SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Interview der Woche – Manuskript Autor: Gesprächspartner: Redaktion: Sendung: Dirk Rodenkirch Matthias Wissmann, VDA-Präsident Stephan Ueberbach SWR Studio Berlin Samstag,7.5.2016, 18.30 – 18.40 Uhr, SWR SWR Interview der Woche vom 07.05.2016 SWR: Herr Wissmann, Sie sind seit 2007 VDA-Präsident. Was wir gerade erleben mit dem Abgasskandal und den noch nicht absehbaren Folgen daraus - ist das die schwierigste Zeit für die deutsche Automobilbranche, seitdem Sie an der Spitze des Verbandes stehen? M.W.: Ja, das ist natürlich eine schwierige Zeit, weil durch solche Fälle entsteht natürlich auch ein Vertrauensproblem. Und es wird dann dazu geneigt, Themen zu verallgemeinern und zu sagen: „Die Autoindustrie“. Wenn wir doch wissen, dass das VW-Thema ein großes Unternehmen in den USA betrifft und auch Abweichungen zwischen Labor und Straßentests in der vom Kraftfahrtbundesamt kritisierten Weise nicht „die“ gesamte Industrie, sondern dass man sehr differenzieren muss. Ja, klare Antwort: Auch wenn man differenziert, daraus ergibt sich ein Vertrauensthema, an dem wir eindeutig arbeiten müssen. SWR: Zunächst sah es ja so aus, das haben Sie eben selber erwähnt, als ob es sich um ein reines VWProblem, einen reinen VW-Skandal handelt, weil das Unternehmen eine illegale Software bei Dieselfahrzeugen eingesetzt hat. Nun hat das Kraftfahrtbundesamt auch bei vielen anderen Herstellern zumindest sehr hohe Abgaswerte festgestellt. Und es laufen noch weitere Überprüfungen. Was kommt da noch auf uns zu? Was erwarten Sie? M.W.: Also, man darf zunächst mal die zwei Themen nicht in einen Topf werfen. Wenn ein Unternehmen etwas Illegales macht, dann kann das niemand verteidigen. Und ich werde das auch in keiner Weise tun. Und mein Eindruck ist, VW räumt mit aller Kraft auf. Aber das ist natürlich schon zu unterscheiden von dem anderen Thema, dass es eine Abweichung zwischen Laborwerten gibt, also in dem im alten Normzyklus ermittelten Werten einerseits und Straßenwerten andererseits, liegt zum Teil in der Physik. Wenn Sie ein Auto hochtourig fahren, oder wenn Sie es im Stau der Stadt fahren, haben Sie andere Werte als im Idealzustand des Labors. Es gibt sicher in einzelnen Fällen extreme Abweichungen. Und um diese extremen Abweichungen, sowohl bei ausländischen Fahrzeugen wie bei deutschen Herstellern, darum hat sich im Gespräch mit den Herstellern das Kraftfahrtbundesamt gekümmert. Aber man kann nun nicht sagen, überall gibt es nur extreme Abweichungen. Und es wird auch der falsche Eindruck erweckt, vor allem von den Deutschen. In Wahrheit sind unsere Kollegen von den Importeuren viel heftiger kritisiert worden. Nur kann das Kraftfahrtbundesamt dort keine Rückrufe veranlassen. Das ist nur für die Fahrzeuge zuständig, die in Deutschland zugelassen worden sind. SWR: VW kostet der Skandal in den USA nicht nur Ansehen, sondern auch richtig viel Geld. Milliardenstrafen kommen auf das Unternehmen zu. In Deutschland soll es auch politische Interview der Woche : 2 Konsequenzen geben. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll die Hintergründe nun aufklären. Müssen die Verbraucher da mit weiteren Enthüllungen rechnen? M.W.: Der Untersuchungsausschuss konzentriert sich auf die Frage, ob die Behörden in den vergangenen Jahren korrekt gearbeitet haben. Ich glaube nicht, dass man hier jetzt neue weltbewegende Informationen sammeln kann. Aber ich meine, es ist doch klar, dass es im Parlament, gerade in der Opposition, auch Unruhe gibt über solche Entwicklungen. Wenn man Fehler macht, und es sind Fehler in der Autoindustrie passiert, wer wollte das leugnen, dann muss man wissen, dass dann auch die Gegner in die Offensive gehen. Wir werden uns da verteidigen. Aber wir werden nicht zu unfairen Mitteln greifen. SWR: Mitten in diesem Skandal jetzt feilschen die Autohersteller mit der Bundesregierung um Förderung für Elektroautos. Eine Industrie, die sich selbst in Bedrängnis gebracht hat, will auch noch Geld vom Staat, kritisieren jetzt viele Leute. Können Sie diese Kritik nachvollziehen? M.W.: Ja, es passt natürlich so ein bisschen in das Klima. Ist aber oberflächlich. Es gibt kein Land unter den bedeutenden Industrieländern der Welt, das gegenwärtig nicht alles tut, um die Strategie weg vom Öl zu unterstützen. Und Elektromobilität ist ein entscheidender Teil der Strategie, unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden. Und dazu bedarf es interessanter Fahrzeuge. Wir hatten vor fünf, sechs Jahren ein oder zwei Fahrzeuge der deutschen Automobilindustrie, die Elektromobil waren. Jetzt haben wir dreißig Fahrzeuge. McKinsey hat in einer weltweiten Untersuchung, im sogenannten „Electric Vehicle Index“ festgestellt, anders als vor fünf, sechs Jahren sei heute die deutsche Automobilindustrie einer der weltweiten Leitanbieter. Und dann haben wir uns ein zweites Ziel gesetzt. Wir wollten auch „Leitmarkt“ werden in Deutschland. Und alle Studien sagen, Leitmarkt sind wir nicht. 0,7 Prozent nur der Neufahrzeuge sind Elektromobile. Die Bundesregierung hat aus diesen Umständen die Konsequenz gezogen und gesagt: Wir sind das Land mit einigen der besten Elektromobile der Welt. Wir sind weltweit der Leitanbieter. Und jetzt wollen wir auch Leitmarkt werden. Und dazu muss man am Anfang, so ist die Überzeugung der Bundesregierung, den Kunden gewisse Anreize geben. SWR: Also, Sie haben die Kaufprämie angesprochen, ein Zuschuss von bis zu 4.000 Euro ist vorgesehen. Wie gesagt, eine Hälfte vom Bund, die andere von der Industrie. Wird es denn den E-AutoVerkauf in Deutschland wirklich voranbringen? M. W.: Ich glaube schon. Weil es gab bisher zwei Hindernisse, warum auch Leute die bereit gewesen wären ein Elektromobil zu kaufen, gezögert haben. Der eine ist mangelnde Ladeinfrastruktur, also zu wenige Ladesäulen, auch in Städten. Und da wird jetzt mit 300 Millionen seitens des Bundes alles getan, um eine bessere Ladeinfrastruktur aufzubauen. Das Ziel ist bis 2018 statt fünftausend etwa fünfzehntausend Ladesäulen. Und das zweite Hindernis war, die Elektroautos haben einfach wenn sie reine Elektroautos sind, keine Plug-In-Hybride, noch eine zu geringe Reichweite. Und das dritte war, das Preisdelta. Weil das Elektroauto im Schnitt zwischen 4- und 6-, 7-tausend Euro teurer ist als ein vergleichbarer Verbrenner. Und wenn hier die Brücke kommt mit der Kaufprämie und ich viertausend beim reinen Elektroauto, dreitausend bei Plug-In-Hybrid zusätzlich als Hilfe bekommen kann, drei, vier Jahre lang, dann ist es schon ein entscheidender Impuls. Sodass wir glauben, dadurch werden nicht alle Probleme gelöst, aber dadurch wird die Zahl der Elektrofahrzeuge relativ schnell sechsstellig werden. Denn wir haben bisher nur 30- bis 40-tausend Fahrzeuge im Markt. Wir werden dann 2017,2018 Hundert-, vielleicht auch Dreihunderttausend im Markt haben. Und sodass ich schon glaube, es ist ein wichtiger Startimpuls. Aber wir wollen keine „Dauer-Subvention“. Wir hoffen, dass dann 2019, 2020 der Hochlauf am Markt sich selber trägt. Interview der Woche : 3 SWR: Herr Wissmann, ich möchte noch mal das Thema wechseln. Und zwar zu dem, was diese Woche noch mal sehr heiß diskutiert wurde, das geplante Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA, TTiP heißt es. Und es wird geheim verhandelt. Nun wurden Inhalte öffentlich gemacht. Man hat den Eindruck, der Widerstand gegen das Abkommen steigt. Wie beobachten Sie das von der Autoindustrie? M. W.: Ja, es ist eigentlich paradox. Deutschland ist das Land, wo die meisten Menschen in der Industrie vom Export geradezu leben. Kein Land ist so erfolgreich in Europa im Export wie wir. Und bei uns werden die meisten Ängste geschürt. Und die Idee mit Amerika ist doch, wollen nun die Länder mit den höchsten Standards, Europa und Amerika, die künftigen Regeln für den freien Welthandel prägen. Oder sollen wir es denen überlassen mit niedrigeren Umweltstandards, Verbraucherschutzstandards. Und da bin ich ganz eindeutig der Meinung, wir haben zwischen Amerika und Europa Unterschiede, aber viel mehr Gemeinsamkeiten. Und dort Bereiche zu erarbeiten, wo man den Handel ohne Hindernisse fließen lassen kann, ist gut für Arbeitnehmer und Unternehmen. Es macht doch überhaupt keinen Sinn, dass der Blinker in Amerika eine andere Farbe haben muss als in Deutschland. Dass der Seitenspiegel anders gekrümmt sein muss als in Europa und umgekehrt. Keiner von uns will die Absenkung von Umwelt-und Verbraucherstandards. Aber jeder von uns will eine freie Bahn für einen Welthandel, von dem die allermeisten Industriearbeitnehmer in Deutschland existenziell leben. SWR: Matthias Wissmann, der Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie im SWR Interview der Woche. Vielen Dank für das Gespräch. M. W.: Danke, Herr Rodenkirch.
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