Pressemitteilung TA - Liebhabertheater Schloss Kochberg

Thüringer Allgemeine
Kultur in Thüringen
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Sonnabend, . April 
Körperliche Beredsamkeit
im Liebhabertheater
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Durch den Wald,
hinauf zur Musik
Orchester
schreiben an
Regierung
In einer Woche beginnt die Saison auf Schloss Kochberg. Zeitreisen ins 18. Jahrhundert gehören zum Programm
Von Michael Helbing
Michael Helbing beschreibt einen
Weg von der Natur zur Kultur
D
as war mir immer ein
Fest: auf dem Markt zu
Eisenach zu stehen,
gleichsam längst schon am Fuße
der Wartburg, um diese zu Fuß
zu erreichen. Über den Schlossberg, ein kleiner Anstieg, ein
Stücken durch den Wald, dann
schon fast oben, dort aber, wo
von der Burg aus noch unten ist.
Also auf zum letzten Stück.
Allzu knapp durfte ich nicht losgelaufen sein; es brauchte Zeit,
am Ziel ein Weilchen durchzuatmen, um sodann in einiger Ruhe den Festsaal des Palas zu betreten: wo die Musik wartete.
Heute Abend ist es wieder soweit, nicht für mich zwar, aber
womöglich für sie: Auf der Burg
startet eine der ältesten Konzertreihen, die der Hörfunk veranstaltet, in ihr 59. Jahr.
Sie begann am 21. Juni 1958,
die „Stimme der DDR“ rief sie
ins Leben. Doch längst schon
hat Deutschlandradio übernommen. Es ruft in diesem Jahr zum
379. bis zum 383. Wartburgkonzert. Den Auftakt bestreiten
heute die „Festival Strings“, ein
Kammerorchester aus Luzern.
Selbst schon 60 Jahre alt, bestreitet es ein Programm zwischen Tradition und Moderne.
Die Tradition der Wartburgkonzerte geht auch im nächsten
Jahr weiter. Danach aber könnte es vorbei sein damit, weil es in
modernen Zeiten – was doch
sehr bedauerlich ist – ein wenig
zu sehr an Publikum mangelt.
Am etwas beschwerlichen
Aufstieg liegt’s wohl kaum. Man
kann zur Burg ja auch fahren.
Zeughaus erst
2018 fertig
Schwarzburg. Die Eröffnung
des neuen Zeughausmuseums
auf Schloss Schwarzburg bei Rudolstadt verzögert sich. Bislang
war von Ende nächsten Jahres
die Rede, nun werde mit einem
Termin im Mai 2018 geplant, so
der Sprecher des Landratsamtes
Saalfeld, Peter Lahann. Grund
seien Verzögerungen beim Neubau des Torhauses der Burg, das
verschiedene
Serviceeinrichtungen beherbergen und den
Zugang zu den „Fürstlichen Erlebniswelten“ bilden soll. Das
Richtfest für den 3,3 Millionen
Euro teuren Neubau ist für den
Juni geplant.
Großkochberg. In Weimar
denkt man seit Jahren darüber
nach. Intendant Hasko Weber
hat zum Beispiel die Idee, „eine
Faust-Aufführung nach wissenschaftlichen Aspekten zu rekonstruieren, wie sie zu Goethes
Zeiten ausgesehen haben könnte“, wie er jüngst sagte. Und
schon der Vorgänger, Stephan
Märki, überlegte, „so ein Experiment historischer Aufführungspraxis zu wagen.“ Das entsprang
zunächst Reflexen: auf solche
Zuschauer, die nach sogenannter Werktreue rufen, ohne eine
präzise Idee davon zu haben.
Märki entgegnete gern, die reine Rekonstruktion habe höchstens kunsthistorischen Wert.
Man könnte so nur beweisen,
wie langweilig das ist.
„Das ist völlig falsch“, reagiert
Silke Gablenz-Kolakovic kurz
und trocken. Sie leitet erfolgreich – und im Ehrenamt – das
Liebhabertheater Schloss Kochberg, eine Dreiviertelstunde mit
dem Auto von Weimar weg gelegen. Goethe brauchte zweieinhalb Stunden zu Pferde, wenn er
Charlotte von Stein dort besuchte, deren Nachfahrin Silke Gablenz-Kolakovic übrigens ist.
Dort, in dem kleinen klassizistischen Theater, um 1800 eingeweiht, fand historische Aufführungspraxis ein neues Domizil.
Und dort passt sie ja auch hin.
Molière-Komödie wie
in Goethes Hoftheater
Das Haus bietet den adäquaten Rahmen fürs „Szenengemälde“, das Goethe in den „Regeln
für Schauspieler“ beschrieb. Die
sind ein erster Gegenbeweis für
die Behauptung, es existiere
kein Handbuch, wie Stücke von
gestern heute aufzuführen sind.
Der einzige sind sie nicht.
Das Privattheater derer von
Stein ist nicht nur historisch der
rechte Ort für dergleichen. Es ist
hier und heute ein Theaterbetrieb an der Klassik-Stiftung, den
ein Verein trägt und der auf der
Bühne letztlich auch Wissenschaft und Forschung betreibt.
Das taten sie 2012 mit Goethes Singspiel „Erwin und Elmire“, zu dem Anna Amalia Musik
schrieb und das nun in der fünften Saison aufgeführt wird. Sie
taten es zwei Jahre später mit
Telemanns kleiner Oper „Pimpinone“. Regie führte jeweils Nils
Niemann, Experte für klassische
Rhetorik und Theaterpraxis.
Mit fünf Schauspielern studiert er nun Molières Komödie
Thüringer Anthologie
„Der Misanthrop oder Der verliebte Melancholiker“ ein. Sie
spielen sie ab dem 14. Mai wie zu
Zeiten des Weimarer Hoftheaters im späten 18. Jahrhundert.
Schauspieler brauchen oft
Monate, um dafür Haltungen
und Sprechweisen zu lernen,
„bis man das von innen heraus
spielen kann“, so Gablenz-Kolakovic. „Es muss lebendig sein.“
Das folgt Regeln körperlicher
Beredsamkeit, wie sie Gilbert
Austin (1753–1837) in Notationen hinterließ. Hat ein Schauspieler oder Sänger sie drauf, erklärt sich alles auch heutzutage
aus sich selbst heraus.
„Pimpinone“ spielte das Liebhabertheater wie bei Telemann
am Hamburger Gänsemarkt:
Rezitative auf Deutsch, Arien
auf Italienisch, wofür das Publikum Übersetzungen in die Hand
bekam. „Das brauchen wir
nicht“, hieß es laut Gablenz-Kolakovic, „wir sehen ja die Gesten
und verstehen deshalb alles.“
Zum Szenengemälde gehören
historische Kostüme. Für Molière ließ man sich von Bertuchs
Journal des Luxus und der Moden von 1786–89 anregen. Ihm
entsprechend, hat auch „der Perückenmacher entsetzlich viel
zu tun“, so Gablenz-Kolakovic.
Vergleichsweise unhistorisch
kommt der Text daher. Theaterchefin und Regisseur stießen in
der Anna-Amalia-Bibliothek auf
„läppische Übersetzungen“. Iffland etwa machte aus spitzzüngigen Dialogen und eleganten
Alexandrinern: deutsches Lustspiel. Einigermaßen zufrieden
ist man mit Ludwig Fuldas Fassung, die um 1900 entstand.
Eine Reise nach Großkochberg führt gleichwohl zurück ins
achtzehnte Jahrhundert – in Molières Fall mit einem Stück des
siebzehnten, das Silke GablenzKolakovic aber sehr aktuell findet: Moralist Alceste, der Menschenfeind, „ist furchtbar selbstgerecht.“ Leute , die alles um
sich herum verurteilen, träfe
man auch heutzutage zuhauf.
Vergiß mein nicht wenn lockre kühle Erde
Dieß Herz einst deckt das zärtlich für dich schlug
Denk das es dort vollkommner lieben werde,
Als da voll Schwachheit ichs vielleicht voll Fehler trug.
Dann soll mein freier Geist oft segnend dich umschweben
Und deinen Geiste Trost und süße Ahndung geben
Denk das ichs sei, wenns sanft in deiner Seele spricht;
Vergiß mein nicht! Vergiß mein nicht!
aus: Novalis. Werke in einem Band, Hg. Hans-Joachim Mähl und
Richard Samuel, München 1995.
Feste Preise
als „Signal“
Der Schauspieler Harald Arnold bei der Kostümprobe für Alceste, die Titelrolle in Molières „Misanthrop“. Alle Kostüme dafür sind inspiriert von Friedrich Justin Bertuchs Journal des Luxus und der Moden von –.
Foto: Liebhabertheater Schloss Kochberg
Berlin. Der Börsenverein des
Deutschen Buchhandels hat
den Beschluss des Bundestags
zu festen Verkaufspreisen für EBooks begrüßt. Das Parlament
habe damit ein wichtiges politisches Zeichen nicht nur für die
Buchbranche, sondern auch für
die europäische Ebene gesetzt,
erklärte
Verbandsvorsteher
Heinrich Riethmüller am Freitag. Die Buchpreisbindung sei
Garant für die kulturelle Vielfalt
des deutschen Buchmarkts.
Seit 2002 sind in Deutschland
feste Ladenpreise für gedruckte
Bücher vorgeschrieben. In der
Praxis wurde das auch bisher
schon auf E-Books angewandt,
der Bundestag verankerte am
Donnerstag aber einen ausdrücklichen Hinweis im Gesetzestext.
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Das Liebhabertheater Schloss Kochberg, um  eingeweiht, ist vermutlich weltweit
das einzige frei stehende Privattheater der Goethezeit.
Foto: Dieter Urban
Ein TA Projekt mit dem Thüringer Literaturrat
Vergiß mein nicht
Novalis
Gotha. Die Orchester aus Eisenach und Gotha appellieren an
die Thüringer Landesregierung.
Vor dem Hintergrund der Kooperation zwischen der Landeskapelle Eisenach und der Thüringen Philharmonie Gotha äußern sich die Orchestervorstände in einem gemeinsamen Brief
zur Fusion.
„Die Kolleginnen und Kollegen aus beiden Orchestern genießen es sehr, endlich wieder
sinfonische Musik in einer großen Besetzung zu spielen,“ erklärt Elke von Frommannshausen vom Eisenacher Orchestervorstand. Mit der Fusion von 51
Gothaer und 24 Eisenacher Musikerstellen verfüge der gemeinsame Klangkörper zunächst
über 75 Planstellen, soll dann
aber auf nur 59 Planstellen abgeschmolzen werden.
Maik Vent, Orchestervorstand aus Gotha stimmt seiner
Kollegin zu: „Der Frust geht also
weiter, 59 Stellen sind kaum
mehr als wir jetzt in Gotha haben“, bemängelt Vent.
Beide Orchester appellieren
an das Land, für die Finanzierung von 7 Dauerstellen mehr
aufzukommen. Details der Orchesterfinanzierung stoßen auf
die vehemente Kritik des CDUKreisvorsitzenden in Gotha,
Jörg Kellner.
Die Saison 2016
Rund 40 Theater- und
Opernaufführungen sowie Konzerte stehen von
Mai bis Anfang Oktober
auf dem Spielplan. Zu diesem gehören auch das
Kochberger Gartenvergnügen (21. Mai) und der
Nikolausmarkt (3. Dezember). Barbara Schnitzler eröffnet die Saison am
7. Mai mit Rilke.
Gotha und Eisenach
wollen mehr Stellen
www.thueringer-allgemeine.de/anthologie
Mittelalterliches Gießgefäß
für 1,3 Millionen Euro gekauft
Das Dommuseum Hildesheim
(Niedersachsen) hat mithilfe
von Stiftungen ein seltenes mittelalterliches Gießgefäß gekauft. Das sogenannte Drachenaquamanile kostete knapp 1,3
Millionen Euro. Dem Museum
zufolge war es selbst der Fachwelt lange nicht bekannt.
Rückgabe empfohlen
Die Stadt Gelsenkirchen sollte
das wertvolle Gemälde „Bacchanale“ von Lovis Corinth an
die Erben des einstigen jüdiwie könnte man nicht an die Blume den- schen Besitzers Alfred Salomon
ken?
zurückgeben. Das empfiehlt die
Limbach-Kommission. Er habe
Stefan Höppner, Jahrgang , arbeitet es 1936 auf Druck der Nazis
bei der Klassik-Stiftung Weimar in einem unter Wert verkaufen müssen.
Projekt zu Goethes Bibliothek. Er leitet
außerdem das Projekt Autorenbibliothe- Ausstellung in Beuys-Atelier
ken im Forschungsverbund Marbach, Wei- „Werklinien“ des Aktionskünstmar, Wolfenbüttel und ist Privatdozent für lers und Bildhauers Joseph
Beuys (1921–1986) will das Muan der Universität Freiburg/Breisgau.
seum Kurhaus in Kleve (NRW)
nachzeichnen. In dem früheren
Atelier von Beuys werden bis
Georg Friedrich Philipp
4. September wichtige WerkFreiherr von Hardengruppen präsentiert.
berg (–), studierte Jura in Jena,
Leipzig und Wittenberg. Als GerichtsanT W
gestellter kam er nach
Bad Tennstedt und Grüningen; später arbeitete er bei einer Saline in Weißenfels und studier- „Lass die Toten schlafen,
te an der Freiberger Akademie. Bevor er eine und mach die Lebendigen
Tätigkeit als Amtshauptmann für den Thüringi- glücklich.“
schen Kreis aufnehmen konnte, starb er am .
Friedrich von Schiller, Dichter
März  in Weißenfels.
Blaue Blumen auf dem Grab
Von Stefan Höppner
Liebe, Todessehnsucht und Blaue Blume: In
diesem kleinen Gedicht, das der 22-jährige
Friedrich von Hardenberg im Sommer 1794
schreibt, steckt seine ganze literarische Zukunft.
1772 in Oberwiederstedt bei Mansfeld geboren, soll er Bergbauinspektor werden, betreibt sein Jurastudium aber eher lustlos. Als
er dem Amtmann von Tennstedt im Kyffhäuserkreis als Schreiber zur Hand geht, lernt er
im Schloss Grüningen die erst 12-jährige Sophie von Kühn kennen und verlobt sich ein
Jahr später mit ihr. Zwei Tage nach ihrem
fünfzehnten Geburtstag stirbt sie. Hardenberg ist schwer getroffen, aber seine Trauer
wird zum Erweckungserlebnis als Dichter.
Den Besuch am Grab stilisiert er zur Vision:
„Zur Staubwolke wurde der Hügel – durch
die Wolke sah ich die verklärten Züge der
Geliebten.“ Daraus wird sein Gedichtzyklus
Hymnen an die Nacht, eine Feier von Dunkelheit, Opium, Sinnlichkeit und religiösem
Todesdrang im Zeitalter einer Aufklärung,
die viele nur noch als leere Form empfinden.
Damit wird Hardenberg, nun in Jena, zum
Mitbegründer der Romantik. Sein Künstlername Novalis bedeutet „der Neuland bestellende“. Der ausgebildete Geologe, der auch
an der Freiberger Bergakademie studiert,
will die Literatur revolutionieren. Wie wenige andere denkt er Philosophie, Dichtung
und Naturwissenschaften zusammen. Im
Roman Heinrich von Ofterdingen träumt
sein Held, ein mittelalterlicher Sänger, von
der Blauen Blume. Hier steht sie für das Ineinander von Dichtung und Sexualität, später
wird sie zum Inbegriff der romantischen Poesie.
Leider bleibt Novalis‘ literarische Laufbahn kurz: Schon Anfang 1801 stirbt er an
einem Lungenleiden. Das frühe Vergiß mein
nicht hat noch nicht die Größe der späteren
Texte: Es ist wohl an „Fritzchen“ Lindenau
gerichtet, eine harmlose Jugendliebe. Aber
im Kern ist schon alles vorhanden: Liebe,
Todessehnsucht und Blaue Blume. Die Letztere klingt eigentlich nur an in dem, was die
Geliebte sich selbst vorsprechen soll. Aber
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