Die nützlichen Moore am Chiemsee

Brennstoff Torf
Torf ist in der Summe seiner chemisch-physikalisch-biologischen Eigenschaften ein hochinteressanter Stoff für unterschiedlichste Anwendungen,
der zum schnöden massenhaften Verbrennen eigentlich viel zu schade ist. Das gilt aber letztlich
auch für alle anderen fossilen Brennstoffe einschließlich Erdöl und letztlich auch für Holz.
Brenntorfnutzung in Bayern
Wo Moore sind, sind in der Umgebung meist auch
Wälder. Für die Gewinnung von Brennmaterial
ist Holzeinschlag natürlich viel einfacher und bequemer als in den Tiefen eines dunklen und unheimlichen Moores herumzustochern, um einen
Stoff zu gewinnen, der zusätzlich eine zeitaufwendige Trockenprozedur benötigt, verbunden
mit jeder Menge Arbeit.
Die Bayern haben sich daher anfänglich nicht
darum gerissen, Torf in großem Maßstab einzusetzen. Man bevorzugte das bequemere Holz.
Torf war ein Armeleute-Brennstoff, für die, die
sich nichts anderes leisten konnten.
Das Problem der Nachhaltigkeit der Holzversorgung wurde in unseren Breiten immer erkannt
und eine entsprechende Waldbewirtschaftung
betrieben. Dies im Gegensatz zu den eher kapitalistisch orientierten Briten: Diese waren in der Industrieentwicklung deutlich schneller, haben
aber dabei in der Begeisterung ihre Inseln komplett entwaldet.
Allerdings setzte auch bei uns im 19. Jahrhundert
explosionsartig die Industrieentwicklung ein, was
die früheren Nachhaltigkeitsstrategien wegen
ihrer langen Reaktionszeiten der Waldbildung
(sog. Umtrieb) über den Haufen warf. Es mussten
rasch Alternativen zu Holz und Holzkohle gefunden werden. Hierfür wurde als heimische Energiequelle auch Torf angedacht.
Der zunehmende Einsatz von Brenntorf im 19.
Jahrhundert war in Bayern also eher eine industriepolitische Entscheidung mangels Alternativen, dem steigenden Energiebedarf gerecht zu
werden. Letztlich machten aber Kohle und Erdöl
das Rennen.
Heute schließt sich der Kreis:
Heutzutage wird wieder Holz als Heizmaterial
propagiert, um nun wiederum Kohle und Heizöl
abzulösen.
Und sogar Torf feiert als Heizmaterial im privaten Bereich wieder fröhliche Urständ. Wegen des
steigenden Holzpreises wird Torf als Hausbrand
wieder angeboten u. a. auch in Form von Pellets
und Briketts. Da waren wir vor mehr als 100 Jahren schon mal.
Europäische Lieferanten für Torf als Heizmaterial
sind die moorreichen Regionen wie Skandinavien, das Baltikum und die osteuropäischen Länder. Dort werden auch heute noch Kraftwerke
mit Torf betrieben.
Brenntorf war zeitweise Energiequelle u. a. für
die Eisenverhüttung, den Salinenbetrieb (Salzsieden), die Ziegel-, Keramik-, Glasherstellung,
die Heizung der Sudhäuser in Brauereien, den
Betrieb von Dampfmaschinen (u. a. Lokomotiven).
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Heiztechnisch hochwertiger Brenntorf findet sich
in den tieferliegenden Schwarztorfschichten
eines Moorkörpers. Bester Brenntorf lief bei uns
unter dem Begriff „Specktorf“, was seine Konsistenz bei der Entnahme aus dem Moor sehr gut
beschreibt.
Material
Heizwert kWh/kg
typische Werte
Holzpellets, Trockenmasse ca. 5,1
Holzpellets, Gebrauchsform ca. 4,5
Brenntorf, Trockenmasse
6,5 -7,0
Brenntorf, Gebrauchsform 3,5 - 4,5
Braunkohle, Trockenmasse 6,5 -7,0
Braunkohle, Gebrauchsform 5,5
Steinkohle, Trockenmasse
8,6
Steinkohle, Gebrauchsform 7,8
Heizöl
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Der Energiegehalt der Torf-Trockenmasse ist
durchaus mit Braunkohle vergleichbar. In der
Gebrauchsform ist allerdings der Feuchtigkeitsgehalt der Brennstoffe zu berücksichtigen und da
tut sich Torf schwer.
Das Wirtschaftlichkeitsproblem von Brenntorf: der Wassergehalt
Entnimmt man dem Moor frischen Torf, so beträgt der Wassergehalt des Materials bis zu 90%
der Gesamtmasse. Wasser ist dabei nicht nur
schwammartig durch Kapillarkräfte gespeichert,
sondern vor allem auch in kolloidaler Form mit
hoher Bindungskraft zu den Huminbestandteilen.
Durch einfaches Pressen kann der Wassergehalt
von Torf nur auf ca. 65 % gesenkt werden! Es verbietet sich schlicht aus Kostengründen, diesen
nassen Torf aufwendig über weite Strecken zu irgendwelchen Weiterverarbeitungs- oder Einsatzstellen zu transportieren, weil damit lediglich
große Mengen Wasser bewegt werden und nur
wenig Energiegehalt. Eine weitergehende Trocknung des Brenntorfs am Gewinnungsort ist daher
zwingend.
Die technisch einfachste und billigste, aber zeitintensive Lösung ist die Lufttrocknung von entsprechend zugerichtetem Torfmaterial. Der
frische Torf wird dafür sowohl zuerst großflächig
gelagert und vorgetrocknet bzw. zur intensiveren
Trocknung in überdachten Konstruktionen untergebracht.
Daraus entwickelt sich eine typische Konstellation für den Einsatz von Torf für die industrielle
Energiegewinnung. Der Industrieverbraucher
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muss in der Nähe großer und maschinell leicht
abzubauender Torflager liegen, um Herstellungsund Transportkosten zu reduzieren.
Industriegasgewinnung aus Brenntorf
Bei anspruchsvollen Industrieanwendungen
wurde Torf nicht wie in einem schlichten Küchenherd verbrannt, auf dem der Wassertopf
steht. Vielmehr wird das Material mittels sog.
Gas-Generatoren in Gas übergeführt, das dann
für den entsprechenden Heizzweck verbrannt
wurde („Holzvergaser“-Prinzip). Solche Gasgeneratoren wurden im 19. Jahrhundert z.B. von der
Fa. Siemens entwickelt.
Vorteil der Gaskonversion ist eine wesentlich
bessere Handhabbarkeit und Regelbarkeit des
Heizvorgangs, was eine wichtige Voraussetzung
für effiziente Industrieprozesse ist.
Weiterhin konnten damit Verbrennungsmotoren
betrieben werden, die zunehmend Dampfmaschinen ersetzten. Torfbasierte Gasmotoren
wurden in sog. Energiezentralen mit Elektrogeneratoren für eine lokale Elektrizitätsversorgung kombiniert.
Torf wurde in der Kendlmühlfilzen auch nach
dem 2. Weltkrieg noch als Hausbrand abgebaut.
In den sog. „besseren Zeiten“ machten aber letztendlich immer Kohle und Erdöl wegen der
größeren Energiedichte, der umfangreicheren
Ressourcen, einfacheren Verfügbarkeit, einfacheren Handhabung, auch beim Transport, das
Rennen. Erdöl als Retter der Moore!
Nach wie vor sind auch heute noch solche
Gaskonverter-Konzepte für frische Biomasse im
Zeichen einer nachhaltigen Energieerzeugung
aktuell.
A Gewinnung von Generatorgas
(Kohlenmomoxid CO), Holzvergaser-Prinzip
Durch Teilverbrennung mit Luft wird der
Kohlenstoff des Festbrennstoffs in brennbares
Kohlenmonoxid CO-Gas übergeführt. Dieses
Gas wird in entsprechenden Brennern für Industrieheizzwecke zu CO2 verbrannt. Es konnte aber auch zur Versorgung von stationären
Verbrennungsmotoren verwendet werden.
B Erzeugung von Synthesegas/Reformergas/
Hydriergas = Kohlenmonoxid/Wasserstoffgemisch (CO/H2)
Durch Hochtemperaturumsetzung von Festbrennstoffen in einer Luft / Wasserdampfatmosphäre (sog. Steam Reforming) wird ein
Kohlenmonoxid/Wasserstoffgemisch erzeugt.
Dieses Synthesegas ist wesentlich energiereicher als das einfache Generatorgas und führt
entsprechend zu wesentlich leistungsfähigeren Heizanlagen bzw. Verbrennungsmotoren.
Am Biomassehof in Grassau liefen in den letzten
Jahren offensichtlich Versuche zum Heat-pipereformer-Konzept zur Synthesegasproduktion
für motorische Antriebe bzw. Elektrizitäts- und
Wärmeversorgung auf der Basis von (holzartiger)
Biomasse.
Moderne Brennstoffkonversion: Bioliq
Synthesegas ist Ausgangsstoff für viele weitergehende chemische Synthesen in der Industrie (u.a.
sog. Kohleverflüssigung für synthetisches Benzin
in sog. Hydrierwerken).
Weltweit wird auch heute noch an der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit dieses SynthesegasVerfahrens gearbeitet.
Ziel ist u. a. die Herstellung moderner synthetischer Treib- und Schmierstoffe (neudeutsch „Coal
to Liquid“, CtL-Verfahren). Steigende Ölpreise
könnten für diese Aktivitäten förderlich sein und
u.U. eine Alternative zum Fracking darstellen.
Eine Ökovariante dieser Philosophie ist das von
der EU geförderte „bioliq“-Verfahren, wo angeblich „minderwertige“ Biomasse wie Stroh,
Waldrestholz, Gehölzschnitt in Flüssigtreibstoff
umgewandelt werden soll.
Im Prinzip würde sich hierfür auch Torf (=gealterte Biomasse) eignen.
Eckpfeiler dieses Ansatzes ist neben der chemischen Technologie die landesweite systematische
und flächendeckende Erfassung der anfallenden
Biomasse.
Offensichtlich unterliegen einige Techniker der
Illusion, dass allein die Nutzung eines nachwachsenden Naturstoffes schon automatisch nachhaltig ist.
Nachhaltigkeit in Sachen Biomasse setzt einen
dauerhaft regenerationsfähigen und fruchtbaren
Boden mit regem Bodenleben voraus. Letzteres
braucht eben wiederum Biomasse als Nahrung.
Der wesentliche Schritt hierzu ist also eine ausreichende Rückführung von Biomasse in den
Boden, (ca. 10% der aufgewachsenen Biomasse),
um das Bodenleben bei Laune zu halten und die
Humusbilanz stabil zu halten oder sogar zu verbessern.
Man darf also gespannt sein, ob eine besenrein
hinterlassene Landschaft tatsächlich die nötigen
Regenerationskräfte im Boden aufbauen kann,
um das bioliq-Konzept nachhaltig zu gestalten.
Pyrolyseprodukte, Schwelgase
Vor mehr als hundert Jahren steckte die industrielle synthetische Chemie noch in den Kinderschuhen. Im Sinne einer optimalen Rohstoffnutzung wurden daher auch bei der Verkohlung
von Brenntorf in der Retorte die anfallenden
Schwelgase auf ihren Gehalt an höherwertigen
Substanzen untersucht. (Ähnliche Produkte entstehen auch bei Verschwelen anderer Materialien, z. B. Holz, Steinkohle etc.).
Kohlenwasserstoffe
Erzeugt wurden u.a. Kohlenwasserstoff-Destillate
wie Schwerbenzine und Leichtöle, die sich offensichtlich besonders gut für Beleuchtungszwecke
eigneten. Sie wurden unter einleuchtenden
Namen wie „Solaröl“ und „Photogen“ vermarktet.
Phenolhaltige Destillate
Die Schwelgase enthalten Phenol und dessen
Derivate bis hin zu Polyphenolen.
Phenol (die frühere „Karbolsäure“) hat eine extrem desinfizierende Wirkung (Krankenschwester: „Karbol-Maus“).
Torfdestillate wurden auch im Sanitärbereich
eingesetzt. Eines dieser Produkte wurde unter
der Bezeichnung „Torfit-Extrakt“ weitverbreitet
in öffentlichen Bedürfnisanstalten zur Desinfektion und Geruchsbindung (vor allem von Ammoniak) verwendet.
Ammoniakwasser
In den wissenschaftlich-technischen Berichten
zur Verschwelung von Festbrennstoffen wurde
Anfang des 20. Jahrhunderts das anfallende sog.
„Ammoniakwasser“ hervorgehoben. Vor mehr
als 100 Jahren gab es noch kein Verfahren zur
Synthese von preiswertem Stickstoffdünger aus
Luftstickstoff. Vielmehr musste auf Naturprodukte zurückgegriffen werden wie Ammoniakverbindungen oder Nitrate in Form von
importiertem Chilesalpeter. Deswegen waren
Schwelgase zumindest für eine gewisse Zeit als
Ammoniakquelle von Interesse. In Friedenszeiten
wurden Ammoniumsalze bereits als Dünger
verwendet.
Diese Situation änderte sich grundlegend vor
ziemlich genau hundert Jahren mit der großindustriellen Einführung des sog. Haber-BoschVerfahrens zur Ammoniaksynthese direkt aus
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Luftstickstoff, allerdings aus ganz anderen Motiven. Hier war der Krieg der Vater aller Dinge:
Ohne diese Nobelpreis-dotierte deutsche Erfindung der Ammoniaksynthese wäre der erste
Weltkrieg zumindest von Deutscher Seite wegen
Munitionsmangels ausgefallen, weil Deutschland
natürlich von den für die Sprengstoffherstellung
nötigen Salpeterlieferungen aus Chile abgeschnitten wurde. Hier war die Herstellung von
synthetischem Ammoniak aus elementarem Luftstickstoff der wesentliche Lösungsschritt. Es war
damals schon kein Problem, aus Ammoniak in
einem zweiten Schritt mittels des katalytischen
Ostwald-Verfahrens ausreichend Salpetersäure
und Nitrate herzustellen.
Torfkohle, Torfkoks
Seit den Anfängen des industriellen Brenntorfeinsatzes wurde daran gearbeitet, Torf in Torfkohle und Torfkoks für spezielle Feuerungszwecke (z. B. auch in Hochöfen) umzuwandeln.
Ähnlich wie bei der Herstellung von Holzkohle
wurden Meiler- und Retortenverfahren eingesetzt.
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Insbesondere Kohle aus Hochmoortorf erwies
sich als sehr asche- und schwefelarm und eignete
sich besonders für spezielle metallurgische
Prozesse bzw. Schmiedeverfahren, bzw. in der
Glasherstellung.
Zu Beginn des Eisenbahnwesens wurde Hochmoor-Torfkohle z.B. gegenüber der Steinkohle für
die Feuerung von Lokomotiven bevorzugt:
Anfangs waren die Feuerbüchsen der Dampflokomotiven aus noch wenig korrosionsbeständigem Stahl gefertigt. Diese Feuerbüchsen hatten
bei Verwendung von Hochmoor-Torf und -Torfkohle als besonders asche- und schwefelarmes
Heizmaterial eine deutlich längere Lebensdauer
als bei der Verwendung von Steinkohle.
Allerdings entwickelte sich der Werkstoff Stahl
recht rasch weiter, sodass dieser Aspekt alsbald
in den Hintergrund trat.
Torfkohle kann darüber hinaus zu Aktivkohle
modifiziert werden und hat als solche auch heute
noch einige Anwendungen z.B. in der Chemie.
Moderne Torfprodukte
Torf war in der Industrialisierungsphase vor über
hundert Jahren mit seiner Kombination biologisch-physikalisch-chemischer Eigenschaften als
Stoff mit hohem Innovationspotential betrachtet
worden.
Bei einigen Anwendungen hat Torf bis heute
seine Nützlichkeit und Konkurrenzfähigkeit
bewiesen bzw. werden sogar neue Anwendungsfelder erforscht.
Mit großem Aufwand wurde die Vielzahl an Torfsorten mit den Mitteln der seinerzeit sich rapide
entwickelnden Naturwissenschaften charakterisiert und ihre Eignung für eine Vielzahl von Anwendungen geprüft (z. B. durch Prof. B. Tacke,
Moorversuchsstation Bremen; Hans Schreiber,
Moorversuchsstation Sebastiansberg im Böhmischen Erzgebirge).
Dies einfach aus dem Ansatz unserer Vorväter heraus, begrenzte Ressourcen wie Torf vollständig
zu nutzen und sich anwendungstechnisch nicht
nur die Filetstücke herauszupicken.
Insofern mutet das heutige Wehklagen über die
frühere Moornutzung in Mitteleuropa wie Krokodilstränen einer übersättigten Gesellschaft an.
Es gibt sicher gute Argumente, die heute vorhandenen Restmoorflächen in Deutschland im Sinne
regionaler Lebensqualität zu schonen. Man sollte
aber Augenmaß walten lassen, dass seinerzeit die
lokale und regionale Ressourcennutzung nicht irgendwelchen Luxus- und Konsumübertreibungen geschuldet war, sondern eine alternativlose
Überlebensstrategie war.
In den moorreichen Regionen wie z.B. Skandinavien, Osteuropa, Baltikum, nördliches Russland,
Nordamerika weist die Torfbildung eine positive
Bilanz auf, die Moore wachsen. Torf wäre damit
eine nachhaltige Rohstoffressource.
Der Rohstoff Torf wird in diesen Ländern auch
heute für die unterschiedlichsten Anwendungen
jenseits gärtnerischer Produkte untersucht.
Verwendung von Fasertorf
Im Anfangsstadium des Humifizierungsprozesses
im Moor enthält Torf einen hohen Anteil von
Pflanzenfasern, z. B. von Torfmoosen oder Wollgräsern, Riedgräsern (Binsen) etc.
In diesen Fasern ist noch das ursprüngliche Netz
an Versorgungsgefäßen des Pflanzengewebes abgebildet. Dadurch ist eine optimale „Zugänglichkeit“ des Faservolumens gegeben. Gekoppelt ist
damit eine große innere Oberfläche der Pflanzenfasern, die wiederum mit oberflächenaktiven
und bindungsfreudigen Humifizierungsprodukten aus dem pflanzlichen Vertorfungsprozesses
belegt ist. Genau hieraus ergeben sich die hervorragenden Speicher- und Austauschereigenschaften von Torf für Wasser, Elektrolyte und
viele andere Stoffe, bzw. die hohe Biokompatibilität der Torfprodukte.
Torfbasierte Textilien
Bereits vor hundert Jahren hat man begonnen,
Riedgras-Torf mit seinem Gehalt an Pflanzenfasern als Ausgangsmaterial für Textilien, Garne,
Filze, Papier, Pappe zu verwenden.
Auf die hervorragenden Eigenschaften von Torffasern hat bereits der Anthroposoph Rudolf Steiner hingewiesen, der den Gebrauch torfbasierter
Textilien wärmstens empfohlen hat u.a. auch als
Strahlenschutz.
Betrachtet man andere pflanzliche Textilmaterialien wie Lein (Flachs) oder Hanf, so zeigt deren
Aufbereitung eine auffällige Analogie zum Torfbildungsprozess:
Die gemähten Pflanzen bleiben erst einmal auf
dem Feld liegen und sind Wind und Wetter ausgesetzt. Diese sog. Feld-Röste oder -Rotte baut mikrobiell die „Weichteile“ der Pflanzenstängel ab,
wodurch die für die Textilanwendung gesuchten
Zellulosefasern der Pflanzen heraus präpariert
werden. Ähnliches passiert letztlich bei der
beginnenden Vertorfung von Pflanzen im Moor.
Heute werden torfbasierte Textilien und Garne
z. B. in Deutschland und in Skandinavien produziert. Man bekommt jegliche Art von Kleidung,
Bettwäsche, Decken, Wohntextilien auf der Basis
von Torffasern.
Fasertorf in der Umwelttechnik
Fasertorf weist auf Grund seiner Struktur einerseits eine hohe Durchlässigkeit für Wasser bzw.
allgemein Flüssigkeiten oder auch Luft auf und
ist andererseits gleichzeitig ein exzellentes Sorptionsmittel für eine Vielzahl von Stoffen.
Fasertorf ist damit ein perfektes Material für
diverse Filteranwendungen.
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Fasertorfvliese zur Aufnahme öliger Substanzen
aus verunreinigtem Wasser, Format 40x40x1 cm³.
Formprägeteil aus verdichtetem Weißtorf.
Durch forcierte Trocknung wird Torf z.B. wasserabstoßend (hydrophob), wodurch er nun sehr effektiv ölige Substanzen einlagern und damit von
Wasser trennen kann. Damit eignet er sich hervorragend als Bindemittel bei Ölunfällen. Die finnische Firma KONTO bietet torfbasierte Filze und
Filterkörper zur Beseitigung von problematischen Flüssigkeiten in den unterschiedlichsten
Formen an.
Der k-Wert rangiert im Bereich von 0,05 W/ mK.
Das Material war nach Gebrauch kompostierbar
und damit einfach zu entsorgen.
Insbesondere das hochinnovative BAUHAUS Dessau unter Walter Gropius griff gerne auf dieses
Material zurück, um im seinerzeitigen Sozialwohnungsbau hohe Dämmeffizienz mit geringem
Aufwand an Material und Einbauraum zu erreichen. Wesentliches Ziel war die Einsparung von
Heizenergie bzw. Steigerung des akustischen
Wohnkomforts. Insofern kann man die Torfoleum-Platte als Mutter aller modernen Dämmplatten bezeichnen.
Die Oberflächenchemie von Torf erlaubt die
Fixierung von Schwermetallen, radioaktiven
Stoffen, flüchtigen organischen Verbindungen
(VOC) und empfiehlt sich damit als Filtermedium
zur Reinhaltung von Wasser und Luft.
In einem weiteren Schritt kann die Faserstruktur
des Torfs mit geeigneten Mikroorganismen beladen werden, die organische Kontaminationen abbauen. In dieser Form werden Filterkörper aus
entsprechend präpariertem Torf in Kläranlagen
als sekundäre Klärstufe eingesetzt oder auch in
der Abluftreinigung eingesetzt.
Fasertorf als akustisches und thermisches
Dämmmaterial
Trockene Torffasern sind letztlich Hohlfasern,
die in geeigneter Packungsdichte hervorragende
Isolationseigenschaften gegenüber Wärme und
Schall aufweisen.
Nach dem 1. Weltkrieg wurden in Norddeutschland auf der Basis von Torf sog. „TorfoleumPlatten“ industriell konfektioniert, die ähnlich
einfach gehandhabt werden konnten wie heutige
Styropor-Dämmplatten. Die thermische und akustische Dämmwirkung war durchaus beachtlich:
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Wärmedämmung und Schallschutz sind heute aktueller denn je. Forschungsgruppen im Baltikum
und Finnland beschäftigen sich zu diesem Thema
intensiv mit Torf.
Die finnische Firma KONTO bietet Formteile und
Platten für thermische und akustische Isolation
an. Die Dämmplatten können mit Oberflächenstrukturen zur künstlerischen Gestaltung der
Sichtflächen geprägt werden.
Torf und Huminstoffe in der Medizin,
Veterinärmedizin und Beauty-Industrie
Pharmazie, Veterinärmedizin:
Torffasern weisen u. a. antibakterielle Eigenschaften auf.
In Verbindung mit ihrem hohen Bindungsvermögen für Flüssigkeiten und einem ungehinderten
Luftdurchsatz eignen sich Torffasern hervorragend als Basis für Watte und Verbandsmaterial
zur Wundversorgung.
Huminsubstanzen, wie sie auch in Torf vorkommen, werden seit geraumer Zeit auch innerlich
angewendet, dies sowohl in der Human- als auch
Veterinärmedizin.
Die Zielrichtung ist die Sanierung des MagenDarm-Traktes bei der Verabreichung von sog.
Moortrunken bzw. entsprechend optimierten
Humin-Präparaten ähnlich wie bei den anorganischen Heilerden.
Huminsubstanzen nehmen mit ihrer heilwertsteigernden Biokompatibilität zu den Schleimhäuten bei den Heilerden eine Sonderstellung
ein.
Die extrem große spezifische Oberfläche und der
Chemismus der bio-basierten makromolekularen
Humin-Stoffe führen zu einer hohen Sorptionskapazität für die unterschiedlichsten organischen
Schadsubstanzen bzw. für eine hohe Ionenaustauscher-Kapazität zur positiven Beeinflussung
des zellulären Elektrolythaushalts.
Moorbäder
Anwendungen wie z.B. Moorbäder auf der Basis
von Medizinaltorf sind schon seit der Antike bekannt, z.B. bei Hautkrankheiten, Gicht, Rheuma,
Arthrose. Die genaueren Wirkmechanismen sind
nur teilweise aufgeklärt. Vermutet werden
Einflüsse durch Polyphenole, Tannine, Phytohormone, Huminsäuren und Huminstoffe. In
einer milderen Form wirken Torfkomponenten in
diversen Schönheitsprodukten.
Aktivkohle
Bereits im 18. Jahrhundert ist die im Vergleich zur
Holzkohle ungewöhnlich hohe Mikroporosität
von Torfkohle und deren spezifische Wirkungen
aufgefallen, z.B. bei der Entfärbung von flüssigen
Naturstoffen.
Diese Sorptionseigenschaft der Torfkohle kann
durch eine weitere chemische Nachbehandlung
noch weiter gesteigert werden: es entsteht sog.
Aktivkohle mit spezifischen inneren Oberflächen
von weit über 1.000 m²/Gramm Material.
Heutzutage gibt es auch eine Vielzahl anderer organischer Ausgangsmaterialien, die über einen
gesteuerten Verkohlungs- und Aktivierungsprozess in sog. Aktivkohlen übergeführt und
für bestimmte Anwendungen optimiert werden
können.
Aktivkohlen sind sehr weitläufig in Verwendung
u. a. als Filtermaterialien z. B. bei der Abwassernachbehandlung zur Entfernung problematischer organischer Verbindungen oder Luftfilterung (u. a. Gasmasken).
Im Alltag sind die Filtereinsätze auf der Basis von
Aktivkohle zur Beseitigung von Küchengerüchen
in Verwendung.
Bei der Goldgewinnung dient Aktivkohle zur
Abscheidung von hochdispersem Gold aus dem
aufbereiteten Erzschlamm.
Torfbasierte Aktivkohle ist auch heute noch in
der Diskussion z. B. als Trägermaterial für sog.
Festbettkatalysatoren.
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