(Re-) Produktionen von Ungleichheit und Rassismus in der Entwicklungszusammenarbeit am Beispiel der internationalen Freiwilligendienste Friedrich Keil veröffentlicht unter den socialnet Materialien Publikationsdatum: 13.05.2016 URL: http://www.socialnet.de/materialien/27586.php 11.12.2015 (Re-) Produktionen von Ungleichheit und Rassismus in der Entwicklungszusammenarbeit am Beispiel der internationalen Freiwilligendienste Bachelorarbeit zur Abschlussprüfung an der Hochschule Darmstadt Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Soziale Arbeit Vorgelegt von: Friedrich Keil Matrikelnr.: 730882 Erstreferentin: Prof. Dr. Susanne Spindler Zweitreferentin: Prof. Dr. rer. soc. Angelika Groterath Inhaltsverzeichnis Editorische Notiz................................................................................... 1 Abkürzungsverzeichnis bezüglich häufig verwendeter Abkürzungen..................................................................... 1 1. Einleitung............................................................................................. 2 2. Internationale Freiwilligendienste: Eine Form von bürgerschaftlichem Engagement und Entwicklungszusammenarbeit – Theoretische Annäherung an Internationale Freiwilligendienste................................................3 2.1 Internationale Freiwilligendienste als eine Form bürgerschaftlichen Engagements..................................... 3 2.1.1 Bürgerschaftliches Engagement.......................................3 2.1.2 Verortung (internationaler) Freiwilligendienste im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements................. 4 2.2 Internationale Freiwilligendienste und Entwicklungspolitik/ -Zusammenarbeit.................................................6 Die Entwicklungszusammenarbeit und -politik der BRD unter dem Postulat der nachhaltigen Entwicklung..................................................................... 6 2.3 Internationale Freiwilligendienste: Grundlegendes über die verschiedenen Formate...................................... 8 2.3.1 Begriffliche Bestimmung als „entwicklungs-“ und „bildungspolitisch“.......................................................... 8 2.3.2 Zusammenfassende und allgemeine Definition von internationalen Freiwilligendiensten............................. 10 2.3.3 Daten zu verschiedenen Formaten.................................12 2.4 Weltwärts genauer betrachtet.........................................12 2.4.1 Geschichtliches und Allgemeines.................................. 13 2.4.2 Zielländer, wichtige AkteurInnen und dem zugrundeliegende Leitlinien.......................................... 14 2.4.3 Ablauf und (neu formulierte) Ziele des Programms 15 2.4.4 Die Süd-Nord-Komponente...........................................18 3. Rassismus und soziale Ungleichheit im Spiegel der postkolonialen Theorie und die Transnationalisierung sozialer Ungleichheit....................................................................................... 19 3.1 Grundlagen von Rassismus und der Transnationalisierung sozialer Ungleichheit................. 19 3.1.1 Rassismus...................................................................... 19 Allgemeine Definition von Rassismus.......................... 19 Rassismus als Legitimation von Ungleichheit...............20 3.1.2 Soziale Ungleichheit..................................................... 21 Definition von sozialer Ungleichheit im Allgemeinen...................................................................21 Die Transnationalisierung Sozialer Ungleichheit.......... 21 3.2 Rassismus und soziale Ungleichheit im Spiegel der postkolonialen Theorie: Basiswissen über postkoloniale Theorie.................................................... 22 3.2.1 Über die Relevanz der postkolonialen Theorie für die Ausarbeitung...................................................... 22 3.2.2 Postkoloniale Theorie.................................................... 23 3.2.3 Rassismus als Legitimation von sozialer Ungleichheit im Kolonialismus..................................... 25 3.3 Rassismus und soziale Ungleichheit im Spiegel der postkolonialen Theorie: Wichtige Überlegungen der postkolonialen Theorie im Kontext von Rassismus und sozialer Ungleichheit...... 26 3.3.1 Neokolonialismus......................................................... 27 3.3.2 Allgemeine neokoloniale Denkweisen.......................... 28 Eurozentrismus und die Universalisierung „europäischer“ Normen................................................. 28 Neokolonialer und kulturalisierter Rassismus............... 29 3.3.3 Die (Re-) Produktion sozialer Ungleichheit sowie von Rassismus in der Entwicklungszusammenarbeit anhand neokolonialer Handlungsmuster........................30 Die Universalisierung einer eurozentrischen, „westlichen“ Entwicklungsnorm................................... 30 Wissensproduktion sowie Deutungs- und Repräsentationsmacht …............................................... 32 Dichotome Teilung in GeberInnen(-) und EmpfängerInnen (-länder)............................................. 33 3.4 4. Folgerungen für die Analyse..........................................34 Analyse............................................................................................... 35 4.1 Ungleichheiten und die Stärkung Privilegierter bezüglich dem Zugang zu weltwärts............................. 36 4.1.1 Anspruchsverfehlung bezüglich der Erreichung der Zielgruppen.............................................................36 4.1.2 Mögliche Gründe für das geringe Erreichen der Zielgruppe der Auszubildenden.....................................36 4.1.3 Ungleichheiten bezüglich Geschlecht, Migration und Menschen mit Behinderung....................................38 4.1.4 Problempotenziale dieser Ungleichheiten anhand der Theorie des „Grenzennutzens“................................ 39 4.2 Beispiele für Reformulierungen der aktuellen Ausrichtung................................................................... 40 4.3 Die Bedeutung von Entwicklung bei weltwärts sowie das neokoloniale Potenziale aufweisende Entwicklungsverständnis des BMZ................................41 4.3.1 Grenzziehungen in Entwicklungsländer und Nicht- Entwicklungsländer............................................ 41 4.3.2 Das Entwicklungsverständnis des BMZ und von weltwärts................................................................ 42 4.3.3 Zur Wichtigkeit der Bildungsarbeit bei weltwärts.........46 4.4 Der Einbezug der Partnerorganisationen und die Einseitigkeit der Freiwilligendienstes............................47 4.4.1 Der Einbezug der Partnerorganisationen bei Gründung des Freiwilligendienstes............................... 47 4.4.2 Die Einbindung der Partnerorganisationen aktuell........48 4.4.3 Zum Wirken und Nutzen der Süd-Nord-Komponente...51 4.5 Verortung der Probleme sowie des Wirkens und des Nutzens in der weltwärts-Partner-Beziehung..........52 4.5.1 Verortung der Probleme und des Entwicklungspolitischen Nutzens........................................................52 4.5.2 Lernende Freiwillige zwischen subtil rassistischen Überlegenheitsgefühlen und reflektierender PraktikantInnenen Rolle................................................ 54 4.5.3 Reproduktion bestehender Machthierarchien durch weltwärts............................................................. 55 5. Fazit.................................................................................................... 58 6. Anhang............................................................................................... 61 7. Literaturverzeichnis..........................................................................62 Editorische Notiz In der folgenden Ausarbeitung wird die Terminologie „Globaler Süden“ verwendet, um, angelehnt an Kristina Kontzi, „,eine im Globalen System benachteiligte gesellschaftliche, politische und ökonomische Position' [glokal e.V. 2013b, S. 8 zit. n. Kontzi 2015, S. 17] von Ländern und Regionen zu beschreiben, die in Bezug auf die Zeit des Kolonialismus (und oftmals bis heute) die Erfahrung der Ausbeutung teilen. Im Gegenzug beschreibt der begriff des Globalen Nordens eine bevorteilte Position, die jene Regionen umfasst, die Ausbeutung vorantrieben bzw. -treiben und als Profiteurinnen aus der Geschichte des Kolonialismus hervorgehen (…) Obgleich auch diese Begriffe homogenisierend wirken, gelten sie momentan als Gegenentwürfe zu älteren Bezeichnungen wie zum Beispiel ,Erste' und ,Dritte Welt', die als stark hierarchisierend und eurozentrisch abgelehnt werden“ (Kontzi 2015, S. 17). Abkürzungsverzeichnis bezüglich häufig verwendeter Abkürzungen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - BMZ Entsendeorganisation/-en - EO Entwicklungspolitik - EP Entwicklungszusammenarbeit - EZ Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit - GIZ Internationale/-r Freiwilligendienst/-e - IFD Partnerorganisation /-en - PO 1 1. Einleitung Um der großen Nachfrage junger Erwachsener nach entwicklungspolitischen Auslandsaufenthalten zu Anfang des Jahrtausends gerecht zu werden, wurde 2007 schließlich der entwicklungspolitische, internationale Freiwilligendienst weltwärts durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gegründet. Die Beliebtheit internationaler Freiwilligendienste (IFD) speist sich aus der „verstärkte[n] Mobilität junger Menschen und der damit einhergehenden Reiselust, die mit etwas Sinnvollem verbunden werden soll“ (Haas 2012, S. 1). Junge Erwachsene sollen sich bei weltwärts durch die Zusammenarbeit und dem Austausch mit Menschen aus dem Globalen Süden weiterbilden und nach ihrer Rückkehr dem entwicklungspolitischen Bereich idealerweise erhalten bleiben. Weltwärts dient also auch der Nachwuchsförderung bezüglich der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) und Entwicklungspolitik (EP). Vom Januar des Jahres 2008 an bis heute reisen Freiwillige, meist junge AbiturientInnen, im Rahmen von weltwärts, zunächst unter dem Motto „Lernen durch tatkräftiges Helfen“ (Haas 2012, S.20) in den Globalen Süden, um dieses in die Tat umzusetzen. Der aktuelle Schwerpunkt des Dienstes liegt auf dem Lernen durch die Begegnung und Zusammenarbeit mit den Menschen aus den sogenannten Partnerländern (vgl. weltwärts 2014a, S. 2). Doch der IFD muss sich regelmäßiger Kritik, z.B. von Seiten der sog. postkolonialen Wissenschaften, stellen. So wird weltwärts beispielsweise dafür kritisiert, dass es sog. neokoloniale Tendenzen aufweist (vgl. Haas 2012, S. 87), was kurz gesagt bedeutet, dass Herrschaftsmuster und Ungleichheitsverhältnisse der Kolonialzeit zwischen Globalem Norden und Süden, die auf Rassismus beruhen, im Hier und Jetzt reproduziert werden. In der folgenden Ausarbeitung soll sich diesem Sachverhalt angenähert und analysiert werden, inwiefern weltwärts, als ein Beispiel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, Rassismus und soziale Ungleichheit reproduziert. Kapitel zwei widmet sich zunächst dem Themenfeld der IFD in Deutschland, vor allem weltwärts. Es erfolgt eine Zuordnung zur EZ. Kapitel drei setzt sich folglich mit einigen Theorien, besonders aus dem Feld der postkolonialen Theorie auseinander, die zur Untersuchung von weltwärts auf seine Ungleichheit und Rassismus (re-) produzierenden Potenziale hin hilfreich sein können (Kapitel 3). Danach folgt in Kapitel vier die Analyse, während in Kapitel fünf ein Fazit gezogen wird. Insgesamt erfolgt eine Orientierung an der Gliederung von Haas (2012) und Kontzi (2015). 2 2. Internationale Freiwilligendienste: Eine Form von bürgerschaftlichem Engagement und Entwicklungszusammenarbeit – Theoretische Annäherung an Internationale Freiwilligendienste Beim Betrachten der einschlägigen Literatur können sich internationale Freiwilligendienste beispielsweise innerhalb zweier übergeordneter Themenfelder wiederfinden: dem des bürgerschaftlichen Engagements und dem der Entwicklungszusammenarbeit. Beispielsweise bezeichnet sich weltwärts als einen „entwicklungspolitischen Freiwilligendienst“ (z.B. BMZ 2014a, S. 3), woran die Zugehörigkeit zu beiden Themenfeldern deutlich wird. Das Unterkapitel 2.1 beschäftigt sich folgend genauer mit dem Begriff der internationalen Freiwilligendienste und stellt diesen in Zusammenhang mit bürgerschaftlichen Engagement. Punkt 2.2 beschäftigt sich wiederum mit dem Zusammenhang zwischen Entwicklungszusammenarbeit und -politik mit internationalen Freiwilligendiensten ehe in Kapitel 2.3 eine abschließende Definition von internationalen Freiwilligendiensten erfolgt. Kapitel 2.4 stellt zuletzt den IFD weltwärts genauer vor, da dieser im Zentrum der Analyse stehen wird. 2.1 Internationale Freiwilligendienste (IFD) als eine Form bürgerschaftlichen Engagements 2.1.1 Bürgerschaftliches Engagement Bevor dem Sachverhalt auf den Grund gegangen wird, dass Freiwilligendienste im Allgemeinen eine „besondere Form des bürgerschaftlichen Engagements“ sind (Fischer 2011, S. 54), ist es von Nöten, den Terminus „bürgerschaftliches Engagement“ näher zu beleuchten. Es handelt sich hierbei um eine komplexe Begrifflichkeit, deren Grundzüge und wichtigste Merkmale aufgezeigt werden. Für darüber hinausgehende Informationen wird an dieser Stelle auf die angegebene Literatur verwiesen. Bürgerschaftliches Engagement kann mit dem Begriff des „freiwilligen Engagements“ weitestgehend gleichgesetzt werden (Enquete-Kommission, Deutscher Bundestag 2002, S. 73). Beide Termini beziehen sich laut der Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ auf den Status der Bürgerin bzw. des Bürgers und der damit verbundenen Freiheit, sich engagieren zu können (und nicht zu müssen). Die 3 freiwillige Entscheidung, sich bürgerschaftlich zu engagieren, ist hierbei nicht als „beliebige Wahlhandlung“ gemeint, sondern als eine „frei von einem gesetzlich geregelten Zwang“ getroffene Entscheidung (ebd. 2002, S. 73). Es wird sichtbar, dass die Begriffe des freiwilligen/bürgerschaftlichen Engagements in Verbindung mit der Identität als Bürgerin und Bürger und mit dem Gedanken der Bürgergesellschaft einhergehen. So stellen bürgerliche, politische und soziale Rechte, wie z.B., allgemein gesagt, Grund und Freiheitsrechte, die Grundvoraussetzung von freiwilligem Engagement dar (vgl. ebd. 2002, S. 75 f). Damit einher geht der Begriff der „aktiven Bürgergesellschaft“ 1. So wird argumentiert, dass demokratische Bürgerschaft mit dem Anspruch der „aktiven Teilhabe“ verbunden ist, welcher z.B. folgende Elemente beinhaltet: Die Bereitschaft, „sich informiert in die politische Willensbildung einzumischen, sich an Wahlen und Abstimmungen zu beteiligen sowie öffentliche Aufgaben und Ämter zu übernehmen“ (ebd. 2002, S. 76). Letzteres Element beinhaltet das bürgerschaftliche Engagement. Allgemein kann gesagt werden, dass bürgerschaftliches Engagement freiwillig, nicht auf materiellen Gewinn gerichtet und gemeinwohlorientiert ausgeübt wird. Zudem handelt es sich um öffentliches bzw. im öffentlichen Raum stattfindendes und um i.d.R. gemeinschaftlich/kooperativ ausgeübtes Engagement (vgl. Enquete Kommission, Deutscher Bundestag 2002, S. 86 f). Weiter kann freiwilliges Engagement als Ehrenamt verstanden werden, wobei im Vergleich zum übrigen freiwilligen Engagement zusätzlich folgende Kriterien erfüllt sein müssen: Eine stärkere Formalisierung durch genauere Regeln und Pflichten. Es ist meist über einen längeren Zeitraum angelegt (vgl. Haas 2012, S. 16). 2.1.2 Verortung (internationaler) Freiwilligendienste im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements Wie oben bereits angedeutet, handelt es sich bei internationalen sowie nationalen 1 „Bürgergesellschaft ist die Vision einer politischen Gemeinschaft, in der nicht allein oder vorrangig der Staat und seine Institutionen für die Zukunft der politischen Gemeinschaft Verantwortung tragen. Bürgergesellschaft heißt, sich von der Allzuständigkeit des Staates zu verabschieden, zuzulassen und zu fördern, dass Bürgerinnen und Bürger in größerem Maße für die Geschicke des Gemeinwesens Sorge tragen (Enquete Kommission, Deutscher Bundestag 2002, S.76). Dazu müssten „die Kräfte bürgerschaftlicher Selbstorganisation“ gestärkt und sich von „der Vorstellung einer Staatsgesellschaft“ verabschiedet werden und es bedeute ferner auf lokaler Ebene „eine Öffnung der Verwaltungen für die Anliegen der Bürger“ und dass diesen Ressourcen zur Verfügung stehen müssten (Enquete Kommission, Deutscher Bundestag 2002, S. 76). 4 Freiwilligendiensten laut Fischer um eine „besondere Form des bürgerschaftlichen Engagements“ (Fischer 2011, S. 54), was auch §1 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten (JFDG) zu entnehmen ist. Das Spezifische im Gegensatz zu einem anderweitigen freiwilligen Engagement besteht hiernach darin, dass Freiwilligendienste verbindlichen und formalen Regeln unterliegen (ebd. 2011, S.1), was ebenfalls dem JFDG (§ 11) zu entnehmen ist. Haas verweist hierbei auf den Begriff „Dienst“, welcher dieses Charakteristikum impliziere. So könne man Freiwilligendienste als „frei williges Dienen“ verstehen (Haas 2012, S. 16); die stärkere Formalisierung des Engagements weise folglich eine Nähe zum von der Enquete Kommission definierten Ehrenamtsbegriff (s.o.) auf (vgl. ebd., S. 17). Ein IFD weist auch andere Charakteristika vom oben beschriebenen bürgerschaftlichen Engagement auf: So findet ein IFD im öffentlichen Raum statt, „ist gemeinwohl- und Non-Profit orientiert und bringt eine Verbindlichkeit mit sich“ (Haas 2012, S. 19). Die Kriterien der Gemeinwohlorientierung und des öffentlichen Raums seien hierbei in zweierlei Sinn zu betrachten: Da sich Freiwillige z.B. des Dienstes weltwärts, auf Basis ihrer gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse, nach ihrer Rückkehr in das Heimatland dort weiter bezüglich entwicklungspolitischer Bildung engagieren sollen, findet das Engagement also in zweierlei öffentlichen Räumen statt und ist sowohl auf das Partnerland, als auch auf das Entsenderland bezogen gemeinwohlorientiert (vgl. Haas 2012, S. 19). Weitere Eigenschaften von Freiwilligendiensten im Allgemeinen ist die vorab festgelegte Dienstdauer (Fischer 2011, S. 54)2. Fischer macht zwei Distinktionsmerkmale für Freiwilligendienste aus. Zum einen kann unterschieden werden, um welchen „inhaltlichen Schwerpunkt der Einrichtungen“ es sich handelt (ebd. 2011, S. 54). So kann hier in z.B. soziale, ökologische, kulturelle oder entwicklungspolitische Projekte unterteilt werden, was sich auch in unterschiedlichen Formaten - wie dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ), Freiwilligen 2 Im Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten (JFDG) welches insbesondere das Freiwilligendienst-Format Freiwilliges Soziales bzw. Ökologisches Jahr regelt (FJS bzw. FÖJ) und dem Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG), welches den Bundesfreiwilligendienst (BFD) regelt, können einheitliche Regeln für die Dienste ausfindig gemacht werden. So schreiben § 5 Abs. 1 verbunden it §6 Abs. 2 des JFDG sowie §3 Abs. 2 BFDG fest, dass der jeweilige Freiwilligendienst „in der Regel für eine Dauer von zwölf zusammenhängenden Monaten geleistet“ wird. Die Mindestdauer beträgt demnach hingegen 6 Monate. Die Dienste müssen gemäß des § 2 Abs. Nr. 1 JFDG „vergleichbar einer Vollzeitbeschäftigung“ ausgeübt werden. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 des BFDG muss hingegen ein Bundesfreiwilligendienst zwar ebenfalls wie eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt werden, bei einem Alter über 27 Jahren kann der Dienst jedoch auch lediglich über 20 Stunden die Woche betragen. 5 Ökologischen Jahr (FÖJ), FSJ im Sport, FSJ in der Politik oder einem solchen in der Denkmalpflege – ausdrückt (ebd. 2011, S. 54). Die zweite wichtige und besonders für vorliegende Arbeit relevante Unterscheidung ist die in nationale oder internationale Freiwilligendienste (ebd. 2011, S. 54). 2.2 Internationale Freiwilligendienste und Entwicklungspolitik/ -zusammenarbeit Bevor in Kapitel 2.3.1 – analog zur Verortung im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements - die Zusammenhänge von internationalen Freiwilligendiensten mit dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und -politik (EZ/EP) gezeigt und erörtert werden, wird die Leserin bzw. der Leser erneut zunächst mit Grundkenntnissen, diesmal über den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, vertraut gemacht. Die Entwicklungszusammenarbeit und -politik der Bundesrepublik Deutschland unter dem Postulat der nachhaltigen Entwicklung Der deutsche Politikwissenschaftler Uwe Andersen teilt die Entwicklungspolitik (EP) bezogen auf die staatliche Gesamtpolitik der Außenpolitik zu (vgl. Andersen 2013). Er bezeichnet die EP als „multifunktionale Querschnittsaufgabe“, da sie primär „im Schnittpunkt der Außen- und Wirtschaftspolitik“ liege und zudem Finanz-, Forschungs-, Technologie, Agrar- und Umweltpolitik eine Rolle spielen (Andersen 2013). Ergänzend hierzu können Kevenhörster und van den Boom herangezogen werden, welche das Politikfeld der Entwicklungspolitik als ein „Hybridwesen“ bezeichnen, da es sich nicht klar von anderen Politikfeldern abgrenzen lasse, sondern vielmehr eine „Gemengenlage aus vielerlei Quellen [ist], die sich im Regelfall nur additiv darstellen lassen“ (Kevenhörster/ van den Boom 2009, S. 13). So finde Entwicklungspolitik in vielerlei Teilbereichen statt, wie z.B. der Außenpolitik, (Außen-) Wirtschaftspolitik, Migrations- und Umweltpolitik, Ethnologie und Anthropologie und naheliegender Weise der Entwicklungszusammenarbeit. Entwicklungszusammenarbeit kann also als Facette der Entwicklungspolitik gesehen werden und wird erklärt als „das Bündel an Maßnahmen, Projekten und Programmen der Institutionen staatlicher und nichtstaatlicher Entwicklungsarbeit, deren Ziel es ist, in Ländern mit signifikanten ökonomischen, sozialen, ökologischen und politischen Problemen eine Verbesserung der Lebensumstände für eine Mehrheit der Bevölkerung zu erreichen“ (ebd. 2009, S. 13). 6 Andersen, Kevenhörster und van den Boom machen diesbezüglich auf die Vieldeutigkeit des Entwicklungsbegriffs aufmerksam, dessen Auslegung mit den Zielen und Maßnahmen von (internationaler) Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit einher geht. Entwicklung wurde in der Historie der Entwicklungszusammenarbeit verschieden interpretiert und ausgelegt: So wurde Entwicklung in den 1950er Jahren von den Vereinten Nationen mit wirtschaftlichen Wachstum gleichgesetzt. Das aus ihm resultierende steigende Einkommen würde allen Gesellschaftsteilen zugute kommen, „weiche Ziele“ wie Bildung, aus der Umsetzung der „harten“ Ziele bezüglich der Wirtschaft resultieren. Grundgedanke hierbei sei gewesen, dass es „eine historisch vorgegebene Entwicklung“ gäbe, historische oder kulturelle Rahmenbedingungen wurden nicht als Faktoren angesehen (Kevenhörster/ Van den Boom 2009, S. 19). In den 60er Jahren forderten, aufgrund ausbleibender sozialer Entwicklungsfortschritte, Modernisierungstheorien auch Investitionen in die Bereiche der Ernährung, Gesundheit, Bildung, Unterentwicklung als Politik Folgen und Verwaltung; „der Dependenztheorien internationalen sahen Arbeitsteilung im Spannungsverhältnis zwischen Zentrum und Peripherie“ (ebd. 2009, S. 20). Nach der Grundbedürfnisstrategie in den 1970ern, mit der Verbesserung der Lebensbedingungen bezüglich Ernährung, Gesundheit, Wohnen, Bildung, Beschäftigung als Ziele, orientiert sich dieEntwicklungszusammenarbeit und -politik seit den 1980er Jahren am Begriff der „nachhaltigen Ent- wicklung“ (siehe Abbildung 1) (ebd. 2009, S. 20). Kevenhörster und van den Boom machen darüber hinaus vier Dimensionen Abbildung 1: Quelle: Kevenhörster/ van den Boom 2009, S. 22 f entwicklungspolitischer Zielsetzung aus: 1. soziale Gerechtigkeit (armuts-mindernde 7 Rahmenbedingungen und sozialer Ausgleich) 2. wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (armutsorientiertes Wachstum und wirtschaftliche Zusammenarbeit) 3. politische Stabilität (Frieden, Menschen-rechte, Demokratie, Gleichberechtigung) 4. ökologisches Gleichgewicht (Bewahren der natürlichen Ressourcen als Lebensgrundlage)(ebd. 2009, S. 32). Die verschiedenen Auslegungen von Entwicklung und deren Anwendung im entwick- lungspolitischen Bereich werden in den Sozialwissenschaften der postkolonialen Theorie stark kritisiert. Hierauf wird in Kapitel 3.3.3 genauer eingegangen werden. 2.3 Internationale Freiwilligendienste: Grundlegendes über die verschiedenen Formate 2.3.1 Begriffliche Bestimmung als „entwicklungs-“ und „bildungspolitisch“ Unter den internationalen Freiwilligendiensten werden einige als „entwicklungs- politisch“ tituliert bzw. titulieren sich mit dieser Bezeichnung selbst, im Zuge mit anderen hingegen wird diese Bezeichnung nicht herangezogen. In Zusammenhang mit der Bezeichnung „entwicklungspolitisch“ nennen z.B. Krüger und Volkmann (2014, S. 450) folgende zwei Dienste: Zum einen den Internationalen Jugendfreiwilligendienst (IJFD), welcher der Verantwortung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) obliegt und von diesem finanziell unterstützt wird. Zweiter stellt der für diese Ausarbeitung relevante Freiwilligendienst weltwärts dar, welcher sich selbst als „entwicklungspolitischer Freiwilligendienst“ bezeichnet, vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) organisiert und finanziert wird und auch in seinen Leitlinien wesentliche Elemente von Entwicklungszusammenarbeit enthält (weltwärts wird in Kapitel 2.4 genauer vorgestellt)3. Die Zielgruppe beider Formate sind zwischen 18 und 26 Jahre junge Menschen und der Zeitraum des freiwilligen Einsatzes kann über sechs bis 24 Monate gehen. Zudem findet eine pädagogische Begleitung der Dienste durch verpflichtende Seminare statt. Geleistet werden diese Dienste laut Krüger und Volkmann i.d.R. in Ländern des Globalen Südens oder post-sowjetischen Ländern (vgl. Krüger/ Volkmann 2014, S. 450). So heißt es in der Förderrichtlinie von „weltwärts“, dass der Dienst in „Entwicklungsländern/ Gebieten“ stattfindet (vgl. BMZ 2014a, S. 3). Bezüglich des 3 2013 betrug die Förderung von weltwärts aus Mitteln des BMZ 23,5 Million Euro. 2012 war das BMZ mit 6,0995 Milliarden Euro der größtr Geldgeber für Entwicklungszusammenarbeit (Anteil von 60,6%) (vgl. BMZ 2014b, S.7). 8 IJFD ist jedoch anzumerken, dass dieser nicht auf Länder des Globalen Südens fixiert ist, die Leitlinien des Dienstes geben keine Begrenzung vor. Auch gemäß einschlägiger Informationsquellen wie z.B. der Initiative Engagementförderung junger Erwachsener im Ausland oder des Internationaler Bundes (welcher auch anerkannter Träger z.B. für den IJFD oder „weltwärts“ ist), kann der Dienst weltweit erfolgen, nicht jedoch in aktuellen Kriegs- oder Krisengebieten (vgl. Initiative Engagementförderung junger Erwachsener im Ausland: IJFD, 2015/ Internationaler Bund: Internationaler Jugendfreiwilligendienst (IJFD), o.D.). So findet der IJFD also nicht zwangsläufig (wie im Vergleich weltwärts) in „sogenannten Partnerländern der deutschen EZ statt“ (AKLHÜ 2013, S. 8). Die Richtlinien des IJFD benennen keinen Bezug zur Entwicklungszusammenarbeit als Voraussetzung der Träger, wobei in Punkt 3 („Profil der Einsatzstellen und Aufnahmeorganisationen“) der Förderlinien von weltwärts ein solcher manifestiert ist (BMZ 2014a, S. 6). Es kann darauf geschlossen werden , dass der IJFD deswegen nicht - z.B von den Bundesministerien sowie vielen einschlägigen Organisationen - als entwicklungspolitisch tituliert wird. Im Vergleich zu den von Krüger und Volkmann als „entwicklungspolitisch“ titulierten Freiwilligendiensten weltwärts und dem IJFD werden andere internationale Freiwilligendienste, wie der Europäische Freiwilligendienst (EFD) oder kulturweit, von den beiden AutorInnen weniger als „entwicklungspolitisch“ angesehen (vgl. Krüger/ Volkmann 2014, S. 450). So beruhen diese internationalen Freiwilligendienste „nicht im gleichen Maß auf ökonomischen und lebensweltlichen Differenzerfahrungen, wie sie im Rahmen eines entwicklungspolitischen Einsatzprojektes gemacht werden können.“ (ebd. 2014, S. 450). Entwicklungspolitische Elemente können sich jedoch, aller Differenzierungen zum Trotz, in jeder Form von IFD wiederfinden. So befassen sich AutorInnen des glokal e.V. mit entwicklungspolitischer Bildungsarbeit. Diese fokussiere sich zur Zeit hauptsächlich auf die Ansätze des „Globalen Lernens“ und der „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, welche sich inhaltlich auf „Interkulturelle() Pädagogik, Menschenrechtsbildung und Umweltbildung.“ beziehen (Danielzik/ Kiesel/ Bendix 2013, S. 8). Hierbei stehen, zusammengefasst gesagt, „Fragen der Nord-SüdBeziehungen“ im Vordergrund, „wobei dabei die Vision formuliert wird, zu einer gerechten Welt ohne Armut beitragen zu wollen.“ (ebd. 2013, S. 8). 9 Die entwicklungspolitische Bildungsarbeit ist insofern relevant für internationale Freiwilligendienste, als dass deren (Pflicht-)Seminare eine Form von entwicklungspolitischer Bildungsarbeit sind (neben Beispielsweise dem Schul- oder Hochschulbereich). In diesem Zusammenhang werden neben dem Freiwilligendienst weltwärts auch das FSJ, FÖJ und kulturweit genannt (ebd. 2013, S. 10). Die entwicklungspolitische Bildungsarbeit werde zudem „fast ausschließlich aus entwicklungspolitischen Mitteln des Bundes, der Länder und der Kirchen“ finanziert (ebd. 2013, S. 10). 2.3.2 Zusammenfassende und allgemeine Definition von internationalen Freiwilligendiensten Wie die Verortung von IFD in den Bereich des bürgerschaftlichen Engagements (2.1) sowie der Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit (2.2) gezeigt haben, sind internationale Freiwilligendienste eine Form von freiwilligem/ bürgerschaftlichem Engagement, einige Formate, besonders weltwärts, darüber hinaus von Entwicklungszusammenarbeit. Bezüglich dieser zeigt sich, außer beim klar zuordenbaren entwicklungspolitischen Freiwilligendienst weltwärts, dass eine klare Zuordnung aufgrund verschiedener Kriterien schwierig sein kann. So kommt es z.B beim IJFD darauf an, in welchem Land und in welchem Projekt der Dienst stattfindet. Verschiedene anerkannte Entsendeorganisationen (staatliche oder nicht-staatliche) bieten jeweils verschiedene Formate internationaler Freiwilligendienste, wie z.B. weltwärts oder den IJFD, an (vgl. AKLHÜ 2014, S. 5; AKLHÜ 2013, S. 3). Die Entsendeorganisation stellt für die BewerberInnen i.d.R. auch den Erstkontakt zu Einsatzstellen im Gastland her und verantwortet die in allen IFD stattfindende pädagogische Begleitung, wie z.B. Seminare (vgl. Haas 2012, S. 19). Konkret wird im Gastland Kontakt zu einer Partnerorganisation hergestellt, in deren Projekt die/der Freiwillige dann teilnimmt (vgl. AKLHÜ 2013, S. 4). Diese ist für die pädagogische Begleitung vor Ort zuständig. Entsendeorganisationen können sich von ihrem Selbstverständnis, welches die jeweiligen Schwerpunkte setzt, unterscheiden. So können diese sich z.B. als religiös oder weltlich verstehen und z.B. „Völkerverständigung“ oder den „Einsatz für den Frieden oder die 'Eine Welt'“ als Schwerpunkt haben (Christ und Fischer 2011, S. 13 zit. n. Haas 2012, S. 19). IFD grenzen sich „damit zu anderen Auslandsaufenthalten wie Praktika, Au-Pair oder Workcamps“ (Haas 2012, S. 19) ab und setzen i.d.R. keine abgeschlossene 10 Berufsausbildung voraus, wie z.B. bei Fachkräften der Entwicklungshilfe der Fall. (vgl. ebd. 2012, S. 19; AKLHÜ 2014, S. 3). Deshalb kann auch nicht von sog. Entwicklungsdiensten gesprochen werden (vgl. Haas 2012, S. 19)4. Haas verweist auf zwei wichtige Eigenschaften von IFD. Zum einen finden in diesen „inhärente Wirkungsgefüge“ (Haas 2012, S. 22) statt. Jörn Fischer spricht hier von Dyaden aus Bewirken und Bewirkt-Werden, was im Falle von weltwärts heißt, dass die Freiwilligen einerseits einen Nutzen erreichen, andererseits selbst Lernerfahrungen machen sollen (vgl. Fischer 2011, S.56). Als Beispiel hierfür nennt Haas den damaligen weltwärts-Slogan „Lernen durch tatkräftiges Helfen“ (Haas 2012, S. 20). Dem aktuellen weltwärts-Flyer ist eine ähnliche Logik, zu entnehmen, jedoch wird nicht mehr von „Helfen“ gesprochen, sondern von Begegnung und zusammenarbeiten: „Begegne Menschen anderer Kulturen und Lebenswelten, lerne von ihnen und arbeite gemeinsam mit ihnen im Team“ (weltwärts 2014a, S. 3). Der zweite Punkt, den Haas anführt, ist, dass IFD, durch ihr Geschehen in einem größeren (regionalen) Zusammenhang, mit den Konzepten des Kosmopolitismus und der Global Citizenship einhergehen, welche „versuchen[,] handelnde Personen und Gruppen in einer globalisierten Welt in diesem größeren Zusammenhang zu verorten.“ (ebd. 2012, S. 19). In diesem Zusammenhang zitiert er Jones, welcher IFD „as part of a developing global civil society“ sehe (Jones 2011, S. 542, zit. n. Haas 2012, S. 19). Das heiße laut Haas, dass es hierbei zu untersuchen gelte, „inwiefern sich junge Freiwillige aus Deutschland als Teil einer europäischen Gesellschaft oder – wie im Fall von weltwärts – einer Weltzivilgesellschaft wahrnehmen und sich dementsprechend im Sinne der aufgestellten Prinzipien für diese Einsetzen“ (Haas 2012, S. 19 f). Die postkoloniale Theorie greife dies ebenfalls auf , stehe diesem Konzept jedoch kritisch gegenüber (vgl. ebd. 2012, S. 20). Kritische Überlegungen einer Weltzivilgesellschaft („Eine Welt“) werden unter der Überschrift „Dichtome Teilung in Geber(-) und Empfägner (-länder)“ in Kapitel 3.3.3 vorgestellt. 4 Es kann Grundsätzlich zwischen zwei Kategorien von interntionalen Freiwilligendiensten unterschieden werden: 1. Geregelte Freiwilligendienste, welche auf gesetzlichen Rahmenbedingungen und verbindlichen Richtlinien beruhen und mit Ausnahme des „Andrem Dienst im Ausland (AdiA)“ öffentlich gefördert werden. Hierzu gehören u.A. Formate wie AdiA, Europäischer Freiwilligendienst (EFD), Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr im Ausland (FSJ/ FÖJ), der internationale Jugendfreiwilligendienst (IJFD), kulturweit, weltwärts. 2. Freiwilligendienste auf privatrechtlicher Basis, welche nicht auf gesetzlichen Grundlagen beruhen sondern auf privatrechtlichen Verträgen und i.d.R. Nicht öffentlich gefördert werden (vgl. AKLHÜ 2014, S. 5 f). 11 2.3.3 Daten zu verschiedenen Formaten von IFD 2013 wurden unter den sog. geregelten Freiwilligendiensten die meisten internationalen Freiwilligen in einen weltwärts Dienst vermittelt (3175 Teilnehmer), gefolgt vom IJFD (2715 Teilnehmer). Freiwillige Freiwillige in in Zudem 443 EFD, 344 kulturweit, 48 einen Freiwillige in ein FSJ sowie 11 Freiwillige in den „Anderen Dienst im Ausland“. In Abbildung zwei kann sich der/die LeserIn einen Überblick über die Verteilung der Freiwilligen bezüglich Dienstart und Länder machen. Bezüglich dem Alter der Frei- willigen in geregelten IFD ist zu sagen, dass ca. 89% der 2013 Abbildung 2: Verteilung Freiwilliger nach vermittelten zwischen 18 und 20 Länder und IFD; Quelle: AKLHÜ 2014, S 15 Jahren alt waren und ca. 11 % 21 Jahre oder älter (vgl. AKLHÜ 2014, S. 10). Die meisten aller Freiwilligen absolvierten im Jahr 2013 einen IFD zwischen 11 und 13 Monaten (siehe Fußnote 4 der lezten Seite für Abkürzungen; ww 2777 Freiwillige; IJFD 2371; FSJ/FÖJ 47, kw 193, EFD 228). Die zweitmeisten 6-11 Monate (ww 296, IJFD 333; FSJ/FÖJ 1; kw 149; EFD 200) (vgl. ebd. 2014, S. 9 f). Auffällig ist zudem, dass von den 85,2 % der Freiwilligen, welche Angaben zu ihrem Schulabschluss machten, folgende Anteile Abitur haben: 98,6% bei kw(342 Freiwillige); 96,1% bei ww (2708 Freiwillige); 95,3 % beim EFD (45 Freiwillige); 95,2 % beim IJFD (2391 Freiwillige); 89,6% beim FSJ/ FÖJ (43 Freiwillige). 2.4 Weltwärts genauer betrachtet Aufgrund dessen, dass der entwicklungspolitische Freiwilligendienst weltwärts, wie bereits deutlich wurde, der einzige ausschließlich als entwicklungspolitisch zu verstehende internationale Freiwilligendienst ist und sich die einschlägige Literatur 12 auch zum größten Teil mit diesem beschäftigt, wird auch die Analyse, wie in der Einleitung bereits gesagt, auf dieses Format beschränken. Dies ist nicht zuletzt dem limitierten Umfang der Arbeit geschuldet. 2.4.1 Geschichtliches und Allgemeines Wie vielfach deutlich wurde, versteht sich weltwärts als entwicklungspolitischer Freiwilligendienst. Er wurde am 3. September 2007 von der Entwicklungsministerin Heidemarie Wiedczorek-Zeul (SPD) vorgestellt. damaligen Am 17. Januar des folgenden Jahres wurden die ersten Freiwilligen verabschiedet (vgl. Kontzi 2015, S. 30, Haas 2012, S. 22). Bereits Anfang des Jahrtausends war der Bedarf für Rahmenbedingungen in Form konzeptioneller und finanzieller Förderung bezüglich „[t]ausender junger Menschen“, welche sich „in der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern“ engagieren möchten, erfasst worden (deutscher Bundestag 2001, S. 1 zit. n. Haas 2012, S. 21). Im Beschluss 14/8006 forderte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, „einen Entwurf für ein entwicklungspolitisches Jugendprogramm [namens, Anm. d. Verf.] 'Solidarisches Lernen' vorzulegen“ (Haas 2012, S. 21). Nach dem Einführen eines entwicklungspolitischen Schulaustauschprogramms namens ENSA im Jahre 2005 und einem den Handlungsbedarf bestätigenden Evaluierungsbericht ein Jahr später beschloss das BMZ, den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst weltwärts ins Leben zu rufen. Bis dahin verstärkte sich auch der Trend, zwischen Schule und Studium/ Ausbildung eine „Pause“ zu nehmen. Der Freiwilligensurvey 2009 betonte zudem die zivilgesellschaftliche Wichtigkeit von - von der öffentlichen Hand gegebenen - Rahmenbedingungen bezüglich freiwilligem Engagement allgemein (vgl. Haas 2012, S. 21). Dies wird vom BMZ durch die weltwärts-Einführung aufgegriffen, mit dem Ziel, eben jungen Menschen zwischen 18 und 28 Jahren zu ermöglichen, sich nun unabhängig von Einkommenssituation im Zeitraum von 6 bis 24 Monaten entwicklungspolitisch engagieren zu können (vgl. ebd. 2012, S. 21/ Kontzi 2015, S. 31). Dass bis heute vornehmlich Abiturienten weltwärts Freiwillige sind (2013 waren es mit 2708 Abiturienten 96,1 % aller Freiwilligen), wird in der Analyse aufgegriffen (vgl. AKLHÜ 2013, S. 12). Die „angestrebte Zielgröße“ (Kontzi 2015, S. 30) belief sich am Anfang auf 10000 Freiwillige pro Jahr, konnte aber bis heute nicht verwirklicht werden, obwohl die 13 Zahlen am Anfang jährlich stiegen: 2008: 2557 Freiwillige; 2009: 3525 Freiwillige, 2010: 4288 Freiwillige (vgl. ebd. 2015, S. 31). 2013 waren es, wie im vorigen Kapitelabschnitt gezeigt, 3175 Freiwillige. Es erfolgte zunächst eine Pilotphase von 2008 bis 2010 (vgl. ebd. 2015, S. 31). Im Anschluss an neun Tagungen mit „weltweiten Partnern“ Ende 2012 wurden Neuerungen und Weiterentwicklungen, basierend auf Handlungsempfehlungen von Evaluierungsprozessen, umgesetzt (BMZ 2010-2015a). So ergeben sich z.B. Änderungen bezüglich der Ziele, auf die in Kapitel 2.4.3 eingegangen wird. Zudem wurde im November 2013 eine Süd-Nord Komponente eingerichtet, die in Kapitel 2.4.4 kurz thematisiert wird (ebd. 2010-2015a). 2.4.2 Zielländer, wichtige AkteurInnen und zugrundeliegende Leitlinien Der IFD weltwärts kann von deutschen StaatsbürgerInnen oder nicht-“Deutschen“ mit „dauerhaftem Aufenthalt oder Aufenthaltsrecht bzw. -titel in Deutschland“, welche über einen „Hauptschul- oder Realschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung, Fachhochschulreife oder allg. Hochschulreife, oder eine anderweitige Eignung, sowie entsprechende persönliche Erfahrungen verfügen“ abgeleistet werden (BMZ 2014a, S. 5; siehe hier für weitere Voraussetzungen). Weltwärts findet in Ländern der OECD/ DAC – Liste der Entwicklungsländer und -gebiete5 statt (BMZ 2014, S. 3). Dabei sollen „Afrikanische Länder“ besonders berücksichtigt werden, „da der Zusammenarbeit mit diesen in der Entwicklungspolitik der Bundesregierung ein hoher Stellenwert zukommt“ (BMZ 2014a, S. 4). Laut den Förderleitlinien wird der Freiwilligendienst als „Gemeinschaftswerk“ von BMZ und den „im weltwärts-Programm anerkannten zivilgesellschaftlichen EO verantwortet“ (BMZ 2014a, S. 3)6. Diese Entsendeorganisationen haben die Aufgabe, Freiwillige auszuwählen, auf den Auslandsaufenthalt vorzubereiten und eine geeignete Einsatzstelle zu finden. Außerdem fallen die Betreuung und die pädagogische 5 OECD steht für „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“, DAC steht für„Development Assistance Committee“ (BMZ 2014a, S: 3). 6 Gemäß den Förderleitlinien gibt es folgende Voraussetzungen für eine Anerkennung von EO: Gemeinnützigkeit, Sitz in Deutschland. Sie müssen ferner „fachlich, personell, organisatorisch und auf Grund ihrer Auslandserfahrungen nachweislich in der Lage (…) [sein], ihre Aufgaben und Verpflichtungen nach Maßgabe (…) [der] Förderleitlinie auf Dauer erfüllen zu können“ sowie „ein pädagogisches Gesamtkonzept in Einklang mit den Anforderungen (…) [der] Förderleitlinie und dem weltwärts-Qulitätsanforderungskatalog vorweisen können“ (BMZ 2014a, S. 7). Außerdem müssen sie „über die Zertifizierung einer für den Freiwilligendienst weltwärts zugelassenen Prüfinstanz verfügen und, (…) sich über die Mitgliedschaft in einem Qualitätsverbund aktiv am QualitätsmanagementSystem für weltwärts beteiligen“ (ebd 2014, S.7). 14 Begleitung der Freiwilligen während des Dienstes sowie das Kümmern um Versorgugnsleistungen wie Versicherung und Unterhalt in den Aufgabenbereich der EO. Sie sind allgemeine Ansprechpartnerinnen für Freiwillige (vgl. Kontzi 2015, S. 31). Für Belange der Programmsteuerung wurde das sog. weltwärts-Sektretariat ins Leben gerufen, „das die administrativ-finanzielle Umsetzung des Programms sowie die Kommunikation mit Entsendeorganisationen [EO], interessierten Freiwilligen und weiteren Akteur_Innen übernimmt“ (Kontzi 2015, S. 31). Kontzi betont hierbei die Vielfältigkeit der EO, welche christlich oder weltlich geprägt sein können, weshalb eine Verallgemeinerung von EO nicht getroffen werden könne. Weitere Akteurinnen sind die Partnerorganisationen im Gastland. Diese „sind jene Organisationen, mit denen die Entsendeorganisationen eine sogenannte Partnerschaft haben und die eine Arbeitsstelle für weltwärts-Freiwillige in einem sogenannten Partnerprojekt organisieren. Diese stelle muss nicht direkt bei der 'Partnerorganisation sein, sondern kann auch von einer anderen Organisation angeboten werden“(Kontzi 2015, S. 32). Die Aufgaben der Partnerorganisationen bezüglich Freiwilliger sind: „fachliche Einarbeitung und Anleitung“ sowie die Gewährleistung einer „umfassenden Betreuung“ durch Zuteilung eines/r verantwortlichen Mentors bzw. Mentorin, „die/der für die Freiwilligen gut erreichbar ist“ (BMZ 2014a, S. 6). Zudem soll eine „ - auf Grundlage klarer Absprachen und Ziele sowie einer schriftlich niedergelegten Vereinbarung - (…) enge Kooperation mit der EO“ stattfinden, welche z.B. das Miteinbezogen-sein im Auswahlprozess der Freiwilligen mit sich zieht (BMZ 2014a, S. 6). Ein direkter Kommunikationsweg zum BMZ ist nicht vorgesehen, Vorschläge und Wünsche seitens der Partnerorganisationen können also lediglich über die EO eingebracht werden und zum BMZ gelangen (vgl. Kontzi 2015, S. 33). 2.4.3 Ablauf und (neu formulierte) Ziele des Programms Kontzi erklärt den Ablauf des Programms anhand der weltwärts-Richtlinie von 2007. So kann man anhand ihrer Erklärung vier Charakteristika des Programmablaufs ausmachen: Die Bewerbungsphase: Zunächst bewerben sich potenzielle freiwillige „entweder direkt bei den Entsendeorganisationen oder über die Prjektbörse auf der weltwärts-Webseite.“ (Kontzi 2015, S. 33). Anhand verschiedener Kriterien wählen die EO nun die BewerberInnen aus. Dies erfolgt ohne einen „allgemeingültigen kriterienkatalog“, 15 sondern durch EO spezifische Auswahlverfahren welche oftmals nach einer schriftlichen Bewerbung Telefoninterviews nach sich ziehen, häufiger jedoch Vorstellungsgespräche bei der EO (ebd. 2015, S. 33). Die Phase als angenommene_r Freiwillige_r: Frewillige sollen sich im Inland für ihr zukünftiges Projekt engagieren, z.B. durch Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit der Entsendeorganisation (vgl. weltwärts 2013a). Das BMZ übernimmt lediglich 75% der Kosten, die restlichen Kosten müssen von der jeweiligen Entsendeorganisation abgedeckt werden (im Durchschnitt ca. 1.800 bis 2.500 Euro), weshalb verschiedene Organisationen sowie weltwärts die Freiwilligen darauf hinweisen, dass zum Engagement für die Organisation auch der Aufbau eines Spenderkreises, welcher z.B. Freunde, Verwandte oder Stiftungen und Unternehmen beinhaltet, gehören kann. Die Freiwilligen werden häufig darüber hinaus auch dazu angehalten und gebeten, einen solchen Spenderkreis aufzubauen und Spenden zu generieren (vgl. ebd. 2013)7. Zur Unterstützung durch das BMZ zählt z.B. ein monatliches Taschengeld von 100 Euro, die Anfallenden Reisekosten, eine Unterkunft, die „ortsüblich“ ist sowie Verpflegung; Monatlich werden insgesamt bis max. 580 € zur Verfügung gestellt. (vgl. weltwärts 2013a). Das Absolvieren von 25 verpflichtenden Seminartagen während der Zeit als Freiwillige_r ist Pflicht. Oft findet ein neun- bis zehntägiges Vorbereitungsseminar (z.B. Tipps für Aufenthalt, „interkulturelle“ Schulung) statt; ein Zwischenseminar während des Aufenthalts soll ca. viertägig (Reflexion des Bisherigen, Planung der zweiten Hälfte, Austausch mit anderen Freiwilligen) stattfinden. Nach Abschluss des Dienstes folgt die Nachbereitung des Dienstes (Erfahrungen aufarbeiten, folgendes Engagement in Deutschland planen) (vgl. Kontzi 2015, S. 34). Die Rückkehrarbeit ist Teil des Programms und wird mitfinanziert. Ein „Posten mit einem Finanzvolumen von einer Millionen Euro Jahresetat“ wurde 2009 eingerichtet (Kontzi 2015, S. 34). Es wird ein „weltwärts-Zertifikat“ ausgehändigt, welches laut Kontzi als Anerkennung des Engagements, aber auch zur Etablierung der „weltwärtsMarke“ dient (ebd. 2015, S. 35). In den Leitlinien von 2014 und der weltwärts-Website werden (mit Anlehnung an Haas 7 Es wird auf der einen Seite von weltwärts bekräftigt, dass Spenden keine Voraussetzung sein dürfen (BMZ 2014a, S. 13). Andererseits wird auf der Website von weltwärts deutlich gemacht, dass die Entsendeorganisationen oft nicht auf Spenden verzichten können (weltwärts 2013a). Dies wird in Kapitel 4.1 der Analyse aufgegriffen. 16 2012) drei Oberziele definiert, welche sich in ihrer Formulierung z.T. von denen der alten Leitlinie von 2007 unterscheiden. Das Erste auszumachende Oberziel hat sich im Vergleich zu Haas' Ausarbeitung, welche vor Erscheinen der neuen Leitlinie entstanden ist, wenig geändert. Hier geht es um die „individuelle[n] Lerneffekte bei den Freiwilligen“ zugunsten verschiedener für weltwärts entwicklungspolitisch relevanten Kompetenzen (Haas 2012, S. 23). So ist „ein wesentliches Ziel des weltwärts-Programms (…), junge Menschen an entwicklungspolitische Fragestellungen heranzuführen, ihr entwicklungspolitisches Interesse und Engagement zu fördern und einen Freiwilligendienst auf hierfür geeigneten Einsatzplätzen zu ermöglichen“ (BMZ 2014a, S. 3). In „Entwicklungs- oder Schwellenländern“ (weltwärts 2013b) sollen die Freiwilligen einen Einblick in Fremde Kulturen bekommen und es soll darüber hinaus ein Beitrag zur Verständigung und zur Bewusstseinsbildung und „transkulturellen Akzeptanz von Entwicklungspolitischen Zukunftsfragen“ geleistet werden (BMZ 2014a, S. 4). Hierzu zählen der Erwerb von Sprachkenntnissen sowie von „wichtigen Kompetenzen der interkulturellen Kommunikation, der sozio-kulturellen Kooperation und soziale[r] Verantwortung, die insbesondere in einer zunehmend globalisierten Gesellschaft von großem Wert ist“ (BMZ 2014a, S. 4). Dieser „interkulturelle Austausch“ Diene der „Völkerverständigung“ (weltwärts 2013b), ferner sollen die Freiwilligen dadurch lernen „globale Abhängigkeiten und Wechselwirkungen besser zu verstehen“ und ihre Kultur, Verhaltensweisen und persönlichen Vorstellungen zu Reflektieren (ebd. 2014). Das zweite Ziel ist folglich, dass durch das Engagement auch die Partnerorganisationen profitieren sollen. Hier folgten einige Reformulierungen der Zielsetzung. Während vor den Leitlinien von 2014 noch von der „Hilfe“ und der „Hilfe zu Selbsthilfe“ bezüglich der Partnerländer die Rede war, wurde der Begriff der Hilfe vollständig aus den in der Leitlinie und der Website formulierten Zielen verbannt. Hierbei stehen nun zentrale Elemente von allgemeinem bürgerschaftlichen Engagement im Mittelpunkt. Z.B. sollen die Freiwilligen „zusätzliche Aufgaben, die die Organisation ohne das Engagement von Freiwilligen nicht leisten könnte[, übernehmen]“ (weltwärts 2013b). Zudem wird angeführt, dass sie „eine neue Perspektive in das Projekt [einbringen]“ und „in der Arbeit mit jungen Menschen (...) diesen aufgrund des ähnlichen Alters und ähnlicher Sichtweisen Themen besonders gut nahebringen [können]“ (weltwärts 2013b). Die Freiwilligen bringen laut weltwärts somit zusätzliche Angebote in die Organisation und können im Gebiet der Kinder- und 17 Jugendarbeit aufgrund des eigenen jungen Alters nah an der Lebenswelt der Klienten agieren. Dies sind Punkte, welche z.T. Von Paul-Stefan Roß und Hilli Tries als essentiell für das Arbeitsfeld von freiwillig Engagierten beschreiben (Roß/ Tries 2011, S. 9) und auch Haas bestätigt diesen Aspekt, indem er bezüglich der damaligen Konzeption von weltwärts anmerkt, dass der weltwärts-Dienst auch „mit vielen anderen Effekten verbunden [ist], die im Rahmen von bürgerschaftlichem oder kosmopolitischem Engagement auch in der Forschung generell als positiv gelten (...)“ (Haas 2012, S. 64). Zudem soll ein Beitrag „zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Strukturen in den Partnerländern wie auch Deutschland erreicht werden“ (BMZ 2014a, S. 4), was eng mit der Idee der Bürgergesellschaft aus Kapitel 2.2.1 einhergeht. Es werde z.B. „die Vernetzung zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland und den Partnerländern“ gefördert (ebd. 2014, S. 4). Bezüglich des dritten Ziels kann erneut Haas' Benennung hinzugezogen werden. Es geht um „[e]ntwicklungsbezogene und gesellschaftspolitische Effekte im Inland“ (Haas 2012, S. 23). Durch „[d]ie Auseinandersetzung mit dem Engagement vor, während und nach der Dienstzeit“ (BMZ 2014a, S. 4) , erhielten die freiwilligen „Anregungen und Anstöße zu einem weiteren entwicklungspolitischen Engagement“ (ebd. 2014a, S. 4). Der Freiwilligendienst soll einen Beitrag zur „Nachwuchsförderung im entwicklungspolitischen Berufsfeld“ leisten (ebd. 2014, S. 4). Die Zielsetzung sowie die Strukturen von weltwärts, die diesen Zielen zugrunde liegen, werden aus der Perspektive der postkolonialen Theorie, wie meine Analyse zeigen wird, dafür kritisiert, dass damit u.A. die Reproduktion von Rassismus und sozialer Ungleichheit in verschiedenen Facetten einher geht. Vor Beginn der Analyse, werden in Kapitel 3 zunächst die für diese Analyse nötigen Theorien erläutert. 2.4.4 Die Süd-Nord-Komponente von weltwärts Seit November 2013 gibt es eine Süd-Nord-Komponente im weltwärts-Dienst, zunächst in einer dreijährigen Pilotphase. Durch sie ist es auch jungen Erwachsenen aus dem Globalen Süden möglich, einen Freiwilligendienst über weltwärts in Deutschland zu machen. Sie wurde eingeführt , „[d]a eine globale Partnerschaft langfristig nur gelingen kann, wenn sie den gleichberechtigten Austausch in beide Richtungen ermöglicht“ (BMZ 2010-2015a). Im ersten Jahr wurden 150 Plätze angeboten, was nach Aussagen des BMZ deutlich unter der Nachfrage lag. So wurde eine Erhöhung auf 250 Plätze geplant, deren 18 Umsetzung hier nicht untersucht wird (vgl. ebd. 2010-2015a). 3. Rassismus und soziale Ungleichheit im Spiegel der Postkolonialen Theorie und die Transnationalisierung sozialer Ungleichheit In diesem Kapitel werden zunächst Grundlagen bezüglich Rassismus und sozialer Ungleichheit näher gebracht (3.1) und folgend Grundlagen der postkolonialen Theorie sowie deren Relevanz für diese Ausarbeitung erläutert werden (3.2). Danach werden der Leserin bzw. dem Leser wichtige Überlegungen und Konzepte der postkolonialen Theorie im Kontext von Rassismus und sozialer Ungleichheit nähergebracht (3.3) ehe in Kapitel 3.4 Folgerungen für die anschließende Analyse geschlossen werden und damit ein Zwischenfazit gezogen wird. 3.1 Grundlagen von Rassismus und der Transnationalisierung sozialer Ungleichheit 3.1.1 Rassismus Allgemeine Definition von Rassismus Ziai macht zwei Elemente bezüglich Rassismus aus: Zum einen das der Rassifizierung, zum anderen das der Legitimation der Ungleichheit (Ziai 2013, S. 23). Erstes Element wird wiederum in einer Rassismusdefinition von Imam Attia deutlich. Nach diesem meint Rassismus die Konstruktion von „Menschengruppen entlang von tatsächlichen oder fiktiven biologischen oder kulturellen Merkmalen“ (Attia 2012, S. 12). Hierbei werden „bestimmte äußerlich sichtbare Merkmale oder kulturelle Bedeutungen willkürlich herausgegriffen und zu einem natürlichen Unterschied erklärt (…), der für die Definition einer ganzen Gruppe relevant sein soll“ (ebd. 2012, S. 12). Als Beispiele für eine rassistische Argumentation nennt Attia z.B. das Verknüpfen von Hautfarbe und Arbeitsverhalten oder Kopftuch und Paarbeziehung. Ein wichtiges Merkmal des Rassismus ist somit das Zusammenfassen von verschiedenen Menschen in eine Gruppe (Homogenisierung) entlang von biologischen und/ oder kulturellen Merkmalen, welche sich die Personen tatsächlich oder vermeintlich teilen (ebd. 2012, S. 12). Ziai spricht dabei von einer „rassischen Einteilung“ von Menschen in Gruppen, basierend auf dem Gedanken einer vermeintlichen „natürlichen Ungleichheit“, welche aber keine natürliche Gegebenheit 19 ist, sondern sozial konstruiert wird (Ziai 2013, S. 22). Wichtig ist somit, dass die im Rassismus stattfindenden Verknüpfungen (vermeintlicher) biologischer und/oder kultureller Merkmale mit bestimmten (Charakter-)Eigenschaften wie z.B. beim Beispiel Hautfarbe-Arbeitsverhalten, empirisch nicht belegt sondern sogar widerlegt sind8. Rassismus als Legitimation von Ungleichheit Ein wichtiges Element des Rassismus ist nach Ziai auch dessen Legitimation von (sozialer) Ungleichheit. So geht mit der Zuordnung von Menschen „zu einer nach [vermeintlichen, Anm. d. Verf.] körperlichen oder kulturellen Merkmalen definierten Gruppe“ und der darauf basierenden Zuschreibung von bestimmten, aus dem Auge des rassistischen Betrachters mit diesen Merkmalen verknüpften Eigenschaften, eine ungleiche Verteilung von Ressourcen oder Rechten einher (Ziai 2013, S. 23). Auch kann Rassismus auf die Zugehörigkeit zu Nationen bezogen sein. So sei eine rassistische Behauptung, dass „wer Schwarz ist (…), nicht deutsch sein [kann]“ (Attia 2012, S. 12). Attia verweist diesbezüglich darauf, dass Rassismus Gruppen voneinander Abgrenzt (Dichotomisierung) und ferner die Funktion hat, „die eigenen Aggressionen und Privilegien zu legitimieren“ (ebd. 2012, S. 12). Durch Rassismus kann also soziale Ungleichheit legitimiert werden: Zahlreiche Beispiele finden sich in der Geschichte des Kolonialismus, wie sich im Verlauf der Ausarbeitung noch zeigen wird. So wurde die Ausbeutung indigener Bevölkerungen im Zuge der kolonialen Gewaltherrschaft oder auch die Sklaverei mit dem Ausschluss der betroffenen Kolonisierten aus „der Kategorie »Mensch«“ oder aus der „Kategorie »Staatsbürger/-in«“ gerechtfertigt (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 26). Die Transformation solcher Rassismus und soziale Ungleichheit produzierenden kolonialen Praktiken in sog. neokoloniale Praktiken, welche diese Rassismen und soziale Ungleichheit wiederum reproduzieren wird in Kapitel 3.3 aufgegriffen. Weltwärts muss folglich auf neokoloniale Denk- und Handlungsmuster untersucht werden. 8 So führt Georg Elwert bezüglich der rassistischen Argumentation, die auf vermeintliche biologische Merkmale gestützt ist, an, dass Sozialanthropologen „schon früh“ nachwiesen, dass äußerliche Merkmale wie Hautfarbe, Haar, Größe und Gesichtsschnitt keine Gemeinsamkeiten zur „psychischen Kompetenz“ aufweisen (Elwert 2007, S. 276). So können andere Unterscheidungsmerkmale der Humanbiologie wie z.B. nach Blutgruppe oder Fingerlinien, ebenso wenig über Charaktereigenschaften aussagen (ebd. 2007, S. 276). 20 3.1.2 Soziale Ungleichheit Definition von sozialer Ungleichheit im Allgemeinen Wie deutlich wurde, ging und geht mit Rassismus die Legitimation von Ungleichheit zwischen Personengruppen und/oder Individuen einher. Solche Ungleichheiten können verschiedene Charakteristika besitzen, in verschiedenen Art und Weisen stattfinden und sich auf verschiedene gesellschaftliche Bereiche beziehen. Die Rede ist von sog. sozialer Ungleichheit, welche z.B. Forschungsgegenstand der Sozialwissenschaften ist. Laut Nicole Burzans Eintrag im Lexikon Soziologie und Sozialtheorie kann soziale Ungleichheit als die ungleiche Verteilung zweier allgemeiner Elemente definiert werden. Zum einen bedeutet soziale Ungleichheit „eine systematische ungleiche Verteilung von Lebenschancen bzw. Möglichkeiten der Inklusion in Gesellschaft“ (Burzan 2008, S. 306), wobei „Inklusion“ mit Einbindung gleichgesetzt wird. Zum anderen die ungleiche Verteilung „der Verfügung über gesellschaftlich relevante Ressourcen“ (ebd. 2008, S. 306). Die gesellschaftliche Relevanz verschiedener Ressourcen kann, so Burzan weiter, je nach Epoche oder Gesellschaftsform variieren, muss also „nicht konstant bleiben“ (vgl. ebd. 2008, S. 306 f; ebd. 2014, S. 7). Im Zuge dessen nennt sie z.B Bildung und materiellen Wohlstand als mögliche relevante Ressourcen und Merkmale, entlang welcher Ungleichheit ausgemacht werden kann (vgl. ebd. 2008, S. 307). Somit ist soziale Ungleichheit gemäß Burzan „eine gesellschaftliche Konstruktion, die an ihre historische Zeit gebunden ist und nie ,objektiv' sein kann. Modelle sozialer Ungleichheit geben ihre jeweilige Sichtweise davon wieder, welches wichtige Ursachen und Merkmale sozialer Ungleichheit sind (materielle wie Besitz und immaterielle wie z.B. Macht). Sie beantworten aber auch die Frage, ob sich nach diesen Kriterien eine bestimmte Struktur abgegrenzter Gruppierungen ergibt, und falls ja, welche.“ (ebd. 2014, S. 7). Dies zeigt, dass in der Historie zur Forschung von sozialer Ungleichheit verschiedene Modelle, zum Beispiel zur Schichtung von Gesellschaft, entstanden sind und entstehen. Die Transnationalisierung sozialer Ungleichheit Soziale Ungleichheit, so resümieren der Soziologe Ulrich Beck und die Soziologin Andrea Proferl, werde von der Soziologie meist im nationalstaatlichen Kontext gesehen. Hierbei werden „Untersuchungsgegenstände und Analyseeinheiten (…) vorwiegend innerhalb nationalstaatlicher Grenzen bestimmt“, ferner halte „auch die 21 internationale Komparatistik (…) mit ihren vergleichenden Zugangsweisen an nationalstaatlichen Kategorien und Unterscheidungen fest“(Beck/ Proferl 2010, S. 13). Diesen Prozess titulieren Beck und Proferl mit dem Begriff des „methodologischen Nationalismus“ (vgl. ebd. 2010, S. 12 f). Mit anderen Worten bedeutet methodologischer Nationalismus das Vorhanden-sein inhaltlicher Lücken in sozialwissenschaftlichen Betrachtungsweisen dadurch, dass auf den Nationalstaat bezogene, enge „Erkenntnisperspektiven“ dominieren, globale Verflechtungen, „aber auch das Verhältnis denationalisierender und renationalisierender Prozesse sowie die vielfältigen Mischformen des Transnationalen und Glokalen“ (ebd. 2010, S. 17) dabei jedoch weitestgehend außen vor bleiben. Beck plädiert aufgrund dessen für eine kosmopolitische Soziologie. Diese unterscheide sich von der auf den Nationalstaat fixierten Soziologie insofern, als dass die kosmopolitische Soziologie kein „generelles Abstraktum“ voraussetze, welches meist lediglich „aus dem eigenen – europäischen – historischen Erfahrungszusammenhang“ gewonnen wurde“ (Beck 2010, S. 25). Essentiell für eine kosmopolitische Soziologie sei, dass der Bezugsrahmen nationalstaatlicher Ungleichheiten, welcher globale Ungleichheiten legitimiere (vgl. Beck 2010, S. 32), „seine kognitive Monopolstellung verliert und im Zusammenhang mit der Transnationalisierung sozialer Ungleichheiten neu vermessen werden muss (Beck/ Poferl 2010, S. 18)9. 3.2 Rassismus und soziale Ungleichheit im Spiegel der postkolonialen Theorie: Basiswissen über postkoloniale Theorie Zunächst wird geklärt, was postkoloniale Theorie bedeutet und warum diese Relevant für die Ausarbeitung ist. 3.2.1 Über die Relevanz der postkolonialen Theorie für die Ausarbeitung Wenn die eventuelle (Re-)Produktion von Rassismus und sozialer Ungleichheit im Kontext von Entwicklungszusammenarbeit der BRD analysiert werden soll, so kann es Hilfreich sein, eine Theorie heranzuziehen, welche die (Nach-)Wirkungen des europäischen Kolonialismus aufzeigt und beleuchtet und darüber hinaus aktuelle, sog. 9 Insgesamt müssten „Wer“ und „Was“ Fragen bezüglich sozialer Ungleichheit neu Definiert werden. „Was“ bezieht sich hierbei auf die „materielle Verteilung von Chancen und Pflichten, Ressourcen und Risiken, also Einkommen, Bildung, Besitz usw.“ (Beck 2010, S. 30). „Wer“ hingegen darauf, wer ungleich ist, also auf wen die ungleiche Verteilung bezogen ist (vgl. Beck/ Poferl 2010, S. 30). 22 neokoloniale Herrschaftsstrukturen zwischen Globalem Norden und Süden in den Blick nimmt. Denn mit der ökonomischen Ausbeutung der kolonisierten einerseits und der u.A. daraus resultierenden wirtschaftlichen Modernisierung des kolonisierenden Europas andererseits (vgl. Kerner 2012, S. 24), setzte und setzt das Phänomen des Kolonialismus zentrale Voraussetzungen für das heutige Leben in einer Globalisierten Welt, die sowohl inländische sowie transnationale soziale Ungleichheit aufweist. Die postkoloniale Theorie thematisiert dies und stellt eine „Widerstandsform“ dar, nämlich „gegen die koloniale Herrschaft und ihre Konsequenzen“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 16). Dabei liefert sie verschiedene theoretischen Ansätze und Konzepte, mit Hilfe derer rassistische Gedanken, Haltungen, Perspektiven oder Handlungen aus dem Globalen Norden gegenüber dem Globalen Süden sowie darauf basierende Herrschaftsmechanismen ausfindig gemacht, als solche identifiziert und z.B. ihre Ursachen, Strukturen und Wirkungen analysiert werden können. Castro Varela und Dhawan fassen diesbezüglich zusammen, dass postkoloniale Theorie „eine Vielfalt [an] methodologischer Herangehensweisen [umfasst], die in einem ausgedehnten interdisziplinärem Feld und in den unterschiedlichsten Institutionen zur Anwendung kommen“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 17f). 3.2.2 Postkoloniale Theorie Als postkoloniale Theorie (oder auch Postkolonialismus oder postcolonial studies) wird das Theoriefeld verstanden, welches sich einerseits mit den Nachwirkungen des europäischen Kolonialismus für die heutige Zeit befasst und darüber hinaus damit, welche Aspekte des Kolonialismus heute noch in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft reproduziert und aktualisiert werden (Haas 2012, S. 39, Kerner 2012, S. 11)10. Diese Nachwirkungen und Reproduktionen werden untersucht im Hinblick auf die aus dem Kolonialismus heraus erfolgten „grundlegende[n] Transformationen auf verschiedenen Ebenen von Gesellschaft, und Kultur (…) sowohl in den ehemaligen 10 Eine Kolonie ist laut den Autoren Jansen und Osterhammel „ein durch Invasion (Eroberung und/oder Siedlungskolonisation) in Anknüpfung an vorkoloniale Zustände neu geschaffenes politisches Gebilde, dessen landfremde Herrschaftsträger in dauerhaften Abhängigkeitsbeziehungen zu einem räumlich entfernten «Mutterland» oder imperialen Zentrum stehen, welches exklusive «Besitz»-Ansprüche auf die Kolonie erhebt“ (Jansen/ Osterhammel 2012, S. 16). Die Autoren unterteilen auch in verschiedene Arten von Kolonien, was jedoch hier nicht weiter angeführt werden wird. Kolonialisation ist hingegen „eine Herrschaftsform zwischen Kollektiven, bei welcher die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter vorrangiger Berücksichtigung externer Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden. Damit verbinden sich in der Neuzeit in der Regel sendungsideologische Rechtfertigungsdoktrinen, die auf der Überzeugung der Kolonialherren von ihrer eigenen kulturellen Höherwertigkeit beruhen“ (ebd. 2012, S. 21). 23 Kolonien als auch in den Kolonialländern“ (Haas 2012, S. 39). Castro Varela und Dhawan argumentieren diesbezüglich, dass Kolonialisation „nicht ausschließlich Stoff für staubige Geschichtsbücher [ist]“ sondern „spezifische Unterdrückungsformen (…) durchaus weiterhin aktuell [sind]“ (Castro Varela, Dhawan 2015, S. 16). So stellt postkoloniale Theorie, wie schon angedeutet, eine „Widerstandsform gegen die koloniale Herrschaft und ihre Konsequenzen“ dar und sieht in Verbindung dazu die „Komplexitäten und Widersprüche (...) historischer Prozesse“ (Castro Varela, Dhawan 2015, S. 16). Zu den wichtigsten BegründerInnen und VertreterInnen zählen Edward W. Said, Gayatri Chakravorty Spivak und Homi K. Bhabah, welche mit ihren theoretischen Abhandlungen, allesamt wichtige Beiträge zur Gründung der postkolonialen Theorie geleistet haben (vgl. Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 18; Haas 2012, S. 40). Der durch den ersten ghanaischen Präsidenten Kwame Nkrumah geprägte Begriff des Neokolonialismus entstand vor der wissenschaftlichen Etablierung der postkolonialen Theorie und wurde von letzterer aufgegriffen und modifiziert (vgl. Haas 2012, S. 41). Wie der englische Begriff postcolonial studies deutlicher als die deutsche Begrifflichkeit zeigt, handelt es sich bei postkolonialer Theorie also nicht um eine einzige theoretische Abhandlung, sondern sie umfasst verschiedene theoretische Ansätze, die sich kritisch mit den oben genannten Themen befassen, also einem „Set diskursiver Praktiken (…), die Widerstand leisten gegen Kolonialismus, kolonialistische Ideologien und ihre Hinterlassenschaften“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 17). Kerner spricht deswegen auch von postkolonialen Theorien, also in der Mehrzahl, welche ein „disziplinenübergreifendes und zunehmend auch ein transdisziplinär organisiertes Beschäftigungsfeld“ darstellen (Kerner 2012, S. 14). Zudem bezeichnet sie sie als kritische Theorien (vgl. ebd. 2012, S. 12). Es handelt sich somit um ein „ausdifferenziertes“ Theoriefeld, welches „den Literaturund Kulturwissenschaften entstammt, heute jedoch auch zunehmend von kritischen Ethnolog_innen, Sozialwissenschaftler_innen, Historiker_innen und Psycholog_innen bearbeitet wird“ (Haas 2012, S. 39). Weiter fasst Haas zusammen, dass Postkolonialismus „nicht den Anspruch [erhebt], neue, große Theorien mit umfassendem Erklärungsanspruch zu entwerfen“, sondern sich eher als „kritisches Beiwerk zu anderen Disziplinen und Theorien“ sieht (ebd. 2012, S. 39). Wichtig bezüglich des Begriffs ist, dass das Präfix „post“ im Attribut postkolonial nicht „nachkolonial“ im Sinne eines abgeschlossenen Kolonialismus meint, sondern vielmehr 24 darauf verweisen soll, „dass es Langzeiteffekte des Kolonialismus gibt, die noch heute Nachwirken und die Thematisiert werden müssen“ (Kerner 2012, S. 9). Es wird also davon ausgegangen, „dass der europäische Kolonialismus und die ihn tragenden Denkmodelle keine historisch abgeschlossenen Formen sind“ (ebd. 2012, S. 11). Die postkoloniale Theorie umfasst somit z.B. die Themen Rasse, Gender, Armut Nationalismus, Ethnizität oder mangelnde Rechtsstaatlichkeit in ehemaligen Kolonien (vgl. Haas 2012, S. 39; Kerner 2012, S. 9). Dabei versucht sie „komplexe Muster von Macht und Widerstand nachzuvollziehen“ indem „Metropole und Kolonie, Kolonisator und Kolonisierte in einem gemeinsamen Analytischen Feld“ zusammengebracht werden (Kerner 2012, S. 41; Stoler/ Cooper 2010, S. 48 zit. n. Kerner 2012, S. 41f)11. 3.2.3 Rassismus als Legitimation von sozialer Ungleichheit im Kolonialismus Besonders deutlich werden Rassismus und soziale Ungleichheit im Kolonialismus, wenn die Argumente zur Legitimation kolonialer Praktiken und die damit in Verbindung stehenden Folgen für die Kolonialisierten in den Fokus genommen werden. Wie bereits in der allgemeinen Definition angedeutet, wurden koloniale Gewaltherrschaft, welche z.B. den Raub von Land, Ressourcen und Wissen legalisierte sowie Sklaverei durch den Ausschluss von Menschen aus der „Kategorie »Mensch« später dann [aus] der Kategorie »Staatsbürger/-in«“ legitimiert (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 26). Eine Gemeinsamkeit im Hinblick auf die Heterogenität der Kolonialisation sind eben diese „Herrschaftsbeziehungen, die mit physischer, militärischer, epistemologischer und ideologischer Gewalt durchgesetzt und über >Rasse-< und Kulturdiskurse legitimiert wurden“ (ebd. 2015, S. 27). Durch diese (aus heutiger Sicht) definitiv als rassistisch zu bezeichnende Argumentation wurden die kolonialen Gräueltaten als Zivilisierungsmission präsentiert und legitimiert, in der die europäische Norm für universal erklärt wurde (vgl. Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 37) und im Rahmen derer die Kolonisierten gegen ihren Willen und aus einer rassistischen europäischen Sicht 'zivilisiert' und 'modernisiert' 11 Postkoloniale Theorie wird jedoch auch kritisiert. So ist ein Argument, dass Postkolonialismus ein „[']catchall term['] geworden sei, hinter dem sich keine definierte Denkschule verbirgt“ (Haas, 2012, S. 40). Ein anderer kritischer Einwand ist, dass der Postkolonialismus „ein weißes Konzept sei, das – wenn auch mitbestimmt von Vertreter_innen aus den ehemaligen Kolonien – an westlichen Universitäten entstand und somit das fortsetzt, was es selbst kritisiert“ (ebd. 2012, S. 40 f). Dem hält Haas jedoch entgegen, dass sich „GründerInnen“ der postkolonialen Theorie wie Edward W. Said oder Gayatri Chakravorty Spivak „als VertreterInnen des Globalen Südens wahrnehmen“ und zudem, dass „eine kritische Selbstreflexion anderenfalls unter keinen Umständen mehr möglich wäre, was nicht das Ziel der westlichen Wissenschaft sein kann“ (ebd. 2012, S. 40 f). 25 werden sollten (ebd. 2015, S. 38). Die Ungerechtigkeiten der Kolonialzeit und des Imperialismus wurden zudem juristisch gerechtfertigt und von vielen Rationalisten, Modernisten und Liberalen in Europa als Sieg der intellektuellen, wissenschaftlichen und aufgeklärten Europäer über die „Unterentwickelten“ gesehen, Europäisches Wissen und Technologien dabei „als Symbole eines wünschenswerten Fortschritts verstanden“ (ebd. 2015, S. 38). Beispielsweise wurden die Kolonialsprachen wie Spanisch, Englisch oder Französisch im Hinblick auf die 'zurückgebliebenen' Kolonisierten eingeführt. Hierzu zitieren die Autorinnen den kenianischen Schriftsteller und antikolonialen Kulturwissenschaftler Ngugì wa Thiong'o: „Unsere Sprachen wurden unterdrückt, so dass wir, die Geknechteten, keinen Spiegel hatten, um uns und unsere Feinde darin zu betrachten“ (Ngugi 1995, S. 53 zit. n. Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 38). Diesen Prozess nennt Ngugi Kulturimperialismus (Castro Varela/ Dhawan 2014, S. 38). 3.3 Rassismus und soziale Ungleichheit im Spiegel der postkolonialen Theorie : Wichtige Überlegungen der postkolonialen Theorie im Kontext von Rassismus und sozialer Ungleichheit Mit den in 3.2 dargestellten theoretischen Grundlagen können jetzt Semantiken der postkolonialen Theorie, die später bei der Analyse als Kriterien zum ausfindig machen von (Re-)Produktionen von Rassismus und sozialer Ungleichheit dienen sollen, in den Fokus genommen werden. Dies ist möglich, da sich, wie hoffentlich bereits deutlich wurde, die postkoloniale Theorie mit der (Re-)Produktion von Rassismus und sozialer Ungleichheit in einer post- und neokolonialen Welt beschäftigt. Hierbei findet, nachdem der grundlegende Term „Neokolonialismus“ definiert wurde, eine Orientierung an Haas' Gliederung in Neokoloniale Denkstrukturen und Handlungsmuster statt: Zunächst wird in Kapitel 3.3.1 der Begriff des Neokolonialismus näher erläutert, stellt er doch eine wichtige Grundlage für den weiteren Verlauf dieses Kapitels sowie der gesamten Ausarbeitung dar. Der Punkt 3.3.2 wird allgemeine, zunächst nicht auf die EZ/EP bezogene postkoloniale Überlegungen, welche neokoloniale Denkmechanismen zum Thema haben, behandeln. In Punkt 3.3.3 hingegen werden konkrete neokoloniale Handlungsmuster und Denkweisen in der allgemeinen EZ und EP thematisiert. Das Handeln von weltwärts und den Freiwilligen muss hinsichtlich neokolonialer Denkmuster sowie der Reproduktion von in der EZ und EP allgemein gängigen 26 Handlungsmustern, welche nach neokolonialen Logiken verlaufen und (somit) wiederum soziale Ungleichheit und Rassismus (re-) produzieren, geprüft werden. Es sei darauf hingewiesen, dass lediglich einige bekannte Ideen der postkolonialen Theorie aufgegriffen werden. 3.3.1 Neokolonialismus Neokolonialismus ist ein vom ersten ghanaischen Präsidenten Kwame Nkrumah im Jahre 1961 geprägter Begriff, welcher noch vor Etablierung der postkolonialen Theorie in der Wissenschaft entstand und dieser heute zugeordnet wird. Der Kerngedanke des Konzepts ist, dass die ehemals kolonisierten und nun politisch unabhängigen Länder nach den Kolonialzeiten immer noch abhängig blieben von den großen Weltmächten, welche die ehemaligen imperialen bzw. kolonialen Mächte sind, was z.B. an „internationalen Finanzsituationen oder multinationalen Konzerne[n]“ deutlich wird (Haas 2012, S. 41). Nkrumah sieht im Neokolonialismus eine Ausdehnung des Marxschen Klassenbegriffs auf die internationale Ebene. Haas bezieht sich folglich auf den britischen Historiker und postkolonialen Theoretiker Ernest Young, welcher die Aktualität des ursprünglichen Neokolonialismus Konzepts anzweifelt, da sich die wirtschaftlichen Umstände im globalen Geschehen „seit den 1960er Jahren erheblich verändert [haben]“ und nun „viele andere Kräfte (…) in den politischen und ökonomischen Beziehungen und dem Kräftemessen [mitwirken], die nicht alleine auf die koloniale Abhängigkeit zurückzuführen sind“ (Haas 2012, S. 41 f). Dennoch wird deutlich gemacht, dass auch Young allgemein dem zustimmt, dass Neokolonialismus ein brauchbares Konzept ist, um „forms of colonialist behaviour“ in der heutigen Zeit zu beschreiben (Young 2008, S. 48 zit. n. Haas 2012, S. 42). Viele Bereiche der postkolonialen Theorie verfolgten ebenfalls Gedanken in diese Richtung und es erfolgten Aktualisierungen und neue Auslegungen des Konzepts (vgl. ebd. 2012, S. 42). So fasst Haas zusammen: „Die neuen Strukturen nach Nkrumah sind also subtiler und schwieriger zu identifizieren im Vergleich zu der direkten Kontrolle, der die Kolonien im klassischen Kolonialismus unterlagen. Die Postkoloniale Theorie und Kritik will diese neuen, subtilen Abhängigkeiten offenlegen.“ (ebd. 2012, S. 42). 27 3.3.2 Allgemeine neokoloniale Denkweisen Eurozentrismus und die Universalisierung „europäischer“ Normen Gemäß dem Fremdwörterduden lässt sich „eurozentrisch“ allgemein übersetzen als „Europa als Mittelpunkt u. Maßstab betrachtend" (eurozentrisch 2007, S. 422). Eine eurozentrische Sicht kann verschiedene Bereiche des Denken und Handels betreffen und somit im Kontext von verschiedenen Mechanismen und Sachverhalten auftreten, wie die in diesem Abschnitt und dem Punkt 3.3.3 folgenden postkolonialen Ideen zeigen werden. In Kapitel 2.2 wurde bereits die Modernisierungstheorie genannt: In dieser wird der Globale Norden als Maßstab gesetzt und Länder des globalen Südens lediglich als unterentwickelt und „aufholende“ Länder bezeichnet (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 38). Auch kann der Bereich der Geschichtsschreibung genannt werden. So führt der indische Historiker Dipesh Chakrabarty an, dass westliche Geschichtenschreibung „europäische Vorstellungen von Entwicklung, Modernisierung oder auch Kapitalismus zugrunde legt und auf diese Weise die europäische Geschichte als Maßstab erklärt“ (Kerner 2012, S. 77). Ohne die Beispiele genauer zu erläutern, sollen sie zeigen, dass der Eurozentrismus ein „westliche[s] Interpretations- und Handlungssystem ist“, welches nicht-westliche Gesellschaften und deren Subjekte „unter dem Gesichtspunkt des Mangels“ und des Defizits gegenüber den als Maßstab dienenden europäischen Normen sieht (Haas 2012, S. 51). Die als Standard dienende vermeintliche westliche Kultur wird hierbei „durch universelle Werte definiert, nach deren Maßstab die anderen Regionen der Welt beurteilt werden (ebd. 2012, S. 51). Subjektive, vermeintlich 'westliche' oder 'europäische' Sichtweisen auf Sachverhalte und Menschen werden also unhinterfragt und ohne empirisch fundierte Begründung als objektiv und allgemeingültig deklariert, „westlich/ europäisch“ mit „universal“ gleichgesetzt und die „westliche Kultur“ als Standard festgeschrieben (Albrecht 2008, S. 184). Saids Konzept des Orientalismus steht hiermit eng im Zusammenhang. Hier spricht Said von den „orientalistischen Anderen“, welche jedoch keine „realen Anderen“, sondern „westlich konstruierte A n d e r e“ darstellen (Haas 2012, S. 51). In einer eurozentrischen Perspektive wird also nicht versucht, den tatsächlichen Kontext bezüglich Denkweisen und Handlungen zu sehen, „sondern die europäischen Wissens- und Herrschaftsinstrumente werden als allgemeingültig und überhistorisch beschrieben“ (ebd. 2012, S. 51). 28 Neokolonialer und kulturalisierter Rassismus Die obige allgemeine Rassismus-Definition hat bereits aufgezeigt, dass Rassismus auf vermeintlich „biologische und rassische“ Merkmale oder aber auf vermeintlich „kulturelle“ Merkmale gebaut sein kann. Bezüglich rassistischen Argumentationen, die durch vermeintlich kulturelle Merkmale gestützt sind, verweist Kontzi darauf, dass bei rassistischen Argumentationen „die vermeintliche Unüberwindbarkeit historisch gewachsener ,kultureller' Differenzen“ (Kontzi 2015, S. 61) im Mittelpunkt stehe 12. Sie redet von einer sog. Kulturalisierung von Rassismus z.B. in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, was einen „Rassismus ohne Rassen“ zur folge hat (Balibar 1990, S. 28 zit. n. Kontzi 2015, S. 61). Haas erklärt diesbezüglich: „die neuen Formen [von Rassismus] orientieren sich zunehmend an der kulturellen Markierung `rassischer´ Differenzen, als zuvor an den biologischen“ (Haas 2012, S. 54). Er verweist diesbezüglich auf die Kritische Weißseinsforschung, einem Teilgebiet der postkolonialen Theorie, welche sich mit neokolonialem Rassismus beschäftigt und durch „zahlreiche empirische Studien“ gezeigt hat, „dass es auch in Deutschland konstruierte S c h w a r z e Objekte gibt, die stets durch das konstruierte W e i ß e Subjekt markiert und stigmatisiert werden, wobei letzteres unmarkiert und unreflektiert bleibt und damit als gesellschaftliche Norm gesetzt wird“ (ebd. 2012, S. 55). Dabei laufe der Rassismus so implizit ab, „dass er von der Mehrheitsgesellschaft als solcher nicht mehr wahrgenommen“ werde und sich beispielsweise nicht durch „Neonazis auf den Straßen“ zeige, sondern „tief in den gesellschaftlichen und politischen Strukturen verankert“ sei (ebd. 2012, S. 55). Ein weiteres „immer stärker“ werdendes Phänomen sei der „positive Rassismus“ (ebd. 2012, S.55). Dieser bezeichnet die Rassifizierung anhand positiver Zuschreibungen, also wenn, „bestimmte [positive, Anm. d. Verf.] Essentialismen zugeschrieben werden, die auf die R a s s e oder das B l u t zurückgeführt werden“ (ebd. 2012, S. 55). Die Mehrheitsgesellschaft streite dies ab, halte jedoch an „zahlreichen neokolonialen Denkund Handlungsmustern fest“ (ebd. 2012, S. 55)13. 12 Zum Beispiel kann eine Sichtweise von Kultur als etwas Statischem zur Produktion von kulturellen Stereotypen führen. Auch können Simplifizierungen stattfinden, indem komplexe Situationen und (problematische) Sachverhalte rein auf den kulturellen Hintergrund zurückgeführt werden. So müssen die eigentlich ausschlaggebenden Lebensbedingungen, die zu einem solchen Sachverhalt führen, gesehen und nicht mit „Kultur“ ersetzt bzw. begründet werden (vgl. Kalpaka 2004, S. 39) 13 Bendix und Danielzik nennen in diesem Zusammenhang den begriff des Exotismus: „Es geht um Faszination und den Konsum dessen, was sich jenseits des als hektisch, durchstrukturiert und übertechnologisiert empfundenen Alltags in [in diesem Fall, Anm. d. Verf.] Deutschland bewegt. Von 29 Hierbei wird deutlich, dass Konstruktionen und Imaginationen von Anderen anhand der unreflektierten und vorurteilsvollen Verknüpfung biologischer Merkmale oder einer vermeintlich kulturellen Fremdheit mit negativen oder idealisierten Eigenschaften stattfindet. Darauf resultierende Menschenbilder schreiben sich in Teilen und Fachgebieten der Gesellschaft fest wie z.B. „explizit in Werbung, Film, Mode, aber auch weniger offensichtlich in Wissenschaft und Politik“ (Bendix/ Danielzik 2013, S. 36). 3.3.3 Die (Re-) Produktion sozialer Ungleichheit sowie von Rassismus in der Entwicklungszusammenarbeit anhand neokolonialer Handlungsmuster Verschiedene postkoloniale neokolonialer Denk- und Überlegungen Handlungsmuster thematisieren bezogen auf das den Vorhandensein Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Hierzu ist es erneut hilfreich, sich an Haas (2012) zu orientieren. Diese beschreiben verschiedene neokoloniale (Tendenzen aufweisende) Praktiken der EZ allgemein: die Universalisierung einer „westlichen“ Entwicklungsnorm, einen (neo-)kolonialen Dichtotomierungsprozess sowie die Wissensproduktion und -repräsentation. Die Universalisierung einer eurozentrischen, „westlichen“ Entwicklungsnorm Wie der Politikwissenschaftler Karsten Schulz erläutert, befinden sich alle Länder „in einem permanenten Zustand fortschreitender Entwicklung. Welche Richtung diese Entwicklung nimmt oder nehmen sollte, wird im Rahmen von sozialen Definitionsprozessen ausgehandelt“ (Schulz 2013, S. 134). Bezüglich dieser Normsetzung, als was Entwicklung definiert wird/werden soll, setzt postkoloniale Kritik an. Die westliche Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit impliziert „eine Norm, die es [allgemein, Anm. d. Verf.] zu erreichen“ (Haas 2012, S. 47) gelte, ohne dass gesehen und/oder beachtet wird, dass die Konzepte der EZ und EP „auf vermeintlich universelle Werte (…)Bezug nehmen“, obwohl diese, so die Kritik, „vielfach ohne die ernstzunehmende Beteiligung der betroffenen Menschen stattfinden Menschen aus dem Süden wird Leidenschaft, Sinnlichkeit, Ausgeglichenheit und Kreativität, aus wenig etwas herzustellen, erwartet. Sie werden so meist auf ihre Körper und Sexualität reduziert und so beispielsweise für Körperbau- und haltung zu besseren Liebhabern erklärt. Die Projektion von Ursprünglichkeit, Lebensfreude und Erotik auf Menschen aus dem Globalen Süden ermöglichen, dass sich Weiße Europäer_innen als Wissende, Lehrende und Helfende inszenieren können“ (Bendix/ Danielzik 2013, S. 37). 30 und von Machteliten (etwa Entwicklungsexperten oder Funktionären) gesteuert werden, die im Zweifelsfall für bzw. über die Betroffenen sprechen, aber kaum mit ihnen“ (Schulz 2013, S. 134). Werte wie Demokratie oder Umweltschutz, so die Kritik weiter, seien lediglich ein Deckmantel bezüglich anderweitiger Interessen des Globalen Nordens (vgl. ebd. 2013, S. 134). Auch im aktuellen entwicklungspolitischen Konzept der nachhaltigen Entwicklung (Kapitel 2.2) herrsche weiterhin eine „wachstumsbasierte Vorstellung von Entwicklung“ (Haas 2012, S. 48; vgl. Kontzi 2015, S. 82), die von einer „westlichen Wirtschaftsvorstellung“ (Haas 2012, S. 47) geprägt ist, „welche sich nach dem 2. Weltkrieg manifestierte“ und „die Notwendigkeit [beschreibt], den Rest der Welt in dieses System zu inkorporieren“ (ebd. 2012, S. 47). Hierbei erfolgt gemäß Haas angelehnt an Kapoor eine Dichotomisierung in homogen moderne oder traditionelle Kulturen. Zweite seien nach dieser Logik zumindest zum Teil selbst für deren sozioökonomische Lage verantwortlich (vgl. Haas 2012, S. 48). Für Haas handelt es sich hierbei um „grobe Dualismen“, welche ebenso wie ein Verständnis einer „lieneare[n] Evolution von Tradition zur Moderne als überholt gelten müssen“ (ebd. 2012, S. 48), was durch „die moderne historische Sozialforschung und die historische Anthropologie der Mentalitäten“ herausgestellt wurde (ebd. 2012, S. 48). Die Gegenüberstellung von ,entwickelt' und ,unterentwickelt' habe letztendlich die bereits aufgezeigte koloniale Dichotomie von ,zivilisiert' und ,unzivilisiert' abgelöst (vgl. Kontzi 2015, S. 87). Bei solchen Verständnissen von Entwicklung wird der Einfluss des Kolonialismus auf die heutige (neokoloniale) globalisierte Welt, nicht berücksichtigt. Den Ländern des Globalen Südens wurden durch die ausbeuterischen Praktiken des Kolonialismus „strukturell ungleiche Handlungsbedingungen“ aufgezwungen; sie wurden folglich „zu Orten billiger Produktion und des ausbeuterischen Abbaus von Ressourcen“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 85) 14. So kann gemäß Schulz von einem „indirekten Zwang“ (Schulz 2013, S. 135) gesprochen werden, also dass „ die Nationalstaaten des Globalen 14 Z.B. stellt Bettina Roß fest, dass in der transnationalen Kleidungsproduktion „40-60% des Einzelhandelspreises bei Marken- und Discountfirmen verbleiben, die die Waren kaufen und vermarkten, aber nicht produzieren. (…) In den Produktionsländern des globalen Südens oder Ostens wiederum ist sehr häufig zu beobachten, dass sich eine Oligarchie reicher und meist männlicher Großhändler etabliert, die die Umsetzung der Nachfrage aus den Industrieländern sichern (…). Ca. 20-35% des Preises in der Textilindustrie bekommen diese lokalen Großhändler und Einkäufer. 5-7% verdienen die lokalen Händler und Vorarbeiter, die direkten Kontakt zu den ProduzentInnen haben und das Angebot kanalisieren. (…) 0,1-1 % des Preises schließlich bekommen die ProduzentInnen im globalen Süden/ Osten“ (Roß 2008, S. 82). 31 Südens (…) häufig kaum eine andere Wahl haben – zuweilen sekundiert durch die amtierenden Machthaber – als der Globalisierung zu folgen“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 80). Unter dem Deckmantel der „Entwicklung“ werde nach den AutorInnen ferner versucht, „die ökonomisch arme ländliche Bevölkerung unter die Kontrolle des Finanzkapitals zu bringen“ (Castro Varela/ Dhawan 2010, S. 318) , während z.B. bezüglich ländlicher Frauen nicht der Versuch unternommen werde, „die infrastrukturellen Bedingungen zu berücksichtigen und einen wirklich systemischen Wandel anzustreben, der die ökonomische Verarmung ländlicher Frauen des globalen Südens stoppen könnte“ (ebd. 2010, S. 318). Wissensproduktion sowie Deutungs- und Repräsentationsmacht Spivak befasst sich, anknüpfend an die Orientalismus-Thesen von Homi W. Said damit, wie, warum und von wem Wissen über ,die Anderen' hervorgebracht wird. Dabei befasst sie sich mit dem Begriff der Subalternität. Subalterne Subjekte seien Gruppen von Menschen, welche keiner hegemoniellen Klasse angehören und im Gegensatz zu „dominanten Gesellschaftsgruppen“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 186 f) eine„fragmentierte Gruppierung [darstellen], die durch mangelnde Autonomie, fehlende Intellektuelle und durch strukturelle und ökonomische Ausgrenzung gekennzeichnet [sind]“ (ebd. 2015, S. 186 f). Subalterne Gruppen können z.B. ländliche Bevölkerungen bzw. Bevölkerungsteile sein (ebd. 2015, S. 186). So geht es hier um Gruppen in ehemaligen Kolonien, welche dort über keine Ressourcen verfügten, sich selbst zu vertreten oder ihre Interessen geltend zu machen (ebd. 2015, S. 188)15. Im Diskurs über die Subalternen ist folglich wichtig, ob oder wie die Geschichte dieser rekonstruiert und wie ferner im Namen der heutigen Ausgeschlossenen der postkolonialen Gesellschaft gesprochen werden kann16. Spivaks Frage diesbezüglich ist, „inwieweit westliche Intellektuelle oder andere Vertreter_innen [als auch 15 In der Geschichtsschreibung der Kolonialzeit wurden z.B. regelmäßig stattfindende Bauernaufstände und indigene Widerstandsbewegungen gegen das Feudalsystem als ziellos und kriminell etikettiert. Zudem wurden autonome antikoloniale Widerstandskämpfe mangels historischen Materials diskreditiert und strategisch Ausgegrenzt, die Unabhängigkeit von Kolonien als alleiniger Erfolg von nationalen Eliten dargestellt (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 188). 16 Postkoloniale Theorie befasst sich also auch mit der „Löschung und Verdrängung präkolonialen Wissens“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 39).und mit der Streitfrage, ob dieses präkoloniale Wissen noch „unkonterminiert“ freigelegt werden kann oder in seiner präkolonialen Form gelöscht und/oder nur in durch die Kolonisatoren modifizierter Form aufgefunden werden kann. (vgl. ebd 2015, S. 39). 32 EntwicklungshelferInnen, Anm. d. Verf.] wirklich im Namen der `Arbeiter_innen´ oder der `Armen´ im globalen Süden sprechen können“ (Haas 2012, S. 49). Denn „[i]hrer Meinung nach besteht die Gefahr, dass im Prozess der Repräsentation die Stimme der wirklichen Zeug_innen ignoriert wird, wenn Menschen aus dem Globalen Norden die Menschen aus dem Globalen Süden repräsentieren (sollen)“ (ebd. 2012, S. 49)17. Menschen aus dem Globalen Norden werden durch ihre „privilegierte Position“, die sich aus dem Machtgefälle zum Globalen Süden ergibt, zu einem sog. „Allwissenden Selbst“ gemacht, „was dazu führt, dass allein die Tatsache der Herkunft aus dem Globalen Norden die Annahme mit sich bringt, einen Beitrag leisten zu können oder außerhalb der eigenen Fähigkeit Ratschläge zu erteilen“ (Haas 2012, S. 49 mit Verweis auf Eriksson Baaz 2005, S. 111)18. Dichtome Teilung in GeberInnen(-) und EmpfägnerInnen (-länder) Ein weiterer Kritikpunkt postkolonialer Überlegungen ist die Produktion einer Dichotomie in Geber- und Empfängerländer durch die Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit. Dies ist also, neben der Konstruktion in ,entwickelte' und ,unterentwickelte' Länder, die zweite Dichotomisierung, bezüglich welcher die EZ und EP kritisiert wird. Subjekte aus dem Globalen Norden werden hierbei „als ,Entwicklungsexpert_innen' konstruiert und als soziale Realität gelebt“ (Kontzi 2015, S. 85). Haas spricht auch von einer „wir/sie-Dichotomie (…) in der w i r ` helfen/entwickeln/zivilisieren/bemächtigen´“ (Haas 2012, S. 48) und welche eine Machthierarchie darstellt. Diese Hierarchie verdeutlicht Kristina Kontzi. So kämen „diejenigen die als 'Entwicklungsexpertinnen' in die Länder des Globalen Südens reisen (...), aus den Ländern, in denen weiterhin ein Großteil der Entscheidungsmacht liegt. Sie sind darüber hinaus beispielsweise mit bedeutend mehr Kapital ausgestattet als viele ihrer 17 „Repräsentative Verantwortung übernehmen zu wollen wirft schließlich die Frage danach auf, wer die legitime Stimme der marginalisierten sein kann. Diese Frage ist aufs Engste mit dem Problem verknüpft, auf welche Art es möglich ist, die Perspektive der Anderen auf ethische Weise zu vertreten, ohne die Anderen zu vereinnahmen, zu kooptieren und ohne sie essentialisierender Gewalt zu unterwerfen“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 200 angelehnt an Sanders 2006, S. 9). 18 Um mit solch einem innerer Mechanismus brechen sieht Spivak die Notwendigkeit, privilegiertes Wissen und somit die eigene Position systematisch zu verlernen, indem beispielsweise zu den Subalternen gesprochen wird, anstatt für sie zu sprechen (Haas 2012, S. 49; Kontzi 2015, S. 64). Nur so sei es z.B. möglich, „die Position und die Lebensrealitäten subalterner Frauen zu verstehen. Die weiterhin zu findende romantisierende (bzw. idealisierende) oder viktimisierende Darstellung von Frauen aus dem globalen Süden sei hingegen `symptomatisch für ein koloniales Wohlwollen´“ (Kontzi 2015, S. 64; Castro Varela/ Dhawan 2005 mit Verweis auf Spivak 1988, S. 138 zit. n. Kontzi 2015, S. 64). 33 Kolleg_innen im Globalen Süden (...)“ (Kontzi 2015, S. 86). Es benötigt also zunächst eine Ressourcenungleichheit und eine Machtasymmetrie zwischen Globalem Norden und Süden, die es dem Norden erlaubt, für andere mitbestimmen zu können, was als allgemeines Expertenwissen angesehen wird 19. Dass diese aus einer postkolonialen Sicht vor allem durch rassistische Ausbeutungs- und Ausschlussprozesse des Kolonialismus resultieren, sollte klar geworden sein. Durch das Ausnutzen (und den Missbrauch) dieser Machtasymmetrie in Form der Setzung einer allgemeingültigen Norm, wird der eigene Expertenstatus entlang dieser Norm manifestiert. Es kann also gesagt werden, dass die hier vorgestellten Aspekte, also die Universalisierung der Entwicklungsnorm, die Repräsentationsmacht und die Dichotomisierung in GeberInnen und EmpfängerInnen nicht als getrennt voneinander, sondern als zusammenhängende Prozesse verstanden werden können Die dichotome Teilung in ,Geber-' und ,Nehmerländer,' also in ,Helfende' und ,Bedürftige' und der ihr zugrundeliegende Machtasymmetrie wird in der heutigen EZ/EP tendenziell „hinter neuen Semantiken“ versteckt, „indem nicht mehr von Entwicklungshilfe, sondern von Entwicklungszusammenarbeit gesprochen wird (...)“ (Haas 2012, S. 48)20. 3.4 Folgerungen für die Analyse Es wurden verschiedene neokoloniale Denk- und Handlungsmuster dargestellt und näher beleuchtet. Neokoloniale Denkweisen offenbaren rassistische Denkweisen und dienen u.A. zur Legitimierung von (sozialer) Ungleichheit, reproduzieren sie doch Denkweisen der Kolonialherren, welche zu ihrer Zeit ebenfalls rassistische Argumentationen hervorbrachten und entlang dieser die Ausbeutung und ungleiche 19 Bereits im vorletzten Unterpunkt über die Universalisierung der Entwicklungsnorm wurde deutlich gemacht, dass „ die Nationalstaaten des Globalen Südens […] häufig kaum eine andere Wahl haben – zuweilen sekundiert durch die amtierenden Machthaber – als der Globalisierung zu folgen“ (Castro Varela/ Dhawan 2015, S. 80). 20 Eine damit einhergehende Semantik ist auch die der „Einen Welt“, welche auch weltwärts nutzt (weltwärts o.D. a, S. 3) und der/des Weltbürgrerin/ Weltbürgers. Anhand dieser Vorstellung soll die bisherige Nord/Süd Ordnung neu konzipiert und die bisherigen Grenzziehungen in ,entwickelt' und ,unterentwickelt' gebrochen werden (Kontzi 2015, S. 84) . Fraglich ist hierbei, auch bezogen auf die Wissensproduktion und Repräsentationmacht, ob dabei die „extrem ungleichen sozioökonomischen Bedingungen der Akteure und [die] damit zusammenhängenden Interessenlagen“ berücksichtigt werden und „in der Betonung gemeinsamer Interessen und notwendiger Zusammenarbeit“ nicht von „Privilegien und Interessenkonflikten“ abgelenkt wird, was folglich eine politisch Folgenreiche Entmündigung der Individuen des globalen Südens darstelle (Ziai 2006, S. 129 zit. n. Kontzi 2015, S. 84). 34 Verteilung von Rechten und materiellen wie sozialen Ressourcen legitimierten. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die Entwicklungspolitik allgemein aus postkolonialer Sicht für Denken und dem Handeln nach neokolonialen Mustern scharf kritisiert wurde und wird. Passend hierzu kann Kontzi, anlehnend an Ziai, zitiert werden: So müsse sich in der entwicklungspolitischen Handlungspraxis beweisen, „inwieweit Transformationen im entwicklungspolitischen Diskurs, etwas die Hinwendung zu Partikularität, die Einführung von Partizipation und das Infragestellen bisheriger Entwicklungswege unter dem Vorzeichen der Nachhaltigkeit, als emanzipatorisch gelten können“ (Kontzi 2015, S. 84, ), oder ob sie „doch letztlich nur der Reformulierung und Neulegitimierung von Herrschaft dienen“ (Ziai 2006, S. 48 zit. n. Kontzi 2015, S. 84). All das muss folglich bezüglich den Wirkungslogiken von weltwärts und weltwärtsFreiwilligen geprüft werden. Inwieweit (re-) produziert weltwärts diese neokolonialen Menschenbilder und Ungleichheiten, welche durch Rassismus gekennzeichnet bzw. legitimiert sind? 4. Analyse Die Analyse wird hauptsächlich die aktuelle Ausrichtung und Konzeption sowie die sich daraus ergebenden Programmlogiken des Freiwilligendienstes weltwärts in den Fokus nehmen. Diese werden wiederum auf ihre neokolonialen Potenziale geprüft. Dabei wird eine Kernfrage sein, ob und inwiefern Neokolonialismus und damit einhergehende Ungleichheiten und Rassismen vom entwicklungpolitischen Freiwilligendienst weltwärts (re-) produziert werden. Die Analyse ist fünfteilig aufgebaut. Zunächst erfolgt eine Auseinandersetzung bezüglich dem Zugang zu weltwärts und folglich dessen Teilnehmerstruktur (4.1). Es folgt eine kurze Erörterung, inwiefern weltwärts sein Konzept, vor allem seine Ziele, in den letzten Jahren weiterentwickelt und geändert hat (4.2) ehe in Kapitel 4.3 das aktuelle Verständnis des BMZ und von weltwärts, was Entwicklung bzw. Entwicklungszusammenarbeit bedeutet, im Hinblick auf seine neokolonialen Potenziale analysiert wird. In Kapitel 4.4 wird die Ungleichverteilung von Mitsprache und Teilhabe bei weltwärts bezüglich des Globalen Südens untersucht, indem erörtert wird, wie die sog. Partnerorganisationen in das weltwärts-Programm eingebunden sind und was die Süd-Nord Komponente bewirkt bzw. nicht bewirkt. Kapitel 4.5 nimmt folgend in den Blick, wo gemäß weltwärts die zu lösenden Probleme bzw. Herausforderungen 35 verortet sind, wo bzw. bei wem der Freiwilligendienst wirken soll und wer ein Nutzen aus diesem ziehen soll bzw. auch wirklich zieht. Dabei wird die Reproduktion von sozialer Ungleichheit und Machtasymmetrien eine bedeutende Rolle spielen. 4.1 Ungleichheiten und die Stärkung Privilegierter bezüglich dem Zugang zu weltwärts 4.1.1 Anspruchsverfehlung bezüglich der Erreichung der Zielgruppen In seinen Leitlinien hebt weltwärts hervor, dass das Programm sich an junge Erwachsene unabhängig deren finanziellen Möglichkeiten richtet und „einem breiten Kreis junger Erwachsener offen [steht]“, wobei soziale Inklusion und Diversität gefördert werde (BMZ 2014a, S. 3, 5). Diesbezüglich stellt Kontzi für die Anfangsphase von weltwärts fest, dass im ersten Jahr 90% der Teilnehmenden AbiturientInnen waren und Entsendeorganisationen darauf hinwiesen, dass das Erreichen der Zielgruppe von jungen Menschen jenseits einkommensstarken Verhältnissen „eine mittel und langfristige Planung brauche, welche beim Aufbau des Programms nicht ausreichend berücksichtigt worden sei“ (Kontzi 2015, S. 111 mit Verweis auf das Protokoll des Austauschforums 2010, S. 6f.). Während in den Richtlinien von 2007 angegeben wird, „einkommensschwächere junge Menschen“ (Richtlinie 2007, S. 4 zit. n. Kontzi 2015, S. 111) erreichen zu wollen, ist davon in den heutigen Förderleitlinien lediglich abgemildert in der oben dargestellten Form die Rede. Denn auch in den Jahren 2011 bis 2013 waren mit konstant ca. 96% die meisten Freiwilligen AbiturientInnen, die Zahl der vermittelten Freiwilligen mit mittlerer Reife blieb folglich ebenfalls konstant (niedrig) bei knapp über 100 Freiwilligen (ALKHÜ 2013, S. 12). 4.1.2 Mögliche Gründe für das geringe Erreichen der Zielgruppe der Auszubildenden Das BMZ ist sich der Tatsache, dass zumeist AbiturientInnen aus „akademisch geprägten Haushalten“ (BMZ 2010-2015a) erreicht werden, bewusst und thematisiert dies z.B. in einer Broschüre zusammen mit dem Welthaus Bielefeld, in welcher Stimmen bezüglich weltwärts für Auszubildende gesammelt werden. Da es für Hauptschul- und Realschulabsolventen eine Voraussetzung ist, eine abgeschlossene Berufsausbildung zu haben (vgl. BMZ 2014a, S. 5), wird sich hierbei auf die Zielgruppe der Auszubildenden fokussiert. So besprechen u.A. Hermann und Schüler 36 über mögliche Gründe für die geringe Teilnahme dieser Gruppe21. So werden als Gründe genannt, dass bei verschiedenen Unternehmern neben positiven Meinungen auch (rassistische) Vorurteile gegenüber einem Dienst im Ausland herrschen können oder diese nicht bereit sind, ihre Auszubildenden freizustellen (vgl. Boueke/ Möntmann/ Schütz// Welthaus Bielefeld 2012, S. 4). Zudem müssten die Auszubildenden gezielter angesprochen werden, da weltwärts z.B. anhand der medialen Darstellung sowie der Bewerbungsprozesse für Auszubildende nicht attraktiv erscheine (ebd. 2012, S. 5). Auch repräsentiere weltwärts eine „von AbiturientInnen bestimmte Szene“ (ebd. 2012, S.5) in welcher die Lebenswirklichkeit von Auszubildenden nicht berücksichtigt werde. Der Freiwillige Timo R. führt sogar an, dass „[e]in Auslandsjahr in einer Bewerbung (…) in vielen Kreisen einen elitären Ruf [habe]“ (Boueke/ Möntmann/ Schütz// Welthaus Bielefeld 2012, S. 7) oder für Arbeitgeber als Lücke im Lebenslauf erscheine (vgl. ebd. 2012, S. 6). Weiter führt ein Freiwilliger mit Realschulabschluss an: „[d]ie meisten Leute wollen nach der Ausbildung erst einmal richtig Geld verdienen“ (ebd. 2012, S. 7). Entlang einer weiteren Aussage von Schüler kann ein zentrales Problem angesprochen werden. Sie verweist darauf, dass, vor dem Hintergrund dessen, dass vor der Einführung von weltwärts die Angebote für Freiwilligendienste meist bezahlt werden mussten und so nur eine bestimmte Gruppe von Menschen für die Teilnahme in Frage kam, das Profil der Entsendeorganisationen heute Chancengleichheit erkennen lassen muss (ebd. 2012, S.6). Wie in Kapitel 2.4.3 gezeigt, müssen 25% der Kosten eines Freiwilligendienstes von der jeweiligen Entsende Organisation gestemmt werden, welche wiederum die Freiwilligen dazu anhalten, diesbezüglich einen Spenderkreis aufzubauen. Auch wenn weltwärts, wie in Kapitel 2.4.3 ebenfalls dargestellt, betont, dass Spendensammeln keine Voraussetzung für einen Freiwilligendienst sein darf, können einige Organisationen nicht auf Spenden verzichten bzw. legen den potenziellen Freiwilligen das Spendensammeln nahe und bitten darum, teilweise fordern sie gar direkt zur Spendenakquise auf, was nicht vereinbar mit den in Kapitel 2.4.3 dargestellten Prinzipien von weltwärts ist, dass Spenden keine Voraussetzung für die Durchführung des Dienstes sein dürfen (vgl. weltwärts 2013a)22. Auf diesen Umstand macht auch eine 21 Irma Herrmann ist Vorstandsmitglied des Welthaus Bielefeld und betreut das Projekt „weltwärts für Azubis“, welches in ostwestfälischen Betrieben und Berufsschulen agiert, um dort weltwärts näher zu bringen (Boueke/ Möntmann/ Schütz// Welthaus Bielefeld 2012, S. 4), Karin Schüler hingegen ist Leiterin des weltwärts-Sekretariats Bonn (ebd. 2012, S. 5). 22 Hierzu hat der Autor dieser Ausarbeitung einige Webauftritte von Entsendeorganisationen in den 37 Evaluierungsstudie des BMZ von 2011 aufmerksam (vgl. Stern, T. et al. 2011, S. 5). Diese Studie hat auch zum Ergebnis, dass die meisten Spenden durch die Eltern der Freiwilligen aufgebracht werden (vgl. Stern, T. et al. 2011, S. 5). Bezogen auf junge Erwachsene aus einkommensschwächeren Haushalten kann die Suche nach Spendern also als eine Hürde angesehen werden, welche solche aus eher gut situierten Familien einfacher umgehen können (vgl. Kontzi 2015, S. 112). So kann an dieser Stelle ein Resümee von Bello angeführt werden, nämlich dass internationale Freiwilligendienste letztlich eine „bestimmte Gruppe ansprechen: Junge Erwachsene mit Abitur, finanziell abgesichert, meistens aus einer Akademiker_innenfamilie, die oft sogar ihr Sprösslinge im Ausland besucht“ (Bello 2012, S. 57). Es kann anhand des bisher Genannten zusammenfassend gesagt werden, dass weltwärts bislang lediglich einer privilegierten Gruppe offen steht. Erstens können von dieser die finanziellen und bewerbungstechnischen Hürden besser umgangen werden. Zweitens passt ein Freiwilligendienst für diese Gruppe gegebenenfalls besser in die Lebensplanung, da, wie oben angeführt, z.B. Auszubildende nicht freigestellt werden oder ein internationaler Freiwilligendienst in der Bewerbung bei Betrieben eventuell als „Lücke“ im Lebenslauf oder als etwas „Elitäres“ angesehen wird (Boueke/ Möntmann/ Schütz// Welthaus Bielefeld 2012, S.5 ff). Weltwärts erreiche zudem durch seine mediale Präsenz eher AbiturientInnen und ist andersherum von diesen und ihren Lebenswelten geprägt, weshalb der IFD Auszubildenden unattraktiv erscheine. Insgesamt ist der Zugang zu weltwärts also eher nach den Handlungsmustern und -möglichkeiten von AbiturientInnen aus einem bildungsbürgerlichen Milieu ausgerichtet (vgl. Kontzi 2015, S. 209). 4.1.3 Ungleichheiten bezüglich Geschlecht, Migration und Menschen mit Behinderung Der Männeranteil lag zwischen 2008 und 2010 bei 40% und 2010 darüber. Nach Aussetzung der Wehrpflicht 2011 sank der Männeranteil auf 32-34%, was damit zu erklären ist, dass vorher viele Männer unter dem Zwang des Wehrdiensts einen sog. „Anderen Dienst im Ausland“ über weltwärts absolviert haben. Weltwärts erreicht also anteilig mehr junge Frauen (weltwärts 2013d, S. 153). Zudem wird im Rahmen des Follow-Up Prozesses (2012-2013) der Evaluation Blick genommen, um zu sehen, ob diese Spenden voraussetzen. Die Ergebnisse sind im Anhang zu finden. 38 angeführt, dass „[d]er Zugang zu jungen Menschen mit Behinderungen, aus Einkommensschwachen Familien, mit Haupt- oder Realschulabschluss, mit Migrationshintergrund oder aus den östlichen Bundesländern (…) sich noch schwierig [gestaltet] und diese [Zielgruppen, anm. d. Verf.] bisher deutlich unterrepräsentiert [sind]“ (weltwärts 2013d, S. 18). Der Schwerpunkt der Arbeit liegt an dieser Stelle nicht am erörtern für die Gründe des Nicht-Erreichens der einzelnen Zielgruppen, es wurde bereits gezeigt, warum Nicht-AbiturientInnen (am Beispiel der Auszubildenden) einen erschwerten Zugang zu weltwärts haben können. Dieser allgemeine Sachverhalt wird im Folgenden theoretisch unterfüttert. 4.1.4 Problempotenziale dieser Ungleichheiten anhand der Theorie des „Grenzennutzens“ Diejenigen, die sich einen Freiwilligendienst ,leisten' können und „daher eine entsprechende Bildung“ (Bello 2012, S. 56) genießen, zählen also zu einer privilegierten Gruppe. Durch den Freiwilligendienst werden diese Privilegien gar gefestigt. Da weltwäts bei den zurückgekehrten Freiwilligen gesammelte Erfahrungen und Expertisen vermute, sollen und werden diese weiter in das Feld der Entwicklungsarbeit und -politik eingebunden, zumal ein Ziel von weltwärts, wie in Kapitel 2.4.3 aufgezeigt, die Nachwuchsförderung in diesem Bereich ist; die Rückkehrerarbeit ist ein zentraler Bestandteil des Freiwilligendienstes. So finden die Freiwilligen nun Netzwerke vor, die z.B. einen Erfahrungsaustausch ermöglichen und Empfehlungen geben können (vgl. Bello 2012, S. 57). Es kann von einem „Empowerment der bereits Empowerten“ (glokal e.V. 2013a, S. 42 zit. n. Kontzi 2015, S. 113) gesprochen werden, da „bereits gut positionierte Gruppen gefördert werden“ (Kontzi 2015, S. 113). Bello kommt zusätzlich zu dem Schluss: „Ob gewollt oder nicht: Freiwilligendienste sind Karriereplanung“ (ebd. 2012, S. 57). Diese „Akkumulation von Lebenschancen“ durch die „Überschreitung nationalstaatlicher Grenzen oder deren Instrumentalisierung“ (Beck 2010, S. 41) nennt Beck ,Grenzennutzen', welches für Beck eine „Schlüsselvariable sozialer Ungleichheit in der globalisierten Welt“ darstellt (ebd. 2010, S. 41). So sind die oberen der Welthierarchie (vgl. ebd. 2010, S. 42) „in der Entfaltung“ ihrer Lebenschancen, in diesem Fall durch die Arbeit in einem international stattfindenden Freiwilligendienst und den damit verbundenen Erfahrungen, nicht und weniger als andere an „den nationalstaatlichen Rahmen und Raum gebunden“ (ebd. 2010, S. 43), da sie aufgrund ihres ökonomischen 39 und kulturellen Kapitals über mehr Mobilität verfügen (ebd. 2010, S. 43). Der Sachverhalt, dass keine bzw. durch die erst 2013 eingeführte Süd-Nord Komponente deutlich weniger Personen aus dem Globalen Süden einen weltwärtsDienst im Globalen Norden leisten können, stellt einen weiteren Aspekt sozialer Ungleichheit bezüglich dem Zugang zu weltwärts. Dieser Sachverhalt wird in Kapitel 4.4.3 aufgegriffen, ist er doch Teil einer komplexeren (neokoloniale Potenziale aufweisenden) Logik von weltwärts, welcher in den folgenden Kapitel nachgegangen wird. 4.2 Beispiele für Reformulierungen der aktuellen Ausrichtung Die Wirkungslogik von weltwärts besteht heute wie in der Vergangenheit auf der Grundlage der in Kapitel 2.3.2 erläuterten Dyaden. Die Wirkungslogik in Form von Dyaden hat sich lediglich in einem Punkt abgeändert: Während der Fokus von weltwärts im Sinne des „Helfens“ darauf lag, anhand der auf entwicklungspolitischen Mehrwert ausgerichteten „Hilfe zur Selbsthilfe“ (Haas 2012, S. 23) bezüglich der Partnerorganisationen selbst Lernerfahrungen zu machen, sollen letztere heute durch die Begegnung mit Menschen anderer Kulturen und der Arbeit „gemeinsam mit ihnen im Team“ (weltwärts 2014a, S. 3) erreicht werden. Statt vom Hilfebegriff, welcher eine Machthierarchie impliziert, ist nun von Begegnung und Zusammenarbeit die Rede. Ferner sollen die Zivilgesellschaftlichen Strukturen sowohl der Partnerländer als auch Deutschlands gestärkt werden, die Partnerorganisationen „profitieren von der Unterstützung durch die Freiwilligen und dem damit verbundenen Austausch“ (BMZ 2014a, S. 4). Insgesamt ist mit Anlehnung an Haas festzustellen, dass in den aktuellen weltwärtsZielen die „vielen anderen Effekte(...), die im Rahmen von bürgerschaftlichem oder kosmopolitischem Engagement auch in der Forschung generell als positiv gelten“, welche Haas bezüglich der vorherigen Konzeption von weltwärts ausmacht, erhalten bleiben und im Fokus stehen, während „die diskursive Verschränkung mit der Hilfe im Kontext von ,Entwicklung', welche „alte, koloniale Muster und Denkstrukturen [reproduziert]“ (Haas 2012, S. 64) außen vor bleibt. Im Mittelpunkt steht nun das „gemeinsame interkulturelle Lernen“ (BMZ 2010-2015a). Es soll also ein gemeinsamer Austausch zwischen Freiwilligen und Menschen aus dem globalen Süden stattfinden, der durch kulturelle Differenzen zwischen beiden Parteien das Potenzial birgt, „interkulturelle“ Lerneffekte zu erzielen. Die Einsatzstellen sollen 40 dadurch Profitieren, „dass junge Menschen, die an entwicklungspolitischen Themen und am kulturellen Austausch interessiert sind, ihre Projekte mit eigenen Erfahrungen und Sichtweisen bereichern“ und dass „[viele Freiwillige] neben der praktischen Arbeit während ihres Dienstes (...) auch nach ihrer Rückkehr die Projekte, in denen sie eingesetzt waren, zum Beispiel durch Informationsarbeit oder das Sammeln von Spenden[, unterstützen].“ (ebd. 2010-2015a). Die Freiwilligen hingegen „erwerben Kenntnisse in der interkulturellen Kommunikation sowie soziale Kompetenzen – Eigenschaften, die in einer globalisierten Welt immer wichtiger werden. Der Dienst hilft vielen Freiwilligen bei der beruflichen Orientierung, viele entscheiden sich zum Beispiel später für ein Studium in einem entwicklungspolitisch relevanten Bereich und machen die Entwicklungszusammenarbeit zu ihrem Beruf.“ (ebd. 2010-2015a). Es gilt nun zu Analysieren, ob sich durch die Umformulierungen zu Gunsten einer vermeintlichen Augenhöhe zwischen Norden und Süden tatsächlich etwas an der oben aufgezeigten „Struktur des w i r / s i e“ ändert (Haas 2012, S. 48) Zudem wird durch die Einführung der Süd-Nord Komponente ein gleichberechtigter Austausch zwischen Globalen Norden und Globalen Süden angestrebt, wie der letzte Punkt von Kapitel 4.4.3 zeigen wird. 4.3 Die Bedeutung von Entwicklung bei weltwärts sowie das neokoloniale Potenziale aufweisende Entwicklungsverständnis des BMZ 4.3.1 Grenzziehungen in Entwicklungsländer und Nicht-Entwicklungsländer Der Freiwilligendienst weltwärts basiert nach wie vor auf einer Grenzziehung zwischen Entwicklungsländer auf der einen und nicht-Entwicklungsländern auf der anderen Seite. Der Dienst soll in „sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer[n]“ (weltwärts 2013c) stattfinden. Entwicklungsland wird vom BMZ entlang fünf Kriterien formuliert: „1. eine schlechte Versorgung großer Gruppen der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, dadurch Unterernährung und Hunger 2. ein niedriges Pro-Kopf-Einkommen, Armut 3. keine oder nur eine mangelhafte Gesundheitsversorgung, eine hohe Kindersterblichkeitsrate und eine geringe Lebenserwartung 4. mangelhafte Bildungsmöglichkeiten, eine hohe Analphabetenquote 5. hohe Arbeitslosigkeit, ein insgesamt niedriger Lebensstandard, eine oft extrem ungleiche Verteilung der vorhandenen Güte“ (BMZ 2010-2015c). Eine Länderliste der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) listet beispielsweise sog. Entwicklungsländer auf. 41 Als Partnerländer kommen also „Entwicklungsländer“ in Frage. Diese werden laut Kontzi in obiger Definition aus defizitorientierter Sichtweise beschrieben, indem ausschließlich die Mängel der jeweiligen Länder benannt und ihre ,Bedürftigkeit' (…) betont [wird]“ (Kontzi 2015, S. 117). Weltwärts bedient sich hiernach also einer defizitorientierten Semantik. Es muss jedoch angemerkt werden, dass sich der Freiwilligendienst auf der anderen Seite auch von der negativen Konnotation dieses Begriffs distanziert, wird auf der Website doch auf den Begriff Globaler Süden aufmerksam und ferner deutlich gemacht, dass zwar der „gebräuchlichere(...) Begriff Entwicklungsländer“ verwendet wird, jedoch von „[sogenannten] Entwicklungsländer[n]“ gesprochen wird, „um deutlich zu machen, dass wir damit keine Wertung verbinden“ (weltwärts 2013c). 4.3.2 Das Entwicklungsverständnis des BMZ und von weltwärts Mehr Problempotential bietet das allgemeine Entwicklungsverständnis des BMZ. Da weltwärts vom BMZ gegründet wurde und darüber hinaus „vom BMZ und den im weltwärts-Programm anerkannten zivilgesellschaftlichen EO verantwortet [wird]“ (BMZ 2014a, S. 3), liegt nahe, dass der Freiwilligendienst eine entwicklungspolitische Maßnahme des Bundesministeriums darstellt, nämlich um „einen effizienten Beitrag zur entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit im Sinne des ,Globalen Lernens' und zur Nachwuchsförderung im entwicklungspolitischen Berufsfeld“ zu leisten (BMZ 2014a, S. 4). Es ist also nötig, in den Blick zu nehmen, nach welchem Verständnis das BMZ Entwicklungszusammenarbeit betreibt. So fasst das BMZ zusammen: „Unser Leben ist heute enger mit dem der Menschen auf anderen Kontinenten verflochten als jemals zuvor. Wir haben dadurch sehr viele Vorteile. Wir tragen aber auch eine größere Verantwortung als frühere Generationen, denn die Weltgemeinschaft ist mit Herausforderungen konfrontiert, für die globale Lösungsansätze gefunden werden müssen.“ (BMZ 2010-2015b) Durch globale Verflechtungen haben ,Wir', also der Globale Norden, Profit gezogen. Gleichzeitig werden ,Wir' als Teil einer ,Weltgemeinschaft' gesehen, die Herausforderungen gegenüber steht, die nur global und nicht etwa auf der nationalstaatlichen Ebene gelöst werden können. Bezüglich dessen, wie ,Wir' aus den globalen Verflechtungen Profit ziehen, wird angeführt, dass die deutsche Exportwirtschaft von der Weltwirtschaft abhängt und somit auch von der Stabilität 42 beispielsweise afrikanischer Staaten lebt. Es bleibe „keine Volkswirtschaft unberührt von den Krisen anderer Länder und Regionen“ (BMZ 2010-2015b). Dabei gerät gänzlich aus dem Blick, wie die Stärke der ,eigenen' Wirtschaft und der ,eigene' Wohlstand, wie in Kapitel 3.3.3 deutlich gemacht wurde, nicht etwa auf der Stärke von Volkswirtschaften aus dem Globalen Süden beruht, sondern andersherum auch und gerade erst auf deren Kosten entstanden sind und immer noch gefestigt werden. Der (auch aktuelle, neokoloniale) Zusammenhang zwischen „,unserer' Entwicklung und ,ihrer Ausbeutung'“ (Dhawan 2009, S. 55) wird missachtet. Es wird aufgezeigt, dass das wohlergehen Deutschlands vom Wohlergehen anderer Staaten abhängig ist, nicht jedoch, dass die wirtschaftliche Vormachtstellung Europas und innerhalb dessen unter anderem Deutschlands sowie des Westens allgemein in der Hierarchie der globalisierten Welt auch oder sogar besonders auf den rassistischen Ausbeutungs- und Ausschlussmechanismen des Kolonialismus beruhen, welche in neokolonialer Form fortgesetzt werden, indem, wie in Kapitel 3.3.3 ebenfalls aufgezeigt, z.B. ehemalige Kolonien nun häufig Länder für größtenteils billige Produktionsprozesse in der Weltwirtschaft darstellen23. Die (Neo-)Kolonialen Realitäten werden also ausgeblendet, indem lediglich der Aspekt betrachtet wird, dass die Stärke der ,eigenen' Wirtschaft nur von der Stärke der ,anderen' Wirtschaften profitiere. Weiter gibt das BMZ an: „Der Reichtum der Welt konzentriert sich jedoch in den Industriestaaten – sie tragen dadurch Mitverantwortung dafür, die Armut auf der Welt zu beseitigen.“ (BMZ 2010-2015b) Die Verantwortung der EZ speist sich also hiernach auch aus dem vermeintlich von der Armut der ,Anderen' unabhängigen und losgelösten, eigenen Reichtum, nicht etwa daraus, dass ,wir selbst' für ,deren' Armut (mit-)verantwortlich sind. Wieder wird der Zusammenhang zwischen eigenem Reichtum und der Armut des Globalen Nordens missachtet. In diesem Zusammenhang wird auch von „[U]nserer Kultur“ gesprochen, die auf dem „Ideal“ basiere, „dass die Starken die Schwachen unterstützen“ (BMZ 2010-2015b). Spätestens hier wird deutlich, dass eine zutiefst neokoloniale Dichotomie produziert 23 Wie Deutschland von der „Stärke“ Europas und der USA profitiert und profitiert hat, zeigt das BMZ auf, indem es auf den Wiederaufbau der BRD nach dem zweiten Weltkrieg unter der maßgeblichen Unterstützung deren Länder aufmerksam macht (vgl. BMZ 2010-2015b). Hiermit verdeutlicht das BMZ (gegebenenfalls unfreiwillig), wie Deutschland vom Kolonialismus profitiert, da viele Länder Europas und die USA, denen Deutschland den Wiederaufbau mit zu verdanken habe, selbst massiv vom Kolonialismus profitierten (und profitieren). 43 wird, nach der Logik: ,Wir' konnten aus den globalen Verflechtungen Profit schlagen, ,wir' sind die ,Starken'. ,Die Anderen' konnten, aus welchen Gründen wird nicht genannt, keinen Profit schlagen und sind die ,Schwachen', die durch die EZ von der ,Kultur der Starken' profitieren. Durch das Ausblenden (Neo-)Kolonialer Realitäten wird hier ein rein positives Selbstbild konstruiert. ,Wir', also diejenigen, die „Moderne Entwicklungszusammenarbeit“ betreiben (BMZ 2010-2015b) sind die wohltätigen Helfer (vgl. ebd. 2010-2015b), die darüber hinaus noch die „Selbsthilfe“ fördern sowie dazu beitragen, „dass Menschen sich aus eigener Kraft aus ihrer Armut befreien können“ (ebd. 2010-2015b). Die eigene Verstrickung in deren Armut wird außen vor gelassen. Zudem werden die Menschen des globalen Südens hier als „passiv“ imaginiert, ihnen wird abgesprochen, selbst „die notwendige Expertise zu haben, die zu nachhaltiger Entwicklung führt“ (Gokova 2009, S. 7 zit. n. Haas 2012, S. 63). Probleme werden also, wie in den damaligen Strukturen von weltwärts, „nicht in [neokolonialen, Anm. d. Verf.] externen oder strukturellen Faktoren gesucht, sondern in den internen“ (Haas 2012, S. 63). Da lediglich oberflächliche Gründe für den Reichtum der ,Reichen' (z.B. Exportwirtschaft) nicht aber für die Armut der ,Armen' genannt werden, könnte der Trugschluss entstehen, dass diese unwesentlich wären bezüglich des Sachverhalts, warum Entwicklungszusammenarbeit stattfinden soll. Die blutigen Ausbeutungs- und Ausschlussprozesse des Kolonialismus sowie die daraus resultierende Vormachtstellung des Westens und die neokolonialen Kontinuitäten in der heutigen globalisierten Welt, werden dadurch ignoriert, sie stellen also ferner keinen wichtigen Gegenstand dar, welcher für die Entwicklungspolitik herangezogen werden müsse. Stattdessen wird ein nicht der (post- und neokolonialen) Realitäten entsprechendes, homogenes Bild des ,aktiven und starken' Westens und auf der anderen Seite eines ,passiven und schwachen' Globalen Südens imaginiert. Es wird auf gegenseitige globale Verflechtungen hingewiesen, nicht aber auf (neokoloniale) Machthierarchien. Statt einem Entwicklungsverständnis, welches auf der eigenen Wohltätigkeit beruht und diese positiv heraushebt, sowie auf dem Nutzen, welche die Entwicklungszusammenarbeit auf das Geberland selbst hat, könnte das BMZ z.B. ein eher auf Entschädigung und Wiedergutmachung basierendes Entwicklungsverständnis vertreten24. 24 Im Kontrast zu einem Entwicklungsverständnis, wie das BMZ es vertritt und welches nicht genau 44 So kann resümiert werden, dass Globale Verflechtungen im Entwicklingsverständnis des BMZ zwar durchaus eine Rolle spielen, jedoch maßgebliche und wichtige (postund neokoloniale) Verknüpfungen nicht benannt werden. Fraglich ist hierbei, ob es sich um eine unkalkulierte nicht-Benennung handelt, oder um eine sog. Entnennung von Geschichte handelt25. Da das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine zentrale Bundesdeutsche, öffentliche Institution darstellt, welche die deutsche Entwicklungspolitik vertritt, kann gesagt werden, dass die deutsche Entwicklungsnorm also auf einem Entwicklungsverständnis basiert, welches wiederum eine eurozentrische, neokoloniale Dichotomie zur Grundlage hat. Weltwärts als BMZ-naher Freiwilligendienst fußt daher ebenfalls auf einem solchen Entwicklungsverständnis. Während das neokoloniale „Hilfeverständnis“ bereits aus der Oberfläche von weltwärts gebannt wurde, liegt weltwärts, als entwicklungspolitische Maßnahme des BMZ immer noch eine vom BMZ vertretene neokoloniale Logik von Entwicklung zugrunde. Den direkten Zielsetzungen von weltwärts ist zu entnehmen, dass Freiwillige lernen, „wie die Zukunft von Norden und Süden wechselseitig voneinander abhängig ist“ (weltwärts: was bringt es? 2013). Hier ist der Blick auf eine Zukunft gerichtet und zudem impliziert dieser Satz eine Wechselseitigkeit der keine Machthierarchie zugrunde liegt. Das Ausmaß an globalen Wechselwirkungen und damit einhergehenden Ungleichheiten lässt sich kaum erahnen. Durch den IFD sollen die Freiwilligen Kompetenzen der „sozialen Verantwortung“ erlernen (BMZ 2014a, S. 4). Auf welchem Entwicklungspolitischen Verständnis diese basiert, kann sehr wahrscheinlich variieren, denn Weltwärts wird, wie oben deutlich gemacht, auch von den zivilgesellschaftlichen EO verantwortet. Es müsste also flächendeckend geprüft werden, welches Verständnis von Entwicklung diese vertreten und z.B. in den Seminaren vermitteln und weitergeben und ob dieses dem des BMZ ähnelt. nach den Ursachen und Zusammenhängen von Armut und Reichtum fragt, stehen VerfechterInnen von Reperationszahlungen bezüglich kolonialen und neokolonialen Ausbeutungen und Ausgrenzungen, zu welchen verschiedene Staaten und zivilgesellschaftliche Gruppen gehören (vgl. Gleissner-Bonetti, Köhler, Woldeslassie 2012, S. 45). Diese „fragen nach den Gründen der ökonomischen und politischen Dominanz des Globalen Nordens. Sklavenhandel, Kolonialismus und Imperialismus prägen die heutige Weltordnung, in der die ehemaligen Kolonien noch immer eingeschränkte Handlungsoptionen und Mitbestimmung besitzen“ (ebd. 2012, S. 45). 25 „Das Konzept der Entnennung geht auf Boaventura des Sousa Santos zurück. Mit seiner sociology of abscence (de Sousa Santos 2006: 15ff) will er verdeutlichen, dass das, was im Diskurs nicht existiert, aktiv als nicht-existent hergestellt wurde. Ziel des Ansatzes ist es, die entnannten Dinge präsent werden zu lassen, um so Undenkbares denkbar werden zu lassen und Nicht-Sichtbares, Unglaubhaftes in Sichtbares und Glaubhaftes zu überführen.“ (Kontzi 2015, S. 134). 45 4.3.3 Zur Wichtigkeit der Bildungsarbeit bei weltwärts Die Pädagogische Begleitung in Form von 25 Seminartagen stellt einen wichtigen Punkt von weltwärts dar. Für deren Ausgestaltung ist die jeweilige EO verantwortlich (vgl. BMZ 2014a, S. 8). Die Leitlinie gibt vor, dass die Seminare beispielsweise Aspekte bezüglich des Globalen Lernens oder „die Auseinandersetzung mit den generellen Anforderungen und der eigenen Rolle im Freiwilligendienst mit dem Ziel, ein klares Verständnis über den Einsatz, die Einsatzbedingungen vor Ort und die Einhaltung allgemeiner Verhaltensregeln (...)“ (BMZ 2014a, S. 9) beinhalten, jedoch wird die genaue Ausgestaltung dieser Punkte offen gelassen. Die GIZ26 verdeutlicht in einer Broschüre, dass „ein unreflektierter Aufenthalt die Gefahr [birgt], xenophobe Haltungen und ungleiche Machtstrukturen zu verschärfen“ (GIZ 2014b, S. 22). Geißler macht passend hierzu deutlich, dass eine rassismuskritische Perspektive eine Notwendigkeit für Konzeptionen und Materialien des Globalen Lernen darstellt, welches häufig aus hegemonialen Perspektiven mit Universalisierungen des ,Eigenen' und der Abtrennung, Erfassung, Kategorisierung, Einordnung sowie der Beherrschung des ,Anderen' einhergehe. (vgl. Geißler 2013, S. 47). Diese Perspektive beinhalte z.B. das Wissen und die Reflexion „über die eigene Position und die Verwobenheit in die Strukturen dieser ,Weltgesellschaft'“ (ebd. 2013, S. 47) unter Berücksichtigung der bis in die heutige Gesellschaft hineinwirkenden „europäischen kolonialen und imperialen Politiken“ (ebd. 2013, S. 46). Zusammengefasst kann also gesagt werden, dass der Bildungsarbeit ein wichtiger Teil im Freiwilligendienst zukommt, können die Freiwilligen das im Partnerland erlebte durch die ergänzende und unterstützende theoretische Beschäftigung, z.B. in den Seminaren, greifbar machen und kontextualisieren. Durch z.B. rassismuskritische Bildungsarbeit können „globale Machtstrukturen und die eigene Verstrickung darin bewusst reflektiert werden]“ (GIZ 2014b, S. 22). 26 GIZ steht für deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit und war von 2008 bis 2013 die einzige staatliche Entsendeorganisation von weltwärts (vgl. GIZ: weltwärts mit der GIZ o.D.). In diesem Zeitraum nahmen knapp 3000 Freiwillige im Rahmen der GIZ an weltwärts teil (GIZ 2014a,S. //9). 46 4.4 Der Einbezug der Partnerorganisationen und die Einseitigkeit des Freiwilligendienstes 4.4.1 Der Einbezug der Partnerorganisationen bei Gründung des Freiwilligendienstes Haas erklärt, dass das weltwärts-Programm ohne VertreterInnen des Globalen Südens Akteure des Globalen Nordens den Einbezug (politischer) eingeführt wurde. So sehen die politischen „ihre Position als Rechtfertigung, ein Programm aufzulegen, das die Länder des Globalen Südens als Ziel hat, ohne sie als wirkliche Zeugen und Interessensvertreter_innen einzubinden“ (Haas 2012, S. 60). Auch in der einjährigen Evaluierung „wurden die PO als einzige Akteure des Programms lediglich als Untersuchungsgegenstand betrachtet, nicht jedoch in den methodischen und operativen Evaluierungsprozess einbezogen“ (ebd. 2012, S. 60). Der bei einer Partnerund einer Entsendeorganisation aktive Buckendahl bestätigt dies, indem er den tansanischen weltwärts-Mentor Alfred Tibenderama zitiert: „Wir wollen nicht immer die underdogs sein. Wir wollen mitreden. Wenn das nicht geschieht, kann das keine Hilfe darstellen, denn diese wurde von uns nie eingefordert. Wie also sollen die Helfenden wissen, wie man hilft, ohne die offizielle Bitte der Betroffenen, ihnen zu helfen?“ „Wenn ihr wirklich helfen wollt, sprecht mit uns! Fragt uns, was wir brauchen, ignoriert uns nicht.“ (Buckendahl 2012, S. 60) Die Einführung von weltwärts war hiernach also von in Kapitel 3.3.3 erklärten neokolonialen Handlungsweisen der EZ geprägt, nämlich zum einen von der aus der P Position im globalen Machtgefälle resultierenden Macht des Globalen Nordens, den Globalen Süden vermeintlich zu Repräsentieren, also für diesen zu sprechen sowie zum anderen von einer damit einhergehenden, durch den Globalen Norden gesetzten, universalisierten Entwicklungsnorm, die die alleinige Initiative des Globalen Nordens legitimiert. Das Repräsentationsproblem wird an späterer Stelle des Kapitels erneut auftauchen. Buckendahl fragt sich zurecht: „Wird hier der Globale Süden für die soziale, ökonomische, kulturelle, psychische und emotionale Befriedigung des Globalen Nordens instrumentalisiert?“27 (Buckendahl 2012, S.60). Und auch nach GleissnerBonetti, Köhler und Woldeslassie kann das beschriebene Vorgehen als kritisch 27 Diese Frage ist auch bezogen auf das Entwicklungsverständnis des BMZ nicht weit hergeholt, gibt dieses doch als einen Grund für EZ an, dass sie, mit Blick auf grenzüberschreitende(n) Bürgerkriege und Terrorismus „uns allen“ helfe (vgl. BMZ 2010-2015 b) 47 betrachtet werden. Angelehnt an den Entwicklungskritiker Gustavo Esteva meinen sie, dass Menschen des Globalen Nordens gelernt haben, „dass sie die Fähigkeit und das recht besitzen, globale Probleme zu lösen, ohne zu verstehen, dass sie einem eurozentrischen Konzept von Entwicklung folgen. Der Tatendrang des Nordens, die Welt verändern zu müssen, ist exemplarisch für das Weiße Überlegenheitsdenken, das in der sogenannten postkolonialen Zeit fortbesteht“ (Gleissner-Bonetti, Köhler, Woldeslassie 2012, S. 44)28. Des Weiteren wird kritisiert, dass das Programm lediglich einseitig vom Norden in den Süden stattfinde und somit die jungen Erwachsenen des Globalen Nordens im Mittelpunkt stehen (vgl. Buckendahl 2012, S. 60). Nun kann zunächst angeführt werden, dass von weltwärts einige Punkte, die Buckendahl und Tibenderama kritisieren (Eine frage ist: „Wären nicht rassistische Auslandsaufenthalte in einem überarbeiteten Rahmen des weltwärts-Programms möglich?“ Buckendahl 2012, S. 62), verändert wurden. Wie Kapitel 2.4.4 zeigt, wird mit der Süd-Nord Komponente seit Ende 2013 ein gleichberechtigter Austausch angestrebt. Zudem wurde die neokoloniale Machthierarchien produzierende Zielsetzung abgeändert, indem vor Allem der Aspekt des „Helfens“ aus dem Konzept entfernt wurde und nun der Aspekt der Zusammenarbeit sowie die wichtige Rolle der Partnerorganisationen betont wird (vgl. BMZ 2014a, S. 6). In der Evaluierung im Rahmen des Follow-Up Prozesses (2012-2013) der weltwärts-Evaluierung wurden auch die Partnerorganisationen miteinbezogen (vgl. weltwärts 2013d, S. 16). Im Jahre 2012 (vgl. weltwärts 2013d, S. 22) sowie von Oktober 2014 bis Februar 2015 fanden zudem Partnerkonferenzen in Afrika, Asien und Lateinamerika statt, die zum Ziel hatten, dass sich die Partnerorganisationen über die Weiterentwicklungen von weltwärts informieren können und ihre Anregungen ebenfalls einbringen können (vgl. weltwärts 2013e). Der nächste Abschnitt wird sich weiter mit diesen Partnerkonferenzen befassen. 4.4.2 Die Einbindung der Partnerorganisationen aktuell In diesem Abschnitt soll nun in den Fokus genommen werden, wie die Partnerorganisationen aktuell eingebunden sind. Nun kann zunächst der Aspekt angesprochen werden, dass Partnerorganisationen im 28 Kritiker, die Entwicklungszusammenarbeit komplett ablehnen, befassen sich mit sog. postdevelopment Ansätzen wie z.B. der Rückbesinnung auf lokales und traditionelles Wissen. Sie werden häufig für eine Romantisierung der Armut kritisiert (vgl. Gleissner-Bonetti, Köhler, Woldeslassie 2013, S. 45). 48 weltwärts-Programm lediglich „die Position mittelbarer Akteurinnen“ haben (Kontzi 2015, S. 119). Es „gleichberechtigte[r] ist, obwohl Zusammenarbeit in der Partnerschaftsvereinbarung zwischen Entsendeorganisation von und Partnerorganisation“ als „Grundlage für eine erfolgreiche Durchführung des Freiwilligendienstes im Sinne der weltwärts-Richtlinie“ die Rede ist (weltwärts o.D.b), kein „direkter Kommunikationsweg zwischen ihnen und dem BMZ vorgesehen“ (Kontzi 2015, S. 119). In den Leitlinien heißt es hierzu, dass die EO das „Scharnier zwischen den Freiwilligen, den Aufnahmeorganisationen bzw. Einsatzstellen vor Ort und der Gesellschaft in Deutschland“ darstellen (BMZ 2014a, S. 7). Weiter wird angeführt, dass „[d]ie Gestaltung und Weiterentwicklung des Freiwilligendienstes (...) über den Programmsteuerungsausschuss gemeinsam vom BMZ, den zivilgesellschaftlichen Verbünden der EO sowie den Vertreterinnen und Vertretern der zurückgekehrten Freiwilligen getragen [wird]“ (BMZ 2014a, S. 3). Von Partnerorganisationen ist hier bezüglich der direkten Gestaltung und Weiterentwicklung nicht die Rede. Für Kontzi heißt das in letzter Konsequenz, dass die „Entscheidungen über das Programm (…) ausschließlich ,hier' gefällt [werden]“ (Kontzi 2015, S. 119) und auch Haas kommt zu dem Ergebnis, dass den PO „lediglich eine Durchführungsrolle zukommt, sie jedoch nicht in die Entscheidungsstrukturen eingebunden sind“ (Haas 2012, S. 60). Durch diese mangelnde Einbindung und dem damit verbundenen Machtgefälle komme es zu einem Repräsentationsproblem. Dieses Repräsentationsproblem könne „ [i]n den Einzelbeziehungen bestimmter EO und PO (…) natürlich sehr unterschiedlich ausgestaltet sein und hängt stark von der (historisch gewachsenen) Beziehung ab, die bereits vor dem Programm bestand“ (Haas 2012, S. 61). In diesem Zuge können erneut die Partnerkonferenzen von 2012, welche in Asien, Afrika und Lateinamerika stattfanden, genannt werden29. Diese wurden aufgrund der mangelnden Informationsweitergabe bezüglich der Partnerländer/ -organisationen veranlasst: „Die Evaluierung hatte gezeigt, dass sich zahlreiche VertreterInnen der Partnerorganisationen nicht ausreichend über das Programm und seine Zielsetzung und Rahmenbedingungen informiert fühlten. Ein zentrales Anliegen der Konferenzen sollte es 29 Diese Konferenzen wurden von verschiedenen EO unter Einbindung der PO in Planung und Durchführung, veranstaltet. Neben VertreterInnen der EO und PO waren auch solche des BMZ und der Koordinierungsstelle weltwärts TeilnehmerInnen (weltwärts 2014b, S. 21 ff). 2012 fanden in Afrika und Lateinamerika je 3 Konferenzen statt, in Indien zwei und in Südostasien eine (ebd. 2014, S. 21). 49 daher sein, die Teilnehmenden über Historie, den Rahmen und das entwicklungspolitische Profil des Programms zu informieren.“ (weltwärts 2014b, S. 20)30. Die Partnerkonferenzen dienen also dazu, die vorher versäumte bzw. ungenügend stattgefundene Kommunikation zu kompensieren. Weiter wird deutlich, dass die Partnerorganisationen hier Platz geboten bekommen, sich in die Gestaltung und Entwicklung von weltwärts einbringen zu können, jedoch ist es ihnen in letzter Konsequenz lediglich möglich, Handlungsempfehlungen einzubringen: „Es sollte ein Diskurs zur Evaluierung angeboten werden, um die Akteure in den Partnerländern zu Wort kommen zu lassen und die Ergebnisse aus ihrer Perspektive bewerten zu lassen. Für die unterschiedlichen Bereiche des Programms sollten außerdem [,]Handlungsempfehlungen aus dem Süden['] (...)formuliert werden.“ (weltwärts 2014b, S. 20). Das Machtgefälle und Repräsentationsproblem der Partnerorganisationen wird von diesen auf den Konferenzen kritisiert. Sie monieren weitestgehend übereinstimmend ihren geringen Einfluss, fordern mehr Einflussmöglichkeiten und wollen auf der anderen Seite mehr Verantwortung übernehmen. So kommt auch weltwärts zu dem Schluss, dass die Partnerorganisationen in der bisherigen Konzeption, zu diesem Zeitpunkt noch nicht die heutige Richtlinie, über wenig Raum verfügen und lediglich die EO der Einbindung der PO nachkämen. Weltwärts gibt bezüglich der Partnerkonferenzen 2012 an: Zur Verbesserung des Programms sehen die Partner ihre größere Partizipation als unabdingbar an und können sich dabei auch auf die Ergebnisse der ProgrammEvaluierung stützen. Es sind die Partner, die während des Einsatzes für die Freiwilligen die größte Verantwortung übernehmen und deren Arbeit durch die Entsendung der Freiwilligen unterstützt werden soll. Schließlich würde eine umfangreichere Beteiligung auch dem konzeptionellen Anliegen von weltwärts entsprechen, das sich für den Dialog auf Augenhöhe von Nord und Süd einsetzt (weltwärts 2014b, S. 34). Wie der obige Blick auf die aktuellen Richtlinien 2014 bezüglich der Gestaltung und Weiterentwicklung des Programms zeigt, liegt die Hauptkompetenz diesbezüglich immer noch beim BMZ, den EO und VertreterInnen von zurückgekehrten Freiwilligen (vgl. BMZ 2014a, S. 3). Ob hierzu auch die zurückgekehrten Freiwilligen aus dem Süden im Kontext der Süd-Nord Komponenten gemeint sind, steht offen und müsste untersucht werden. 30 Auf all diesen Konferenzen wurde der deutliche Wunsch der Partnerorganisationen nach mehr Beteiligung deutlich. Auf den verschiedenen Konferenzen wurden darüber hinaus weitestgehend die selben Idee von Seiten der Partnerorganisationen angeführt (vgl. weltwärts 2014b, S. 34 f). 50 Es ist somit eine logische Konsequenz, dass auch auf den Partnerkonferenzen vom Oktober 2014 bis Februar 2015 zahlreiche Stimmen aus den Reihen der Partnerorganisationen für mehr Partizipation und einen besseren und schnelleren Informationsfluss deutlich wurden (vgl. welwärts 2013e). In Costa Rica wünschen sich PO mehr Einfluss auf die Auswahl Freiwilliger und auf die Programmentwicklung sowie einen schnelleren und Umfassenderen Informationsfluss. In Südafrika ist dies ähnlich, wollen die PO dort das Programm ebenfalls aktiv mitgestalten, bezüglich dessen auch das Forum Southern Africa weltwärts Network (SAwN) gegründet wurde. Auch hier machen die PO darauf aufmerksam, nicht immer ausreichend informiert zu sein. PO in Indien und Bolivien wünschen sich bzw. haben ein hohes Interesse, an der Gestaltung bzw. im Programmsteuerungsausschuss partizipieren zu können. In Argentinien wünschen sich PO bessere Informationen vom weltwärts-Programm sowie den EO (vgl. ebd. 2013). Dies macht deutlich, dass weltwärts immer noch einem Repräsentationsproblem und Machtungleichheiten bzw. einem Machtgefälle verhaftet ist, aus dem es sich bislang wenn, dann schrittweise löst, jedoch nötige Schritte weiterhin anstehen. 4.4.3 Zum Wirken und Nutzen der Süd-Nord-Komponente Durch die Süd-Nord Komponente wird ermöglicht, dass auch Menschen aus dem Globalen Süden die mit weltwärts verbundenen Bildungserfahrungen machen können. Sie trägt so dazu bei, dass auch diese Kompetenzen und Erfahrungen bezüglich der Entwicklungsarbeit sammeln können (vgl. BMZ 2014a, S. 9). Zudem sollen diese auch die Möglichkeit eines interkulturellen Austauschs wahrnehmen können und durch den Dienst „Impulse(...) für die entwicklungspolitische Inlandsarbeit“ setzen (weltwärts o.D., S. 3). Ein weiterer wichtiger Punkt, den die Süd-Nord Komponente erfüllt, ist, dass die Freiwilligen dadurch ein „differenziertes Bild der hiesigen Lebenswirklichkeit [kennenlernen]“ (BMZ 2014a, S. 9). Dies könnte auch den Effekt mit sich bringen, dass Europa nicht mehr „unantastbar bleibt“ (Buckendahl 2012, S. 61). In diesem Kontext führt Buckendahl mit einem tansanischen weltwärts-Partner namens Nindorera Manasa ein Gespräch, welcher die These aufstellt, dass weltwärts mit einem gegenseitigen Austausch nachhaltiger sei, da so TansanierInnen „[m]it ihren in Deutschland und Europa gewonnenen Erfahrungen und Wahrnehmungen (...) gewachsene Stereotype und Minderwertigkeitskomplexe in ihrer Gesellschaft von innen heraus aufweichen helfen“ (Buckendahl 2012, S. 61). 51 Jedoch findet die Süd-Nord Komponente, wie in Kapitel 2.4.4 aufgezeigt wird, in einem viel geringerem Maßstab und nicht Bedarfsdeckend statt, z.B. Ende 2014 auf der Partnerkonferenz der Organisationen von Nicaragua, Mexiko, Panama, der Dominikanischen Republik und Costa Rica wurde eine Ausweitung dieser gefordert (weltwärts 2013e)31, was auch bezüglich der (Re-)Produktion von sozialen Ungleichheiten bei weltwärts eine Rolle spielt. Dieser Aspekt wird gegen Ende des Kapitels 4.5 aufgegriffen. 4.5 Verortung der Probleme sowie des Wirkens und Nutzens in der weltwärtsPartner-Beziehung 4.5.1 Verortung der Probleme und des entwicklungspolitischen Nutzens bei weltwärts oder: weltwärts als entwicklungspolitisches Bildungsprogramm Bezüglich dem damaligen Konzept von weltwärts wurde deutlich gemacht, dass Probleme in den internen Faktoren der Partnerorganisationen und -länder gesucht wurden und nicht in der äußeren, externen und strukturellen (neokolonialen) Faktoren (vgl. Haas 2012, S. 63). Die heutige Ausgestaltung von weltwärts schwächt diese interne Problemverortung ab, da nun nicht mehr von entwicklungspolitischer „Hilfe (zur Selbsthilfe)“ gesprochen wird, was wiederum eine Machtasymmetrie zwischen Globalen Süden und Norden sowie einen Hilfebedarf in den Partnerländer impliziert. Kapitel 2.4.3 dargestellt, sind in den Leitlinien von weltwärts Zielformulierungen der Fall, die allgemeine Aspekte von bürgerschaftlichem Engagement aufzeigen, welche wiederum kein Spezifikum bezüglich dem Ausland darstellen, da auch in Deutschland Einrichtungen bzw. die deutsche Gesellschaft durch beispielsweise ein FSJ von den Freiwilligen profitieren sollen (vgl. BMFSFJ: o.D.). Zumindest Formal wurde hier eine Augenhöhe zwischen Globalem Norden und Globalem Süden hergestellt. Folglich ist die Frage, wie dies in der Praxis der Fall ist, ob z.B. Freiwillige trotzdem einerseits mit einem Überlegenheitsgefühl zu Tage treten oder andererseits von der Partnerorganisation gemessen an ihrer Qualifikation zu hohe Verantwortung oder Handlungsspielräume zugesprochen bekommen (vgl. Buckendahl 31 Ab November 2014 waren 150 Plätze der Süd-Nord Komponente zu vergeben (vgl. BMZ 20102015a). Dies stellt gegenüber 3175 vermittelten weltwärts Freiwilligen im Jahre 2013 gesamt (AKLHÜ 2014, S. 8) eine geringe Zahl dar. Und dabei ist zu beachten, dass weltwärts ursprünglich zum Ziel hatte, 10000 Freiwillige pro Jahr vom norden in den Süden zu schicken und dies aufgrund mangelnder Nachfrage nicht geschehen ist, nicht aufgrund der geringen Kapazitäten (siehe Kapitel 2.4.1). 52 2012, S. 61). Dieser Aspekt wird im weiteren Verlauf des Abschnitts aufgegriffen werden. Das Grundkonzept von weltwärts besteht, wie gezeigt, zusammengefasst darin, dass anhand der Zusammenarbeit zwischen Freiwilligen und Partnerorganisation ein beidseitig profitabler interkultureller Austausch stattfinden soll. Darüber hinaus sollen die Freiwilligen durch die Zusammenarbeit mit der Partnerorganisation „wichtige Kompetenzen der interkulturellen Kommunikation, der sozio-kulturellen Kooperation und sozialen Verantwortung erwerben“ (BMZ 2014a, S. 4). Durch zum größten Teil informelle Lernprozesse, begleitet durch z.B. reflektierende Seminare, sollen also entwicklungspolitisch relevante Kompetenzen erworben werden (vgl. GIZ 2014b, S. 9). Der entwicklungspolitische Wirkungsanspruch kann dabei auf der Seite der Freiwilligen verortet werden. Die neuen Förderleitlinien von 2014 bestätigen dies, ist dort nicht mehr von einer entwicklungspolitischen Außenwirkung bezüglich der Partnerorganisationen die Rede. Wilde von Wildemann, der ehemalige Programmleiter von „weltwärts mit der GIZ“ trifft diesbezüglich folgende Aussage: weltwärts ist der entwicklungspolitische Freiwilligendienst der Bundesregierung mit der Besonderheit, dass seine entwicklungspolitische Wirkung in Deutschland erzielt werden soll“ (GIZ 2014,S. //12). Diese These vertritt zum Beispiel auch Reddy, der Leiter des Zentrums für soziale Inklusion und Teilhabe, in seinem Arbeitspapier im Rahmen des bereits erwähnten Follow-Up-Prozesses 2012-2013. So wird darin gefolgert, dass seiner Sicht zufolge, welche wiederum an den sog. Capability Ansatz des United Nations Development Program von 2002 anlehnt, „der Zweck eines Lerndiensts in einer zunehmend globalisierten Welt nicht ausschließlich darin [, besteht,] zu helfen, sondern zu lernen, die eigenen Haltungen und Werte sowie soziopolitische Privilegien und Benachteiligungen kritisch in Frage zu stellen.“ (weltwärts 2013d, S. 137)32. Diese Punkte werden in den aktuellen Zielen von weltwärts aufgegriffen, indem 32 Bezüglich der Frage, über welche Privilegien weltwärts Freiwillige verfügen, kann auch eine These Ulrich Becks herangezogen werden. Nach einer These dessen finden sich grenzüberschreitende Individuen in verschiedenen nationalen Rahmungen sozialer Ungleichheit wieder (vgl. Beck 2010, S. 42). Am Beispiel des weltwärts Freiwilligendienstes äußert sich das daran, dass Menschen aus Deutschland in z.B. wirtschaftlich ärmeren Staaten des Globalen Südens im Verhältnis zur dortigen durchschnittlichen Bevölkerung Reicher sind, als das in Deutschland im Verhältnis zur deutschen Durchschnittsbevölkerung der Fall ist. Z.B. das GIZ weist darauf hin, dass bei dessen Freiwilligendiensten „[i]n manchen Partnerländern (…) die Höhe des Taschen- und Verpflegungsgeldes [es waren stets 100 Euro, Anm. d. Verf.] beispielsweise über dem Einkommen eines Lehrers [lag]“ (GIZ 2014a, S. //14). Das BMZ verwies diesbezüglich darauf, dass die Freiwilligen einen Betrag auch spenden können (vgl. ebd. 2014a, S. //14). Anhand diesem Blick auf ökonomische Faktoren werden mögliche Privilegien und Machtpotentiale von Freiwilligen aus dem Globalen Süden deutlich. 53 angeführt wird, dass Freiwillige durch die Auseinandersetzung mit den Lebensumständen, Einstellungen und Gewohnheiten der Menschen des Globalen Südens einen neuen Blick auf die Welt sowie auf das eigene Verhalten und ferner einen „nähere[r] Einblick in die Lebensrealitäten von Menschen in sogenannten Entwicklungsländern“ (weltwärts: was bringt es? 2013) bekommen können, welcher ermöglicht, „Vorurteile und überkommende Vorstellungen“ zu überwinden (ebd. 2013). Zudem werde dadurch auch ein „kritischer Blick auf die eigene Kultur und persönliche Gewohnheiten“ (ebd. 2013) möglich sowie ein Verständnis, wie die Zukunft von Globalem Norden und Süden durch globale Verflechtungen geprägt ist (vgl. ebd. 2013)33. Auch das GIZ hat in seiner Zeit als Entsendeorganisation in seiner Bildungsarbeit nach eigener Aussage solche Ziele verfolgt, beispielsweise das Reflektieren der eigenen Verstrickung in globale Machtstrukturen und neue Strategien für den Umgang damit zu entwickeln sowie Verantwortung zu übernehmen (GIZ 2014, S. 22). 4.5.2 Lernende Freiwillige zwischen subtil rassistischen Überlegenheitsgefühlen und reflektierender PraktikantInnen-Rolle Aufgrund der zentralen Lernfunktion bezüglich der Person der Freiwilligen verwendet Buckendahl bezüglich diesen den Begriff PraktikanIn, „da dieser die eigentliche Rolle der Jugendlichen besser widerspiegelt und das Lernen in der Vordergrund stellt“ (Buckendahl 2012, S. 60). So haben es die fünf tansanischen weltwärts PartnerInnen, mit denen Buckendahl ein Gespräch führt, häufig nicht mit Freiwilligen zu tun, durch deren Sichtweisen und Erfahrungen die Partnerorganisation, wie vom BMZ angegeben, per se profitieren. Statt ,Völkerverständigern' stehen den PartnerInnen häufig PraktikantInnen gegenüber, die sich „überlegen fühlen“ (Buckendahl 2012, S. 61) und welche aufgrund des Glaubens, „ihr System“ sei dem der Partnerländer/ -organisationen überlegen, sehr häufig Dinge nach ihren Vorbildern kritisieren und verbessern (wollen) (ebd. 2012, S. 61). Dies seien unbewusste, stereotype Afrikarepräsentationen, die in Deutschland beispielsweise von stereotypen Afrika Darstellungen wie z.B. Bildern von hungernden Kindern oder fliehenden Frauen, Kriegen, etc. konstruiert werden (ebd. 2012, S. 61). So „stellt sich das Überlegenheitsgefühl weniger als ein individuellen Problem einiger selbstsüchtiger Menschen dar, sondern ist durch einen subtilen 33 An dieser Stelle sei erneut darauf hingewiesen, dass hier der Blick auf die Relevanz globaler Verstrickungen für die Zukunft, nicht aber bezüglich Vergangenheit und Gegenwart genannt werden, was im obigen Kapitel 4.3 bereits deutlich gemacht wurde. 54 Rassismus und koloniale Stereotype innerhalb der deutschen Gesellschaft geprägt“ (ebd, 2012, S. 61). Buckendahl zeigt also, dass das (Ideal-)Bild des Freiwilligen, von dem die Partnerorganisation profitiert und welcher sich und die Machtverhältnisse, in denen er sich befindet, hinterfragt, keine Selbstverständlichkeit ist und gleichzeitig, dass mit Freiwilligen auch viel Arbeit auf die Partnerorganisationen zu kommt. Die Bildungsarbeit kann, wie bereits gezeigt wurde, maßgeblicher Teil davon sein, dass Freiwillige, meist junge AbiturientInnen aus dem bildungsbürgerlichen Milieu, nicht mit stereotypen Bildern und mit Methoden zur Reflexion ihren Freiwilligendienst antreten und bestreiten können. Auch Kontzi zeigt einen solchen Sachverhalt anhand Kritik aus einer Partnerkonferenz von 2009 auf, in denen die „Darstellungen der ,weltoffenen, interkulturell kompetenten ,Völkerverständiger_innen' (…) deutlich herausgefordert [werden] (…) ihnen aber weiterhin ihre Positionierung als Lernende [eingeräumt wird] und sie als ,sich Entwickelnde' positioniert [werden]“ (Kontzi 2015, S. 213). Weiter wird ein anderes Problem in Buckendahls Gespräch mit den PartnerInnen deutlich. Diese reflektieren, dass die Einsatzstellen den PraktikanInnen häufig von Beginn an große Verantwortung und Handlungsspielräume zusprechen, nicht lediglich aufgrund des Sachverhalts, dass die Freiwilligen sehr selbstbewusst auftreten, sondern auch aufgrund dessen, dass die EmpfängerInnen meist ein historisch bedingtes, tief verwurzeltes Minderwertigkeitsgefühl haben und Weiße als die Kompetenteren ansehen, also dass auch die Partnerinnen die asymmetrischen Machtverhältnisse und rassistischen, neokolonialen Logiken internalisiert haben (vgl. Buckendahl 2012, S. 61). 4.5.3 Reproduktion bestehender Machthierarchien durch weltwärts Buckendahl macht in seinem Text des weiteren deutlich, dass die Tansanier_innen „dennoch die Mitarbeit der Praktikant_innen begrüßen und das weltwärts-Programm unterstützen. Denn: Alle Befragten unterstützen die Freiwilligendienste, halten sie sogar für wichtig, aber für dringend reformbedürftig“ (Buckendahl 2012, S. 61). Dass nach den Reformierungen von weltwärts, die im Laufe dieser Ausarbeitung thematisiert wurden, Machthierarchien immer noch reproduziert werden, wird hier aufgezeigt werden. Was versprechen sich Partnerorganisationen oder -länder von weltwärts? Die tansanischen weltwärts PartnerInnen aus dem Gespräch Buckendahls hoffen 55 diesbezüglich, „dass Langfristig eine Verbesserung der deutschen Afrika-Politik etabliert werden könnte, da die Rückkehrer_innen das immer noch sehr rassistische und durch Vorurteile geprägte Afrika- Bild verändern könnten. Zudem sind die Rückehrer_innen gut ausgebildet und möglicherweise eines Tages Teil der deutschen Elite, und könnten mit ihrem Einfluss rassistische Strukturen bekämpfen, zumindest aber eindämmen“ (Buckendahl 2012, S. 62) Dieses Beispiel davon, welche Hoffnungen der Menschen im Globalen Süden mit dem weltwärts-Dienst verbunden sein können, kann nun unter vielerlei Hinsicht analysiert werden, was über den Rahmen dieser Ausarbeitung hinaus führen würde. An dieser Stelle wird aber um eine Annäherung an den komplexen Sachverhalt bemüht. So ist es zunächst wichtig, die Machtasymmetrien zwischen Globalem Norden und Süden als Faktor miteinzubeziehen. Es müsste nun zunächst, um Vorurteile zu vermeiden, genauer untersucht werden, inwiefern Tansania von (neo-) kolonialen Prozessen betroffen ist bzw. war, um die Sprecher einem Gesamtzusammenhang einordnen zu können. Buckendahls Text ist zu entnehmen, dass sie als Teil von Afrika rassistischen Stereotypen bezüglich dem Afrika Bild von Menschen aus dem Globalen Norden ausgeliefert sind. Rassistische Strukturen werden als Hauptproblem angesehen, begleitet von einem durch diese bedingtes niedriges Selbstbild. Aus dem oben genannten Zitat ist nun heraus zu nehmen, dass die tansanischen PartnerInnen sich langfristig eine Lösung, zumindest aber eine Besserung dieser Probleme durch den weltwärts-Dienst erhoffen. Hier wird zunächst der Kernpunkt deutlich: Durch weltwärts werden in diesem Beispiel Machtasymmetrien insofern deutlich und zunächst reproduziert, als dass die Stellung Tansanias bzw. Afrikas in der globalen Hierarchie maßgeblich von einer weißen Elite abhängt, die nun als weltwärts-Freiwillige Afrika bereist und dort ihr Selbst- und Weltbild formt und nach ihrer Rückkehr zum Teil womöglich in machtvolle EntwicklungshelferInnen-positionen oder anderweitige Machtpositionen gelangt und von dort aus Einfluss nehmen kann34. Das entwicklungspolitische Moment von weltwärts und der Entwicklungs- zusammenarbeit ergibt sich folglich daraus, dass durch diese Reproduktion von transnationaler Ungleichheit, also dass ein bereits wohlhabendes und mächtiges deutsches Bildungsbürgertum Zugang zu entwicklungspolitischen Themen sowie dadurch z.B. in der EZ angesehene Kompetenzen erhält und folglich eventuell Teil der 34 56 einflussreichen „deutschen Elite“ (beispielsweise in der sowieso durch Freiwillige aus dem Norden dominierten EZ, vgl. Bello 2013, S. 57) wird. Aus diesen folgenden, mehr oder minder mächtigen Positionen heraus, so hoffen z.B. die genannten tansanischen PartnerInnen, können die ehemals weltwärts Freiwilligen ihre z.B. im Freiwilligendienst gemachten, neokoloniale Machtverhältnisse kritisierenden Erfahrungen umsetzen, indem sie aus einem kritischen Verständnis heraus die vorhandenen gesellschaftlichen neokolonialen Machtverhältnisse herausfordern und bekämpfen. Die Durchführungsmacht ruht nach diesem Wirkungsmuster von weltwärts weitestgehend auf den Menschen des Globalen Nordens. Während die Menschen aus dem globalen Süden lediglich ihr bestes versuchen können, z.B. dazu beizutragen, dass weltwärts-Freiwillige ihr Selbst- und Weltbild z.B. auf neokoloniale Muster hin reflektieren, findet bezüglich letzteren, wie in Kapitel 4.1.4 deutlich gemacht, ein „Empowerment der bereits Empowerten“ statt (glokal e.V. 2013a, S. 42 zit. n. Kontzi 2015, S. 113), welche künftig die Verantwortung tragen und ihre Vorgenerationen im Globalen Norden beerben. Die soziale Ungleichheit im Weltsystem wird also durch den weltwärts Freiwilligendienst zunächst weitestgehend reproduziert. Es muss zuletzt jedoch gesagt werden, dass durch weltwärts parallel auch Handlungsmöglichkeiten des Globalen Südens eröffnet werden, indem dessen VertreterInnen, wie in Kapitel 4.4.2 gezeigt, zumindest durch das Einbringen von Vorschlägen und Kritik Einfluss auswirken können. Es müsste außerdem genauer untersucht werden, inwieweit Freiwillige eine Unterstützung für die einzelnen Partnerorganisationen im Hinblick auf deren Arbeit und Zielgruppen darstellen. Ein weiterer Punkt kann letztlich wieder am Beispiel der Tansanier und Buckendahls aufgegriffen werden, und zwar, dass durch die Zusammenarbeit der Partnerorganisationen mit den Freiwilligen auch das Selbstvertrauen der PartnerInnen steigen könne, da durch die Zusammenarbeit das Idealbild des weißen Europäers herausgefordert wird, indem die ,PartnerInnen' z.B. erkennen, dass auch sie „den Weißen etwas zeigen können“ (Buckendahl 2012, S. 62). Dies wird durch die Süd-Nord Komponente, wie in Kapitel 4.4.3 gezeigt wurde, unterstützt. Jedoch in einem geringen Maße, da die Süd-Nord-Komponente deutlich weniger Plätze bietet als der Nord-Süd Dienst. 57 5. Fazit Insgesamt lässt sich sagen, dass weltwärts mehr für Bildung und Lernen, besonders bezüglich der Freiwilligen, aber auch bezüglich der PartnerInnen, denn für Helfen bzw. direktes Unterstützen der Partnerländer steht. Der Konzeption und Durchführung der Bildungsarbeit als rassismuskritische, Machtverhältnisse und die eigene Verstrickung in diese reflektierende Bildungsarbeit kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, können durch diese neokoloniale Denkmuster der Freiwilligen entschärft und ersetzt werden. So meint auch Haas, dass „auf der Mikroebene viele der (…) Ambivalenzen durch pädagogische Betreuung aufgebrochen werden [müssen]“, „[u]m die neokolonialen Tendenzen von weltwärts zu entkräften“ (Haas 2012, S. 87). In vielerlei Hinsicht werden soziale Ungleichheiten (re-)produziert, so etwa entlang der Teilnehmer und anhand des in Kapitel 4.5.3 aufgezeigten Wirkungsmechanismus, welcher globale soziale Ungleichheiten zunächst reproduziert und festigt. Gleichzeitig ist weltwärts, auf der Makroebene gesehen, Ausdruck von Entwicklungszusammenarbeit des BMZ, welches wiederum auf einem neokoloniale Potenziale aufweisendem Entwicklungsverständnis basiert. Dabei werden teilweise Rassismen der ehemaligen Kolonialherren reproduziert, indem z.B. zwischen ,Starken' und ,Schwachen' unterschieden wird. Ob der oben gezeigte Wirkungsmechanismus von weltwärts den effektivsten Ansatz, den ein Freiwilligendienst leisten kann, um eine neokoloniale Machtasymmetrie herauszufordern, darstellt, ist höchst fraglich, bleibt doch die meiste Handlungs- und Veränderungsmacht im Globalen Norden verortet. Neokoloniale Machtverhältnisse werden also zunächst durch das Fördern bereits geförderter Menschen aus dem Globalen Norden bestätigt. Die Zukunft und das Engagement der Freiwilligen nach ihrem Dienst zeigt und wird zeigen, inwiefern ein entwicklungspolitischer Effekt stattfindet, welcher auch neokoloniale Machtverhältnisse herausfordert. Durch die Süd-Nord Komponente könnte jedoch das ,Empowerment der bereits Empowerten' ergänzt werden. Zwar gilt es, zu untersuchen, aus welchen Gesellschaftsschichten die jeweiligen Teilnehmer aus dem Globalen Süden kommen und ob es sich lediglich um jeweils nationale ,Eliten' handelt, doch trägt diese Komponente unabhängig davon dazu bei, dass auch Menschen aus dem Globalen Süden wichtige Erfahrungen sammeln können und gefördert werden und folglich eventuell ein Gegengewicht an globalem Einfluss zum Globalen Norden bilden. Jedoch muss auch gesagt werden, dass das Entwicklungsverständnis des BMZ bislang 58 nicht das Ziel hat, neokoloniale Verhältnisse herauszufordern und es somit nicht nahe liegt, dass weltwärts aus diesem Motiv heraus gegründet wurde. Haas verweist darauf, dass weltwärts zudem ein „in die Zukunft gerichtetes Programm“ ist, in welchem keine Indizien bezüglich Reparationszahlungen und dem Abtragen der kolonialen „Schuld“ zu finden sind (Haas 2012, S.86). Offen bleibt auch, inwiefern eine Art von Entwicklungszusammenarbeit, welche Vertreter aus der Wirtschaft nicht maßgeblich mit einschließt oder Druck auf diese ausübt, neokoloniale (Wirtschafts-)Verhältnisse überhaupt effektiv bekämpfen kann. Weiter muss untersucht werden, was tatsächlich in der Bildungsarbeit durch weltwärts und die EO z.B bezüglich transnationalen Machthierarchien weitergegeben und vermittelt wird und inwiefern rassismuskritische und Macht-hinterfragende Konzepte Einhalt in die entwicklungspolitische Bildungslandschaft von weltwärts und den EO gefunden haben. Auch muss analysiert werden, wie Freiwillige, z.B. anhand von ihren Berichten, neokoloniale Bilder von Menschen aus dem Globalen Süden und des Globalen Südens konstruieren und weitergeben. Diesbezüglich kann die Arbeit von Kristina Kontzi (2015) genannt werden. Die entwicklungspolitische Bildungsarbeit spielt, wie gezeigt, eine zentrale Rolle in der Formung von Selbst- und Weltbild der Freiwilligen. Hier kann auch eine kritische soziale Arbeit ansetzen, indem sie postkoloniales Theoriegut in ihre Überlegungen und Repräsentanzen integriert und in ihrer Arbeit mit Klienten berücksichtigt und weitergibt. Es steht weiterhin zur Debatte, ob man „in einer rassistisch-hierarchischen Welt nichtrassistische Auslandsaufenthalte etablieren [kann]“ (Buckendahl 2012, S. 62) und ob die Partnerländer zukünftig in mit mehr Mitspracherechten versehenen, verantwortungsvolleren Positionen auf Augenhöhe bezüglich weltwärts gelangen. Inwiefern ein Freiwilligendienst der bundesdeutschen Regierung, die, wie am Beispiel des BMZ deutlich gemacht wurde, ein auch von Neokolonialismus geprägtes, mindestens jedoch neokoloniale Zusammenhänge nicht benennendes und berücksichtigendes Verständnis von Entwicklung vertritt, ist fraglich. Die Zivilgesellschaften Deutschlands sowie des Globalen Südens und Nordens werden entscheidende AkteurInnen sein. Wie hoch ist das Interesse des Globalen Nordens an dem wohlergehen des Globalen Südens „wirklich“? Werden die Aufdeckung und Bekämpfung neokolonialer Verhältnisse sowie das (annähernde) Wiedergutmachen des Kolonialismus und seinen Auswirkungen ein/e flächendeckende/s zivilgesellschaftliche/s Ziel und Aufgabe darstellen und ferner auch 59 explizit im Entwicklungsverständnis der Bundesregierung einen Platz finden? Die aktuelle Situation bezüglich flüchtender und geflüchteter Menschen sowie der „Kampf gegen den Terror“ sollten und müssen Anlass genug sein, die aktuelle Welthierarchie auf ihre Legitimität und neokolonialen Muster zu reflektieren und folglich umzugestalten. Denn liegt nicht in der mit diesen Aspekte einhergehende, neokolonialen Unterdrückung von Menschen eine der Ursachen für aktuelle „Krisen“? Werden „wir“ durch eine solche Reflexion herausfinden, dass in jedem von uns ein Anteil einer Kolonialherrin oder eines Kolonialherrn steckt? Welche Rolle müssen dann internationale Freiwilligendienste spielen und wie müssen sie ausgestaltet sein, um dem entgegenzuwirken? Es wurden auch Potenziale der „Verständigung und Begegnung“ (Haas 2012, S. 88) angedeutet. Doch letztlich bleiben zentrale Fragen, die Haas 2012 formulierte, in ihrer Aktualität und Wichtigkeit bestehen: „Sind die deutschen Akteure des Freiwilligendienstes und die deutsche Gesellschaft bereit vom Globalen Süden zu lernen“ (Haas 2012, S. 88)? Denn: „Eine strukturelle Augenhöhe und Ausgeglichenheit kann nur dann bestehen, wenn der Norden beginnt, die Akteure des Südens als ,change agents' zu betrachten und sie nicht auf die Rolle der ,victims of unjust, power-based South-North hierachies' (…) reduziert [werden]“ (Haas 2012, S. 88; Reddy 2006, S. 91, zit. n. Haas 2012, S. 88). 60 6. Anhang Stichprobe bezüglich Entsendeorganisationen Bei einem Stichprobenartigen Blick auf elf Webauftritte willkürlich ausgewählter der ca. 160 anerkannten Entsendeorganisationen (vgl. weltwärts 2013f) wird deutlich, dass diese Organisationen verschiedene Ansprüche bezüglich der Spendenakquise von Freiwilligen haben. Die Entsendeorganisation im Bereich Naturschutz namens Ecoselva betont, dass die Spenden keine Voraussetzung darstellen (ecoselva 2008), während der Verein AFS (American Field Service) Interkulturelle Begegnungen e.V. die Generierung eines Spenderkreises nahelegt. Die Freiwilligen sollen sich auch fernab des Einsatzes vor Ort solidarisch engagieren, wozu sich dies anbiete; die Teilnahme hänge jedoch nicht von der Höhe der Spenden ab (AFS 2009-2015). Der Deutsch-Indische-Zusammenarbeit e.V. bezeichnet es als „wünschenswert“, „wenn 200 € pro Einsatzmonat erbracht werden“ (Deutsch-Indische-Zusammenarbeit e.V. o.D.), das DRK internationale Freiwilligendienste Mecklenburg Vorpommern GmbH bittet um einen spendenbasierten Eigenbetrag, „um [die] Leistungen erbringen zu können“ (DRK internationale Freiwilligendienste Mecklenburg Vorpommern GmbH o.D.). Der entwicklungspolitische Verein Welthaus Bielefeld wird konkreter, indem er es als „anzustreben“ ansieht, einen Förderkreis, „der 220-250 Euro monatlich“ bezüglich des Aufenthalts einbringt, aufzubauen (Welthaus Bielefeld o.D.). Die Freunde der Erziehungskunst Rudolph Steiners beschreiben die Beteiligung der Freiwilligen durch den Aufbau von Spenderkreisen als einen Bestandteil der für die 25% Kosten zuständigen Solidargemeinschaft (Freunde der Erziehungskunst Rudolph Steiners o.D.), während der Verein VIA e.V. angibt, als gemeinnütziger Verein auf die Spenderkreise angewiesen zu sein, um den Freiwilligendienst überhaupt realisieren zu können (VIA e.V. o.D.). Der Träger Internationale Jugendgemeinschaftsdienste (ijgd) fordert ausdrücklich den Aufbau eines privaten Spenderkreises mit dem ziel von 150 € im Monat (vgl. ijgd 2015). Die Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e.V. (lkj) fordert die Aufbringung von Spenden in der Höhe von 150 Euro pro Monat des Aufenthalts (vgl. lkj o.D.) 61 7. Literaturaverzeichnis AFS Interkulturelle Begegnungen e.V. (2009-2015): Weltwärts gehen mit AFS. 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