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CeMM-Forscher sehen Rot: Leuchtzellen zeigen neuen epigenetischen
Angriffspunkt gegen Leukämie
Gene werden durch chemische Veränderungen im Zellkern an- und abgeschaltet, man spricht dabei
von Epigenetik - bei der Entstehung und Bekämpfung von Krebs spielt sie eine wichtige Rolle. Durch
ein eigens dafür entwickeltes Testverfahren mit rot leuchtenden Zellen gelang es
WissenschaftlerInnen am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften zusammen mit Forschern der Universität Oxford und des Wiener
Instituts für Molekulare Pathologie (IMP) neue Substanzen zu entdecken, die solche epigenetischen
Effekte auslösen – eine davon könnte im Kampf gegen Blutkrebs und andere Tumore entscheidende
Fortschritte bringen. Die Studie wurde in Nature Chemical Biology veröffentlicht.
(Wien, der 09.05.2016) Wenn es unter dem Mikroskop leuchtet, bedeutet das für Stefan Kubicek,
Forschungsgruppenleiter am CeMM, einen Treffer: Die Zellen in seinem Labor zeigen ihm durch rote
Lichtsignale, dass eine Substanz als potentieller Wirkstoff gegen Krebs in Frage kommt. Denn das rote Licht
signalisiert, dass sie bestimmte epigenetische Veränderungen nicht mehr durchführen können – für viele
Arten von Tumorzellen ist das tödlich. Knapp neunzigtausend chemische Substanzen konnte Kubiceks Team
so auf ihre epigenetische Wirkung überprüfen. Mit dieser groß angelegten Studie fanden sie eine Substanz,
die zukünftige Therapien gegen einige der wichtigsten Krebsarten wie Akute Myeloische Leukämie (AML)
entscheidend verbessern könnte.
Um zu diesen Ergebnis zu kommen, mussten die CeMM-Forscher den Zellen zunächst ihre
außergewöhnliche Fähigkeit verleihen. Das gelang durch einen raffinierten Versuchsaufbau: Als erstes
verabreichten sie den Zellen eine Substanz, die epigenetische Veränderungen unterbindet und bereits als
Wirkstoff gegen Krebs getestet wird – ein sogenannter „BRD4 Bromodomänen-Inhibitor“. Derart gehemmt,
wurde den Zellen anschließend das Gen für ein rot fluoreszierendes Protein eingebaut, an zufälligen
Stellen ihres Genoms. Nun besaßen sie die Fähigkeit, bei Bestrahlung mit hellgrünem Licht rot zu leuchten.
Schließlich entfernte man den Inhibitor wieder und beobachtete unter dem Mikroskop, in welchen Zellen
das Leuchten erlosch. Genau auf diese hatten es die Wissenschaftler abgesehen: Sie trugen das Leuchtgen
an einer Stelle in ihrer DNA, die nur dann aktiv ist, wenn man epigenetische Veränderungen unterbindet –
und genau diese Wirkung sollte ein Krebstherapeutikum haben. Mit diesen Zellen in Reinkultur konnte das
Forscherteam nun eine riesige Bibliothek von etwa 90.000 Substanzen darauf testen, ob sie denselben
Effekt auf die Zellen haben wie ein Bromodomänen-Inhibitor. Und sie wurden fündig.
„Wir konnten 13 Substanzen identifizieren, bei denen diese Wirkung noch nie beschrieben wurde“,
beschreibt Stefan Kubicek die Ergebnisse der Analyse. „Die zwei vielversprechendsten haben wir dann in
Zusammenarbeit mit den Gruppen von Susanne Müller und Stefan Knapp von der Universität Oxford,
Johannes Zuber vom IMP, sowie Giulio Superti-Furga und Christoph Bock am CeMM genau untersucht – eine
davon war ein neuer BRD4 Bromodomänen-Inhibitor. Richtig spannend wurde es aber bei der zweiten
Substanz, von der wir keine Ahnung hatten, wie sie wirkt“. Durch aufwendige chemische, biologische und
CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin GmbH der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Lazarettgasse 14, AKH BT 25.3, 1090 Wien, Austria, Tel. +43-1/40160-70011, [email protected], www.cemm.at
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genetische Analyseverfahren gelang es den Forschern schließlich, das Rätsel zu lösen. Der Stoff inhibiert
TAF1, ein Protein, dessen Einfluss auf die epigenetischen Veränderungen bisher unbekannt war.
„Wir konnten nicht nur zeigen, dass dieser neue Stoff TAF1 in seiner Wirkung hemmt und damit die
gleichen Effekte wie ein BRD4 Bromodomänen-Inhibitor auslöst“, erklärt Sara Sdelci, Postdoktorandin in
Stefan Kubiceks Labor und Erstautorin der Studie. „Wir konnten darüber hinaus beweisen, dass TAF1 direkt
an das BRD4-Protein bindet.“ Ein wichtiges Ergebnis: Der neue Stoff konnte in ersten Experimenten
gemeinsam mit dem BRD4 Bromodomänen-Inhibitor eingesetzt werden, wobei sich die Wirkung der beiden
gegenseitig um ein Vielfaches verstärkte. Die Therapie von häufigen Krebsarten wie Leukämie könnte ein
solches Zusammenwirken in Zukunft entscheidend verbessern, da sie Krebszellen effektiver bekämpft und
gleichzeitig durch minimale Konzentrationen weniger Nebenwirkungen verursacht.
Die Studie “Mapping the chemical chromatin reactivation landscape identifies BRD4-TAF1 cross-talk”
erscheint in der Zeitschrift Nature Chemical Biology's vorab online am 09. Mai 2016 um 17:00h (MESZ).
DOI: 10.1038/nchembio.2080
Autoren: Sara Sdelci, Charles-Hugues Lardeau, Cynthia Tallant, Freya Klepsch, Björn Klaiber,James
Bennett, Philipp Rathert, Michael Schuster, Thomas Penz, Oleg Fedorov, Giulio Superti-Furga, Christoph
Bock, Johannes Zuber, Kilian V. M. Huber, Stefan Knapp, Susanne Müller, Stefan Kubicek
Förderung: Die Studie wurde vom Wissenschaftsfonds (FWF) und der JDRF Stiftung gefördert.
Stefan Kubicek studierte organische Chemie in Wien und Zürich und promovierte in der Gruppe von
Thomas Jenuwein am Forschungsinstitut für molekulare Pathologie (IMP) in Wien. Darauf folgte seine
Arbeit als Postdoc bei Stuart Schreiber am Broad Insitute von Harvard und MIT im US-Amerikanischen
Cambridge. 2010 begann er als Gruppenleiter am CeMM zu arbeiten. Er ist Leiter der Abteilung für
Chemisches Screening am CeMM, der Österreichischen Plattform für Chemische Biologie (PLACEBO) und des
Christian Doppler Labors für Chemische Epigenetik und Antiinfektiva.
Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für
molekulare Medizin unter wissenschaftlicher Leitung von Giulio Superti-Furga. „Aus der Klinik für die
Klinik“ – das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung
sowie klinische Expertise um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine
Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechselund Immunstörungen sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Institutes befindet sich am
Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses in Wien.
www.cemm.oeaw.ac.at
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Media Relations Manager
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CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin GmbH der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
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