Schule und Beratung - Bayerisches Staatsministerium für Ernährung

Bayerisches Staatsministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
3/2016
Fachinformationen aus der
Landwirt­schafts­verwaltung
in Bayern
SCHULE
und
BERATUNG
→→ Der Bayerische Weg in der Praxis
→→ Hofheimer Land – Eine Allianz für lebendige Ortsmitten
→→ Gut abgesichert auf die Reise gehen
→→ Fachrichtungsübergreifende Apps im Unterricht
INHALT
AGRARPOLITIK
ERLEBNIS BAUERNHOF
ERNÄHRUNG
HEIL- UND GEWÜRZPFLANZEN
LÄNDLICHER RAUM
FÜHRUNG
VERWALTUNG
DIGITALISIERUNG
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Integrierte Ländliche Entwicklung in Bayern
Dorfumbau: Dörfer entstehen im Kopf!
Räumliche Entwicklungs­maßnahmen fördern
Hofheimer Land – Eine Allianz für lebendige Ortsmitten
40 Durch Feedback lernen
43 Neue Kollegen an Bord nehmen
45 Standardisierter „Mitarbeiter Check in“ erleichtert Start an der FüAk
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Gut abgesichert auf die Reise gehen
Neues Fachzentrum Ökologischer Landbau am AELF Deggendorf
Amtsverwaltung erfolgreich fortgebildet
Internetauftritte gemeinsam gestalten
Gewusst wie: Bilder für das Internet aufbereiten
Informationen online stellen – Was Imperia-Redakteure für einen Internetbeitrag benötigen
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Sicher zu Faktenwissen mit Reader, Quiz und Wissensrallye
Fachrichtungsübergreifende Apps im Unterricht
Gewusst wie: Digitalisieren von Dokumenten – OCR bei Kopierern nutzen
Gewusst wie: Einfaches Einbinden von Organisationseinheiten im Outlook-Kalender
ERLEBNIS
­B AUERNHOF
ERNÄHRUNG
HEIL- UND GEWÜRZPFLANZEN
Forschung und Beratung für den Kräuteranbau
Unkrautregulierung im ökologischen Arznei- und Gewürzpflanzenanbau
Kräuterpädagogik als berufliches Standbein
Krankheiten und Schädlinge auf dem Vormarsch
LÄNDLICHER
RAUM
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FÜHRUNG
14 Herausforderungen in der Seniorenverpflegung
16 Wege zur gesünderen Ernährung in allen Lebensphasen
VERWALTUNG
8 Projektwochen „Erlebnis Bauernhof“
9 Großstadtkinder auf dem Acker
12 Ein Erntedank-Fest für die Sinne
­D IGITALISIERUNG
4 Der Bayerische Weg in der Praxis
6 Der Milch eine Identität gegeben
AGRARPOLITIK
INHALT
Agrarpolitik
AGRARPOLITIK
Der Bayerische Weg in der Praxis
Agrarpolitik
Staatsminister Helmut Brunner bei der Naturkäserei TegernseerLand
von DR. STEFAN GABLER und SUSANNE KRAPFL: Staatsminister Brunner hat sich für 2016
vorgenommen, jeden Monat einen Betrieb zu besuchen, der das Motto des „Bayerischen Weges“ in die Praxis umgesetzt hat. Die Palette reicht von Genossenschaftsgründungen über
Dienstleistungsbereiche bis hin zur Direktvermarktung oder Urlaub auf dem Bauernhof.
So vielfältig Bayern ist, so zahlreich sind die Ideen. Und wenn sich dann nachahmenswerte
Leuchtturmprojekte darunter befinden – umso schöner. „Schule und Beratung“ wird über die
Betriebsbesuche regelmäßig berichten und die Unternehmerinnen oder Unternehmer vorstellen. Den Auftakt machte Brunner im Januar bei der Naturkäserei TegernseerLand eG in
Kreuth.
Landwirtschaftliche Familienbetriebe
flächendeckend in Bayern wettbe­
werbsfähig zu halten ist das erklärte
Ziel von Staatsminister Helmut Brun­
ner. Individuelle Alternativen zu fin­
den, statt sich dem Motto „Wachsen
oder Weichen“ zu beugen, ist die ein­
zige Möglichkeit, die vielfältige Struk­
tur, die flächendeckende Bewirtschaf­
tung und somit die Kulturlandschaft
in Bayern zu erhalten. Die Naturkä­
serei TegernseerLand eG ist ein Para­
debeispiel für diesen Bayerischen Weg
in der Landwirtschaft. Mit ihr sehen 23
Betriebe mit durchschnittlich 21 Milch­
kühen ihre Zukunft auch weiterhin in → Voll und ganz hinter dem bayerischen Weg von Staatsminister Brunner (Mitte) stehen auch (von
der Milchproduktion. Ergänzend sei
links) Dr. Stefan Gabler, Behördenleiter AELF Holzkirchen; Hans Hacklinger, BBV Kreisobmann;
angemerkt, dass es sich hier bereits in
Miesbachs Landrat Wolfgang Rzehak, der Kreuther Bürgermeister Sepp Bierschneider sowie
der Vergangenheit um Nebenerwerbs­
Kreisbäuerin Katharina Klaus und Hans Leo (Foto: Werner Hohenauer, BLW)
betriebe handelte, und daran wird sich
auch in Zukunft nichts ändern. Der überdurchschnittliche ten, niedrige Milchpreise und drohende Betriebsaufgaben
Milchpreis trägt dazu bei, dass der Betriebszweig Landwirt­ im Tegernseer Tal bildeten vor acht Jahren die Ausgangs­
schaft nicht mehr mit außerlandwirtschaftlichen Einkünften situation. Eine Gruppe mutiger Landwirte und Verbraucher
„quersubventioniert“ werden muss. Die Lieferanten identi­ wollte der Aufgabe der Milchviehhaltung am Tegernsee ent­
fizieren sich mit „ihren“ Produkten und sind stolz, zu deren gegenwirken und brachte schließlich das Modell einer ei­
Erfolg beizutragen – kurzum, die Arbeit macht wieder Spaß! genen Käserei ins Gespräch. Vom Gedanken bis zur Umset­
Ein Plus für alle Beteiligten und nicht zuletzt auch für die Kul­ zung war es ein weiter, harter und kapitalintensiver Weg: Im
turlandschaft: 800 Hektar LF im Berggebiet werden weiter Jahr 2010 konnte schließlich das Käsereigebäude bezogen
nachhaltig flächendeckend bewirtschaftet.
und mit der Vermarktung begonnen werden. Für ein solches
Projekt braucht es neben Mut und aktiven Mitstreitern vor
Gründung der Naturkäserei TegernseerLand e.G.
allem eins: Risikobereite Unterstützer. Das überschaubare
Unterdurchschnittliche Betriebsgrößen von rund 20 Kühen, Eigenkapital und ein Zuschuss von 20 Prozent im Rahmen
das „Aufgehen“ der wertvollen Milch in anonymen Produk­ des Förderprogramms „Marktstrukturverbesserung“ des
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SUB 3/2016
Agrarpolitik
Heumilch als Alleinstellungsmerkmal
Hans Leo, Vorstandsvorsitzender, ge­
schäftsführender Vorstand und selbst
Milchlieferant, erklärte Staatsminister
Brunner bei seinem Besuch, wie wich­
tig es bei solchen Vorhaben sei, ein Al­
leinstellungsmerkmal zu finden.
Agrarpolitik
Bayerischen Landwirtschaftsminis­
teriums reichten für die geplante In­
vestition von insgesamt 4,7 Millionen
Euro nicht aus. Kurzerhand entschied
man sich, Anteilsscheine zum Preis von
1 000 Euro auszugeben. Das Vertrauen
in das Projekt war so groß, dass mit die­
sem Schritt die Investition gestemmt
werden konnte. Heute zählt die Natur­
käserei 1 450 Anteilseigner, und es wer­
den stetig mehr.
→ Staatsminister Helmut Brunner stand den Milchlieferanten der Naturkäserei TegernseerLand
Rede und Antwort (Foto: Tobias Hase)
„Ein Alleinstellungsmerkmal ist zwingende
Voraussetzung, um sich von den zahlreichen
anderen Produkten am Markt abzuheben.“
Bei unserer Tegernseer Käserei ist dies die ausschließliche
Verarbeitung von Heumilch, die zu Rohmilchkäsen – vom
Bergkäse bis hin zu Frischkäsen und Camembert – verarbei­
tet wird, so Leo. Im Verkaufsladen ist die Palette um Joghurt,
Trinkmilch und Topfen erweitert. In der angeschlossenen
Gastronomie finden sich nahezu ausschließlich Gerichte aus
Milch und Käse. Abgerundet wird das Gesamtprojekt durch
eine „Winterstubn“ im ersten Stock, in der Versammlungen,
Feiern aller Art und Tagungen für bis zu 100 Personen statt­
finden können.
Lieferanten – Produktion – Vermarktung
Für die Milchlieferanten war eine Heutrocknungsanlage
unumgänglich. Die Investitionen konnten jeweils über das
Einzelbetriebliche Investitionsförderprogramm bezuschusst
werden. Seit 2015 können sich die Landwirte nun neben ei­
nem durchschnittlichen Milchauszahlungspreis von 48 Cent
je Kilogramm über die im Bayerischen Kulturlandschaftspro­
gramm neu aufgelegte Heumilchprämie freuen. Mittlerweile
liefern 23 Betriebe ihre Milch an die Naturkäserei; weitere
Lieferanten werden gesucht, da die Nachfrage nach den
Produkten stetig wächst. Täglich werden 6 000 Kilogramm
hochwertigste Heumilch verarbeitet, und das an sieben Ta­
gen pro Woche. Die Käserei beliefert Hotels, Lebensmittel­
SUB 3/2016
läden – insbesondere Metzgereien – Gastronomie und
Eventgastronomie.
Nutzen für Landwirte, Kommunen und die Region
Mittlerweile ist die Naturkäserei TegernseerLand nicht nur
ein stabilisierender Faktor für die anliefernden Milchvieh­
betriebe:
„Unsere Naturkäserei hat sich mit 54 Vollund Teilzeitarbeitskräften zu einem der
größten Arbeitgeber der Gemeinde Kreuth
entwickelt.“
Bürgermeister Josef Bierschneider, Gemeinde Kreuth
Und der Miesbacher Landrat Wolfgang Rzehak ergänzt:
„Sozusagen ganz nebenbei ist sie mit ihrer
Schaukäserei, den Kinderprogrammen und
Führungen in Kombination mit der Gastronomie auch aus dem touristischen Angebot
nicht mehr wegzudenken.“
DR. STEFAN GABLER
SUSANNE KRAPFL
AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
HOLZKIRCHEN
[email protected]
[email protected]
5
AGRARPOLITIK
Der Milch eine Identität
gegeben
Agrarpolitik
Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der Naturkäserei TegernseerLand eG
Hans Leo, Gründungsmitglied der Naturkäserei TegernseerLand eG und mittlerweile auch deren Vorstandsvorsitzender, ist gleichzeitig leidenschaftlicher Landwirt. Mit seiner Familie bewirtschaftet er einen typisch landwirtschaftlichen Betrieb im Tegernseer Tal. Die Milch seiner
16 Kühe wird auch in der Käserei zu Heumilchprodukten veredelt.
Herr Leo, was zeichnet Ihren Betrieb aus?
Unser Betrieb ist „aus dem Nichts entstanden“. Wir haben den
Sprung ins kalte Wasser gewagt und unser Schicksal selbst in
die Hand genommen. Und mit viel Glück und Unterstützung
durch die Region ist das Unternehmen zu einem Erfolgsmodell geworden. Unser Ziel war und ist es, der von uns erzeugten Milch eine eigene Identität zu geben, die Wertschöpfung
zu erhöhen, also den Milchpreis, und dadurch bestehende
Familienbetriebe in der landwirtschaft­lichen Erzeugung zu
halten. Unser gewähltes Alleinstellungsmerkmal ist die ausschließliche Verarbeitung von Heumilch sowie die Herstellung von Rohmilchkäse.
Was hat sich durch ihre Strategie verändert bzw.
verbessert?
Unsere Strategie zielt darauf ab, die wertvolle Milch unserer kleinstrukturierten Betriebe nicht mehr zu Dumpingpreisen an Großmolkereien zu liefern. Das Konzept einer
eigenen Käserei war vom ersten Tag an erfolgreich, auch
wenn die Umsetzung auf Grund des hohen Investitionsbedarfs nicht sofort schwarze Zahlen aufweisen konnte.
Verbessert hat sich für die anliefernden Betriebe in jedem
Fall der Milchpreis, der sich von den anfangs ausbezahlten
42 Cent (2010) auf jetzt durchschnittlich 48 Cent gesteigert
hat.
Woran messen Sie den Erfolg?
Für uns sind natürlich auch wirtschaftliche Kennzahlen ausschlaggebend: 1. Umsatz, 2. Gewinn, 3. Kilogramm verarbeitete Milch und die Eigenkapitalhöhe. Es fließen aber auch
ideelle Kennzahlen zum Nutzen für die gesamte Region in
unsere Bewertung ein.
Nennen Sie uns Beispiele dafür?
Die Zahl der andienenden Betriebe hat sich stetig erhöht auf
derzeit 23. Damit gestiegen ist auch die Zahl der Milchkühe
auf aktuell rund 490 und der dahinterstehenden landwirt-
6
schaftlichen Flächen zum Erhalt unserer Kulturlandschaft auf momentan
circa 800 Hektar.
Welche nächsten Schritte
planen Sie für den Betrieb?
Geplant sind weitere Investitionen im
Produktionsbereich, um unserem hohen Qualitätsanspruch gerecht zu wer- → Hans Leo
den. Des Weiteren müssen die Lagerkapazitäten für unseren „Bergkäse alt“ baldmöglichst erweitert
werden, um die stetig steigende Nachfrage bedienen zu
können. Im tagtäglichen Geschäft ist der Ausbau der Qualitätssicherung oberstes Gebot.
Was macht Ihren Käsereibetrieb so beispielhaft für
den Bayerischen Weg?
Unsere Käserei ermöglicht es den bäuerlichen Familienbetrieben in der Region, die auf Grund ihrer Größe traditionell
eher im Neben- und Zuerwerb wirtschaften, die Landwirtschaft wettbewerbsfähig weiterführen zu können. Denn
wenn die Landwirtschaft durch andere Einnahmen querfinanziert werden muss, wird sie früher oder später aufgegeben.
Was hat sich für die beteiligten Betriebe geändert?
Auch wenn hier nicht die Familie im klassischen Sinn dahinter steht, so hat sich für alle Milchlieferanten etwas geändert. Sie identifizieren sich mit ihrem Produkt und geben
dies auch selbstbewusst an die Öffentlichkeit in Führungen,
Vorträgen oder Betriebsbesichtigungen weiter.
Worin sehen Sie den Mehrwert für die Region durch
Ihren Betrieb?
Unsere Naturkäserei ist im wahrsten Sinne des Wortes eine
Win-win-Situation für alle, oder wie Harald Gmeiner, Tourismusmanager der Alpenregion Tegernsee Schliersee sagt:
SUB 3/2016
Agrarpolitik
Agrarpolitik
→ Das schmucke Gebäude, die günstige Lage und nicht zuletzt die
ausgezeichneten Produkte locken Besucher aus nah und fern
→ Die Kunden der Naturkäserei schätzen die vielfältige Palette der aus
Heumilch hergestellten Käsesorten (Foto: Susanne Krapfl)
(Foto: Michael Hinterstoißer)
„Die Käserei wirbt mit der Region, und die Region wirbt mit
der Käserei.“ Den Vorteil für die Landwirte habe ich bereits
angesprochen. Der Vorteil für die Gemeinde liegt in der
Schaffung neuer Arbeitsplätze, einer weiteren Attraktion für
die Gäste und natürlich im Erhalt unserer Kulturlandschaft.
Denn dies wäre ohne praktizierende Landwirte finanziell gar
nicht zu bewältigen. Der Landkreis profitiert ähnlich wie die
Gemeinde. Er kann darüber hinaus mit einem Vorzeigemodell für regionale Kreisläufe aufwarten und aufzeigen, dass
es durchaus Alternativen zur „Wachsen oder Weichen-Theorie“ in der Landwirtschaft gibt, die nachahmenswert sind.
Der Kauf unserer Produkte trägt zum Erhalt der Kulturlandschaft bei und nützt so dem Tourismus: Der Gast schmeckt
die Region und hat ein gutes Gewissen.
Wie sah die Betreuung durch die Landwirtschaftsverwaltung aus?
Natürlich sind bei solch einer großen Maßnahme viele Behördengänge notwendig. Gleichzeitig mussten wir uns für
eine neue Rechtsform entscheiden. Deshalb hatten wir zum
bayerischen Genossenschaftsverband den wohl intensivsten Kontakt. Das damalige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Miesbach hingegen war bei den Baustellungnahmen gefragt und hat die Kontakte zu den jeweiligen
Ansprechpartnern hergestellt. Unsere Idee wurde kritisch
hinterfragt und dann voll und ganz unterstützt. Die Förderung erfolgte letztendlich über die Landesanstalt für Landwirtschaft.
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Was empfehlen Sie Betrieben in einer ähnlichen
Situation?
Diese Antwort ist vielleicht für viele unbefriedigend, aber
ich wünsche allen, die eine Idee im Kopf und diese betriebswirtschaftlich solide geprüft haben den Mut zur Umsetzung.
Genauso gehören Ausdauer und Hartnäckigkeit dazu. Einfach ist es nicht, und bis der Erfolg kommt, darf man sich
nicht durch die Durststrecken, die unvermeidbar sind, verunsichern lassen.
Herr Leo, vielen Dank für das Interview.
DAS INTERVIEW FÜHRTEN:
DR. STEFAN GABLER
SUSANNE KRAPFL
AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
HOLZKIRCHEN
[email protected]
[email protected]
7
Erlebnis Bauernhof
ERLEBNIS
BAUERNHOF
Projektwochen
„Erlebnis Bauernhof“
Unter Sommer.Erlebnis.Bauernhof – Ein Angebot für die ganze Schulfamilie
ERLEBNIS
BAUERNHOF
von LEA KOOPMANN und BRIGIT TE BLAIM: Mit der staatlichen Förderung des Besuchs auf
einem Bauernhof als außerschulischem Lernort übernimmt Bayern innerhalb Deutschlands
eine Vorreiterrolle. Knapp 100 000 bayerische Schulkinder und rund 5 000 Klassen haben seit
Programmstart im Juni 2012 bereits an einem Lernprogramm teilgenommen. Das ist ein großer Erfolg. Doch die Inanspruchnahme des Programms ließe sich durchaus noch steigern. Die
Projektämter Fürth und Würzburg machten gute Erfahrungen mit Projektwochen für die gesamte Schule. Das Konzept wird Mitte 2016 unter dem Motto Sommer.Erlebnis.Bauernhof auf
alle Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ausgerollt.
Projektwochen werden von Schulen gerne durchgeführt,
um ein Thema aus aktuellem Anlass oder passend zum Jahreskreis umfassend zu bearbeiten. Die Ämter für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten Fürth und Würzburg, Projektämter für das Programm „Erlebnis Bauernhof“, begeisterten im
vergangenen Jahr „ihre“ Schulen mit einer Projekt- bzw.
Aktionswoche für das Programm „Erlebnis Bauernhof“ – und
verzeichneten mit jeweils neun teilnehmenden Klassen in
Würzburg (hier war die Vorlaufzeit aufgrund der Neubesetzung der Projektstelle sehr kurz) und 20 teilnehmenden Klassen in Nürnberg innerhalb einer Woche großen Zuspruch.
Darunter waren auch Schulen, die noch nie am Programm
teilgenommen hatten.
Angebot für die ganze Schule
Die ganze Schulfamilie einer Schule wurde in den jeweiligen Projektwochen für das Thema Bauernhof sensibilisiert.
Da in den Grundschulen nur die 3. und 4. Klassen förderberechtigt sind und die anderen Jahrgänge das Lernprogramm selbst bezahlen müssen, sorgte ein Rahmenprogramm z. B. in der Schulaula mit einzelnen Lernstationen
dafür, dass die Inhalte über Bauernhof, Landwirtschaft und
Lebensmittelerzeugung für alle Schulkinder „erlebbar“
wurden. In Förderschulen sind zwar seit der Programmöffnung im Juni letzten Jahres alle Jahrgänge förderberechtigt, doch auch hier bietet sich eine kleine Ausstellung im
Schulgebäude an, um die ganze Woche an das Thema zu
erinnern.
Mit umfassendem Service überzeugen
Der „Service“ der Projektmitarbeiter an den Ämtern umfasste
die terminlichen Absprachen mit den Betrieben, die sich
8
genau in der festgelegten Woche
Zeit für Schulklassen nehmen, die
Hilfestellung bei
der organisatorischen Planung
für teilnehmende
Klassen
sowie
Organisation,
Aufbau und Betreuung des Rahmenprogramms
in den Schulen.
Aufgrund
des → Das neue Logo des Programms „Erlebnis
großen Erfolgs
Bauernhof“ wirbt klar und einprägsam u. a.
der beiden Proauf den neuen Plakaten und Flyern
jekt- bzw. Aktionswochen soll
diese Idee heuer bayernweit an allen Ämtern umgesetzt
werden.
Als Zeitfenster stehen die Woche vor den Pfingstferien
(19. KW) und die beiden Wochen nach Pfingsten (22. und
23. KW) zur Verfügung. Der Startschuss zu den bayernweiten Projektwochen ist für 9. Mai durch Staatsminister Helmut Brunner vorgesehen. Als bayernweites Motto wurde
Sommer.Erlebnis.Bauernhof gewählt.
Mit dieser Maßnahme und der geplanten Einbindung
des Kultusministeriums erwarten wir eine große Medienpräsenz. Da in diesem Jahr neun Wochen zwischen den
Pfingst- und den Sommerferien liegen, sollen die Projektwochen zu Beginn dieses relativ langen Zeitraums
SUB 3/2016
Erlebnis Bauernhof
Im Folgenden gibt es schon einmal die beiden konkreten
Beispiele zum „Einlesen“ – wir freuen uns auf weitere kreative Ideen als Anregung und zum Weitergeben an alle Ämter.
LEA KOOPMANN (DERZEIT BEURLAUBT)
VERTRETUNG
CHRISTIANE SCHWALLER (OHNE BILD)
[email protected]
BRIGITTE BLAIM
BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR
ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
[email protected]
Leitfaden unterstützt ÄELF
Damit die Mitarbeiter an den ÄELF von den Erfahrungen
der Projektmitarbeiter profitieren können, erhalten sie die
in Fürth und Würzburg erarbeiteten Materialien bzw. die
Durchführungsplanung. So soll die Vorbereitung und Umsetzung der Projektwochen vor Ort so effizient wie möglich
gestaltet werden.
ERLEBNIS
BAUERNHOF
Schwung in die Inanspruchnahme des Programms bringen; die Medienberichte darüber werden die Nachfrage
sicherlich ankurbeln.
Auch die kurz vor dem Druck stehenden und zeitnah an
die Schulen verteilten neu konzipierten Plakate und Flyer
zum Programm „Erlebnis Bauernhof“ steigern den Bekanntheitsgrad. Unter anderem machte die erweiterte Zielgruppe
(alle Jahrgänge der Förderschulen) eine Neuauflage nötig.
Großstadtkinder auf dem Acker
Projektwoche mit Nürnberger Schulen
von HEIKE THIELER-GRAAFMANN und DR. ANGELA ZAUPER: Lernen, erleben, aktiv sein
– dazu ist der Bauernhof der ideale Ort. Insbesondere in Großstädten haben viele Kinder
immer weniger Bezug zur Landwirtschaft. Dabei ist der Besuch auf einem Bauernhof von
unschätzbarem Wert. Zeit für einen Bauernhofbesuch nahmen sich zwei Grundschulen in
Nürnberg. Im Rahmen einer Projektwoche „Erlebnis Bauernhof“ machten sich alle dritten und
vierten Klassen der Wiesenschule und der Grundschule Zugspitzstraße auf den Weg zu Bauernhöfen in der Umgebung. Organisiert wurden die Projektwochen von der Projektstelle
„Erlebnis Bauernhof“ am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürth.
Projekttage oder Projektwochen behandeln in der Schule
meist ein aktuelles Thema, das Jahresschwerpunkt der
Schule oder für das Leitbild der Schule von Bedeutung ist.
Die Aufmerksamkeit aller Schülerinnen und auch Eltern wird
so auf ein Thema gelenkt.
Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, eine Projektwoche zu organisieren, zu gestalten und die Projektpartner zu
gewinnen. Das Projektteam am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürth (AELF) entschied, im Schuljahr
2014/2015 gezielt mit ein oder zwei städtischen Schulen
Projekttage durchzuführen. Da es eine gute Zusammenar-
SUB 3/2016
beit der „Erlebnis Bauernhof“-Betriebe im Nürnberger Stadtgebiet gibt, und die meisten großen Grundschulen in Nürnberg liegen, war es naheliegend die Projekttage „Erlebnis
Bauernhof“ den Nürnberger Grundschulen anzubieten.
Schulen für das Thema gewinnen
Insgesamt kamen zehn Schulen in Nürnberg in Frage, die
5- oder 6-zügig sind. Wir haben telefonisch Kontakt mit den
Schulleitungen aufgenommen und Termine zur persönlichen Vorstellung der Projekttage „Erlebnis Bauernhof“ vereinbart. Es kristallisierten sich zwei Schulen heraus: die Wie-
9
ERLEBNIS
BAUERNHOF
Erlebnis Bauernhof
→ Bild 1: Welches Korn gehört zu welcher Ähre? Bei der Ausstellung
entdecken Schülerinnen Getreide
senschule (Nürnberg Südstadt) und die Grundschule an der
Zugspitzstraße (Nürnberg Langwasser).
Beide Schulleitungen, Liselotte Nigrawitz von der Zugspitzschule und Hans-Jürgen Hartwig von der Wiesenschule,
waren dem Projekt gegenüber äußerst positiv eingestellt
und engagierten sich für die Projektwoche. Sie motivierten
ihre Lehrer und kümmerten sich um die organisatorischen
Angelegenheiten innerhalb ihrer Schulen.
Rechtzeitig mit den Planungen beginnen
Im Februar starteten wir mit der konkreten Planung der
Projektwochen. „Erlebnis Bauernhof“-Betriebe wurden angesprochen, freie Termine der Landwirtinnen eruiert und
die konkreten Termine für die Projektwochen festgelegt.
Vor den Osterferien wurde das Projekt „Erlebnis Bauernhof“
und die Projektwoche mit unserem angebotenen Rahmenprogramm im Lehrerkollegium vorgestellt. Die Lehrerinnen
hatten die Möglichkeit sich direkt für die Lernprogramme
auf den jeweiligen Bauernhöfen einzutragen. Alle Lehrkräfte
erhielten die Adressen der beteiligten Betriebe, um selbst
mit den Landwirten Kontakt aufzunehmen und Inhalte der
Lernprogramme sowie Organisatorisches mit ihnen zu besprechen. Die An- und Abfahrt zu den Bauernhöfen musste
immer von den Lehrkräften organisiert werden, wobei alle
Betriebe mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind.
Vor- und Nacharbeit unterstützen
Neben der Teilnahme an Lernprogrammen auf den Bauernhöfen stellten wir den Schulen Lernmaterial zum Ausleihen
zur Verfügung und boten Literaturempfehlungen zu den
unterschiedlichsten Bauernhofthemen. Eine Materialkiste,
in der verschiedene Methoden mit Material und Anleitung
sowie Information zu Landwirtschaft und Ernährung zusammengestellt sind, ergänzte das Angebot.
10
→ Bild 2: Was wächst denn da im Boden? Kartoffelernten während eines
Bauernhofbesuches
Zur Nachbereitung des Bauernhofbesuches schlugen wir
den Lehrerinnen vor, sich in Rücksprache mit den Bäuerinnen etwas Besonderes aus den Lernprogrammen mitgeben
zu lassen. Gerne nahmen die Lehrkräfte das Angebot an,
sich aus der Ausstellung (siehe nächste Seite) Getreideähren
mitzunehmen und im Klassenzimmer das Thema mit ihren
Schülern nachzubereiten.
Um alle Schulkinder und auch Eltern auf die Projektwoche aufmerksam zu machen, bot das Projektteam an,
während der Projektwoche eine Ausstellung „Erlebnis Bauernhof“ mit Aktivitäten für die Schulklassen in der Schule
aufzubauen und zu betreuen. Die beiden Schulleitungen
nahmen das Angebot begeistert an. Während der ganzen
Woche kamen vormittags Klassen und informierten sich zu
den Themen Getreide (siehe Bild 1) und Milch und wurden
selbst aktiv. Die Schülerinnen konnten Getreide erfühlen,
selber Haferflocken quetschen und essen und als Highlight
eine Holzkuh melken. Ein Wörterpuzzle und ein Bauernhofquiz rundeten das Programm in den Schulen ab.
Vielfalt der Landwirtschaft kennengelernt
Die Projektwoche der Wiesenschule fand Ende Juni 2015
statt, die der Grundschule an der Zugspitzstraße Mitte Juli
2015. In diesem Zeitraum besuchten alle 3. und 4. Klassen
einen Bauernhof und nahmen an unterschiedlichen Lernprogrammen, je nachdem welchen Schwerpunkt der Betrieb hatte, teil. „Vom Korn zum Brot“, „Vom Huhn zum Ei“,
„Von der Milch zur Butter“ oder „Haltung und Pflege von
Bienen“ sind nur einige der erlebnisorientierten Lernprogramme, die die qualifizierten Erlebnisbäuerinnen durchführten (siehe Bild 3). Im Einsatz waren der Holzhobelhof
Wiedmann in Greuth, der Betrieb Vogel in Greuth, der
Bio-Gemüsebaubetrieb Hofmann mit Imkerei Schüller in
Nürnberg, der Gartenbaubetrieb Höfler in Kleinreuth, der
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ERLEBNIS
BAUERNHOF
Erlebnis Bauernhof
→ Bild 3: Auch eine geduldige Holz-Kuh ...
→ Bild 4: ... ist nicht leicht zu melken!
Betrieb Familie Höfler in Reutles und der Gemüsebaubetrieb Brunner in Boxdorf.
Während der Projektwochen betreuten die zwei Projektmitarbeiterinnen, verstärkt durch eine Praktikantin der
Fachakademie Triesdorf, an jeden Tag die Ausstellung und
Aktionen (siehe Bild 3 und 4)
Die Presse wurde über die „Erlebnis Bauernhof“-Projektwochen vor Beginn informiert. Auf Einladung des AELF Fürth
kamen Vertreter des Nürnberger Stadtrates zum Start der
Projektwoche der Grundschule Zugspitzstraße direkt auf
einen Hof, um sich ein Bild über „Erlebnis Bauernhof“ zu
machen und die Aktionen vor Ort selbst zu erleben. In der
Presse wurde dazu berichtet.
men, sind ein Meilenstein zum Gelingen der Projektwoche.
Ebenso hängt der Erfolg des Projektes von der rechtzeitigen Terminplanung und der Absprache mit den Schulen und
den Landwirten sowie der frühzeitigen Projektplanung ab.
Gerne haben alle Lehrkräfte die Projektwochen für ihre
Klassen genutzt, zumal der damit verbundene organisatorische Aufwand sich für die Schulklassen im Rahmen hielt.
Alle Betriebe sind von den Schulen durch öffentliche Verkehrsmittel erreichbar. Damit waren auch die Fahrtkosten
nicht zu hoch.
Mit der Ausstellung „Erlebnis Bauernhof“ war das Thema
auch in der Schule präsent, und die jüngeren Jahrgänge
konnten ebenso daran teilhaben. Dadurch, dass die Schüler
auch selbst aktiv werden konnten, war der Zulauf der Schulklassen groß. Daneben kamen immer wieder wissbegierige
Kinder (z. B. aus der Mittagsbetreuung), die noch mehr zum
Melken, zur Milch, zum Getreide und viel mehr zum Bauernhof erfahren wollten. Daher war es auch wichtig, dass
die ganze Woche über zwei Personen in der Schule vor Ort
waren und das „Erlebnis Bauernhof“ begleiteten.
Unterstützung der Schulen Erfolgsgarant
Beide Projektwochen wurden von den Lehrkräften sehr gut
angenommen. Insgesamt waren bei dieser Aktion 20 Schulklassen auf einem Bauernhof. Durch unterschiedliche Lernprogramme lernten sie den Wert der Landwirtschaft und der
Lebensmittel schätzen.
Die gute und engagierte Zusammenarbeit mit den
Schulleitungen, die Begeisterung für das Projekt sowie die
Bereitschaft, in der Schule die Organisation zu überneh-
Infobox: Erfolgsfaktoren für eine Projektwoche
Erlebnis Bauernhof
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Frühzeitige Zeitplanung mit den Schulen
Exakte Absprache mit den Landwirten
Gewinnen und Begeistern der Schulleitungen
Betreuung des Rahmenprogrammes in der Schule
durch das AELF
SUB 3/2016
HEIKE THIELER-GRAAFMANN
AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT
UND FORSTEN FÜRTH
PROJEKTSTELLE ERLEBNIS BAUERNHOF
IN DER METROPOLREGION NÜRNBERG
[email protected]
DR. ANGELA ZAUPER
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Erlebnis Bauernhof
ERLEBNIS
BAUERNHOF
Ein Erntedank-Fest für die Sinne
Aktionswoche bringt neue Buchungen für das Programm „Erlebnis Bauernhof“
ERLEBNIS
BAUERNHOF
von KATHRIN WIMMER: Rund 200 Schulkinder nahmen an der Aktionswoche „ErntedankFest auf dem Bauernhof“ teil, die das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Würzburg im Herbst 2015 veranstaltete. Über die Aktionswoche samt Gewinnspiel sollten das
Programm „Erlebnis Bauernhof“ bei Grund- und Förderschullehrkräften wieder in Erinnerung
gerufen und zusätzliche Buchungen erreicht werden. Der Erfolg zeigt: Schulklassen sind über
saisonal-aktuelle Themen sowie über bekannte, gesellschaftlich verankerte Ereignisse im
Jahreskreislauf und im Kirchenjahr gut zu erreichen. Es lohnt sich – auch ohne Gewinnspiel
– solche öffentlichkeitswirksamen Termine aufzugreifen und in einer Aktionswoche zu
thematisieren.
Rote Äpfel und rotwangige Kinder, wohin man schaut: Erlebnisbäuerin Gerlinde Heger hatte in der zweiten Oktoberwoche gleich drei Schulklassen der Maria-Stern-Schule Würzburg, Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt Sprache,
bei sich zu Besuch: Gemeinsam haben die Schülerinnen und
Schüler Äpfel von der Streuobstwiese aufgesammelt, geschält und geschnitten sowie mit vereinten Kräften einen
Apfelkuchen gebacken (siehe Bild 1).
Aktionswoche samt Gewinnspiel für Schulen
Aufmerksam auf das Programm „Erlebnis Bauernhof“ wurden die Lehrkräfte durch ein Schreiben vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Würzburg, weitergeleitet an die Förderschulen über die Regierung von
Unterfranken sowie an die Grundschulen über das entsprechende Schulamt. Unter dem Motto „Erntedank-Fest auf
dem Bauernhof“ lud das Amt zu einer Aktionswoche ein,
um zu erleben, woher unsere Nahrungsmittel eigentlich
kommen. Eine Woche lang hatten Grund- und Förderschüler von Stadt und Landkreis Würzburg die Gelegenheit, eine
Lerneinheit auf landwirtschaftlichen Betrieben, die für das
Programm „Erlebnis Bauernhof“ registriert sind, zu erleben
und zugleich an einem Gewinnspiel teilzunehmen.
Ziel der Aktionswoche „Erntedank-Fest auf dem Bauernhof“ war es erstens, das Programm wieder bei Grundschullehrkräften der 3. und 4. Klassen in Erinnerung zu rufen und
die Förderschulen auf die im Sommer verkündete Öffnung
für alle Jahrgangsstufen hinzuweisen. Darüber hinaus erhoffte man sich zweitens mediale Aufmerksamkeit und drittens einen Anstieg der Buchungen, bevor es ab November
zu kalt werden würde. Tatsächlich gelang es durch die Kombination aus Themenwoche und Gewinnspiel, das denjenigen Klassen, die am schnellsten buchten, einen Zuschuss
gewährte, alle drei Ziele umzusetzen.
12
→ Bild 1: Eine starke Gemeinschaft: Während die Klasse Äpfel schält und
schneidet, bereitet die Lehrerin den Teig vor
„Ernte-Dank“ – den Wortsinn verstehen lernen
Um die Ziele zu erreichen, wurde ein saisonal-aktuelles
Motto für die Aktionswoche gewählt, das in Schule wie Bevölkerung gut verankert ist. Das Thema „Erntedank-Fest“
lässt sich nicht nur mit dem Heimat- und Sachunterricht,
sondern auch mit dem Religionsunterricht sowie mit Werteund Ritualvermittlung vereinbaren. Außerdem ist es positiv
besetzt und weckt Erinnerungen an alte Traditionen und
ursprüngliche Erfahrungen mit Natur und Landwirtschaft.
Darüber hinaus liegt die Verbindung zum Programm „Erlebnis-Bauernhof“ auf der Hand:
Dankbarkeit für die Ernte und für volle Regale
entsteht nur dort, wo klar ist, wie viel Arbeit,
Handwerk und Fachwissen hinter der Produktion von Nahrungsmitteln steckt.
SUB 3/2016
→ Bild 2: Fühlen, riechen, tasten: Der Sinnesparcours fasziniert die
Schulkinder
Schulkinder von heute sind die Konsumenten von morgen
und sollen wissen, was eine gesunde Ernährung ausmacht.
Eine Lerneinheit auf dem Bauernhof ist ein wichtiger Schritt,
um dies zu erreichen.
Die teilnehmenden Landwirte wurden neben der Bewerbung und Öffentlichkeitsarbeit durch das AELF Würzburg
mit einer Handreichung unterstützt, die Ideen auflistete, wie
bereits bestehende Lernprogramme um das Thema „Erntedank“ unkompliziert erweitert werden können. Ein bewusst
gestalteter Esstisch, eine kurze Meditation vor der Mahlzeit
oder eine Reflexion darüber, warum eigentlich Erntedank
gefeiert wird, sind unter anderem mögliche Module, um das
Thema „Erntedank“ aufzugreifen.
Erntedank als Erlebnis – Praxisbeispiele
Auf dem Hof von Gerlinde Heger drehte sich in der Aktionswoche alles um das Thema Apfel und Erntezeit. Während ein
Teil der Kinder sich noch als Kuchenbäcker bewies, absolvierte der andere einen herbstlichen Sinnesparcours: Mit
→ Bild 3: Wo wächst Dein Gemüse? Die Bestimmung heimischer
Gemüsesorten fiel keineswegs leicht
SUB 3/2016
verbundenen Augen sollten die Kinder Naturprodukte, wie
Mais, Nüsse oder Zwiebeln, durch Tasten und Kräuter durch
Riechen erkennen (siehe Bild 2). Das erwies sich für Manche
als echte Herausforderung. Wie fühlt sich ein frisches Salbeiblatt an und wie duftet es? Unter Anleitung der erlebnis­
pädagogisch, ausgebildeten Landwirtin wurde selbst das
schwierigste Rätsel gelöst.
Einen anderen Schwerpunkt setzte die Erlebnisbäuerin
Christine Lutz-Bonfig. Bei ihr lernten die Schulkinder erst viel
Wissenswertes zur Kuh: Spielerisch entdeckten sie beispielsweise, wie lang eine Kuhzunge ist, und wie die Verdauung
bei einem Wiederkäuer funktioniert. Danach durften sich die
Viertklässler aus einem Weidenkorb mit verschiedenen Gemüsesorten bedienen. Gemeinsam sollten sie bestimmen,
was sie und ihre Klassenkameraden jeweils in der Hand hielten: Paprika und Gurke aus dem Supermarkt erkannte noch
jeder, aber spätestens bei Weißkohl, Lauch oder gar Schwarz­
wurzel wurde es schwierig. Christine Lutz-Bonfig steigerte
das Niveau nochmals, wenn sie wissen wollte: „Wie wächst
denn dein Gemüse? Im Boden, auf der Erde oder am
Strauch?“ (siehe Bild 3). Die Erlebnisbäuerin half, wenn es für
die Klasse kein Weiterkommen gab. Als Stärkung gab es im
Anschluss Gemüsesuppe – und die Eltern wären sicherlich
erstaunt darüber, wie schnell die Teller geleert waren und
die Kinder um Nachschlag baten.
Erfolgsbilanz überzeugt
Ob Kartoffeln ernten, Apfelsaft pressen oder Butter schütteln: Die Aktionswoche „Erntedank-Fest auf dem Bauernhof“
sorgte bei den teilnehmenden Klassen für leuchtende Gesichter und für viele neue Erkenntnisse. Insgesamt nahmen
– trotz sehr kurzer Planungsphase, da die Projektstelle erst
zum September besetzt wurde – neun Klassen in Stadt und
Landkreis Würzburg an der Aktionswoche teil. Besonders erfreulich: Eine Schule hatte noch nie zuvor am Programm
„Erlebnis Bauernhof“ teilgenommen, bei einer weiteren liegt
der letzte Besuch drei Jahre zurück. Aus den Rückmeldungen der Landwirte ist zudem zu erkennen, dass das Programm durch die Aktionswoche wieder nachhaltig bei Lehrkräften in Erinnerung gerufen wurde, denn zahlreiche Klassen fanden zwar im Aktionszeitraum keine Gelegenheit für
eine Lerneinheit auf dem Bauernhof, buchten aber kurz vor
oder nach der Aktionswoche. So gelang es, die Buchungen
im Oktober nochmals deutlich zu steigern.
Für Rückfragen oder Materialwünsche steht das AELF Würzburg gerne zur Verfügung.
KATHRIN WIMMER
AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT
UND FORSTEN WÜRZBURG
[email protected]
13
ERLEBNIS
BAUERNHOF
Erlebnis Bauernhof
Ernährung
ERNÄHRUNG
Herausforderungen in der
Seniorenverpflegung
Fachtagung für Träger und Leiter von stationären Senioreneinrichtungen
Ernährung
von JOSEFINE OBERST: Im Oktober 2015 fand in München eine durch das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) ausgerichtete Fachtagung für Träger und Einrichtungsleiter von
stationären Senioreneinrichtungen statt. Im Mittelpunkt der Tagung standen aktuelle Themen wie Mangelernährung, die Bedeutung des Essens für Senioren und die Rolle der Hauswirtschaft in den Einrichtungen. Aber auch zukünftige Entwicklungen und Herausforderungen wurden beleuchtet.
Die sich verändernde Altersstruktur in der Gesellschaft ist
seit Jahren ein zentrales Thema in Deutschland. Seit mehr
als 50 Jahren steigt die Lebenserwartung in Deutschland an.
So haben Männer seit 1960 durchschnittlich 10,8 und Frauen
10,4 Jahre an Lebenserwartung gewonnen [1]. Da außerdem
immer mehr Menschen alleine leben, wird die Zahl derer,
die darauf angewiesen sind, in stationären Einrichtungen
verpflegt und versorgt zu werden, weiter zunehmen. Nach
Angaben des Bayerischen Landesamtes für Statistik und
Datenverarbeitung von 2014 leben in Bayern derzeit rund
115 600 ältere Menschen in 1 443 stationären Einrichtungen.
Die ErnSTES-Studie [2] hat gezeigt, dass etwa zwei Drittel
der Menschen in stationären Altenpflegeeinrichtungen von
Mangelernährung betroffen oder gefährdet sind. Aus der
Tatsache, dass die Bewohner solcher Einrichtungen meist
ausschließlich auf das dortige Angebot angewiesen sind,
resultiert eine große Verantwortung für die Verpflegung.
Diese tragen nicht nur die Küche, sondern alle Mitarbeiter
und vor allem die Entscheidungsträger. Die Aktualität und
Bedeutung des Themas für die Praxis wurde durch den bis
zum letzten Platz besetzten Tagungsraum bestätigt.
Schnittstellen mit Hauswirtschaft wichtig
Dr. Bernhard Opolony vom Bayerischen Staatsministerium
für Gesundheit und Pflege stellte die Themen „Schnittstellenmanagement“ und „Selbstbestimmte Teilhabe“ ins Zentrum seiner Rede und machte deutlich, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Hauswirtschaft und Pflege für eine
erfolgreiche Versorgung der Bewohner ist.
Ralf Klöber von der Organisationsberatung KlöberKassel
GbR erläuterte, wie die Verpflegung zum Qualitätsmerkmal
einer stationären Senioreneinrichtung entwickelt werden
kann. Der entscheidende Schritt ist für ihn dabei, die Bedeutung von Hauswirtschaft und Küche wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Daher sei es wichtig, die Wertschätzung
und Anerkennung für die Berufe dieses Fachbereiches zu
14
fördern, auch in finanzieller Hinsicht. Denn nur mit einer auf
hohem handwerklichem Niveau hergestellten Verpflegung,
die sich an den Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner
orientiere, lasse sich eine Qualität erreichen, die als Alleinstellungsmerkmal der Einrichtung steht.
Die Gefahren der Mangelernährung
Prof. Dr. Christine von Arnim, Oberärztin am Universitätsklinikum Ulm, beleuchtete Ursachen und Folgen von Mangelernährung, und damit einen wichtigen Punkt, dem die
Verantwortlichen in stationären Einrichtungen für Senioren gegenüberstehen. Sie verdeutlichte, dass Mangelernährung für die Betroffenen mit einem erhöhten Risiko für
verschiedene Folgeerkrankungen, wie beispielsweise Wundheilungsstörungen, Osteoporose oder auch Demenz einhergehe und somit Einbußen in der Selbstständigkeit und
Lebensqualität entstünden. Dadurch führten diese Folgekrankheiten oder verlangsamten Genesungsprozesse zu
zusätzlichen Kosten in der Pflege und für das Gesundheitssystem.
→ Dr. Bernhard Opolony vom Bayerischen Gesundheitsministerium (links)
und Dr. Wolfram Schaecke, der Leiter des KErn, im Gespräch
SUB 3/2016
Ernährung
→ Staatsminister Helmut Brunner betonte die Nachhaltigkeit bei
Projekten im Ernährungsbereich
→ Marianne Thummert, Ralf Klöber, Angelika Reiter-Nüssle und Manuela
Fleißner im Gespräch mit Moderatorin Claudia Zilz (von links)
Nachhaltige Entwicklungen als Ziel
Ernährungsminister Helmut Brunner stellte heraus, dass es
bei allen Projekten und Maßnahmen im Ernährungsbereich
darum gehe, Strukturen zu schaffen, „um nicht nur ein Strohfeuer zu entfachen, sondern eine nachhaltige Entwicklung
in Gang zu setzen“.
Zudem verkündete Minister Brunner erste Erkenntnisse
der bayernweiten Studie zu Kenndaten der Gemeinschaftsverpflegung, die Dr. Wolfgang Sichert-Hellert vom KErn
anschließend vorstellte. Die bayernweite Studie hat KErn
2014 gemeinsam mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf durchgeführt. Ein Ergebnis für stationäre Senioreneinrichtungen ist, dass bayernweit im Durchschnitt pro Einrichtungen täglich 111 Personen mittags verpflegt werden.
Zudem zeigte sich, dass in Senioreneinrichtungen die Küchen vorwiegend in Eigenregie betrieben werden.
Wie Geschmackserinnerungen uns prägen
Auf einen Aspekt der Ernährung abseits von Zahlen und Fakten, Wirtschaftlichkeit und Ernährungsphysiologie, nämlich
der Bedeutung des Essens im Alter, ging Dr. Esther Gajek,
vergleichende Kulturwissenschaftlerin an der Universität Regensburg, ein. Sie zeigte, wie Geschmack Erinnerungen, oft
über Jahre hinweg, transportieren kann. Die Generation, die
heute in Seniorenheimen lebt, hat beispielsweise in der Regel Krieg und Hunger erleben müssen. Solche Erinnerungen
können Gewohnheiten, Vorlieben und Abneigungen bis in
die Gegenwart hinein beeinflussen. Sie wies darauf hin, wie
wichtig die Erfassung und Beachtung der Essbiographie der
einzelnen Bewohner für deren Wohlbefinden sein kann und
welche Bedeutung daher der Ernährung im Alter – über die
reine Versorgung mit Nährstoffen hinaus – zukommt.
Seniorenverpflegung: Wunsch und Wirklichkeit
Bei der Podiumsdiskussion „Verpflegung in Senioreneinrichtungen zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ diskutierten MaSUB 3/2016
nuela Fleißner, hauswirtschaftliche Betriebsleitung der Pur
Vital Altenhilfe GmbH, Angelika Reiter-Nüssle, Referatsleiterin
im StMELF, Ralf Klöber, selbstständiger Berater und Marianne
Thummert, Fachreferentin für Hauswirtschaft und Küche des
Caritasverbandes der Erzdiözese München und Freising. Kernpunkte waren das Schnittstellenmanagement sowie der Fachkräftemangel, aber auch die Herausforderungen der Zukunft,
wie beispielsweise die Entwicklung neuer Wohnformen.
Ein Beispiel für die Umsetzung einer solchen neuen
Wohnform gab Bettina Stegmüller, hauswirtschaftliche
Leiterin des BeneVit Pflegeheims – Haus Lechauenhof. Sie
stellte das in ihrer Einrichtung umgesetzte Hausgemeinschaften-Konzept vor und berichtete von den Besonderheiten und Vorteilen dieser Organisationsform. So kann man
in den wohnungsähnlichen Gemeinschaften sehr gut auf
individuelle Wünsche oder Vorlieben eingehen. Beispielsweise bekommt jeder Bewohner zu seinem Geburtstag seinen Lieblingskuchen gebacken.
Literatur
[1] Die Bundesregierung, Demografiestrategie, 7. Januar 2016:
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/
StatischeSeiten/Breg/Demografiestrategie/
Artikel/2015-08-21-zusammenfassung.html?nn=505030#doc1412662bodyText2
[2] Ernährung älterer Menschen in stationären Einrichtungen (ErnSTES-Studie), Helmut Heseker, Universität
Paderborn
JOSEFINE OBERST
KOMPETENZZENTRUM FÜR ERNÄHRUNG
KULMBACH
BEREICH ERNÄHRUNGSINFORMATION UND
WISSENSTRANSFER
[email protected]
15
Ernährung
(alle Fotos: Thomas Einberger, argum GbR)
ERNÄHRUNG
Wege zur gesünderen Ernährung
in allen Lebensphasen
Der enable-Cluster für Ernährungsforschung
Ernährung
von DR. ANDREA SPANGENBERG und DR. KERSTIN DRESSEL: Immer mehr Menschen essen unterwegs, und auch zu Hause werden aus zeitlichen Gründen immer häufiger Fertiggerichte zubereitet. Selten jedoch sind diese gesund zu nennen, sondern meist kommen sie
fettreich, überzuckert und ballaststoffarm daher. Um gesündere und gleichzeitig schmackhafte Lebensmittel und Fertiggerichte zu entwickeln haben sich im enable-Cluster für Ernährungsforschung zahlreiche Experten unterschiedlicher Fachrichtungen mit Industriepartnern
zusammengeschlossen. Das Ziel ist, jedem Menschen – unabhängig vom Alter – eine den Bedürfnissen entsprechende, gesündere Ernährung zu ermöglichen.
Unsere Nahrung ist gemessen an unserem Lebensstil viel
zu energiedicht. Bei kontinuierlich gesunkener physischer
Arbeitsleistung wurden die Mahlzeiten durch „Convenience-Produkte“ (engl. für bequem, komfortabel) zwar schmackhafter, aber eben auch immer ungesünder. Als Folge wird
ein rapider Anstieg ernährungs-mitbedingter Krankheiten
wie Adipositas, Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen beobachtet. Realistische Schätzungen gehen davon
aus, dass bis zu 30 Prozent der derzeitigen Gesundheitsausgaben in Deutschland auf falsche Ernährung im weitesten
Sinne zurückzuführen sind; dies entspricht umgerechnet der
Summe von fast 100 Mrd. Euro pro Jahr.
Ungesunde Essengewohnheiten kennt fast jeder
Die neueste Nationale Verzehrsstudie II [1] hat gezeigt, dass
die Mehrheit der Deutschen deutlich weniger frisches Obst
und Gemüse zu sich nimmt, als von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen wird. Dies hat zur
Konsequenz, dass die empfohlene Aufnahme von Ballaststoffen von 30g/Tag deutlich unterschritten wird. Noch vor
Infobox 1: Die Nationale Verzehrsstudie
Die NVS II hat das Max Rubner-Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durchgeführt. Zwischen November 2005 und
Januar 2007 wurden im Rahmen der NVS II knapp 20.000
deutschsprachige Personen im Alter zwischen 14 und 80 Jahren befragt. Die NVS II hatte zum Ziel, für Deutschland repräsentative Daten zum Lebensmittelverzehr und zum weiteren
Ernährungsverhalten zu liefern sowie die aus dem Lebensmittelverzehr berechnete Nährstoffzufuhr der Bevölkerung
abzubilden.
100 Jahren war eine Ballaststoffaufnahme von 70g/Tag keineswegs ungewöhnlich. Im Gegensatz dazu liegt der Verbrauch von Fleisch und Fleischprodukten besonders bei
den deutschen Männern weit über den DGE-Empfehlungen.
Frauen und junge Männer wiederum konsumieren reichlich
Zucker. Auf der anderen Seite haben viele ältere Menschen
einen Mangel an Eiweiß, Vitamin D, Kalzium, Folsäure und
Ballaststoffen.
Der Mensch ist tatsächlich was er isst
Über alle Lebensphasen und Altersstufen hinweg hat kein
Umweltfaktor einen größeren Einfluss auf das menschliche
Genom als die Ernährung. Die Interaktion von Ernährung
und Genom bewirkt Änderungen unserer Genfunktionen
genauso wie sie Einfluss nimmt auf die genetisch festgelegte Anfälligkeit für Erkrankungen oder den Schutz davor.
Es besteht deshalb kein ernstzunehmender Zweifel, dass
sich eine positive Veränderung unseres Ernährungsverhaltens auch positiv auf die gesamte Gesundheit auswirkt. Um
das Ernährungsverhalten einer ganzen Bevölkerung zu verbessern benötigt man zum einen politische Maßnahmen,
die die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zugunsten eines gesunden Lebensstils verschieben. Zum anderen
braucht man zielgruppengerechte und lebensphasenspezifische Konzepte für Risikogruppen. Hier setzt der enable-Cluster für Ernährungsforschung an (siehe Abbildung 1).
→ Abbildung 1: Das Logo des enable-Clusters für Ernährungsforschung
16
SUB 3/2016
ERNÄHRUNG
22 Teilprojekte in drei Arbeitsgebieten
Untergliedert ist der Cluster in drei einzelne Arbeitsgebiete,
die unterschiedliche Fragestellungen verfolgen. Insgesamt
22 Einzelprojekte werden in diesen drei Arbeitsgebieten
durchgeführt. Die Vernetzungsaktivitäten innerhalb des
Clusters sind daher hoch, um die Kooperation der insgesamt
39 Partner aus Forschungseinrichtungen und Lebensmittelindustrie reibungslos zu ermöglichen. Die Themen der
Arbeitsgebiete lauten:
→→ Neudefinition der Beziehung zwischen Ernährung
und Gesundheit – neue Ansätze und Methoden
→→ Neuentwicklung von Lebensmitteln zur Verbesserung des Gesundheitswerts – Möglichkeiten und
Grenzen
→→ Ernährungskommunikation – neue Werkzeuge und
Dienste
Bei der Neudefinition der Beziehung zwischen Ernährung
und Gesundheit geht es um neue Methoden, das Erscheinungsbild des Menschen so zu kategorisieren (Phänotypisierung), dass an bestehenden und neuen Kohorten oder
Datensätzen der Zusammenhang zwischen Ernährung und
Krankheit neu bestimmt werden kann. Die gewonnenen Erkenntnisse werden den Arbeitsgebieten zwei und drei zur
Verfügung gestellt und fließen in die Entwicklung neuer
Strategien für gesündere Lebensmittel und bessere Ernährungskommunikation ein.
Für das Ziel, neue, sensorisch attraktive Lebensmittel mit
verbessertem Gesundheitswert für die vier spezifischen Lebensphasen zu entwickeln und systematisch in den Zielgruppen zu testen werden die Wünsche und Bedürfnisse
der spezifischen Konsumentengruppen erfasst. Im Fokus
stehen dabei beliebte „Convenience“-Produkte wie Hamburger oder Pizzen. In den einzelnen Teilprojekten wird eng mit
den verschiedenen Partnern aus der Lebensmittelindustrie
und dem Handel zusammengearbeitet und die Akzeptanz
der Produkte bei den Verbrauchern getestet. Damit entsteht
eine einzigartige Plattform für die interdisziplinäre Neuentwicklung und -prüfung von Lebensmitteln.
Im Teilbereich Ernährungskommunikation arbeiten Informatiker, Ernährungswissenschaftler sowie Konsum- und
Verhaltensforscher zusammen, um die Ernährungskom­
munikation unter Nutzung moderner Informations- und
→ Abbildung 2: Lebensphasenmodell im enable-Cluster für Ernährungsforschung
SUB 3/2016
17
Ernährung
Bayerischer Cluster für gesündere Ernährung
Mit dem seit Juni 2015 laufenden neuen Forschungscluster enable greifen Universitäten und Forschungsinstitute
das Thema gesundheitförderliche Ernährung in allen Lebensphasen auf. Der von der Technischen Universität München (TUM) geführte Cluster wird in den kommenden drei
Jahren mit fast 5,8 Millionen Euro vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Sprecher und
Koordinator des Clusters ist Prof. Dr. Hans Hauner, der den
Lehrstuhl für Ernährungsmedizin an der TUM leitet.
Ziel ist es, in der gemeinsamen interdisziplinären Forschungsarbeit gesunde Lebensmittel wie auch „Convenience-Produkte“ zu entwickeln, die sich an den Bedürfnissen
verschiedener Altersgruppen orientieren. Darüber hinaus
untersuchen Wissenschaftler, wie Verbraucher ihre Lebensmittel auswählen und wie sich diese Entscheidungen im
Sinne einer gesunden Wahl beeinflussen lassen. Die Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien sollen dazu beitragen, die Verbraucher über eine
gesündere Ernährung zu informieren und ein vernünftigeres
Essverhalten in der Bevölkerung zu erreichen.
Zum „Lebensphasenmodell“ der verschiedenen Altersgruppen (siehe Abbildung 2) zählen Schwangere, Heranwachsende oder ältere Menschen, die anfällig für Krankheiten sind und bei denen das Essverhalten eine große Rolle
spielt. Für jede der vier Gruppen im Lebensphasenmodell
werden Probanden als „enable-Kohorten“ rekrutiert. Mit
Hilfe der Kohorten werden humane Interventionsstudien
realisiert, deren Ergebnisse in enger Kooperation mit mehreren Teilprojekten des enable-Clusters nutzbar sind.
Ernährung
ERNÄHRUNG
staltungen steht außerdem
allen interessierten Personen offen, um den Wissensund Erfahrungsaustausch
zwischen den akademischen
und wirtschaftsorientierten
Partnern zu fördern und zu
intensivieren.
Mit enable wird der Gesundheitsstatus der Bevölkerung in besonderen
Lebensphasen von Schwangerschaft bis ins hohe Alter
untersucht. Mit den gewonnenen Erkenntnissen können diese Lebensphasen
→ Abbildung 3: Die Partner im enable-Cluster für Ernährungsforschung; Laufzeit: 01.06.2015 – 31.05.2018.
nachhaltig verbessert werEine zweite Phase im Anschluss ist geplant
den. Moderne Informationsund KommunikationstechKommunikationstechnologien zu verbessern und zielgrup- nologien wie APPs, PC-Spiele, Avatare etc. spielen bei der
pengerecht auszurichten. Dabei werden soziale Netzwerke Vermittlung von ernährungsrelevantem Wissen für eine
genutzt, aber auch neue, teilweise interaktive Ansätze wie gesündere Lebensmittelauswahl eine herausragende Rolle.
Spiele („Gaming“) entwickelt, um das Ernährungsverhalten der Zielgruppen im Sinne einer gesünderen Ernährung
Vier bundesweite Cluster
günstig zu beeinflussen. Die Wirksamkeit der neuen Werk- Der enable-Cluster ist einer von insgesamt vier vom Bunzeuge und Inhalte wird dabei ebenfalls systematisch eva- desforschungsministerium (BMBF) geförderten Clustern
luiert.
der Ernährungsforschung. Neben enable gibt es Cluster in
Halle-Leipzig (Kompetenzcluster für Ernährung und kardioWissenschaft Hand in Hand mit Unternehmen
vaskuläre Gesundheit – „nutriCARD“), in Berlin-Brandenburg
Abbildung 3 zeigt die Partner des enable-Clusters in einer (Ernährungsintervention für gesundes Altern – „nutriACT“)
Übersicht. In allen Teilprojekten besteht eine enge Koope- und in Bonn (Von der Epidemiologie zu evidenzbasierter
ration zwischen den ausführenden Wissenschaftlern und Kommunikation: neurodegenerative Erkrankung – „dietBB“).
Unternehmen der Ernährungswirtschaft. Damit wird sicher- Insgesamt wendet die Bundesregierung für die Ernährungsgestellt, dass die Entwicklungen marktorientiert sind und forschungscluster also rund 26 Mio. Euro in den nächsten
von bestehenden oder neuen Unternehmen übernommen drei Jahren auf [2].
und als Produkte auf den Markt gebracht werden können.
Zur Unterstützung von Innovationen im Ernährungs- und
Literatur
Lebensmittelbereich unterhält enable ein eigenes Innova- [1] Nationale Verzehrsstudie II, 2008. MRI – Max Rubner
tionsbüro, das Produkt- und soziale Innovation gezielt vorInstitut, Haid-und-Neu-Straße 9, 76131 Karlsruhe.
antreibt. Dazu gehört nicht nur die Beratung bereits aktiver
http://www.mri.bund.de/NationaleVerzehrsstudie
Start-ups sondern z. B. auch das Scouting nach neuen Pro- [2] http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/5657.php
duktideen und deren umfassende Förderung entlang der
(letzter Aufruf: 10. November 15)
gesamten Innovationskette.
Interdisziplinarität gibt den Ausschlag
Eine Besonderheit des enable-Clusters ist sein breites Spektrum an Disziplinen und Methoden, von biomedizinischen
Ansätzen über moderne Sensorik bis hin zu Verbraucherforschung, Soziologie und Informatik. Regelmäßige gemeinsame Seminare, Workshops und andere Veranstaltungen
stellen sicher, dass ein enger interdisziplinärer Austausch
zwischen den Arbeitsgebieten erfolgt. Ein Teil dieser Veran-
18
DR. ANDREA SPANGENBERG (OHNE BILD)
KOMPETENZZENTRUM FÜR ERNÄHRUNG
FREISING
[email protected]
DR. KERSTIN DRESSEL
TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN
ENABLE-CLUSTERS
[email protected]
SUB 3/2016
Heil- und
HEILUND GEWÜRZPFLANZEN
Gewürzpflanzen
Forschung und Beratung für
den Kräuteranbau
Arbeitsgruppe Heil- und Gewürzpflanzen an der Bayerischen Landesanstalt für
Landwirtschaft
von DR. HEIDI HEUBERGER: Der Anbau von Heil- und Gewürzpflanzen erfordert viel Spezial­
wissen und Erfahrung, so dass spezialisierte Landwirte die Beratung nicht an allen Ämtern
erhalten. Die Landesanstalt für Landwirtschaft, im speziellen die Arbeitsgruppe Heil- und
Gewürzpflanzen, steht als Ansprechpartnerin für die Anliegen der Landwirte, Berater und
Firmen der Branche in Bayern zur Verfügung. Die angewandte und möglichst praxisnahe Forschung baut darauf auf. Dabei stehen die hohe Qualität der heimischen Produkte sowie deren Bestehen im internationalen Wettbewerb im Zentrum.
Beratung durch die LfL
Bei den Arznei- und Gewürzpflanzen handelt es sich meist
um anspruchsvolle Kulturen, die vom Landwirt viel Wissen
und Erfahrung erfordern. Davon hängt ab, ob wettbewerbsfähige und hochwertige Ware erzeugt und vermarktet werden kann. Aus dieser Tatsache ergibt sich ein hoher Bedarf
an Forschung und Beratung. Dem stehen in Anbetracht der
Artenvielfalt und der geringen Anbauflächen begrenzte
Kapazitäten für diese Aufgaben gegenüber. Insofern ist
eine deutschlandweite Zusammenarbeit aller Akteure unverzichtbar. An der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) widmet sich die Arbeitsgruppe „Heil- und
Gewürzpflanzen“ des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der angewandten Forschung und Beratung
für die Praxis.
Die Arbeitsgruppe ist Anlaufstelle für alle Fachfragen
rund um den feldmäßigen Anbau und die Erstverarbeitung
von Arznei- und Gewürzpflanzen. Ausgenommen sind
Fragen des Pflanzenschutzes, hier sind die Kollegen vom
LfL-Institut für Pflanzenschutz zuständig. Die meist telefo-
SUB 3/2016
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
Der Anbau von Arznei- und Gewürzpflanzen ist gekennzeichnet durch eine große Vielfalt von angebauten Arten,
geringe Anbauflächen (von wenigen Quadratmetern bis
circa 1 000 Hektar je Art), hohe Qualitätsanforderungen an
die Rohware, sowie durch die hohe Wertschöpfung, die bis
zum Endprodukt generiert wird. In Bayern werden auf knapp
2 000 Hektar über 50 verschiedene Arten angebaut, die ihre
Verwendung in pharmazeutischen Produkten, Nahrungsmitteln (z. B. Küchenkräuter, Tees), Nahrungsergänzungsmitteln, Futtermittelzusätzen sowie Kosmetika finden. Die
getrocknete Rohware, die sogenannte „Droge“, steht dabei
im internationalen Wettbewerb.
→ Bild 1: Biodiversität pur – der Schaugarten mit Europäischen und
Chinesischen Arznei- und Gewürzpflanzen am Baumannshof
nisch oder per E-Mail eingehenden Anfragen reichen vom
bayerischen Landwirt, der am Einstieg in diese besonderen
Kulturen interessiert ist, bis zum Mitarbeiter eines Unternehmens, der z. B. spezifische Informationen zur Qualitätsbeeinflussung seiner Pfefferminze-Rohware sucht. Je nach
Fragestellung wird auf eigene Erkenntnisse sowie auf eine
umfangreiche Literatursammlung zurückgegriffen, oder es
werden Fachkollegen im deutschsprachigen Raum empfohlen. Allgemeine Informationen zum Anbau, zur Destillation Ätherischer Öle und Kulturanleitungen zu einer Reihe
von Arznei- und Gewürzpflanzenarten sind als Teil des Beratungsangebots auf den Internetseiten der Arbeitsgruppe
zu finden (siehe Infobox).
Beratungs- und Informationsnetzwerke
Eine einzelbetriebliche Beratung vor Ort auf den Betrieben
ist von Seiten der LfL nicht möglich. Diese leisten in Gebieten
19
Heil- und Gewürzpflanzen
Infobox: Wichtige Informationsquellen für den
Anbau von Arznei- und Gewürzpflanzen
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
Folgende Unterlagen wurden verwendet und können
bei den Autorinnen angefordert werden:
• Fragebogen zu positiven Situationen, Frage Internetseiten der LfL-Arbeitsgruppe Heil- und Gewürzpflanzen: http://www.lfl.bayern.de/ipz/heilpflanzen/
• LfL-Kulturanleitungen zum Download oder als
Druckversion: http://www.lfl.bayern.de/ipz/heilpflanzen/030708/index.php
Einführungsliteratur für interessierte Neueinsteiger:
• Dachler, M. und H. Pelzmann (1999): Arznei- und Gewürzpflanzen. Anbau- Ernte- Aufbereitung. Österreichischer Agrarverlag, Klosterneuburg, 2. Auflage.
• Plescher, A. (2014): Arzneipflanzenanbau als landwirtschaftlicher Erwerb. Praxisleitfaden für den Einstieg in
den Arznei- und Gewürzpflanzenanbau. HLBS Verlag,
Berlin.
Ausführliche weiterführende Literatur für Landwirte,
Beratung, Ausbildung und Forschung:
• Hoppe, B. (Hrsg.) (2009 bis 2013): Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenbaus. 5 Bände. Verein für Arznei- und Gewürzpflanzen SALUPLANTA e. V. Bernburg.
• http://www.saluplanta.de
• KTBL (2002): KTBL-Datensammlung Heil- und Gewürzpflanzen mit CD-ROM, KTBL-Schriftenvertrieb im Landwirtschaftsverlag, Münster. (derzeit leider vergriffen,
Neuauflage und Online-Ausgabe in Vorbereitung)
mit konzentriertem Anbau von Küchenkräutern oder Teeund Arzneipflanzen einzelne erfahrene Berater des Amtes
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten oder des Gemüseerzeugerrings. Darüber hinaus sind in Bayern private
Spezialberater für Sonderkulturen aktiv, deren Service von
größeren Betrieben und von Unternehmen in Anspruch genommen wird. Von besonderer Bedeutung sind schließlich
die Fachleute in den Rohwareabteilungen der abnehmenden Hand, die ihre Vertragslandwirte im Sinne der Qualitätsund Mengensicherung beratend unterstützen.
Die Berater sind wiederum mit den Fachleuten der LfL
bestens vernetzt, sowohl im direkten Kontakt als auch z. B.
im Öko-Arbeitskreis Arznei- und Gewürzpflanzen der LfL sowie im Verein zur Förderung des Arznei- und Gewürzpflanzenanbaus in Bayern. In den Mitgliederversammlungen des
Fördervereins, zu dessen Mitgliedern auch Landwirte und
Unternehmen der abnehmenden Hand zählen, werden mit
regelmäßiger Beteiligung der LfL aktuelle Themen vorgestellt, mit der Praxis diskutiert und es wird nach Lösungen
gesucht.
20
Über die bayerischen Grenzen hinweg vertritt und unterstützt die Autorin und Leiterin der LfL-Arbeitsgruppe die
Belange der Landwirte in nationalen Branchen-Gremien wie
dem Deutschen Fachausschuss für Arznei-, Gewürz- und Aromapflanzen (DFA). Zudem ist sie als Expertin für den Anbau
unter anderem in der Arbeitsgruppe „Arzneipflanzenanbau“
der Forschungsvereinigung der Arzneimittel-Hersteller e. V.
(FAH), dem Ausschuss „Pharmazeutische Biologie“ der Deutschen Arzneibuchkommission und im ISO TC249 „Traditional
Chinese Medicine“ tätig. Auf diese Weise trägt die LfL zur fachlichen und strategischen Klärung von auftretenden Problemen
und Herausforderungen in der gesamten Branche bei.
Forschungsthemen aus der Praxis
Aus der Beratungspraxis und den Kontakten mit der Industrie hat die LfL eine Reihe von praxisnahen Forschungsthemen aufgegriffen und teils in einzelnen Versuchen, teils in
größeren Forschungsprojekten bearbeitet. So gehen die aktuellen Arbeiten zur nicht-chemischen Unkrautregulierung
auf die Beratungen und die hohe Priorisierung im Öko-AK
Arznei- und Gewürzpflanzen der LfL zurück. Die seither erfahrene hohe Resonanz bei Veranstaltungen und Vorträgen
bekräftigt deren Praxisbedeutung, auch für den konventionellen Anbau. Im Fall der Inkulturnahme von Heilpflanzen
für die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) ging die Initiative von einem deutschen TCM-Arzt aus, der im heimischen
Anbau eine Chance für die Verbesserung der Qualitäts- und
Versorgungssicherheit einiger TCM-Kräuter sah. Aus dem interdisziplinären Forschungsprojekt ist inzwischen ein ebensolches interdisziplinäres Netzwerk von Wissenschaftlern,
Landwirten und Händlern geworden, dessen Erkenntnisse
und Erfahrungen u. a. in Monographien (Qualitätsvorschriften) des Europäischen Arzneibuchs und in die ISO-Standards
zur TCM Eingang fanden.
BLBP-Herkünfte und „richtige Sorten“
Die Artenvielfalt und der geringe Anbauumfang machen die
Entwicklung und den Schutz von Sorten für Züchtungsunternehmen wenig lohnenswert. Auch kann das Saatgutverkehrsgesetz für die meisten Arten nicht angewandt werden,
sie fehlen in dessen Artenliste. Nur für bedeutende Arten,
wie z. B. Petersilie, Dill und Kamille, gibt es eine Auswahl
geschützter Sorten. Demgegenüber gibt es von vielen Arten nicht geschützte Sorten, deren sortencharakteristische
Erhaltung nicht gewährleistet ist. So wurden an der LfL zum
Beispiel 15 verschiedene Herkünfte der Baldriansorte ‘Polka‘
und neun von ‘Anthos‘ gesammelt, die sich teilweise deutlich in der Ertragsleistung und in den Inhaltsstoffgehalten
unterscheiden. Vor diesem Hintergrund wurden in den 80er
und 90er Jahren an der LfL viele Herkünfte von verschiedenen Arten und ungeschützten Sorten auf ihre agronomische
Leistung und die erzielbare Drogenqualität untersucht. Die
SUB 3/2016
Heil- und Gewürzpflanzen
→ Bild 2: Das Sortiment von über 150 Minzeklonen wird für die Nutzung
in der Praxis erhalten
→ Bild 3: Großes Interesse fand der Baldrianfeldtag 2012, an dem
Forschungsergebnisse des Verbundprojekts „KAMEL“ am
Ergebnisse wurden als Entscheidungshilfe zur Sortenwahl
publiziert. Darüber hinaus wurden Saat- und Pflanzgut der
besten Herkünfte als sogenannte BLBP-Herkünfte zur Vermehrung und Nutzung an die Praxis abgegeben und haben sich dort bewährt. Der besonders ölreiche Zitronenmelisse-Klon BLBP 33 hat sogar Berühmtheit erlangt. Die
beschriebenen Sammlungen der klonvermehrten Arten wie
Minzen (> 150 Klone, siehe Bild 2), Melisse (> 80 Klone), Meerrettich und Knoblauch werden bis heute an der LfL erhalten und bei Gelegenheit erweitert. Das Material steht für die
weitere Forschung und Züchtung sowie zur Nutzung durch
Landwirte und Unternehmen zur Verfügung.
An der LfL fanden bzw. finden zudem Züchtungsarbeiten
statt, die weit über die Herkünfteprüfungen hinausgehen.
Die Züchtung bei Arnica montana, die die vielgenutzte Sorte
‘Arbo‘ hervorbrachte, oder aktuell bei Baldrian begründet sich
aus dem Bedarf der Praxis und dient zur Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Anbaus dieser Arten.
Technologieentwicklung
Als erfolgreiches Beispiel der Technologieforschung an der
LfL kann die Entwicklung der Wasserdampf-Destillationsanlage für die feldnahe Gewinnung Ätherischer Öle aus frischem Pflanzenmaterial genannt werden. Die hochwertigen
Öle, die damit auf besonders schonende Weise gewonnen
werden, finden z. B. Anwendung in der Aromatherapie.
Forschungsnetzwerk unterstützt und inspiriert
Die vielfältigen Forschungsaufgaben der AG Heil- und Gewürzpflanzen können nur dank der engen Zusammenarbeit
mit Kollegen anderer Arbeitsgruppen an der LfL realisiert werden. Dazu gehören vor allem die beiden LfL-Versuchsbetriebe
Baumannshof und Puch, die IPZ-Arbeitsgruppen Beschaffenheitsprüfung Saatgut, Gewebekulturtechniken, Hopfen Genomanalyse, sowie die Kollegen des Pflanzenschutzes und
der Analytik. Darüber hinaus gibt es fallweise Kooperationen
mit der TU München, der Hochschule Weihenstephan-TriesSUB 3/2016
dorf oder mit Partnern aus der Wirtschaft. Hervorzuheben ist
hier das interdisziplinäre Netzwerk zum Anbau hochwertiger
Chinesischer Heilpflanzen, zu dem die LfL (Leitung des Netzwerks), die Karl-Franzens-Universität Graz, die Ludwig Maximilians Universität München, die TCM-Ärzteverbände DECA
und SMS sowie die Firma Kräuter Mix gehören.
Die Forschungsprojekte sind meist über staatliche Drittmittel finanziert, teilweise unter finanzieller Beteiligung von
Unternehmen und landwirtschaftlichen Betrieben. Auch
industriefinanzierte Projekte wurden z. B. zu Pfefferminzklonen und zur Anbauoptimierung von Eisenkraut durchgeführt. Da die staatlich finanzierte LfL keine Exklusivforschung für einzelne Unternehmen durchführt, muss in von
der Industrie initiierten Forschungsarbeiten ein festzulegender Teil der Ergebnisse in der Beratung und zur Veröffentlichung genutzt werden.
Mit dem Wissenstransfer schließt sich der Kreis
Die Ergebnisse und Erfahrungen aus den Forschungsarbeiten gelangen über wissenschaftliche und praxisorientierte
Artikel bzw. Vorträge zurück in die Anbau- und Beratungspraxis. Dabei werden vor allem die branchenspezifische
Zeitschrift für Arznei- und Gewürzpflanzen und das jährlich
stattfindende „Bernburger Winterseminar Arznei- und Gewürzpflanzen“ als Wissens- und Diskussionsplattformen genutzt. Je nach Thema werden Feldtage wie zuletzt zu Baldrian (siehe Bild 3), zu Chinesischen Heilpflanzen oder zur
Unkrautregulierung veranstaltet. Und schließlich stellen Beratungsunterlagen und Informationen im Internetangebot
der LfL einen optimalen Wissenstransfer sicher.
DR. HEIDI HEUBERGER
BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR
LANDWIRTSCHAFT
INSTITUT FÜR PFLANZENBAU UND
PFLANZENZÜCHTUNG
[email protected]
21
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
Baumannshof vorgestellt wurden
Heil- UND
HEILund GEWÜRZPFLANZEN
Gewürzpflanzen
Unkrautregulierung im
ökologischen Arznei- und
Gewürzpflanzenanbau
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
von DR. HEIDI HEUBERGER, HANNA BLUM, DR. CHRISTINE HOLZAPFEL und DR. HARALD SCHMIDT:
Unkrautregulierung ist ein „Dauerbrenner“, insbesondere im Ökoanbau der unkrautempfindlichen Kräuterkulturen. Umgekehrt liegen aber systembedingt gerade im ökologischen
Anbau langjährige Erfahrungen in der nicht-chemischen Unkrautregulierung vor. Mit umfangreichen Befragungen von Ökobetrieben in Bayern und Umgebung, von deutschen Anbauberatern und internationalen Geräteherstellern wurde erstmals ein umfassendes Bild der
Unkrautregulierungspraxis im ökologischen Arznei- und Gewürzpflanzenanbau erstellt.
Viele Verarbeiter von ökologisch produzierten Arznei- und
Gewürzpflanzen sind in Bayern ansässig bzw. haben Vertragslandwirte in Bayern. Die Präferenz für regionale und
nachhaltig produzierte Rohware steigt stetig. Um die Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen und deutschen Ökoproduktion dieser Kulturen zu steigern, bedarf es einer
optimierten Unkrautregulierung, insbesondere in der Kulturpflanzenreihe, um die mitunter extrem hohen Handarbeitskosten zu minimieren und Verunreinigungen der
Rohware zu verhindern.
Unkräuter im Erntegut gelten als Fremdbestandteile und
sind grundsätzlich zu minimieren. Die derzeitigen Diskussionen um die pyrrolizidinalkaloidhaltigen Ackerunkräuter, die
als Beifang bei der Ernte z. B. Teekräuter kontaminieren, verschärfen die Notwendigkeit, die Unkrautregulierungsstrategien zu optimieren. Daraus ergibt sich der Bedarf der Praxis,
dass Forschung und Beratung sich dieser Thematik annehmen und das ganze Bündel nicht-chemischer Unkrautregu-
Infobox 1: Weiterführende Informationen
Schlussbericht der Status-Quo Analyse
http://www.lfl.bayern.de/ipz/heilpflanzen/074639/index.php
Übersicht über die Geräte und Verfahren zur nicht-chemischen Unkrautregulierung http://www.lfl.bayern.de/mam/
cms07/ipz/dateien/geräteübersicht_feldtag.pdf
R. Bauermeister, R. Total, D. Baumann, P. Bleeker, M. Koller,
M. Lichtenhahn (Hrsg.) 2005. Unkrautpraxis: Mechanische
Unkrautregulierung im Gemüsebau. Agroscope, Wädenswil, 52 Seiten
22
lierungsmaßnahmen zu optimieren helfen. Dieses beinhaltet indirekte und direkte Maßnahmen wie beispielsweise
Fruchtfolgegestaltung, Bodenbearbeitung und mechanische oder thermische Maßnahmen. Die nicht-chemischen
Verfahren gewinnen wegen der geringen Verfügbarkeit zugelassener Herbizide und der Sensibilität gegenüber Rückständen im Ernteprodukt auch im konventionellen Anbau
zunehmend an Bedeutung.
Status Quo Analyse 2014
In einem ersten Schritt wurde in einem gemeinsamen Projekt der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)
und des Fördervereins Ökoplant e. V. der Status-Quo der Unkrautregulierungspraxis im ökologischen Arznei- und Gewürzpflanzenanbau in Bayern ermittelt, wobei ein Fokus auf
der Unkrautbekämpfung in der Reihe lag.
Die Ziele der Untersuchungen waren:
→→ die erfolgreichen Ansätze und Methoden zur Unkrautregulierung von indirekten Maßnahmen bis
hin zum gezielten Geräteeinsatz zu beschreiben,
→→ Problembereiche mit Handlungsbedarf in Forschung, Beratung und Geräteentwicklung zu identifizieren und
→→ aktuelle Grundlagen für den Austausch zwischen
Landwirten und Beratern sowie für die Optimierung
einzelbetrieblicher Strategien zu schaffen.
Es wurden mittels Fragebögen sechs europäische Gerätehersteller (16 angefragt) sowie 19 Fachberater und Firmenexperten (33 angefragt) interviewt. Mit 32 Betriebsleitern
(von 56 angefragten) wurden fragebogengestützte Interviews schriftlich und telefonisch bzw. vor Ort durchgeführt.
Zudem wurde eine Literatur-, Internet- und Branchenrecherche zu Geräten und zu den Unkrautregulierungsverfahren
in Arznei- und Gewürzpflanzen durchgeführt.
SUB 3/2016
Heil- und Gewürzpflanzen
Ergebnisse
Mit den umfangreichen Befragungen von Ökobetrieben in
Bayern und Umgebung, von deutschen Anbauberatern und
internationalen Geräteherstellern ergab sich erstmals ein
umfassendes Bild der Unkrautregulierungspraxis im ökologischen Arznei- und Gewürzpflanzenanbau.
Systembedingt liegen gerade im ökologischen Anbau langjährige Erfahrungen in der
nicht-chemischen Unkrautregulierung vor.
Die hohe Teilnahmequote der Landwirte und der Berater
an den Befragungen und das Interesse auch von konventionellen Betrieben unterstrichen die Relevanz der Thematik
in der Praxis.
Es wurde deutlich, wie stark die einzelbetrieblichen Bedingungen, Anbaukonzepte und Unkrautregulierungsstrategien variieren (siehe Abbildung 1 und Tabelle 1). Ein effektives Unkrautmanagement ist nur durch ein Gesamtpaket an
aufeinander abgestimmten und erfolgreich durchgeführten
Einzelmaßnahmen möglich.
Die Knackpunkte: Problemunkräuter und sensible
Kulturen
Als Problemunkräuter wurden häufig Quecke, Ackerkratzdistel, Einjähriges Rispengras, Franzosenkraut, Kreuzkräuter,
Nachtschatten, Vogelmiere, Weißer Gänsefuß und Stechapfel genannt. Auf einigen Betrieben treten bereits die sich
ausbreitenden und schwer bekämpfbaren Arten Portulak
und Österreichische Sumpfkresse auf.
Kulturen sind besonders sensibel gegenüber Verunkrautung, wenn diese
→→ direkt gesät werden,
→→ eine langsame Jugendentwicklung aufweisen,
→→ keinen Bestandsschluss erreichen,
→→ mehrjährig sind,
→→ sich flächig ausbreiten oder/und
→→ die Blätter bzw. das Kraut genutzt wird.
Dazu gehören zum Beispiel Petersilie, Blattsellerie, Pfefferminze, Arnika, Thymian und Estragon.
Indirekte Maßnahmen und Bodenbearbeitung
Von den indirekten Maßnahmen wurde der Fruchtfolge, insbesondere dem Kleegras- bzw. Feldfutteranbau, eine besondere Bedeutung zugemessen. Für eine hohe Wirksamkeit
gegen Unkraut sind die erfolgreiche Etablierung eines lückenlosen, wüchsigen Bestandes sowie die Beerntung und die Abfuhr des
Schnittgutes wichtige Voraussetzungen (siehe Bild 1). Der Wechsel mit Wintergetreide ist aussichtsreich gegen
typische „Gemüseunkräuter“. Die Unkrautwirkung von Hackkulturen wird
unterschiedlich bewertet, Dauerkulturen werden meist als Unkrautvermehrer (Quecke!) eingeschätzt.
Ebenso kann mit Bodenbearbeitungsmaßnahmen wie der Stoppelbearbeitung (hier vor allem in Form einer
Unkrautkur), der Grundbodenbearbeitung und der Saatbett­
bereitung
der Unkrautdruck reduziert werden.
Die unterschiedlichen Anforderungen
der Verfahren an Zeitpunkt und Bodenzustand müssen im Rahmen der
Fruchtfolge bzw. des Fruchtwechsels
→ Abbildung 1: Der Anteil an Arznei- und Gewürzpflanzen (AuG) sowie die Bewässerungsmöglicheingeplant werden. Die meisten der
keiten variieren stark in den befragten Betrieben (jeder Balken entspricht einem Betrieb).
befragten Betriebe handhaben Stop-
SUB 3/2016
23
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
Die Auswertung der Befragungen und der Literaturrecherche, sowie die Diskussion der Ergebnisse erfolgten zunächst intern, anschließend im kleinen Kreis mit Beratern
sowie Ende September 2014 öffentlich in einem Feldworkshop zur Unkrautregulierung. Der Projekt-Schlussbericht ist
im Internet abrufbar (siehe Infobox 1).
Heil- und Gewürzpflanzen
Betrieb
Unkrautbewertung 1
1
2
3
4
5
6
7
5
keine
Angabe
5
5
1
4
3
mittel
gut
Getreide
Getreide mit
Untersaat
Kleegras
Böden
Vorfrucht
Kartoffel,
Kleegras
Luzerne
Stoppelbearbeitung
3,5
1
1
1
2
Stoppelb.-tiefe
10
15
15
13
15
Herbst
Herbst
Herbst
Herbst
Frühjahr
Herbst
1
1
0,3
15.-20.04.
ab M03
A04-M04
M03
20.-25.04
M03-E03
E03-A04
Reihenabstand (cm)
33
25
50
25
33
28
36
Beregnung möglich
nein
Ja
ja
ja
ja
ja
ja
4,5
4,5
4
3,5
4
4
4
Pflugtermin
Falsches Saatbett
Sätermin
Ernten
Herbst
1
1,5
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
Direkte Regulierung
Abflammgerät
1
1
1
1
1
Striegel
9
4
4
3
6
3
3
Maschinenhacke
5
8
6
6
2,5
5
5
Handhacke, Jäten oder
Unkrautziehen
2
4
1
4
1
2
1
Ziehen/
schnelle Hacke
3
3
4
2
3
3
Mulcher
3
Abkürzungen: M: Mitte, E: Ende, gefolgt von 03 (März) bzw. 04 (April)
1
1: wenig problematisch, 5: sehr problematisch
→ Tabelle 1: Angaben zu Anbau und nicht-chemischen Unkrautregulierungsmaßnahmen von Petersilie in bayerischen Öko-Betrieben
pelbearbeitung flexibel mit null bis vier Durchgängen, je
nach Anbausituation. Berater empfehlen die Frühjahrspflugfurche vor spät gesäten oder gepflanzten Kulturen als wirk-
→ Bild 1: Nur ein flächig angelegter, gut gepflegter Kleegrasbestand
(rechts) hat ein hohes Potenzial zur Unkrautunterdrückung
24
sames Mittel gegen Quecke und Ackerkratzdistel. Das sehr
wirksame „Falsche Saatbett“ für Direktsaatkulturen wird von
rund zwei Dritteln der befragten Betriebe angewendet. Es
kann jedoch nur praktiziert werden, wenn nicht frühestmöglich im Jahr gesät werden muss und wenn ausreichend
Bodenfeuchte für die Kur bzw. anschließend für die Kultur
vorhanden ist. Um den Sameneintrag von außen einzudämmen, sollten Randstreifen bzw. Fahrgassen rechtzeitig vor
dem Aussamen bearbeitet werden.
Unkrautkontrolle während der Kultur
Der Erfolg von Einzelmaßnahmen zur direkten Bekämpfung
in der Reihe während der Kultur wurde zum Teil sehr unterschiedlich bewertet. Die Fingerhacke wurde von den befragten Landwirten und Beratern positiv bewertet, ist aber
nur auf 9 von 32 Betrieben vorhanden. Fingerhacken werden in Kombination mit Scharhacken eingesetzt, sofern der
Zwischenachsabstand des Geräteträgers dies zulässt; alternativ wird der Heckanbau praktiziert. Auch Abflammgeräte
SUB 3/2016
Heil- und Gewürzpflanzen
→ Bild 2: Einsatz der Fingerhacke mit unterschiedlichen Fingerhärten in
Ringelblume beim Unkrautfeldtag am Baumannshof
wurden von befragten Landwirten positiv bewertet, sind
aber nur auf 13 von 32 Betrieben vorhanden. Für die flächige Bearbeitung v. a. für mehrjährige Kulturen oder nach
der Krauternte haben sich Striegel bewährt, für empfindlichere Kulturen oder Kulturstadien insbesondere ein Präzis­
ionszinkenstriegel. Für das Verschütten kleiner Unkräuter in
der Reihe werden Scharhacken genutzt, die in jedem Betrieb
zum Teil mehrfach vorhanden sind. Der Schütt- oder Häufeleffekt wird durch nahes Heranfahren an die Reihe kombiniert mit schnellem Fahren oder angeschweißten Flacheisen erreicht. Auch der Häufeleffekt der Sternrollhacke wird
genutzt. Das Interesse an automatischen Reihenführungsoder Hacksystemen ist vorhanden, die Akzeptanz bei den
derzeitigen Gerätepreisen und Strukturen jedoch noch gering.
Was fehlt? Informations- und Forschungsbedarf
Zur Optimierung der Unkrautbekämpfung fehlen für viele
Geräte kulturartspezifische Kennzahlen und dokumentierte
Ergebnisse. Diese wären dringend notwendig, da die Gerätewahl oft als sekundär, deren Einsatzzeitpunkt (Pflanzenstadien, Witterung, Bodenbedingungen) jedoch als deutlich wichtiger beurteilt wurde. Als sehr wichtig wurden die
Wartung und die Einstellung der Geräte eingestuft. Kulturartspezifische Informationen wären zudem wichtig für Investitionsentscheidungen hinsichtlich neuer Geräte. Im Gerätehandel sind Erfahrungswerte zum Einsatz in Arznei- und
Gewürzpflanzen bislang nur begrenzt vorhanden.
In einem geplanten Folgeprojekt sollen verschiedene
Geräte zur Regulierung in der Reihe standort- und kulturspezifisch getestet werden. Vor dem eigentlichen Test müssen
die optimalen Einsatzbedingungen ermittelt und die dabei
gewonnenen Erfahrungen für die Praxis nutzbar gemacht
werden. Weitere Lösungsansätze zur Verbesserung der Un-
SUB 3/2016
In den sieben befragten Petersilie anbauenden Ökobetrieben wird die einjährige Kultur mit durchschnittlich vier Krauternten von wenig bis sehr unkrautproblematisch bewertet
(vgl. Tabelle 1). Der Anbau erfolgt nach Kleegrasumbruch,
Kartoffeln oder nach Getreide mit ein- bis mehrfacher Stoppelbearbeitung und Pflügen meist im Herbst. In einigen
Betrieben wird ein falsches Saatbett bereitet, das den Aussaattermin etwas verzögert. Sechs der Betriebe haben eine
Beregnungsmöglichkeit. Die Intensität der mechanischen
Unkrautregulierung variiert zwischen 12 und 20 Arbeitsgängen pro Jahr. Auf fünf der sieben Betriebe wird ca. 14
Tage nach der Aussaat ein Abflammgerät eingesetzt, da die
lange Auflaufphase dieser Umbellifere vielen Unkrautarten
einen deutlichen Vorsprung lässt. Auf allen Betrieben sind
Maschinenhacke und Striegel im Einsatz. In einigen Betrieben wird vor dem ersten Schnitt die Maschinenhacke zweibis fünfmal, z. T. mit Schutzscheiben durchgeführt. Nach den
Schnitten wird, zum Teil in Kombination mit dem Striegel,
gehackt oder zwei Wochen später mit der Hackmaschine in
die Reihen gehäufelt. Die Handhacke im Sinne des Jätens in
der Reihe ist in jedem Betrieb ab vier bis fünf Wochen nach
der Saat bis zum ersten Schnitt ein- bis viermal erforderlich.
Vor jedem Schnitt werden die Bestände meist noch einmal
durchgegangen und große Unkräuter gezogen.
krautregulierung wäre die Weiterentwicklung und Erprobung von organischen Mulchmaterialien, die Geräteentwicklung zur selektiven Bekämpfung bzw. mit Nutzung von
Kamera- oder RTK-Systemen und nicht zuletzt die vertiefte
Kenntnis regulierungsrelevanter Eigenschaften bedeutender Unkrautarten.
DR. HEIDI HEUBERGER
DR. CHRISTINE HOLZAPFEL
BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR LANDWIRTSCHAFT
INSTITUT FÜR PFLANZENBAU UND PFLANZENZÜCHTUNG
[email protected]
[email protected]
DR. HARALD SCHMIDT
HANNA BLUM
ÖKOPLANT E. V.
[email protected]
[email protected]
25
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
Infobox 2: Unkrautbekämpfung in der Praxis –
Beispiel Petersilie
Heil- UND
HEILund GEWÜRZPFLANZEN
Gewürzpflanzen
Kräuterpädagogik als
berufliches Standbein
Umsetzungsbeispiele aus der Praxis
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
Qualifizierung zur Kräuterpädagogin – Was ist einige Jahre nach Ausbildungsabschluss
daraus geworden? Einige Kräuterpädagoginnen stellen ihren Weg vor und zeigen, wie sie
die Ausbildung im Betrieb oder als Standbein nutzen. Dabei sind die Wege vielfältig und
verschieden, gebunden an die betrieblichen Voraussetzungen, die persön­lichen Neigungen
oder beruflichen Möglichkeiten. In loser Folge stellen sich die Kräuter­pädagoginnen den
Fragen und können so anderen Interessenten Perspektiven aufzeigen und bei der Ideen­
findung helfen.
Wir starten in Mittelfranken. Anna-Maria Rupp lebt mit ihrer Familie in der Kohlmühle bei Treuchtlingen. Ihr Mann
bewirtschaftet den landwirtschaftlichen Betrieb mit Mastschweinen und einer Biogasanlage. Auf der Wülzburg, einem
Renaissance-Schloss bei Weissenburg, arbeitet Anna-Maria
Rupp im fünfundzwanzigsten Jahr als Fachlehrerin an der
Berufsfachschule für Kinder- und Altenpflege sowie der Berufsschule zur sonderpädagogischen Förderung der Rummelsberger Diakonie.
Frau Rupp, Sie binden Ihre Qualifikation zur Kräu­
terpädagogin beruflich ein. Was begeistert Sie so sehr
am Thema „Essbare Wildkräuter“?
Wie der Name schon sagt, essbare Wildkräuter sind Pflanzen
ohne nennenswerte Hege und Pflege. Sie sind in der Natur
um uns herum seit vielen Jahren gewachsen, gemäht und
wieder von neuem geworden. Sie haben Blüten und Samen
entwickelt, um dann im nächsten Jahr wieder zu wachsen.
Wenn man wie ich im Unterricht in Ernährungslehre die
Themen Fotosynthese und Zuckeraufbau vorstellt, werden
diese faszinierenden Vorgänge, die in der Natur täglich stattfinden, plötzlich ein Phänomen. Da werden Kohlendioxid
und Wasser bei „Sonnenschein“ im Blattgrün der Pflanze zu
hoch komplexen Molekülen umgewandelt. Es entstehen
Kohlenhydrate in verschiedensten Arten, die dann wiederum pflanzenspezifisch umgewandelt werden. Meine Schüler und Schülerinnen lernen dies und staunen nicht schlecht,
wenn die Erkenntnis folgt, dass jede noch so kleine Pflanze
diesen komplizierten Vorgang ganz selbstverständlich vollbringt.
Sie sind im Hauptberuf Lehrerin. Wie schlägt sich
das in Ihrem Angebot als Kräuterpädagogin nieder?
Als Lehrkraft bin ich ständig in Aktion mit Erklären, Phänomene aufdecken, neugierig machen und sinnliches Erleben
26
→ Bild 1: Anna-Maria Rupp mit Schülern bei der Pflanzenbestimmung
anbahnen. Im Evangelischen Bildungszentrum in Pappenheim biete ich wildkräuterspezifische Vorträge oder Workshops an, z. B. in der Sommerfreizeit für Großeltern und Enkel. Verschiedene Altersgruppen sind einfach spannend und
immer wieder eine Herausforderung.
Mein Angebot richtet sich auch an Grundschulen (siehe
Bild 1). Die Kinder sammeln auf einer Wiese, wir sortieren
und bestimmen die Pflanzen draußen gemeinsam. Im Klassenzimmer werden die gesammelten Schätze weiterverarbeitet. Viele Schuljahrgänge kommen so in den Genuss der
Wildkräuter und kennen dann die Pflanzen und mich als
Kräuterpädagogin in späteren Jahren.
Wie nutzen Sie die Lage Ihres landwirtschaftlichen
Betriebs?
Mein Zuhause, die Kohlmühle, liegt am Fuße des Nagelberges als Einzelhof mitten in der Landschaft. Um uns herum
sind Wiesen, Äcker, Trockenrasen, Feuchtwiesen mit Bachlauf, Wald und Hecke, vielfältige Standortverhältnisse, von
SUB 3/2016
Heil- und Gewürzpflanzen
Sie haben also auch in Ihrem Hauptberuf die
Möglichkeit, Ihr Kräuterwissen einzubringen?
Ja, an unserer Berufsschule stand die Erneuerung des Gartens an. Meine Aktivitäten mit Wildkräutern begeisterten
meine Schulleiterin. Sie unterstützte mich und ließ mir
freie Hand bei der Erneuerung des Schulgartens (siehe
Bild 2). Der Garten wurde in verschiedene Beete aufgeteilt, die jeweils eine andere Wahrnehmung der Pflanzen
ermöglichen. Da ich häufig mit Jugendlichen und jungen
Erwachsenen zu tun habe, war es wichtig von bekannten
Themen (Tiergarten, Alphabet, usw.) aus zu gehen, um ins
komplexe Reich der Pflanzen zu kommen. Am Eingang des
Gartens befindet sich z. B. der Pflanzentiergarten (siehe
Bild 3). Das sind Pflanzen mit Tiernamen, wie Gänseblümchen, Löwenzahn, Fette Henne, alles essbare Wildpflanzen.
→ Bild 2: Der Schulgarten auf der Wülzburg bei Weissenburg, der
Bereiche mit althergebrachten Heilpflanzen (siehe Bild 2),
ein Farbenbeet und ein Duftpflanzenbeet zeigen die Vielfalt der Kräuterwelt. Mein Favorit ist das Alpha-Beet, wo die
Pflanzen geordnet nach dem ABC wachsen (siehe Bild 4).
Dieses Erlebnis im Garten habe ich verschiedensten
Schülern und ebenso Erwachsenen vermittelt. Die Teilnehmer erfolgreicher Lehrerfortbildungen oder anderer Fortbildungsveranstaltungen mit Kräuterpädagogen waren von
der Didaktik begeistert.
Welche Schritte wurden unternommen, um die
Kräuterpädagogik einzubinden?
Schon während der Qualifizierung begann ich die Kräuterpädagogik in meine Tätigkeit als Fachlehrerin einzubinden.
Sie ist ein fester und wachsender Bestandteil, ich bekomme
durch meine Arbeit mit vielen Menschen ja auch immer wieder neue Anregungen.
In meinem Fall ist die Umsetzung der Kräuterpädagogik
stärker in meinem Hauptberuf erfolgt. Meine Begeisterung
für das Thema wollte ich jedoch unbedingt auch auf unserem Hof umsetzen. So ist im angebauten Wintergarten ein
Seminarraum für 20 Personen entstanden, in dem referiert
und gegessen werden kann. Die Küche wurde nach hygienischen Erfordernissen umgebaut. Zusatzgeräte wurden
sukzessiv beschafft.
Wie lange hat der Einbindungsprozess gedauert?
Der Prozess hat mit dem Abschluss der Ausbildung zur Kräuterpädagogin im Jahr 2006 begonnen und hält an, denn immer wieder kommen neue Ideen, um manches noch effektiver zu gestalten.
→ Bild 3: Pflanzentiergarten, hier das Gänse-Fingerkraut
schemenhaft einen Kräutermensch zeigt
SUB 3/2016
27
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
nass bis trocken. Die eigenen Flächen bieten gute Bedingungen für das Suchen, Erklären und Sammeln von Wildpflanzen. Diesen Vorteil nutze ich auch, um Zusammenhänge
von Standortbedingungen und Vegetation zu vermitteln.
Das Gleiche gilt für die landwirtschaftliche Grünland- und
Ackernutzung.
Ich habe die freigewordene Küche unseres Mehrgenerationenhauses mit Kücheninventar nach Absprache mit dem
zuständigen Lebensmittelkontrolleur erneuert. Mein Beruf
als Fachlehrerin kam mir hier bei der Planung, der Vor- und
Zubereitung der Speisen sowie den umfassenden Hygienevorschriften voll entgegen. Mein Ziel war, nach einer Kräuterwanderung die Gäste mit Wildkräuterspezialitäten zu verwöhnen, die Wildkräuter mit allen Sinnen zu erleben. Diese
Sinnesschulung kann ich auch im Garten an der Schule einsetzen.
Heil- und Gewürzpflanzen
→ Bild 4: Alpha-Beet, Pflanzen von A bis Z in einem Beet
→ Bild 5: Zusätzlich zum Schulgarten betreut Anna-Maria Rupp die
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
Schulimkerei
Welche berufliche Ausbildung oder andere Qualifi­
kation haben Sie?
Ich bin ausgebildete Fachlehrerin für Handarbeit und Hauswirtschaft. Begonnen habe ich mit der Ausbildung zur
städtischen, dann zur ländlichen Hauswirtschafterin. Verschiedene Praktika in hauswirtschaftlichen Großbetrieben
folgten und anschließend der Abschluss zur städtischen Betriebsleiterin. Da mir das Unterrichten schon immer gefiel,
besuchte ich ein Pädagogisches Institut mit anschließendem
Referendariat zur Fachlehrerin. An den beruflichen Schulen
begann ich, hauswirtschaftliche Fächer zu unterrichten.
Mein Werdegang ist für meine derzeitige Tätigkeit als
Lehrkraft stimmig. Ich kann mein berufliches Wissen komplett bei der Ausübung als Kräuterpädagogin einsetzen und
das Kräuterwissen komplett in die Schule integrieren. Eine
hauswirtschaftliche Vorbildung kann im Umgang mit Lebensmitteln von großem Nutzen sein.
Sehr wichtig finde ich bei Führungen auf dem Hof, die
tatsächliche Situation in der landwirtschaftlichen Praxis aufzuzeigen. Hier nutze ich die Chance, mit den Besuchern, die
ja gleichzeitig Verbraucher sind, in den Dialog zu kommen.
Welche Ausbildungsmodule der Landwirtschafts­
verwaltung haben Sie genutzt?
Nach fünfzehnjähriger Tätigkeit als Lehrkraft wollte ich neue
Impulse setzen. So meldete ich mich bei der Qualifizierungsmaßnahme zur Kräuterpädagogin am Amt für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten (AELF) Ingolstadt an. Der Kurs
wurde damals noch umfassend finanziert, die Inhalte und
Ziele waren auf eine Umsetzung im landwirtschaftlichen Betrieb aufbereitet.
Eine zusätzliche Qualifizierungsmaßnahme, die in Kooperation der IHK mit dem AELF Ingolstadt für das Inverkehrbringen von freiverkäuflichen Arzneimitteln stattfand,
wurde erfolgreich mit Prüfung abgelegt.
„Wir wollen, dass die Verbraucher mit uns
reden und nicht über uns.“
Was würden Sie anderen raten, die eine Diversifizie­
rung anstreben?
Wichtig ist, dass ich das tue, was ich wirklich will und dafür
auch Verantwortung übernehme. Wenn sich zeigt, dass etwas nicht zu mir passt, darf ich es ändern.
28
Frau Rupp, vielen Dank für das Interview.
DAS INTERVIEW FÜHRTE:
JUTTA KOTZI
BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR
LANDWIRTSCHAFT
[email protected]
SUB 3/2016
Heil- und
HEILUND GEWÜRZPFLANZEN
Gewürzpflanzen
Krankheiten und Schädlinge
auf dem Vormarsch
Entwicklungen, Probleme und Strategien
von FRANK ANGERMÜLLER: Seit der Mensch Handel treibt und die Weltmeere befährt gelangen durch die Globalisierung zunehmend mehr Krankheiten und Schädlinge aus aller Welt
nach Europa. Ein Teil dieser Krankheiten und Schädlinge kann massive Probleme an Pflanzen
verursachen. Es könnten dadurch sehr hohe finanzielle Schäden bis hin zu einer „Ölkrise“ entstehen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Aus diesem Grunde ist es notwendig, dass die grünen Profis vor Ort die wichtigsten Schaderreger kennen, sich deren Bedeutung bewusst sind und die zur Bekämpfung notwendigen Maßnahmen einleiten.
→ Bild 1: Der Eichenprozessionsspinner breitet sich aus
Klimawandel begünstigt Einwanderung
Die Ökosysteme in Mitteleuropa dürfen nicht statisch betrachtet werden, sondern unterliegen ständig einer dynamischen Veränderung durch die sich verändernden klimatischen Bedingungen und den Menschen. Ein Beispiel hierfür
stellt der heimische Eichenprozessionsspinner dar, der sich
auf Grund des Klimawandels mittlerweile in ganz Deutsch-
land verbreitet hat (siehe Bild 1). Seit 2012 hat er sich als
bundesweiter Schädling etabliert mit den Schwerpunkten
in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin,
Brandenburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Die Larven
bilden mit dem dritten Larvenstadium Brennhaare aus. Damit können sie schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen des Menschen verursachen. Neben den Eichen in
SUB 3/2016
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
Seit dem Beginn des weltweiten Handels wandern Schadorganismen, begünstigt auch durch die Klimaerwärmung,
nach Europa ein und können sich ausbreiten. Die Erwärmung des Klimas beschleunigt sowohl die Ausbreitung nach
Norden als auch in höhere Lagen. Die für Europa problematischen, meldepflichtigen Arten stammen zumeist aus Asien
oder Nordamerika, da dort ähnliche klimatische Bedingungen vorliegen und auch entsprechende Wirtspflanzen vorhanden sind. Es fehlen jedoch in Europa die von Natur aus in
den Heimatgebieten vorhandenen Gegenspieler. Diese eingeschleppten Schadorganismen können heimische Arten
verdrängen oder auch Wirtspflanzen zum Absterben bringen. So lebt etwa ein Drittel der eingeschleppten Insekten
an Gehölzen. Einer Risikoanalyse aus den USA zu Folge sind
z. B. 97 Prozent aller Schadorganismen an Bäumen mit Verpackungsholz verbunden. Wie die Funde der letzten Jahre
z. B. beim Asiatischen Laubholzbockkäfer (ALB) zeigen kommen trotz der für Holzverpackungsmaterial und pflanzengesundheitlichen Behandlungs- und Überwachungsmaßnahmen geltenden Vorschriften immer wieder Käfer bzw.
Larven nach Europa. Aus diesem Grunde wurde z. B. im Jahr
2014 am Institut für Pflanzenschutz der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich ausschließlich mit der Bekämpfung des ALB beschäftigt. Außerdem verstärkt Bayern seit
dem Jahr 2015 die Importkontrollen.
29
Heil- und Gewürzpflanzen
Wäldern sind zunehmend auch die Eichen des innerstädtischen Grüns (Alleen, Parks, Spielplätze …) befallen. Für den
Schutz der Eichen vor Fraßschäden gilt das Pflanzenschutzrecht. Im Gegensatz dazu stehen im urbanen Bereich die gesundheitlichen Auswirkungen im Vordergrund, und so hat
die Bekämpfung nach dem Biozidrecht zu erfolgen.
Garten- und Landschaftsbau als Frühwarnsystem
Die fremden Insekten treten meistens zuerst in Siedlungsgebieten auf. Die Gründe hierfür sind, dass ein Großteil der
verpackten Waren dorthin geliefert wird. Der bedeutsamste
Weg der Einschleppung für an Gehölzen lebende Insekten
ist der Import von Holzprodukten oder der Handel mit Pflanzen. Auch besitzen die Gehölze im Siedlungsbereich oft eine
geringere Widerstandskraft gegenüber dem Befall. Da ein
Befall sehr häufig zuerst an Ziergehölzen auftritt, stellen Gartenbaubetriebe, Baumschulen und insbesondere der Garten- und Landschaftsbau ein Frühwarnsystem dar. Ein besonderes Augenmerk im Hinblick auf das Auftreten von neuen
Krankheiten und Schädlingen muss deshalb bei der Aus- und
Fortbildung von grünen Berufen gelegt werden. Die Bevölkerung und die Politik sind durch das verstärkte Auftreten
z. B. des Asiatischen Laubholzbockkäfers und der rasanten
Ausbreitung der Kirschessigfliege im Jahr 2014 sensibilisiert.
Krankheiten und Schädlinge aus allen Teilen der Welt
Die Infobox zeigt nur einige der bekannteren Arten, die allein
in den letzten 15 Jahren nach Europa gelangt sind und dort
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
Infobox: Beispiele für Schadorganismen, die nach Europa eingeschleppt wurden
Jahr
Schadorganismus
Fundort
Wirtspflanzen
Herkunft
Fundorte (Jahr) Anmerkungen
1999
Kiefernholznematoden
Portugal
Pinus-Arten
Nordamerika
vermutlich um 1905 über Japan nach
China und Europa gelangt; Spanien
(2008, 2010, 2012, 2013); Insel Madeira
(2009) Befallsgebiete weiten sich aus
2000
Citrusbockkäfer (CLB)
Italien
polyphag
China
Deutschland (2008) – Acer palmatum
aus China; Einfuhrverbot (2010-2012)
2000
Coloradotannenrindenlaus,
Schwarze Tannenrindenlaus
Deutschland
Abies-Arten,
Cedrus
atlantica
Nordamerika
Schweiz (2007)
2002
Edelkastaniengallwespe
Italien
Castanea
Ostasien
(China)
Im vergangenen Jahrhundert weitere
asiatische Länder und Nordamerika;
Schweiz (2009); seit Ende 2014 kein
Quarantäneschadorganismus mehr
2003
Eschenprachtkäfer
Russland
Fraxinus
Ostasien
Eschen vorgeschädigt durch
Eschentriebsterben
2005
Buchstriebsterben
(Cylindrocladium buxicola)
Deutschland
Buxus
2006
Buchsbaumzünsler
Deutschland
Buxus
2007
Pseudomonas syringae pv.
aesculi
Deutschland
Aesculus
2007
Marmorierte Baumwanze
Schweiz
2008
1994 in England entdeckt, Schweiz
(ca. 2006)
Ostasien
Schweiz, Niederlande (2007);
Frankreich, Großbritannien (2009);
Ungarn, Türkei (2011)
ca. 100
Wirtspflanzen
Ostasien
u. a. in Deutschland, Italien, Frankreich, Ungarn; verursacht Saugschäden; Überträger Phytoplasmen
Rundköpfiger Apfelbaum­bohrer Deutschland
Obstgehölze
Nordamerika
Einzelfall
2011
Kirschessigfliege
Südeuropa
Obstgehölze
Ostasien
Bayern, BW, Rheinland- Pfalz
2013
Bakterium (Xylella fastidiosa)
Italien
ca. 160 Arten
Amerika
Italien (Apulien) an Olive; Einschleppung vermutlich über Zierpflanzen
aus Costa Rica
2014
Pilz (Sirococcus tsugae)
Deutschland
Cedrus, Tsuga
Nordamerika
Verursacht Schäden an den Triebspitzen; kann zum Absterben führen
2014
Asiatische Hornisse
Deutschland
Ostasien
Seit 2004 in Frankreich; Insektenjäger
(heimische Hornisse, Bienen)
30
SUB 3/2016
Heil- und Gewürzpflanzen
Einwanderer aus Asien
Der Eschenprachtkäfer (Agrilus planipennis) wurde vor ca.
zehn Jahren in Nordamerika eingeschleppt. Seit ca. 2003
breitet er sich auch in Europa von Moskau nach Westen
hin aus. Er befällt Eschen und tötet sie innerhalb kurzer
Zeit ab.
Im Bereich des Bambus gab es früher kaum Schädlinge
in Mitteleuropa, die den aus Asien, Nord- und Südamerika
stammenden Arten und Sorten hätten gefährlich werden
können. Die sehr anpassungsfähige Bambusmilbe ist ihren
Wirtspflanzen aus Asien mit Hilfe des weltweiten Handels
mittlerweile jedoch gefolgt. Im Gegensatz zu den heimischen Gemeinen Spinnmilben überlebt die Bambusmilbe
auch starken Frost und Kälte. Da sie die Eier in ein Gespinstnest legen ist der Einsatz von Kontaktmitteln nicht wirksam.
In Japan werden zur Bekämpfung Raubmilben eingesetzt,
die zurzeit in Europa noch nicht erhältlich sind.
Aus dem Mittelmeerraum
Der Grüne Wacholder-Prachtkäfer (Ovalisia festiva) ist eigentlich ein typischer Vertreter der Fauna des Mittelmeeres. Da der Käfer nur selten vorkam, zählte er zu den vom
Aussterben bedrohten Arten. Während er ursprünglich nur
Wacholderarten (Juniperus, Cupressus) befiel, findet man
ihn in der Zwischenzeit auch auf anderen Gehölzen wie z. B.
auf Thuja und Chamaecyparis. Der Befall führt zum Verbräunen und Absterben von Ästen oder ganzen Pflanzen. Für
den Befall typisch sind die schräg stehenden 4 bis 5 mm
großen, spitz­ovalen Ausbohrlöcher (Borkenkäfer: kleinere
runde Löcher). Befallene Gehölze sollte man häckseln oder
verbrennen.
Aus Nordamerika
Der Rundköpfige Apfelbaumbohrer (Saperda candida) ist
in Nordamerika heimisch. In seiner Heimat ist er einer der
bedeutendsten Schaderreger an Obstgehölzen (bevorzugt
Malus, aber auch Amelanchier, Aronia, Cotoneaster, Crataegus, Cydonia, Prunus, Pyrus und Sorbus). Die Käfer fliegen von
Juli bis September, meist jedoch nur so um die 10 Meter
weit. Die frischen Ausbohrlöcher der Käfer sind ca. 0,8 bis 0,9
cm groß und rund. Sie befinden sich meist an der Stammbasis, können aber auch über den Stamm verteilt sein. Die
Käfer sind markant gefärbt. Sie sind olivbraun und besitzen
zwei weiße bis cremefarbene Streifen, die vom Kopf bis zum
Ende der Flügeldecken verlaufen. Dadurch sind sie gut von
heimischen Arten zu unterscheiden.
SUB 3/2016
Aus Afrika
Der Bananentriebbohrer (Opogona sachari) gehört zu den
Echten Motten. Er stammt ursprünglich aus Afrika. Er befällt
jedoch nicht nur, wie der Name vermuten lässt, Bananen,
sondern auch andere Zierpflanzen wie z. B. Yucca, Ficus-Arten und Palmen. Die Larven fressen im Inneren der Pflanze
und können fleischige Pflanzen ganz aushöhlen. Eine Bekämpfung über Pheromonfallen ist möglich.
Melde- und bekämpfungspflichtige Arten
Meldepflichtig sind alle Schadorganismen, die bereits Quarantänestatus besitzen, sowie „neue“ Schadorganismen, das
heißt solche, die nicht in der Richtlinie 2000/29/EG aufgeführt sind, bisher nicht in Deutschland aufgetreten sind und
Schadsymptome verursachen.
Eine Meldepflicht besteht für jede Person, die „im Rahmen ihres beruflichen oder gewerblichen Umgangs mit
Pflanzen oder Pflanzenerzeugnissen oder hölzernem Verpackungsmaterial Kenntnis vom Auftreten oder dem Verdacht
des Auftretens eines meldepflichtigen Schadorganismus erhält“. Privatpersonen sind zwar nicht zur Meldung verpflichtet, es wird ihnen aber empfohlen, bei einem Verdacht ihren
Pflanzenschutzdienst zu informieren.
Gefürchtete Schädlinge
Der Asiatische Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis; Asian Longhorned Beetle; ALB) (siehe Bild 2) und der
Citrusbockkäfer (Anoplophora chinensis; Citrus Longhorn
Beetle; CLB) sind die zurzeit in Deutschland am meisten gefürchteten Schädlinge an Bäumen. So verursacht der ALB in
seiner Heimat China seit dem Ende der 70er Jahre sehr große
Schäden. Im Norden Chinas wurden bereits mehr als 200
Millionen Bäume vernichtet. Um die Ausbreitung des Käfers
zu vermeiden, besteht in ganz Europa Quarantänepflicht.
Diese Bockkäfer sind an die klimatischen Bedingungen in
Deutschland sehr gut angepasst. Außerdem finden sie eine
Vielzahl von geeigneten Wirtsbäumen (polyphag) vor.
Der Citrusbockkäfer (siehe Bild 3) entwickelt sich im Gegensatz zum Asiatischen Laubholzbockkäfer in der Regel
am Stammfuß und in den Wurzeln. Die Verschleppung erfolgt bei dieser Art nicht über das Verpackungsholz, sondern
vielfach über Pflanzenlieferungen. Jüngere Bäume beginnen nach einem starken Befall schnell abzusterben. Ältere
Bäume können einen Befall eine gewisse Zeit ertragen. In
Italien existiert immer noch ein ca. 40 000 ha großes Gebiet,
in dem der Käfer Schäden verursacht hat.
Ein Befall stellt sowohl eine ökologische als auch ökonomische Bedrohung für Kommunen und die Gartenbesitzer
dar. Er kann zurzeit nur durch das Einschlagen und Häckseln
der befallenen Bäume bekämpft werden. Im Umkreis von
31
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
mehr oder weniger große Probleme bereitet haben. Ein Teil
der eingeschleppten Arten muss auf Grund ihres Risikopotentials sehr genau beobachtet werden.
Heil- und Gewürzpflanzen
→ Bild 2: Asiatischer Laubholzbockkäfer (Foto: LfL, Institut für Pflanzen-
→ Bild 3: Citrusbockkäfer (Foto: LfL, Institut für Pflanzenschutz)
HEIL- UND
GEWÜRZPFLANZEN
schutz)
1 bis 2 km müssen alle Bäume beobachtet werden. Mittlerweile werden auch ALB / CLB Spürhunde für die Suche z. B.
in Baumschulen eingesetzt.
In den USA werden bereits neben Fällmaßnahmen auch
Insektizide für die Baum- bzw. Bodenimpfung eingesetzt.
Ein Forscher in der Schweiz hat in Zusammenarbeit mit einer Firma, die Pflanzenschutzmittel herstellt, eine Impfung
ins Splintholz entwickelt. Sie wird schon zur Bekämpfung
der Kastanienminiermotte eingesetzt. In Zukunft soll sie
auch gegen den Eichenprozessionsspinner und den Asiatischen Laubholzbockkäfer zur Bekämpfung eingesetzt werden können.
Einige Schädlinge (Larven) können mittlerweile auch
über ihr bioakustisches Muster identifiziert werden, wie ein
Projekt des österreichischen Bundesamtes für Wald (BFW)
zeigt. Denn jede Larve verursacht andere Geräusche im Holz,
die abhängig sind von der Größe der Larve, den Mundwerkzeugen und der Holzart. Für den Asiatischen Laubholzbockkäfer, den Bäckerbock und den Roten Palmrüssler gibt es
Audiodateien zur Erkennung.
Die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) ist ein gefürchteter Schädling, da sie ein breites Wirtsspektrum besitzt und
sich stark und schnell vermehrt. Sie befällt gesunde, beerenartige, weichschalige Früchte von der Aprikose bis zur
Weintraube. Ein Befall kann zu einem Totalverlust führen.
Im Rahmen der Bekämpfung spielen Hygienemaßnahmen
(Früchte nicht am Gehölz belassen – in Plastiktüten entsorgen) eine wichtige Rolle. Auch eine Abdeckung mit Netzen
ist möglich. Die Kirschessigfliege kann jedoch immer wieder
in Obstplantagen und Hausgärten über Wildobstarten wie
Holunder, die Kornelkirsche oder wilde Brombeeren einwandern. Im Hinblick auf die Bekämpfung setzt man in der Zukunft auf Netze, eine Weiterentwicklung der Köderverfahren
32
sowie biotechnischer Bekämpfungsverfahren und die Nutzung natürlicher Gegenspieler.
Eine neue meldepflichtige Bakterienkrankheit (Xylella
fastidiosa) bedroht die Olivenbäume in der italienischen
Region Apulien. Bei einer weiteren Ausbreitung droht den
Olivenbäumen in ganz Italien und darüber hinaus ein Massensterben. Das Bakterium stellt aber auch ein erhebliches
Risiko für ganz Europa dar, da es ein sehr großes Wirtsspektrum (u. a. Acer, Citrus, Nerium, Prunus, Quercus etc.) besitzt.
Das ursprünglich aus Amerika stammende Bakterium wird
durch saugende Insekten übertragen. Es wurde vermutlich
über infizierte Pflanzen oder über Insekten in Pflanzenlieferungen nach Italien eingeschleppt.
„Nichts in der Geschichte des Lebens ist
beständiger als der Wandel.“
Charles Darwin (1809 – 1882)
Englischer Naturforscher
Literatur beim Autor
FRANK ANGERMÜLLER
BAYERISCHE LANDESANSTALT
FÜR WEINBAU UND GARTENBAU
ABTEILUNG LANDESPFLEGE
SACHGEBIET FREIRAUMPLANUNG UND
WETTBEWERBE
[email protected]
SUB 3/2016
Ländlicher Raum
LÄNDLICHER
RAUM
Integrierte Ländliche
Entwicklung in Bayern
Starke ländliche Räume durch interkommunale Zusammenarbeit
von BEATRIX DRAGO und CHRISTIANE GROSS: Interkommunale Zusammenarbeit hat
Konjunktur: In Bayern arbeiten derzeit rund 700 Gemeinden in 90 Prozessen der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE) und älteren Kommunalen Allianzen zusammen. Nach
dem Motto „Gemeinsam sind wir stärker“ sollen in einer ILE Synergieeffekte gefördert
und Entwicklungspotenziale erschlossen werden, um für alle beteiligten Gemeinden eine
„win-win-Situation“ zu erreichen. Unterstützt werden die Gemeinden dabei von den Ämtern
für Ländliche Entwicklung. Der ILE-Prozess läuft in mehreren Phasen ab, die in diesem Artikel
erläutert werden. In den darauffolgenden Beiträgen werden konkrete Beispiele für ILE-Prozesse in Bayern vorgestellt.
Ausgangsbedingungen und Potenzialen aufgebaut. Patent­
lösungen gibt es nicht.
Jede ILE beginnt mit Vertrauensbildung
Die Integrierte Ländliche Entwicklung ist ein Prozess, der auf
der freiwilligen Zusammenarbeit von Gemeinden basiert. Zu
Beginn einer ILE steht daher stets die gegenseitige Vertrauensbildung. In einer Initialphase werden die verschiedenen
Interessensvertreter aus Wirtschaft, Behörden, Verbänden
und Vereinen mit den kommunalen Mandatsträgern sowie aktiven Bürgerinnen und Bürgern zusammengeführt,
informiert und motiviert. Hierbei werden auch erste Themen diskutiert und das konkrete ILE-Gebiet festgelegt. Die
Abgrenzung eines Raumes mit gemeinsamen Problemstellungen ist hierbei genauso wichtig, wie ein gutes Verhältnis
der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister untereinander.
Um den Prozess erfolgreich zu beginnen, bereiten sich die
Infobox 1: Vorteile interkommunaler Zusammenarbeit
Infobox 2: Bayerische Schulen für Dorf- und
Landentwicklung
•
In Bayern gibt es drei Schulen für Dorf- und Land-/ bzw.
Flurentwicklung, die in ehemaligen Klostergebäuden untergebracht sind: Thierhaupten, Plankstetten und Klosterlangheim. Als Bildungsstätten besteht ihre Aufgabe darin,
Gemeinden im ländlichen Raum bei einer zukunftsfähigen
Entwicklung zu unterstützen. Eine wichtige Rolle spielt dabei
die Vorbereitung auf eine aktive und verantwortungsvolle
Mitwirkung in den Verfahren und Projekten der Ländlichen
Entwicklung, wie z. B. ILE-Prozessen oder Dorferneuerungsverfahren.
•
•
•
•
Wettbewerbsvorteile durch Bündelung von Kräften
und Standortpotenzialen
Auslastung und Erhalt von Infrastrukturen durch
gemeinsame Nutzung
Effizienzsteigerung durch Bündelung von Ressourcen
und Kompetenzen
Einsparmöglichkeiten durch gemeinsame Einrichtungen wie Bäder, Kläranlagen, Bauhöfe
Gegenseitige Unterstützung anstatt eines kommunalen Konkurrenzwettbewerbs
SUB 3/2016
33
LÄNDLICHER
RAUM
Egal ob demographischer Wandel, Innenentwicklung, Sicherung der Mobilität und Daseinsvorsorge, Veränderungen der
Agrar- und Wirtschaftsstruktur, Energiewende oder Ressourcenschutz – immer mehr Gemeinden erkennen, dass aktuelle und künftige Herausforderungen in der Gemeinschaft
mit anderen Gemeinden besser zu lösen sind (Infobox 1). Die
interkommunale Zusammenarbeit ist ein bewährtes und erfolgreiches Instrument, um die notwendigen strukturellen
Veränderungs- und Entwicklungsprozesse in die Wege zu
leiten. Mit der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE) besteht seit 2005 die Möglichkeit, die Zusammenarbeit ländlicher Kommunen von staatlicher Seite aus fachlich zu begleiten und finanziell zu fördern. Integriert bedeutet hierbei,
verschiedene kommunale Handlungsfelder, Instrumente
und Förderprogramme in einem ganzheitlichen Entwicklungsprozess zu koordinieren und räumlich abgestimmt
einzusetzen. Hierbei wird individuell auf den kommunalen
Ländlicher Raum
LÄNDLICHER
RAUM
beteiligten Gemeinden in einem Seminar an einer Schule
für Dorf- und Landentwicklung auf die ILE vor.
Integriertes Entwicklungskonzept als Grundlage
In einem zweiten Schritt wird gemeinsam mit einem möglichst interdisziplinär besetzten Planungsbüro und unter
Beteiligung engagierter Bürgerinnen und Bürger unter der
Trägerschaft der Gemeinden ein Integriertes Ländliches Entwicklungskonzept (ILEK) erarbeitet: Auf Basis von fachlichen
Untersuchungen und Stärken-Schwächen-Analysen werden Ziele, Handlungsfelder und Maßnahmen für die zukünftige Entwicklung der Gemeinden festgelegt. Hilfestellung
zur Analyse der Gemeinden bietet der Vitalitäts-Check 2.0.
Hierbei handelt es sich um ein datenbankgestützes Instrument, das Leerstände und Baulücken in
Zusammenhang mit Daseinsvorsorgeeinrichtungen, der demographischen
Entwicklung und weiteren Faktoren
erfasst. Das thematische Spektrum der
Maßnahmen in einem ILEK ist sehr breit
und umfasst beispielsweise
→→ die Innenentwicklung samt Revitalisierung von Leerständen,
→→ die Sicherung von Nahversorgung und Mobilität oder auch
→→ die Förderung von Naherholung,
→→ den Ausbau eines landwirtschaftlichen Kernwegenetzes
→→ sowie Hochwasserschutz, Gewässerentwicklung und Bodenschutz.
rung. Bereits während der Erarbeitung des ILEK können
erste Startprojekte ausgewählt werden, mit denen die Umsetzungsphase begonnen wird. Schritt für Schritt kommen
weitere Projekte hinzu.
Neben der Umsetzung durch die Gemeinden selbst, aber
auch durch Dritte, kann eine Vielzahl von Projekten im Rahmen der Dorferneuerung und Flurneuordnung unterstützt
werden. Hierzu gehört auch die Bereitstellung von Flächen
für öffentliche, gewerbliche und landwirtschaftliche Vorhaben im Rahmen des Flächenmanagements und der Bodenordnung.
Darüber hinaus ist es zudem zielführend, Programme
und Instrumente anderer Ressorts einzusetzen, beispiels-
Durch die interkommunale und integrierte Betrachtung können die erarbeiteten Projekte und Maßnahmen
sowohl räumlich als auch inhaltlich aufeinander abgestimmt werden.
In der Konzeptphase wird die sogenannte Steuerungsgruppe gegründet, in der sich regelmäßig die Bürgermeister der beteiligten Gemeinden mit
Vertretern des ALE treffen und nächste
Schritte im ILE-Prozess besprechen und
initiieren.
Umsetzung konkreter Projekte
ist wichtiges Ziel
Ein wesentliches Merkmal von ILE-Prozessen ist deren Umsetzungsorientie-
34
→ Abbildung: Aktueller Stand der ILE in Bayern
SUB 3/2016
Ländlicher Raum
Infobox 3: Merkmale der Integrierten Ländlichen Entwicklung
•
•
•
•
•
Interkommunaler Ansatz: Gemeinden schließen sich
zusammen, um abgestimmte Handlungsansätze zu
erarbeiten und Entwicklungsmöglichkeiten zu
erschließen. Träger eines ILE-Prozesses sind die
beteiligten Kommunen.
Freiwilligkeit: Die Zusammenarbeit der Kommunen
basiert auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit.
Integriert: es werden verschiedene Handlungsfelder
thematisiert und die erarbeiteten Maßnahmen
sowohl inhaltlich als auch räumlich aufeinander
abgestimmt.
Partizipativer Ansatz: Die Erarbeitung des ILEK erfolgt
unter Einbindung lokaler Akteure.
Umsetzungsorientierung: Ziel ist die Umsetzung
konkreter Projekte. Möglichkeiten hierzu bieten z. B.
Dorferneuerungs- oder Flurneuordnungsverfahren.
weise Mittel aus der Wasserwirtschafts- und Landwirtschaftsverwaltung oder aus LEADER.
In der Umsetzungsphase können die Gemeinden durch
eine Umsetzungsbegleitung unterstützt werden. Hierbei
handelt es sich um ein externes Büro, das für die Koordinierung Begleitung und Abwicklung von Projekten zuständig
ist. Untersuchungen der Technischen Universität München
zeigen, dass neben einer mittel- bis langfristigen Regelung
der Trägerstruktur auf interkommunaler Ebene (Rechtsform)
die Umsetzungsbegleitung eine zentrale Rolle bei der erfolgreichen Realisierung von Projekten und dem Erfolg eines
ILE-Prozesses einnimmt.
BEATRIX DRAGO
CHRISTIANE GROSS
BEREICH ZENTRALE AUFGABEN DER
BAYERISCHEN VERWALTUNG FÜR LÄNDLICHE ENTWICKLUNG
[email protected]
[email protected]
Dorfumbau: Dörfer entstehen im Kopf!
Mit dem Thema »Dorfumbau: Dörfer
entstehen im Kopf! – Wie können die Veränderungsprozesse mit den Menschen
gestaltet werden?« hat die Deutsche
Landeskulturgesellschaft (DLKG) Neuland
beschritten und den sozialen Dorfumbau erstmals in einer Tagung intensiv
behandelt. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie angesichts des demographischen Wandels in Schrumpfungsregionen das dörfliche Gemeinschaftsleben
und die sozio-kulturelle Daseinsvorsorge
aufrechterhalten werden können. Die Tagung hat hierzu in Theorie und an Hand
eindrucksvoller Beispiele aufgezeigt,
dass ein Dorfumbau gelingen kann, bei
dem gleichzeitig auch das Engagement
der Bürger aktiviert wird, um »Sorgende
SUB 3/2016
Gemeinschaften« dauerhaft zu etabliert,
die dann eine funktionsfähige Sozialin­
frastruktur nachhaltig gewährleisten. Ein
erfolgreicher Dorfumbau in diesem Sinne
setzt jedoch ein bewusstes Umdenken
aller am Prozess Beteiligten voraus. Damit entstehen Dörfer durch ein Change­
Management zunächst im Kopf, um
dann die Veränderungsprozesse mit den
Menschen gestalten zu können. Auf dem
Weg zu einem ganzheitlichen, demographiegerechten, sozialen Dorfumbau gibt
der Tagungsband wertvolle Beispiel und
grundlegende Strategien an die Hand.
Der Tagungsband und die anderen
vorausgegangenen Hefte aus der
Schriftenreihe der DLKG können daher
allen nachdrücklich empfohlen werden,
die an der Entwicklung ländlicher Räume
und ihrer Dörfer interessiert sind. Alle
Publikationen stehen auch als pdfDownload auf der Homepage der DLKG (http://www.zalf.de/htmlsites/DLKG/Seiten/schrift.html) kostenfrei zur Verfügung.
LÄNDLICHER
RAUM
Wie können die Veränderungsprozesse
mit den Menschen gestaltet werden?
DLKG – Deutsche Landeskultur­gesellschaft
(Hrsg.), 130 Seiten, Schriftenreihe der
DLKG, Heft 12, Softcover, Eigenverlag,
Müncheberg, 2015, 15,00 €, ISSN: 1614-5240
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Karl-Heinz Thiemann
Vorsitzender der DLKG
Universität der Bundeswehr München
Professur für Landmanagement
35
Ländlicher Raum
LÄNDLICHER
RAUM
Räumliche Entwicklungs­
maßnahmen fördern
IRE im Rahmen von EFRE 2014 – 2020 am Beispiel „Ingolstadt und Umland erleben –
Nachbarschaft erfahren“
LÄNDLICHER
RAUM
Von IRMGARD NEU-SCHMID: Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung hat sich zum
Ziel gesetzt, Ungleichheiten zwischen Regionen zu beseitigen und den wirtschaftlichen und
sozialen Zusammenhalt in der Region zu stärken. Der Förderbereich 5 „Nachhaltige Entwicklung funktionaler Räume“ wird ausschließlich im Rahmen von Integrierten Räumlichen Entwicklungsmaßnahmen (IRE) umgesetzt. Ingolstadt ist mit dem interkommunalen Konzept
„Ingolstadt und Umland erleben – Nachbarschaft erfahren“ unter den 20 bayernweit geförderten Projekten. Ziele des Konzepts sind, die in der Stadt-Umland-Beziehung vorhandenen
Potenziale besser auszuschöpfen, neue Netzwerke einzugehen und die Lebensqualität der
Stadt-Umland-Region als wichtiger Standortfaktor für die Region zu erhöhen.
Die Investitionen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) werden auf fünf Förderbereiche mit einem
Gesamt Fördervolumen von 485 Mio. Euro verteilt. Der Förderbereich 5 „Nachhaltige Entwicklung funktionaler Räume“
wird ausschließlich durch die Integrierten Räumlichen Entwicklungsmaßnahmen (IRE) umgesetzt. Dieser Förderbereich umfasst vier Maßnahmengruppen:
→→ 5.1 Förderung von Nichtstaatlichen Museen;
→→ 5.2 Förderung einer nachhaltigen Nutzung von
Baudenkmälern und kulturhistorisch bedeutsamen
Gebäuden;
→→ 5.3 Revitalisierung von Konversions-und Brachflächen sowie Gebäudeleerständen und
→→ 5.4 Grün-und Erholungsanlagen.
Insgesamt stehen für diesen Bereich 58 Mio. Euro EU-Mittel
zur Verfügung.
Fördervoraussetzungen und Auswahlverfahren
Teilnehmen konnten Kooperationen von Kommunen mit
mindestens einer Stadt, die einen funktionalen Raum mit
gemeinsamen Zielen bilden und Bereitschaft zur interkommunalen Zusammenarbeit zeigen. Diese Kooperationen
entwickelten ein integriertes Konzept, das mindestens zwei
Handlungsfelder aus den Bereichen Wirtschaft, Ökologie,
Klima, Soziales und Demografie abdeckt und Projektideen
zu den gewählten Handlungsfeldern enthält.
Zum Wettbewerb für die Konzepterstellung aufgerufen
haben 2013 die Bayerischen Staatsministerien des Inneren
und für Wirtschaft. Die letzte Auswahlrunde erfolgte im April 2015. Derzeit läuft die Projektumsetzung. Die Konzepte
36
Infobox 1: Integrierte Räumliche Entwicklungsmaßnahmen (IRE)
Die Erstellung eines IRE-Konzeptes setzt voraus, dass sich
mehrere Kommunen, darunter mindestens eine Stadt als
Leitkommune, die Bereitschaft zur interkommunalen Zusammenarbeit zeigen, zu einer Kooperation zusammenschließen. Für dieses Kooperationsgebiet wird ein integriertes Konzept mit mindestens zwei Handlungsfeldern erstellt.
Darin werden Projekte zur Umsetzung aus dem EFRE- Maßnahmenbereich 5.1 – 5.4 benannt. Die Auswahl der Konzepte
und auch die Umsetzung erfolgten im Wettbewerb durch ein
IRE-Auswahlgremium.
wurden in einem Zwei-Stufen-Verfahren ausgewählt. In Bayern kamen von mehr als 80 in Stufe 1 eingereichten Interessensbekundungen letztendlich 20 Konzepte von interkommunalen Kooperationen für die Projektumsetzung zum Zug
(siehe Infobox 2).
Förderung
Für die Förderung von Projekten der 20 ausgewählten
Kooperationen stehen 58 Mio. Euro EU-Mittel in der Förderperiode 2014 bis 2020 bereit. Neben der Obersten Baubehörde im Innenministerium sind das Umweltministerium,
das Wirtschaftsministerium und das Kultusministerium am
EFRE-Förderbereich „Nachhaltige Entwicklung funktionaler
Räume“ beteiligt. Die Sachgebiete Städtebau an den Bezirksregierungen stehen für die Beratung bei der Auswahl
SUB 3/2016
Ländlicher Raum
Das Ingolstädter Konzept
Die Stadt Ingolstadt, zwei Kommunen aus dem Landkreis
Eichstätt, die Stadt Neuburg a.D. und der Markt Manching
(Landkreis Pfaffenhofen) haben sich zu einer Kooperation
zusammengeschlossen und im Dezember 2013 die Interessensbekundung zur Teilnahme am Wettbewerbsverfahren
„Nachhaltige Entwicklung funktionaler Räume“ eingereicht.
In einem zweiten Schritt wurde das Konzept für die IRE entwickelt mit dem Ziel, die in der Stadt-Umland-Beziehung
vorhandenen Potenziale besser auszuschöpfen, neue Netzwerke einzugehen und die Lebensqualität der Stadt-Umland-Region als wichtigen Standortfaktor für die Region zu
erhöhen. Die Kooperation erarbeitete ein Leitbild aus den
Ergebnissen der Analyse für das Gebiet, das in vier für die
Region bedeutsamen Handlungsfeldern umgesetzt werden
kann (siehe Abbildung). Als Handlungsfelder mit einer Vielzahl von möglichen Projekten sind im IRE dargestellt:
→→ Reaktivierung von Brach- und Konversionsflächen,
→→ Kultur-Naturerbe und Tourismus,
→→ Schaffung und Optimierung grüner Infrastruktur,
→→ Wirtschaftsstrukturelle Entwicklung.
Ein sehr weitreichendes großes Projekt im Handlungsfeld
„Kultur-Naturerbe und Tourismus“ ist die Landesgartenschau 2020 in Ingolstadt.
Das IRE „Ingolstadt und Umland erleben – Nachbarschaft
erfahren“ wurde von der Bewertungskommission in der letz-
Infobox 2: Ausgewählte Kooperationen und ihre
Leitkommune
Aktivregion Stadt-Land-See (Leitkommune Scheidegg),
ARGE Regental (Reichenbach), Brückenland Bayern-Böhmen (Schönsee), Entwicklungsraum A9 (Pegnitz), Fichtelgebirge (Selb), Haßberge (Haßfurt), Hesselberg Region
(Leutershausen), Ingolstadt und Umland erleben (Ingolstadt), Innovative Energieregion Regensburg (Regensburg),
Landkreis Kronach (Kronach), Markgräfliche Kulturregion
Bayreuth/Land (Bayreuth), Neumarkter Kuppenalb-Allianz
(Velburg), Nördliches Naabtal (Nabburg), Rhön-Grabfeld
(Ostheim v.d.R), Rottaler Hofmarken (Arnstorf ), Seenland
Oberpfälzer Wald (Neunburg vorm Wald), Sonthofner Land
(Sonthofen), Stadt-Umland Rosenheim (Rosenheim), Stadt
und Landkreis Hof – Rand wird Mitte (Hof ), Würzburg-Umland (Gerbrunn).
ten Auswahlrunde Mitte März 2015 ausgewählt. Die konkreten Fördermöglichkeiten der einzelnen Projekte werden
derzeit in enger Abstimmung mit der Regierung von Oberbayern, Sachgebiet Städtebauförderung, geprüft (siehe auch
www.ingolstadt.de).
LEADER und IRE
Das IRE-Gebiet überschneidet sich nur in Teilbereichen mit
den angrenzenden Lokalen Aktionsgruppen ( LAGs), so
→→ die LAG Altmühl-Donau mit der Kommune Großmehring,
→→ die LAG Landkreis-Pfaffenhofen mit dem Markt
Manching und
→→ die LAG Altbayerisches Donaumoos mit der Stadt
Neuburg a. D.
In den Lokalen Entwicklungsstrategien der LAGs wurden
diese Gebietsüberschneidungen jeweils berücksichtigt.
In betroffenen Gebieten wird die Projektauswahl entsprechend auch durch die LEADER Koordinatorin mit IRE abgesprochen. Der Kelten- und Römerweg des Marktes Manching
erfüllt alle LEADER-Kriterien und wird nach Abstimmung
mit der Regierung von Oberbayern als LEADER-Projekt beantragt.
→ Inhalte des Leitbilds für das IRE „Ingolstadt und Umland erleben
– Nachbarschaft erfahren“
SUB 3/2016
IRMGARD NEU-SCHMID
AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
INGOLSTADT
LEADER-KOORDINATORIN OBERBAYERN NORD UND KELHEIM
[email protected]
37
LÄNDLICHER
RAUM
und Umsetzung der Projekte zur Seite. Eine enge Abstimmung mit den Lokalen-Aktionsgruppen erfolgt, soweit sich
Gebietsüberschneidungen ergeben.
Ländlicher Raum
LÄNDLICHER
RAUM
Hofheimer Land – Eine Allianz
für lebendige Ortsmitten
Erfahrungen eines Bürgermeisters mit ILEK
LÄNDLICHER
RAUM
von WOLFGANG BORST: Eine bedarfsgerechte Planung und eine regional angepasste Konzeption erhöht die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung. Die Förderung der Umsetzungsbegleitung macht aus dem gedruckten Papier auch eine nachhaltige Strategie, die
nicht für die Schublade produziert wurde. Da immer mehr Kommunen die Notwendigkeit zur
interkommunalen Zusammenarbeit sehen, wäre es wünschenswert, wenn sich dies auch weiterhin in der Fördermittelpolitik wiederspiegelt. Auch eine langfristige Unterstützung bei der
Beschäftigung der Allianzmanager ist unbedingt notwendig. Wolfgang Borst, 1. Bürgermeister der Stadt Hofheim, sieht für Kommunen wie Hofheim die Integrierte Ländliche Entwicklung als die optimale Entwicklungsmöglichkeit.
Die Gemeinden des nördlichen Landkreis Haßberge haben
schon seit jeher eine enge Verbindung zueinander. Bis zur
Gebietsreform 1972/73 waren sie im Landkreis Hofheim
i.UFr. vereint. Auch anschließend behielt die Stadt Hofheim
als Unterzentrum ihre wichtige Funktion als Versorgungsund Arbeitsort für die umliegenden Gemeinden. Durch die
Bildung der Verwaltungsgemeinschaft Hofheim, der neben
der Stadt selbst die Gemeinden Aidhausen, Bundorf, Ermershausen, Riedbach sowie der Markt Burgpreppach angehören, wurde auch der enge Kontakt auf politischer und
Verwaltungsebene erhalten. Weitere enge Verflechtungen
auf Ebene von Politik, Bevölkerung und Infrastruktur besteht
traditionell zur östlich angrenzenden Marktgemeinde Maroldsweisach.
Die sieben Gemeinden eint aber nicht nur ihre langen
intensiven Beziehungen zueinander; sie stehen heute und
in Zukunft auch vor den gleichen Problemen.
Als sehr dünn besiedelter Raum im ehemaligen Zonenrandgebiet fehlt es an industriellen und hochqualifizierten Arbeitsplätzen.
Einzig die Stadt Hofheim und in Ansätzen der Markt Maroldsweisach bilden hier eine Ausnahme. Die restlichen 51
Ortschaften orientieren sich in diesen Punkten in Richtung
der nächstgrößeren Zentren Schweinfurt, Coburg, Bamberg
oder Haßfurt.
Die hierdurch erfolgte Abwanderung gerade jüngerer
Menschen wird durch das (in gesamt Deutschland) negative
Geburtensaldo verstärkt. Die Folge ist eine Überalterung der
38
→ Die Bürgermeister/in der Allianz-Gemeinden mit Verwaltung und
Vertretern des ALE
Gesellschaft und ein Überbestand an Wohngebäuden, was
zu einem zunehmenden Leerstand besonders in den Ortskernen führt.
Dieser Leerstand im Ortskern initiiert im schlimmsten Fall
eine Negativspirale, die fatal für den ländlichen Raum ist.
Durch den Verlust an Attraktivität verliert der Ortskern seine
Anziehungskraft, Geschäfte und Gasthäuser schließen, auch
wegen der weniger werdenden Kundschaft. Die Ortskerne
verlieren in Folge dessen weiter an Funktion, und die Menschen können nicht im Ort gehalten werden. Gerade das
wachsende Angebot an Wohnraum in den Siedlungsgebieten verschärft diesen Effekt zusätzlich.
Innentwicklung vor Außenentwicklung
Durch die enge Beziehung der Gemeinden untereinander wuchs schnell die Einsicht, dass es sich hier um
SUB 3/2016
Ländlicher Raum
Maßgenschneiderte Leitprojekte für die Region
Neben dem Schwerpunkt Innenentwicklung wurden weitere Leitprojekte definiert und im Detail untersucht:
→→ Bürgerhäuser, ein dezentrales System
→→ Interkommunales Bürgerzentrum
→→ Touristische Inwertsetzung des Landjudentums
→→ Regionales Flächenmanagement
→→ ÖPNV und alternative Erreichbarkeitsstrukturen
Diese fünf Leitprojekte werden von einzelnen Projekten zur
Sicherung der Daseinsvorsorge flankiert.
All diese Projekte und Ziele sind auf den tatsächlichen
Bedarf in unserer Region maßgeschneidert. Genau hier liegt
die Stärke der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE):
Die Schwerpunkte und Handlungsziele
werden von den Regionen individuell aufgestellt.
Es gibt keine starren Förderkonstrukte, in die man sich einpressen muss. Auch der Zuschnitt der ILE-Regionen selbst
folgt den gewachsenen Strukturen und Verflechtungen,
nicht den starren Verwaltungsstrukturen. Nur so können
die Potentiale des ländlichen Raums wirklich weiterentwickelt werden.
SUB 3/2016
→ Titelseite unseres „Allianzboten“ mit dem 3x jährlich alle Haushalte
über die Aktivitäten der Allianz informiert werden
Umsetzungsbegleitung sichert Erfolg
Die Umsetzung der Handlungsziele zieht eine Vielzahl an
Einzelprojekten und Arbeit in den einzelnen Ortschaften
mit sich. Die Bürgermeister selbst und auch die Verwaltungen arbeiten häufig schon an der Grenze der Belastbarkeit.
Von daher ist es nur der konsequente Schritt der Landwirtschaftsverwaltung eine Umsetzungsbegleitung für die ILE
zu fördern. Im Hofheimer Land wurde so im Jahr 2013 ein
sogenannter Allianzmanager eingestellt, der die Projekte
der Allianz seitdem koordiniert. Nur so ist sichergestellt,
dass die Arbeit, die die Bürgerinnen und Bürger in das Entwicklungskonzept investierten, auch umgesetzt wird. Für
die Nachhaltigkeit dieser Entwicklung setzte die Hofheimer
Allianz ein Zeichen: In der diesjährigen Mitgliederversammlung beschloss das Gremium den Allianzmanager nach Ablauf der ersten, dreijährigen Förderperiode unbefristet weiter anzustellen.
Gerade im Bereich der Innenentwicklung ist außerdem
die Zusammenarbeit mit der Städtebauförderung für uns
essentiell. Durch die gute Zusammenarbeit der Ländlichen
Entwicklung und der Städtebauförderung in unserer Region, können die vorhanden Potentiale optimal genutzt
werden.
WOLFGANG BORST
1. BÜRGERMEISTER
STADT HOFHEIM IN UNTERFRANKEN
[email protected]
39
LÄNDLICHER
RAUM
ein Problem handelt, das die gesamte Region betrifft und
dem nur gemeinsam begegnet werden kann. Die erste gemeinsame Aktion und der Startschuss der Hofheimer Allianz
waren ein gemeinsames Bekenntnis zur Innenentwicklung
vor der Außenentwicklung und das Auflegen eines einheitlichen kommunalen Förderprogramms zur Reaktivierung
leerstehender Bausubstanz.
Nach und nach kamen mehr Handlungsfelder zu dem
Thema Innenentwicklung dazu (Dorfgemeinschaftshäuser,
Nahversorgung, regionale Identität, Aufrechterhaltung der
sozialen Infrastruktur…). Diese Themen konnten allerdings
nur gemeinsam mit den Bürgern erarbeitet und weiterentwickelt werden. Hierfür war die Erstellung eines ILEK (mit
integriertem Daseinsvorsorgekonzept) – mit Unterstützung des Amtes für Ländliche Entwicklung und in unserem
Fall auch der Regierung von Unterfranken – ein dankbares In­strument. In vielen Bürgerforen und Gesprächskreisen wurde vom beauftragten Büro ein 270 Seiten starkes
Konzept entwickelt. Den hilfreichen Ideen und Anregungen
der Bürger wurde hiermit ein Platz eingeräumt. Gleichzeitig
haben wir hierdurch einen hilfreichen Leitfaden zur Weiterentwicklung unserer Region bekommen, der quasi von der
Bevölkerung legitimiert ist.
Führung
FÜHRUNG
Durch Feedback lernen
Führung
von ULRICH LIEBERT: Es ist menschlich, auf kritische Rückmeldungen automatisch abzu­
blocken oder emotional darauf zu reagieren. Dabei sind Führungskräfte auf offenes Feed­
back angewiesen, wenn sie ihre Fähigkeiten verbessern wollen. Der Beitrag möchte dabei
unterstützen, Gefühle zu kontrollieren und kritische konstruktive Rückmeldungen als Ent­
wicklungschancen zu nutzen. Vorgesetzte sind meist neben fachlichen Tätigkeiten und der
Leitung der Organisationseinheit auch mit der Aufgabe der Personalführung beschäftigt –
je nach Größe der Führungsspanne mehr oder weniger. In aller Regel wurden sie im Rahmen
ihrer Ausbildung auf die Führungsarbeit kaum bis gar nicht vorbereitet. Dieser Beitrag wen­
det sich direkt an Führungskräfte und möchte ihnen Mut zusprechen, sich durch regelmäßige
Rückmeldung gemeinsam mit den Mitarbeitern weiterzuentwickeln.
Wie führt man seine Beschäftigten richtig und zielgerichtet? Welche Führungskraft ist wodurch erfolgreich? Welcher
Führungsstil ist der Richtige? Wieviel Zeit muss ich für die
Führungsarbeit einplanen? All diese Fragen beschäftigen
Sie vermutlich, sobald Sie die Führungsarbeit neu übernehmen dürfen oder müssen. Der Beitrag der Ausbildung zur
Führungsarbeit ist eher dürftig, der Schwerpunkt Ihrer Ausbildung lag sicher im fachlichen Bereich. Trösten Sie sich,
Sie sind nicht alleine! Gut 30 Prozent der Beschäftigten in
Deutschland müssen/dürfen Führungsaufgaben wahrnehmen, haben dafür aber keinerlei Ausbildung erlebt. Der
Beruf „Führungskraft“ ist die Tätigkeit mit den wenigsten
Ausbildungsstätten in Deutschland und wahrscheinlich
weltweit. In der Regel wird man nach dem Prinzip „learning
by doing“ ins kalte Wasser geschmissen.
Der Blick in die Bücherkiste hilft auch nicht wirklich weiter. Es gibt unzählige Literatur zum Thema „Führung“, doch
welches Buch ist geeignet und empfehlenswert, welches
passt für Sie und zu Ihnen am besten? Und wenn Sie denn
eines gefunden habe, dann braucht es noch die nötige Zeit
für aufmerksames Lesen. Das ist dann wiederum nur Theorie, aber Sie sind vermutlich gezwungen, Führung hier und
heute anzuwenden.
Wenn Sie unsicher sind, wie Sie Ihr Personal richtig führen und zugleich ernsthaft an sich arbeiten möchten, dann
gibt es eine einfache Antwort: Fragen Sie die von Ihnen geführten Beschäftigten! Denn wer wissen möchte, ob er gut,
richtig, wertschätzend, zielgerichtet und erfolgreich führt,
der kann und sollte einfach die Betroffenen fragen und regelmäßig eine sogenannte Rückmeldung oder ein Feedback
einholen bzw. darum bitten. Doch so einfach geht es auch
wieder nicht, denn es könnte passieren, dass Sie auf Ihre
Frage „Geht´s dir gut mit mir und meiner Führungsarbeit?“
mit einem einfach kurzen „ja“ oder „passt“ im Sinne einer
40
„Anpassungsleistung“ abgefertigt werden. Daher gibt es einige Regeln, die Sie beim Fragen beachten sollten.
Anläße für Feedback-Gespräche
Letztlich gibt es zahllose Anlässe für Rückmeldungen. Ich
möchte wissen, wie ich meine Beschäftigten führe, ob ich
meine Anweisungen und Aufträge klar und verständlich formuliere, ob ich die Aufgaben sinnvoll und gerecht verteile,
ob ich Aufgaben delegiere, die auch von der Person leistbar sind. Mich interessiert, wie ich meine erste Besprechung
oder Präsentation geleitet habe. Ich will meine rhetorischen
Fähigkeiten weiterentwickeln. Ich möchte das Vertrauen
in die Fähigkeiten meiner Mitarbeiter stärken oder würde
gerne eine Antwort auf die Frage erhalten, ob ich das Kritikgespräch klar, konsequent in Bezug auf die Sache und trotzdem wertschätzend zur Person geführt habe, oder wie ich im
Verhandlungsgespräch mit meinen Kunden gewirkt habe.
Bei all diesen Anlässen sollte als erstes die eigene
(Selbst-)Einschätzung abgefragt werden. Da dabei zumindest am Anfang des Vorgesetztendaseins mit ziemlicher Sicherheit Unsicherheiten und Fragezeichen bleiben, bitte ich
zur Sicherheit den oder die Beschäftigten um sein/ihr offenes und ehrliches Feedback.
Grundsätzliches zum konstruktiven Feedback
Feedback oder Rückmeldung ist eine wesentliche Grundlage, um sich im eigenen (Führungs-)Verhalten weiterentwickeln zu können. Führungskräfte sollten dabei mit Vorbild
vorangehen und nicht so tun, als ob sie alles meisterhaft beherrschen würden, nur weil sie Vorgesetzter sind.
Keiner ist unfehlbar, und jeder und alles kann
noch besser werden.
SUB 3/2016
Führung
Infobox 1: Ablauf eines Feedback-Gespräches
rungen getroffen. Einfacher ist es, wenn der Feedback-Geber
am Ende seines Feedbacks dieses mit einer klaren Erwartung
und/oder Wunsch beschließt:
1. Benennung des konkreten Vorfalles/Ereignisses/Sach-
verhalts: Was ist vorgefallen?
2. Persönliche Interpretation: Wie hat das auf mich gewirkt?
3. Ausgelöstes Gefühl: Was hat das bei mir ausgelöst (v. a.
auch in Bezug auf die emotionale Ebene)?
4. Fragen: Wie hat der andere diese Situation erlebt? Was
war die Ursache? Was sind die Hintergründe? Wie stellt
sich diese Situation für den Anderen dar?
„Zukünftig erwarte ich mir von dir in
ähnlichen Situationen …“
Dann kann die Suche nach Lösungen relativ schnell beendet
sein, indem der Feedback-Nehmer z. B. sagt:
„Okay, das nehme ich mir vor.“
Feedback sollte daher nach Möglichkeit immer mit einem
Ausblick in die Zukunft beendet werden. Dann ist es konstruktiver und führt schneller in die Zukunft, als wenn sich
die Gesprächspartner langwierig mit der Klärung der bereits
vergangenen Situation beschäftigen, die leider häufig zeitlich (zu) weit zurückliegt.
Nutzen von Feedback
Der Nutzen von Feedback liegt auf der Hand: Offene, ehrliche und konstruktive Rückmeldung hilft mir meine „blinden
Regeln des Feedback-Gesprächs
Flecken“ zu erkennen, und birgt die Chance, daran zu arbei- Damit Feedback auf fruchtbaren Boden fällt, sollte man daten, sich und sein Verhalten weiterzuentwickeln. Ich erkenne bei gewisse Regeln beachten (siehe Infobox 2).
die Wirkung meiner Worte und Taten auf die Betroffenen
Diese Regeln sollten zumindest am Anfang unbedingt
und erfahre von Betroffenen oder Beteiligten, ob mein Tun beachtet werden, sonst läuft man Gefahr, dass eine offene
und Verhalten das gewünschte Ziel erreicht hat oder nicht. Bis zu welchem
Maße das möglich ist, wird weitgehend
Infobox 2: Regeln, damit ein Feedback gelingt
bestimmt durch die Lernbereitschaft
und die Lernfähigkeit des einzelnen
Der Feedback-Geber soll ...
Der Feedback-Empfänger soll ...
und der Mitarbeiter bzw. Beschäftig... in ICH-Botschafen sprechen
... zuhören
ten. Auf diese Weise ist es möglich, die
Situation zu reflektieren und neue, zu... das Verhalten des Feedback... nachfragen, um die Sichtweise
kunftsorientierte Aktivitäten auszuproEmpfängers beschreiben:
des Feedback-Gebers zu verstehen
bieren.
 anhand konkreter
Ablauf des Feedback-Gesprächs
Ein Feedback-Gespräch sollte nach einem festen Schema geführt werden
(siehe Infobox 1).
Erst wenn diese vier Fragen hinreichend geklärt sind und vom Gesprächspartner verstanden wurden, schließt
sich das so genannte „Feed-Forward“
an. In diesem Schritt werden wirksame
Lösungen für die Zukunft gesucht und
nach Möglichkeit konkrete Vereinba-
SUB 3/2016
Situationen und
 wertungsfrei
... seine Gefühle dabei zeigen,
benennen
... zusammenfassen, was er verstanden hat
... zuhören, zuhören ...
... die Folgen für sich schildern
Das sollte unterbleiben!
... sich rechtfertigen
... sich verteidigen
41
Führung
Dazu gehört zum einen ein ausgeprägtes Selbstreflexionsvermögen. Auf der anderen Seite ist die zeitnahe und konkrete Rückmeldung von Mitarbeitern, Kollegen und/oder
Vorgesetzten für die persönliche Weiterentwicklung – nicht
nur bezogen auf die Führungsarbeit – wesentlich.
Führung
Führung
und gut gemeinte Rückmeldung gleich in den falschen Hals
gelangt.
Erfahrungen mit Feedback und Ausblick
Keine Angst, Feedback funktioniert! Es hilft nicht nur der
Führungskraft, sondern auch den Mitarbeitern, sich weiterzuentwickeln. In Organisationseinheiten und Teams, wo offenes, ehrliches und regelmäßiges Feedback möglich und
an der Tagesordnung ist, entwickelt sich ein positives Betriebsklima, getragen von großem gegenseitigen Vertrauen.
In zahlreichen Seminaren, Führungsstilanalysen, Teamtrainings und Klausuren, aber auch in meinem beruflichen Alltag habe ich den Nutzen von Feedback erlebt und kann ihn
vorbehaltlos bestätigen.
Ich bin überzeugt davon, dass regelmäßiges, konkretes
und zeitnahes Feedback die wesentliche Quelle für die persönliche Weiterentwicklung und speziell das eigene Führungsverhalten ist. Dies gilt allerdings nur unter bestimmten
Voraussetzungen:
→→ Die Person, die es betrifft, muss Feedback wirklich
(hören) wollen und offen sein für Feedback. Ungefragtes Feedback sollte (eher) unterlassen werden.
→→ Feedback auszusprechen muss nach den oben
erwähnten Regeln erfolgen, klar in der Sache und
wertschätzend zur Person. Wertschätzung in diesem Zusammenhang heißt auch, dass der Feedback-Geber versucht, sich bei der Rückmeldung an
die (Kommunikations-)Welt des Feedback-Nehmers
anzupassen und nicht umgekehrt. Nur dann kann
dieser die Rückmeldung verstehen und/oder sie
annehmen.
→→ Wenn eine Führungskraft von einem Mitarbeiter
ehrliches und offenes Feedback erhält und dieser
es spätestens bei seiner nächsten Leistungs-Beurteilung negativ zu spüren bzw. heimgezahlt
bekommt, dann ist das Ende einer konstruktiven
Feedback-Kultur. Feedback erfordert Mut und dieser Mut, diese Offenheit sollte sich auszahlen, am
besten durch eine wirksame Verhaltensänderung,
minimal durch ein ehrliches „Danke“.
→→ Fällt Feedback als offene, ehrliche, zeitnahe und
konkrete Rückmeldung auf offene Ohren, dann ist
der Weg zu einer „Feedback-Kultur“ und damit einem positiven Betriebsklima ge- und eröffnet.
→→ Wie so oft, so auch hier, sollten Führungskräfte
beim Geben und Empfangen von Feedback mit Vorbild vorangehen. Dies ist die wirksamste Möglichkeit auf dem Weg zu einer Feedback-Kultur.
42
Nur Mut – Feedback tut gut :-) !
Literatur
[1] Seminarunterlage „Mitarbeiterführung“ der Staatlichen
Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten
[2] LUFT, J. UND PAPERS VON E. HEYN UND H. G. SCHÖPPING (1971)
[3] BIEGER ECKHARD, MÜGGE JUTTA, HÖLLER CLAUDIA,
MÜLLER SABINE: Den Ton treffen – Kompetenz für
Gesprächsleitung, weiterbildung live, Band 1, Hamburg: E. B. -Verlag Hamburg, 1999.
[4] HARVARD-BUSINESS Ausgabe März/2014
ULRICH LIEBERTH
AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND
FORSTEN LANDSHUT
[email protected]
Fingerspitzengefühl
Gefühl kann ganz verschieden sitzen,
der eine hat es in den Fingerspitzen,
jedoch bei anderen ist´s verzogen
hinauf bis an die Ellenbogen.
Dort ist´s zwar nicht mehr ganz so fein,
doch kann´s von großem Nutzen sein.
aus: „Eugen Roths sämtliche Werke“,
Carl Hauser Verlag, München
SUB 3/2016
Führung
FÜHRUNG
Neue Kollegen an Bord nehmen
Tipps zur Einführung, die sich auszahlen
von SUSANNE MAYER: Bei der Einführung neuer Kolleginnen und Kollegen in die neue
Tätigkeit sollten einige Tipps beachtet werden, damit sich der oder die Neue gut integriert.
Dafür sind vor allem der Ablauf des ersten Arbeitstages und der ersten Wochen entscheidend. Sowohl eine Einführung durch die anwesende Führungskraft, die Vorstellung des
Einarbeitungsplans wie auch die Einweisung am Arbeitsplatz bestärken den Neuen schon
ab dem ersten Tag in positiver Weise. Auch die Betreuung in den ersten Arbeitswochen beeinflusst die Motivation und Eigeninitiative des neuen Mitarbeiters.
Warum Onboarding?
In diesem Rahmen wird das „Onboarding“ neuer Kolleginnen und Kollegen in der Landwirtschaftsverwaltung zu einem bedeutenden Thema.
„Onboarding“ bezeichnet das ‚an Bord nehmen‘, also die Einstellung und vor allem die
Eingliederung neuer Kolleginnen und Kollegen in das Amtsgeschehen.
Natürlich ist dieser Integrationsprozess mit relativ hohem
Aufwand verbunden; schließlich braucht es Zeit, eine neue
Kollegin in ihren neuen Arbeitsplatz einzuführen. Während
dessen häuft sich schnell mal die Arbeit auf dem eigenen
Schreibtisch. Jedoch sollte der erste Eindruck, den ein neuer
Kollege an seinem ersten Arbeitstag bekommt, nicht unterschätzt werden. Dieser Eindruck ist das Fundament, auf dem
die Neuen ihre Motivation, ihr Engagement und den Grad
der Eigeninitiative für ihre neue Tätigkeit aufbauen.
SUB 3/2016
Integrieren bereits vor Dienstantritt
Erste Maßnahmen, um als Dienststelle einen guten Eindruck
bei den Neuen zu machen, können schon nach der Vertragsunterzeichnung ergriffen werden. Da die Einstellung meist
auch einen Wohnortswechsel mit sich bringt, kann das Amt
mit nützlichen Hinweisen zur Wohnungssuche hilfreich zur
Seite stehen.
Vor dem offiziellen Arbeitsbeginn bieten sich bereits Einladungen zu Veranstaltungen des Amtes an. Dadurch kann
ein erstes inoffizielles gegenseitiges ‚Beschnuppern‘ stattfinden. In etwa zwei bis drei Wochen vor dem ersten Arbeitstag
des neuen Mitarbeiters sollte durch ein persönliches Telefonat oder ein entsprechendes Anschreiben geklärt werden,
wo und bei wem er sich am ersten Arbeitstag melden soll.
Im Amt selbst müssen die Mitarbeiter frühzeitig über den
offiziellen Arbeitsbeginn der neuen Kollegin, des neuen Kollegen informiert werden. Besonders wichtig ist dies für die
beteiligte Abteilung, in der der Neuankömmling tätig sein
wird.
Der Arbeitsplatz: gelebte Willkommenskultur
Damit der Start in der neuen Tätigkeit möglichst reibungslos verläuft, muss auch der Arbeitsplatz mit allen nötigen
Utensilien spätestens am ersten Arbeitstag eingerichtet sein.
Dabei sollten sowohl alle für die Arbeit nötigen Programme
und Zugänge zur Verfügung stehen als auch eine ausreichende Bürogrundausstattung, wie Ablagemöglichkeiten,
Rechner und Büromaterial, wie Stifte, Locher, Büroklammern
und ähnliches.
Ein zu Beginn eher zeitaufwendiger und arbeitsintensiver, aber durchaus sehr positiv zu bewertender Gruß auf
dem Schreibtisch des zukünftigen Kollegen ist eine vom
Amt erstellte Willkommensmappe. Informationen über die
Orientierung in der neuen Wahlheimat, zu den ersten Schritten vor Ort und zum Leben in der Region (Wohnungssuche,
43
Führung
Seit 2015 werden wieder im jährlichen Rhythmus Nachwuchskräfte in den unterschiedlichen Qualifikationsebenen
eingestellt, da in den nächsten Jahrzehnten rund 800 Personen der Landwirtschaftsverwaltung in den wohlverdienten
Ruhestand gehen werden. Das heißt, jedes Jahr dürfen insgesamt 115 Nachwuchskräfte (50 Referendare, 50 Anwärter
der QE3 und 15 Anwärter der QE2) die Organisation und
die Abläufe in der Landwirtschaftsverwaltung kennen lernen [1].
Um diesen jungen Leuten den Einstieg in den Berufsalltag am Amt zu erleichtern ist es sinnvoll, sich als Behörde vorab Gedanken zu machen, wie der Einstieg und vor
allem die Integration der Nachwuchskräfte ablaufen soll.
Führung
Führung
Kultur, Freizeitaktivitäten, …) können
genauso enthalten sein wie Informationen zum Amt selbst (z. B. Arbeitszeitregelung, Krankmeldung, regelmäßige
Besprechungen, Leitfaden für neue Beschäftigte von A – Z, Dienstordnung,
Geschäftsverteilungsplan, Telefonverzeichnis, Unternehmenskultur am Amt,
etc.) und den Ansprechpartnern der
verschiedenen Aufgaben- und Sachgebieten. Wird diese Mappe einmal
gut vorbereitet, brauchen die Inhalte
an neue Mitarbeiter kaum angepasst
werden.
Ein Mentor begleitet die Einarbeitung
Um die ersten Tage für die neue Kolle- → Die jungen Kolleginnen und Kollegen des Einstellungsjahrgang 2014 der Landwirtschaftsvergin oder den neuen Kollegen einfacher
waltung: Zielgerichtete und motivierende Einarbeitung unterstützt ihre Integration am Amt und
zu gestalten, sollte vorab ein Mentor
macht sie schnell arbeitsfähig
bestimmt werden, der die Integration
übernimmt. Zur Unterstützung erstellt dieser gemeinsam
Die Begrüßung sollte, wenn möglich, durch eine anmit dem Vorgesetzten einen Einarbeitungsplan, der auf fol- wesende Führungskraft ausgeführt werden. Im Anschluss
gende Fragen eine Antwort gibt:
findet meist ein Rundgang durch das Gebäude statt. Da→→ Welche Informationen (z. B. Arbeitszeiten, Verhalbei sollten auch die Drucker- und Kopierräume, das Zeitertensregeln, Organisationsstruktur, Arbeitsabläufe)
fassungsgerät, die Materialausgabe, das Postfach, der Sobenötigt der Neue zu Arbeitsbeginn?
zialraum, die Unterrichtsräume, die Sanitärräume und das
→→ Mit welchen internen Gruppen (Mentor, Arbeitskol- schwarze Brett nicht vergessen werden. Daran schließt ein
legen, Führungskräfte) wird die neue Kollegin oder
Einführungsgespräch mit dem Mentor und dem Vorgesetzder neue Kollege zusammenarbeiten und wie soll
ten an, dessen Schwerpunkt der zuvor erarbeitete Einarder Kontakt erfolgen?
beitungsplan ist. Zum Ende des Gesprächs werden die For→→ Welche Tätigkeiten wird sie oder er ausführen, wie
malitäten, wie die Zeiterfassung, die Urlaubsregelung, die
und durch wen soll die Einarbeitung erfolgen?
Dienstreiserichtlinien oder die Dienstvereinbarung erklärt.
→→ Welche Arbeitsmaterialien und Ausstattung des Ar- Zu diesem Zeitpunkt kann auch die bereits beschriebene
beitsplatzes sind nötig, und wer wird mit der Bereit- organisatorische Mappe mit den wichtigsten Informationen
stellung und Beschaffung beauftragt?
zu Standort und Amt übergeben werden. Hilfreich ist außer→→ Welche Meilensteine in Hinblick auf den bisheridem ein Board mit Fotos und Funktionen der Amtsmitarbeigen Fortschritt in der Einarbeitung sind sinnvoll?
ter; dies erleichtert die Eingewöhnung und das Merken von
Mit wem sollen diese besprochen werden, um den
Namen und Gesichtern.
Informations- und Qualifizierungsbedarf zu ermitDarauf folgt die Einführung am Arbeitsplatz. Dabei werteln?
den sowohl die Funktionsweise und Bedienung der Telefonanlage erklärt, als auch die Zugänge zu den für die Arbeit
Beantwortet ein Einarbeitungsplan diese Fragen, kann vie- benötigten Programme. Anhand von vorbereiteten Unterlen Konflikten vorgebeugt werden und die Kosten der Ein­ lagen und Arbeitsmitteln kann sich der Neue im Laufe des
arbeitung verringern sich.
Tages und der nächsten Wochen mit den Programmen vertraut machen.
Motto des ersten Tages: Kennenlernen
Der erste Tag steht ganz unter dem Motto „Kennenlernen
Erst administrative, dann fachliche Aufgaben
von Kollegen, Arbeitsplatz und Abläufen“.
Die ersten Tage und Wochen können in zwei Phasen unterteilt werden: Die Orientierungs- und die Lern- und Integrationsphase.
44
SUB 3/2016
Führung
In der Orientierungsphase sollte der neue Mitarbeiter für
einige Tage in den Sachgebieten eingesetzt werden, die mit
seinem Aufgabenbereich in Zusammenhang stehen. Meist
empfiehlt es sich während dieser Phase administrative Tätigkeiten zu erteilen, damit er sich in der Umgebung orientieren kann (Räumlichkeiten, Strukturen, Dienstwagen, etc.).
Vor allem in den ersten Tagen ist es unumgänglich, Arbeitsunterlagen und -abläufe zu erklären und zu besprechen. Dabei soll der Mentor die Arbeitsausführung begleiten, prüfen
und die Ergebnisse mit dem neuen Kollegen besprechen.
Falls nötig wird Hilfestellung zur Erarbeitung der Aufgaben
angeboten.
In der Lern- und Integrationsphase ist die Einfügung
schon vorangeschritten. Während dieser Phase werden Zusammenhänge zwischen den Aufgaben- und Sachgebieten
sowie Abläufe im Amt erkannt und strukturiert. Jetzt kann
der Neue mit kleineren fachlichen Aufgaben betraut werden, die er eigenverantwortlich zu bearbeiten hat. Dabei
ist darauf zu achten, dass der Schwierigkeitsgrad und die
Komplexität der Aufgaben stetig steigen.
Während der Einarbeitungsphase sollten Führungskraft
und Mentor die neue Kollegin weder schonen (Schonstrategie), noch sich selbst überlassen (Wurf – ins – kalte – Wasser)
noch überfordern (Entwurzelungsstrategie). Es sollte darauf
geachtet werden, dass der Neuankömmling von Beginn an
gefordert wird und sich damit an das Tempo der Abteilung
gewöhnen kann. Es ist auch wichtig, dass sich die Führungskraft während dieser Zeit öfters davon überzeugt, dass die
neue Kollegin vollständig in den Informationsfluss der Abteilung und des Amtes eingebunden wird und notwendige
Informationen aktiv an sie weitergeleitet werden [2].
Die neuen Kolleginnen und Kollegen werden dies sicherlich gerne annehmen und Ihnen danken!
Literatur:
[1] SCHULE UND BERATUNG, 2015: Nachwuchskräfte verjüngen die Verwaltung, Juni / Juli 2015, Seite 60 – 61
[2] FACHHOCHSCHULE KÖLN, 2012: Integrationsprogramm
für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, August
2012, Seite 15 – 18, URL: https://www.verwaltung.
th-koeln.de/imperia/md/content/verwaltung/allgemein/nur_intern/integration_neuer_mitarbeiter.pdf
SUSANNE MAYER
AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT
UND FORSTEN WEIDEN
[email protected]
Standardisierter „Mitarbeiter Check in“ erleichtert Start an der FüAk
Vorbereitungsphase
Hierzu gehören beispielsweise die Einrichtung des Arbeitsplatzes mit der
notwendigen Ausstattung bis hin zum
Türschild, die Bereitstellung von Zeitkarte, Hausschlüssel, Zugangskennungen, Willkommensheft „Check In“ und ein
Begrüßungsaushang am schwarzen Brett.
SUB 3/2016
Einführungsphase
Sie beginnt mit dem ersten Arbeitstag. Die Einführungsphase umfasst
eine Vorstellungsrunde im Haus, die
Einführung in alle Bereiche und Aufgaben der FüAk sowie die speziellen
Aufgaben am Arbeitsplatz. Erforderliche Zusatzqualifizierungen werden in
einem Schulungsplan mit dem Vorgesetzten vereinbart. Als Ansprechpartner
und Vertrauensperson steht in dieser
Phase zusätzlich ein „Pate“ zur Seite.
Abschlussgespräch
Am Ende der Einführung steht ein
intensives Gespräch mit dem Vor-
gesetzten. Hier können gegebenenfalls weitere Qualifizierungsmaßnahmen vereinbart werden.
Der Prozess ist in einer Checkliste
abgebildet, in der alle Zuständigkeiten geregelt sind und die alle Beteiligten gemeinsam abarbeiten. Sie ist
auf An­frage bei der FüAk erhältlich.
Führung
Die Integration neuer Kolleginnen und
Kollegen erfolgt an der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) nach einem im
Werteorientierten Qualitätsmanagement
(WQM) der FüAk festgelegten Standardprozess. Er gliedert sich in drei Phasen:
Hubert Burger,
Qualitätsmanagementbeauftragter
[email protected]
45
Verwaltung
VERWALTUNG
Gut abgesichert auf die Reise
gehen
Reisekosten und Arbeitszeitanrechnung bei Dienstreisen und Fortbildungsreisen (Teil 1)
von OLIVER WERNER: Reisen – ob für auswärtige Dienstgeschäfte oder eine Fortbildung –
werfen regelmäßig verschiedene Fragen auf: Bin ich auf einer Reise versichert? Gilt das auch,
wenn ich von Zuhause aus reise? Wie sieht die Haftung aus, wenn ich ein Dienstfahrzeug benutze? Wer zahlt einen Schaden am privaten Kraftfahrzeug? Wann ist eine Reise eine Dienstreise oder eine Fortbildungsreise? Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Abgrenzung
zwischen Dienstreisen und Fortbildungsreisen und der Wahl des Verkehrsmittels.
Reisen sind tägliches Geschäft vieler Beschäftigter. Dann ist
es gut zu wissen, wann man gegen Unfälle abgesichert ist
und welche Aufwendungen für eine Reise erstattet werden.
Verwaltung
Keine Reise ohne grünes Licht von oben
Jede Dienst- oder Fortbildungsreise bedeutet:
→→ Dienstunfallfürsorge (bei Beamtinnen und Beamten) oder Unfallversicherung (bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern) müssen zusätzliche
Risiken abdecken, wenn Beschäftigte ihren gewöhnlichen Arbeitsplatz für eine Reise verlassen.
→→ Die Dienststelle muss den Reisenden entstehende
Kosten (für die Reise selbst, für Unterkunft und Verpflegung usw.) tragen (Reisekostenvergütung).
→→ Im Einzelfall müssen zusätzliche Schäden
(z. B. durch einen Unfall) ersetzt werden.
Deshalb muss jede Reise angeordnet oder genehmigt werden. In der Regel stellen Beschäftigte dazu einen Antrag und
Vorgesetzte genehmigen ihn. Im Reisekostenrecht ist zwar
– auch als Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung – nicht immer ein Reiseantrag bzw. eine Genehmigung vorgeschrieben. Da aber bei fast allen Reisen eine Entscheidung zu den
Details der Reise, insbesondere dem zu wählenden Verkehrsmittel getroffen werden muss, wird einem dieses Verfahren
nicht erspart bleiben.
Dienstreise oder Fortbildungsreise?
Oft wird bemängelt, dass statt einer Dienstreise nur eine
Fortbildungsreise ermöglicht wird. Hintergrund sind die
ungünstigeren Rechtsfolgen, insbesondere bei der Reisekostenvergütung und beim Ersatz von Sachschäden. Die Abgrenzung ist schwierig. Sie hängt immer vom Einzelfall ab.
Jede Reise ist anders. Selbst bei gleichem Ziel und Zweck
kann sie für den einen Beschäftigten eine Dienstreise, für
46
den anderen Beschäftigten aber eine Fortbildungsreise sein.
All dies lässt sich nicht generell regeln.
Dienstreisen sind Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstorts (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayRKG) [1]. Bleibt man am Dienst- oder Wohnort, wird vom
Dienstgang gesprochen (Art. 2 Abs. 4 Satz 1 BayRKG). Dienstgeschäfte sind die im konkreten Amt zur unmittelbaren Erledigung übertragenen Dienstaufgaben.
Also sind Fortbildungsreisen keine Dienstreisen. Davon geht auch das Bayerische Reisekostengesetz aus. Es
enthält besondere Regelungen für Reisen zum Zweck der
Aus- und Fortbildung (Art. 24 Abs. 1 BayRKG). Diesen stellt
es die Dienstreisen ausdrücklich gegenüber (Art. 24 Abs. 2
BayRKG).
Fortbildungsreisen sind Reisen:
→→ zur beruflichen Weiterbildung oder
→→ zur Erweiterung beruflicher Kenntnisse, Fähigkeiten
und Erfahrungen oder
→→ zur Anpassung an geänderte dienstliche Anforderungen oder
→→ zur Vorbereitung auf die Wahrnehmung neuer oder
anderer Aufgaben
Nur dieser in Nr. 24.2 VV-BayRKG [3] beschriebene Zweck
spielt eine Rolle. Eine Fortbildungsreise wird auch nicht zur
Dienstreise, weil Beschäftigte nicht freiwillig, sondern „gezwungenermaßen“ teilnehmen.
Dienstreisen sind Reisen zur Erledigung von
Dienstgeschäften. Das sind die unmittelbar
übertragenen Dienstaufgaben. Fortbildung
vermittelt dagegen das „Wissen“ und das
„Können“ hierfür.
SUB 3/2016
Verwaltung
Die Rechtsprechung unterstellt übrigens jedem Beschäftigten ein Eigeninteresse an einer Fortbildung, weil sie die berufliche Weiterentwicklung fördert. Fortbildungsreisen sind
aber auch immer im dienstlichen Interesse.
Dienstliches Interesse
Kann eine Fortbildung die Durchführung der Dienstaufgaben fördern, ist sie im dienstlichen Interesse. Für berufliche
Fortbildungsveranstaltungen kann eine Dienst- oder Arbeitsbefreiung gewährt werden.
Fortbildung fördert die berufliche Weiter­
entwicklung. Sie ist regelmäßig auch im
Eigen­interesse der Beschäftigten.
Überwiegt das dienstliche Interesse an einer Fortbildung
das Eigeninteresse des Beschäftigten und steht das Thema
der Fortbildung in unmittelbarem Zusammenhang mit den
übertragenen Dienstaufgaben, ist eine Fortbildungsreise
möglich.
In besonderen Fällen wird das Interesse von Beschäftigten an der Fortbildung durch ein (nahezu) ausschließliches
dienstliches Interesse überlagert. Nur dann ist – mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde – eine Auslagenerstattung wie bei Dienstreisen denkbar. Die Fortbildung wird dadurch aber nicht zur Dienstreise; z. B. bleibt ein Ersatz von
Sachschäden dennoch ausgeschlossen.
Übrigens ist es unzulässig, eine Fortbildungsreise
zur Dienstreise zu machen, nur weil das für Beschäftigte
z. B. wegen höherer Reisekostenvergütung günstiger
ist. Umgekehrt gilt das Gleiche, etwa um Haushaltsmittel
einzusparen. Eine solche Entscheidung kann auch keine
SUB 3/2016
Infobox: Triftige Gründe für die Benutzung
privateigener Kraftfahrzeuge
Nr. 6.2 Satz 2 VV-BayRKG benennt Beispiele für triftige
Gründe:
• Mit regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln
ist das Ziel nicht oder nur schwer zu erreichen.
• Mit der Benutzung privateigener Fahrzeuge kann
wesentlich Arbeitszeit eingespart werden.
• Mit der Benutzung privateigener Fahrzeuge können
mehrere Dienstgeschäfte erledigt werden, was bei
Benutzung regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel nicht möglich wäre.
• Notwendiges schweres (mindestens 10 Kilogramm)
oder sperriges Gepäck muss mitgenommen werden.
• Mindestens zwei Dienstreisende nutzen ein Fahrzeug
gemeinsam, mindestens für die Hälfte der Strecke
(außer der Mitfahrer hat eine unentgeltliche Fahrmöglichkeit).
• Dienstreisende sind als Schwerbehinderte erheblich
gehbehindert oder aus anderen gesundheitlichen
Gründen auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs
angewiesen
Grundlage für andere Fragestellungen sein, z. B. ob die Vor­
aussetzungen für die Anerkennung eines Dienst- bzw. Arbeitsunfalls vorliegen oder nicht.
Wahl des Reisemittels
Bei allen Reisen stellt sich die Frage nach dem Verkehrsmittel. Das Haushaltsrecht gibt vor, das wirtschaftlichste Beförderungsmittel zu wählen und alle bestehenden Ermäßigungsmöglichkeiten auszunützen.
Die Kosten der Reise allein sind nicht ausschlaggebend.
Eine Anreise wird z. B. mit dem Fahrrad immer günstiger als
bei jedem anderen Verkehrsmittel sein. Doch benötigt sie
bei größeren Entfernungen wesentlich mehr (Arbeits-)Zeit
und wirkt sich damit beim Tagegeld aus, wenn nicht sogar
eine zusätzliche Übernachtung erforderlich wird. Dann ist
der Vorteil schnell dahin. Auch sollen im Bereich von Verkehrsverbünden Kraftfahrzeuge möglichst nicht mehr verwendet werden, außer die Zeitersparnis reduziert das Tagegeld.
Können Verkehrsmittel unentgeltlich benutzt werden
(z. B. öffentliche Verkehrsmittel mit entsprechenden Netzoder Zeitkarten), werden andere Fahrkosten nicht erstattet
(Art. 5 Abs. 1 Satz 4 BayRKG). Kommt eine Anreise mit regel-
47
Verwaltung
Gegenüber Dienstreisen wird bei Fortbildungsreisen
eine geringere Reisekostenvergütung gewährt. Das Reisekostengesetz räumt hier dem Dienstherrn bzw. Arbeitgeber
einen Ermessensspielraum ein. Die Erstattung – wie nachstehend beschrieben – kann also auch geringer ausfallen oder
sogar ganz wegfallen (Art. 24 Abs. 1 BayRKG):
→→ Wegstrecken- und Mitnahmeentschädigung und
Tagegelder nur zu höchstens 75 Prozent;
→→ nur notwendige Übernachtungskosten, keine Übernachtungspauschale;
→→ bei regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln nur notwendige Fahrkosten, also z. B. keine
1. Klasse bei der Bahn;
→→ bei Fortbildungsreisen bis zu sechs Stunden Dauer
keine notwendigen Kosten für Verpflegung.
Verwaltung
mäßig verkehrenden Beförderungsmitteln nicht in Betracht,
wird die Wahl auf ein Kraftfahrzeug fallen. Vorrang hat dann
ein Dienstfahrzeug. Kann ein solches unentgeltlich benutzt
werden kann, wird Wegstrecken- und Mitnahmeentschädigung für die Benutzung eines eigenen Fahrzeugs nicht gewährt (Art. 6 Abs. 5 BayRKG). Nur wenn ein Dienstfahrzeug
nicht verfügbar und auch ein Mietwagen nicht günstiger
ist, wird die Benutzung des privateigenen Kraftfahrzeugs in
Betracht kommen – im Einzelfall mit triftigen Gründen (siehe
Infobox). Das kann auch ein Motorrad, Motorroller, Moped,
Mofa oder Fahrrad sein.
Reisen vom und zum Wohnort
Eine Reise am Wohnort zu beginnen oder zu beenden, ist
meistens von Vorteil – schon aus Gründen der Zeitersparnis. Bereits die Anordnung bzw. Genehmigung bestimmt,
wo eine Reise beginnt oder endet. Dabei ist der Grundsatz
der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten (Nr. 7.2
VV-BayRKG).
An der Wohnung können Reisen beginnen oder enden,
wenn
→→ die Wohnung näher zum auswärtigen Geschäftsort
liegt als die Dienststelle oder
→→ die Reisezeit von der Wohnung auf Grund günstiger
Verkehrsverbindungen erheblich kürzer ist oder
→→ Gesichtspunkte der Fürsorge für den Beginn oder
das Ende der Dienstreise an der Wohnung sprechen
(z. B. Dienstreisebeginn an einem Samstag, Sonnoder Feiertag)
Verwaltung
An der Dienststelle beginnen oder enden Reisen in der
Regel, wenn
→→ diese – wenn auch nur kurz – vor oder nach der
Reise aufgesucht wird oder
→→ Reisende in einen Dienstwagen umsteigen oder
dort abgesetzt werden oder
→→ Beginn und Ende der Dienstreise innerhalb der
regelmäßigen Arbeitszeit liegen.
Fahrtkostenerstattung sowie Wegstrecken- und Mitnahmeentschädigung werden nur für die von der Dienststelle zum
auswärtigen Geschäftsort führende kürzeste Fahrstrecke gewährt. Der Wohnort tritt bei der Abrechnung nur dann an
die Stelle des Dienstorts, wenn es zur Erledigung des konkreten Dienstgeschäfts aus dienstlichen Gründen erforderlich ist, die Dienstreise zwischen zwanzig Uhr und sechs Uhr
oder an einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag
48
anzutreten oder zu beenden (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 BayRKG
bzw. Art. 6 Abs. 7 BayRKG).
Die Reisekostenvergütung orientiert sich bis
auf wenige Ausnahmen immer an der kürzes­
ten Strecke zwischen Dienstort und auswärti­
gem Geschäftsort – auch wenn von Zuhause
aus gereist wird.
Arbeitszeit und Reisezeiten
Zum Schluss noch ein Wort zur Berücksichtigung der Reisezeiten bei der Arbeitszeit: Bei Dienstreisen wird die auswärtige Tätigkeit immer voll auf die Arbeitszeit angerechnet.
Gleiches gilt für die innerhalb der individuellen Sollarbeitszeit gelegenen Reisezeiten. Für die anderen Reisezeiten gibt
es im Umfang von einem Drittel (bzw. zwei Dritteln an Wochenenden und Feiertagen) Freizeitausgleich.
Bei Fortbildungsreisen werden bei der Arbeitszeit höchstens die Stunden für den jeweiligen Arbeitstag berücksichtigt, die der Sollarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten
entsprechen. Fortbildungsreisen gehen daher gegenüber
Dienstreisen eher zu Lasten der Freizeit, gerade bei langen
Reisezeiten. Aber: Fortbildung liegt – wie bereits erwähnt –
auch im Interesse der Beschäftigten.
Einschlägige Rechtsvorschriften
[1] Bayerisches Gesetz über die Reisekostenvergütung der
Beamten und Richter (Bayerisches Reisekostengesetz
– BayRKG) – gilt auch für die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer (§ 23 Abs. 4 des Tarifvertrags für den
öffentlichen Dienst der Länder – TV-L).
[2] Verordnung zur Anpassung der Wegstreckenentschädigung (Wegstreckenentschädigungsverordnung –
WegstrV)
[3] Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen
Reisekostengesetz (VV-BayRKG)
[4] Richtlinien zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des
Freistaates Bayern (Haushaltsvollzugsrichtlinien –
HvR)
OLIVER WERNER
STAATLICHE FÜHRUNGSAKADEMIE FÜR
ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
[email protected]
SUB 3/2016
Verwaltung
VERWALTUNG
Neues Fachzentrum Ökologischer Landbau am AELF Deggendorf
Ökologischer Landbau kann für viele
landwirtschaftliche Betriebe eine interessante Option darstellen. Sie wird entweder
aus ökonomischen Erwägungen heraus
gewählt oder weil die Betriebsleiterfamilie sich mit den Bewirtschaftungsmethoden des ökologischen Landbaus identifiziert. Um den umstellungsinteressierten
Landwirten in Ostbayern ein verbessertes Beratungsangebot zu bieten, wurden
die Zuständigkeiten im Ökolandbau in
Franken, der Oberpfalz und Niederbayern neu zugeschnitten (siehe Abbildung).
Für den Regierungsbezirk Mittelfranken
ist nun das Fachzentrum Ökologischer
Landbau am Amt in Neumarkt zuständig. Die Zuständigkeit für Niederbayern
wechselte an das neu geschaffene Fachzentrum nach Deggendorf, das Thomas
Lehner und Theodor Eckmüller betreuen.
Die ersten 100 Tage sind um …
„A guada Ochs ziagt langsam o“, waren
sinngemäß die ersten Worte zur Einführung der beiden neuen Mitarbeiter am
Fachzentrum, trotzdem ging es mit den
Anfragen und Beratungen recht zügig
los. In den ersten vier Monaten wurden
knapp 70 Anfragen umstellungsinteressierter Landwirte auf den Betrieben vor
Ort oder am Telefon beantwortet und
über 180 Teilnehmer in Schulungen erreicht, Tendenz steigend. Nachdem in
unserer Wahrnehmung viele unterschiedliche Akteure fachliche Unterstützung
für Biobetriebe anbieten, war es uns ein
erstes Anliegen dieses Angebot für die
Landwirte transparenter darzustellen. Im
„Terminkalender für Ökobetriebe und
SUB 3/2016
FZ Ökologischer Landbau
AELF Bamberg
FZ Ökologischer Landbau
AELF Neumarkt i.d.OPf.
FZ Ökologischer Landbau
AELF Deggendorf
FZ Ökologischer Landbau
AELF Ebersberg
FZ Ökologischer Landbau
AELF Kaufbeuren
→ Abbildung: Neue Gebietskulisse für die fünf Fachzentren Ökologischer Landbau
solche die es werden wollen“ finden sich
diese Überlegungen wieder: www.aelf-dg.
bayern.de/landwirtschaft/oekolandbau
Interesse und Skepsis halten sich die Waage
Die Beratungsanfragen haben sehr unterschiedliche Qualität. Sie reichen von
einfachen Rückfragen zur Kontrollstellentätigkeit sowie Aufgaben und Rolle der
Verbände bis hin zur maximal möglichen
Spaltenfläche: Das gesamte Spektrum
des Regelwerks Ökolandbau ist gefordert. Im Unterricht an den landwirtschaft­
lichen Fachschulen oder beim Bildungsprogramm Landwirt BILA ist häufig ein
„Gegenwind“ spürbar. Wir fragen in
diesem Kreis in einem kleinen Fragebogen die Umstellungsbereitschaft auf
Ökologischen Landbau ab. Regelmäßig
setzen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu über 90 Prozent das Kreuz bei „ich
bleibe konventionell!“. Allerdings sind die
auch überwiegend der Meinung, dass
„Biobetriebe im Vergleich zu konventionellen Betrieben erfolgreicher sind“.
Ökolandbau in Ostbayern
hat noch Potenzial
Der Ökolandbau ist in Ostbayern mit etwa
vier Prozent der Betriebe im Vergleich
zu Bayern mit etwa sieben Prozent noch
deutlich ausbaufähig. Viele Landkreise in
Oberbayern weisen eine Quote ökologisch bewirtschafteter Betriebe von über
15 Prozent auf und zeigen, dass diese
Wirtschaftsform den Status des Exotischen
längst verlassen hat. Die Umstellung auf
ökologischen Landbau im Gesamtbetrieb
kann für viele Betriebe eine – auch ökonomisch – interessante Möglichkeit sein,
den Betrieb zukunftsfähig aufzustellen.
Thomas Lehner, AELF Deggendorf
49
Verwaltung
Seit September 2015 ist am Amt für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Deggendorf ein neues Fachzentrum
Ökologischer Landbau für den Regierungsbezirk Niederbayern zuständig.
Seine Hauptaufgaben sind die Beratung umstellungsinteressierter Landwirte und der Wissenstransfer an den
landwirtschaftlichen Berufsnachwuchs.
Verwaltung
VERWALTUNG
Amtsverwaltung erfolgreich
fortgebildet
Seminarreihe startet mit Modul „Haushalt“
von PETRA KRAUS: Auf vielfachen Wunsch bietet die Führungsakademie seit 2015 eine Fortbildung für Beschäftigte der Amtsverwaltungen an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an. Der Praxisbezug im ersten Modul „Haushalt“ war entscheidendes Anliegen und Ziel bei der Planung des Seminars. Die Seminarrückmeldungen zeigen, dass der
Anspruch erreicht wurde.
Verwaltung
„Das war eine rundum gelungene Veranstaltung mit Beispielen aus der Praxis der Amtsverwaltung an den Ämtern“,
zog eine Teilnehmerin ihr Resümee aus dem dreitägigen
Seminar zum Thema „Haushalt“, das im April 2015 von der
Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) zum ersten Mal angeboten worden war. Bereits 2013 forderten die Leiter der Amtsverwaltung (LAV) bei einer Dienstbesprechung am Bayerischen
Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten (StMELF), geeignete Kräfte der 2. Qualifikationsebene (QE) der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten (ÄELF) fortzubilden, um ihr Wissen in zentralen Angelegenheiten der Amtsverwaltung zu vertiefen. Besonders brisant ist die Situation in den nächsten Jahren, da
viele LAV und deren Stellvertreter in den Ruhestand gehen
und dann Personalengpässe überbrückt werden müssen.
Nachdem eine Umfrage unter den LAV einen dringenden
Fortbildungsbedarf für die Mitarbeiter in den Amtsverwaltungen offenlegte, formulierten einige LAV der ÄELF in einem Workshop mit der FüAk fünf Fortbildungsfelder, die
speziell für die Aufgaben in der Amtsverwaltung rüsten
sollen (siehe Infobox 1).
Start mit dem Modul „Haushalt“
An der FüAk erarbeiteten Leiter der Amtsverwaltung gemeinsam mit Vertretern des StMELF ein detailliertes dreitägiges Fortbildungsprogramm mit Inhalten, die so bisher
innerhalb unserer Verwaltung nicht vermittelt wurden (siehe
Infobox 2).
Das Seminar sollte bestmöglich auf die Bedürfnisse der
Teilnehmer eingehen und die Gegebenheiten am Amt sowie
die Vorgaben durch das StMELF berücksichtigen. Deshalb
50
Infobox 1: Fortbildungsfelder für Beschäftigte in
der Amtsverwaltung an den ÄELF
•
•
•
•
•
Haushalt und Beschaffung
Personal, zum Beispiel Beamten- und Tarifrecht
Organisation, zum Beispiel Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern und
Informationstechnik
Liegenschaften, zum Beispiel Gebäudeverwaltung
außerfachliche Fortbildungen, zum Beispiel Arbeitsund Büroorganisation, Gesprächsführung
Schulungen in den zugehörigen Fachprogrammen werden teilweise von externen Dienststellen erbracht, wie z. B.
durch das Landesamt für Finanzen zum Integrierten Haushalts- und Kassenverfahren (IHV).
war man sich schnell einig, dass die Referenten aus den eigenen Reihen kommen sollten. Daher wurde auf in der Verwaltungspraxis erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
aus dem Staatsministerium und den Amtsverwaltungen der
ÄELF zurückgegriffen.
Didaktik und Methodik erhöhen Lernerfolg
Um den Lernerfolg zu erhöhen, wird neben den qualifizierten Fachreferaten und den praxisnahen Beispielen auch großer Wert auf die Didaktik und Methodik gelegt. Methoden
wie Netzwerke unter den Teilnehmern, Lernpartner und die
Arbeit an Beispielen in Einzel- oder Gruppenarbeit unterstützen den Transfer in die Praxis. Ein Lerntagebuch, in das
die Teilnehmer ihre Erkenntnisse des Tages notieren, bietet Gelegenheit, das Gelernte zu reflektieren. Dabei steht
die Frage im Vordergrund, was die Teilnehmer von dem Gelernten gleich am Amt in die Praxis umsetzen wollen. Sie
SUB 3/2016
Verwaltung
Infobox 2: Inhalte des Moduls „Haushalt“ für die Amtsverwaltung
Themen
Ziele
Inhalte
Haushaltsrecht
Überblick über rechtliche Grundlagen
Gesetze, VOen, Bay HO
Haushaltssystematik
Beherrschung der Systematik
Buchungsgrundlagen
Gruppierungen
Haushaltsplanung
Überblick über die Grundlagen der
Haushaltsaufstellung
Haushaltskreislauf
Ablauf Haushaltsaufstellung
Haushaltsvollzug
Beherrschung des Haushaltsvollzugs
IHV, HVR, VVs, DBestHG, Budget, Kassenanschlag,
Beschaffung/ Vergabe, Handvorschuss, Geldannahmestelle
Haushaltskontrolle
Einblick in Kontrolle und Aufsicht
Fachaufsicht Rechnungsprüfung
Schulhaushalt
kommunal
Überblick über Grundlagen
Verbuchung, Barkasse, Aufstellung
Sicherheit in Fragen des Amtshaushalts vermittelt
Eine Evaluierung des Seminars unter den Teilnehmerinnen
und Teilnehmern nach einem halben Jahr zeigte, dass das
Seminar gute Grundlagen für das Arbeiten im Amtshaushalt
geschaffen hat. Besonders hervorgehoben haben sie die Behandlung haushaltsrechtlicher Fragestellungen:
„Es gab einen sehr guten Überblick und
Einblick in das Haushaltsrecht.“
Damit verbunden sei eine größere Sicherheit im Umgang
mit rechtlichen Fragestellungen, die Hemmung vor dem
Blick in die gesetzliche Grundlage sei geringer geworden.
Eine gezielte Anwendung der Vorschriften in der täglichen
Arbeit ist nun möglich. Auch die Seminarunterlagen werden
als Nachschlagewerk mit Beispielen geschätzt.
Unterstützung durch Vorgesetzte entscheidend
Eine Unterstützung durch die Vorgesetzten und die eigenverantwortliche Umsetzung des Erlernten im Haushaltsvollzug sind förderlich, das erlernte Wissen anzuwenden.
Im Sinne eines stetigen Verbesserungsprozesses können so
eingespielte Abläufe in der Amtsverwaltung kontinuierlich
und effizient weiterentwickelt werden. Ganz konkret schil-
SUB 3/2016
dert eine Teilnehmerin ihren Transfer ein halbes Jahr nach
dem Seminar:
→→ „Die Feststellung der sachlichen und rechnerischen
Richtigkeit wird exakt bei jeder Einnahme und Ausgabe beachtet und umgesetzt.
→→ Beschaffungsanträge und Vergabevermerke werden unter Beachtung der Wertgrenzen für jede
Beschaffung erstellt.
→→ Anschaffungen werden, wenn möglich, fast
ausschließlich über Rahmenverträge getätigt.
→→ Auf die Verwendung der richtigen Mahn- und Verzugszinsschlüssel sowie des Schlüssels „150“ (Sonstige AO) bei der Auszahlung von Prüfervergütungen bei Eingaben im IHV wird geachtet.“
Ausweitung des Angebots geplant
Auch 2016 bietet die FüAk für die ÄELF wieder ein Grundlagenseminar „Haushalt“ an, ergänzt durch Seminare zum
Integrierten Haushaltsverfahren. 2016 starten gleichzeitig
zwei Seminare „Haushalt“ für die Landesanstalt für Landwirtschaft, deren Schwerpunkt sich etwas von denen der
ÄELF unterscheidet. Bei Bedarf kann ein Seminar „Haushalt“
für die Ämter für Ländliche Entwicklung konzipiert werden.
Die Forstschule Lohr erarbeitet ein Modul Personal und Organisation.
Außerfachliche Fortbildungen zur Büroorganisation,
dem Selbst- und Zeitmanagement oder der Gesprächsführung können die Mitarbeiter bereits jetzt über die bestehenden Angebote der FüAk oder der Forstschule Lohr belegen.
PETRA KRAUS
STAATLICHE FÜHRUNGSAKADEMIE FÜR
ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
[email protected]
51
Verwaltung
besprechen die Erkenntnisse und Umsetzungsvorhaben in
Kleingruppen, um die Inhalte nochmals zu festigen und sich
durch die Notizen gegenseitig Anregungen zu geben. Eventuelle Fragen zu den Inhalten des Tages werden zunächst in
der Gruppe geklärt. Fragen die hier nicht beantwortet werden können, werden gesammelt, ins Plenum eingebracht
und von den Fachreferenten geklärt. So kann ein erfolgreiches Lernen unterstützt werden.
Verwaltung
VERWALTUNG
Internetauftritte gemeinsam
gestalten
Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten arbeiten mit Zentralredaktion
von BARBARA VETTER: Die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) erstellen
Inhalte für ihre Internetauftritte. Die Zentralredaktion an der Staatlichen Führungsakademie
(FüAk) oder der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) schaltet sie frei. Das ist das
Prinzip, mit dem alle ÄELF seit vergangenem Jahr arbeiten. Erste Erfahrungen zeigen: Das
Konzept bewährt sich.
Die Ämter haben im Zuge des Relaunchs, das heißt der Umstellung auf das neue Design und Konzept, einen Teil ihrer
redaktionellen Freiheit abgegeben: Das Genehmigen bzw.
finale Freischalten jeder Ämterseite übernimmt die Zentralredaktion (ZR). Dies ist jedoch nicht mit Zensur gleichzusetzen, sondern als konstruktive Begleitung der redaktionellen
Arbeit und Qualitätssicherung zu verstehen. Fachliche und
regionale Inhalte oder die Impulse dafür dürfen und müssen
von den Ämtern kommen – dies zeichnet einen jeden der 47
regionalen Internetauftritte aus. Die Fachschulen arbeiten
inzwischen ebenfalls mit diesem Konzept.
Verwaltung
Vier-Augen-Prinzip
Eine zentrale Anlaufstelle für die Internetauftritte macht
auch deshalb Sinn, weil IT-Anwendungen zunehmen und
die Mitarbeiter an den Ämtern immer mehr Programme –
neben ihren eigentlichen Tätigkeiten – bedienen müssen.
Das Vier-Augen-Prinzip gibt den Redakteuren vor Ort Sicherheit und steigert die Qualität der Ämterauftritte. Die Auftritte der Ämter entsprechen seit der Umstellung den Anforderungen der Barrierefreiheit. Die Verwendung von PDF
wurde neu geregelt.
Gemäß dem Grundsatz der Datensparsamkeit kommen
personenbezogene Daten wie E-Mail-Adressen nur sehr
sparsam zum Einsatz. Ihre Verwendung ist nun einheitlich.
Verteilen an mehrere Ämter
Ein Austausch- und Verteilsystem ermöglicht es, Seiten eines Amtes zu verteilen. So können Informationen von Fachzentren auch anderen Ämtern angeboten werden. Und: Der
Arbeitsaufwand reduziert sich durch bereits vorgefertigte
Seiten. In der Vorbereitung des Relaunches hatte die Zentralredaktion den Ämtern bereits das Grundgerüst ihres Aufbaus angelegt. So mussten die Redakteure nicht von Null
starten, sondern passten das Grundgerüst an ihre Bedürfnisse vor Ort an. Im Livebetrieb 2015 hat die ZR mehr als 200
52
Infobox: Projektgruppe für Internetrelaunch
Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) beauftragte 2012 die FüAk,
eine Zentralredaktion für die Internetauftritte der Ämter
einzuführen und die Umstellung der Internetauftritte auf
das einheitliche Design der Landwirtschaftsverwaltung zu
organisieren.
Das inhaltliche und technische Konzept für den Relaunch
erarbeitete eine Arbeitsgruppe, in der Vertreter des StMELF,
der Ämter und der LWF unter Federführung der FüAk mitwirkten. Die Projektgruppe legte die Rubrikstruktur und
die Zusammenarbeit zwischen den Inhaltsredakteuren an
den Ämtern und den Präsentationsredakteuren der Zentralredaktion fest.
Seiten verteilt, darunter überregionale Veranstaltungen wie
Direktvermarkter- oder Energie-Thementage, aber auch Seiten mit generellen Informationen, die die Redakteure dann
lokal anpassen konnten, zum Beispiel zum forstlichen Gutachten.
Zusammenarbeit zwischen den Akteuren
Als bereichernd für die Zusammenarbeit zwischen allen
Stellen erwies sich zum einen die Projektgruppe, die sowohl für den Arbeitsfluss zwischen Ämtern und ZR als
auch für den Aufbau der Seiten wertvolle Anregungen
gegeben hat. Zum anderen sind es die Redakteure selbst,
die zum Teil mit großem Engagement Inhalte erstellen,
pflegen und immer wieder Rückmeldung geben, welche
Inhalte zentral erstellt werden könnten oder welche Tools
in Imperia sinnvoll wären. So wurde beispielsweise Anfang
2015 auf Anregung des AELF Schwandorf eine Erweiterung des Tabellenmoduls in Imperia für den gesamten
SUB 3/2016
Verwaltung
Kommunikation optimieren
Optimieren lässt sich sicher noch die
Kommunikation zwischen den Akteuren. Die Fachabteilungen des StMELF,
der Landesanstalten und Ämter sind
beispielsweise gefordert, die ZR stärker einzubinden, wenn Themen über
alle Ämter an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Angedacht ist eine koordinierte Themenplanung für den
Geschäftsbereich. Im Gegenzug wird
die ZR weiter Lösungen erarbeiten,
um den Mehrwert des zentralen Erstellens und Verteilens von Beiträgen
aufzuzeigen.
Weiterentwicklung der Auftritte
Die Internetauftritte erscheinen seit
vergangenem Jahr im Responsive Design. Das heißt, die Internetseiten passen sich im Layout dem jeweiligen
Endgerät bzw. Bildschirm optimal an.
Besonders mobile Nutzer können die
Seiten so besser bedienen.
Geplant ist zudem ein Auswertungstool, mit dessen Hilfe die Ämter
regelmäßig informiert werden, wie
hoch zum Beispiel ihre Seitenaufrufe
sind. Eine Herausforderung für alle
Beteiligten ist es, die Auftritte für die
Zielgruppen aktuell und interessant zu
gestalten. Die Auswertung wird zeigen,
wo dies bereits gut gelingt, sie wird
aber auch Schwachstellen aufdecken.
Dann sind wieder alle Beteiligten gefordert, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
BARBARA VETTER
STAATLICHE FÜHRUNGSAKADEMIE
FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT
UND FORSTEN
[email protected]
SUB 3/2016
Gewusst wie: Bilder für das Internet aufbereiten
Komprimieren Sie Bilddateien insbesondere für die Veröffentlichung im Internet. Dadurch
bleiben die Ladezeiten der einzelnen Internetseiten niedrig und die Serverkapazitäten werden nicht überlastet.
Der Microsoft Office Picture Manager steht dafür in der Regel an jedem PC zu Verfügung.
Er ist Teil des Microsoft Office-Pakets. Das Komprimieren gelingt in folgenden Schritten:
Dateien öffnen
Im Menü Datei „Bildverknüpfung hinzufügen“. Anschließend auf dem Laufwerk Ihren
gewünschten Ordner mit den Abbildungen wählen.
Zuschneiden
Bei den Zuschnitteinstellungen gewährleistet das Seitenverhältnis 10x15 (3:2-Format) ein
einheitliches Format im Internetauftritt. Auch unnötiges Beiwerk an den Seitenrändern
können Sie so wegschneiden.
Größe reduzieren
Wählen Sie zunächst im Menüband „Bild“ die Option „Größe ändern“ und dann in der
rechten Spalte bei „Vordefinierte Breite x Höhe“ „Web groß“.
Datei speichern unter Sofern Sie noch keine Kopie der Datei angefertigt haben, wählen Sie im Menüband Datei
„Speichern unter …“ Auf diese Weise bleibt Ihre Originaldatei erhalten und Sie speichern
lediglich eine weboptimierte Kopie. Fotos sollten als jpg-, Logos und Grafiken als gif- oder
png-Datei gespeichert werden. Legen Sie sich einen Ordner für alle komprimierten Bilder
an, um sie nicht mit den Originalen zu verwechseln. Barbara Vetter, FüAk
53
Verwaltung
Geschäftsbereich eingeführt, die es
ermöglicht, Tabellendaten aus Excel
oder Word mit geringstem Aufwand
in Imperia zu übertragen.
VERWALTUNG
Verwaltung
Informationen online stellen – Was Imperia-Redakteure für einen Internetbeitrag benötigen
Aktuell, regional und informativ sollten
Internetauftritte sein, um Zielgruppen
dauerhaft online zu gewinnen. Vor allem die Fachabteilungen der Ämter für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
sind gefordert, Beiträge zu liefern, um
Themen darzustellen, Termine zu veröffentlichen oder auf spezifische Angebote des Amtes aufmerksam zu machen.
Die Imperia-Redakteure am Amt pflegen
die Inhalte in das Redaktionssystem ein.
Das richtige Format liefern
• Textbeiträge als Word-Dokument an die Imperia-Redaktion
vor Ort mailen; in Word nicht
mit der automatischen Silbentrennung arbeiten, da Trennstriche in Imperia erscheinen.
• Bei kurzen Veranstaltungshinweisen Info direkt in die Mail schreiben.
• Bilder als jpg-, Grafiken als gif- oder
png-Dateien im Anhang der E-Mail
senden. Dateien allenfalls dann
in Word- oder Power-Point-Dokumente einfügen, um zu zeigen, an
welche Stelle die Abbildung gehört.
• Bildunterschriften zu den Abbildungen, insbesondere wenn
Personen zu sehen sind, liefern.
Texte logisch aufbauen
Die Kernbotschaft des Beitrags steht am
Anfang: Leser muss in den ersten zwei
bis drei Sätzen Mehrwert des Beitrags
erkennen, sonst verlässt er die Seite.
•
•
Beispiel Terminankündigung:
Wann und wo findet die Veranstaltung statt? Was ist Thema?
Warum ist das Thema wichtig?
Beispiel Veranstaltungsrückblick: Was waren Kernaussagen
der Veranstaltung? Nicht: Wer
hat wen begrüßt oder welche
Ehrengäste waren anwesend.
Ein Fazit (drei bis fünf Sätze) bei ausführlichen Fach- oder wissenschaftlichen Beiträgen am Ende hilft dem
Leser, der den Beitrag nicht ganz gelesen hat, den Kern zu erfassen.
Textpassagen gliedern
Leser überfliegen Texte im Internet häufiger als in Druckerzeugnissen. Es hilft:
•
•
•
•
Absätze zu machen und
diese mit Zwischenüberschriften zu versehen,
Listen für Aufzählungen zu verwenden,
Datenreihen in Tabellen zu erfassen,
Bilder einzusetzen, um
Texte zu illustrieren.
Verwaltung
Texte gliedern
• Dachzeilen für die Einordnung
des Themas (Rubrik, Meldungsanlass, Veranstaltungsdatum)
• Das Wichtigste gehört in die
Überschrift. Dabei gilt: Nicht
mehr als sechs Worte, Verben
benutzen, keine Abkürzungen, Fach- und Fremdworte
Weiterführende Links in Maßen
Klickt der Leser auf einen Link
zu einem anderen Internetauftritt, verlässt er Ihren. Deshalb:
•
•
Externe Links erst am Ende
einer Seite platzieren.
Keine Linksammlungen anbieten:
Erfahrungsgemäß werden meist
nur die ersten beiden angeklickt,
zudem veralten Links schnell
und führen mitunter ins Leere.
Ansprechpartner bei Badarf
Eine Kontaktperson für Rückfragen anzugeben ist kein Muss, ergänzt die Seite
aber bei Themen, die neu sind (z. B.
Wildlebensraumberater), bei denen
es einen Berater am Amt gibt (Förster,
LEADER-Manager, Gemeinschaftsverpflegung) oder bei denen mit vielen
Rückfragen zu rechnen ist (Förderung).
Ansprechpartner werden im Internet aus rechtlichen Gründen nicht
mit der personalisierten E-Mail-Adresse veröffentlicht. Standardisiert
erscheint die Poststelle; eine Funk­
tionsadresse wie ernaehrung@aelf-xy.
bayern.de ist aber ebenfalls möglich.
Rechtzeitig planen
Häufig erscheinen Veranstaltungshinweise erst in der Woche vor dem Termin im Internet, zum Beispiel wenn die
Anmeldezahlen noch nicht hoch genug
sind. Das Internet ist in dem Fall kein Allheilmittel. Sobald ein Veranstaltungstermin steht, stellen Sie diesen ins Internet.
Geben Sie den Nutzern gegebenenfalls Hinweise, wann Details folgen.
Veröffentlichen Sie Nachberichte zeitnah,
wenn die Veranstaltung den Teilnehmern
noch präsent ist. Verweisen Sie bereits in
der Veranstaltung darauf, dass Sie online
über die Veranstaltung berichten werden.
→ Die Dachzeile erscheint in den Internetauftritten in grauer Schrift, die Überschrift in schwarz
und in deutlich größerer Schrift.
54
Barbara Vetter, FüAk
SUB 3/2016
Digitalisierung
DIGITALISIERUNG
Sicher zu Faktenwissen mit
Reader, Quiz und Wissensrallye
TU München Weihenstephan entwickelt neues Lehr- und Lernkonzept
von MICHAEL SUDA, MARTINA BATZ, ALINA KASTEN und MICHAEL FOLGMANN: Fakten­
wissen spielt in allen Fachdisziplinen eine große Rolle und bildet die Grundlage für den fach­
lichen Austausch auf Augenhöhe. Hierzu zählt die Kenntnis wichtiger Kennzahlen und das
Einschätzen-können von Größenordnungen, um Rückschlüsse auf wichtige Entwicklungen zu
ziehen und diese zu bewerten. Die Vermittlung dieser Zahlen, Daten und Fakten stellt sowohl
an Lehrende wie auch Lernende große Anforderungen: Die Relevanz dieses Wissens erschließt
sich oft erst bei der praktischen Umsetzung. Hinzu kommt die florierende Ansicht, diese Infor­
mationen wären doch heute alle online frei abrufbar und müssten nicht mehr gelernt werden.
Dabei zeugt es nicht von Kompetenz, wenn der Experte bei jeder zweiten Frage im Internet –
in Quellen unterschiedlicher Qualität – recherchieren muss. Das interaktive Lehr- und Lern­
konzept Reader, Quiz und Wissensrallye des Lehrstuhls für Wald- und Umweltpolitik der TUM
vermittelt „trockene“ Fakten und Informationen zur Forstpolitik auf humorvolle und abwechs­
lungsreiche Weise. Das Modell ist auf andere Lehr- und Lerngebiete übertragbar.
„Es wirft kein gutes Bild auf die Universität
und ihre Absolventen, wenn das Verständnis
für gängige Begriffe oder Kennzahlen fehlt.“
Im forstwissenschaftlichen Bereich – unserem Lehr- und
Forschungsgebiet – fehlt gegenwärtig eine aktuelle Zusammenstellung von Basisinformationen für Wissenschaft
und Praxis. Die verfügbaren Informationen sind über viele
Medien verteilt, teilweise widersprüchlich und vor allem
nicht kompakt greifbar. Aufgrund der Reduktion der Kontaktstunden im Bereich der Forstpolitik muss die Auseinan-
SUB 3/2016
dersetzung mit Begriffen und Kennzahlen im Selbststudium
erfolgen. Der Schwerpunkt der Lehrveranstaltungen liegt
auf dem Verständnis forst- und umweltpolitischer Zusammenhänge.
Das Projekt Reader, Quiz und Wissensrallye ist in diesem
Kontext entstanden. Es optimiert in drei Phasen das Selbststudium der Lernenden und führt nahtlos in die Präsenzphasen der Lehre über (siehe Abbildung 1).
Als Grundlage für das Selbststudium dient der Reader,
in dem die Lehrenden zentrales Faktenwissen sammeln, auf
inhaltliche Konsistenz und Aktualität prüfen und in ansprechender Form zur Verfügung stellen.
Im Quiz testen die Lernenden selbstständig ihr Faktenwissen. Anhand unterschiedlicher Fragenformate überprüfen sie online auf der zentralen Lernplattform ihre Begriffssicherheit sowie das fachliche Verständnis und erhalten
unmittelbar ein automatisiertes Feedback.
Die Wissensrallye führt in die Präsenzphase und in kollaboratives Lernen über. In einem Teamwettbewerb treten die
Lernenden in Mannschaften gegeneinander an und festigen
spielerisch das erlernte Faktenwissen.
Reader – Broschüre Forstpolitik
Die wohl anspruchsvollste Aufgabe für die Lehrenden bei
der Zusammenstellung der wichtigsten Zahlen, Daten und
Fakten der Broschüre Forstpolitik besteht in der didaktischen
Reduktion. Bewährt hat sich ein dreistufiges Verfahren:
55
Digitalisierung
Jeder, der in der Lehre tätig ist, kennt das Phänomen: Mit
Hilfe von Zahlen, Tabellen und Abbildungen sollen die Lernenden in ein Fachgebiet eingeführt werden. Die Informationen liefern einen Überblick, um wichtige Aspekte und
Entwicklungen des Fachgebiets einschätzen zu können. Neben der Schwierigkeit, die Informationsflut didaktisch zu reduzieren, besteht ein weiteres Problem darin, die jeweilige
Relevanz darzustellen. Hier klafft eine Lücke zwischen der
Einschätzung des Lehrenden und der Lernenden. Die Verankerung der Information in den Weltbildern der Schüler oder
Studenten zählt dabei zu den größten Herausforderungen
im Lehrbetrieb.
Den Anstoß für das Projekt Reader, Quiz und Wissenrallye
gaben Stimmen aus der forstlichen Praxis:
Digitalisierung
Digitalisierung
→→ Absprache von Themenfeldern mit Vertretern der Praxis (Basisinformationen,
zentrale Institutionen, wichtigste Rechtsgrundlagen, aktuelle Politikfelder):
Wir haben uns hier von der Frage leiten
lassen, was ein Absolvent, der in der Praxis einen kompetenten Eindruck vermitteln will, kennen sollte.
→→ Zusammenstellung der wichtigsten Informationen:
Die größte Herausforderung in diesem
Zusammenhang war, wie mit widersprüchlichen Informationen umgegangen werden sollte. Messungen auf unterschiedlichen Niveaus, Einschätzungen
von Experten oder auch Informationen
ohne jeglichen Hintergrund stehen zur
Verfügung.
→→ Qualitätskontrolle der Broschüre durch
→ Abbildung 1: Reader, Quiz und Wissensrallye
Vertreter der Praxis:
Die Broschüre mit den zusammengestellten Informationen wurde erneut von Praktikern kommendie alle Lerngebiete umfassen. Durch die automatische Austiert und überarbeitet.
wertung erhält der Lernende unmittelbar ein Ergebnis. Die
Tests können beliebig oft wiederholt werden.
Der Reader umfasst in der aktuellen Fassung 70 Seiten und
Für die Lehrenden von besonderem Interesse ist die
enthält zentrale Informationen über den Wald in Bayern, die Zusammenfassung der Testergebnisse, die zeigen, welche
Waldbesitzarten, rechtliche Bestimmungen und die wich- Fragen wie oft richtig oder falsch beantwortet wurden. Datigsten Organisationen.
durch erhalten wir kontinuierlich Informationen, an welchen
Stellen der Reader überarbeitet werden sollte.
Quiz – Überprüfung Faktenwissen
Eine mögliche Erweiterung der Quiz-Komponente wäre
Nach dem Selbststudium des Readers erfolgt über ein Quiz eine App-basierte Lösung, die sich noch stärker an mobilen
die Überprüfung des Faktenwissens. Die Lernenden erhalten Nutzungsszenarien orientiert. Denkbar wäre auch eine Variim Quiz ein unmittelbares Feedback über ihren Lernstand ante von Just-in-time Teaching, bei der die Lernenden kurz
und wiederholen gleichzeitig durch die Auseinanderset- vor der Präsenzsitzung per Push-Notification Fragen erhalzung mit den Inhalten den Stoff.
ten, um inhaltlich auf die Lehrveranstaltung eingestimmt
Das Quiz steht den Lernenden über die zentrale Lern- zu werden.
plattform (TUM Moodle: Test) zur Verfügung. In klassischen
Single- und Multiple-Choice Fragen muss sich der Lernende
Wissensrallye – Teamwettbewerb
für eine oder mehrere richtige Antworten entscheiden. Mit Die Wissensrallye ist ein Teamwettbewerb, der im Rahmen
Hilfe von Freitextaufgaben oder numerischen Eingaben wird einer Präsenzsitzung stattfindet. Hierbei soll spielerisch eine
die Begriffssicherheit und die Kenntnis fachspezifischer Grö- Festigung des Faktenwissens stattfinden und der inhaltliche
ßenordnungen überprüft. Daneben ermöglichen Zuord- Austausch unter den Lernenden gefördert werden.
nungsfragen Antworten mittels Drag&Drop-Technik, indem
Der Aufbau der Wissensrallye ist ähnlich einer klassiz. B. vorgegebene Bezeichnungen auf einen bestimmten Be- schen Schnitzeljagd. Auf dem Campus Weihenstephan sind
reich einer Grafik gezogen werden. In Lückentexten lassen zwölf Stationen mit Wissensfragen versteckt, die gefunden
sich Zusammenhänge gut darstellen. In Puzzles können die und richtig beantwortet werden müssen. Kleingruppen mit
Strukturen von Organisationen erfasst werden. Bei der Quiz- drei bis fünf Teilnehmer gehen auf die Suche nach den Stain-Video Variante betrachten die Lernenden ein Video, das tionen, die in sogenannten QR-Codes verpackt sind (siehe
an vordefinierten Stellen stoppt und Fragen einblendet.
Bild 1). Die Teilnehmer scannen diese QR-Codes mit ihren
Die individuelle Lernzielkontrolle erfolgt sowohl nach Smartphones und erhalten auf diese Weise die Fragen und
einzelnen Kapiteln als auch in der Form von Gesamttests, Weghinweise1).
1)
Das Beispiel eines anderen Fachbereichs findet sich unter https://ipadtum.wordpress.com/2012/10/31/ipad-rally-neurodidaktik/
56
SUB 3/2016
Digitalisierung
→ Bild 1: QR-Code Station – unauffällig und doch leicht zu finden
→ Bild 2: Gruppendynamische Prozesse beim Lernen von Faktenwissen
nutzen
Rückkoppelung
Die Einschätzung des Formats durch die Studenten ergab
ein sehr positives Echo. Vor allem der mit der Rallye verbundene Spaß wurde betont sowie die Abwechslung zu gewohnten Lehrformaten hervorgehoben. Auch der mit diesem Format verbundene Lernerfolg in den Gruppen fand
mehrfache Erwähnung.
Die Reaktionen der Studierenden zeigen, dass es mit
dem didaktischen Format gelingen konnte, „trockene“ Fakten und Informationen zur Forstpolitik ansprechend zu ver-
→ Bild 3: Die glücklichen Sieger – Faktenwissen lernen kann auch Spaß
machen
SUB 3/2016
mitteln. Die Studenten empfanden das Format als humorvoll, abwechslungsreich, und es trug aus ihrer Perspektive
zum Lernerfolg bei. Die Lernzielkontrolle im Rahmen der
Prüfungsklausur zeigte einen sichereren Umgang mit den
Basisinformationen über das Lehrgebiet. Bleibt zu hoffen,
dass unser Verfahren auch zu einem tieferen Verständnis
beiträgt und Spuren im Langzeitgedächtnis hinterlässt.
Fazit und Ausblick
Das Erstellen des Formats Reader, Quiz und Wissensrallye erforderte einen Zeitaufwand von insgesamt 300 Stunden. Die
Anpassung für Folgesemester erforderte etwa 10 Stunden
inklusive der Vorbereitung und Durchführung der Rallye.
Das Format lässt sich auf alle Fächer übertragen, bei denen
Faktenwissen vermittelt wird.
PROF. DR. MICHAEL SUDA
MARTINA BATZ
ALINA KASTEN
TUM, LEHRSTUHL FÜR WALD- UND
UMWELTPOLITIK
[email protected]
[email protected]
[email protected]
MICHAEL FOLGMANN
TUM, MEDIENZENTRUM
[email protected]
Digitalisierung
Bei richtiger Beantwortung der Fragen erhält die Gruppe
einen Hinweis zur Lage der nächsten Station. Bei falscher Beantwortung führt der Weg in eine Sackgasse, an deren Ende
die richtige Antwort gegeben wird.
Neben einer Fokussierung auf zentrale Elemente des
Readers regt dieses Format gruppendynamische Prozesse
an (siehe Bild 2 und 3). Der Wettbewerbscharakter entsteht
durch eine Zeitbegrenzung zur Beantwortung der Fragen
und der Auslobung von „Preisen“.
57
Digitalisierung
DIGITALISIERUNG
Fachrichtungsübergreifende
Apps im Unterricht
von PETER WEYMAN: Programme auf mobilen Endgeräten (= Apps auf Smartphones oder
Tab­lets) haben im Alltag eine zunehmende Bedeutung. Für den Bildungsbereich gibt es Anwendungen, die den Lernprozess unabhängig vom Unterrichtsfach unterstützen: elektronische Karteikarten, QR-Codes, Vorlagen von Lernprogrammen, Kreuzworträtsel und Schlagwortwolken. Im Beitrag geht es um deren methodische Möglichkeiten und Einschränkungen
im Unterricht an landwirtschaftlichen Fachschulen. Sie bieten viele Möglichkeiten für einen
praxisnahen und abwechslungsreichen Unterricht. Manchmal bedarf es lediglich etwas Fantasie, diese Medien an geeigneter Stelle in der Schule einzusetzen.
Digitalisierung
Rahmenbedingungen für den Einsatz von Apps sind die Verfügbarkeit eines Smartphones oder Tablets sowie eine Internet-Verbindung. Die Mobiltelefone sollten als Betriebssystem Android (Samsung, HTC, Huawei und andere) oder iOs
(Apple) haben. Bei Windows für Mobilgeräte ist die Auswahl
der Anwendungen eingeschränkt. Die Installation von Apps
erfordert Vorkenntnisse, die bei vielen Studierenden vorhanden sind. Lehrkräfte können Apps im Unterricht zulassen,
ohne ein eigenes Mobilgerät zu besitzen oder die App zu
kennen. Sie können Kraft ihrer Fachkenntnis die Ergebnisse
der Apps beurteilen. Nur wenn Lehrkräfte die Anwendungen selbst installieren wollen, sollten sie sich mit der Vorgehensweise auseinandersetzen. Wichtig ist das Bewusstsein,
dass bei der Nutzung von Apps persönliche Daten weiter
gegeben werden.
WLAN reglementieren?
Ist der Einsatz von Apps im Unterricht gewünscht, liegt die
Installation von WLAN in den Klassenzimmern nahe. Sonst
wäre die Nutzung der Geräte nur für diejenigen möglich,
die einen entsprechenden Mobilfunk-Vertrag haben und
sich diesen auch leisten können und wollen. Bei Lehrkräften
entsteht manchmal der Wunsch, die kostenfreie WLAN-Internetverbindung abzustellen. Das kann viele Studierende
aber nicht von der Nutzung ihrer Handys abhalten. Das
könnten möglicherweise Störsender (Handyblocker) gewährleisten. Diese überlagern die entsprechenden Funkfrequenzen, um die Datenübertragung oder den Gebrauch
von Mobiltelefonen gezielt zu stören. Auch wenn die Anbieter solcher Geräte im Internet anderes behaupten: Die private Nutzung von Frequenzstörern ist in Deutschland eine
Ordnungswidrigkeit und wird mit Geldbußen geahndet.
Wer Störgeräte trotzdem einsetzt, verhindert damit auch
lebensrettende Notrufe. Im Klassenzimmer sollte die Autorität der Lehrkraft in Verbindung mit einer geeigneten
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Unterrichtsform für einen erwachsenengemäßen Umgang
mit Mobilgeräten sorgen.
Anki: Karteikarten auf dem Handy
Das Lernen mit Karteikarten hat Tradition. Auf der Vorderseite der Karte steht die Frage, auf der Rückseite die Antwort.
Schwierige Karten werden so oft in die Hand genommen, bis
die Antwort gelernt ist. Es gibt Möglichkeiten, diese Lernmethode auf Mobilgeräte zu übertragen. Das Programm Anki
wurde ursprünglich zum Erlernen von Fremdsprachen entwickelt. Durch eine individuell beeinflusste Wiederholfrequenz der Lernkarten werden Fakten schneller im Langzeitgedächtnis gespeichert.
Ein Vorteil von Anki ist, dass Fragen und Antworten selber in Excel erstellt und als Karteikarten-„Deck“ in das Programm importiert werden können. Auch Bilder lassen sich
einbauen. Das Programm läuft auf verschiedenen Betriebssystemen: Windows, Linux, Android, iOs (kostenpflichtig). Im
Internet gibt es zahlreiche Informationsquellen zur Anwendung und Anpassung von Anki (siehe Infobox).
Bei Anki können Excel-Dateien als Quelle
für die Karteikarten verwendet werden.
Das fördert den Lernprozess.
Die Lerninhalte werden in Fragen und Antworten gegliedert. Ein Beispiel: Wie heißt der Erreger der Pflanzenkrankheit Feuerbrand? Bakterium Erwinia amylovora. Welche
Pflanzenfamilie wird befallen? Rosaceae, besonders die Untergruppe der Kernobstgewächse. Der Verfasser hat Anki
den Studierenden zum Lernen von Pflanzennamen angeboten. Auf die Frage „Botanischer Name vom Spitz-Ahorn“
erscheint „Acer platanoides“ als Antwort. Möglich ist auch
SUB 3/2016
Digitalisierung
Vielseitig einsetzbar: QR-Code
Das gepixelte Quadrat steht für Quick Response (= „schnelle
Antwort“). Es dient seit 1994 zum maschinellen Einlesen von
Informationen. Seit der Verbreitung von Mobiltelefonen mit
Internetzugang und hochwertigen Kameras steigt die Bedeutung vom QR-Code im Alltag. Nur bei Interesse scannen
die Nutzer den QR-Code mit ihren Mobiltelefonen. Dann erhalten sie weitere Informationen. Diese können in ganz unterschiedlicher Form vorliegen:
→→ Visitenkarten zum Abspeichern in den Kontakten
des Mobiltelefons (Name, Email, Telefonnummer)
→→ Aufruf von Internetadressen
→→ Ortskoordinaten (Längen- und Breitengrad)
→→ Text als Information, Frage oder Anweisung
QR-Codes können auf vielen Internetseiten generiert und
als Grafik verwendet werden (Empfehlulng des Verfassers
siehe Infobox).
Methodik und Einschränkungen beim QR-Code
In QR-Codes hinterlegte Ortsdaten können bei einer virtuellen oder realen Schnitzeljagd eingesetzt werden. Mobilgeräte führen die Studierenden von Station zu Station. Dort
erhalten sie zusätzliche Informationen oder Arbeitsaufträge.
Auf Plakaten und Informationstafeln können Interessierte
mit dem Mobilgerät weiterführende Internetseite aufrufen – ohne manuelle Eingabe der Adresse. Der Verfasser
hat im Fach Pflanzenverwendung Zweige als Vorbereitung
zur Meisterprüfung zur Bestimmung ins Klassenzimmer gebracht. Aus zeitlichen Gründen war es oft nicht möglich, die
Studierenden während des Unterrichts zu den verschiede-
SUB 3/2016
→ QR-Codes können viele Informationen enthalten: Telefonnummern,
Texte, Ortung
nen Standorten zu führen. Mit einem aus Google Maps generierten QR-Code könnten die Studierenden den Standort
der jeweiligen Pflanze selbst finden.
Folgende Voraussetzungen müssen gegeben sein:
→→ geeignete Mobilgeräte,
→→ Installation von QR-Codes Lese-Programmen,
→→ Netzempfang beim Aufruf von Internetseiten.
Wichtig ist das Bewusstsein, dass die Nutzung der QR-Codes
nicht frei von Risiken ist. Bei der Installation verlangen manche QR-Code-Leseprogramme Zugriffsrechte auf Daten, die
über das notwendige Maß hinausgehen. Beim Erstellen des
QR-Codes werden die Daten auf Servern gespeichert. Der
Schutz der persönlichen Daten ist nicht überall gewährleistet. Die Inhalte der gelesenen Codes werden möglicherweise ausgewertet.
Der Weg zur eigenen App: LearningApps
Auf der Internetseite learningsApps.org können die Anwender kostenfrei Lernbausteine selbst erstellen oder vorhandene an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Die Seite baut
auf einem Forschungsprojekt der Pädagogischen Hochschule Bern, der Universität Mainz und anderen Beteiligten
auf. Beim Lernprozess kann eine Vielzahl von Aufgabenformaten ausgewählt werden, zum Beispiel eine Version von
„Wer wird Millionär?“. Oder es müssen Bilder und Texte richtig verknüpft werden. Das kann als Puzzle, Memory oder in
Tabellenform geschehen. In der Rubrik Sequenz müssen
zeitliche Abfolgen von Ereignissen bestimmt werden. Kreuzworträtsel bieten die Möglichkeit zum Training der Schreibfähigkeit der Lernenden.
Methodik und Einschränkungen von LearningApps
Die Apps können von Lehrkräften und Studierenden entwickelt werden. Sie sind denkbar als Unterrichtseinstieg,
als Lernzielkontrolle oder Leistungsnachweis, wenn sie von
Studierenden erstellt werden. In weniger als 30 Minuten
ist eine vorhandene App an die eigenen Bedürfnisse angepasst. Dazu genügt ein Klick auf „ähnliche App erstellen“.
Vorstellbar ist die Einrichtung eines LearningApp-Kontos
für ein Semester. Das setzt Vertrauen in die Gruppe voraus,
59
Digitalisierung
die bildliche Darstellung eines Blattes verbunden mit der
Frage nach dem Namen der Pflanze.
Karteikarten sind ungeeignet zur Vermittlung komplexer Sachverhalte. Sie sind beschränkt auf knappe Fragen
mit eindeutigen kurzen Antworten. Beim Einsatz von Bildern sind die Urheberrechte zu beachten. Beim Erstellen
der Lernkarten durch die Studierenden können sich Fehler
einschleichen. Unter Umständen wird dann Falsches gelernt.
Das spricht für den Zeitaufwand, die Lernkarten durch Lehrkräfte zu erstellen oder zu kontrollieren. Das Wiederholungsintervall von elektronischen Karteikarten ist abgestimmt auf
die lernende Person. Der Zugang zum Lernkarten-Programm
muss daher personenbezogen sein. Dies muss bei der Installation auf einem PC berücksichtigt werden. Einige Vertreiber
von Karteikarten-Programmen – zum Beispiel brainyoo und
phase 6 – möchten kostenpflichtige Lernkarten verkaufen.
Der Import eigener Inhalte über eine Excel-Datei ist bei vielen
Programmen nicht möglich. Bei Anki stößt man bei der Entwicklung komplexer Anwendungen an persönliche Grenzen
– oder der Zeitaufwand ist nicht mehr vertretbar.
Digitalisierung
Digitalisierung
da jedes Mitglied die Anwendungen
verändern und auch löschen kann. Alternativ erstellen die Studierenden ihre
LearningApps in eigenen Konten. Sie
teilen den Lehrkräften dann den Zugang zur App über einen Link oder einen QR-Code mit.
Zur Nutzung von LearningApps ist
eine Internetverbindung erforderlich.
Die Anwendungen sind nicht zum Ausdrucken vorgesehen. Sie können nicht
als funktionsfähige Datei abgespeichert werden. Komplexe Apps benötigen einen größeren Bildschirm als es
die meisten Mobiltelefone haben. Hier
ist etwas Erfahrung nötig.
→ So stellt eine Schlagwortwolke diesen Beitrag dar: Je häufiger, desto größer ist das Wort
Kreuzworträtsel im Unterricht
Kreuzworträtsel als Buchstabenrätsel gibt es in vielen Varianten. Hier geht es um die einfache Form, bei der eine
Zahl in einem Feld auf eine aufgelistete Frage verweist. Geschwärzte Blindfelder grenzen die Anzahl der gesuchten
Buchstaben ein. Je nach Fragenliste werden die gesuchten
Wörter senkrecht oder waagrecht eingetragen. Diese Form
wird auch „Deutsches Kreuzworträtsel“ genannt. Sie kann lernunterstützend eingesetzt werden, wenn es um die richtige
Schreibweise von Fachbegriffen geht. Je häufiger sich die
Wörter kreuzen, desto stärker ist die Kontrolle der richtigen
Schreibweise. Der Verfasser setzt Kreuzworträtsel seit 2007
zur Vermittlung von Pflanzenkenntnissen ein. Vordergründig
geht es um die richtige Schreibweise botanischer Namen.
In Fragen können aber auch Informationen verpackt sein,
die zusätzlich vermittelt werden. Variante 1 reduziert auf die
Frage nach Taxus: Botanischer Name der Eibe (fünf Buchstaben). Variante 2 in einem Giftpflanzen-Rätsel: Botanischer
Name der Eibe (fünf Buchstaben) – Der Samenmantel ist ungiftig. Sonst sind alle Teile giftig, auch für Pferde und Rinder.
Kreuzworträtsel werden von vielen Studierenden als
geistige Herausforderung gesehen und angenommen (Programm siehe Infobox). Das Programm Hot Potatoes wurde für
den Einsatz an Schulen entwickelt und ist seit 2009 kostenfrei
erhältlich. Die Komponente JCross generiert Rätsel aus Lösungsworten und Fragen. Wer sich fachlich auskennt, kann
mit dem Programm Kreuzworträtsel mit zehn bis fünfzehn
Fragen in 30 bis 45 Minuten erstellen. Das Erstellen und Lösen der Kreuzworträtsel funktioniert ohne Internetverbindung. Ausdrucke der Rätsel sind möglich und steigern die
Einsatzmöglichkeiten.
Hinweise und Einschränkungen
Optimal sind Begriffe mit maximal 10 Buchstaben. Das sorgt
für eine große Wortdichte, erfordert aber Kreativität bei der
60
Formulierung der Fragen. Wie bei Kreuzworträtsel üblich
müssen Umlaute umschrieben werden (oe statt ö). Leerund Sonderzeichen sind nicht zulässig. Hot Potatoes läuft
auch auf Apple, Linus und Windows 7. Die Installation erfordert Administratorenrechte. Bei der Erstanwendung ist
etwas Zeit erforderlich, um die Sprache und Ausgabe der
Hinweistexte zu konfigurieren. Das Programm ist jedoch
weitgehend selbsterklärend. Am Design der Bedienungsoberfläche zum Entwickeln der Rätsel merkt man, dass es das
Programm schon lange gibt. Die Rätsel selbst lassen sich gestalterisch anpassen. Wichtig: Beim Ausdruck muss im Browser der Druck der Hintergrundfarben aktiviert werden. Das ist
im Browser-Menü Datei + Seite einrichten mit einem Mausklick erledigt. Sonst bleiben die schwarzen Blindfelder weiß.
Schlagwortwolken – Wordclouds
In einer Schlagwortwolke bekommen flächig dargestellte
Begriffe durch unterschiedliche Schriftgrößen eine eigene
Gewichtung. Es gibt verschiedene Vorgehensweisen:
→→ Eingabe von Texten aus Dateien (markieren, kopieren, einfügen)
→→ Manuelle Eingabe (Hervorheben durch Wortwiederholung)
Eine Analyse von Internetseiten ist auch möglich. Nach der
Eingabe der www-Adresse stellt eine Wortwolke die Häufigkeit der verwendeten Wörter dar. Interessant: Bei wordle.
net hält die Tilde ~ Wörter als Bestandteile von Sätzen zusammen.
Zum Erstellen von Wortwolken gibt es Internetseiten.
Jonathan Feinberg, Besitzer der englischsprachigen Seite
www.wordle.net, hat 2005 einen Algorithmus zum automatischen Erstellen der Wortwolken entwickelt. Die Wortwolken können ohne Anmeldung kostenfrei erstellt und als
Grafik heruntergeladen werden. Bei wordle.net muss eine
aktuelle Version der Programmiersprache Java im Browser
SUB 3/2016
Digitalisierung
aktiviert sein. Das verursacht bei der Nutzung im Behördennetz manchmal technische Probleme.
Oft hilft ein Test verschiedener Browser – z. B.
Internet Explorer 64 bit Version oder Mozilla
Firefox.
Inzwischen gibt es zahlreiche Alternativen zu wordle.net.
Der Verfasser hat gute Erfahrungen mit www.wortwolken.com
gesammelt.
Schlagwortwolken im Unterricht
Lehrkräfte nannten in den „App bis Web“-Seminaren folgende Möglichkeiten zum Einsatz von Wortwolken im Unterricht:
→→ Reduktion von Texten,
→→ Aktivierung von Vorwissen,
→→ vorstellen der Inhalte eines neuen Unterrichtsfachs,
→→ Zusammenfassung mehrerer themengleicher Gruppenarbeiten,
→→ vorstellen von Empfehlungen der Studierenden bei
einer Betriebsanalyse und
→→ herstellen von Beziehungen zwischen verschiedenen Begriffen eines Themas.
Literatur
https://de.wikipedia.org/wiki/Kreuzwortr%C3 ProzentA4tsel,
Stand 21. November 2015
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlagwortwolke
http://www.mrfeinberg.com/
Infobox: Informationen zu den einzelnen
Anwendungen
Anki: Karteikarten auf dem Handy
Grundlagen: https://de.wikipedia.org/wiki/Anki
Programm zur Installation: http://ankisrs.net/
Kartenstapel zum Teilen: https://ankiweb.net/shared/decks/
Weitere Informationen: https://wiki.ubuntuusers.de/Anki
QR-Code
Beispiel für die Erzeugung und Hintergrundinformation:
www.goqr.me/de/.
LearningApps
Hinweise und Quellen: www.learningapps.org
https://prezi.com/fowkoo6gqrvj/learningappsorg/
Kreuzworträtsel
Das Programm zum Herunterladen: www.hotpotatoes.de
Rätselbeispiele: www.fachschule-gartenbau.de/kreuzwort.htm
WordClouds
Programmbeispiele: www.wordle.net oder
www.wortwolken.com
http://www.lehrer-online.de/wordle.php
http://blog.goethe.de/majstersztyk/archives/6-Wortwolken-mit-Wordle-schnell-und-einfach-erstellen.html
PETER WEYMAN
STAATLICHE FÜHRUNGSAKADEMIE FÜR
ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
[email protected]
Die über den Rahmenvertrag des Geschäftsbereichs des StMELF zu beziehenden Kopierer können auch als Scanner
genutzt werden, sofern das Amt dies
einrichten hat lassen. Sie sind mit OCR
(Optical Character Recognition) zur Texterkennung ausgestattet. Somit können die
gescannten Dokumente, z. B. mit dem Explorer, nach Inhalten durchsucht werden.
Wie Dokumente gescannt werden
kön­nen, ist in der Anleitung des
Kopierers beschrieben.
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Kurzanleitung:
Sich anmelden – auf Scannen gehen –
auswählen, wohin das Dokument gesendet werden soll – Dateiart festlegen – Duplex einstellen, wenn es ein doppelseitig
bedrucktes Dokument zum Scannen ist
(im Display unter Scan auf Simplex drücken, dann wird auf Duplex umgestellt).
In den meisten Fällen gibt es Sinn, das Dokument als PDF zu scannen und sich als
Dokument entweder per E-Mail zusenden
zu lassen oder es auf dem Laufwerk T: unter
scan und dem Namenskürzel abzuspeichern.
Handelt es sich um ein Dokument, das von
mehreren Personen benötigt wird, bietet
sich das Speichern auf ein für diese Personen
zugängliches Verzeichnis an. Damit sparen
wir nicht nur Speicherplatz, es entstehen
auch keine Dubletten, die verwaltet und auf
ihre Aktualität hin geprüft werden müssen.
Versenden Sie deshalb das Dokument nicht
als Anhang in einer E-Mail an Ihre Kolleginnen und Kollegen, sondern nur den Link
auf das Dokument. Damit dieses aus der
E-Mail heraus direkt aufgerufen werden
kann, setzen Sie File:// vor den Pfadnamen.
Dr. Horst Neuhauser, FüAk
61
Digitalisierung
Gewusst wie: Digitalisieren von Dokumenten – OCR bei Kopierern nutzen
DIGITALISIERUNG
Digitalisierung
Gewusst wie: Einfaches Einbinden von Organisationseinheiten im Outlook-Kalender
2
Den Kalender eines einzelnen Mitarbeiters
oder Kollegen kann man in Outlook 2010
sehr bequem über das Symbol „Kalender
öffnen – Aus Adressbuch...“ einbinden. Oft
ist es aber nötig eine ganze Organisationseinheit, z. B. ein Sachgebiet, einzusehen.
Viele bauen sich fälschlicherweise eine
eigene Struktur mit einzelnen freigegebenen Kalendern und müssen diese dann im
Nachhinein selbst pflegen und aktualisieren. Dies ist leider sowohl fehleranfällig, als
auch sehr zeit- und arbeitszeitaufwändig.
Wer eine komplette Organisationseinheit
in einem Schritt hinzuzufügt, muss sich
quasi nie wieder darum kümmern: Wenn
ein neuer Mitarbeiter hinzukommt oder
ausscheidet, passt sich der Kalender automatisch an. Technisch gesehen werden
mit einer Veränderung der Verteilergruppen auf dem Exchange-Server auch diese
lokalen Kalender neu synchronisiert.
Um ganze Sachgebiete bzw. E-MailVerteilergruppen einzubinden,
gehen Sie folgendermaßen vor:
1 Schritt: Globale Adressliste öffnen
1.
Öffnen Sie unter „Kalender öffnen – Aus
Adressbuch ...“ die „Globale Adressliste“.
1
4
2 Schritt: Verteilergruppe auswählen
2.
Scrollen Sie zu den Verteilergruppen,
mit denen Sie alle Mitglieder des gewünschten Sachgebiets per E-Mail
anschreiben würden. Klicken Sie die
Einheit per Doppelklick an und bestätigen Sie die Auswahl mit OK.
3 Schritt: In die gewünschte
3.
Reihenfolge bringen
Sind die Sachgebiete nach dem Einbin­den
meist etwas durcheinander gewürfelt,
kön­nen sie per Drag & Drop in die ge­wün­
schte Reihenfolge gebracht werden.
3
Digitalisierung
Mit Anklicken der Organisationseinheit
erscheinen die einzelnen Personen. 4
Das Prinzip gilt nicht nur für Sachgebiete, sondern für jegliche E-Mail-Verteilergruppe, die nur eine Ebene hat.
Das heißt, unser aller Herrgott Bill Gates hat es in Outlook 2010 leider noch
nicht vorgesehen auch verschachtelte Verteilergruppen mit mehreren
Ebenen darzustellen. Die Mitarbeiter
einer ganzen Abteilung hinzuzufügen, funktioniert also leider nicht.
Es sei außerdem noch erwähnt, dass einzelne User innerhalb der angezeigten
Listen nicht gelöscht werden können.
Viel Spaß beim korrekten Einbinden …
FüAk
62
SUB 3/2016
© pressmaster – Fotolia.com
Wenn man lange genug
in sein Smartphone blickt,
dann blickt das Smartphone
entsprechend tief in einen zurück.
(Frank Schirrmacher)
IMPRESSUM
Herausgeber:
Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
ISSN: 0941-360X
Internet:
www.stmelf.bayern.de/SuB
Abonnentenservice:
Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Porschestraße 5 a, 84030 Landshut,
Telefon +49 871 9522-371, Fax +49 871 9522-399
Kontakt:
Schriftleitung: Angelika Spitzer
Porschestraße 5 a, 84030 Landshut,
Telefon +49 871 9522-394, Fax +49 871 9522-399
[email protected]
Die in „Schule und Beratung“ namentlich gekennzeichneten
Beiträge geben die Auffassung des Autors wieder.
Eine Überprüfung auf fachliche Richtigkeit ist nicht erfolgt.
Redaktionsschluss für Heft 6-7/2016:
1. Mai 2016
Titelbild:
Löwenzahnblüte, Jutta Kotzi, LfL