Wirtschaftsprüfung & Beratung 05 |16 Editorial Inhalt Sehr geehrte Leserinnen und Leser, aufgrund der Fülle aktueller Entwicklungen, Gesetzesänderungen und Rechtsprechung erscheint die Mai-Ausgabe mit vier Seiten mehr als üblich. Den Auftakt bilden die PanamaPapers: Anfang April wurden vertrauliche Daten eines panamaischen Offshore-Dienstleisters bekannt, die eine öffentliche Debatte über Briefkastenfirmen, Steueroasen und Steuermoral ausgelöst haben. Seitdem scheinen ausländische Kapitalgesellschaften gebrandmarkt. Im „Brennpunkt“ stellen wir in diesem Zusammenhang die Spielregeln des deutschen Steuerrechts dar. Der erste Beitrag in der Rubrik „Steuern“ beinhaltet für Betroffene u. U. viel grunderwerbsteuerlichen Sprengstoff. Mit zwei weiteren Beiträgen bringen wir Sie wie gewohnt „upto-date“ im Steuerrecht. Auch ohne Datenleck dürfte mit einem neuen Gesetz, das unter dem wenig lesefreundlichen Kürzel „FKAustG“ herausgegeben wurde, das Ende von unversteuerten Geldern gekommen sein. Wir berichten unter „Recht“ zum nun gesetzlich verankerten multinationalen Austausch von Informationen über Finanzkonten; es folgen drei Themen aus dem Arbeitsrecht. Unter „Rechnungslegung“ informieren wir über die DRS-Änderungen als Konsequenz aus dem BilRUG und über Vorgaben für die Abschlussprüfung im Insolvenzverfahren. Unter „Corporate Finance“ erfahren Sie, warum ein gut geplanter und eindeutig formulierter Letter of Intent bei Unternehmenstransaktionen wichtig ist. Der zweite Beitrag in dieser Rubrik besteht in der Fortsetzung des April-Brennpunkts zur Strategieberatung durch den Steuerberater. Schwerpunkte sind hier die Erarbeitung und die Umsetzung einer Unternehmensstrategie. Ihr PKF Team BRENNPUNKT » Ausländische Kapitalgesellschaften nicht nur in Panama: Fallstricke vermeiden! STEUERN » § 6a GrEStG – unzulässige staatliche Beihilfe? » Rechnungsformat für elektronische Rechnungen: ZUGFeRD » Steuerbefreiung für Arbeitgeberleistungen zur Gesundheitsförderung RECHT » Erweiterter zwischenstaatlicher Informationsaustausch durch das FinanzkontenInformationsaustauschgesetz (FKAustG) » Einseitige Herabsetzung der Vorstandsbezüge bei Insolvenz der Gesellschaft » Anrechnung von Sonderzahlungen auf Mindestlohn » Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Fax reicht nicht! RECHNUNGSLEGUNG » Bilanzrecht: Änderung der DRS infolge des BilRUG (DRÄS 6) » Abschlussprüfung im Insolvenzverfahren: Bestellung und Abberufung des Prüfers CORPORATE FINANCE » Absichtserklärungen beim Unternehmenskauf – Ziele, Inhalte und ausgewählte Praxishinweise » Leitfaden zur Strategieberatung durch den Steuerberater – Teil 2: Erarbeitung und Umsetzung der Unternehmensstrategie [ BRENNPUNKT ] Ausländische Kapitalgesellschaften nicht nur in Panama: Fallstricke vermeiden! Der Begriff „Panama Papers“ wird häufig als Synonym für die Steuerverkürzung mittels ausländischer Kapitalgesellschaften verstanden. Im Vergleich zur Gesamtzahl ist der Anteil ausländischer Kapitalgesellschaften, die tatsächlich steuerverkürzend eingesetzt werden, aber vergleichsweise gering. Grundsätzlich sind ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Steuerrecht als eigene – ausländische – Steuersubjekte anerkannt: Sie werden im Inland nur mit ihren deutschen Einkünften (beschränkte Steuerpflicht) und getrennt von ihren Anteilseignern (Abschirmwirkung) besteuert. Nicht aus Deutschland stammende Einkünfte der Kapitalgesellschaft unterliegen daher in Deutschland prinzipiell weder auf Ebene der ausländischen Kapitalgesellschaft noch auf Ebene des deutschen Anteilseigners der Besteuerung. Wichtige Ausnahmen von diesem Grundsatz stellen wir Ihnen nachfolgend vor. I. Inländischer Ort der Geschäftsleitung Eine Kapitalgesellschaft unterliegt trotz ihres ausländischen Sitzes mit ihren weltweiten Einkünften der deutschen Körperschaftsteuer (sog. unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht), wenn die wesentlichen Entscheidungen ihres Tagesgeschäfts durch eine Geschäftsführung im Inland getroffen werden. werden die daraus zufließenden Einkünfte bei diesem Steuerinländer erfasst und in Deutschland besteuert. Ebenso werden im Fall von Treuhandverhältnissen das Treuvermögen und die daraus stammenden Einkünfte dem Treugeber zugerechnet. Beispiel: Eine ausländische Kapitalgesellschaft ist Eigentümerin brasilianischer Aktien, hält die Aktien allerdings nur treuhänderisch für ihren deutschen Gesellschafter. Der deutsche Gesellschafter hat die Dividenden in Deutschland zu versteuern. III. Unwirksame Geschäfte und Scheingeschäfte Steuerlich wirksam ist ein Geschäft, soweit die Beteiligten ein bestimmtes wirtschaftliches Ergebnis erreichen wollten. Auf die zivilrechtliche Wirksamkeit kommt es nicht an. Umgekehrt sind Scheingeschäfte steuerlich unbeachtlich, wenn die Vertragsparteien das Erklärte nicht wollten. Beispiel: Ein deutscher Gesellschafter schließt mit seiner ausländischen Kapitalgesellschaft einen schriftlichen Kaufvertrag ab, nach welchem er seine brasilianischen Aktien an diese Kapitalgesellschaft verkauft. Tatsächlich besteht aber Einigkeit, dass der Vertrag nicht gelten soll und der Gesellschafter die Aktien behält: Dann ist das Scheingeschäft steuerlich unbeachtlich. Der Beispiel: Der Geschäftsführer einer ausländischen Kapitalgesellschaft hält sich stets in Deutschland auf und leitet von hier aus die Gesellschaft. Die Kapitalgesellschaft ist mit ihrem weltweiten Einkommen in Deutschland steuerpflichtig. II. Wirtschaftliches Eigentum und Treuhandverhältnisse Die Abschirmwirkung gilt nicht für alle Einkünfte aus Vermögen, das zivilrechtlich der ausländischen Kapitalgesellschaft gehört. Steht etwa das Vermögen der Kapitalgesellschaft im wirtschaftlichen Eigentum eines Steuerinländers, 2 | PKF Nachrichten | Mai 2016 Oh wie schön war Panama! Oder: Briefkastenfirmen vor dem Aus! 05 |16 Gesellschafter realisiert keinen Veräußerungsgewinn/ -verlust. Die Aktien sind ihm weiterhin zuzurechnen und die daraus zufließenden Einkünfte von ihm zu versteuern. IV. Rechtsmissbrauch (Briefkastengesellschaften) Empfehlung: Wenn Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften gehalten werden, ist eine intensive steuerliche Beratung zu empfehlen. Kenntnisse über solche Strukturen erlangt die deutsche Finanzverwaltung nicht nur aus Mitteilungen der Steuerpflichtigen selbst (Steuerinländer müssen etwa den Erwerb von mindestens 10 % an ausländischen Kapitalgesellschaften melden), sondern auch aus dem zunehmenden internationalen Informationsaustausch. Zur Bekämpfung von Steuerumgehungen werden bestimmte rechtliche Gestaltungen nicht anerkannt, wenn dadurch ein gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil entsteht. Diese Regelung wird vor allem auf funktionslose ausländische Briefkastengesellschaften ohne ein Mindestmaß an sachlicher und personeller Ausstattung und mit einem Mehrfachgeschäftsführer im niedrig besteuernden Ausland angewendet. Sofern nicht im Einzelfall beachtliche außersteuerliche Gründe vorliegen (z. B. wenn der Inländer ernsthaft die Verlegung seines Wohnsitzes in diesen Staat beabsichtigt), wird die Auslandsgesellschaft für deutsche steuerliche Zwecke negiert und der Gesellschafter muss die Einkünfte der Kapitalgesellschaft als eigene Einkünfte versteuern. [ Beispiel: Ein Steuerinländer ist Alleingesellschafter einer Briefkastengesellschaft in einer Steueroase. Diese Gesellschaft erwirbt brasilianische Aktien und erzielt daraus Dividenden. Beachtliche außersteuerliche Gründe für die Einschaltung der Briefkastengesellschaft liegen nicht vor. In diesem Fall muss der deutsche Gesellschafter die Dividenden in Deutschland versteuern, auch wenn ihm diese (noch) nicht zugeflossen sind. Sachverhalt: Bestimmte Umwandlungsvorgänge innerhalb eines Konzerns sind von der Grunderwerbsteuer befreit. Diese Befreiung ist derzeit Gegenstand mehrerer Revisionsverfahren beim BFH, in welchen zu klären ist, ob es sich hierbei um eine unzulässige staatliche Beihilfe handelt. V. Hinzurechnungsbesteuerung Selbst wenn die bisher erwähnten Fallstricke vermieden werden, kann es über die sog. Hinzurechnungsbesteuerung zu einer deutschen Besteuerung von im Ausland nicht oder niedrig besteuerten Gewinnen einer Auslandskapitalgesellschaft bei ihren deutschen Gesellschaftern kommen. Diese Besteuerung greift dann, wenn ein oder mehrere unbeschränkt Steuerpflichtige an der ausländischen Kapitalgesellschaft zu mehr als 50 % beteiligt sind und die Auslandsgesellschaft bestimmte („passive“) Einkünfte erzielt; im Fall von Einkünften mit Kapitalanlagecharakter reicht bereits eine Beteiligung von 1%. Eine Niedrigbesteuerung wird bei einer Steuerquote von unter 25 % angenommen. Bei jedem inländischen Gesellschafter sind dann die auf ihn entfallenden, nicht bzw. niedrig besteuerten passiven Einkünfte der Auslandsgesellschaft als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu besteuern. Auch hier kommt es nicht darauf an, dass dem Steuerinländer die Einnahmen tatsächlich zugeflossen sind. STEUERN ] § 6a GrEStG – unzulässige staatliche Beihilfe? Für wen: (Konzern-)Unternehmen, die für Umstrukturierungen die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel (§ 6a GrEStG) nutzen möchten oder genutzt haben. Nach Art. 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind Beihilfen aus staatlichen Mitteln nicht zulässig, wenn lediglich bestimmte Unternehmen begünstigt werden und eine Wettbewerbsverfälschung bzw. eine Beeinträchtigung des Handels vorliegt. Daher muss eine Beihilfemaßnahme vor ihrer Einführung zunächst durch die EU-Kommission genehmigt werden. Unterbleibt eine solche Prüfung und wird die Unvereinbarkeit mit EU-Recht nachträglich festgestellt, muss der Mitgliedstaat die gewährte Beihilfe (inkl. Zinsen) zurückfordern. Entsprechend hat der BFH das Bundesfinanzministerium aufgefordert, den anhängigen Verfahren beizutreten und darzulegen, ob § 6a GrEStG durch die EU-Kommission geprüft wurde. Sollte dies nicht der Fall sein und § 6a GrEStG sich tatsächlich als unzulässig erweisen, droht den Steuerpflichtigen – unabhängig von einer etwaigen verbindlichen Auskunft oder eines festsetzungsverjährten Bescheids – eine nachträgliche Erhebung der Grunderwerbsteuer (inkl. Zinsen). PKF Nachrichten | Mai 2016 | 3 Nachrichten Empfehlung: Angesichts der durch den BFH neu aufgeworfenen Fragestellung und der ohnehin unsicheren Rechtslage rund um § 6a GrEStG sollte ein Rückgriff auf diese Norm möglichst vermieden werden. Bei der Erarbeitung alternativer Strategien unterstützt Sie Ihr PKFBerater gerne. Mehr zum Thema: Die Beschlüsse des BFH (Az.: II R 50/13; 36/14; 62/14; 63/14) sind im Internet unter www.bundesfinanzhof.de einsehbar. Zudem kann der AEUV unter http://eur-lex.europa.eu/ aufgerufen werden. Rechnungsformat für elektronische Rechnungen: ZUGFeRD Für wen: Alle Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen. Sachverhalt: Das Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) hat unter Zusammenarbeit mit Verbänden, Ministerien und Unternehmen ein gemeinsames übergreifendes Format für elektronische Rechnungen erarbeitet. Ziel des sog. ZUGFeRD-Formats (Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland) ist es, Geschäftsabläufe zu optimieren und Kosten einzusparen. Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Behörden sollen vereinfacht und die Buchung von Geschäftsvorfällen vollständig automatisiert werden. Dabei wurden internationale Standards beachtet, so dass das Datenformat auch im grenzüberschreitenden Rechnungsverkehr eingesetzt werden kann. Die Rechnungen werden im PDF-Format verschickt. Zusätzlich wird eine standardisierte XML-Struktur übertragen, die in die PDF-Datei integriert ist. Optisch ist die Rechnung dadurch nicht von einer gewöhnlichen PDFRechnung zu unterscheiden. Bei der Verarbeitung der ZUGFeRD-Rechnung werden die XML-Daten jedoch ausgelesen und beispielsweise in den Zahlungsträger, die Buchungszeile usw. übernommen. Damit bietet ZUGFeRD folgende Vorteile: elektronischer Rechnungsversand ohne Absprache des Formats zwischen den Rechnungsparteien; automatisierte und verschlankte Zahlungsvorgänge, da manuelle Datenübernahme und mögliche fehlerhafte Erfassung entfallen; automatische und vereinfachte Verbuchung von Rechnungen im Buchhaltungsprogramm. 4 | PKF Nachrichten | Mai 2016 Je mehr Unternehmen das kostenlose Angebot nutzen und je mehr Softwareanbieter das ZUGFeRD-Format unterstützen, umso schneller können darauf gestützte elektronische Prozesse im Rechnungswesen kostensparend umgesetzt werden. Empfehlung: Das FeRD bietet ab sofort allen Interessenten die ZUGFeRD-Spezifikation in der finalen Version 1.0 an. Dazu stellt es ein Infopaket zur Verfügung, in dem die relevanten Dokumente zusammengefasst sind. Das Infopaket enthält das Datenmodell, das Schema als Strukturdiagramm, eine alphabetische Liste der Elemente und die von ZUGFeRD definierten Code-Listen. Mehr zum Thema: Das Infopaket sowie weitere Informationen zum neuen ZUGFeRD-Datenformat sind abrufbar unter www.ferd-net.de. Steuerbefreiung für Arbeitgeberleistungen zur Gesundheitsförderung Für wen: Arbeitgeber, die gesundheitsfördernde Maßnahmen ihrer Arbeitnehmer bezuschussen. Sachverhalt: Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der Gesundheitsförderung seiner Arbeitnehmer können lohnsteuerfrei sein. Die Steuerfreiheit ist an einige Voraussetzungen geknüpft: So ist u. a. die Höhe der steuerfreien Zuschüsse für die gesundheitsfördernden Maßnahmen auf 500 € im Jahr beschränkt. Die Leistung muss zudem speziell zur Verhinderung bzw. Verminderung von Krankheitsrisiken dienen. Seit Juli 2015 werden detaillierte Anforderungen an solche Präventionsangebote gestellt und ein Zertifizierungsverfahren vorausgesetzt. Dadurch entfallen zusätzliche aufwendige Nachweisanforderungen an den Arbeitgeber, da die zertifizierten Angebote vom Finanzamt ohne Einzelfallprüfung anerkannt werden. Nach einem Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 11.2.2016 müssen die Maßnahmen jedoch nicht zwingend von einem zertifizierten Anbieter durchgeführt werden. Es muss sich lediglich um eine Fachkraft mit Bezug zu Gesundheit und Prävention handeln. Auch ein Physiotherapeut, ein Heilpraktiker oder ein qualifizierter Fitnesstrainer können somit gesundheitsfördernde Leistungen anbieten. Demnach können zukünftig Maßnahmen wie z. B. Gymnastikkurse, physiotherapeutische Leistungen, 05 |16 Personal-Training oder Massagen lohnsteuerfrei bezuschusst werden. Für nicht zertifizierte Angebote sind allerdings detaillierte Nachweispflichten zu beachten. Empfehlung: Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern steuerfreie Zuschüsse zu Gesundheitsmaßnahmen gewähren, sollten intern hierfür klare Richtlinien aufstellen. Ein zertifiziertes Angebot kann von den Arbeitnehmern ohne weiteres wahrgenommen werden. Bei anderen Leistungen sollte der Mitarbeiter dem Arbeitgeber die entsprechenden Nachweise zur Verfügung stellen, damit der Zuschuss lohnsteuerfrei erfolgen kann. Zu beachten ist zudem, dass Wellness- und ähnliche Angebote nicht steuerfrei bezuschusst werden können, sondern mit einem pauschalen Lohnsteuersatz von 30 % (zzgl. SolZ und KiSt) belegt sind. Mehr zum Thema: Das bislang nicht veröffentlichte Urteil des FG Bremen (Az.: 1 K 80/15-5) erhalten Sie auf Anforderung gern von Ihrem PKF-Berater. [ RECHT ] Erweiterter zwischenstaatlicher Informationsaustausch durch das FinanzkontenInformationsaustauschgesetz (FKAustG) Für wen: Steuerpflichtige mit Finanzkonten / Bankverbindungen im Ausland. Sachverhalt: Seit dem 1.1.2016 ist das FinanzkontenInformationsaustauschgesetz (FKAustG) in Kraft. Durch die neuen Regelungen steht Deutschland nach aktuellem Stand ab 2017 mit 52, ab 2018 sogar mit mindestens 73 Staaten (darunter auch „Steueroasen“) in einem automatischen Auskunftsverkehr. Mit dem FKAustG werden die deutschen Finanzinstitute verpflichtet, einmal jährlich wertbezogene Informationen sowie Informationen zur Identifizierung der Kontoinhaber an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bonn weiterzuleiten. Dieses wird zudem die Meldungen aus den anderen Staaten empfangen. Die Meldung erfolgt auf elektronischem Wege jeweils bis zum 31.7. des Folgejahres. Der erstmalige Datenaustausch für das Steuerjahr 2016 muss somit bis zum 30.7.2017 abgeschlossen sein. Neben personenbezogenen Stammdaten werden auch Daten bezüglich Zinsen, Dividenden, Guthaben auf Konten, Einnahmen aus bestimmten Versicherungsverträgen sowie Erlösen aus der Veräußerung von Finanzvermögen erhoben. Hat ein Konto einen hohen Wert (ab 1 Mio. USD, für Konten von Rechtsträgern ab 250.000 USD), gelten besondere Sorgfalts- und Überprüfungspflichten. Nach § 12 FKAustG müssen dann sogar die Daten der letzten fünf Jahre rückwirkend überprüft werden. Um notwendige Informationen zu erhalten, wenden sich die Finanzinstitute u. a. unmittelbar an ihre Kunden. Diese werden aufgefordert, ihre persönlichen Daten in der sog. „Selbstauskunft zur Feststellung der steuerlichen Ansässigkeit“ anzugeben. Bei Unsicherheiten in Bezug auf die steuerliche Ansässigkeit ist eine Rücksprache mit dem Steuerberater ratsam. Für die Kontoinhaber kann sich durch das neue System aus den übermittelten Daten ein Datenschutz-Risiko ergeben. Die Bundesregierung will aber laut einer Pressemitteilung des BMF sicherstellen, dass bei dem Austausch der Daten höchste Datenschutzanforderungen eingehalten werden. Dafür hat Deutschland eine besondere Datenschutzklausel bei der OECD hinterlegt, die gewährleistet, dass sämtliche mit Deutschland kooperierende Staaten den deutschen Datenschutzstandard erfüllen müssen. Multinationaler Datenaustausch! Oder: Steuerhinterziehung vor dem Aus! PKF Nachrichten | Mai 2016 | 5 Nachrichten Mit dem Ziel, Schwarzgelder aufzudecken und Steuerhinterziehung zu bekämpfen, stellt das System zum Informationsaustausch einen Meilenstein dar. Es bietet die Möglichkeit, den gleichmäßigen Vollzug deutscher Steuergesetze zu verbessern und das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit einzuhalten. Für die Steuerpflichtigen endet damit die Möglichkeit, im Ausland befindliches Kapital und die damit zusammenhängenden Einkünfte durch eine Selbstanzeige offenzulegen. In Folge des FKAustG sind die Daten der ausländischen Finanzbehörden verfügbar und somit bereits bekannt. Empfehlung: Zu beachten ist, dass die Liste der teilnehmenden Staaten nicht abschließend ist. Es können also jederzeit weitere Staaten hinzukommen. Im Zuge der Auskunftswünsche der Kreditinstitute ist auf größte Sorgfalt und Richtigkeit der Angaben zur steuerlichen Ansässigkeit zu achten. Bei Zweifelsfragen empfiehlt sich die Hinzuziehung des steuerlichen Beraters. Einseitige Herabsetzung der Vorstandsbezüge bei Insolvenz der Gesellschaft Für wen: Aktiengesellschaften. Sachverhalt: Mit Urteil vom 27.10.2015 hat sich der BGH mit der Frage der Herabsetzung der Vorstandsbezüge im Falle der Insolvenz der Gesellschaft befasst. In dem vom BGH entschiedenen Verfahren (Az.: II ZR 296/14) hatte ein früheres Vorstandsmitglied (V) den Insolvenzverwalter (I) der insolventen AG auf Zahlung ausstehender Vergütung sowie Feststellung der Vergütungsansprüche zur Insolvenztabelle verklagt. Das Jahresgehalt des V betrug 188.000 € zzgl. variabler Vergütung. Im Laufe des Jahres 2011 geriet die Gesellschaft in Schieflage. Auf Drängen der Banken berief der Aufsichtsrat den V am 31.12.2011 als Vorstand ab und stellte ihn von der Fortzahlung seiner Bezüge frei. Ab Januar 2012 zahlte die Gesellschaft ihm keine Bezüge mehr. Nach Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde – auf Aufforderung des vorläufigen Insolvenzverwalters – in der Aufsichtsratssitzung vom 15.3.2012 beschlossen, die Bezüge aller Vorstandsmitglieder ab Insolvenzeröffnung auf 2.500 € herabzusetzen. Am 30.3.2012 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und I zum Insolvenzverwalter ernannt. Daraufhin kündigte er 6 | PKF Nachrichten | Mai 2016 den Anstellungsvertrag des V zum 30.6.2012. Dieser meldete Gehaltsansprüche für Januar bis März 2012 sowie für Juli bis Dezember 2012 in voller Höhe zur Insolvenztabelle an. Auf das Bestreiten des I erhob er Klage zum Landgericht (LG) auf Feststellung dieser Forderungen. Das LG verurteilte den beklagten I, an den V das reduzierte Gehalt für die Monate April bis Juni 2012 zu zahlen und Gehaltsforderungen für Januar bis März 2012 sowie Juli bis Dezember 2012 zur Tabelle festzustellen. Die Revision hatte Erfolg. Der BGH hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Der BGH hält fest, dass das Recht zur Herabsetzung der Bezüge ein einseitiges Gestaltungsrecht der Aktiengesellschaft ist, welches der Aufsichtsrat in Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied abgibt. Eine Herabsetzung der Bezüge ist dann vorzunehmen, wenn die Gesellschaft insolvenzreif wird und muss mindestens auf einen Betrag erfolgen, dessen Gewährung angesichts der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft nicht mehr als unbillig angesehen werden kann. Anrechnung von Sonderzahlungen auf Mindestlohn Für wen: Arbeitgeber und Arbeitnehmer, für die Mindestlohnregelungen gelten. Sachverhalt: Das Mindestlohngesetz enthält keine Regelung, ob und ggf. welche Entgeltbestandteile auf den Betrag von 8,50 € anrechenbar sind. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Mindestlohn lediglich der Vergütung der „Normalleistung“ dient. Daher kommt es darauf an, ob eine Zahlung vergütet, was der Arbeitnehmer „normalerweise” tun muss oder darüber hinaus erfolgt. In einem aktuell entschiedenen Rechtsstreit betrug der vereinbarte Stundenlohn der klagenden Arbeitnehmerin weniger als 8,50 €. Im Arbeitsvertrag waren zwei jährliche Sonderzahlungen von jeweils einem halben Monatslohn vereinbart, die als Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezeichnet waren. Zunächst versuchte der beklagte Arbeitgeber, den Arbeitsvertrag einvernehmlich zu ändern. Die Verteilung der bisher erbrachten Jahressonderzahlungen sollte auf jeweils 1/12 in jedem Monat erfolgen. Als die Klägerin und weitere Arbeitnehmer sich weigerten, den geänderten 05 |16 Vertrag zu unterschieben, schloss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, wonach die Sonderzahlungen auf zwölf Monate zu verteilen sind. Mit den anteiligen Sonderzahlungen ergab sich ein Stundenlohn von mehr als 8,50 €. Dagegen machte die Klägerin geltend, dass ihr die Sonderzahlungen zusätzlich zu dem Mindestlohn zustehen. Dieser Auffassung folgte das LAG Berlin-Brandenburg nicht. Bei den Sonderzahlungen handele es sich um Arbeitsentgelt für die normale Arbeitsleistung der Klägerin. Daher sei eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn möglich. Nach Ansicht des Gerichts ist die Betriebsvereinbarung wirksam und verstößt nicht gegen den Arbeitsvertrag der Klägerin. Empfehlung: Die Anrechnung von Sonderzahlungen auf den Mindestlohn muss in der vertraglichen Regelung klar zum Ausdruck kommen. Die rechtliche Grundlage kann in einem Änderungsvertrag mit dem Arbeitnehmer oder einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat bestehen. Das Urteil des LAG BerlinBrandenburg vom 12.1.2016 ist unter dem Az. 19 Sa 1851/15 auf www.iww.de einsehbar. Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Fax reicht nicht! mein geltenden Schriftformerfordernis des § 623 BGB, welches der Rechtssicherheit sowie der Beweissicherung dient. Davon sind alle auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Formen der Kündigung erfasst. Die Schriftform erfordert den Zugang des mit Unterschrift versehenen Originalschreibens. Ein Fax ist aber nur eine (Fern-)Kopie, das Original verbleibt gerade beim Absender. Durch ein Fax kann die Schriftform somit nicht gewahrt werden. Empfehlung: Die Arbeitsvertragsparteien sollten streng darauf achten, dass jegliche auf Beendigung von Arbeitsverhältnissen zielenden Erklärungen in Schriftform erfolgen und im Original zugehen. Mehr zum Thema: Das BAG-Urteil stammt vom 17.12.2015 (Az.: 6 AZR 709/14) und ist im Internet unter www.bundesarbeitsgericht.de einsehbar. [ RECHNUNGSLEGUNG ] Bilanzrecht: Änderung der DRS infolge des BilRUG (DRÄS 6) Für wen: Unternehmen, die die Deutschen Rechnungslegungs Standards (DRS) anwenden. Für wen: Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sachverhalt: In einen Abwicklungsvertrag zur Beendigung des Anstellungsvertrags hatten die Parteien eine Klausel aufgenommen, wonach der Arbeitnehmer mit schriftlicher Ankündigung (mit einer Frist von 3 Tagen) auch vorzeitig ausscheiden konnte. Die vereinbarte Abfindung erhöhte sich dann für jeden Tag um einen bestimmten Betrag (sog. „Turboklausel“ oder „Sprinterprämie“). Der Arbeitnehmer fand schnell eine neue Beschäftigung und sein Anwalt zeigte dem Arbeitgeber per Fax vom 26.11. an, dass der Mitarbeiter zum 30.11. ausscheiden wolle. In dem sich anschließenden Rechtsstreit kam es darauf an, ob das Anstellungsverhältnis durch das Fax beendet wurde und damit der Anspruch auf die Zusatzabfindung entstanden war. Das BAG verneinte dies jetzt in letzter Instanz. Es sah in der Turboklausel ein Sonderkündigungsrecht, das zwar in einem Abwicklungsvertrag vereinbart werden kann, dieses unterliegt dann aber dem für Kündigungen allge- Sachverhalt: Das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) hat am 29.2.2016 und 21.4.2016 den Deutschen Rechnungslegungs Änderungsstandard Nr. 6 (DRÄS 6) verabschiedet und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur Bekanntmachung vorgelegt. Mit DRÄS 6 werden die folgenden Standards geändert: DRS 3 Segmentberichterstattung DRS 8 Bilanzierung von Anteilen an assoziierten Unternehmen DRS 9 Bilanzierung von Anteilen an Gemeinschaftsunternehmen DRS 13 Grundsatz der Stetigkeit und Berichtigung von Fehlern DRS 17 (geändert 2010) Berichterstattung über die Vergütung der Organmitglieder DRS 18 Latente Steuern DRS 19 Pflicht zur Konzernrechnungslegung und Abgrenzung des Konsolidierungskreises PKF Nachrichten | Mai 2016 | 7 Nachrichten DRS 20 Konzernlagebericht DRS 21 Kapitalflussrechnung Die branchenspezifischen Regelungen zur Segmentberichterstattung (DRS 3-10 und DRS 3-20) werden aufgehoben, da sie künftig in DRS 3 eingebunden sind. Neben redaktionellen und klarstellenden Änderungen der DRS wurden u. a. folgende materielle Anpassungen infolge des BilRUG vorgenommen: In DRS 8 wird die Möglichkeit eingefügt, bei erstmaliger Aufstellung eines Konzernabschlusses die Bewertung des assoziierten Unternehmens in Ausnahmefällen zu dem Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem es assoziiertes Unternehmen geworden ist (und nicht zum Zeitpunkt der erstmaligen Einbeziehung). Gleiches gilt bereits für die Kapitalkonsolidierung von Tochterunternehmen aufgrund des am 23.2.2016 bekanntgemachten DRS 23. In DRS 8 und DRS 9 wird aufgenommen, dass die Vorschriften zu latenten Steuern bei quotaler Konsolidierung von Gemeinschaftsunternehmen sowie bei der Anwendung der Equity-Methode auf assoziierte Unternehmen anzuwenden sind. Die Erläuterungspflicht zu den latenten Steuern wird in DRS 18 um eine weitere Erläuterungspflicht und die Angabe der im Laufe des Geschäftsjahres erfolgten Änderungen der Steuersalden ergänzt, sofern latente Steuersalden in der Konzernbilanz angesetzt werden. Durch das BilRUG wird der Nachtragsbericht vom Lagebericht in den Anhang verschoben, deshalb entfallen die Ausführungen im DRS 20. Dafür wird die Empfeh- lung eines Verweises auf den Anhang oder ein Hinweis über ein Fehlen des Nachtragsberichts aufgenommen. Die Änderungen in DRS 21 betreffen hauptsächlich die Streichung der außerordentlichen Posten in der Kapitalflussrechnung. Damit einhergehend erfolgt künftig der Ausweis von Erträgen und Aufwendungen sowie der damit korrespondierenden Ein- und Auszahlungen von außergewöhnlicher Größenordnung oder außergewöhnlicher Bedeutung in der Kapitalflussrechnung. Die Vorschriften sind für nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden. Empfehlung: Zwar beschränkt sich die Anwendbarkeit der bekanntgemachten DRS grundsätzlich auf die Konzernrechnungslegung. Gleichwohl besteht eine Ausstrahlungswirkung der DRS auf die Rechnungslegung im Jahresabschluss und die Lageberichterstattung. Daher haben auch Einzelunternehmen zu prüfen, inwieweit DRÄS 6 ihre Rechnungslegung beeinflusst. Abschlussprüfung im Insolvenzverfahren: Bestellung und Abberufung des Prüfers Für wen: Unternehmen im Insolvenzverfahren, Insolvenzverwalter und Gläubiger. Sachverhalt: Im Insolvenzverfahren wird der Abschlussprüfer nicht durch die Gesellschafter gewählt, sondern gem. § 155 Abs. 3 InsO auf Antrag des Insolvenzverwalters durch das Registergericht bestellt. Dagegen bleiben im Eigenverwaltungs- oder auch im vorläufigen Insolvenzverfahren mit „schwachem“ Insolvenzverwalter die bisherigen Vertretungsorgane für die Bestellung des Abschlussprüfers verantwortlich. BilRUG löst Änderungsbedarf in wichtigen Rechnungslegungsvorschriften aus. 8 | PKF Nachrichten | Mai 2016 Der Insolvenzverwalter wird regelmäßig einen Abschlussprüfer beauftragen, der zuvor nicht mit der Abschlussprüfung betraut war, um etwaige Pflichtverletzungen des vorherigen Abschlussprüfers untersuchen und ggf. Ansprüche geltend machen zu können. Weiterhin wird es sinnvoll sein, einen Abschlussprüfer zu bestellen, der über insolvenzspezifische Rechnungslegungskennt- 05 |16 nisse sowie Erfahrungen im Umgang mit z.T. mangelhaften Buchführungssystemen verfügt. Eine Besonderheit besteht darin, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens der vorinsolvenzlich geschlossene Prüfungsvertrag wie auch der handelsrechtliche Prüfungsauftrag kraft Gesetzes erlöschen. Dagegen bleibt der vorinsolvenzliche Prüfungsvertrag, der sich auf das durch die Verfahrenseröffnung endende (Rumpf-)Geschäftsjahr bezieht, wirksam (§ 155 Abs. 3 Satz 2 InsO). Prüfungsgegenstand ist in diesen Fällen die Schlussbilanz nebst Lagebericht. Beabsichtigt der Insolvenzverwalter, einen für das letzte Geschäftsjahr vor der Verfahrenseröffnung wirksam bestellten Abschlussprüfer zu ersetzen, kann dies ausschließlich auf Antrag durch das Registergericht erfolgen. Der Antrag kann nur auf Gründe gestützt werden, die in der Person des gewählten Abschlussprüfers liegen. Hinweis: Die Ersetzung des Abschlussprüfers ist auf die allgemeinen Ausschlussgründe der §§ 319 ff. HGB zu stützen. Dabei hat der Insolvenzverwalter eine zweiwöchige Antragsfrist zu beachten, die mit gesicherten Kenntnissen von Ausschlussgründen zu laufen beginnt. Mehr zum Thema: Im letzten Heft wurde dargelegt, dass die handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten rechtsform- und größenklassenabhängig auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestehen. Dies gilt für sämtliche Abschlüsse der zunächst werbenden und sodann insolventen Gesellschaft und schließt die Pflicht zur Prüfung der Abschlüsse mit ein. [ CORPORATE FINANCE ] Absichtserklärungen beim Unternehmenskauf – Ziele, Inhalte und ausgewählte Praxishinweise Für wen: Unternehmen und Investoren, die beabsichtigen, Unternehmenstransaktionen zu tätigen. Sachverhalt: Die Absichtserklärung (Letter of Intent – kurz LoI) wird in der Praxis des Unternehmenskaufs angewendet, wenn in den vorvertraglichen Gesprächen zwischen Käufer und Verkäufer die Durchführung der Transaktion wahrscheinlich wird und das Vorbespro- chene schriftlich festgehalten werden soll. Gebräuchlich sind auch die Bezeichnungen „Memorandum of Understanding“ oder „Term Sheet“. Mit einem sorgfältig ausgearbeiteten LoI werden die Eckpunkte für den späteren Kaufvertrag vereinbart und folgende Ziele erreicht: Beschleunigung des Transaktionsprozesses durch Entzerrung der eigentlichen Verhandlungsphase; Schaffung einer gewissen Kaufpreissicherheit für beide Vertragsparteien. Der LoI ist auch in späteren Streitfällen von Bedeutung im Hinblick auf die Auslegung strittiger Klauseln im Kaufvertrag. Je nach individueller Verhandlungstaktik wird auf eine möglichst „verbindliche“ oder aber „weiche“ Ausgestaltung des LoI hinsichtlich der nachfolgend beschriebenen typischen Inhalte hingearbeitet. Als solche sind insbesondere zu nennen: Darstellung der beabsichtigten Transaktion(sstruktur) Darstellung der wesentlichen wertbildenden Faktoren des Zielunternehmens Indikativer Kaufpreis und ggf. Konkretisierung von Anpassungsmechanismen (z. B. Debt-/Cash-free; Working-Capital-Bandbreite u. ä.) Due-Diligence-Vorbehalt Darstellung wesentlicher beabsichtigter Gewährleitungen im Kaufvertrag Adressierung von weiteren notwendigen vertraglichen Regelungen wie z. B. Lieferverträge, Überleitungsverträge (‚Transition Agreements‘) Schutzklauseln für den Verkäufer, z. B. Abwerbungsverbote, Vertraulichkeitsvereinbarung Zeitliche Exklusivität für den Käufer Zeitplan für den Transaktionsprozess Kostentragung, Regelungen zu Break-up-fees und Vertragsstrafen Vereinbarung ausdrücklicher Verbindlichkeit bzw. Nicht-Verbindlichkeit des LoI oder einzelner Punkte Die Tabelle 1 auf der Folgeseite listet Praxistipps zu ausgewählten Regelungsinhalten auf. Empfehlung: Sobald sich Käufer und Verkäufer eines Unternehmens in ernsthaften Verhandlungen befinden, ist der Abschluss eines LOI anzuraten, um die weiteren ‚Spielregeln‘ im Transaktionsprozess zu definieren. In der Praxis haben sich typische Regelungsinhalte herausgebildet. Jede Transaktion besitzt jedoch individuelle Aspekte und Fallstricke, so dass eine sorgfältige Ausarbeitung des LoI unter (finanz-)wirtschaftlichem und rechtPKF Nachrichten | Mai 2016 | 9 Nachrichten REGELUNGSBEREICH ERLÄUTERUNG PRAXISTIPP Kaufpreis und Anpassungsmechanismen Der Informationsstand des Käufers besteht zum Zeitpunkt des Abschlusses des LoI auf vorgefilterten Finanzdaten des Verkäufers. Wenn diese Finanzdaten Grundlage für den indikativen Kaufpreis sind, sollte im LoI auch ein Anpassungsmechanismus für den Fall definiert werden, dass sich im Laufe des Prozesses herausstellt, dass die tatsächlichen von den dargelegten Finanzdaten abweichen. Hier ist z.B. an das EBIT als Grundlage für den Basiskaufpreis oder die Höhe des Working Capital mit Blick auf ggf. nicht gewünschte zusätzliche Finanzierungserfordernisse nach Übernahme des Unternehmens zu denken. Eine klare Festlegung derartiger Mechanismen im LoI verhindert i. d. R. zeitintensive Verhandlungen im Laufe des weiteren Transaktionsprozesses. Break-up-fee Wenn der Erwerb für den Käufer nicht mehr in Frage kommt und der Kaufprozess beendet wird, können entstandene Kosten im Wege einer Break-up-fee-Klausel geltend gemacht werden. Dem potenziellen Käufer wird in der Vorverhandlungsphase oftmals ein ForecastEBIT für das laufende Jahr präsentiert, das dann die Grundlage für die Kaufpreisindikation bildet. Während des Transaktionsprozesses kann sich herausstellen (z. B. durch die Financial Due Diligence), dass das IstErgebnis negativ vom Forecast abweicht. Schutzklauseln Es handelt sich um Klauseln im LoI, die den Verkäufer schützen (z. B. Geheimhaltungsvereinbarungen, Untersagung von Mitarbeiterabwerbung) bzw. die Interessen des Käufers wahren sollen (z. B. die Vereinbarung einer zeitlichen Exklusivität). Schutzklauseln sollten in jedem Fall als verbindlich gekennzeichnet und mit konkreten Sanktionen (Schadensersatz) versehen werden. Tab. 1: Praxistipps zu ausgewählten Regelungsinhalten lichem, aber auch steuerlichem Blickwinkel erforderlich ist, um die eigene Position bestmöglich zu repräsentieren. Leitfaden zur Strategieberatung durch den Steuerberater – Teil 2: Erarbeitung und Umsetzung der Unternehmensstrategie Rückblick: Im ersten Teil des Leitfadens wurde aufgezeigt, warum es gerade für KMU sinnvoll ist, mit Hilfe des steuerlichen Beraters die strategische Ausrichtung zu bestimmen. Zudem wurde die für die strategische Beratung erforderliche Analyse des Unternehmens und seines Umfelds erläutert. I. Erarbeitung der Unternehmensstrategie Den Grundstein der Unternehmensstrategie bildet das Leitbild des Unternehmens, bestehend aus Vision und Mission. Die Vision definiert die bestmögliche Situation des 10 | PKF Nachrichten | Mai 2016 Unternehmens in der weiten Zukunft (z. B. 10 Jahre). Sie dient damit als „Leuchtturm“ und Motivator für alle Ebenen des Unternehmens, weshalb sie anspruchsvoll ausgestaltet sein muss. Die Mission legt fest, wie das Unternehmen die Vision erreichen möchte und definiert die hierfür erforderlichen Erfolgsfaktoren, Handlungen und Werte. Nach der Entwicklung des Unternehmensleitbildes ist hieraus die Unternehmensstrategie abzuleiten. Dabei werden die konkreten Ziele des Unternehmens in den nächsten Jahren festgelegt. Die Ziele sollten dabei z. B. die Stellung im Wettbewerb, Absatzgebiete, Produktziele, Ergebnisentwicklung und Entwicklung der Mitarbeiter sein. Auf Basis der Unternehmensstrategie sind in einem letzten Schritt die Jahresziele, also die operativen Ziele, zu definieren. Operative Ziele müssen hinsichtlich Höhe und Zeitpunkt eindeutig formuliert werden sowie mess- und kontrollierbar sein. Zudem müssen diese Ziele anspruchsvoll, aber realistisch und terminiert sein (sog. SMART-Regel). 05 |16 II. Erarbeitung geeigneter Maßnahmen zur Zielerreichung Beispiel: So würde etwa die Kennzahl „Hoher Krankenstand“ in der Mitarbeiterperspektive ein Problem offenbaren, das z. B. Auswirkungen auf die Finanzperspektive hat (hohe Personalkosten). Um die strategischen und operativen Ziele zu realisieren, müssen entsprechende Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt werden. Hierbei kann es wiederum sinnvoll IV. Dokumentation, Reporting, Anpassungen und sein, die bei der SWOT-Analyse (vgl. dazu Teil 1 dieKommunikation ses Leitfadens in der Ausgabe 04/2016) verwendeten Die Erkenntnisse der Analyse, das Leitbild, die Ziele Perspektiven zu nutzen, um die Maßnahmen zu struksowie die erarbeiteten Maßnahmen sollten abschließend turieren. Weiterhin sind die Ziele nach Wichtigkeit und dokumentiert werden. Im Rahmen des Controllings/ Dringlichkeit zu ordnen. Schließlich sind die einzelnen Reportings sollte quartalsweise ein Soll-Ist-Vergleich Maßnahmen zu projektieren und die einzelnen Schritte durchgeführt werden, um schnellstmöglich auf Verder Umsetzung zu definieren. Hierbei muss eine änderungen und Probleme reagieren zu können. klare Bestimmung der Verantwortlichkeiten und der Terminierung erfolgen. VISION Mindestens einmal jährlich sollten neue Entwicklungen und Erkenntnisse zum Anlass Empfehlung: Letztlich besteht die größte genommen werden, notwendige AnpasHürde darin, die geplanten Maßnahmen MISSION sungen der Unternehmensstrategie und tatsächlich umzusetzen. Deshalb ist es der hierzu erforderlichen Maßnahmen wichtig, dass die Geschäftsführung vorzunehmen. einen Verantwortlichen bestimmt, der die Umsetzung überwacht. STRATEGIE Die letzte große HerausfordeWerden Maßnahmen nicht rung in diesem Prozess ist die umgesetzt, müssen klare Kommunikation der StrateInterventionen bestimmt gie über alle Hierarchiewerden. Ansonsten droOPERATIVE ZIELE ebenen hinweg. Diese hen die Maßnahmen sollte fortlaufend und zu scheitern und die Ableitung operativer Ziele aus Vision, Mission und Strategie zeitnah einen transZiele des Unternehparenten Überblick mens werden nicht geben, um im gesamten Unternehmen Akzeptanz zu erreicht. schaffen. III. Entwicklung von Kennzahlen zur Erfolgsmessung und Analyse mittels Balanced Scorecard Die Zielerreichung kann über Kennzahlen gemessen werden, die über mehrere Perioden und mit einer Benchmark verglichen werden können. Hierzu eignen sich die in Teil 1 im Abschnitt über die Unternehmensanalyse angesprochenen Kennzahlen. Eine tiefergehende Analyse der Zielerreichung erfolgt über eine Balanced Scorecard, mit Hilfe derer Kennzahlen (z. B. zu den in der SWOT-Analyse verwendeten Perspektiven) festgelegt und ermittelt werden. Im Hinblick auf die Zielerreichung wird zu den einzelnen Perspektiven (Kunde, Produkte, Prozesse, Finanzen, Mitarbeiter) der Zusammenhang von Ursachen und Wirkungen analysiert. Hierdurch besteht die Möglichkeit, die Ursachen sowohl positiver als auch negativer Effekte zu erkennen. V. Zusammenfassende Empfehlungen Auch für KMU ist die (Weiter-)Entwicklung der strategischen Ausrichtung von wesentlicher Bedeutung. Der steuerliche Berater ist hierbei ein guter Partner, der gegenüber anderen Beratern den Vorteil besitzt, dass er aufgrund seines steuerlichen Mandats einen tiefgehenden Unternehmenseinblick hat und die VFE-Lage, welche in der Unternehmensanalyse eine wichtige Rolle spielt, bereits kennt. Aufwendige Datenaufbereitungen und Erläuterungen des Unternehmens entfallen hierdurch. Aufgrund der Erfahrungen durch weitreichende Einblicke in das zu analysierende und andere Unternehmen kann der steuerliche Berater hilfreiche Unterstützung in der Strategieerarbeitung bieten. In der Umsetzungsphase agiert er als externer Beobachter, Analyst und ggf. als Kontrolleur, wodurch er die Zielerreichung mit voranbringt. PKF Nachrichten | Mai 2016 | 11 Nachrichten KURZ NOTIERT ] Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen für Werkleistungen Mit Schreiben vom 15.3.2016 hat das BMF der Diskussion über die Gewinnrealisierung von Abschlagszahlungen voraussichtlich ein Ende gesetzt. Ausgelöst wurde diese durch ein BFH-Urteil aus dem Jahr 2014, nach welchem die Gewinnrealisierung bei Planungsleistungen eines Ingenieurs bzw. Architekten bereits dann eintritt, wenn ein Anspruch auf Abschlagszahlungen (gem. § 8 Abs. 2 HOAI a. F.) entstanden ist. Mit BMF-Schreiben vom 29.6.2015 hatte die Finanzverwaltung diese Sichtweise z. B. auch auf Werkverträge ausgedehnt. Somit hatte das BFH-Urteil Auswirkung auf alle bilanzierenden Werkunternehmer. Diese [ BONMOT ZUM SCHLUSS ] „Die Mengenlehre? Ganz einfach: Wenn in einem Raum drei sind und vier rausgehen, muss einer wieder rein, damit keiner drin ist.“ Dr. h. c. Lothar Späth, 16.11.1937 – 18.3.2016, Deutscher Politiker und Manager, 1978 bis 1991 Ministerpräsident von BadenWürttemberg. Impressum PKF Deutschland GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Jungfernstieg 7 | 20354 Hamburg | Tel. +49 40 35552 - 0 | Fax +49 (0) 40 355 52-222 | www.pkf.de Anfragen und Anregungen an die Redaktion bitte an: [email protected] Die Inhalte der PKF* Nachrichten können weder eine umfassende Darstellung der jeweiligen Problemstellungen sein noch den auf die Besonderheiten von Einzelfällen abgestimmten steuerlichen oder sonstigen fachlichen Rat ersetzen. Wir sind außerdem bestrebt sicherzustellen, dass die Inhalte der PKF Nachrichten dem aktuellen Rechtsstand entsprechen, weisen aber darauf hin, dass Änderungen der Gesetzgebung, der Rechtsprechung oder der Verwaltungsauffassung immer wieder auch kurzfristig eintreten können. Deshalb sollten Sie sich unbedingt individuell beraten lassen, bevor Sie konkrete Maßnahmen treffen oder unterlassen. * PKF Deutschland GmbH ist ein Mitgliedsunternehmen des PKF International Limited Netzwerks und in Deutschland Mitglied eines Netzwerks von Wirtschaftsprüfern gemäß § 319 b HGB. Das Netzwerk besteht aus rechtlich unabhängigen Mitgliedsunternehmen. PKF Deutschland GmbH übernimmt keine Verantwortung oder Haftung für Handlungen oder Unterlassungen anderer Mitgliedsunternehmen. Die Angaben nach der Dienstleistungsinformationspflichten-Verordnung sind unter www.pkf.de einsehbar. 12 | PKF Nachrichten | Mai 2016 www.pkf.de Bildnachweise: Titel: © OGphoto, S. 2: © payphoto, S. 5: © alengo , S. 8: © Innershadows; alle iStock [ Ausweitung wurde überwiegend abgelehnt (so z. B. vom IDW) und vom BMF nun wieder zurückgenommen. Das Schreiben des BMF vom 15.3.2016 ist mit dem Az. IV C 6 - S 2130/15/10001 ergangen und im Internet unter www.bundesfinanzministerium.de abrufbar. Mehr zur Thematik und zur Vorgeschichte finden Sie in den PKF-Nachrichten 01/15 sowie 09/15.
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