Brennstoff Torf Torf ist in der Summe seiner chemisch-physikalisch-biologischen Eigenschaften ein hochinteressanter Stoff für unterschiedlichste Anwendungen, der zum schnöden massenhaften Verbrennen eigentlich viel zu schade ist. Das gilt aber letztlich auch für alle anderen fossilen Brennstoffe einschließlich Erdöl und letztlich auch für Holz. Brenntorfnutzung in Bayern Wo Moore sind, sind in der Umgebung meist auch Wälder. Für die Gewinnung von Brennmaterial ist Holzeinschlag natürlich viel einfacher und bequemer als in den Tiefen eines dunklen und unheimlichen Moores herumzustochern, um einen Stoff zu gewinnen, der zusätzlich eine zeitaufwendige Trockenprozedur benötigt, verbunden mit jeder Menge Arbeit. Die Bayern haben sich daher anfänglich nicht darum gerissen, Torf in großem Maßstab einzusetzen. Man bevorzugte das bequemere Holz. Torf war ein Armeleute-Brennstoff, für die, die sich nichts anderes leisten konnten. Das Problem der Nachhaltigkeit der Holzversorgung wurde in unseren Breiten immer erkannt und eine entsprechende Waldbewirtschaftung betrieben. Dies im Gegensatz zu den eher kapitalistisch orientierten Briten: Diese waren in der Industrieentwicklung deutlich schneller, haben aber dabei in der Begeisterung ihre Inseln komplett entwaldet. Allerdings setzte auch bei uns im 19. Jahrhundert explosionsartig die Industrieentwicklung ein, was die früheren Nachhaltigkeitsstrategien wegen ihrer langen Reaktionszeiten der Waldbildung (sog. Umtrieb) über den Haufen warf. Es mussten rasch Alternativen zu Holz und Holzkohle gefunden werden. Hierfür wurde als heimische Energiequelle auch Torf angedacht. Der zunehmende Einsatz von Brenntorf im 19. Jahrhundert war in Bayern also eher eine industriepolitische Entscheidung mangels Alternativen, dem steigenden Energiebedarf gerecht zu werden. Letztlich machten aber Kohle und Erdöl das Rennen. Heute schließt sich der Kreis: Heutzutage wird wieder Holz als Heizmaterial propagiert, um nun wiederum Kohle und Heizöl abzulösen. Und sogar Torf feiert als Heizmaterial im privaten Bereich wieder fröhliche Urständ. Wegen des steigenden Holzpreises wird Torf als Hausbrand wieder angeboten u. a. auch in Form von Pellets und Briketts. Da waren wir vor mehr als 100 Jahren schon mal. Europäische Lieferanten für Torf als Heizmaterial sind die moorreichen Regionen wie Skandinavien, das Baltikum und die osteuropäischen Länder. Dort werden auch heute noch Kraftwerke mit Torf betrieben. Brenntorf war zeitweise Energiequelle u. a. für die Eisenverhüttung, den Salinenbetrieb (Salzsieden), die Ziegel-, Keramik-, Glasherstellung, die Heizung der Sudhäuser in Brauereien, den Betrieb von Dampfmaschinen (u. a. Lokomotiven). 53 Heiztechnisch hochwertiger Brenntorf findet sich in den tieferliegenden Schwarztorfschichten eines Moorkörpers. Bester Brenntorf lief bei uns unter dem Begriff „Specktorf“, was seine Konsistenz bei der Entnahme aus dem Moor sehr gut beschreibt. Material Heizwert kWh/kg typische Werte Holzpellets, Trockenmasse ca. 5,1 Holzpellets, Gebrauchsform ca. 4,5 Brenntorf, Trockenmasse 6,5 -7,0 Brenntorf, Gebrauchsform 3,5 - 4,5 Braunkohle, Trockenmasse 6,5 -7,0 Braunkohle, Gebrauchsform 5,5 Steinkohle, Trockenmasse 8,6 Steinkohle, Gebrauchsform 7,8 Heizöl 11 Der Energiegehalt der Torf-Trockenmasse ist durchaus mit Braunkohle vergleichbar. In der Gebrauchsform ist allerdings der Feuchtigkeitsgehalt der Brennstoffe zu berücksichtigen und da tut sich Torf schwer. Das Wirtschaftlichkeitsproblem von Brenntorf: der Wassergehalt Entnimmt man dem Moor frischen Torf, so beträgt der Wassergehalt des Materials bis zu 90% der Gesamtmasse. Wasser ist dabei nicht nur schwammartig durch Kapillarkräfte gespeichert, sondern vor allem auch in kolloidaler Form mit hoher Bindungskraft zu den Huminbestandteilen. Durch einfaches Pressen kann der Wassergehalt von Torf nur auf ca. 65 % gesenkt werden! Es verbietet sich schlicht aus Kostengründen, diesen nassen Torf aufwendig über weite Strecken zu irgendwelchen Weiterverarbeitungs- oder Einsatzstellen zu transportieren, weil damit lediglich große Mengen Wasser bewegt werden und nur wenig Energiegehalt. Eine weitergehende Trocknung des Brenntorfs am Gewinnungsort ist daher zwingend. Die technisch einfachste und billigste, aber zeitintensive Lösung ist die Lufttrocknung von entsprechend zugerichtetem Torfmaterial. Der frische Torf wird dafür sowohl zuerst großflächig gelagert und vorgetrocknet bzw. zur intensiveren Trocknung in überdachten Konstruktionen untergebracht. Daraus entwickelt sich eine typische Konstellation für den Einsatz von Torf für die industrielle Energiegewinnung. Der Industrieverbraucher www.chiemseemoor.de muss in der Nähe großer und maschinell leicht abzubauender Torflager liegen, um Herstellungsund Transportkosten zu reduzieren. Industriegasgewinnung aus Brenntorf Bei anspruchsvollen Industrieanwendungen wurde Torf nicht wie in einem schlichten Küchenherd verbrannt, auf dem der Wassertopf steht. Vielmehr wird das Material mittels sog. Gas-Generatoren in Gas übergeführt, das dann für den entsprechenden Heizzweck verbrannt wurde („Holzvergaser“-Prinzip). Solche Gasgeneratoren wurden im 19. Jahrhundert z.B. von der Fa. Siemens entwickelt. Vorteil der Gaskonversion ist eine wesentlich bessere Handhabbarkeit und Regelbarkeit des Heizvorgangs, was eine wichtige Voraussetzung für effiziente Industrieprozesse ist. Weiterhin konnten damit Verbrennungsmotoren betrieben werden, die zunehmend Dampfmaschinen ersetzten. Torfbasierte Gasmotoren wurden in sog. Energiezentralen mit Elektrogeneratoren für eine lokale Elektrizitätsversorgung kombiniert. Torf wurde in der Kendlmühlfilzen auch nach dem 2. Weltkrieg noch als Hausbrand abgebaut. In den sog. „besseren Zeiten“ machten aber letztendlich immer Kohle und Erdöl wegen der größeren Energiedichte, der umfangreicheren Ressourcen, einfacheren Verfügbarkeit, einfacheren Handhabung, auch beim Transport, das Rennen. Erdöl als Retter der Moore! Nach wie vor sind auch heute noch solche Gaskonverter-Konzepte für frische Biomasse im Zeichen einer nachhaltigen Energieerzeugung aktuell. A Gewinnung von Generatorgas (Kohlenmomoxid CO), Holzvergaser-Prinzip Durch Teilverbrennung mit Luft wird der Kohlenstoff des Festbrennstoffs in brennbares Kohlenmonoxid CO-Gas übergeführt. Dieses Gas wird in entsprechenden Brennern für Industrieheizzwecke zu CO2 verbrannt. Es konnte aber auch zur Versorgung von stationären Verbrennungsmotoren verwendet werden. B Erzeugung von Synthesegas/Reformergas/ Hydriergas = Kohlenmonoxid/Wasserstoffgemisch (CO/H2) Durch Hochtemperaturumsetzung von Festbrennstoffen in einer Luft / Wasserdampfatmosphäre (sog. Steam Reforming) wird ein Kohlenmonoxid/Wasserstoffgemisch erzeugt. Dieses Synthesegas ist wesentlich energiereicher als das einfache Generatorgas und führt entsprechend zu wesentlich leistungsfähigeren Heizanlagen bzw. Verbrennungsmotoren. Am Biomassehof in Grassau liefen in den letzten Jahren offensichtlich Versuche zum Heat-pipereformer-Konzept zur Synthesegasproduktion für motorische Antriebe bzw. Elektrizitäts- und Wärmeversorgung auf der Basis von (holzartiger) Biomasse. Moderne Brennstoffkonversion: Bioliq Synthesegas ist Ausgangsstoff für viele weitergehende chemische Synthesen in der Industrie (u.a. sog. Kohleverflüssigung für synthetisches Benzin in sog. Hydrierwerken). Weltweit wird auch heute noch an der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit dieses SynthesegasVerfahrens gearbeitet. Ziel ist u. a. die Herstellung moderner synthetischer Treib- und Schmierstoffe (neudeutsch „Coal to Liquid“, CtL-Verfahren). Steigende Ölpreise könnten für diese Aktivitäten förderlich sein und u.U. eine Alternative zum Fracking darstellen. Eine Ökovariante dieser Philosophie ist das von der EU geförderte „bioliq“-Verfahren, wo angeblich „minderwertige“ Biomasse wie Stroh, Waldrestholz, Gehölzschnitt in Flüssigtreibstoff umgewandelt werden soll. Im Prinzip würde sich hierfür auch Torf (=gealterte Biomasse) eignen. Eckpfeiler dieses Ansatzes ist neben der chemischen Technologie die landesweite systematische und flächendeckende Erfassung der anfallenden Biomasse. Offensichtlich unterliegen einige Techniker der Illusion, dass allein die Nutzung eines nachwachsenden Naturstoffes schon automatisch nachhaltig ist. Nachhaltigkeit in Sachen Biomasse setzt einen dauerhaft regenerationsfähigen und fruchtbaren Boden mit regem Bodenleben voraus. Letzteres braucht eben wiederum Biomasse als Nahrung. Der wesentliche Schritt hierzu ist also eine ausreichende Rückführung von Biomasse in den Boden, (ca. 10% der aufgewachsenen Biomasse), um das Bodenleben bei Laune zu halten und die Humusbilanz stabil zu halten oder sogar zu verbessern. Man darf also gespannt sein, ob eine besenrein hinterlassene Landschaft tatsächlich die nötigen Regenerationskräfte im Boden aufbauen kann, um das bioliq-Konzept nachhaltig zu gestalten. Pyrolyseprodukte, Schwelgase Vor mehr als hundert Jahren steckte die industrielle synthetische Chemie noch in den Kinderschuhen. Im Sinne einer optimalen Rohstoffnutzung wurden daher auch bei der Verkohlung von Brenntorf in der Retorte die anfallenden Schwelgase auf ihren Gehalt an höherwertigen Substanzen untersucht. (Ähnliche Produkte entstehen auch bei Verschwelen anderer Materialien, z. B. Holz, Steinkohle etc.). Kohlenwasserstoffe Erzeugt wurden u.a. Kohlenwasserstoff-Destillate wie Schwerbenzine und Leichtöle, die sich offensichtlich besonders gut für Beleuchtungszwecke eigneten. Sie wurden unter einleuchtenden Namen wie „Solaröl“ und „Photogen“ vermarktet. Phenolhaltige Destillate Die Schwelgase enthalten Phenol und dessen Derivate bis hin zu Polyphenolen. Phenol (die frühere „Karbolsäure“) hat eine extrem desinfizierende Wirkung (Krankenschwester: „Karbol-Maus“). Torfdestillate wurden auch im Sanitärbereich eingesetzt. Eines dieser Produkte wurde unter der Bezeichnung „Torfit-Extrakt“ weitverbreitet in öffentlichen Bedürfnisanstalten zur Desinfektion und Geruchsbindung (vor allem von Ammoniak) verwendet. Ammoniakwasser In den wissenschaftlich-technischen Berichten zur Verschwelung von Festbrennstoffen wurde Anfang des 20. Jahrhunderts das anfallende sog. „Ammoniakwasser“ hervorgehoben. Vor mehr als 100 Jahren gab es noch kein Verfahren zur Synthese von preiswertem Stickstoffdünger aus Luftstickstoff. Vielmehr musste auf Naturprodukte zurückgegriffen werden wie Ammoniakverbindungen oder Nitrate in Form von importiertem Chilesalpeter. Deswegen waren Schwelgase zumindest für eine gewisse Zeit als Ammoniakquelle von Interesse. In Friedenszeiten wurden Ammoniumsalze bereits als Dünger verwendet. Diese Situation änderte sich grundlegend vor ziemlich genau hundert Jahren mit der großindustriellen Einführung des sog. Haber-BoschVerfahrens zur Ammoniaksynthese direkt aus www.chiemseemoor.de Luftstickstoff, allerdings aus ganz anderen Motiven. Hier war der Krieg der Vater aller Dinge: Ohne diese Nobelpreis-dotierte deutsche Erfindung der Ammoniaksynthese wäre der erste Weltkrieg zumindest von Deutscher Seite wegen Munitionsmangels ausgefallen, weil Deutschland natürlich von den für die Sprengstoffherstellung nötigen Salpeterlieferungen aus Chile abgeschnitten wurde. Hier war die Herstellung von synthetischem Ammoniak aus elementarem Luftstickstoff der wesentliche Lösungsschritt. Es war damals schon kein Problem, aus Ammoniak in einem zweiten Schritt mittels des katalytischen Ostwald-Verfahrens ausreichend Salpetersäure und Nitrate herzustellen. Torfkohle, Torfkoks Seit den Anfängen des industriellen Brenntorfeinsatzes wurde daran gearbeitet, Torf in Torfkohle und Torfkoks für spezielle Feuerungszwecke (z. B. auch in Hochöfen) umzuwandeln. Ähnlich wie bei der Herstellung von Holzkohle wurden Meiler- und Retortenverfahren eingesetzt. www.chiemseemoor.de Insbesondere Kohle aus Hochmoortorf erwies sich als sehr asche- und schwefelarm und eignete sich besonders für spezielle metallurgische Prozesse bzw. Schmiedeverfahren, bzw. in der Glasherstellung. Zu Beginn des Eisenbahnwesens wurde Hochmoor-Torfkohle z.B. gegenüber der Steinkohle für die Feuerung von Lokomotiven bevorzugt: Anfangs waren die Feuerbüchsen der Dampflokomotiven aus noch wenig korrosionsbeständigem Stahl gefertigt. Diese Feuerbüchsen hatten bei Verwendung von Hochmoor-Torf und -Torfkohle als besonders asche- und schwefelarmes Heizmaterial eine deutlich längere Lebensdauer als bei der Verwendung von Steinkohle. Allerdings entwickelte sich der Werkstoff Stahl recht rasch weiter, sodass dieser Aspekt alsbald in den Hintergrund trat. Torfkohle kann darüber hinaus zu Aktivkohle modifiziert werden und hat als solche auch heute noch einige Anwendungen z.B. in der Chemie. Moderne Torfprodukte Torf war in der Industrialisierungsphase vor über hundert Jahren mit seiner Kombination biologisch-physikalisch-chemischer Eigenschaften als Stoff mit hohem Innovationspotential betrachtet worden. Bei einigen Anwendungen hat Torf bis heute seine Nützlichkeit und Konkurrenzfähigkeit bewiesen bzw. werden sogar neue Anwendungsfelder erforscht. Mit großem Aufwand wurde die Vielzahl an Torfsorten mit den Mitteln der seinerzeit sich rapide entwickelnden Naturwissenschaften charakterisiert und ihre Eignung für eine Vielzahl von Anwendungen geprüft (z. B. durch Prof. B. Tacke, Moorversuchsstation Bremen; Hans Schreiber, Moorversuchsstation Sebastiansberg im Böhmischen Erzgebirge). Dies einfach aus dem Ansatz unserer Vorväter heraus, begrenzte Ressourcen wie Torf vollständig zu nutzen und sich anwendungstechnisch nicht nur die Filetstücke herauszupicken. Insofern mutet das heutige Wehklagen über die frühere Moornutzung in Mitteleuropa wie Krokodilstränen einer übersättigten Gesellschaft an. Es gibt sicher gute Argumente, die heute vorhandenen Restmoorflächen in Deutschland im Sinne regionaler Lebensqualität zu schonen. Man sollte aber Augenmaß walten lassen, dass seinerzeit die lokale und regionale Ressourcennutzung nicht irgendwelchen Luxus- und Konsumübertreibungen geschuldet war, sondern eine alternativlose Überlebensstrategie war. In den moorreichen Regionen wie z.B. Skandinavien, Osteuropa, Baltikum, nördliches Russland, Nordamerika weist die Torfbildung eine positive Bilanz auf, die Moore wachsen. Torf wäre damit eine nachhaltige Rohstoffressource. Der Rohstoff Torf wird in diesen Ländern auch heute für die unterschiedlichsten Anwendungen jenseits gärtnerischer Produkte untersucht. Verwendung von Fasertorf Im Anfangsstadium des Humifizierungsprozesses im Moor enthält Torf einen hohen Anteil von Pflanzenfasern, z. B. von Torfmoosen oder Wollgräsern, Riedgräsern (Binsen) etc. In diesen Fasern ist noch das ursprüngliche Netz an Versorgungsgefäßen des Pflanzengewebes abgebildet. Dadurch ist eine optimale „Zugänglichkeit“ des Faservolumens gegeben. Gekoppelt ist damit eine große innere Oberfläche der Pflanzenfasern, die wiederum mit oberflächenaktiven und bindungsfreudigen Humifizierungsprodukten aus dem pflanzlichen Vertorfungsprozesses belegt ist. Genau hieraus ergeben sich die hervorragenden Speicher- und Austauschereigenschaften von Torf für Wasser, Elektrolyte und viele andere Stoffe, bzw. die hohe Biokompatibilität der Torfprodukte. Torfbasierte Textilien Bereits vor hundert Jahren hat man begonnen, Riedgras-Torf mit seinem Gehalt an Pflanzenfasern als Ausgangsmaterial für Textilien, Garne, Filze, Papier, Pappe zu verwenden. Auf die hervorragenden Eigenschaften von Torffasern hat bereits der Anthroposoph Rudolf Steiner hingewiesen, der den Gebrauch torfbasierter Textilien wärmstens empfohlen hat u.a. auch als Strahlenschutz. Betrachtet man andere pflanzliche Textilmaterialien wie Lein (Flachs) oder Hanf, so zeigt deren Aufbereitung eine auffällige Analogie zum Torfbildungsprozess: Die gemähten Pflanzen bleiben erst einmal auf dem Feld liegen und sind Wind und Wetter ausgesetzt. Diese sog. Feld-Röste oder -Rotte baut mikrobiell die „Weichteile“ der Pflanzenstängel ab, wodurch die für die Textilanwendung gesuchten Zellulosefasern der Pflanzen heraus präpariert werden. Ähnliches passiert letztlich bei der beginnenden Vertorfung von Pflanzen im Moor. Heute werden torfbasierte Textilien und Garne z. B. in Deutschland und in Skandinavien produziert. Man bekommt jegliche Art von Kleidung, Bettwäsche, Decken, Wohntextilien auf der Basis von Torffasern. Fasertorf in der Umwelttechnik Fasertorf weist auf Grund seiner Struktur einerseits eine hohe Durchlässigkeit für Wasser bzw. allgemein Flüssigkeiten oder auch Luft auf und ist andererseits gleichzeitig ein exzellentes Sorptionsmittel für eine Vielzahl von Stoffen. Fasertorf ist damit ein perfektes Material für diverse Filteranwendungen. www.chiemseemoor.de Fasertorfvliese zur Aufnahme öliger Substanzen aus verunreinigtem Wasser, Format 40x40x1 cm³. Formprägeteil aus verdichtetem Weißtorf. Durch forcierte Trocknung wird Torf z.B. wasserabstoßend (hydrophob), wodurch er nun sehr effektiv ölige Substanzen einlagern und damit von Wasser trennen kann. Damit eignet er sich hervorragend als Bindemittel bei Ölunfällen. Die finnische Firma KONTO bietet torfbasierte Filze und Filterkörper zur Beseitigung von problematischen Flüssigkeiten in den unterschiedlichsten Formen an. Der k-Wert rangiert im Bereich von 0,05 W/ mK. Das Material war nach Gebrauch kompostierbar und damit einfach zu entsorgen. Insbesondere das hochinnovative BAUHAUS Dessau unter Walter Gropius griff gerne auf dieses Material zurück, um im seinerzeitigen Sozialwohnungsbau hohe Dämmeffizienz mit geringem Aufwand an Material und Einbauraum zu erreichen. Wesentliches Ziel war die Einsparung von Heizenergie bzw. Steigerung des akustischen Wohnkomforts. Insofern kann man die Torfoleum-Platte als Mutter aller modernen Dämmplatten bezeichnen. Die Oberflächenchemie von Torf erlaubt die Fixierung von Schwermetallen, radioaktiven Stoffen, flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) und empfiehlt sich damit als Filtermedium zur Reinhaltung von Wasser und Luft. In einem weiteren Schritt kann die Faserstruktur des Torfs mit geeigneten Mikroorganismen beladen werden, die organische Kontaminationen abbauen. In dieser Form werden Filterkörper aus entsprechend präpariertem Torf in Kläranlagen als sekundäre Klärstufe eingesetzt oder auch in der Abluftreinigung eingesetzt. Fasertorf als akustisches und thermisches Dämmmaterial Trockene Torffasern sind letztlich Hohlfasern, die in geeigneter Packungsdichte hervorragende Isolationseigenschaften gegenüber Wärme und Schall aufweisen. Nach dem 1. Weltkrieg wurden in Norddeutschland auf der Basis von Torf sog. „TorfoleumPlatten“ industriell konfektioniert, die ähnlich einfach gehandhabt werden konnten wie heutige Styropor-Dämmplatten. Die thermische und akustische Dämmwirkung war durchaus beachtlich: www.chiemseemoor.de Wärmedämmung und Schallschutz sind heute aktueller denn je. Forschungsgruppen im Baltikum und Finnland beschäftigen sich zu diesem Thema intensiv mit Torf. Die finnische Firma KONTO bietet Formteile und Platten für thermische und akustische Isolation an. Die Dämmplatten können mit Oberflächenstrukturen zur künstlerischen Gestaltung der Sichtflächen geprägt werden. Torf und Huminstoffe in der Medizin, Veterinärmedizin und Beauty-Industrie Pharmazie, Veterinärmedizin: Torffasern weisen u. a. antibakterielle Eigenschaften auf. In Verbindung mit ihrem hohen Bindungsvermögen für Flüssigkeiten und einem ungehinderten Luftdurchsatz eignen sich Torffasern hervorragend als Basis für Watte und Verbandsmaterial zur Wundversorgung. Huminsubstanzen, wie sie auch in Torf vorkommen, werden seit geraumer Zeit auch innerlich angewendet, dies sowohl in der Human- als auch Veterinärmedizin. Die Zielrichtung ist die Sanierung des MagenDarm-Traktes bei der Verabreichung von sog. Moortrunken bzw. entsprechend optimierten Humin-Präparaten ähnlich wie bei den anorganischen Heilerden. Huminsubstanzen nehmen mit ihrer heilwertsteigernden Biokompatibilität zu den Schleimhäuten bei den Heilerden eine Sonderstellung ein. Die extrem große spezifische Oberfläche und der Chemismus der bio-basierten makromolekularen Humin-Stoffe führen zu einer hohen Sorptionskapazität für die unterschiedlichsten organischen Schadsubstanzen bzw. für eine hohe Ionenaustauscher-Kapazität zur positiven Beeinflussung des zellulären Elektrolythaushalts. Moorbäder Anwendungen wie z.B. Moorbäder auf der Basis von Medizinaltorf sind schon seit der Antike bekannt, z.B. bei Hautkrankheiten, Gicht, Rheuma, Arthrose. Die genaueren Wirkmechanismen sind nur teilweise aufgeklärt. Vermutet werden Einflüsse durch Polyphenole, Tannine, Phytohormone, Huminsäuren und Huminstoffe. In einer milderen Form wirken Torfkomponenten in diversen Schönheitsprodukten. Aktivkohle Bereits im 18. Jahrhundert ist die im Vergleich zur Holzkohle ungewöhnlich hohe Mikroporosität von Torfkohle und deren spezifische Wirkungen aufgefallen, z.B. bei der Entfärbung von flüssigen Naturstoffen. Diese Sorptionseigenschaft der Torfkohle kann durch eine weitere chemische Nachbehandlung noch weiter gesteigert werden: es entsteht sog. Aktivkohle mit spezifischen inneren Oberflächen von weit über 1.000 m²/Gramm Material. Heutzutage gibt es auch eine Vielzahl anderer organischer Ausgangsmaterialien, die über einen gesteuerten Verkohlungs- und Aktivierungsprozess in sog. Aktivkohlen übergeführt und für bestimmte Anwendungen optimiert werden können. Aktivkohlen sind sehr weitläufig in Verwendung u. a. als Filtermaterialien z. B. bei der Abwassernachbehandlung zur Entfernung problematischer organischer Verbindungen oder Luftfilterung (u. a. Gasmasken). Im Alltag sind die Filtereinsätze auf der Basis von Aktivkohle zur Beseitigung von Küchengerüchen in Verwendung. Bei der Goldgewinnung dient Aktivkohle zur Abscheidung von hochdispersem Gold aus dem aufbereiteten Erzschlamm. Torfbasierte Aktivkohle ist auch heute noch in der Diskussion z. B. als Trägermaterial für sog. Festbettkatalysatoren. www.chiemseemoor.de
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