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WIRTSCHAFT
Freitag, 6. Mai 2016
25
Neuö Zürcör Zäitung
Saudiarabien will mit urban-industriellen Träumen
die Wüsten-Wirtschaft diversifizieren SEITE 30, 31
Die zahlreichen «Baustellen» der europäischen Banken
bringen deren Aktien unter Druck SEITE 33
Teure Aufarbeitung der Vergangenheit
Der amerikanische Aufpasser Neil Barofsky durchleuchtet jeden Winkel der Vermögensverwaltung für US-Kunden in der Credit Suisse
US-Behörden setzen bei Unternehmen immer wieder das Instrument eines Monitors ein
Anzahl aussergerichtlicher Einigungen von Unternehmen mit dem US-Justizministerium*
Jahr
2001
3
2002
2
2003
2004
ZOÉ BACHES
Als einer der ersten Amerikaner überhaupt hat der amerikanische Anwalt
Neil Barofsky jüngst öffentlich Kritik an
den Steueroasen in den USA geübt.
«Die Panama-Papiere zeigen auch eine
gewisse Scheinheiligkeit der USA»,
denn «die USA sind heute eine der
grössten Steueroasen der Welt, wo Ausländer ihr Geld vor den Steuerbehörden
verstecken können», sagte Barofsky zu
Bloomberg TV. Dass ausgerechnet die
USA im eigenen Land, beispielsweise
im Gliedstaat Delaware, Steueroasen
beheimaten, wurde im öffentlichen Diskurs in den USA bisher weitestgehend
ausgeklammert.
Auf Kosten der Bank
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Barofskys Sicht auf das Thema Steueroasen
durch seinen Sondereinsatz als sogenannter Corporate Monitor bei der Credit Suisse (CS) beeinflusst wurde. Der
Einsatz wurde vom Finanzregulator des
Staates New York verfügt. Der New
Yorker Regulator ist eine von vier USBehörden, gegenüber denen sich die CS
im Frühjahr 2014 schuldig bekannt
hatte, wissentlich amerikanischen Bürgern bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben (vgl. Zusatz). Barofsky
muss sicherstellen, dass dieses Thema in
der Bank komplett aufgearbeitet wird
und entsprechende Strukturen aufge-
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21
1
39
2
37
2012
bis 2015 Chef des neugeschaffenen New
Yorker Finanzregulators. Lawsky wollte
explizit gegen die Unmoral an der Wall
Street vorgehen, seine wirksamste Waffe war die Androhung eines Lizenzentzugs im Staate New York. Dieses Damoklesschwert schwebte auch über der
Credit Suisse. Es wäre wohl auch gefallen, hätte sich die Bank gegen den verfügten Einsatz eines Monitors gewehrt.
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* Einigungen umfassen sowohl Nichtstrafverfolgungs-Vergleiche (NPA) und aufgeschobene Strafverfolgungs-Vergleiche (DPA). Nicht Teil der Liste sind die Schuldeingeständnisse (Guilty Pleas). Einzelne Vergleiche wurden zudem mit der Börsenaufsicht SEC geschlossen.
** 2015 umfasst die 80 Non-Prosecution-Agreements für Schweizer Banken im US-Bankenprogramm zur Bereinigung der steuerlichen Vergangenheit.
NZZ-Infografik/cke.
QUELLEN: GIBSON DUNN, NZZ, BRANDON L. GARRETT
baut werden, um eine Wiederholung der
Vorgänge zu verhindern. Der ehemalige
Staatsanwalt und frühere Generalinspektor zur Überwachung des amerikanischen Bankenrettungspakets nach
2008 (Tarp) waltet seit bald zwei Jahren
als CS-Aufpasser. Als solcher rapportiert er nach New York, zudem informiert er den Verwaltungsrat der Grossbank über seine Arbeit. Die gesamten
damit verbundenen Kosten, etwa die
Ausgaben für Anwälte, die Barofsky selber hinzuziehen kann, aber auch für
Keine Wahl: Monitor oder Lizenzentzug
Z. B. V Benjamin Lawsky war von 2011
10
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2011
2014
13
19
2010
2013
Anzahl eingesetzter Überwacher (Monitor)
Trotz seit 2008 strengeren Richtlinien
zur Vermeidung von Interessenkonflikten beim Einsatz eines Monitors setzen
US-Behörden meist weiterhin Personen
auf den lukrativen Job, welche den
Staatsanwälten bereits bekannt sind. So
auch bei der CS. Barofsky arbeitete früher mit Lawsky zusammen, beide verstehen sich gut. Bei Barofskys Ernennung zum CS-Monitor trat Lawsky in
den Ausstand.
deren Unterbringung und natürlich für
die beantragten Änderungen in der
Compliance, trägt die CS.
Enger Fokus
Mitsamt einem riesigen Tross von Anwälten und Juristen seiner Kanzlei Jenner & Block und weiteren externen
Experten hat sich Barofsky mitten im
Herzen des Schweizer Finanzplatzes, am
Zürcher Paradeplatz, niedergelassen.
Für die Barofsky-Leute und die beigezogenen internen Banker wurden rund 100
abgesonderte Arbeitsplätze eingerichtet. Das Team hat unbegrenzten Zugang
zu sämtlichen Dokumenten und Personen innerhalb der Bank – und kann zudem Handlungsanweisungen an die
Bankführung abgeben. Eine nennenswerte Überwachung der Arbeit des Aufpassers hingegen gibt es nicht. Seit zwei
Jahren steht also ein Teil der Räumlichkeiten der CS im übertragenen Sinn
unter amerikanischer Flagge. «Alles,
was die Monitor-Leute verlangen, müssen wir herausgeben. Ohne Nachfragen,
ohne irgendwelche Einwände», sagen
Mitarbeiter der Bank. Die Barofsky-
Leute agierten «komplett unkontrolliert», erklären andere.
Die CS will sich dazu nicht äussern.
Die Schweizer Finanzmarktaufsicht
(Finma) erklärt, mit Barofsky in Kontakt zu stehen, sein Mandat zu kennen
und zu wissen, was er kontrolliert. Das
«Die USA sind
eine der grössten
Steueroasen der
Welt.»
BLOOMBERG
Seit zwei Jahren steht ein Teil
der Räumlichkeiten der Credit
Suisse unter US-Kontrolle. Der
von New York eingesetzte
Aufpasser schaltet und waltet
nach eigenem Ermessen. Er hat
aber auch etwas gelernt.
Neil Barofsky
Amerikaner
und CS-Monitor
sei bei derartigen Vorortkontrollen,
einem an und für sich gängigen Vorgehen von Regulatoren, üblich. Eine
eigentliche Überwachung des BarofskyTeams aber sei nicht Sache der Finma,
da es sich um eine interne Angelegenheit zwischen der Bank und dem USRegulator handle. Die Aktivitäten des
Aufpassers sind auch nicht Teil der Revision, sagt eine mit den Umständen ver-
traute Person. Der externe Revisor der
CS, die KPMG Schweiz, will und darf
dies weder bestätigen noch verneinen.
Allerdings ist die entsprechende Verfügung des New Yorker Finanzregulators vom Mai 2014 deutlich genug: Die
CS und ihr Management «kooperieren
vollständig» mit dem Monitor, heisst es.
Unter anderem wurde eine öffentlich
zugängliche Whistleblower-Plattform
eingerichtet. Bankangestellten und anderen war es seither anonym möglich,
Hinweise auf mögliches Fehlverhalten
in Bezug auf US-Kontoinhaber zu melden. Offenbar kam es aber nur zu ganz
wenigen Meldungen. «Der Fokus des
Monitors ist zu eng. Statt dem US-Geschäft hätte er besser das Fixed-IncomeGeschäft angeschaut», feixt ein Kenner
der Bank. Mitarbeiter bedauern, dass
«der scharfe Hund aus den USA» die
wirklichen Baustellen der Bank gar
nicht anschauen dürfe. Sein Auftrag ist
klar auf das amerikanische Vermögensverwaltungsgeschäft beschränkt.
In diesem Zusammenhang dürfte der
Schlussbericht Barofskys besonders interessant sein. Es bleibt abzuwarten, was
er überhaupt noch zum Thema US-Kunden bei der CS ausgegraben hat. Wie bei
allen anderen Schweizer Banken wurde
das Thema eigentlich in den vergangenen Jahren bereinigt, und es gelten
längstens neue Regeln. Ob die Aktionäre über Barofskys Bericht informiert
werden, will die CS (noch) nicht beantworten. In den USA gibt es Bestrebungen, die Befunde der meist sehr diskret
arbeitenden Aufpasser wenigstens in
Kurzform zu publizieren. Barofskys
Mandat ist auf zwei Jahre terminiert. Es
gibt zwar die Möglichkeit einer gewissen
zeitlichen Verlängerung, doch das Ende
rückt näher. Sicher ist, dass die Bank
zum beauftragten Thema komplett
durchleuchtet wurde. Allein die direkten
Anwaltskosten sollen geschätzte 8 Mio.
bis 10 Mio. $ monatlich erreicht haben.
Theo Waigel bei Siemens
In den USA ist der Einsatz von Corporate Monitors gang und gäbe (vgl. Grafik). Im Steuerstreit mit den USA ist
Barofsky bisher der erste Monitor, der
bei einer Schweizer Bank eingesetzt
wurde. In Europa der bekannteste Aufpasser war der frühere deutsche Finanzminister, Theo Waigel, den die US-Aufsichtsbehörden nach der Einigung in der
Korruptionsaffäre von 2009 bis 2012
beim deutschen Technologiekonzern
Siemens installierten.
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Die EZB besiegelt das Ende des 500-Euro-Scheins
Grosse Zweifel am Argument der Kriminalitätsbekämpfung
Michael Rasch, Frankfurt V Was die Spatzen schon seit Tagen vom Dach der
Europäischen Zentralbank (EZB) in
Frankfurt gepfiffen hatten, hat sich am
Mittwoch bewahrheitet. Der Rat der
EZB hat beschlossen, die Produktion
des 500-€-Scheins einzustellen, womit
die Note mit dem grössten Nennwert
mittelfristig faktisch abgeschafft wird.
Die Ausgabe des 500ers will die EZB
gegen Ende des Jahres 2018 stoppen.
Zu diesem Zeitpunkt kommen die
überarbeiteten 200er- und 100er-Scheine der zweiten Serie der Euro-Banknoten auf den Markt. Die gut 600 Mio.
im Umlauf befindlichen 500-€-Scheine
müssen dann wertmässig ersetzt werden, wohl überwiegend durch 200er
und 100er.
Laut EZB bleibt der lilafarbene
Schein mit den stilisierten Motiven
moderner Architektur unbegrenzt gesetzliches Zahlungsmittel, so dass die
Bürger ihn weiter zur Bezahlung und
Wertaufbewahrung verwenden können.
Die Banknote wird ferner unbegrenzt
bei den nationalen Zentralbanken des
Euro-Systems umgetauscht.
Im Vorfeld hatte es in Notenbankkreisen geheissen, dass der 500er womöglich nur bis zum Jahr 2022 oder 2023
gesetzliches Zahlungsmittel bleibe.
Hier haben sich offenbar die Bedenken
der deutschsprachigen Vertreter im
EZB-Rat gegen die Abschaffung durchgesetzt. Allerdings dürfte es auch kein
grosses Problem sein, dem 500er in ein
paar Jahren die Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel abzuerkennen.
Als Grund für die Abschaffung nennt
die Notenbank, dass die 500-€-Note
illegale Aktivitäten erleichtere. Damit
hatte EZB-Präsident Mario Draghi bereits in den letzten Monaten die Prüfung einer möglichen Abschaffung begründet. Strafverfolgungsbehörden und
auch manche Ökonomen argumentieren, dass die Abschaffung grosser Geldscheine die Geldwäsche, die Schwarzarbeit und andere kriminelle Aktivitäten reduzieren würde. An dieser These
gibt es jedoch grosse Zweifel. So räumen dem Vernehmen nach auch EZBVertreter ein, dass es keinen statistischen Zusammenhang zwischen Kriminalität bzw. Umfang der Schattenwirtschaft und Bargeldnutzung gebe. Selbst
innerhalb des EZB-Rates rätseln Mitglieder nach eigenen Aussagen, was mit
der Abschaffung des 500ers bezweckt
werden soll.
Sehr kritisch äusserte sich am Mittwoch Clemens Fuest. Der neue Präsi-
dent des Münchener Ifo-Instituts sagte,
die Abschaffung des 500-€-Scheins untergrabe das Vertrauen in die EZB, da
der Eindruck entstehe, der Hauptgrund
für die Abschaffung sei es, die Zinsen
weiter in den negativen Bereich zu bringen. Für die EZB würde es nämlich einfacher, die Negativzinsen zu verstärken,
weil es für Banken und Sparkassen zugleich erheblich teurer würde, auszuweichen und zum Beispiel viele kleine
Scheine einzulagern.
Über die Kosten der Abschaffung
machte die Zentralbank keine Angaben. Kenner der Materie gehen davon
aus, dass sie sich wegen der Produktion
von neuen 200-€- und 100-€-Noten zum
Ersatz der grossen Scheine auf mindestens 500 Mio. € belaufen. Dazu kommen
weitere Kosten, etwa für die Logistik des
Austauschs.
Unternehmensanalyse
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