenarbeit – Theoretische Annäherung
an Internationale Freiwilligendienste
Beim
Betrachten
der
einschlägigen
Literatur
können
sich
internationale
Freiwilligendienste beispielsweise innerhalb zweier übergeordneter Themenfelder
wiederfinden:
dem
des
bürgerschaftlichen
Engagements
und
dem
der
Entwicklungszusammenarbeit. Beispielsweise bezeichnet sich weltwärts als einen
„entwicklungspolitischen Freiwilligendienst“ (z.B. BMZ 2014a,
S. 3), woran die
Zugehörigkeit zu beiden Themenfeldern deutlich wird. Das Unterkapitel 2.1 beschäftigt
sich folgend genauer mit dem Begriff der internationalen Freiwilligendienste und stellt
diesen in Zusammenhang mit bürgerschaftlichen Engagement. Punkt 2.2 beschäftigt
sich wiederum mit dem Zusammenhang zwischen Entwicklungszusammenarbeit und
-politik mit internationalen Freiwilligendiensten ehe in Kapitel 2.3 eine abschließende
Definition von internationalen Freiwilligendiensten erfolgt. Kapitel 2.4 stellt zuletzt
den IFD weltwärts genauer vor, da dieser im Zentrum der Analyse stehen wird.
2.1 Internationale Freiwilligendienste (IFD) als eine Form bürgerschaftlichen
Engagements
2.1.1 Bürgerschaftliches Engagement
Bevor dem Sachverhalt auf den Grund gegangen wird, dass Freiwilligendienste im
Allgemeinen eine „besondere Form des bürgerschaftlichen Engagements“ sind (Fischer
2011, S. 54), ist es von Nöten, den Terminus „bürgerschaftliches Engagement“ näher zu
beleuchten. Es handelt sich hierbei um eine komplexe Begrifflichkeit, deren Grundzüge
und wichtigste Merkmale aufgezeigt werden. Für darüber hinausgehende Informationen
wird an dieser Stelle auf die angegebene Literatur verwiesen.
Bürgerschaftliches Engagement kann mit dem Begriff des „freiwilligen Engagements“
weitestgehend gleichgesetzt werden (Enquete-Kommission, Deutscher Bundestag 2002,
S. 73). Beide Termini beziehen sich laut der Enquete-Kommission „Zukunft des
bürgerschaftlichen Engagements“ auf den Status der Bürgerin bzw. des Bürgers und der
damit verbundenen Freiheit, sich engagieren zu können (und nicht zu müssen). Die
3
freiwillige Entscheidung, sich bürgerschaftlich zu engagieren, ist hierbei nicht als
„beliebige Wahlhandlung“ gemeint, sondern als eine „frei von einem gesetzlich
geregelten Zwang“ getroffene Entscheidung (ebd. 2002, S. 73). Es wird sichtbar, dass
die Begriffe des freiwilligen/bürgerschaftlichen Engagements in Verbindung mit der
Identität als Bürgerin und Bürger und mit dem Gedanken der Bürgergesellschaft
einhergehen. So stellen bürgerliche, politische und soziale Rechte, wie z.B., allgemein
gesagt, Grund und Freiheitsrechte, die Grundvoraussetzung von freiwilligem
Engagement dar (vgl. ebd. 2002, S. 75 f). Damit einher geht der Begriff der „aktiven
Bürgergesellschaft“ 1. So wird argumentiert, dass demokratische Bürgerschaft mit dem
Anspruch der „aktiven Teilhabe“ verbunden ist, welcher z.B. folgende Elemente
beinhaltet: Die Bereitschaft, „sich informiert in die politische Willensbildung
einzumischen, sich an Wahlen und Abstimmungen zu beteiligen sowie öffentliche
Aufgaben und Ämter zu übernehmen“ (ebd. 2002, S. 76). Letzteres Element beinhaltet
das bürgerschaftliche Engagement.
Allgemein kann gesagt werden, dass bürgerschaftliches Engagement freiwillig, nicht
auf materiellen Gewinn gerichtet und gemeinwohlorientiert ausgeübt wird. Zudem
handelt es sich um öffentliches bzw. im öffentlichen Raum stattfindendes und um i.d.R.
gemeinschaftlich/kooperativ ausgeübtes Engagement (vgl. Enquete Kommission,
Deutscher Bundestag 2002, S. 86 f).
Weiter kann freiwilliges Engagement als Ehrenamt verstanden werden, wobei im
Vergleich zum übrigen freiwilligen Engagement zusätzlich folgende Kriterien erfüllt
sein müssen: Eine stärkere Formalisierung durch genauere Regeln und Pflichten. Es ist
meist über einen längeren Zeitraum angelegt (vgl. Haas 2012, S. 16).
2.1.2
Verortung
(internationaler)
Freiwilligendienste
im
Bereich
des
bürgerschaftlichen Engagements
Wie oben bereits angedeutet, handelt es sich bei internationalen sowie nationalen
1 „Bürgergesellschaft ist die Vision einer politischen Gemeinschaft, in der nicht allein oder vorrangig
der Staat und seine Institutionen für die Zukunft der politischen Gemeinschaft Verantwortung tragen.
Bürgergesellschaft heißt, sich von der Allzuständigkeit des Staates zu verabschieden, zuzulassen und
zu fördern, dass Bürgerinnen und Bürger in größerem Maße für die Geschicke des Gemeinwesens
Sorge tragen (Enquete Kommission, Deutscher Bundestag 2002, S.76). Dazu müssten „die Kräfte
bürgerschaftlicher Selbstorganisation“ gestärkt und sich von „der Vorstellung einer
Staatsgesellschaft“ verabschiedet werden und es bedeute ferner auf lokaler Ebene „eine Öffnung der
Verwaltungen für die Anliegen der Bürger“ und dass diesen Ressourcen zur Verfügung stehen
müssten (Enquete Kommission, Deutscher Bundestag 2002, S. 76).
4
Freiwilligendiensten laut Fischer um eine „besondere Form des bürgerschaftlichen
Engagements“ (Fischer 2011, S. 54), was auch §1 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung
von Jugendfreiwilligendiensten (JFDG) zu entnehmen ist. Das Spezifische im
Gegensatz zu einem anderweitigen freiwilligen Engagement besteht hiernach darin,
dass Freiwilligendienste verbindlichen und formalen Regeln unterliegen (ebd. 2011,
S.1), was ebenfalls dem JFDG (§ 11) zu entnehmen ist. Haas verweist hierbei auf den
Begriff „Dienst“, welcher dieses Charakteristikum impliziere. So könne man
Freiwilligendienste als „frei williges Dienen“ verstehen (Haas 2012, S. 16); die stärkere
Formalisierung des Engagements weise folglich eine Nähe zum von der Enquete
Kommission definierten Ehrenamtsbegriff (s.o.) auf (vgl. ebd., S. 17). Ein IFD weist
auch andere Charakteristika vom oben beschriebenen bürgerschaftlichen Engagement
auf: So findet ein IFD im öffentlichen Raum statt, „ist gemeinwohl- und Non-Profit
orientiert und bringt eine Verbindlichkeit mit sich“ (Haas 2012, S. 19). Die Kriterien
der Gemeinwohlorientierung und des öffentlichen Raums seien hierbei in zweierlei
Sinn zu betrachten: Da sich Freiwillige z.B. des Dienstes weltwärts, auf Basis ihrer
gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse, nach ihrer Rückkehr in das Heimatland dort
weiter bezüglich entwicklungspolitischer Bildung engagieren sollen, findet das
Engagement also in zweierlei öffentlichen Räumen statt und ist sowohl auf das
Partnerland, als auch auf das Entsenderland bezogen gemeinwohlorientiert (vgl. Haas
2012, S. 19).
Weitere Eigenschaften von Freiwilligendiensten im Allgemeinen ist die vorab
festgelegte Dienstdauer (Fischer 2011, S. 54)2.
Fischer macht zwei Distinktionsmerkmale für Freiwilligendienste aus. Zum einen kann
unterschieden werden, um welchen „inhaltlichen Schwerpunkt der Einrichtungen“ es
sich handelt (ebd. 2011, S. 54). So kann hier in z.B. soziale, ökologische, kulturelle
oder
entwicklungspolitische
Projekte
unterteilt
werden,
was
sich
auch
in
unterschiedlichen Formaten - wie dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ), Freiwilligen
2 Im Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten (JFDG) welches insbesondere das
Freiwilligendienst-Format Freiwilliges Soziales bzw. Ökologisches Jahr regelt (FJS bzw. FÖJ) und
dem Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG), welches den Bundesfreiwilligendienst (BFD) regelt,
können einheitliche Regeln für die Dienste ausfindig gemacht werden. So schreiben § 5 Abs. 1
verbunden it §6 Abs. 2 des JFDG sowie §3 Abs. 2 BFDG fest, dass der jeweilige Freiwilligendienst
„in der Regel für eine Dauer von zwölf zusammenhängenden Monaten geleistet“ wird. Die
Mindestdauer beträgt demnach hingegen 6 Monate.
Die Dienste müssen gemäß des § 2 Abs. Nr. 1 JFDG „vergleichbar einer Vollzeitbeschäftigung“
ausgeübt werden. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 des BFDG muss hingegen ein Bundesfreiwilligendienst
zwar ebenfalls wie eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt werden, bei einem Alter über 27 Jahren kann
der Dienst jedoch auch lediglich über 20 Stunden die Woche betragen.
5
Ökologischen Jahr (FÖJ), FSJ im Sport, FSJ in der Politik oder einem solchen in der
Denkmalpflege – ausdrückt (ebd. 2011, S. 54).
Die zweite wichtige und besonders für vorliegende Arbeit relevante Unterscheidung ist
die in nationale oder internationale Freiwilligendienste (ebd. 2011, S. 54).
2.2 Internationale Freiwilligendienste und Entwicklungspolitik/ -zusammenarbeit
Bevor in Kapitel 2.3.1 – analog zur Verortung im Bereich des bürgerschaftlichen
Engagements - die Zusammenhänge von internationalen Freiwilligendiensten mit dem
Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und -politik (EZ/EP) gezeigt und erörtert
werden, wird die Leserin bzw. der Leser erneut zunächst mit Grundkenntnissen,
diesmal über den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, vertraut gemacht.
Die Entwicklungszusammenarbeit und -politik der Bundesrepublik Deutschland
unter dem Postulat der nachhaltigen Entwicklung
Der deutsche Politikwissenschaftler Uwe Andersen teilt die Entwicklungspolitik (EP)
bezogen auf die staatliche Gesamtpolitik der Außenpolitik zu (vgl. Andersen 2013). Er
bezeichnet die EP als „multifunktionale Querschnittsaufgabe“, da sie primär „im
Schnittpunkt der Außen- und Wirtschaftspolitik“ liege und zudem Finanz-,
Forschungs-, Technologie, Agrar- und Umweltpolitik eine Rolle spielen (Andersen
2013).
Ergänzend hierzu können Kevenhörster und van den Boom herangezogen werden,
welche das Politikfeld der Entwicklungspolitik als ein „Hybridwesen“ bezeichnen, da
es sich nicht klar von anderen Politikfeldern abgrenzen lasse, sondern vielmehr eine
„Gemengenlage aus vielerlei Quellen [ist], die sich im Regelfall nur additiv darstellen
lassen“ (Kevenhörster/ van den Boom 2009, S. 13). So finde Entwicklungspolitik in
vielerlei Teilbereichen statt, wie z.B. der Außenpolitik, (Außen-) Wirtschaftspolitik,
Migrations- und Umweltpolitik, Ethnologie und Anthropologie und naheliegender
Weise der Entwicklungszusammenarbeit. Entwicklungszusammenarbeit kann also als
Facette der Entwicklungspolitik gesehen werden und wird erklärt als „das Bündel an
Maßnahmen,
Projekten
und
Programmen
der
Institutionen
staatlicher
und
nichtstaatlicher Entwicklungsarbeit, deren Ziel es ist, in Ländern mit signifikanten
ökonomischen, sozialen, ökologischen und politischen Problemen eine Verbesserung
der Lebensumstände für eine Mehrheit der Bevölkerung zu erreichen“ (ebd. 2009, S.
13).
6
Andersen, Kevenhörster und van den Boom machen diesbezüglich auf die
Vieldeutigkeit des Entwicklungsbegriffs aufmerksam, dessen Auslegung mit den
Zielen
und
Maßnahmen
von
(internationaler)
Entwicklungspolitik
und
-zusammenarbeit einher geht.
Entwicklung wurde in der Historie der Entwicklungszusammenarbeit verschieden
interpretiert und ausgelegt: So wurde Entwicklung in den 1950er Jahren von den
Vereinten Nationen mit wirtschaftlichen Wachstum gleichgesetzt. Das aus ihm
resultierende steigende Einkommen würde allen Gesellschaftsteilen zugute kommen,
„weiche Ziele“ wie Bildung, aus der Umsetzung der „harten“ Ziele bezüglich der
Wirtschaft resultieren. Grundgedanke hierbei sei gewesen, dass es „eine historisch
vorgegebene Entwicklung“ gäbe, historische oder kulturelle Rahmenbedingungen
wurden nicht als Faktoren angesehen (Kevenhörster/ Van den Boom 2009, S. 19).
In den 60er Jahren forderten, aufgrund ausbleibender sozialer Entwicklungsfortschritte,
Modernisierungstheorien auch Investitionen in die Bereiche der Ernährung,
Gesundheit,
Bildung,
Unterentwicklung
als
Politik
Folgen
und
Verwaltung;
„der
Dependenztheorien
internationalen
sahen
Arbeitsteilung
im
Spannungsverhältnis zwischen Zentrum und Peripherie“ (ebd. 2009, S. 20).
Nach der Grundbedürfnisstrategie in den 1970ern, mit der Verbesserung der
Lebensbedingungen
bezüglich
Ernährung,
Gesundheit,
Wohnen,
Bildung,
Beschäftigung
als
Ziele, orientiert sich
dieEntwicklungszusammenarbeit
und
-politik seit den 1980er
Jahren am Begriff der
„nachhaltigen
Ent-
wicklung“ (siehe Abbildung 1) (ebd. 2009,
S. 20). Kevenhörster
und van den Boom
machen darüber hinaus
vier Dimensionen
Abbildung 1: Quelle: Kevenhörster/ van den Boom 2009, S. 22
f
entwicklungspolitischer Zielsetzung aus: 1. soziale Gerechtigkeit (armuts-mindernde
7
Rahmenbedingungen und sozialer Ausgleich) 2. wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
(armutsorientiertes Wachstum und wirtschaftliche Zusammenarbeit) 3. politische
Stabilität (Frieden, Menschen-rechte, Demokratie, Gleichberechtigung)
4.
ökologisches
Gleichgewicht
(Bewahren
der
natürlichen
Ressourcen
als
Lebensgrundlage)(ebd. 2009, S. 32).
Die verschiedenen Auslegungen von Entwicklung und deren Anwendung im
entwick-
lungspolitischen Bereich werden in den Sozialwissenschaften der postkolonialen
Theorie stark kritisiert. Hierauf wird in Kapitel 3.3.3 genauer eingegangen werden.
2.3 Internationale Freiwilligendienste: Grundlegendes über die verschiedenen
Formate
2.3.1 Begriffliche Bestimmung als „entwicklungs-“ und „bildungspolitisch“
Unter den
internationalen Freiwilligendiensten werden einige als „entwicklungs-
politisch“ tituliert bzw. titulieren sich mit dieser Bezeichnung selbst, im Zuge mit
anderen hingegen wird diese Bezeichnung nicht herangezogen. In Zusammenhang mit
der Bezeichnung „entwicklungspolitisch“ nennen z.B. Krüger und Volkmann (2014, S.
450) folgende zwei Dienste: Zum einen den Internationalen Jugendfreiwilligendienst
(IJFD), welcher der Verantwortung des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (BMFSFJ) obliegt und von diesem finanziell unterstützt wird.
Zweiter stellt der für diese Ausarbeitung relevante Freiwilligendienst weltwärts dar,
welcher sich selbst als „entwicklungspolitischer Freiwilligendienst“ bezeichnet, vom
Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
organisiert und finanziert wird und auch in seinen Leitlinien wesentliche Elemente von
Entwicklungszusammenarbeit enthält (weltwärts wird in Kapitel 2.4 genauer
vorgestellt)3. Die Zielgruppe beider Formate sind zwischen 18 und 26 Jahre junge
Menschen und der Zeitraum des freiwilligen Einsatzes kann über sechs bis 24 Monate
gehen. Zudem findet eine pädagogische Begleitung der Dienste durch verpflichtende
Seminare statt. Geleistet werden diese Dienste laut Krüger und Volkmann i.d.R. in
Ländern des Globalen Südens oder post-sowjetischen Ländern (vgl. Krüger/ Volkmann
2014, S. 450).
So heißt es in der Förderrichtlinie von „weltwärts“, dass der Dienst in
„Entwicklungsländern/ Gebieten“ stattfindet (vgl. BMZ 2014a, S. 3). Bezüglich des
3 2013 betrug die Förderung von weltwärts aus Mitteln des BMZ 23,5 Million Euro. 2012 war das
BMZ mit 6,0995 Milliarden Euro der größtr Geldgeber für Entwicklungszusammenarbeit (Anteil von
60,6%) (vgl. BMZ 2014b, S.7).
8
IJFD ist jedoch anzumerken, dass dieser nicht auf Länder des Globalen Südens fixiert
ist, die Leitlinien des Dienstes geben keine Begrenzung vor. Auch gemäß einschlägiger
Informationsquellen wie z.B. der Initiative Engagementförderung junger Erwachsener
im Ausland oder des Internationaler Bundes (welcher auch anerkannter Träger z.B. für
den IJFD oder „weltwärts“ ist), kann der Dienst weltweit erfolgen, nicht jedoch in
aktuellen Kriegs- oder Krisengebieten (vgl. Initiative Engagementförderung junger
Erwachsener im Ausland: IJFD, 2015/ Internationaler Bund: Internationaler
Jugendfreiwilligendienst (IJFD), o.D.).
So findet der IJFD also nicht zwangsläufig (wie im Vergleich weltwärts) in
„sogenannten Partnerländern der deutschen EZ statt“ (AKLHÜ 2013, S. 8). Die
Richtlinien des IJFD benennen keinen Bezug zur Entwicklungszusammenarbeit als
Voraussetzung der Träger, wobei in Punkt 3 („Profil der Einsatzstellen und
Aufnahmeorganisationen“) der Förderlinien von weltwärts ein solcher manifestiert ist
(BMZ 2014a, S. 6). Es kann darauf geschlossen werden , dass der IJFD deswegen nicht
- z.B von den Bundesministerien sowie vielen einschlägigen Organisationen - als
entwicklungspolitisch tituliert wird.
Im Vergleich zu den von Krüger und Volkmann als „entwicklungspolitisch“ titulierten
Freiwilligendiensten weltwärts und dem IJFD werden andere internationale
Freiwilligendienste, wie der Europäische Freiwilligendienst (EFD) oder kulturweit,
von den beiden AutorInnen weniger als „entwicklungspolitisch“ angesehen (vgl.
Krüger/ Volkmann 2014, S. 450). So beruhen diese internationalen Freiwilligendienste
„nicht im gleichen Maß auf ökonomischen und lebensweltlichen Differenzerfahrungen,
wie sie im Rahmen eines entwicklungspolitischen Einsatzprojektes gemacht werden
können.“ (ebd. 2014, S. 450).
Entwicklungspolitische Elemente können sich jedoch, aller Differenzierungen zum
Trotz, in jeder Form von IFD wiederfinden. So befassen sich AutorInnen des glokal
e.V. mit entwicklungspolitischer Bildungsarbeit. Diese fokussiere sich zur Zeit
hauptsächlich auf die Ansätze des „Globalen Lernens“ und der „Bildung für
nachhaltige Entwicklung“, welche sich inhaltlich auf
„Interkulturelle() Pädagogik,
Menschenrechtsbildung und Umweltbildung.“ beziehen (Danielzik/ Kiesel/ Bendix
2013, S. 8). Hierbei stehen, zusammengefasst gesagt, „Fragen der Nord-SüdBeziehungen“ im Vordergrund, „wobei dabei die Vision formuliert wird, zu einer
gerechten Welt ohne Armut beitragen zu wollen.“ (ebd. 2013, S. 8).
9
Die entwicklungspolitische Bildungsarbeit ist insofern relevant für internationale
Freiwilligendienste,
als
dass
deren
(Pflicht-)Seminare
eine
Form
von
entwicklungspolitischer Bildungsarbeit sind (neben Beispielsweise dem Schul- oder
Hochschulbereich). In diesem Zusammenhang werden neben dem Freiwilligendienst
weltwärts auch das FSJ, FÖJ und kulturweit genannt (ebd. 2013, S. 10). Die
entwicklungspolitische
Bildungsarbeit
werde
zudem
„fast
ausschließlich
aus
entwicklungspolitischen Mitteln des Bundes, der Länder und der Kirchen“ finanziert
(ebd. 2013, S. 10).
2.3.2
Zusammenfassende
und
allgemeine
Definition
von
internationalen
Freiwilligendiensten
Wie die Verortung von IFD in den Bereich des bürgerschaftlichen Engagements (2.1)
sowie der Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit (2.2) gezeigt haben, sind
internationale Freiwilligendienste eine Form von freiwilligem/ bürgerschaftlichem
Engagement,
einige
Formate,
besonders
weltwärts,
darüber
hinaus
von
Entwicklungszusammenarbeit. Bezüglich dieser zeigt sich, außer beim klar
zuordenbaren entwicklungspolitischen Freiwilligendienst weltwärts, dass eine klare
Zuordnung aufgrund verschiedener Kriterien schwierig sein kann. So kommt es z.B
beim IJFD darauf an, in welchem Land und in welchem Projekt der Dienst stattfindet.
Verschiedene anerkannte Entsendeorganisationen (staatliche oder nicht-staatliche)
bieten jeweils verschiedene Formate internationaler Freiwilligendienste, wie z.B.
weltwärts oder den IJFD, an (vgl. AKLHÜ 2014, S. 5; AKLHÜ 2013, S. 3). Die
Entsendeorganisation stellt für die BewerberInnen i.d.R. auch den Erstkontakt zu
Einsatzstellen im Gastland her und verantwortet die in allen IFD stattfindende
pädagogische Begleitung, wie z.B. Seminare (vgl. Haas 2012, S. 19). Konkret wird im
Gastland Kontakt zu einer Partnerorganisation hergestellt, in deren Projekt die/der
Freiwillige dann teilnimmt (vgl. AKLHÜ 2013, S. 4). Diese ist für die pädagogische
Begleitung vor Ort zuständig. Entsendeorganisationen können sich von ihrem
Selbstverständnis, welches die jeweiligen Schwerpunkte setzt, unterscheiden. So
können
diese
sich
z.B.
als
religiös
oder
weltlich
verstehen
und
z.B.
„Völkerverständigung“ oder den „Einsatz für den Frieden oder die 'Eine Welt'“ als
Schwerpunkt haben (Christ und Fischer 2011, S. 13 zit. n. Haas 2012, S. 19).
IFD grenzen sich „damit zu anderen Auslandsaufenthalten wie Praktika, Au-Pair oder
Workcamps“ (Haas 2012, S. 19) ab und setzen i.d.R. keine abgeschlossene
10
Berufsausbildung voraus, wie z.B. bei Fachkräften der Entwicklungshilfe der Fall. (vgl.
ebd. 2012, S. 19; AKLHÜ 2014, S. 3). Deshalb kann auch
nicht von sog.
Entwicklungsdiensten gesprochen werden (vgl. Haas 2012, S. 19)4.
Haas verweist auf zwei wichtige Eigenschaften von IFD. Zum einen finden in diesen
„inhärente Wirkungsgefüge“ (Haas 2012, S. 22) statt. Jörn Fischer spricht hier von
Dyaden aus Bewirken und Bewirkt-Werden, was im Falle von weltwärts heißt, dass die
Freiwilligen einerseits einen Nutzen erreichen, andererseits selbst Lernerfahrungen
machen sollen (vgl. Fischer 2011, S.56). Als Beispiel hierfür nennt Haas den damaligen
weltwärts-Slogan „Lernen durch tatkräftiges Helfen“ (Haas 2012, S. 20). Dem
aktuellen weltwärts-Flyer ist eine ähnliche Logik, zu entnehmen, jedoch wird nicht
mehr von „Helfen“ gesprochen, sondern von Begegnung und zusammenarbeiten:
„Begegne Menschen anderer Kulturen und Lebenswelten, lerne von ihnen und arbeite
gemeinsam mit ihnen im Team“ (weltwärts 2014a, S. 3).
Der zweite Punkt, den Haas anführt, ist, dass IFD, durch ihr Geschehen in einem
größeren (regionalen) Zusammenhang, mit den Konzepten des Kosmopolitismus und
der Global Citizenship einhergehen, welche „versuchen[,] handelnde Personen und
Gruppen in einer globalisierten Welt in diesem größeren Zusammenhang zu verorten.“
(ebd. 2012, S. 19). In diesem Zusammenhang zitiert er Jones, welcher IFD „as part of a
developing global civil society“ sehe (Jones 2011, S. 542, zit. n. Haas 2012, S. 19). Das
heiße laut Haas, dass es hierbei zu untersuchen gelte, „inwiefern sich junge Freiwillige
aus Deutschland als Teil einer europäischen Gesellschaft oder – wie im Fall von
weltwärts – einer Weltzivilgesellschaft wahrnehmen und sich dementsprechend im
Sinne der aufgestellten Prinzipien für diese Einsetzen“ (Haas 2012, S. 19 f). Die
postkoloniale Theorie greife dies ebenfalls auf , stehe diesem Konzept jedoch kritisch
gegenüber (vgl. ebd. 2012, S. 20). Kritische Überlegungen einer Weltzivilgesellschaft
(„Eine Welt“) werden unter der Überschrift „Dichtome Teilung in Geber(-) und
Empfägner (-länder)“ in Kapitel 3.3.3 vorgestellt.
4
Es kann Grundsätzlich zwischen zwei Kategorien von interntionalen Freiwilligendiensten
unterschieden werden: 1. Geregelte Freiwilligendienste, welche auf gesetzlichen Rahmenbedingungen und verbindlichen Richtlinien beruhen und mit Ausnahme des „Andrem Dienst im
Ausland (AdiA)“ öffentlich gefördert werden.
Hierzu gehören u.A. Formate wie AdiA, Europäischer Freiwilligendienst (EFD), Freiwilliges Soziales
oder Ökologisches Jahr im Ausland (FSJ/ FÖJ), der internationale Jugendfreiwilligendienst (IJFD),
kulturweit, weltwärts.
2. Freiwilligendienste auf privatrechtlicher Basis, welche nicht auf gesetzlichen Grundlagen beruhen
sondern auf privatrechtlichen Verträgen und i.d.R. Nicht öffentlich gefördert werden
(vgl. AKLHÜ 2014, S. 5 f).
11
2.3.3 Daten zu verschiedenen Formaten von IFD
2013
wurden
unter
den
sog.
geregelten Freiwilligendiensten die
meisten internationalen Freiwilligen
in einen weltwärts Dienst vermittelt
(3175 Teilnehmer), gefolgt vom IJFD
(2715
Teilnehmer).
Freiwillige
Freiwillige
in
in
Zudem
443
EFD,
344
kulturweit,
48
einen
Freiwillige in ein FSJ sowie 11
Freiwillige in den „Anderen Dienst
im Ausland“. In Abbildung zwei kann
sich der/die LeserIn einen Überblick
über die Verteilung der Freiwilligen
bezüglich
Dienstart
und
Länder
machen.
Bezüglich
dem Alter
der
Frei-
willigen in geregelten IFD ist zu
sagen, dass ca. 89% der 2013
Abbildung 2: Verteilung Freiwilliger nach
vermittelten zwischen 18 und 20
Länder und IFD; Quelle: AKLHÜ 2014, S 15
Jahren alt waren und ca. 11 % 21 Jahre oder älter (vgl. AKLHÜ 2014, S. 10).
Die meisten aller Freiwilligen absolvierten im Jahr 2013 einen IFD zwischen 11 und
13 Monaten (siehe Fußnote 4 der lezten Seite für Abkürzungen; ww 2777 Freiwillige;
IJFD 2371; FSJ/FÖJ 47, kw 193, EFD 228). Die zweitmeisten 6-11 Monate (ww 296,
IJFD 333; FSJ/FÖJ 1; kw 149; EFD 200) (vgl. ebd. 2014, S. 9 f).
Auffällig ist zudem, dass von den 85,2 % der Freiwilligen, welche Angaben zu ihrem
Schulabschluss machten, folgende Anteile Abitur haben: 98,6% bei kw(342
Freiwillige); 96,1% bei ww (2708 Freiwillige); 95,3 % beim EFD (45 Freiwillige);
95,2 % beim IJFD (2391 Freiwillige); 89,6% beim FSJ/ FÖJ (43 Freiwillige).
2.4 Weltwärts genauer betrachtet
Aufgrund dessen, dass der entwicklungspolitische Freiwilligendienst weltwärts, wie
bereits deutlich wurde, der einzige ausschließlich als entwicklungspolitisch zu
verstehende internationale Freiwilligendienst ist und sich die einschlägige Literatur
12
auch zum größten Teil mit diesem beschäftigt, wird auch die Analyse, wie in der
Einleitung bereits gesagt, auf dieses Format beschränken. Dies ist nicht zuletzt dem
limitierten Umfang der Arbeit geschuldet.
2.4.1 Geschichtliches und Allgemeines
Wie vielfach deutlich wurde, versteht sich weltwärts als entwicklungspolitischer
Freiwilligendienst.
Er
wurde
am
3. September
2007 von
der
Entwicklungsministerin Heidemarie Wiedczorek-Zeul (SPD) vorgestellt.
damaligen
Am 17.
Januar des folgenden Jahres wurden die ersten Freiwilligen verabschiedet (vgl. Kontzi
2015, S. 30, Haas 2012, S. 22).
Bereits Anfang des Jahrtausends war der Bedarf für Rahmenbedingungen in Form
konzeptioneller und finanzieller Förderung bezüglich „[t]ausender junger Menschen“,
welche sich „in der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern“ engagieren möchten,
erfasst worden (deutscher Bundestag 2001, S. 1 zit. n. Haas 2012, S. 21). Im Beschluss
14/8006 forderte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, „einen Entwurf für
ein entwicklungspolitisches Jugendprogramm [namens, Anm. d. Verf.] 'Solidarisches
Lernen' vorzulegen“ (Haas 2012, S. 21). Nach dem Einführen eines entwicklungspolitischen Schulaustauschprogramms namens ENSA im Jahre 2005 und einem den
Handlungsbedarf bestätigenden Evaluierungsbericht ein Jahr später beschloss das
BMZ, den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst weltwärts ins Leben zu rufen.
Bis dahin verstärkte sich auch der Trend, zwischen Schule und Studium/ Ausbildung
eine „Pause“ zu nehmen. Der Freiwilligensurvey 2009 betonte zudem die
zivilgesellschaftliche Wichtigkeit von
- von der öffentlichen Hand gegebenen -
Rahmenbedingungen bezüglich freiwilligem Engagement allgemein (vgl. Haas 2012, S.
21).
Dies wird vom BMZ durch die weltwärts-Einführung aufgegriffen, mit dem Ziel, eben
jungen Menschen zwischen 18 und 28 Jahren zu ermöglichen, sich nun unabhängig von
Einkommenssituation im Zeitraum von 6 bis 24 Monaten entwicklungspolitisch
engagieren zu können (vgl. ebd. 2012, S. 21/ Kontzi 2015, S. 31). Dass bis heute
vornehmlich Abiturienten weltwärts Freiwillige sind (2013 waren es mit 2708
Abiturienten 96,1 % aller Freiwilligen), wird in der Analyse aufgegriffen (vgl. AKLHÜ
2013, S. 12).
Die „angestrebte Zielgröße“ (Kontzi 2015, S. 30) belief sich am Anfang auf 10000
Freiwillige pro Jahr, konnte aber bis heute nicht verwirklicht werden, obwohl die
13
Zahlen am Anfang jährlich stiegen: 2008: 2557 Freiwillige; 2009: 3525 Freiwillige,
2010: 4288 Freiwillige (vgl. ebd. 2015, S. 31). 2013 waren es, wie im vorigen
Kapitelabschnitt gezeigt, 3175 Freiwillige. Es erfolgte zunächst eine Pilotphase von
2008 bis 2010 (vgl. ebd. 2015, S. 31).
Im Anschluss an neun Tagungen mit „weltweiten Partnern“ Ende 2012 wurden
Neuerungen und Weiterentwicklungen, basierend auf Handlungsempfehlungen von
Evaluierungsprozessen, umgesetzt (BMZ 2010-2015a). So ergeben sich z.B.
Änderungen bezüglich der Ziele, auf die in Kapitel 2.4.3 eingegangen wird. Zudem
wurde im November 2013 eine Süd-Nord Komponente eingerichtet, die in Kapitel 2.4.4
kurz thematisiert wird (ebd. 2010-2015a).
2.4.2 Zielländer, wichtige AkteurInnen und zugrundeliegende Leitlinien
Der IFD weltwärts kann von deutschen StaatsbürgerInnen oder nicht-“Deutschen“ mit
„dauerhaftem Aufenthalt oder Aufenthaltsrecht bzw. -titel in Deutschland“, welche über
einen „Hauptschul- oder Realschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung,
Fachhochschulreife oder allg. Hochschulreife, oder eine anderweitige Eignung, sowie
entsprechende persönliche Erfahrungen verfügen“ abgeleistet werden (BMZ 2014a, S.
5; siehe hier für weitere Voraussetzungen).
Weltwärts findet in Ländern der OECD/ DAC – Liste der Entwicklungsländer und
-gebiete5 statt (BMZ
2014, S. 3). Dabei sollen „Afrikanische Länder“ besonders
berücksichtigt werden, „da der Zusammenarbeit mit diesen in der Entwicklungspolitik
der Bundesregierung ein hoher Stellenwert zukommt“ (BMZ 2014a, S. 4).
Laut den Förderleitlinien wird der Freiwilligendienst als „Gemeinschaftswerk“ von
BMZ und den „im weltwärts-Programm anerkannten zivilgesellschaftlichen EO
verantwortet“ (BMZ 2014a, S. 3)6. Diese Entsendeorganisationen haben die Aufgabe,
Freiwillige auszuwählen, auf den Auslandsaufenthalt vorzubereiten und eine geeignete
Einsatzstelle zu finden. Außerdem fallen die Betreuung und die pädagogische
5 OECD steht für „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“, DAC steht
für„Development Assistance Committee“ (BMZ 2014a, S: 3).
6 Gemäß den Förderleitlinien gibt es folgende Voraussetzungen für eine Anerkennung von EO:
Gemeinnützigkeit, Sitz in Deutschland. Sie müssen ferner „fachlich, personell, organisatorisch und
auf Grund ihrer Auslandserfahrungen nachweislich in der Lage (…) [sein], ihre Aufgaben und
Verpflichtungen nach Maßgabe (…) [der] Förderleitlinie auf Dauer erfüllen zu können“ sowie „ein
pädagogisches Gesamtkonzept in Einklang mit den Anforderungen (…) [der] Förderleitlinie und dem
weltwärts-Qulitätsanforderungskatalog vorweisen können“ (BMZ 2014a, S. 7). Außerdem müssen sie
„über die Zertifizierung einer für den Freiwilligendienst weltwärts zugelassenen Prüfinstanz verfügen
und, (…) sich über die Mitgliedschaft in einem Qualitätsverbund aktiv am QualitätsmanagementSystem für weltwärts beteiligen“ (ebd 2014, S.7).
14
Begleitung der Freiwilligen während des Dienstes sowie das Kümmern um
Versorgugnsleistungen wie Versicherung und Unterhalt in den Aufgabenbereich der
EO. Sie sind allgemeine Ansprechpartnerinnen für Freiwillige (vgl. Kontzi 2015, S.
31). Für Belange der Programmsteuerung wurde das sog. weltwärts-Sektretariat ins
Leben gerufen, „das die administrativ-finanzielle Umsetzung des Programms sowie die
Kommunikation
mit Entsendeorganisationen [EO], interessierten Freiwilligen und
weiteren Akteur_Innen übernimmt“ (Kontzi 2015, S. 31).
Kontzi betont hierbei die Vielfältigkeit der EO, welche christlich oder weltlich geprägt
sein können, weshalb eine Verallgemeinerung von EO nicht getroffen werden könne.
Weitere Akteurinnen sind die Partnerorganisationen im Gastland. Diese „sind jene
Organisationen, mit denen die Entsendeorganisationen eine sogenannte Partnerschaft
haben und die eine Arbeitsstelle für weltwärts-Freiwillige in einem sogenannten
Partnerprojekt organisieren. Diese stelle muss nicht direkt bei der 'Partnerorganisation
sein, sondern kann auch von einer anderen Organisation angeboten werden“(Kontzi
2015, S. 32).
Die Aufgaben der Partnerorganisationen bezüglich Freiwilliger sind: „fachliche
Einarbeitung und Anleitung“ sowie die Gewährleistung einer „umfassenden Betreuung“
durch Zuteilung eines/r verantwortlichen Mentors bzw. Mentorin, „die/der für die
Freiwilligen gut erreichbar ist“ (BMZ 2014a, S. 6). Zudem soll eine „ - auf Grundlage
klarer Absprachen und Ziele sowie einer schriftlich niedergelegten Vereinbarung - (…)
enge Kooperation mit der EO“ stattfinden, welche z.B. das Miteinbezogen-sein im
Auswahlprozess der Freiwilligen mit sich zieht (BMZ 2014a, S. 6). Ein direkter
Kommunikationsweg zum BMZ ist nicht vorgesehen, Vorschläge und Wünsche seitens
der Partnerorganisationen können also lediglich über die EO eingebracht werden und
zum BMZ gelangen (vgl. Kontzi 2015, S. 33).
2.4.3 Ablauf und (neu formulierte) Ziele des Programms
Kontzi erklärt den Ablauf des Programms anhand der weltwärts-Richtlinie von 2007.
So kann man anhand ihrer Erklärung vier Charakteristika des Programmablaufs
ausmachen:
Die Bewerbungsphase: Zunächst bewerben sich potenzielle freiwillige „entweder direkt
bei den Entsendeorganisationen oder über die Prjektbörse auf der weltwärts-Webseite.“
(Kontzi 2015, S. 33). Anhand verschiedener Kriterien wählen die EO nun die
BewerberInnen aus. Dies erfolgt ohne einen „allgemeingültigen kriterienkatalog“,
15
sondern durch EO spezifische Auswahlverfahren welche oftmals nach einer
schriftlichen Bewerbung Telefoninterviews nach sich ziehen, häufiger jedoch
Vorstellungsgespräche bei der EO (ebd. 2015, S. 33).
Die Phase als angenommene_r Freiwillige_r: Frewillige sollen sich im Inland für ihr
zukünftiges Projekt engagieren, z.B. durch Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit der
Entsendeorganisation (vgl. weltwärts 2013a). Das BMZ übernimmt lediglich 75% der
Kosten, die restlichen Kosten müssen von der jeweiligen Entsendeorganisation
abgedeckt werden (im Durchschnitt ca. 1.800 bis 2.500 Euro), weshalb verschiedene
Organisationen sowie weltwärts die Freiwilligen darauf hinweisen, dass zum
Engagement für die Organisation auch der Aufbau eines Spenderkreises, welcher z.B.
Freunde, Verwandte oder Stiftungen und Unternehmen beinhaltet, gehören kann. Die
Freiwilligen werden häufig darüber hinaus auch dazu angehalten und gebeten, einen
solchen Spenderkreis aufzubauen und Spenden zu generieren (vgl. ebd. 2013)7.
Zur Unterstützung durch das BMZ zählt z.B. ein monatliches Taschengeld von 100
Euro, die Anfallenden Reisekosten, eine Unterkunft, die „ortsüblich“ ist sowie
Verpflegung; Monatlich werden insgesamt bis max. 580 € zur Verfügung gestellt. (vgl.
weltwärts 2013a).
Das Absolvieren von 25 verpflichtenden Seminartagen während der Zeit als
Freiwillige_r ist Pflicht. Oft findet ein neun- bis zehntägiges Vorbereitungsseminar
(z.B. Tipps für Aufenthalt, „interkulturelle“ Schulung) statt; ein Zwischenseminar
während des Aufenthalts soll ca. viertägig (Reflexion des Bisherigen, Planung der
zweiten Hälfte, Austausch mit anderen Freiwilligen) stattfinden. Nach Abschluss des
Dienstes folgt die Nachbereitung des Dienstes (Erfahrungen aufarbeiten, folgendes
Engagement in Deutschland planen) (vgl. Kontzi 2015, S. 34).
Die Rückkehrarbeit ist Teil des Programms und wird mitfinanziert. Ein „Posten mit
einem Finanzvolumen von einer Millionen Euro Jahresetat“ wurde 2009 eingerichtet
(Kontzi 2015, S. 34). Es wird ein „weltwärts-Zertifikat“ ausgehändigt, welches laut
Kontzi als Anerkennung des Engagements, aber auch zur Etablierung der „weltwärtsMarke“ dient (ebd. 2015, S. 35).
In den Leitlinien von 2014 und der weltwärts-Website werden (mit Anlehnung an Haas
7
Es wird auf der einen Seite von weltwärts bekräftigt, dass Spenden keine Voraussetzung sein dürfen
(BMZ 2014a, S. 13). Andererseits wird auf der Website von weltwärts deutlich gemacht, dass die
Entsendeorganisationen oft nicht auf Spenden verzichten können (weltwärts 2013a). Dies wird in
Kapitel 4.1 der Analyse aufgegriffen.
16
2012) drei Oberziele definiert, welche sich in ihrer Formulierung z.T. von denen der
alten Leitlinie von 2007 unterscheiden.
Das Erste auszumachende Oberziel hat sich im Vergleich zu Haas' Ausarbeitung,
welche vor Erscheinen der neuen Leitlinie entstanden ist, wenig geändert. Hier geht es
um die „individuelle[n] Lerneffekte bei den Freiwilligen“ zugunsten verschiedener für
weltwärts entwicklungspolitisch relevanten Kompetenzen (Haas 2012, S. 23). So ist
„ein wesentliches Ziel des weltwärts-Programms (…), junge Menschen an
entwicklungspolitische Fragestellungen heranzuführen, ihr entwicklungspolitisches
Interesse und Engagement zu fördern und einen Freiwilligendienst auf hierfür
geeigneten Einsatzplätzen zu ermöglichen“ (BMZ 2014a, S. 3). In „Entwicklungs- oder
Schwellenländern“ (weltwärts 2013b) sollen die Freiwilligen einen Einblick in Fremde
Kulturen bekommen und es soll darüber hinaus ein Beitrag zur
Verständigung
und
zur
Bewusstseinsbildung
und
„transkulturellen
Akzeptanz
von
Entwicklungspolitischen Zukunftsfragen“ geleistet werden (BMZ 2014a, S. 4). Hierzu
zählen der Erwerb von Sprachkenntnissen sowie von „wichtigen Kompetenzen der
interkulturellen Kommunikation, der sozio-kulturellen Kooperation und soziale[r]
Verantwortung, die insbesondere in einer zunehmend globalisierten Gesellschaft von
großem Wert ist“ (BMZ 2014a, S. 4). Dieser „interkulturelle Austausch“ Diene der
„Völkerverständigung“ (weltwärts 2013b), ferner sollen die Freiwilligen dadurch
lernen „globale Abhängigkeiten und Wechselwirkungen besser zu verstehen“ und ihre
Kultur, Verhaltensweisen und persönlichen Vorstellungen zu Reflektieren (ebd. 2014).
Das zweite Ziel ist folglich, dass durch das Engagement auch die
Partnerorganisationen profitieren sollen. Hier folgten einige Reformulierungen der
Zielsetzung. Während vor den Leitlinien von 2014 noch von der „Hilfe“ und der „Hilfe
zu Selbsthilfe“ bezüglich der Partnerländer die Rede war, wurde der Begriff der Hilfe
vollständig aus den in der Leitlinie und der Website formulierten Zielen verbannt.
Hierbei stehen nun zentrale Elemente von allgemeinem bürgerschaftlichen Engagement
im Mittelpunkt. Z.B. sollen die Freiwilligen „zusätzliche Aufgaben, die die
Organisation ohne das Engagement von Freiwilligen nicht leisten könnte[,
übernehmen]“ (weltwärts 2013b).
Zudem wird angeführt, dass sie „eine neue
Perspektive in das Projekt [einbringen]“ und „in der Arbeit mit jungen Menschen (...)
diesen aufgrund des ähnlichen Alters und ähnlicher Sichtweisen Themen besonders gut
nahebringen [können]“ (weltwärts 2013b). Die Freiwilligen bringen laut weltwärts
somit zusätzliche Angebote in die Organisation und können im Gebiet der Kinder- und
17
Jugendarbeit aufgrund des eigenen jungen Alters nah an der Lebenswelt der Klienten
agieren. Dies sind Punkte, welche z.T. Von Paul-Stefan Roß und Hilli Tries als
essentiell für das Arbeitsfeld von freiwillig Engagierten beschreiben (Roß/ Tries 2011,
S. 9) und auch Haas bestätigt diesen Aspekt, indem er bezüglich der damaligen
Konzeption von weltwärts anmerkt, dass der weltwärts-Dienst auch „mit vielen anderen
Effekten
verbunden
[ist],
die
im
Rahmen
von
bürgerschaftlichem
oder
kosmopolitischem Engagement auch in der Forschung generell als positiv gelten (...)“
(Haas 2012, S. 64).
Zudem soll ein Beitrag „zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Strukturen in den
Partnerländern wie auch Deutschland erreicht werden“ (BMZ 2014a, S. 4), was eng mit
der Idee der Bürgergesellschaft aus Kapitel 2.2.1 einhergeht. Es werde z.B. „die
Vernetzung zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland und den
Partnerländern“ gefördert (ebd. 2014, S. 4).
Bezüglich des dritten Ziels kann erneut Haas' Benennung hinzugezogen werden. Es
geht um „[e]ntwicklungsbezogene und gesellschaftspolitische Effekte im Inland“ (Haas
2012, S. 23). Durch „[d]ie Auseinandersetzung mit dem Engagement vor, während und
nach der Dienstzeit“ (BMZ 2014a, S. 4) , erhielten die freiwilligen „Anregungen und
Anstöße zu einem weiteren entwicklungspolitischen Engagement“ (ebd. 2014a, S. 4).
Der
Freiwilligendienst
soll
einen
Beitrag
zur
„Nachwuchsförderung
im
entwicklungspolitischen Berufsfeld“ leisten (ebd. 2014, S. 4).
Die Zielsetzung sowie die Strukturen von weltwärts, die diesen Zielen zugrunde liegen,
werden aus der Perspektive der postkolonialen Theorie, wie meine Analyse zeigen
wird, dafür kritisiert, dass damit u.A. die Reproduktion von Rassismus und sozialer
Ungleichheit in verschiedenen Facetten einher geht. Vor Beginn der Analyse, werden in
Kapitel 3 zunächst die für diese Analyse nötigen Theorien erläutert.
2.4.4 Die Süd-Nord-Komponente von weltwärts
Seit November 2013 gibt es eine Süd-Nord-Komponente im weltwärts-Dienst,
zunächst in einer dreijährigen Pilotphase. Durch sie ist es auch jungen Erwachsenen aus
dem Globalen Süden möglich, einen Freiwilligendienst über weltwärts in Deutschland
zu machen. Sie wurde eingeführt , „[d]a eine globale Partnerschaft langfristig nur gelingen
kann, wenn sie den gleichberechtigten Austausch in beide Richtungen ermöglicht“ (BMZ
2010-2015a). Im ersten Jahr wurden 150 Plätze angeboten, was nach Aussagen des BMZ
deutlich unter der Nachfrage lag. So wurde eine Erhöhung auf 250 Plätze geplant, deren
18
Umsetzung hier nicht untersucht wird (vgl. ebd. 2010-2015a).
3. Rassismus und soziale Ungleichheit im Spiegel der Postkolonialen
Theorie und die Transnationalisierung sozialer Ungleichheit
In diesem Kapitel werden zunächst Grundlagen bezüglich Rassismus und sozialer
Ungleichheit näher gebracht (3.1) und folgend Grundlagen der postkolonialen Theorie
sowie deren Relevanz für diese Ausarbeitung erläutert werden (3.2). Danach werden
der Leserin bzw. dem Leser wichtige Überlegungen und Konzepte der postkolonialen
Theorie im Kontext von Rassismus und sozialer Ungleichheit nähergebracht (3.3) ehe
in Kapitel 3.4 Folgerungen für die anschließende Analyse geschlossen werden und
damit ein Zwischenfazit gezogen wird.
3.1 Grundlagen
von Rassismus
und
der Transnationalisierung sozialer
Ungleichheit
3.1.1 Rassismus
Allgemeine Definition von Rassismus
Ziai macht zwei Elemente bezüglich Rassismus aus: Zum einen das der Rassifizierung,
zum anderen das der Legitimation der Ungleichheit (Ziai 2013, S. 23). Erstes Element
wird wiederum in einer Rassismusdefinition von Imam Attia deutlich.
Nach diesem meint Rassismus die Konstruktion von „Menschengruppen entlang von
tatsächlichen oder fiktiven biologischen oder kulturellen Merkmalen“ (Attia 2012, S.
12). Hierbei werden „bestimmte äußerlich sichtbare Merkmale oder kulturelle
Bedeutungen willkürlich herausgegriffen und zu einem natürlichen Unterschied erklärt
(…), der für die Definition einer ganzen Gruppe relevant sein soll“ (ebd. 2012, S. 12).
Als Beispiele für eine rassistische Argumentation nennt Attia z.B. das Verknüpfen von
Hautfarbe und Arbeitsverhalten oder Kopftuch und Paarbeziehung.
Ein wichtiges Merkmal des Rassismus ist somit das Zusammenfassen von
verschiedenen Menschen in eine Gruppe (Homogenisierung) entlang von biologischen
und/ oder kulturellen Merkmalen, welche sich die Personen tatsächlich oder
vermeintlich teilen (ebd. 2012, S. 12).
Ziai spricht dabei von einer „rassischen
Einteilung“ von Menschen in Gruppen, basierend auf dem Gedanken einer
vermeintlichen „natürlichen Ungleichheit“, welche aber keine natürliche Gegebenheit
19
ist, sondern sozial konstruiert wird (Ziai 2013, S. 22).
Wichtig
ist
somit,
dass
die
im
Rassismus
stattfindenden
Verknüpfungen
(vermeintlicher) biologischer und/oder kultureller Merkmale mit bestimmten
(Charakter-)Eigenschaften
wie
z.B.
beim
Beispiel
Hautfarbe-Arbeitsverhalten,
empirisch nicht belegt sondern sogar widerlegt sind8.
Rassismus als Legitimation von Ungleichheit
Ein wichtiges Element des Rassismus ist nach Ziai auch dessen Legitimation von
(sozialer) Ungleichheit. So geht mit der Zuordnung von Menschen „zu einer nach
[vermeintlichen, Anm. d. Verf.] körperlichen oder kulturellen Merkmalen definierten
Gruppe“ und der darauf basierenden Zuschreibung von bestimmten, aus dem Auge des
rassistischen Betrachters mit diesen Merkmalen verknüpften Eigenschaften, eine
ungleiche Verteilung von Ressourcen oder Rechten einher (Ziai 2013, S. 23).
Auch kann Rassismus auf die Zugehörigkeit zu Nationen bezogen sein. So sei eine
rassistische Behauptung, dass „wer Schwarz ist (…), nicht deutsch sein [kann]“ (Attia
2012, S. 12).
Attia verweist diesbezüglich darauf, dass Rassismus Gruppen voneinander Abgrenzt
(Dichotomisierung) und ferner die Funktion hat, „die eigenen Aggressionen und
Privilegien zu legitimieren“ (ebd. 2012, S. 12). Durch Rassismus kann also soziale
Ungleichheit legitimiert werden: Zahlreiche Beispiele finden sich in der Geschichte
des Kolonialismus, wie sich im Verlauf der Ausarbeitung noch zeigen wird. So wurde
die Ausbeutung indigener Bevölkerungen im Zuge der kolonialen Gewaltherrschaft
oder auch die Sklaverei mit dem Ausschluss der betroffenen Kolonisierten aus „der
Kategorie »Mensch«“ oder aus der „Kategorie »Staatsbürger/-in«“ gerechtfertigt
(Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 26).
Die Transformation solcher Rassismus und soziale Ungleichheit produzierenden
kolonialen Praktiken in sog. neokoloniale Praktiken, welche diese Rassismen und
soziale Ungleichheit wiederum reproduzieren wird in Kapitel 3.3 aufgegriffen.
Weltwärts muss folglich auf neokoloniale Denk- und Handlungsmuster untersucht
werden.
8
So führt Georg Elwert bezüglich der rassistischen Argumentation, die auf vermeintliche biologische
Merkmale gestützt ist, an, dass Sozialanthropologen „schon früh“ nachwiesen, dass äußerliche
Merkmale wie Hautfarbe, Haar, Größe und Gesichtsschnitt keine Gemeinsamkeiten zur „psychischen
Kompetenz“ aufweisen (Elwert 2007, S. 276). So können andere Unterscheidungsmerkmale der
Humanbiologie wie z.B. nach Blutgruppe oder Fingerlinien, ebenso wenig über
Charaktereigenschaften aussagen (ebd. 2007, S. 276).
20
3.1.2 Soziale Ungleichheit
Definition von sozialer Ungleichheit im Allgemeinen
Wie deutlich wurde, ging und geht mit Rassismus die Legitimation von Ungleichheit
zwischen Personengruppen und/oder Individuen einher. Solche Ungleichheiten können
verschiedene Charakteristika besitzen, in verschiedenen Art und Weisen stattfinden und
sich auf verschiedene gesellschaftliche Bereiche beziehen. Die Rede ist von sog.
sozialer Ungleichheit, welche z.B. Forschungsgegenstand der Sozialwissenschaften ist.
Laut Nicole Burzans Eintrag im Lexikon Soziologie und Sozialtheorie kann soziale
Ungleichheit als die ungleiche Verteilung zweier allgemeiner Elemente definiert
werden. Zum einen bedeutet soziale Ungleichheit „eine systematische ungleiche
Verteilung von Lebenschancen bzw. Möglichkeiten der Inklusion in Gesellschaft“
(Burzan 2008, S. 306), wobei „Inklusion“ mit Einbindung gleichgesetzt wird. Zum
anderen die ungleiche Verteilung „der Verfügung über gesellschaftlich relevante
Ressourcen“ (ebd. 2008, S. 306). Die gesellschaftliche Relevanz verschiedener
Ressourcen kann, so Burzan weiter, je nach Epoche oder Gesellschaftsform variieren,
muss also „nicht konstant bleiben“ (vgl. ebd. 2008, S. 306 f; ebd. 2014, S. 7). Im Zuge
dessen nennt sie z.B Bildung und materiellen Wohlstand als mögliche relevante
Ressourcen und Merkmale, entlang welcher Ungleichheit ausgemacht werden kann
(vgl. ebd. 2008, S. 307).
Somit ist soziale Ungleichheit gemäß Burzan „eine gesellschaftliche Konstruktion, die
an ihre historische Zeit gebunden ist und nie ,objektiv' sein kann. Modelle sozialer
Ungleichheit geben ihre jeweilige Sichtweise davon wieder, welches wichtige Ursachen
und Merkmale sozialer Ungleichheit sind (materielle wie Besitz und immaterielle wie
z.B. Macht). Sie beantworten aber auch die Frage, ob sich nach diesen Kriterien eine
bestimmte Struktur abgegrenzter Gruppierungen ergibt, und falls ja, welche.“ (ebd.
2014, S. 7). Dies zeigt, dass in der Historie zur Forschung von sozialer Ungleichheit
verschiedene Modelle, zum Beispiel zur Schichtung von Gesellschaft, entstanden sind
und entstehen.
Die Transnationalisierung sozialer Ungleichheit
Soziale Ungleichheit, so resümieren der Soziologe Ulrich Beck und die Soziologin
Andrea Proferl, werde von der Soziologie meist im nationalstaatlichen Kontext
gesehen. Hierbei werden „Untersuchungsgegenstände und Analyseeinheiten (…)
vorwiegend innerhalb nationalstaatlicher Grenzen bestimmt“, ferner halte „auch die
21
internationale Komparatistik (…) mit ihren vergleichenden Zugangsweisen an
nationalstaatlichen Kategorien und Unterscheidungen fest“(Beck/ Proferl 2010, S. 13).
Diesen Prozess titulieren Beck und Proferl mit dem Begriff des „methodologischen
Nationalismus“ (vgl. ebd. 2010, S. 12 f). Mit anderen Worten bedeutet methodologischer Nationalismus das Vorhanden-sein inhaltlicher Lücken in sozialwissenschaftlichen Betrachtungsweisen dadurch, dass auf den Nationalstaat bezogene,
enge „Erkenntnisperspektiven“ dominieren, globale Verflechtungen, „aber auch das
Verhältnis denationalisierender und renationalisierender Prozesse sowie die vielfältigen
Mischformen des Transnationalen und Glokalen“ (ebd. 2010, S. 17) dabei jedoch
weitestgehend außen vor bleiben.
Beck plädiert aufgrund dessen für eine kosmopolitische Soziologie. Diese unterscheide
sich von der auf den Nationalstaat fixierten Soziologie insofern, als dass die
kosmopolitische Soziologie kein „generelles Abstraktum“ voraussetze, welches meist
lediglich „aus dem eigenen – europäischen – historischen Erfahrungszusammenhang“
gewonnen wurde“ (Beck 2010, S. 25).
Essentiell für eine kosmopolitische Soziologie sei, dass der Bezugsrahmen
nationalstaatlicher Ungleichheiten, welcher globale Ungleichheiten legitimiere (vgl.
Beck 2010, S. 32), „seine kognitive Monopolstellung verliert und im Zusammenhang
mit der Transnationalisierung sozialer Ungleichheiten neu vermessen werden muss
(Beck/ Poferl 2010, S. 18)9.
3.2 Rassismus und soziale Ungleichheit im Spiegel der postkolonialen Theorie:
Basiswissen über postkoloniale Theorie
Zunächst wird geklärt, was postkoloniale Theorie bedeutet und warum diese Relevant
für die Ausarbeitung ist.
3.2.1 Über die Relevanz der postkolonialen Theorie für die Ausarbeitung
Wenn die eventuelle (Re-)Produktion von Rassismus und sozialer Ungleichheit im
Kontext von Entwicklungszusammenarbeit der BRD analysiert werden soll, so kann es
Hilfreich sein, eine Theorie heranzuziehen, welche die (Nach-)Wirkungen des
europäischen Kolonialismus aufzeigt und beleuchtet und darüber hinaus aktuelle, sog.
9
Insgesamt müssten „Wer“ und „Was“ Fragen bezüglich sozialer Ungleichheit neu Definiert werden.
„Was“ bezieht sich hierbei auf die „materielle Verteilung von Chancen und Pflichten, Ressourcen und
Risiken, also Einkommen, Bildung, Besitz usw.“ (Beck 2010, S. 30). „Wer“ hingegen darauf, wer
ungleich ist, also auf wen die ungleiche Verteilung bezogen ist (vgl. Beck/ Poferl 2010, S. 30).
22
neokoloniale Herrschaftsstrukturen zwischen Globalem Norden und Süden in den Blick
nimmt. Denn mit der ökonomischen Ausbeutung der kolonisierten einerseits und der
u.A. daraus resultierenden wirtschaftlichen Modernisierung des kolonisierenden
Europas andererseits (vgl. Kerner 2012, S. 24), setzte und setzt das Phänomen des
Kolonialismus zentrale Voraussetzungen für das heutige Leben in einer Globalisierten
Welt, die sowohl inländische sowie transnationale soziale Ungleichheit aufweist. Die
postkoloniale Theorie thematisiert dies und stellt eine „Widerstandsform“ dar, nämlich
„gegen die koloniale Herrschaft und ihre Konsequenzen“ (Castro Varela/ Dhawan 2015,
S. 16). Dabei liefert sie verschiedene theoretischen Ansätze und Konzepte, mit Hilfe
derer rassistische Gedanken, Haltungen, Perspektiven oder Handlungen aus dem
Globalen Norden gegenüber dem
Globalen Süden sowie darauf basierende
Herrschaftsmechanismen ausfindig gemacht, als solche identifiziert und z.B. ihre
Ursachen, Strukturen und Wirkungen analysiert werden können. Castro Varela und
Dhawan fassen diesbezüglich zusammen, dass postkoloniale Theorie „eine Vielfalt [an]
methodologischer
Herangehensweisen
[umfasst],
die
in
einem
ausgedehnten
interdisziplinärem Feld und in den unterschiedlichsten Institutionen zur Anwendung
kommen“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 17f).
3.2.2 Postkoloniale Theorie
Als postkoloniale Theorie (oder auch Postkolonialismus oder postcolonial studies) wird
das Theoriefeld verstanden, welches sich einerseits mit den Nachwirkungen des
europäischen Kolonialismus für die heutige Zeit befasst und darüber hinaus damit,
welche Aspekte des Kolonialismus heute noch in verschiedenen Bereichen der
Gesellschaft reproduziert und aktualisiert werden (Haas 2012, S. 39, Kerner 2012, S.
11)10. Diese Nachwirkungen und Reproduktionen werden untersucht im Hinblick auf
die aus dem Kolonialismus heraus erfolgten „grundlegende[n] Transformationen auf
verschiedenen Ebenen von Gesellschaft, und Kultur (…) sowohl in den ehemaligen
10 Eine Kolonie ist laut den Autoren Jansen und Osterhammel „ein durch Invasion (Eroberung und/oder
Siedlungskolonisation) in Anknüpfung an vorkoloniale Zustände neu geschaffenes politisches Gebilde, dessen
landfremde Herrschaftsträger in dauerhaften Abhängigkeitsbeziehungen zu einem räumlich entfernten
«Mutterland» oder imperialen Zentrum stehen, welches exklusive «Besitz»-Ansprüche auf die Kolonie erhebt“
(Jansen/ Osterhammel 2012, S. 16). Die Autoren unterteilen auch in verschiedene Arten von Kolonien, was
jedoch hier nicht weiter angeführt werden wird.
Kolonialisation ist hingegen „eine Herrschaftsform zwischen Kollektiven, bei welcher die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter vorrangiger Berücksichtigung externer Interessen getroffen
und tatsächlich durchgesetzt werden. Damit verbinden sich in der Neuzeit in der Regel sendungsideologische
Rechtfertigungsdoktrinen, die auf der Überzeugung der Kolonialherren von ihrer eigenen kulturellen
Höherwertigkeit beruhen“ (ebd. 2012, S. 21).
23
Kolonien als auch in den Kolonialländern“ (Haas 2012, S. 39).
Castro Varela und Dhawan argumentieren diesbezüglich, dass Kolonialisation „nicht
ausschließlich Stoff für staubige Geschichtsbücher [ist]“ sondern „spezifische
Unterdrückungsformen (…) durchaus weiterhin aktuell [sind]“ (Castro Varela, Dhawan
2015, S. 16). So stellt postkoloniale Theorie, wie schon angedeutet, eine
„Widerstandsform gegen die koloniale Herrschaft und ihre Konsequenzen“ dar und
sieht in Verbindung dazu die „Komplexitäten und Widersprüche (...) historischer
Prozesse“ (Castro Varela, Dhawan 2015, S. 16).
Zu den wichtigsten BegründerInnen und VertreterInnen zählen Edward W. Said,
Gayatri Chakravorty Spivak und Homi K. Bhabah, welche mit ihren theoretischen
Abhandlungen, allesamt wichtige Beiträge zur Gründung der postkolonialen Theorie
geleistet haben (vgl. Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 18; Haas 2012, S. 40). Der durch
den ersten ghanaischen Präsidenten Kwame Nkrumah geprägte Begriff des
Neokolonialismus entstand vor der wissenschaftlichen Etablierung der postkolonialen
Theorie und wurde von letzterer aufgegriffen und modifiziert (vgl. Haas 2012, S. 41).
Wie der englische Begriff postcolonial studies deutlicher als die deutsche
Begrifflichkeit zeigt, handelt es sich bei postkolonialer Theorie also nicht um eine
einzige theoretische Abhandlung, sondern sie umfasst verschiedene theoretische
Ansätze, die sich kritisch mit den oben genannten Themen befassen, also einem „Set
diskursiver
Praktiken
(…),
die
Widerstand
leisten
gegen
Kolonialismus,
kolonialistische Ideologien und ihre Hinterlassenschaften“ (Castro Varela/ Dhawan
2015, S. 17). Kerner spricht deswegen auch von postkolonialen Theorien, also in der
Mehrzahl,
welche
ein
„disziplinenübergreifendes
und
zunehmend
auch
ein
transdisziplinär organisiertes Beschäftigungsfeld“ darstellen (Kerner 2012, S. 14).
Zudem bezeichnet sie sie als kritische Theorien (vgl. ebd. 2012, S. 12).
Es handelt sich somit um ein „ausdifferenziertes“ Theoriefeld, welches „den Literaturund Kulturwissenschaften entstammt, heute jedoch auch zunehmend von kritischen
Ethnolog_innen, Sozialwissenschaftler_innen, Historiker_innen und Psycholog_innen
bearbeitet wird“ (Haas 2012, S. 39). Weiter fasst Haas zusammen, dass
Postkolonialismus „nicht den Anspruch [erhebt], neue, große Theorien mit
umfassendem Erklärungsanspruch zu entwerfen“, sondern sich eher als „kritisches
Beiwerk zu anderen Disziplinen und Theorien“ sieht (ebd. 2012, S. 39).
Wichtig bezüglich des Begriffs ist, dass das Präfix „post“ im Attribut postkolonial nicht
„nachkolonial“ im Sinne eines abgeschlossenen Kolonialismus meint, sondern vielmehr
24
darauf verweisen soll, „dass es Langzeiteffekte des Kolonialismus gibt, die noch heute
Nachwirken und die Thematisiert werden müssen“ (Kerner 2012, S. 9). Es wird also
davon ausgegangen, „dass der europäische Kolonialismus und die ihn tragenden
Denkmodelle keine historisch abgeschlossenen Formen sind“ (ebd. 2012, S. 11).
Die postkoloniale Theorie umfasst somit z.B. die Themen Rasse, Gender, Armut
Nationalismus, Ethnizität oder mangelnde Rechtsstaatlichkeit in ehemaligen Kolonien
(vgl. Haas 2012, S. 39; Kerner 2012, S. 9). Dabei versucht sie „komplexe Muster von
Macht und Widerstand nachzuvollziehen“ indem „Metropole und Kolonie, Kolonisator
und Kolonisierte in einem gemeinsamen Analytischen Feld“ zusammengebracht
werden (Kerner 2012, S. 41; Stoler/ Cooper 2010, S. 48 zit. n. Kerner 2012, S. 41f)11.
3.2.3 Rassismus als Legitimation von sozialer Ungleichheit im Kolonialismus
Besonders deutlich werden Rassismus und soziale Ungleichheit im Kolonialismus,
wenn die Argumente zur Legitimation kolonialer Praktiken und die damit in
Verbindung stehenden Folgen für die Kolonialisierten in den Fokus genommen werden.
Wie
bereits
in
der
allgemeinen
Definition
angedeutet,
wurden
koloniale
Gewaltherrschaft, welche z.B. den Raub von Land, Ressourcen und Wissen legalisierte
sowie Sklaverei durch den Ausschluss von Menschen aus der „Kategorie »Mensch« später dann [aus] der Kategorie »Staatsbürger/-in«“ legitimiert (Castro Varela/ Dhawan
2015, S. 26). Eine Gemeinsamkeit im Hinblick auf die Heterogenität der
Kolonialisation sind eben diese „Herrschaftsbeziehungen, die mit physischer,
militärischer, epistemologischer und ideologischer Gewalt durchgesetzt und über
>Rasse-<
und Kulturdiskurse legitimiert wurden“ (ebd. 2015, S. 27).
Durch diese (aus heutiger Sicht) definitiv als rassistisch zu bezeichnende
Argumentation wurden die kolonialen Gräueltaten als Zivilisierungsmission präsentiert
und legitimiert, in der die europäische Norm für universal erklärt wurde (vgl. Castro
Varela/ Dhawan 2015, S. 37) und im Rahmen derer die Kolonisierten gegen ihren
Willen und aus einer rassistischen europäischen Sicht 'zivilisiert' und 'modernisiert'
11 Postkoloniale Theorie wird jedoch auch kritisiert. So ist ein Argument, dass Postkolonialismus ein
„[']catchall term['] geworden sei, hinter dem sich keine definierte Denkschule verbirgt“ (Haas, 2012,
S. 40). Ein anderer kritischer Einwand ist, dass der Postkolonialismus „ein weißes Konzept sei, das –
wenn auch mitbestimmt von Vertreter_innen aus den ehemaligen Kolonien – an westlichen
Universitäten entstand und somit das fortsetzt, was es selbst kritisiert“ (ebd. 2012, S. 40 f). Dem hält
Haas jedoch entgegen, dass sich „GründerInnen“ der postkolonialen Theorie wie Edward W. Said
oder Gayatri Chakravorty Spivak „als VertreterInnen des Globalen Südens wahrnehmen“ und zudem,
dass „eine kritische Selbstreflexion anderenfalls unter keinen Umständen mehr möglich wäre, was
nicht das Ziel der westlichen Wissenschaft sein kann“ (ebd. 2012, S. 40 f).
25
werden sollten (ebd. 2015, S. 38).
Die Ungerechtigkeiten der Kolonialzeit und des Imperialismus wurden zudem juristisch
gerechtfertigt und von vielen Rationalisten, Modernisten und Liberalen in Europa als
Sieg der intellektuellen, wissenschaftlichen und aufgeklärten Europäer über die
„Unterentwickelten“ gesehen, Europäisches Wissen und Technologien dabei „als
Symbole eines wünschenswerten Fortschritts verstanden“ (ebd. 2015, S. 38).
Beispielsweise wurden die Kolonialsprachen wie Spanisch, Englisch oder Französisch
im Hinblick auf die 'zurückgebliebenen' Kolonisierten eingeführt. Hierzu zitieren die
Autorinnen den kenianischen Schriftsteller und antikolonialen Kulturwissenschaftler
Ngugì wa Thiong'o: „Unsere Sprachen wurden unterdrückt, so dass wir, die
Geknechteten, keinen Spiegel hatten, um uns und unsere Feinde darin zu betrachten“
(Ngugi 1995, S. 53 zit. n. Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 38). Diesen Prozess nennt
Ngugi Kulturimperialismus (Castro Varela/ Dhawan 2014, S. 38).
3.3 Rassismus und soziale Ungleichheit im Spiegel der postkolonialen Theorie :
Wichtige Überlegungen der postkolonialen Theorie im Kontext von Rassismus
und sozialer Ungleichheit
Mit den in 3.2 dargestellten theoretischen Grundlagen können jetzt Semantiken der
postkolonialen Theorie, die später bei der Analyse als Kriterien zum ausfindig machen
von (Re-)Produktionen von Rassismus und sozialer Ungleichheit dienen sollen, in den
Fokus genommen werden. Dies ist möglich, da sich, wie hoffentlich bereits deutlich
wurde, die postkoloniale Theorie mit der (Re-)Produktion von Rassismus und sozialer
Ungleichheit in einer post- und neokolonialen Welt beschäftigt.
Hierbei findet, nachdem der grundlegende Term „Neokolonialismus“ definiert wurde,
eine Orientierung an Haas' Gliederung in Neokoloniale Denkstrukturen und
Handlungsmuster statt:
Zunächst wird in Kapitel 3.3.1 der Begriff des Neokolonialismus näher erläutert, stellt
er doch eine wichtige Grundlage für den weiteren Verlauf dieses Kapitels sowie der
gesamten Ausarbeitung dar. Der Punkt 3.3.2 wird allgemeine, zunächst nicht auf die
EZ/EP bezogene postkoloniale Überlegungen, welche neokoloniale Denkmechanismen
zum Thema haben, behandeln. In Punkt 3.3.3 hingegen werden konkrete neokoloniale
Handlungsmuster und Denkweisen in der allgemeinen EZ und EP thematisiert. Das
Handeln von weltwärts und den Freiwilligen muss hinsichtlich neokolonialer
Denkmuster sowie der Reproduktion von in der EZ und EP allgemein gängigen
26
Handlungsmustern, welche nach neokolonialen Logiken verlaufen und (somit)
wiederum soziale Ungleichheit und Rassismus (re-) produzieren, geprüft werden.
Es sei darauf hingewiesen, dass lediglich einige bekannte Ideen der postkolonialen
Theorie aufgegriffen werden.
3.3.1 Neokolonialismus
Neokolonialismus ist ein vom ersten ghanaischen Präsidenten Kwame Nkrumah im
Jahre 1961 geprägter Begriff, welcher noch vor Etablierung der postkolonialen Theorie
in der Wissenschaft entstand und dieser heute zugeordnet wird. Der Kerngedanke des
Konzepts ist, dass die ehemals kolonisierten und nun politisch unabhängigen Länder
nach den Kolonialzeiten immer noch abhängig blieben von den großen Weltmächten,
welche die ehemaligen imperialen bzw. kolonialen Mächte sind, was z.B. an
„internationalen Finanzsituationen oder multinationalen Konzerne[n]“ deutlich wird
(Haas 2012, S. 41).
Nkrumah sieht im Neokolonialismus eine Ausdehnung des Marxschen Klassenbegriffs
auf die internationale Ebene. Haas bezieht sich folglich auf den britischen Historiker
und
postkolonialen Theoretiker
Ernest Young,
welcher
die Aktualität
des
ursprünglichen Neokolonialismus Konzepts anzweifelt, da sich die wirtschaftlichen
Umstände im globalen Geschehen „seit den 1960er Jahren erheblich verändert [haben]“
und nun „viele andere Kräfte (…) in den politischen und ökonomischen Beziehungen
und dem Kräftemessen [mitwirken], die nicht alleine auf die koloniale Abhängigkeit
zurückzuführen sind“ (Haas 2012, S. 41 f).
Dennoch wird deutlich gemacht, dass auch Young allgemein dem zustimmt, dass
Neokolonialismus ein brauchbares Konzept ist, um „forms of colonialist behaviour“ in
der heutigen Zeit zu beschreiben (Young 2008, S. 48 zit. n. Haas 2012, S. 42).
Viele Bereiche der postkolonialen Theorie verfolgten ebenfalls Gedanken in diese
Richtung und es erfolgten Aktualisierungen und neue Auslegungen des Konzepts (vgl.
ebd. 2012, S. 42).
So fasst Haas zusammen: „Die neuen Strukturen nach Nkrumah sind also subtiler und
schwieriger zu identifizieren im Vergleich zu der direkten Kontrolle, der die Kolonien
im klassischen Kolonialismus unterlagen. Die Postkoloniale Theorie und Kritik will
diese neuen, subtilen Abhängigkeiten offenlegen.“ (ebd. 2012, S. 42).
27
3.3.2 Allgemeine neokoloniale Denkweisen
Eurozentrismus und die Universalisierung „europäischer“ Normen
Gemäß dem Fremdwörterduden lässt sich „eurozentrisch“ allgemein übersetzen als
„Europa als Mittelpunkt u. Maßstab betrachtend" (eurozentrisch 2007, S. 422). Eine
eurozentrische Sicht kann verschiedene Bereiche des Denken und Handels betreffen
und somit im Kontext von verschiedenen Mechanismen und Sachverhalten auftreten,
wie die in diesem Abschnitt und dem Punkt 3.3.3 folgenden postkolonialen Ideen
zeigen werden.
In Kapitel 2.2 wurde bereits die Modernisierungstheorie genannt: In dieser wird der
Globale Norden als Maßstab gesetzt und Länder des globalen Südens lediglich als
unterentwickelt und „aufholende“ Länder bezeichnet (Castro Varela/ Dhawan 2015, S.
38). Auch kann der Bereich der Geschichtsschreibung genannt werden. So führt der
indische Historiker Dipesh Chakrabarty an, dass westliche Geschichtenschreibung
„europäische Vorstellungen von Entwicklung, Modernisierung oder auch Kapitalismus
zugrunde legt und auf diese Weise die europäische Geschichte als Maßstab erklärt“
(Kerner 2012, S. 77).
Ohne die Beispiele genauer zu erläutern, sollen sie zeigen, dass der Eurozentrismus ein
„westliche[s] Interpretations- und Handlungssystem ist“, welches nicht-westliche
Gesellschaften und deren Subjekte „unter dem Gesichtspunkt des Mangels“ und des
Defizits gegenüber den als Maßstab dienenden europäischen Normen sieht (Haas 2012,
S. 51). Die als Standard dienende vermeintliche westliche Kultur wird hierbei „durch
universelle Werte definiert, nach deren Maßstab die anderen Regionen der Welt
beurteilt werden (ebd. 2012, S. 51). Subjektive, vermeintlich 'westliche' oder
'europäische' Sichtweisen auf Sachverhalte und Menschen werden also unhinterfragt
und ohne empirisch fundierte Begründung als objektiv und allgemeingültig deklariert,
„westlich/ europäisch“ mit „universal“ gleichgesetzt und die „westliche Kultur“ als
Standard festgeschrieben (Albrecht 2008, S. 184).
Saids Konzept des Orientalismus steht hiermit eng im Zusammenhang. Hier spricht
Said von den „orientalistischen Anderen“, welche jedoch keine „realen Anderen“,
sondern „westlich konstruierte A n d e r e“ darstellen (Haas 2012, S. 51).
In einer eurozentrischen Perspektive wird also nicht versucht, den tatsächlichen
Kontext bezüglich Denkweisen und Handlungen zu sehen, „sondern die europäischen
Wissens- und Herrschaftsinstrumente werden als allgemeingültig und überhistorisch
beschrieben“ (ebd. 2012, S. 51).
28
Neokolonialer und kulturalisierter Rassismus
Die obige allgemeine Rassismus-Definition hat bereits aufgezeigt, dass Rassismus auf
vermeintlich „biologische und rassische“ Merkmale oder aber auf vermeintlich
„kulturelle“ Merkmale gebaut sein kann.
Bezüglich rassistischen Argumentationen, die durch vermeintlich kulturelle Merkmale
gestützt sind, verweist Kontzi darauf, dass bei rassistischen Argumentationen „die
vermeintliche Unüberwindbarkeit historisch gewachsener ,kultureller' Differenzen“
(Kontzi 2015, S. 61) im Mittelpunkt stehe 12. Sie redet von einer sog. Kulturalisierung
von Rassismus z.B. in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, was einen
„Rassismus ohne Rassen“ zur folge hat (Balibar 1990, S. 28 zit. n. Kontzi 2015, S. 61).
Haas erklärt diesbezüglich: „die neuen Formen [von Rassismus] orientieren sich
zunehmend an der kulturellen Markierung `rassischer´ Differenzen, als zuvor an den
biologischen“ (Haas 2012, S. 54).
Er verweist diesbezüglich auf die Kritische Weißseinsforschung, einem Teilgebiet der
postkolonialen Theorie, welche sich mit neokolonialem Rassismus beschäftigt und
durch „zahlreiche empirische Studien“ gezeigt hat, „dass es auch in Deutschland
konstruierte S c h w a r z e Objekte gibt, die stets durch das konstruierte W e i ß e
Subjekt markiert und stigmatisiert werden, wobei letzteres unmarkiert und unreflektiert
bleibt und damit als gesellschaftliche Norm gesetzt wird“ (ebd. 2012, S. 55). Dabei
laufe der Rassismus so implizit ab, „dass er von der Mehrheitsgesellschaft als solcher
nicht mehr wahrgenommen“ werde und sich beispielsweise nicht durch „Neonazis auf
den Straßen“ zeige, sondern „tief in den gesellschaftlichen und politischen Strukturen
verankert“ sei (ebd. 2012, S. 55).
Ein weiteres „immer stärker“ werdendes Phänomen sei der „positive Rassismus“ (ebd.
2012, S.55). Dieser bezeichnet die Rassifizierung anhand positiver Zuschreibungen,
also wenn, „bestimmte [positive, Anm. d. Verf.] Essentialismen zugeschrieben werden,
die auf die R a s s e oder das B l u t zurückgeführt werden“ (ebd. 2012, S. 55). Die
Mehrheitsgesellschaft streite dies ab, halte jedoch an „zahlreichen neokolonialen Denkund Handlungsmustern fest“ (ebd. 2012, S. 55)13.
12 Zum Beispiel kann eine Sichtweise von Kultur als etwas Statischem zur Produktion von kulturellen
Stereotypen führen. Auch können Simplifizierungen stattfinden, indem komplexe Situationen und
(problematische) Sachverhalte rein auf den kulturellen Hintergrund zurückgeführt werden. So müssen
die eigentlich ausschlaggebenden Lebensbedingungen, die zu einem solchen Sachverhalt führen,
gesehen und nicht mit „Kultur“ ersetzt bzw. begründet werden (vgl. Kalpaka 2004, S. 39)
13 Bendix und Danielzik nennen in diesem Zusammenhang den begriff des Exotismus: „Es geht um
Faszination und den Konsum dessen, was sich jenseits des als hektisch, durchstrukturiert und
übertechnologisiert empfundenen Alltags in [in diesem Fall, Anm. d. Verf.] Deutschland bewegt. Von
29
Hierbei wird deutlich, dass Konstruktionen und Imaginationen von Anderen anhand der
unreflektierten und vorurteilsvollen Verknüpfung biologischer Merkmale oder einer
vermeintlich kulturellen Fremdheit mit negativen oder idealisierten Eigenschaften
stattfindet. Darauf resultierende Menschenbilder schreiben sich in Teilen und
Fachgebieten der Gesellschaft fest wie z.B. „explizit in Werbung, Film, Mode, aber
auch weniger offensichtlich in Wissenschaft und Politik“ (Bendix/ Danielzik 2013, S.
36).
3.3.3 Die (Re-) Produktion sozialer Ungleichheit sowie von Rassismus in der
Entwicklungszusammenarbeit anhand neokolonialer Handlungsmuster
Verschiedene
postkoloniale
neokolonialer
Denk-
und
Überlegungen
Handlungsmuster
thematisieren
bezogen
auf
das
den
Vorhandensein
Bereich
der
Entwicklungszusammenarbeit.
Hierzu ist es erneut hilfreich, sich an Haas (2012) zu orientieren. Diese beschreiben
verschiedene neokoloniale (Tendenzen aufweisende) Praktiken der EZ allgemein: die
Universalisierung einer
„westlichen“ Entwicklungsnorm, einen (neo-)kolonialen
Dichtotomierungsprozess sowie die Wissensproduktion und -repräsentation.
Die Universalisierung einer eurozentrischen, „westlichen“ Entwicklungsnorm
Wie der Politikwissenschaftler Karsten Schulz erläutert, befinden sich alle Länder „in
einem permanenten Zustand fortschreitender Entwicklung. Welche Richtung diese
Entwicklung
nimmt
oder
nehmen
sollte,
wird
im
Rahmen
von
sozialen
Definitionsprozessen ausgehandelt“ (Schulz 2013, S. 134). Bezüglich dieser
Normsetzung, als was Entwicklung definiert wird/werden soll, setzt postkoloniale
Kritik an. Die westliche Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit impliziert „eine
Norm, die es [allgemein, Anm. d. Verf.] zu erreichen“ (Haas 2012, S. 47) gelte, ohne
dass gesehen und/oder beachtet wird, dass die Konzepte der EZ und EP „auf
vermeintlich universelle Werte (…)Bezug nehmen“, obwohl diese, so die Kritik,
„vielfach ohne die ernstzunehmende Beteiligung der betroffenen Menschen stattfinden
Menschen aus dem Süden wird Leidenschaft, Sinnlichkeit, Ausgeglichenheit und Kreativität, aus
wenig etwas herzustellen, erwartet. Sie werden so meist auf ihre Körper und Sexualität reduziert und
so beispielsweise für Körperbau- und haltung zu besseren Liebhabern erklärt. Die Projektion von
Ursprünglichkeit, Lebensfreude und Erotik auf Menschen aus dem Globalen Süden ermöglichen, dass
sich Weiße Europäer_innen als Wissende, Lehrende und Helfende inszenieren können“ (Bendix/
Danielzik 2013, S. 37).
30
und von Machteliten
(etwa Entwicklungsexperten oder Funktionären) gesteuert
werden, die im Zweifelsfall für bzw. über die Betroffenen sprechen, aber kaum mit
ihnen“ (Schulz 2013, S. 134). Werte wie Demokratie oder Umweltschutz, so die Kritik
weiter, seien lediglich ein Deckmantel bezüglich anderweitiger Interessen des Globalen
Nordens (vgl. ebd. 2013, S. 134).
Auch im aktuellen entwicklungspolitischen Konzept der nachhaltigen Entwicklung
(Kapitel
2.2)
herrsche
weiterhin
eine
„wachstumsbasierte
Vorstellung
von
Entwicklung“ (Haas 2012, S. 48; vgl. Kontzi 2015, S. 82), die von einer „westlichen
Wirtschaftsvorstellung“ (Haas 2012, S. 47) geprägt ist, „welche sich nach dem 2.
Weltkrieg manifestierte“ und „die Notwendigkeit [beschreibt], den Rest der Welt in
dieses System zu inkorporieren“ (ebd. 2012, S. 47).
Hierbei erfolgt gemäß Haas angelehnt an Kapoor eine Dichotomisierung in homogen
moderne oder traditionelle Kulturen. Zweite seien nach dieser Logik zumindest zum
Teil selbst für deren sozioökonomische Lage verantwortlich (vgl. Haas 2012, S. 48).
Für Haas handelt es sich hierbei um „grobe Dualismen“, welche ebenso wie ein
Verständnis einer „lieneare[n] Evolution von Tradition zur Moderne als überholt gelten
müssen“ (ebd. 2012, S. 48), was durch „die moderne historische Sozialforschung und
die historische Anthropologie der Mentalitäten“ herausgestellt wurde (ebd. 2012, S.
48). Die Gegenüberstellung von ,entwickelt' und ,unterentwickelt' habe letztendlich die
bereits aufgezeigte koloniale Dichotomie von ,zivilisiert' und ,unzivilisiert' abgelöst
(vgl. Kontzi 2015, S. 87).
Bei solchen Verständnissen von Entwicklung wird der Einfluss des Kolonialismus auf
die heutige (neokoloniale) globalisierte Welt, nicht berücksichtigt. Den Ländern des
Globalen Südens wurden durch die ausbeuterischen Praktiken des Kolonialismus
„strukturell ungleiche Handlungsbedingungen“ aufgezwungen; sie wurden folglich „zu
Orten billiger Produktion und des ausbeuterischen Abbaus von Ressourcen“ (Castro
Varela/ Dhawan 2015, S. 85) 14. So kann gemäß Schulz von einem „indirekten Zwang“
(Schulz 2013, S. 135) gesprochen werden, also dass „ die Nationalstaaten des Globalen
14 Z.B. stellt Bettina Roß fest, dass in der transnationalen Kleidungsproduktion „40-60% des
Einzelhandelspreises bei Marken- und Discountfirmen verbleiben, die die Waren kaufen und
vermarkten, aber nicht produzieren. (…) In den Produktionsländern des globalen Südens oder Ostens
wiederum ist sehr häufig zu beobachten, dass sich eine Oligarchie reicher und meist männlicher
Großhändler etabliert, die die Umsetzung der Nachfrage aus den Industrieländern sichern (…). Ca.
20-35% des Preises in der Textilindustrie bekommen diese lokalen Großhändler und Einkäufer. 5-7%
verdienen die lokalen Händler und Vorarbeiter, die direkten Kontakt zu den ProduzentInnen haben
und das Angebot kanalisieren. (…) 0,1-1 % des Preises schließlich bekommen die ProduzentInnen im
globalen Süden/ Osten“ (Roß 2008, S. 82).
31
Südens (…) häufig kaum eine andere Wahl haben – zuweilen sekundiert durch die
amtierenden Machthaber – als der Globalisierung zu folgen“ (Castro Varela/ Dhawan
2015, S. 80).
Unter dem Deckmantel der „Entwicklung“ werde nach den AutorInnen ferner versucht,
„die ökonomisch arme ländliche Bevölkerung unter die Kontrolle des Finanzkapitals zu
bringen“ (Castro Varela/ Dhawan 2010, S. 318) , während z.B. bezüglich ländlicher
Frauen nicht der Versuch unternommen werde, „die infrastrukturellen Bedingungen zu
berücksichtigen und einen wirklich systemischen Wandel anzustreben, der die
ökonomische Verarmung ländlicher Frauen des globalen Südens stoppen könnte“ (ebd.
2010, S. 318).
Wissensproduktion sowie Deutungs- und Repräsentationsmacht
Spivak befasst sich, anknüpfend an die Orientalismus-Thesen von Homi W. Said damit,
wie, warum und von wem Wissen über ,die Anderen' hervorgebracht wird. Dabei
befasst sie sich mit dem Begriff der Subalternität. Subalterne Subjekte seien Gruppen
von Menschen, welche keiner hegemoniellen Klasse angehören und im Gegensatz zu
„dominanten Gesellschaftsgruppen“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 186 f)
eine„fragmentierte Gruppierung [darstellen], die durch mangelnde Autonomie, fehlende
Intellektuelle und durch strukturelle und ökonomische Ausgrenzung gekennzeichnet
[sind]“ (ebd. 2015, S. 186 f).
Subalterne Gruppen können z.B. ländliche Bevölkerungen bzw. Bevölkerungsteile sein
(ebd. 2015, S. 186). So geht es hier um Gruppen in ehemaligen Kolonien, welche dort
über keine Ressourcen verfügten, sich selbst zu vertreten oder ihre Interessen geltend
zu machen (ebd. 2015, S. 188)15.
Im Diskurs über die Subalternen ist folglich wichtig, ob oder wie die Geschichte dieser
rekonstruiert und wie ferner im Namen der heutigen Ausgeschlossenen der
postkolonialen Gesellschaft gesprochen werden kann16. Spivaks Frage diesbezüglich
ist, „inwieweit westliche Intellektuelle oder andere Vertreter_innen [als auch
15 In der Geschichtsschreibung der Kolonialzeit wurden z.B. regelmäßig stattfindende Bauernaufstände
und indigene Widerstandsbewegungen gegen das Feudalsystem als ziellos und kriminell etikettiert.
Zudem wurden autonome antikoloniale Widerstandskämpfe mangels historischen Materials
diskreditiert und strategisch Ausgegrenzt, die Unabhängigkeit von Kolonien als alleiniger Erfolg von
nationalen Eliten dargestellt (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 188).
16 Postkoloniale Theorie befasst sich also auch mit der „Löschung und Verdrängung präkolonialen
Wissens“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 39).und mit der Streitfrage, ob dieses präkoloniale
Wissen noch „unkonterminiert“ freigelegt werden kann oder in seiner präkolonialen Form gelöscht
und/oder nur in durch die Kolonisatoren modifizierter Form aufgefunden werden kann. (vgl. ebd
2015, S. 39).
32
EntwicklungshelferInnen, Anm. d. Verf.] wirklich im Namen der `Arbeiter_innen´ oder
der `Armen´ im globalen Süden sprechen können“ (Haas 2012, S. 49). Denn „[i]hrer
Meinung nach besteht die Gefahr, dass im Prozess der Repräsentation die Stimme der
wirklichen Zeug_innen ignoriert wird, wenn Menschen aus dem Globalen Norden die
Menschen aus dem Globalen Süden repräsentieren (sollen)“ (ebd. 2012, S. 49)17.
Menschen aus dem Globalen Norden werden durch ihre „privilegierte Position“, die
sich aus dem Machtgefälle zum Globalen Süden ergibt, zu einem sog. „Allwissenden
Selbst“ gemacht, „was dazu führt, dass allein die Tatsache der Herkunft aus dem
Globalen Norden die Annahme mit sich bringt, einen Beitrag leisten zu können oder
außerhalb der eigenen Fähigkeit Ratschläge zu erteilen“ (Haas 2012, S. 49 mit Verweis
auf Eriksson Baaz 2005, S. 111)18.
Dichtome Teilung in GeberInnen(-) und EmpfägnerInnen (-länder)
Ein weiterer Kritikpunkt postkolonialer Überlegungen ist die Produktion einer
Dichotomie
in
Geber-
und
Empfängerländer
durch
die
Institutionen
der
Entwicklungszusammenarbeit. Dies ist also, neben der Konstruktion in ,entwickelte'
und ,unterentwickelte' Länder, die zweite Dichotomisierung, bezüglich welcher die EZ
und EP kritisiert wird. Subjekte aus dem Globalen Norden werden hierbei „als
,Entwicklungsexpert_innen' konstruiert und als soziale Realität gelebt“ (Kontzi 2015,
S. 85). Haas spricht auch von einer „wir/sie-Dichotomie (…) in der w i r ` helfen/entwickeln/zivilisieren/bemächtigen´“ (Haas 2012, S. 48) und welche eine
Machthierarchie darstellt.
Diese Hierarchie verdeutlicht Kristina Kontzi. So kämen „diejenigen die als
'Entwicklungsexpertinnen' in die Länder des Globalen Südens reisen (...), aus den
Ländern, in denen weiterhin ein Großteil der Entscheidungsmacht liegt.
Sie sind
darüber hinaus beispielsweise mit bedeutend mehr Kapital ausgestattet als viele ihrer
17 „Repräsentative Verantwortung übernehmen zu wollen wirft schließlich die Frage danach auf, wer
die legitime Stimme der marginalisierten sein kann. Diese Frage ist aufs Engste mit dem Problem
verknüpft, auf welche Art es möglich ist, die Perspektive der Anderen auf ethische Weise zu
vertreten, ohne die Anderen zu vereinnahmen, zu kooptieren und ohne sie essentialisierender Gewalt
zu unterwerfen“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 200 angelehnt an Sanders 2006, S. 9).
18 Um mit solch einem innerer Mechanismus brechen sieht Spivak die Notwendigkeit, privilegiertes
Wissen und somit die eigene Position systematisch zu verlernen, indem beispielsweise zu den
Subalternen gesprochen wird, anstatt für sie zu sprechen (Haas 2012, S. 49; Kontzi 2015, S. 64). Nur
so sei es z.B. möglich, „die Position und die Lebensrealitäten subalterner Frauen zu verstehen. Die
weiterhin zu findende romantisierende (bzw. idealisierende) oder viktimisierende Darstellung von
Frauen aus dem globalen Süden sei hingegen `symptomatisch für ein koloniales Wohlwollen´“
(Kontzi 2015, S. 64; Castro Varela/ Dhawan 2005 mit Verweis auf Spivak 1988, S. 138 zit. n. Kontzi
2015, S. 64).
33
Kolleg_innen im Globalen Süden (...)“ (Kontzi 2015, S. 86).
Es benötigt also zunächst eine Ressourcenungleichheit und eine Machtasymmetrie
zwischen Globalem Norden und Süden, die es dem Norden erlaubt, für andere
mitbestimmen zu können, was als allgemeines Expertenwissen angesehen wird 19. Dass
diese aus einer postkolonialen Sicht vor allem durch rassistische Ausbeutungs- und
Ausschlussprozesse des Kolonialismus resultieren, sollte klar geworden sein. Durch
das Ausnutzen (und den Missbrauch) dieser Machtasymmetrie in Form der Setzung
einer allgemeingültigen Norm, wird der eigene Expertenstatus entlang dieser Norm
manifestiert. Es kann also gesagt werden, dass die hier vorgestellten Aspekte, also die
Universalisierung
der
Entwicklungsnorm,
die
Repräsentationsmacht
und
die
Dichotomisierung in GeberInnen und EmpfängerInnen nicht als getrennt voneinander,
sondern als zusammenhängende Prozesse verstanden werden können
Die dichotome Teilung in ,Geber-' und ,Nehmerländer,' also in ,Helfende' und
,Bedürftige' und der ihr zugrundeliegende Machtasymmetrie wird in der heutigen
EZ/EP tendenziell „hinter neuen Semantiken“ versteckt, „indem nicht mehr von
Entwicklungshilfe, sondern von Entwicklungszusammenarbeit gesprochen wird
(...)“ (Haas 2012, S. 48)20.
3.4 Folgerungen für die Analyse
Es wurden verschiedene neokoloniale Denk- und Handlungsmuster dargestellt und
näher beleuchtet. Neokoloniale Denkweisen offenbaren rassistische Denkweisen und
dienen u.A. zur Legitimierung von (sozialer) Ungleichheit, reproduzieren sie doch
Denkweisen der Kolonialherren, welche zu ihrer Zeit ebenfalls rassistische
Argumentationen hervorbrachten und entlang dieser die Ausbeutung und ungleiche
19 Bereits im vorletzten Unterpunkt über die Universalisierung der Entwicklungsnorm wurde deutlich
gemacht, dass „ die Nationalstaaten des Globalen Südens […] häufig kaum eine andere Wahl haben
– zuweilen sekundiert durch die amtierenden Machthaber – als der Globalisierung zu folgen“ (Castro
Varela/ Dhawan 2015, S. 80).
20 Eine damit einhergehende Semantik ist auch die der „Einen Welt“, welche auch weltwärts nutzt
(weltwärts o.D. a, S. 3) und der/des Weltbürgrerin/ Weltbürgers. Anhand dieser Vorstellung soll die
bisherige Nord/Süd Ordnung neu konzipiert und die bisherigen Grenzziehungen in ,entwickelt'
und ,unterentwickelt' gebrochen werden (Kontzi 2015, S. 84) . Fraglich ist hierbei, auch bezogen auf
die Wissensproduktion und Repräsentationmacht, ob dabei die „extrem ungleichen sozioökonomischen Bedingungen der Akteure und [die] damit zusammenhängenden Interessenlagen“
berücksichtigt werden und „in der Betonung gemeinsamer Interessen und notwendiger
Zusammenarbeit“ nicht von „Privilegien und Interessenkonflikten“ abgelenkt wird, was folglich eine
politisch Folgenreiche Entmündigung der Individuen des globalen Südens darstelle (Ziai 2006, S.
129 zit. n. Kontzi 2015, S. 84).
34
Verteilung von Rechten und materiellen wie sozialen Ressourcen legitimierten.
Darüber hinaus wurde deutlich, dass die Entwicklungspolitik allgemein aus
postkolonialer Sicht für Denken und dem Handeln nach neokolonialen Mustern scharf
kritisiert wurde und wird. Passend hierzu kann Kontzi, anlehnend an Ziai, zitiert
werden: So müsse sich in der entwicklungspolitischen Handlungspraxis beweisen,
„inwieweit Transformationen
im
entwicklungspolitischen
Diskurs,
etwas
die
Hinwendung zu Partikularität, die Einführung von Partizipation und das Infragestellen
bisheriger Entwicklungswege unter dem Vorzeichen der Nachhaltigkeit, als
emanzipatorisch gelten können“ (Kontzi 2015, S. 84, ), oder ob sie „doch letztlich nur
der Reformulierung und Neulegitimierung von Herrschaft dienen“ (Ziai 2006, S. 48 zit.
n. Kontzi 2015, S. 84).
All das muss folglich bezüglich den Wirkungslogiken von weltwärts und weltwärtsFreiwilligen geprüft werden. Inwieweit (re-) produziert weltwärts diese neokolonialen
Menschenbilder und Ungleichheiten, welche durch Rassismus gekennzeichnet bzw.
legitimiert sind?
4. Analyse
Die Analyse wird hauptsächlich die aktuelle Ausrichtung und Konzeption sowie die
sich daraus ergebenden Programmlogiken des Freiwilligendienstes weltwärts in den
Fokus nehmen. Diese werden wiederum auf ihre neokolonialen Potenziale geprüft.
Dabei wird eine Kernfrage sein, ob und inwiefern Neokolonialismus und damit
einhergehende
Ungleichheiten
und
Rassismen
vom
entwicklungpolitischen
Freiwilligendienst weltwärts (re-) produziert werden.
Die Analyse ist fünfteilig aufgebaut. Zunächst erfolgt eine Auseinandersetzung
bezüglich dem Zugang zu weltwärts und folglich dessen Teilnehmerstruktur (4.1). Es
folgt eine kurze Erörterung, inwiefern weltwärts sein Konzept, vor allem seine Ziele, in
den letzten Jahren weiterentwickelt und geändert hat (4.2) ehe in Kapitel 4.3 das
aktuelle Verständnis des BMZ und von weltwärts, was Entwicklung bzw.
Entwicklungszusammenarbeit bedeutet, im Hinblick auf seine neokolonialen Potenziale
analysiert wird. In Kapitel 4.4 wird die Ungleichverteilung von Mitsprache und
Teilhabe bei weltwärts bezüglich des Globalen Südens untersucht, indem erörtert wird,
wie die sog. Partnerorganisationen in das weltwärts-Programm eingebunden sind und
was die Süd-Nord Komponente bewirkt bzw. nicht bewirkt. Kapitel 4.5 nimmt folgend
in den Blick, wo gemäß weltwärts die zu lösenden Probleme bzw. Herausforderungen
35
verortet sind, wo bzw. bei wem der Freiwilligendienst wirken soll und wer ein Nutzen
aus diesem ziehen soll bzw. auch wirklich zieht. Dabei wird die Reproduktion von
sozialer Ungleichheit und Machtasymmetrien eine bedeutende Rolle spielen.
4.1 Ungleichheiten und die Stärkung Privilegierter bezüglich dem Zugang zu
weltwärts
4.1.1 Anspruchsverfehlung bezüglich der Erreichung der Zielgruppen
In seinen Leitlinien hebt weltwärts hervor, dass das Programm sich an junge
Erwachsene unabhängig deren finanziellen Möglichkeiten richtet und „einem breiten
Kreis junger Erwachsener offen [steht]“, wobei soziale Inklusion und Diversität
gefördert werde (BMZ 2014a, S. 3, 5). Diesbezüglich stellt Kontzi für die
Anfangsphase von weltwärts fest, dass im ersten Jahr 90% der Teilnehmenden
AbiturientInnen waren und Entsendeorganisationen darauf hinwiesen, dass das
Erreichen der Zielgruppe von jungen Menschen jenseits einkommensstarken
Verhältnissen „eine mittel und langfristige Planung brauche, welche beim Aufbau des
Programms nicht ausreichend berücksichtigt worden sei“ (Kontzi 2015, S. 111 mit
Verweis auf das Protokoll des Austauschforums 2010, S. 6f.). Während in den
Richtlinien von 2007 angegeben wird, „einkommensschwächere junge Menschen“
(Richtlinie 2007, S. 4 zit. n. Kontzi 2015, S. 111) erreichen zu wollen, ist davon in den
heutigen Förderleitlinien lediglich abgemildert in der oben dargestellten Form die Rede.
Denn auch in den Jahren 2011 bis 2013 waren mit konstant ca. 96% die meisten
Freiwilligen AbiturientInnen, die Zahl der vermittelten Freiwilligen mit mittlerer Reife
blieb folglich ebenfalls konstant (niedrig) bei knapp über 100 Freiwilligen (ALKHÜ
2013, S. 12).
4.1.2 Mögliche Gründe für das geringe Erreichen der Zielgruppe der
Auszubildenden
Das BMZ ist sich der Tatsache, dass zumeist AbiturientInnen aus „akademisch
geprägten Haushalten“ (BMZ 2010-2015a) erreicht werden, bewusst und thematisiert
dies
z.B. in einer Broschüre zusammen mit dem Welthaus Bielefeld, in welcher
Stimmen bezüglich weltwärts für Auszubildende gesammelt werden. Da es für
Hauptschul- und Realschulabsolventen eine Voraussetzung ist, eine abgeschlossene
Berufsausbildung zu haben (vgl. BMZ 2014a, S. 5), wird sich hierbei auf die
Zielgruppe der Auszubildenden fokussiert. So besprechen u.A. Hermann und Schüler
36
über mögliche Gründe für die geringe Teilnahme dieser Gruppe21. So werden als
Gründe genannt, dass bei verschiedenen Unternehmern neben positiven Meinungen
auch (rassistische) Vorurteile gegenüber einem Dienst im Ausland herrschen können
oder diese nicht bereit sind, ihre Auszubildenden freizustellen (vgl. Boueke/
Möntmann/ Schütz// Welthaus Bielefeld 2012, S. 4). Zudem müssten die
Auszubildenden gezielter angesprochen werden, da weltwärts z.B. anhand der medialen
Darstellung sowie der Bewerbungsprozesse für Auszubildende nicht attraktiv erscheine
(ebd. 2012, S. 5). Auch repräsentiere weltwärts eine „von AbiturientInnen bestimmte
Szene“ (ebd. 2012, S.5) in welcher die Lebenswirklichkeit von Auszubildenden nicht
berücksichtigt werde. Der Freiwillige Timo R. führt sogar an, dass „[e]in Auslandsjahr
in einer Bewerbung (…) in vielen Kreisen einen elitären Ruf [habe]“ (Boueke/
Möntmann/ Schütz// Welthaus Bielefeld 2012, S. 7) oder für Arbeitgeber als Lücke im
Lebenslauf erscheine (vgl. ebd. 2012, S. 6). Weiter führt ein Freiwilliger mit
Realschulabschluss an: „[d]ie meisten Leute wollen nach der Ausbildung erst einmal
richtig Geld verdienen“ (ebd. 2012, S. 7).
Entlang einer weiteren Aussage von Schüler kann ein zentrales Problem angesprochen
werden. Sie verweist darauf, dass, vor dem Hintergrund dessen, dass vor der
Einführung von weltwärts die Angebote für Freiwilligendienste meist bezahlt werden
mussten und so nur eine bestimmte Gruppe von Menschen für die Teilnahme in Frage
kam, das Profil der Entsendeorganisationen heute Chancengleichheit erkennen lassen
muss (ebd. 2012, S.6).
Wie in Kapitel 2.4.3 gezeigt, müssen 25% der Kosten eines Freiwilligendienstes von
der jeweiligen Entsende Organisation gestemmt werden, welche wiederum die
Freiwilligen dazu anhalten, diesbezüglich einen Spenderkreis aufzubauen. Auch wenn
weltwärts, wie in Kapitel 2.4.3 ebenfalls dargestellt, betont, dass Spendensammeln
keine Voraussetzung für einen Freiwilligendienst sein darf, können einige
Organisationen nicht auf Spenden verzichten bzw. legen den potenziellen Freiwilligen
das Spendensammeln nahe und bitten darum, teilweise fordern sie gar direkt zur
Spendenakquise auf, was nicht vereinbar mit den in Kapitel 2.4.3 dargestellten
Prinzipien von weltwärts ist, dass Spenden keine Voraussetzung für die Durchführung
des Dienstes sein dürfen (vgl. weltwärts 2013a)22. Auf diesen Umstand macht auch eine
21 Irma Herrmann ist Vorstandsmitglied des Welthaus Bielefeld und betreut das Projekt „weltwärts für
Azubis“, welches in ostwestfälischen Betrieben und Berufsschulen agiert, um dort weltwärts näher
zu bringen (Boueke/ Möntmann/ Schütz// Welthaus Bielefeld 2012, S. 4), Karin Schüler hingegen ist
Leiterin des weltwärts-Sekretariats Bonn (ebd. 2012, S. 5).
22 Hierzu hat der Autor dieser Ausarbeitung einige Webauftritte von Entsendeorganisationen in den
37
Evaluierungsstudie des BMZ von 2011 aufmerksam (vgl. Stern, T. et al. 2011, S. 5).
Diese Studie hat auch zum Ergebnis, dass die meisten Spenden durch die Eltern der
Freiwilligen aufgebracht werden (vgl. Stern, T. et al. 2011, S. 5). Bezogen auf junge
Erwachsene aus einkommensschwächeren Haushalten kann die Suche nach Spendern
also als eine Hürde angesehen werden, welche solche aus eher gut situierten Familien
einfacher umgehen können (vgl. Kontzi 2015, S. 112). So kann an dieser Stelle ein
Resümee von Bello angeführt werden, nämlich dass internationale Freiwilligendienste
letztlich eine „bestimmte Gruppe ansprechen: Junge Erwachsene mit Abitur, finanziell
abgesichert, meistens aus einer Akademiker_innenfamilie, die oft sogar ihr Sprösslinge
im Ausland besucht“ (Bello 2012, S. 57).
Es kann anhand des bisher Genannten zusammenfassend gesagt werden, dass weltwärts
bislang lediglich einer privilegierten Gruppe offen steht. Erstens können von dieser die
finanziellen und bewerbungstechnischen Hürden besser umgangen werden. Zweitens
passt ein Freiwilligendienst für diese Gruppe gegebenenfalls besser in die
Lebensplanung, da, wie oben angeführt, z.B. Auszubildende nicht freigestellt werden
oder ein internationaler Freiwilligendienst in der Bewerbung bei Betrieben eventuell als
„Lücke“ im Lebenslauf oder als etwas „Elitäres“ angesehen wird (Boueke/ Möntmann/
Schütz// Welthaus Bielefeld 2012, S.5 ff). Weltwärts erreiche zudem durch seine
mediale Präsenz eher AbiturientInnen und ist andersherum von diesen und ihren
Lebenswelten geprägt, weshalb der IFD Auszubildenden unattraktiv erscheine.
Insgesamt ist der Zugang zu weltwärts also eher nach den Handlungsmustern und
-möglichkeiten von AbiturientInnen
aus einem bildungsbürgerlichen Milieu
ausgerichtet (vgl. Kontzi 2015, S. 209).
4.1.3 Ungleichheiten bezüglich Geschlecht, Migration und Menschen mit
Behinderung
Der Männeranteil lag zwischen 2008 und 2010 bei 40% und 2010 darüber. Nach
Aussetzung der Wehrpflicht 2011 sank der Männeranteil auf 32-34%, was damit zu
erklären ist, dass vorher viele Männer unter dem Zwang des Wehrdiensts einen sog.
„Anderen Dienst im Ausland“ über weltwärts absolviert haben. Weltwärts erreicht also
anteilig mehr junge Frauen (weltwärts 2013d, S. 153).
Zudem wird im Rahmen des Follow-Up Prozesses (2012-2013) der Evaluation
Blick genommen, um zu sehen, ob diese Spenden voraussetzen. Die Ergebnisse sind im Anhang zu
finden.
38
angeführt, dass „[d]er Zugang zu jungen Menschen mit Behinderungen, aus
Einkommensschwachen
Familien,
mit
Haupt-
oder
Realschulabschluss,
mit
Migrationshintergrund oder aus den östlichen Bundesländern (…) sich noch schwierig
[gestaltet] und diese [Zielgruppen, anm. d. Verf.] bisher deutlich unterrepräsentiert
[sind]“ (weltwärts 2013d, S. 18). Der Schwerpunkt der Arbeit liegt an dieser Stelle
nicht am erörtern für die Gründe des Nicht-Erreichens der einzelnen Zielgruppen, es
wurde bereits gezeigt, warum Nicht-AbiturientInnen (am Beispiel der Auszubildenden)
einen erschwerten Zugang zu weltwärts haben können. Dieser allgemeine Sachverhalt
wird im Folgenden theoretisch unterfüttert.
4.1.4 Problempotenziale dieser Ungleichheiten anhand der Theorie des
„Grenzennutzens“
Diejenigen, die sich einen Freiwilligendienst ,leisten' können und „daher eine
entsprechende Bildung“ (Bello 2012, S. 56) genießen,
zählen also zu einer
privilegierten Gruppe. Durch den Freiwilligendienst werden diese Privilegien gar
gefestigt. Da weltwäts bei den zurückgekehrten Freiwilligen gesammelte Erfahrungen
und Expertisen vermute, sollen und werden diese weiter in das Feld der
Entwicklungsarbeit und -politik eingebunden, zumal ein Ziel von weltwärts, wie in
Kapitel 2.4.3 aufgezeigt, die Nachwuchsförderung in diesem Bereich ist; die
Rückkehrerarbeit ist ein zentraler Bestandteil des Freiwilligendienstes.
So finden die Freiwilligen nun Netzwerke vor, die z.B. einen Erfahrungsaustausch
ermöglichen und Empfehlungen geben können (vgl. Bello 2012, S. 57). Es kann von
einem „Empowerment der bereits Empowerten“ (glokal e.V. 2013a, S. 42 zit. n. Kontzi
2015, S. 113) gesprochen werden, da „bereits gut positionierte Gruppen gefördert
werden“ (Kontzi 2015, S. 113). Bello kommt zusätzlich zu dem Schluss: „Ob gewollt
oder nicht: Freiwilligendienste sind Karriereplanung“ (ebd. 2012, S. 57).
Diese
„Akkumulation von Lebenschancen“ durch die „Überschreitung nationalstaatlicher
Grenzen oder deren Instrumentalisierung“ (Beck 2010, S. 41) nennt Beck
,Grenzennutzen', welches für Beck eine „Schlüsselvariable sozialer Ungleichheit in der
globalisierten Welt“ darstellt (ebd. 2010, S. 41). So sind die oberen der Welthierarchie
(vgl. ebd. 2010, S. 42) „in der Entfaltung“ ihrer Lebenschancen, in diesem Fall durch
die Arbeit in einem international stattfindenden Freiwilligendienst und den damit
verbundenen Erfahrungen, nicht und weniger als andere an „den nationalstaatlichen
Rahmen und Raum gebunden“ (ebd. 2010, S. 43), da sie aufgrund ihres ökonomischen
39
und kulturellen Kapitals über mehr Mobilität verfügen (ebd. 2010, S. 43).
Der Sachverhalt, dass keine bzw. durch die erst 2013 eingeführte Süd-Nord
Komponente deutlich weniger Personen aus dem Globalen Süden einen weltwärtsDienst im Globalen Norden leisten können, stellt einen weiteren Aspekt sozialer
Ungleichheit bezüglich dem Zugang zu weltwärts. Dieser Sachverhalt wird in Kapitel
4.4.3 aufgegriffen, ist er doch Teil einer komplexeren (neokoloniale Potenziale
aufweisenden) Logik von weltwärts, welcher in den folgenden Kapitel nachgegangen
wird.
4.2 Beispiele für Reformulierungen der aktuellen Ausrichtung
Die Wirkungslogik von weltwärts besteht heute wie in der Vergangenheit auf der
Grundlage der in Kapitel 2.3.2 erläuterten Dyaden. Die Wirkungslogik in Form von
Dyaden hat sich lediglich in einem Punkt abgeändert: Während der Fokus von
weltwärts im Sinne des „Helfens“ darauf lag, anhand der auf entwicklungspolitischen
Mehrwert ausgerichteten „Hilfe zur Selbsthilfe“ (Haas 2012, S. 23) bezüglich der
Partnerorganisationen selbst Lernerfahrungen zu machen, sollen letztere heute durch
die Begegnung mit Menschen anderer Kulturen und der Arbeit „gemeinsam mit ihnen
im Team“ (weltwärts 2014a, S. 3) erreicht werden. Statt vom Hilfebegriff, welcher eine
Machthierarchie impliziert, ist nun von Begegnung und Zusammenarbeit die Rede.
Ferner sollen die Zivilgesellschaftlichen Strukturen sowohl der Partnerländer als auch
Deutschlands gestärkt werden, die Partnerorganisationen „profitieren
von der
Unterstützung durch die Freiwilligen und dem damit verbundenen Austausch“ (BMZ
2014a, S. 4).
Insgesamt ist mit Anlehnung an Haas festzustellen, dass in den aktuellen weltwärtsZielen die „vielen anderen Effekte(...), die im Rahmen von bürgerschaftlichem oder
kosmopolitischem Engagement auch in der Forschung generell als positiv gelten“,
welche Haas bezüglich der vorherigen Konzeption von weltwärts ausmacht, erhalten
bleiben und im Fokus stehen, während „die diskursive Verschränkung mit der Hilfe im
Kontext von ,Entwicklung', welche „alte, koloniale Muster und Denkstrukturen
[reproduziert]“ (Haas 2012, S. 64) außen vor bleibt.
Im Mittelpunkt steht nun das „gemeinsame interkulturelle Lernen“ (BMZ 2010-2015a).
Es soll also ein gemeinsamer Austausch zwischen Freiwilligen und Menschen aus dem
globalen Süden stattfinden, der durch kulturelle Differenzen zwischen beiden Parteien
das Potenzial birgt, „interkulturelle“ Lerneffekte zu erzielen. Die Einsatzstellen sollen
40
dadurch Profitieren, „dass junge Menschen, die an entwicklungspolitischen Themen
und am kulturellen Austausch interessiert sind, ihre Projekte mit eigenen Erfahrungen
und Sichtweisen bereichern“ und dass „[viele Freiwillige] neben der praktischen Arbeit
während ihres Dienstes (...) auch nach ihrer Rückkehr die Projekte, in denen sie
eingesetzt waren, zum Beispiel durch Informationsarbeit oder das Sammeln von
Spenden[, unterstützen].“ (ebd. 2010-2015a). Die Freiwilligen hingegen „erwerben
Kenntnisse in der interkulturellen Kommunikation sowie soziale Kompetenzen –
Eigenschaften, die in einer globalisierten Welt immer wichtiger werden. Der Dienst
hilft vielen Freiwilligen bei der beruflichen Orientierung, viele entscheiden sich zum
Beispiel später für ein Studium in einem entwicklungspolitisch relevanten Bereich und
machen die Entwicklungszusammenarbeit zu ihrem Beruf.“ (ebd. 2010-2015a).
Es gilt nun zu Analysieren, ob sich durch die Umformulierungen zu Gunsten einer
vermeintlichen Augenhöhe zwischen Norden und Süden tatsächlich etwas an der oben
aufgezeigten „Struktur des w i r / s i e“ ändert (Haas 2012, S. 48)
Zudem wird durch die Einführung der Süd-Nord Komponente ein gleichberechtigter
Austausch zwischen Globalen Norden und Globalen Süden angestrebt, wie der letzte
Punkt von Kapitel 4.4.3 zeigen wird.
4.3 Die Bedeutung von Entwicklung bei weltwärts sowie das neokoloniale
Potenziale aufweisende Entwicklungsverständnis des BMZ
4.3.1 Grenzziehungen in Entwicklungsländer und Nicht-Entwicklungsländer
Der Freiwilligendienst weltwärts basiert nach wie vor auf einer Grenzziehung zwischen
Entwicklungsländer auf der einen und nicht-Entwicklungsländern auf der anderen Seite. Der
Dienst soll in „sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer[n]“ (weltwärts 2013c)
stattfinden. Entwicklungsland wird vom BMZ entlang fünf Kriterien formuliert: „1.
eine schlechte Versorgung großer Gruppen der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln,
dadurch Unterernährung und Hunger 2. ein niedriges Pro-Kopf-Einkommen, Armut 3.
keine oder nur eine mangelhafte Gesundheitsversorgung, eine hohe Kindersterblichkeitsrate und eine geringe Lebenserwartung 4. mangelhafte Bildungsmöglichkeiten,
eine hohe Analphabetenquote 5. hohe Arbeitslosigkeit, ein insgesamt niedriger
Lebensstandard, eine oft extrem ungleiche Verteilung der vorhandenen Güte“ (BMZ
2010-2015c). Eine Länderliste der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) listet beispielsweise sog. Entwicklungsländer auf.
41
Als Partnerländer kommen also „Entwicklungsländer“ in Frage. Diese werden laut
Kontzi in obiger Definition aus defizitorientierter Sichtweise beschrieben, indem
ausschließlich die Mängel der jeweiligen Länder benannt und ihre ,Bedürftigkeit' (…)
betont [wird]“ (Kontzi 2015, S. 117). Weltwärts bedient sich hiernach also einer
defizitorientierten Semantik. Es muss jedoch angemerkt werden, dass sich der
Freiwilligendienst auf der anderen Seite auch von der negativen Konnotation dieses
Begriffs distanziert, wird auf der Website doch auf den Begriff Globaler Süden
aufmerksam und ferner deutlich gemacht, dass zwar der „gebräuchlichere(...) Begriff
Entwicklungsländer“ verwendet wird, jedoch von „[sogenannten] Entwicklungsländer[n]“ gesprochen wird, „um deutlich zu machen, dass wir damit keine Wertung
verbinden“ (weltwärts 2013c).
4.3.2 Das Entwicklungsverständnis des BMZ und von weltwärts
Mehr Problempotential bietet das allgemeine Entwicklungsverständnis des BMZ. Da
weltwärts vom BMZ gegründet wurde und darüber hinaus „vom BMZ und den im
weltwärts-Programm anerkannten zivilgesellschaftlichen EO verantwortet [wird]“
(BMZ 2014a, S. 3), liegt nahe, dass der Freiwilligendienst eine entwicklungspolitische
Maßnahme des Bundesministeriums darstellt, nämlich um „einen effizienten Beitrag
zur entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit im Sinne des ,Globalen
Lernens' und zur Nachwuchsförderung im entwicklungspolitischen Berufsfeld“ zu
leisten (BMZ 2014a, S. 4). Es ist also nötig, in den Blick zu nehmen, nach welchem
Verständnis das BMZ Entwicklungszusammenarbeit betreibt. So fasst das BMZ
zusammen:
„Unser Leben ist heute enger mit dem der Menschen auf anderen Kontinenten verflochten
als jemals zuvor. Wir haben dadurch sehr viele Vorteile. Wir tragen aber auch eine
größere Verantwortung als frühere Generationen, denn die Weltgemeinschaft ist mit
Herausforderungen konfrontiert, für die globale Lösungsansätze gefunden werden
müssen.“ (BMZ 2010-2015b)
Durch globale Verflechtungen haben ,Wir', also der Globale Norden, Profit gezogen.
Gleichzeitig
werden
,Wir'
als
Teil
einer
,Weltgemeinschaft'
gesehen,
die
Herausforderungen gegenüber steht, die nur global und nicht etwa auf der
nationalstaatlichen Ebene gelöst werden können. Bezüglich dessen, wie ,Wir' aus den
globalen
Verflechtungen
Profit
ziehen,
wird
angeführt,
dass
die
deutsche
Exportwirtschaft von der Weltwirtschaft abhängt und somit auch von der Stabilität
42
beispielsweise afrikanischer Staaten lebt. Es bleibe „keine Volkswirtschaft unberührt
von den Krisen anderer Länder und Regionen“ (BMZ 2010-2015b).
Dabei gerät gänzlich aus dem Blick, wie die Stärke der ,eigenen' Wirtschaft und der
,eigene' Wohlstand, wie in Kapitel 3.3.3 deutlich gemacht wurde, nicht etwa auf der
Stärke von Volkswirtschaften aus dem Globalen Süden beruht, sondern andersherum
auch und gerade erst auf deren Kosten entstanden sind und immer noch gefestigt
werden. Der (auch aktuelle, neokoloniale) Zusammenhang zwischen
„,unserer'
Entwicklung und ,ihrer Ausbeutung'“ (Dhawan 2009, S. 55) wird missachtet. Es wird
aufgezeigt, dass das wohlergehen Deutschlands vom Wohlergehen anderer Staaten
abhängig ist, nicht jedoch, dass die wirtschaftliche Vormachtstellung Europas und
innerhalb dessen unter anderem Deutschlands sowie des Westens allgemein in der
Hierarchie der globalisierten Welt auch oder sogar besonders auf den rassistischen
Ausbeutungs- und Ausschlussmechanismen des Kolonialismus beruhen, welche in
neokolonialer Form fortgesetzt werden, indem, wie in Kapitel 3.3.3 ebenfalls
aufgezeigt, z.B. ehemalige Kolonien nun häufig Länder für größtenteils billige
Produktionsprozesse in der Weltwirtschaft darstellen23. Die (Neo-)Kolonialen
Realitäten werden also ausgeblendet, indem lediglich der Aspekt betrachtet wird, dass
die Stärke der ,eigenen' Wirtschaft nur von der Stärke der ,anderen' Wirtschaften
profitiere. Weiter gibt das BMZ an:
„Der Reichtum der Welt konzentriert sich jedoch in den Industriestaaten – sie tragen
dadurch Mitverantwortung dafür, die Armut auf der Welt zu beseitigen.“
(BMZ 2010-2015b)
Die Verantwortung der EZ speist sich also hiernach auch aus dem vermeintlich von der
Armut der ,Anderen' unabhängigen und losgelösten, eigenen Reichtum, nicht etwa
daraus, dass ,wir selbst' für ,deren' Armut (mit-)verantwortlich sind. Wieder wird der
Zusammenhang zwischen eigenem Reichtum und der Armut des Globalen Nordens
missachtet.
In diesem Zusammenhang wird auch von „[U]nserer Kultur“ gesprochen, die auf dem
„Ideal“ basiere, „dass die Starken die Schwachen unterstützen“ (BMZ 2010-2015b).
Spätestens hier wird deutlich, dass eine zutiefst neokoloniale Dichotomie produziert
23 Wie Deutschland von der „Stärke“ Europas und der USA profitiert und profitiert hat, zeigt das BMZ
auf, indem es auf den Wiederaufbau der BRD nach dem zweiten Weltkrieg unter der maßgeblichen
Unterstützung deren Länder aufmerksam macht (vgl. BMZ 2010-2015b). Hiermit verdeutlicht das
BMZ (gegebenenfalls unfreiwillig), wie Deutschland vom Kolonialismus profitiert, da viele Länder
Europas und die USA, denen Deutschland den Wiederaufbau mit zu verdanken habe, selbst massiv
vom Kolonialismus profitierten (und profitieren).
43
wird, nach der Logik: ,Wir' konnten aus den globalen Verflechtungen Profit
schlagen, ,wir' sind die ,Starken'. ,Die Anderen' konnten, aus welchen Gründen wird
nicht genannt, keinen Profit schlagen und sind die ,Schwachen', die durch die EZ von
der ,Kultur der Starken' profitieren. Durch das Ausblenden (Neo-)Kolonialer Realitäten
wird hier ein rein positives Selbstbild konstruiert. ,Wir', also diejenigen, die „Moderne
Entwicklungszusammenarbeit“ betreiben (BMZ 2010-2015b) sind die wohltätigen
Helfer (vgl. ebd. 2010-2015b), die darüber hinaus noch die „Selbsthilfe“ fördern sowie
dazu beitragen, „dass Menschen sich aus eigener Kraft aus ihrer Armut befreien
können“ (ebd. 2010-2015b). Die eigene Verstrickung in deren Armut wird außen vor
gelassen.
Zudem werden die Menschen des globalen Südens hier als „passiv“ imaginiert, ihnen
wird abgesprochen, selbst „die notwendige Expertise zu haben, die zu nachhaltiger
Entwicklung führt“ (Gokova 2009, S. 7 zit. n. Haas 2012, S. 63). Probleme werden
also, wie in den damaligen Strukturen von weltwärts, „nicht in [neokolonialen, Anm. d.
Verf.] externen oder strukturellen Faktoren gesucht, sondern in den internen“ (Haas
2012, S. 63).
Da lediglich oberflächliche Gründe für den Reichtum der ,Reichen' (z.B.
Exportwirtschaft) nicht aber für die Armut der ,Armen' genannt werden, könnte der
Trugschluss entstehen, dass diese unwesentlich wären bezüglich des Sachverhalts,
warum Entwicklungszusammenarbeit stattfinden soll. Die blutigen Ausbeutungs- und
Ausschlussprozesse des Kolonialismus sowie die daraus resultierende Vormachtstellung
des Westens und die neokolonialen Kontinuitäten in der heutigen globalisierten Welt,
werden dadurch ignoriert, sie stellen also ferner keinen wichtigen Gegenstand dar,
welcher für die Entwicklungspolitik herangezogen werden müsse. Stattdessen wird ein
nicht der (post- und neokolonialen) Realitäten entsprechendes, homogenes Bild des
,aktiven und starken' Westens und auf der anderen Seite eines ,passiven und schwachen'
Globalen Südens imaginiert. Es wird auf gegenseitige globale Verflechtungen
hingewiesen, nicht aber auf (neokoloniale) Machthierarchien.
Statt einem Entwicklungsverständnis, welches auf der eigenen Wohltätigkeit beruht und
diese
positiv
heraushebt,
sowie
auf
dem
Nutzen,
welche
die
Entwicklungszusammenarbeit auf das Geberland selbst hat, könnte das BMZ z.B. ein
eher auf Entschädigung und Wiedergutmachung basierendes Entwicklungsverständnis
vertreten24.
24 Im Kontrast zu einem Entwicklungsverständnis, wie das BMZ es vertritt und welches nicht genau
44
So kann resümiert werden, dass Globale Verflechtungen im Entwicklingsverständnis
des BMZ zwar durchaus eine Rolle spielen, jedoch maßgebliche und wichtige (postund neokoloniale) Verknüpfungen nicht benannt werden. Fraglich ist hierbei, ob es sich
um eine unkalkulierte nicht-Benennung handelt, oder um eine sog. Entnennung von
Geschichte handelt25.
Da das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine
zentrale Bundesdeutsche, öffentliche Institution darstellt, welche die deutsche
Entwicklungspolitik vertritt, kann gesagt werden, dass die deutsche Entwicklungsnorm
also
auf
einem
Entwicklungsverständnis
basiert,
welches
wiederum
eine
eurozentrische, neokoloniale Dichotomie zur Grundlage hat. Weltwärts als BMZ-naher
Freiwilligendienst fußt daher ebenfalls auf einem solchen Entwicklungsverständnis.
Während das neokoloniale „Hilfeverständnis“ bereits aus der Oberfläche von weltwärts
gebannt wurde, liegt weltwärts, als entwicklungspolitische Maßnahme des BMZ immer
noch eine vom BMZ vertretene neokoloniale Logik von Entwicklung zugrunde.
Den direkten Zielsetzungen von weltwärts ist zu entnehmen, dass Freiwillige lernen,
„wie die Zukunft von Norden und Süden wechselseitig voneinander abhängig ist“
(weltwärts: was bringt es? 2013). Hier ist der Blick auf eine Zukunft gerichtet und
zudem impliziert dieser Satz eine Wechselseitigkeit der keine Machthierarchie
zugrunde liegt. Das Ausmaß an globalen Wechselwirkungen und damit einhergehenden
Ungleichheiten lässt sich kaum erahnen. Durch
den IFD sollen die Freiwilligen
Kompetenzen der „sozialen Verantwortung“ erlernen (BMZ 2014a, S. 4).
Auf welchem Entwicklungspolitischen Verständnis
diese basiert, kann sehr
wahrscheinlich variieren, denn Weltwärts wird, wie oben deutlich gemacht, auch von
den zivilgesellschaftlichen EO verantwortet. Es müsste also flächendeckend geprüft
werden, welches Verständnis von Entwicklung diese vertreten und z.B. in den
Seminaren vermitteln und weitergeben und ob dieses dem des BMZ ähnelt.
nach den Ursachen und Zusammenhängen von Armut und Reichtum fragt, stehen VerfechterInnen
von Reperationszahlungen bezüglich kolonialen und neokolonialen Ausbeutungen und
Ausgrenzungen, zu welchen verschiedene Staaten und zivilgesellschaftliche Gruppen gehören (vgl.
Gleissner-Bonetti, Köhler, Woldeslassie 2012, S. 45). Diese „fragen nach den Gründen der
ökonomischen und politischen Dominanz des Globalen Nordens. Sklavenhandel, Kolonialismus und
Imperialismus prägen die heutige Weltordnung, in der die ehemaligen Kolonien noch immer
eingeschränkte Handlungsoptionen und Mitbestimmung besitzen“ (ebd. 2012, S. 45).
25 „Das Konzept der Entnennung geht auf Boaventura des Sousa Santos zurück. Mit seiner sociology of
abscence (de Sousa Santos 2006: 15ff) will er verdeutlichen, dass das, was im Diskurs nicht existiert,
aktiv als nicht-existent hergestellt wurde. Ziel des Ansatzes ist es, die entnannten Dinge präsent
werden zu lassen, um so Undenkbares denkbar werden zu lassen und Nicht-Sichtbares,
Unglaubhaftes in Sichtbares und Glaubhaftes zu überführen.“ (Kontzi 2015, S. 134).
45
4.3.3 Zur Wichtigkeit der Bildungsarbeit bei weltwärts
Die Pädagogische Begleitung in Form von 25 Seminartagen stellt einen wichtigen
Punkt von weltwärts dar. Für deren Ausgestaltung ist die jeweilige EO verantwortlich
(vgl. BMZ 2014a, S. 8). Die Leitlinie gibt vor, dass die Seminare beispielsweise
Aspekte bezüglich des Globalen Lernens oder
„die Auseinandersetzung mit den generellen Anforderungen und der eigenen Rolle im
Freiwilligendienst mit dem Ziel, ein klares Verständnis über den Einsatz, die Einsatzbedingungen vor Ort und die Einhaltung allgemeiner Verhaltensregeln (...)“
(BMZ 2014a, S. 9)
beinhalten, jedoch wird die genaue Ausgestaltung dieser Punkte offen gelassen.
Die GIZ26 verdeutlicht in einer Broschüre, dass „ein unreflektierter Aufenthalt die
Gefahr [birgt], xenophobe Haltungen und ungleiche Machtstrukturen zu verschärfen“
(GIZ 2014b, S. 22). Geißler macht passend hierzu deutlich, dass eine rassismuskritische
Perspektive eine Notwendigkeit für Konzeptionen und Materialien des Globalen
Lernen
darstellt,
welches
häufig
aus
hegemonialen
Perspektiven
mit
Universalisierungen des ,Eigenen' und der Abtrennung, Erfassung, Kategorisierung,
Einordnung sowie der Beherrschung des ,Anderen' einhergehe. (vgl. Geißler 2013, S.
47). Diese Perspektive beinhalte z.B. das Wissen und die Reflexion „über die eigene
Position und die Verwobenheit in die Strukturen dieser ,Weltgesellschaft'“ (ebd. 2013,
S. 47) unter Berücksichtigung der bis in die heutige Gesellschaft hineinwirkenden
„europäischen kolonialen und imperialen Politiken“ (ebd. 2013, S. 46).
Zusammengefasst kann also gesagt werden, dass der Bildungsarbeit ein wichtiger Teil
im Freiwilligendienst zukommt, können die Freiwilligen das im Partnerland erlebte
durch die ergänzende und unterstützende theoretische Beschäftigung, z.B. in den
Seminaren, greifbar machen und kontextualisieren. Durch z.B. rassismuskritische
Bildungsarbeit können „globale Machtstrukturen und die eigene Verstrickung darin
bewusst reflektiert werden]“ (GIZ 2014b, S. 22).
26 GIZ steht für deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit und war von 2008 bis 2013
die einzige staatliche Entsendeorganisation von weltwärts (vgl. GIZ: weltwärts mit der GIZ o.D.). In
diesem Zeitraum nahmen knapp 3000 Freiwillige im Rahmen der GIZ an weltwärts teil (GIZ
2014a,S. //9).
46
4.4 Der Einbezug der Partnerorganisationen und die Einseitigkeit des
Freiwilligendienstes
4.4.1 Der Einbezug der Partnerorganisationen bei Gründung des
Freiwilligendienstes
Haas erklärt, dass das weltwärts-Programm ohne
VertreterInnen des Globalen Südens
Akteure des Globalen Nordens
den Einbezug (politischer)
eingeführt wurde. So sehen die politischen
„ihre Position als Rechtfertigung, ein Programm
aufzulegen, das die Länder des Globalen Südens als Ziel hat, ohne sie als wirkliche
Zeugen und Interessensvertreter_innen einzubinden“ (Haas 2012, S. 60). Auch in der
einjährigen Evaluierung „wurden die PO als einzige Akteure des Programms lediglich
als Untersuchungsgegenstand betrachtet, nicht jedoch in den methodischen und
operativen Evaluierungsprozess einbezogen“ (ebd. 2012, S. 60). Der bei einer Partnerund einer Entsendeorganisation aktive Buckendahl bestätigt dies, indem er den
tansanischen weltwärts-Mentor Alfred Tibenderama zitiert:
„Wir wollen nicht immer die underdogs sein. Wir wollen mitreden. Wenn das nicht
geschieht, kann das keine Hilfe darstellen, denn diese wurde von uns nie eingefordert.
Wie also sollen die Helfenden wissen, wie man hilft, ohne die offizielle Bitte der
Betroffenen, ihnen zu helfen?“ „Wenn ihr wirklich helfen wollt, sprecht mit uns! Fragt
uns, was wir brauchen, ignoriert uns nicht.“ (Buckendahl 2012, S. 60)
Die Einführung von weltwärts war hiernach also von in Kapitel 3.3.3 erklärten
neokolonialen Handlungsweisen der EZ geprägt, nämlich zum einen von der aus der P
Position im globalen Machtgefälle resultierenden Macht des Globalen Nordens, den
Globalen Süden vermeintlich zu Repräsentieren, also für diesen zu sprechen sowie zum
anderen von einer damit einhergehenden, durch den Globalen Norden gesetzten,
universalisierten Entwicklungsnorm, die die alleinige Initiative des Globalen Nordens
legitimiert. Das Repräsentationsproblem wird an späterer Stelle des Kapitels erneut
auftauchen.
Buckendahl fragt sich zurecht: „Wird hier der Globale Süden für die soziale,
ökonomische, kulturelle, psychische und emotionale Befriedigung des Globalen
Nordens instrumentalisiert?“27 (Buckendahl 2012, S.60). Und auch nach GleissnerBonetti, Köhler und Woldeslassie kann das beschriebene Vorgehen als kritisch
27 Diese Frage ist auch bezogen auf das Entwicklungsverständnis des BMZ nicht weit hergeholt, gibt
dieses doch als einen Grund für EZ an, dass sie, mit Blick auf grenzüberschreitende(n) Bürgerkriege
und Terrorismus „uns allen“ helfe (vgl. BMZ 2010-2015 b)
47
betrachtet werden. Angelehnt an den Entwicklungskritiker Gustavo Esteva meinen sie,
dass Menschen des Globalen Nordens gelernt haben, „dass sie die Fähigkeit und das
recht besitzen, globale Probleme zu lösen, ohne zu verstehen, dass sie einem
eurozentrischen Konzept von Entwicklung folgen. Der Tatendrang des Nordens, die
Welt verändern zu müssen, ist exemplarisch für das Weiße Überlegenheitsdenken, das
in der sogenannten postkolonialen Zeit fortbesteht“ (Gleissner-Bonetti, Köhler,
Woldeslassie 2012, S. 44)28.
Des Weiteren wird kritisiert, dass das Programm lediglich einseitig vom Norden in den
Süden stattfinde und somit die jungen Erwachsenen des Globalen Nordens im
Mittelpunkt stehen (vgl. Buckendahl 2012, S. 60).
Nun kann zunächst angeführt werden, dass von weltwärts einige Punkte, die
Buckendahl und Tibenderama kritisieren (Eine frage ist: „Wären nicht rassistische
Auslandsaufenthalte in einem überarbeiteten Rahmen des weltwärts-Programms
möglich?“ Buckendahl 2012, S. 62), verändert wurden. Wie Kapitel 2.4.4 zeigt, wird
mit der Süd-Nord Komponente seit Ende 2013 ein gleichberechtigter Austausch
angestrebt. Zudem
wurde die neokoloniale Machthierarchien produzierende
Zielsetzung abgeändert, indem vor Allem der Aspekt des „Helfens“ aus dem Konzept
entfernt wurde und nun der Aspekt der Zusammenarbeit sowie die wichtige Rolle der
Partnerorganisationen betont wird (vgl. BMZ 2014a, S. 6). In der Evaluierung im
Rahmen des Follow-Up Prozesses (2012-2013) der weltwärts-Evaluierung wurden auch
die Partnerorganisationen miteinbezogen (vgl. weltwärts 2013d, S. 16). Im Jahre 2012
(vgl. weltwärts 2013d, S. 22) sowie von Oktober 2014 bis Februar 2015 fanden zudem
Partnerkonferenzen in Afrika, Asien und Lateinamerika statt, die zum Ziel hatten, dass
sich die Partnerorganisationen über die Weiterentwicklungen von weltwärts informieren
können und ihre Anregungen ebenfalls einbringen können (vgl. weltwärts 2013e). Der
nächste Abschnitt wird sich weiter mit diesen Partnerkonferenzen befassen.
4.4.2 Die Einbindung der Partnerorganisationen aktuell
In diesem Abschnitt soll nun in den Fokus genommen werden, wie die Partnerorganisationen aktuell eingebunden sind.
Nun kann zunächst der Aspekt angesprochen werden, dass Partnerorganisationen im
28 Kritiker, die Entwicklungszusammenarbeit komplett ablehnen, befassen sich mit sog. postdevelopment Ansätzen wie z.B. der Rückbesinnung auf lokales und traditionelles Wissen. Sie werden
häufig für eine Romantisierung der Armut kritisiert (vgl. Gleissner-Bonetti, Köhler, Woldeslassie
2013, S. 45).
48
weltwärts-Programm lediglich „die Position mittelbarer Akteurinnen“ haben (Kontzi
2015,
S.
119).
Es
„gleichberechtigte[r]
ist,
obwohl
Zusammenarbeit
in
der
Partnerschaftsvereinbarung
zwischen
Entsendeorganisation
von
und
Partnerorganisation“ als „Grundlage für eine erfolgreiche Durchführung des
Freiwilligendienstes im Sinne der weltwärts-Richtlinie“ die Rede ist (weltwärts o.D.b),
kein „direkter Kommunikationsweg zwischen ihnen und dem BMZ vorgesehen“
(Kontzi 2015, S. 119). In den Leitlinien heißt es hierzu, dass die EO das „Scharnier
zwischen den Freiwilligen, den Aufnahmeorganisationen bzw. Einsatzstellen vor Ort
und der Gesellschaft in Deutschland“ darstellen (BMZ 2014a, S. 7).
Weiter wird angeführt, dass „[d]ie Gestaltung und Weiterentwicklung des
Freiwilligendienstes (...) über den Programmsteuerungsausschuss gemeinsam vom
BMZ, den zivilgesellschaftlichen Verbünden der EO sowie den Vertreterinnen und
Vertretern der zurückgekehrten Freiwilligen getragen [wird]“ (BMZ 2014a, S. 3). Von
Partnerorganisationen ist hier bezüglich der direkten Gestaltung und Weiterentwicklung
nicht die Rede. Für Kontzi heißt das in letzter Konsequenz, dass die „Entscheidungen
über das Programm (…) ausschließlich ,hier' gefällt [werden]“ (Kontzi 2015, S. 119)
und auch Haas kommt zu dem Ergebnis, dass den PO „lediglich eine
Durchführungsrolle zukommt, sie jedoch nicht in die Entscheidungsstrukturen
eingebunden sind“ (Haas 2012, S. 60). Durch diese mangelnde Einbindung und dem
damit verbundenen Machtgefälle komme es zu einem Repräsentationsproblem. Dieses
Repräsentationsproblem könne „ [i]n den Einzelbeziehungen bestimmter EO und PO
(…) natürlich sehr unterschiedlich ausgestaltet sein und hängt stark von der (historisch
gewachsenen) Beziehung ab, die bereits vor dem Programm bestand“ (Haas 2012, S.
61).
In diesem Zuge können erneut die Partnerkonferenzen von 2012, welche in Asien,
Afrika und Lateinamerika stattfanden, genannt werden29. Diese wurden aufgrund der
mangelnden Informationsweitergabe bezüglich der Partnerländer/ -organisationen
veranlasst:
„Die
Evaluierung
hatte
gezeigt,
dass
sich
zahlreiche
VertreterInnen
der
Partnerorganisationen nicht ausreichend über das Programm und seine Zielsetzung und
Rahmenbedingungen informiert fühlten. Ein zentrales Anliegen der Konferenzen sollte es
29 Diese Konferenzen wurden von verschiedenen EO unter Einbindung der PO in Planung und
Durchführung, veranstaltet. Neben VertreterInnen der EO und PO waren auch solche des BMZ und
der Koordinierungsstelle weltwärts TeilnehmerInnen (weltwärts 2014b, S. 21 ff). 2012 fanden in
Afrika und Lateinamerika je 3 Konferenzen statt, in Indien zwei und in Südostasien eine (ebd. 2014,
S. 21).
49
daher sein, die Teilnehmenden über Historie, den Rahmen und das entwicklungspolitische
Profil des Programms zu informieren.“ (weltwärts 2014b, S. 20)30.
Die Partnerkonferenzen dienen also dazu, die vorher versäumte bzw. ungenügend
stattgefundene Kommunikation zu kompensieren.
Weiter wird deutlich, dass die Partnerorganisationen hier Platz geboten bekommen, sich
in die Gestaltung und Entwicklung von weltwärts einbringen zu können, jedoch ist es
ihnen in letzter Konsequenz lediglich möglich, Handlungsempfehlungen einzubringen:
„Es sollte ein Diskurs zur Evaluierung angeboten werden, um die Akteure in den
Partnerländern zu Wort kommen zu lassen und die Ergebnisse aus ihrer Perspektive
bewerten zu lassen. Für die unterschiedlichen Bereiche des Programms sollten außerdem
[,]Handlungsempfehlungen aus dem Süden['] (...)formuliert werden.“
(weltwärts 2014b, S. 20).
Das Machtgefälle und Repräsentationsproblem der Partnerorganisationen wird von
diesen auf den Konferenzen kritisiert. Sie monieren weitestgehend übereinstimmend
ihren geringen Einfluss, fordern mehr Einflussmöglichkeiten und wollen auf der
anderen Seite mehr Verantwortung übernehmen. So kommt auch weltwärts zu dem
Schluss, dass die Partnerorganisationen in der bisherigen Konzeption, zu diesem
Zeitpunkt noch nicht die heutige Richtlinie, über wenig Raum verfügen und lediglich
die EO der Einbindung der PO nachkämen. Weltwärts gibt bezüglich der
Partnerkonferenzen 2012 an:
Zur Verbesserung des Programms sehen die Partner ihre größere Partizipation als
unabdingbar an und können sich dabei auch auf die Ergebnisse der ProgrammEvaluierung stützen. Es sind die Partner, die während des Einsatzes für die Freiwilligen
die größte Verantwortung übernehmen und deren Arbeit durch die Entsendung der
Freiwilligen unterstützt werden soll. Schließlich würde eine umfangreichere Beteiligung
auch dem konzeptionellen Anliegen von weltwärts entsprechen, das sich für den Dialog
auf Augenhöhe von Nord und Süd einsetzt (weltwärts 2014b, S. 34).
Wie der obige Blick auf die aktuellen Richtlinien 2014 bezüglich der Gestaltung und
Weiterentwicklung des Programms zeigt, liegt die Hauptkompetenz diesbezüglich
immer noch beim BMZ, den EO und VertreterInnen von zurückgekehrten Freiwilligen
(vgl. BMZ 2014a, S. 3). Ob hierzu auch die zurückgekehrten Freiwilligen aus dem
Süden im Kontext der Süd-Nord Komponenten gemeint sind, steht offen und müsste
untersucht werden.
30 Auf all diesen Konferenzen wurde der deutliche Wunsch der Partnerorganisationen nach mehr
Beteiligung deutlich. Auf den verschiedenen Konferenzen wurden darüber hinaus weitestgehend die
selben Idee von Seiten der Partnerorganisationen angeführt (vgl. weltwärts 2014b, S. 34 f).
50
Es ist somit eine logische Konsequenz, dass auch auf den Partnerkonferenzen vom
Oktober 2014 bis Februar 2015 zahlreiche Stimmen aus den Reihen der
Partnerorganisationen für mehr Partizipation und einen besseren und schnelleren
Informationsfluss deutlich wurden (vgl. welwärts 2013e). In Costa Rica wünschen sich
PO mehr Einfluss auf die Auswahl Freiwilliger und auf die Programmentwicklung
sowie einen schnelleren und Umfassenderen Informationsfluss. In Südafrika ist dies
ähnlich, wollen die PO dort das Programm ebenfalls aktiv mitgestalten, bezüglich
dessen auch das Forum Southern Africa weltwärts Network (SAwN) gegründet wurde.
Auch hier machen die PO darauf aufmerksam, nicht immer ausreichend informiert zu
sein. PO in Indien und Bolivien wünschen sich bzw. haben ein hohes Interesse, an der
Gestaltung bzw. im Programmsteuerungsausschuss partizipieren zu können. In
Argentinien wünschen sich PO bessere Informationen vom weltwärts-Programm sowie
den EO (vgl. ebd. 2013).
Dies macht deutlich, dass weltwärts immer noch einem Repräsentationsproblem und
Machtungleichheiten bzw. einem Machtgefälle verhaftet ist, aus dem es sich bislang
wenn, dann schrittweise löst, jedoch nötige Schritte weiterhin anstehen.
4.4.3 Zum Wirken und Nutzen der Süd-Nord-Komponente
Durch die Süd-Nord Komponente wird ermöglicht, dass auch Menschen aus dem
Globalen Süden die mit weltwärts verbundenen Bildungserfahrungen machen können.
Sie trägt so dazu bei, dass auch diese Kompetenzen und Erfahrungen bezüglich der
Entwicklungsarbeit sammeln können (vgl. BMZ 2014a, S. 9). Zudem sollen diese auch
die Möglichkeit eines interkulturellen Austauschs wahrnehmen können und durch den
Dienst „Impulse(...) für die entwicklungspolitische Inlandsarbeit“ setzen (weltwärts
o.D., S. 3). Ein weiterer wichtiger Punkt, den die Süd-Nord Komponente erfüllt, ist,
dass die Freiwilligen dadurch ein „differenziertes Bild der hiesigen Lebenswirklichkeit
[kennenlernen]“ (BMZ 2014a, S. 9).
Dies könnte auch den Effekt mit sich bringen, dass Europa nicht mehr „unantastbar
bleibt“ (Buckendahl 2012, S. 61). In diesem Kontext führt Buckendahl mit einem
tansanischen weltwärts-Partner namens Nindorera Manasa ein Gespräch, welcher die
These aufstellt, dass weltwärts mit einem gegenseitigen Austausch nachhaltiger sei, da
so TansanierInnen „[m]it ihren in Deutschland und Europa gewonnenen Erfahrungen
und Wahrnehmungen (...) gewachsene Stereotype und Minderwertigkeitskomplexe in
ihrer Gesellschaft von innen heraus aufweichen helfen“ (Buckendahl 2012, S. 61).
51
Jedoch findet die Süd-Nord Komponente, wie in Kapitel 2.4.4 aufgezeigt wird, in
einem viel geringerem Maßstab und nicht Bedarfsdeckend statt, z.B. Ende 2014 auf der
Partnerkonferenz
der
Organisationen
von
Nicaragua,
Mexiko,
Panama,
der
Dominikanischen Republik und Costa Rica wurde eine Ausweitung dieser gefordert
(weltwärts 2013e)31, was auch bezüglich der (Re-)Produktion von sozialen
Ungleichheiten bei weltwärts eine Rolle spielt. Dieser Aspekt wird gegen Ende des
Kapitels 4.5 aufgegriffen.
4.5 Verortung der Probleme sowie des Wirkens und Nutzens in der weltwärtsPartner-Beziehung
4.5.1 Verortung der Probleme und des entwicklungspolitischen Nutzens bei
weltwärts oder: weltwärts als entwicklungspolitisches Bildungsprogramm
Bezüglich dem damaligen Konzept von weltwärts wurde deutlich gemacht, dass
Probleme in den internen Faktoren der Partnerorganisationen und -länder gesucht
wurden und nicht in der äußeren, externen und strukturellen (neokolonialen) Faktoren
(vgl. Haas 2012, S. 63). Die heutige Ausgestaltung von weltwärts schwächt diese
interne Problemverortung ab, da nun nicht mehr von entwicklungspolitischer „Hilfe
(zur Selbsthilfe)“ gesprochen wird, was wiederum eine Machtasymmetrie zwischen
Globalen Süden und Norden sowie einen Hilfebedarf in den Partnerländer impliziert.
Kapitel 2.4.3 dargestellt, sind in den Leitlinien von weltwärts Zielformulierungen der
Fall, die allgemeine Aspekte von bürgerschaftlichem Engagement aufzeigen, welche
wiederum kein Spezifikum bezüglich dem Ausland darstellen, da auch in Deutschland
Einrichtungen bzw. die deutsche Gesellschaft durch beispielsweise ein FSJ von den
Freiwilligen profitieren sollen (vgl. BMFSFJ: o.D.).
Zumindest Formal wurde hier eine Augenhöhe zwischen Globalem Norden und
Globalem Süden hergestellt. Folglich ist die Frage, wie dies in der Praxis der Fall ist,
ob z.B. Freiwillige trotzdem einerseits mit einem Überlegenheitsgefühl zu Tage treten
oder andererseits von der Partnerorganisation gemessen an ihrer Qualifikation zu hohe
Verantwortung oder Handlungsspielräume zugesprochen bekommen (vgl. Buckendahl
31 Ab November 2014 waren 150 Plätze der Süd-Nord Komponente zu vergeben (vgl. BMZ 20102015a). Dies stellt gegenüber 3175 vermittelten weltwärts Freiwilligen im Jahre 2013 gesamt
(AKLHÜ 2014, S. 8) eine geringe Zahl dar. Und dabei ist zu beachten, dass weltwärts ursprünglich
zum Ziel hatte, 10000 Freiwillige pro Jahr vom norden in den Süden zu schicken und dies aufgrund
mangelnder Nachfrage nicht geschehen ist, nicht aufgrund der geringen Kapazitäten (siehe Kapitel
2.4.1).
52
2012, S. 61). Dieser Aspekt wird im weiteren Verlauf des Abschnitts aufgegriffen
werden.
Das Grundkonzept von weltwärts besteht, wie gezeigt, zusammengefasst darin, dass
anhand der Zusammenarbeit zwischen Freiwilligen und Partnerorganisation ein
beidseitig profitabler interkultureller Austausch stattfinden soll. Darüber hinaus sollen
die Freiwilligen durch die Zusammenarbeit mit der Partnerorganisation „wichtige
Kompetenzen der interkulturellen Kommunikation, der sozio-kulturellen Kooperation
und sozialen Verantwortung erwerben“ (BMZ 2014a, S. 4). Durch zum größten Teil
informelle Lernprozesse, begleitet durch z.B. reflektierende Seminare, sollen also
entwicklungspolitisch relevante Kompetenzen erworben werden (vgl. GIZ 2014b, S. 9).
Der entwicklungspolitische Wirkungsanspruch kann dabei auf der Seite der
Freiwilligen verortet werden. Die neuen Förderleitlinien von 2014 bestätigen dies, ist
dort nicht mehr von einer entwicklungspolitischen Außenwirkung bezüglich der
Partnerorganisationen die Rede. Wilde von Wildemann, der ehemalige Programmleiter
von „weltwärts mit der GIZ“ trifft diesbezüglich folgende Aussage: weltwärts ist der
entwicklungspolitische Freiwilligendienst der Bundesregierung mit der Besonderheit,
dass seine entwicklungspolitische Wirkung in Deutschland erzielt werden soll“ (GIZ
2014,S. //12). Diese These vertritt zum Beispiel auch Reddy, der Leiter des Zentrums
für soziale Inklusion und Teilhabe, in seinem Arbeitspapier im Rahmen des bereits
erwähnten Follow-Up-Prozesses 2012-2013. So wird darin gefolgert, dass seiner Sicht
zufolge, welche wiederum an den sog. Capability Ansatz des United Nations
Development Program von 2002 anlehnt, „der Zweck eines Lerndiensts in einer
zunehmend globalisierten Welt nicht ausschließlich darin [, besteht,] zu helfen, sondern
zu lernen, die eigenen Haltungen und Werte sowie soziopolitische Privilegien und
Benachteiligungen kritisch in Frage zu stellen.“ (weltwärts 2013d, S. 137)32.
Diese Punkte werden in den aktuellen Zielen von weltwärts aufgegriffen, indem
32 Bezüglich der Frage, über welche Privilegien weltwärts Freiwillige verfügen, kann auch eine These
Ulrich Becks herangezogen werden. Nach einer These dessen finden sich grenzüberschreitende
Individuen in verschiedenen nationalen Rahmungen sozialer Ungleichheit wieder (vgl. Beck 2010, S.
42). Am Beispiel des weltwärts Freiwilligendienstes äußert sich das daran, dass Menschen aus
Deutschland in z.B. wirtschaftlich ärmeren Staaten des Globalen Südens im Verhältnis zur dortigen
durchschnittlichen Bevölkerung Reicher sind, als das in Deutschland im Verhältnis zur deutschen
Durchschnittsbevölkerung der Fall ist. Z.B. das GIZ weist darauf hin, dass bei dessen
Freiwilligendiensten „[i]n manchen Partnerländern (…) die Höhe des Taschen- und
Verpflegungsgeldes [es waren stets 100 Euro, Anm. d. Verf.] beispielsweise über dem Einkommen
eines Lehrers [lag]“ (GIZ 2014a, S. //14). Das BMZ verwies diesbezüglich darauf, dass die
Freiwilligen einen Betrag auch spenden können (vgl. ebd. 2014a, S. //14). Anhand diesem Blick auf
ökonomische Faktoren werden mögliche Privilegien und Machtpotentiale von Freiwilligen aus dem
Globalen Süden deutlich.
53
angeführt
wird,
dass
Freiwillige
durch
die
Auseinandersetzung
mit
den
Lebensumständen, Einstellungen und Gewohnheiten der Menschen des Globalen
Südens einen neuen Blick auf die Welt sowie auf das eigene Verhalten und ferner einen
„nähere[r] Einblick in die Lebensrealitäten von Menschen in sogenannten
Entwicklungsländern“ (weltwärts: was bringt es? 2013) bekommen können, welcher
ermöglicht, „Vorurteile und überkommende Vorstellungen“ zu überwinden (ebd. 2013).
Zudem werde dadurch auch ein „kritischer Blick auf die eigene Kultur und persönliche
Gewohnheiten“ (ebd. 2013) möglich sowie ein Verständnis, wie die Zukunft von
Globalem Norden und Süden durch globale Verflechtungen geprägt ist (vgl. ebd.
2013)33. Auch das GIZ hat in seiner Zeit als Entsendeorganisation in seiner
Bildungsarbeit nach eigener Aussage solche Ziele verfolgt, beispielsweise das
Reflektieren der eigenen Verstrickung in globale Machtstrukturen und neue Strategien
für den Umgang damit zu entwickeln sowie Verantwortung zu übernehmen (GIZ 2014,
S. 22).
4.5.2 Lernende Freiwillige zwischen subtil rassistischen Überlegenheitsgefühlen
und reflektierender PraktikantInnen-Rolle
Aufgrund der zentralen Lernfunktion bezüglich der Person der Freiwilligen verwendet
Buckendahl bezüglich diesen den Begriff PraktikanIn, „da dieser die eigentliche Rolle
der Jugendlichen besser widerspiegelt und das Lernen in der Vordergrund stellt“
(Buckendahl 2012, S. 60). So haben es die fünf tansanischen weltwärts PartnerInnen,
mit denen Buckendahl ein Gespräch führt, häufig nicht mit Freiwilligen zu tun, durch
deren Sichtweisen und Erfahrungen die Partnerorganisation, wie vom BMZ angegeben,
per se profitieren. Statt ,Völkerverständigern' stehen den PartnerInnen häufig
PraktikantInnen gegenüber, die sich „überlegen fühlen“ (Buckendahl 2012, S. 61) und
welche aufgrund des Glaubens, „ihr System“ sei dem der Partnerländer/ -organisationen
überlegen, sehr häufig Dinge nach ihren Vorbildern kritisieren und verbessern (wollen)
(ebd. 2012, S. 61). Dies seien unbewusste, stereotype Afrikarepräsentationen, die in
Deutschland beispielsweise von stereotypen Afrika Darstellungen wie z.B. Bildern von
hungernden Kindern oder fliehenden Frauen, Kriegen, etc. konstruiert werden (ebd.
2012, S. 61). So „stellt sich das Überlegenheitsgefühl weniger als ein individuellen
Problem einiger selbstsüchtiger Menschen dar, sondern ist durch einen subtilen
33 An dieser Stelle sei erneut darauf hingewiesen, dass hier der Blick auf die Relevanz globaler
Verstrickungen für die Zukunft, nicht aber bezüglich Vergangenheit und Gegenwart genannt werden,
was im obigen Kapitel 4.3 bereits deutlich gemacht wurde.
54
Rassismus und koloniale Stereotype innerhalb der deutschen Gesellschaft geprägt“
(ebd, 2012, S. 61). Buckendahl zeigt also, dass das (Ideal-)Bild des Freiwilligen, von
dem die Partnerorganisation profitiert und welcher sich und die Machtverhältnisse, in
denen er sich befindet, hinterfragt, keine Selbstverständlichkeit ist und gleichzeitig,
dass mit Freiwilligen auch viel Arbeit auf die Partnerorganisationen zu kommt. Die
Bildungsarbeit kann, wie bereits gezeigt wurde, maßgeblicher Teil davon sein, dass
Freiwillige, meist junge AbiturientInnen aus dem bildungsbürgerlichen Milieu, nicht
mit stereotypen Bildern und mit Methoden zur Reflexion ihren Freiwilligendienst
antreten und bestreiten können.
Auch Kontzi zeigt einen solchen Sachverhalt anhand Kritik aus einer Partnerkonferenz
von 2009 auf, in denen die „Darstellungen der ,weltoffenen, interkulturell
kompetenten ,Völkerverständiger_innen' (…) deutlich herausgefordert [werden] (…)
ihnen aber weiterhin ihre Positionierung als Lernende [eingeräumt wird] und sie als
,sich Entwickelnde' positioniert [werden]“ (Kontzi 2015, S. 213).
Weiter wird ein anderes Problem in Buckendahls Gespräch mit den PartnerInnen
deutlich. Diese reflektieren, dass die Einsatzstellen den PraktikanInnen häufig von
Beginn an große Verantwortung und Handlungsspielräume zusprechen, nicht lediglich
aufgrund des Sachverhalts, dass die Freiwilligen sehr selbstbewusst auftreten, sondern
auch aufgrund dessen, dass die EmpfängerInnen meist ein historisch bedingtes, tief
verwurzeltes Minderwertigkeitsgefühl haben und Weiße als die Kompetenteren
ansehen, also dass auch die Partnerinnen die asymmetrischen Machtverhältnisse und
rassistischen, neokolonialen Logiken internalisiert haben (vgl. Buckendahl 2012, S.
61).
4.5.3 Reproduktion bestehender Machthierarchien durch weltwärts
Buckendahl macht in seinem Text des weiteren deutlich, dass die Tansanier_innen
„dennoch die Mitarbeit der Praktikant_innen begrüßen und das weltwärts-Programm
unterstützen. Denn: Alle Befragten unterstützen die Freiwilligendienste, halten sie
sogar für wichtig, aber für dringend reformbedürftig“ (Buckendahl 2012, S. 61). Dass
nach den Reformierungen von weltwärts, die im Laufe dieser Ausarbeitung thematisiert
wurden,
Machthierarchien immer noch reproduziert werden, wird hier aufgezeigt
werden.
Was versprechen sich Partnerorganisationen oder -länder von weltwärts? Die
tansanischen weltwärts PartnerInnen aus dem Gespräch Buckendahls hoffen
55
diesbezüglich,
„dass Langfristig eine Verbesserung der deutschen Afrika-Politik etabliert werden könnte,
da die Rückkehrer_innen das immer noch sehr rassistische und durch Vorurteile geprägte
Afrika- Bild verändern könnten. Zudem sind die Rückehrer_innen gut ausgebildet und
möglicherweise eines Tages Teil der deutschen Elite, und könnten mit ihrem Einfluss
rassistische Strukturen bekämpfen, zumindest aber eindämmen“
(Buckendahl 2012, S. 62)
Dieses Beispiel davon, welche Hoffnungen der Menschen im Globalen Süden mit dem
weltwärts-Dienst verbunden sein können, kann nun unter vielerlei Hinsicht analysiert
werden, was über den Rahmen dieser Ausarbeitung hinaus führen würde. An dieser
Stelle wird aber um eine Annäherung an den komplexen Sachverhalt bemüht.
So ist es zunächst wichtig, die Machtasymmetrien zwischen Globalem Norden und
Süden als Faktor miteinzubeziehen. Es müsste nun zunächst, um Vorurteile zu
vermeiden, genauer untersucht werden, inwiefern Tansania von (neo-) kolonialen
Prozessen betroffen ist bzw. war, um die Sprecher einem Gesamtzusammenhang
einordnen zu können. Buckendahls Text ist zu entnehmen, dass sie als Teil von Afrika
rassistischen Stereotypen bezüglich dem Afrika Bild von Menschen aus dem Globalen
Norden ausgeliefert sind. Rassistische Strukturen werden als Hauptproblem angesehen,
begleitet von einem durch diese bedingtes niedriges Selbstbild. Aus dem oben
genannten Zitat ist nun heraus zu nehmen, dass die tansanischen PartnerInnen sich
langfristig eine Lösung, zumindest aber eine Besserung dieser Probleme durch den
weltwärts-Dienst erhoffen. Hier wird zunächst der Kernpunkt deutlich: Durch
weltwärts werden in diesem Beispiel Machtasymmetrien insofern deutlich und zunächst
reproduziert, als dass die Stellung Tansanias bzw. Afrikas in der globalen Hierarchie
maßgeblich von einer weißen Elite abhängt, die nun als weltwärts-Freiwillige Afrika
bereist und dort ihr Selbst- und Weltbild formt und nach ihrer Rückkehr zum Teil
womöglich in machtvolle EntwicklungshelferInnen-positionen oder anderweitige
Machtpositionen gelangt und von dort aus Einfluss nehmen kann34.
Das
entwicklungspolitische
Moment
von
weltwärts
und
der
Entwicklungs-
zusammenarbeit ergibt sich folglich daraus, dass durch diese Reproduktion von
transnationaler Ungleichheit, also dass ein bereits wohlhabendes und mächtiges
deutsches Bildungsbürgertum Zugang zu entwicklungspolitischen Themen sowie
dadurch z.B. in der EZ angesehene Kompetenzen erhält und folglich eventuell Teil der
34
56
einflussreichen „deutschen Elite“ (beispielsweise in der sowieso durch Freiwillige aus
dem Norden dominierten EZ, vgl. Bello 2013, S. 57) wird. Aus diesen folgenden, mehr
oder minder mächtigen Positionen heraus, so hoffen z.B. die genannten tansanischen
PartnerInnen, können die ehemals weltwärts Freiwilligen ihre z.B. im Freiwilligendienst
gemachten,
neokoloniale
Machtverhältnisse
kritisierenden
Erfahrungen
umsetzen, indem sie aus einem kritischen Verständnis heraus die vorhandenen
gesellschaftlichen neokolonialen Machtverhältnisse herausfordern und bekämpfen.
Die Durchführungsmacht ruht nach diesem Wirkungsmuster von weltwärts
weitestgehend auf den Menschen des Globalen Nordens. Während die Menschen aus
dem globalen Süden lediglich ihr bestes versuchen können, z.B. dazu beizutragen, dass
weltwärts-Freiwillige ihr Selbst- und Weltbild z.B. auf neokoloniale Muster hin
reflektieren, findet bezüglich letzteren, wie in Kapitel 4.1.4 deutlich gemacht, ein
„Empowerment der bereits Empowerten“ statt (glokal e.V. 2013a, S. 42 zit. n. Kontzi
2015, S. 113), welche künftig die Verantwortung tragen und ihre Vorgenerationen im
Globalen Norden beerben. Die soziale Ungleichheit im Weltsystem wird also durch den
weltwärts Freiwilligendienst zunächst weitestgehend reproduziert.
Es muss zuletzt jedoch gesagt werden, dass durch weltwärts parallel auch
Handlungsmöglichkeiten des Globalen Südens eröffnet werden, indem dessen
VertreterInnen, wie in Kapitel 4.4.2 gezeigt, zumindest durch das Einbringen von
Vorschlägen und Kritik Einfluss auswirken können. Es müsste außerdem genauer
untersucht werden, inwieweit Freiwillige eine Unterstützung für die einzelnen
Partnerorganisationen im Hinblick auf deren Arbeit und Zielgruppen darstellen. Ein
weiterer Punkt kann letztlich wieder am Beispiel der Tansanier und Buckendahls
aufgegriffen
werden,
und
zwar,
dass
durch
die
Zusammenarbeit
der
Partnerorganisationen mit den Freiwilligen auch das Selbstvertrauen der PartnerInnen
steigen könne, da durch die Zusammenarbeit das Idealbild des weißen Europäers
herausgefordert wird, indem die ,PartnerInnen' z.B. erkennen, dass auch sie „den
Weißen etwas zeigen können“ (Buckendahl 2012, S. 62).
Dies wird durch die Süd-Nord Komponente, wie in Kapitel 4.4.3 gezeigt wurde,
unterstützt. Jedoch in einem geringen Maße, da die Süd-Nord-Komponente deutlich
weniger Plätze bietet als der Nord-Süd Dienst.
57
5. Fazit
Insgesamt lässt sich sagen, dass weltwärts mehr für Bildung und Lernen, besonders
bezüglich der Freiwilligen, aber auch bezüglich der PartnerInnen, denn für Helfen bzw.
direktes Unterstützen der Partnerländer steht. Der Konzeption und Durchführung der
Bildungsarbeit als rassismuskritische, Machtverhältnisse und die eigene Verstrickung in
diese reflektierende Bildungsarbeit kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, können durch
diese neokoloniale Denkmuster der Freiwilligen entschärft und ersetzt werden. So
meint auch Haas, dass „auf der Mikroebene viele der (…) Ambivalenzen durch
pädagogische Betreuung aufgebrochen werden [müssen]“, „[u]m die neokolonialen
Tendenzen von weltwärts zu entkräften“ (Haas 2012, S. 87).
In vielerlei Hinsicht werden soziale Ungleichheiten (re-)produziert, so etwa entlang der
Teilnehmer und anhand des in Kapitel 4.5.3 aufgezeigten Wirkungsmechanismus,
welcher globale soziale Ungleichheiten zunächst reproduziert und festigt. Gleichzeitig
ist weltwärts, auf der Makroebene gesehen, Ausdruck von Entwicklungszusammenarbeit des BMZ, welches wiederum auf einem neokoloniale Potenziale
aufweisendem Entwicklungsverständnis basiert. Dabei werden teilweise Rassismen der
ehemaligen Kolonialherren reproduziert, indem z.B. zwischen ,Starken' und
,Schwachen' unterschieden wird.
Ob der oben gezeigte Wirkungsmechanismus von weltwärts den effektivsten Ansatz,
den ein Freiwilligendienst leisten kann, um eine neokoloniale Machtasymmetrie
herauszufordern, darstellt, ist höchst fraglich, bleibt doch die meiste Handlungs- und
Veränderungsmacht im Globalen Norden verortet. Neokoloniale Machtverhältnisse
werden also zunächst durch das Fördern bereits geförderter Menschen aus dem
Globalen Norden bestätigt. Die Zukunft und das Engagement der Freiwilligen nach
ihrem Dienst zeigt und wird zeigen, inwiefern ein entwicklungspolitischer Effekt
stattfindet, welcher auch neokoloniale Machtverhältnisse herausfordert.
Durch die Süd-Nord Komponente könnte jedoch das ,Empowerment der bereits
Empowerten' ergänzt werden. Zwar gilt es, zu untersuchen, aus welchen
Gesellschaftsschichten die jeweiligen Teilnehmer aus dem Globalen Süden kommen
und ob es sich lediglich um jeweils nationale ,Eliten' handelt, doch trägt diese
Komponente unabhängig davon dazu bei, dass auch Menschen aus dem Globalen
Süden wichtige Erfahrungen sammeln können und gefördert werden und folglich
eventuell ein Gegengewicht an globalem Einfluss zum Globalen Norden bilden.
Jedoch muss auch gesagt werden, dass das Entwicklungsverständnis des BMZ bislang
58
nicht das Ziel hat, neokoloniale Verhältnisse herauszufordern und es somit nicht nahe
liegt, dass weltwärts aus diesem Motiv heraus gegründet wurde. Haas verweist darauf,
dass weltwärts zudem ein „in die Zukunft gerichtetes Programm“ ist, in welchem keine
Indizien bezüglich Reparationszahlungen und dem Abtragen der kolonialen „Schuld“
zu finden sind (Haas 2012, S.86).
Offen bleibt auch, inwiefern eine Art von Entwicklungszusammenarbeit, welche
Vertreter aus der Wirtschaft nicht maßgeblich mit einschließt oder Druck auf diese
ausübt, neokoloniale (Wirtschafts-)Verhältnisse überhaupt effektiv bekämpfen kann.
Weiter muss untersucht werden, was tatsächlich in der Bildungsarbeit durch weltwärts
und die EO z.B bezüglich transnationalen Machthierarchien weitergegeben und
vermittelt wird und inwiefern rassismuskritische und Macht-hinterfragende Konzepte
Einhalt in die entwicklungspolitische Bildungslandschaft von weltwärts und den EO
gefunden haben. Auch muss analysiert werden, wie Freiwillige, z.B. anhand von ihren
Berichten, neokoloniale Bilder von Menschen aus dem Globalen Süden und des
Globalen Südens konstruieren und weitergeben. Diesbezüglich kann die Arbeit von
Kristina Kontzi (2015) genannt werden.
Die entwicklungspolitische Bildungsarbeit spielt, wie gezeigt, eine zentrale Rolle in der
Formung von Selbst- und Weltbild der Freiwilligen. Hier kann auch eine kritische
soziale Arbeit ansetzen, indem sie postkoloniales Theoriegut in ihre Überlegungen und
Repräsentanzen integriert und in ihrer Arbeit mit Klienten berücksichtigt und
weitergibt.
Es steht weiterhin zur Debatte, ob man „in einer rassistisch-hierarchischen Welt nichtrassistische Auslandsaufenthalte etablieren [kann]“ (Buckendahl 2012, S. 62) und ob
die Partnerländer zukünftig in mit mehr Mitspracherechten versehenen, verantwortungsvolleren Positionen auf Augenhöhe bezüglich weltwärts gelangen. Inwiefern
ein Freiwilligendienst der bundesdeutschen Regierung, die, wie am Beispiel des BMZ
deutlich gemacht wurde, ein auch von Neokolonialismus geprägtes, mindestens jedoch
neokoloniale Zusammenhänge nicht benennendes und berücksichtigendes Verständnis
von Entwicklung vertritt, ist fraglich. Die Zivilgesellschaften Deutschlands sowie des
Globalen Südens und Nordens werden entscheidende AkteurInnen sein. Wie hoch ist
das Interesse des Globalen Nordens an dem wohlergehen des Globalen Südens
„wirklich“? Werden die Aufdeckung und Bekämpfung neokolonialer Verhältnisse sowie
das (annähernde) Wiedergutmachen des Kolonialismus und seinen Auswirkungen ein/e
flächendeckende/s zivilgesellschaftliche/s Ziel und Aufgabe darstellen und ferner auch
59
explizit im Entwicklungsverständnis der Bundesregierung einen Platz finden? Die
aktuelle Situation bezüglich flüchtender und geflüchteter Menschen sowie der „Kampf
gegen den Terror“ sollten und müssen Anlass genug sein, die aktuelle Welthierarchie
auf ihre Legitimität und neokolonialen Muster zu reflektieren und folglich
umzugestalten. Denn liegt nicht in der mit diesen Aspekte einhergehende,
neokolonialen Unterdrückung von Menschen eine der Ursachen für aktuelle „Krisen“?
Werden „wir“ durch eine solche Reflexion herausfinden, dass in jedem von uns ein
Anteil einer Kolonialherrin oder eines Kolonialherrn steckt? Welche Rolle müssen
dann internationale Freiwilligendienste spielen und wie müssen sie ausgestaltet sein,
um dem entgegenzuwirken?
Es wurden auch Potenziale der „Verständigung und Begegnung“ (Haas 2012, S. 88)
angedeutet. Doch letztlich bleiben zentrale Fragen, die Haas 2012 formulierte, in ihrer
Aktualität
und
Wichtigkeit
bestehen:
„Sind
die
deutschen
Akteure
des
Freiwilligendienstes und die deutsche Gesellschaft bereit vom Globalen Süden zu
lernen“ (Haas 2012, S. 88)? Denn: „Eine strukturelle Augenhöhe und Ausgeglichenheit
kann nur dann bestehen, wenn der Norden beginnt, die Akteure des Südens als ,change
agents' zu betrachten und sie nicht auf die Rolle der ,victims of unjust, power-based
South-North hierachies' (…) reduziert [werden]“ (Haas 2012, S. 88; Reddy 2006, S. 91,
zit. n. Haas 2012, S. 88).
60
6. Anhang
Stichprobe bezüglich Entsendeorganisationen
Bei einem Stichprobenartigen Blick auf elf Webauftritte willkürlich ausgewählter der
ca. 160 anerkannten Entsendeorganisationen (vgl. weltwärts 2013f) wird deutlich, dass
diese Organisationen verschiedene Ansprüche bezüglich der Spendenakquise von
Freiwilligen haben.
Die Entsendeorganisation im Bereich Naturschutz namens Ecoselva betont, dass die
Spenden keine Voraussetzung darstellen (ecoselva 2008), während der Verein AFS
(American Field Service) Interkulturelle Begegnungen e.V. die Generierung eines
Spenderkreises nahelegt. Die Freiwilligen sollen sich auch fernab des Einsatzes vor Ort
solidarisch engagieren, wozu sich dies anbiete; die Teilnahme hänge jedoch nicht von
der Höhe der Spenden ab (AFS 2009-2015).
Der Deutsch-Indische-Zusammenarbeit e.V. bezeichnet es als „wünschenswert“, „wenn
200 € pro Einsatzmonat erbracht werden“ (Deutsch-Indische-Zusammenarbeit e.V.
o.D.), das DRK internationale Freiwilligendienste Mecklenburg Vorpommern GmbH
bittet um einen spendenbasierten Eigenbetrag, „um [die] Leistungen erbringen zu
können“ (DRK internationale Freiwilligendienste Mecklenburg Vorpommern GmbH
o.D.). Der entwicklungspolitische Verein Welthaus Bielefeld wird konkreter, indem er
es als „anzustreben“ ansieht, einen Förderkreis, „der 220-250 Euro monatlich“
bezüglich des Aufenthalts einbringt, aufzubauen (Welthaus Bielefeld o.D.).
Die Freunde der Erziehungskunst Rudolph Steiners beschreiben die Beteiligung der
Freiwilligen durch den Aufbau von Spenderkreisen als einen Bestandteil der für die
25% Kosten zuständigen Solidargemeinschaft (Freunde der Erziehungskunst Rudolph
Steiners o.D.), während der Verein VIA e.V. angibt, als gemeinnütziger Verein auf die
Spenderkreise angewiesen zu sein, um den Freiwilligendienst überhaupt realisieren zu
können (VIA e.V. o.D.). Der Träger Internationale Jugendgemeinschaftsdienste (ijgd)
fordert ausdrücklich den Aufbau eines privaten Spenderkreises mit dem ziel von 150 €
im Monat (vgl. ijgd 2015). Die Landesvereinigung kulturelle Kinder- und
Jugendbildung Sachsen-Anhalt e.V. (lkj) fordert die Aufbringung von Spenden in der
Höhe von 150 Euro pro Monat des Aufenthalts (vgl. lkj o.D.)
61
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