Frauen – das Rückgrad der Nation Dieses Bild der fleißigen Frauen haben wir dem sog. „Wonnemonat“ Mai gewidmet, eine Bezeichnung, die ursprünglich nichts mit „Wonne“ oder „Freude“ zu tun hat. Karl der Große hat im 8. Jahrhundert dem 5. Monat im Jahr diesen Namen verliehen, der zurückgeht auf das althochdeutsche Wort „wunnimanot“ = „Weidemonat. Er beschreibt also die Zeit, zu der man das Vieh wieder auf die Weide treiben konnte. Der Begriff „Mai“ ist wesentlich älter und lässt viele Deutungen zu, eine davon bezieht sich auf die römische Göttin Maia. Für uns gestaltet sich der Monatsbeginn sehr angenehm, ist der 1. Mai doch ein gesetzlicher Feiertag, den man, wie in vielen anderen Ländern, auch in Benin begeht (Fête du Travail). So friedlich, wie wir diesen Tag heute begehen, war es nicht immer. 350 000 Arbeiter streikten in Chicago am 1. Mai 1886 für den 8-Stunden-Tag. Bei einem Protestmarsch am 4. Mai explodierte eine Bombe, und 12 Menschen verloren ihr Leben. 1889 wurde der 1. Mai zum internationalen Tag der Arbeit ausgerufen. Von einem 8-Stunden-Tag und gewerkschaftlichem Schutz sind die Menschen in Benin, vor allem auf dem Land, meist noch weit entfernt, auch wenn sich punktuell hier und da sicherlich einiges verbessert hat. In unserer Partnergemeinde Copargo im Norden Benins sind es vor allem die Frauen, die noch stark in ihrer traditionellen Rolle verhaftet sind, das heißt, sie kümmern sich hauptsächlich um die Versorgung der Familie. Für eine eigene Berufstätigkeit fehlen sowohl die schulischen Voraussetzungen als auch die Zeit, die komplett in Haus- Garten-, Feld- und Erziehungsarbeit investiert wird. Gemäß der beninischen Verfassung besteht zwischen Frauen und Männer Gleichberechtigung, doch die Praxis zeigt oft etwas anderes. Frauen zusammen mit Männern an einem Tisch in einer Kneipe ist vielerorts noch ein Unding. Dies erlebten wir bei unserer Reise im vergangenen Jahr, als wir zum Abschluss unserer Arbeit die ausschließlich männlichen Gemeinderatsmitgliedern zusammen mit den Frauen der Nähgruppe zu einem gemeinsamen Essen einluden. Die meisten lachten etwas verlegen und konnten sich nicht vorstellen, gemeinsam mit den Männern am Tisch zu sitzen. Es bedurfte schon einiger Überredungskunst, damit sie uns zusagten. Am Abschlussabend erschienen gerade mal vier Frauen, schüchtern traten sie an den Tisch heran, und erst nach mehrmaliger Aufforderung setzten sie sich dann. Die restlichen waren nicht gekommen, weil sie ihrer Hausarbeit nachgehen und ihren Männern das Abendessen zubereiten mussten. Man merkte es ihnen an, wie ungewohnt diese Situation für sie war, einige fühlten sich offensichtlich etwas unwohl. An der Unterhaltung beteiligten sie sich nur, nachdem sie von uns angesprochen wurden, von sich aus das Wort zu ergreifen wäre ihnen nicht in den Sinn gekommen. Wir hoffen, dass dies sich allmählich zum Besseren verändern wird durch ein verstärktes Bildungsangebot für Mädchen und junge Frauen. In den Städten und größeren Ballungsräumen gestaltet sich das öffentliche Leben wesentlich liberaler, man trifft auf viele selbstbewusste Frauen, die durch den Erwerb eines Schul- oder Universitätsabschlusses und der Ausübung einer Berufstätigkeit einen höheren Stellenwert genießen. Immerhin sind im beninischen Kabinett von 28 Ministern 7 Frauen vertreten. Seit 2004 ist die Polygamie offiziell abgeschafft, doch in der Realität gibt es vor allem im ländlichen Bereich Großfamilien, in denen Männer bis zu vier Ehefrauen haben, im Durchschnitt gebären die Frauen 5-6 Kinder, was u.a. den rasanten Bevölkerungsanstieg erklärt. Eine Frau mit mehreren Männern wäre gesellschaftlich völlig untragbar und würde verstoßen werden. So tragen die Frauen eine große Last und die Hauptverantwortung für die Familie. Viele von ihnen sind Analphabetinnen (siehe Monat September) und verdienen zu dem oft nicht ausreichenden Einkommen der Männer durch Arbeiten auf den Feldern, der Produktion von Shea-Butter = Karité-Butter, Verarbeitung von Maniok zu Gari ( ist monatelang haltbar) und Früchten nicht unwesentlich dazu. Eine Getreidemühle im Dorf entlastet sie erheblich, müssen sie die schweren Säcke doch nicht mehr kilometerweit zu den Mahlstationen tragen. Technische Hilfsmittel gibt es viel zu wenige, so werden in stundenlangem Stampfen die Yamswurzeln verarbeitet, das Beschaffen von Brennholz ist eine schwere und zeitaufwendige Arbeit. wobei die Kinder schon frühzeitig zum Helfen eingesetzt werden. Ein wohnortnaher Brunnen mit sauberem Wasser ist eine große Erleichterung und bedeutet gleichzeitig einen guten Fortschritt in der Bekämpfung von Krankheiten durch eine verbesserte Hygiene. Seit Jahren versucht der EFB, diese Dinge voranzubringen durch die Unterstützung verschiedener Projekte, vor allem in den Bereichen Bildung, Ernährung und Gesundheit. Dabei sind die Frauen wichtige Ansprechpartnerinnen, auch wenn die Männer im politischen und gesellschaftlichen Bereich immer noch mehrheitlich das Sagen haben, doch wir sind guten Mutes, dass dies sich, wenn auch mühsam, ändern wird. Was uns auf all unseren Reisen immer beeindruckt hat, ist die Würde dieser Frauen, unabhängig von ihrem sozialen Status, sie sind sich ihrer Leistung sehr wohl bewusst, denn im häuslichen Bereich geben sie den Ton an, was ein Mann natürlich öffentlich nie zugegeben würde. Dieser heimliche Respekt kommt auch in dem folgenden Sprichwort aus Mali zum Ausdruck: "Eine Frau ist ein Feuer, wenn du davon nimmst, nimm wenig." Renate Schiestel-Eder
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