Die AfD ist die Verkörperung der Islamfeindlichkeit

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Interview
"Die AfD ist die Verkörperung der Islamfeindlichkeit"
30.04.2016
Deutschland und der Islam
"Die AfD ist die Verkörperung
der Islamfeindlichkeit"
Susanne Schröter beklagt eine steigende Islamophobie in
Deutschland. "Die AfD ist die Verkörperung dieser
Islamfeindlichkeit und treibt sie auch nochmals voran", sagte
die Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler
Islam im Deutschlandfunk. Das befeuere Stereotypen.
Susanne Schröter im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker
Blick über die Dächer: Im Vordergrund die Kölner Zentralmoschee mit ihren beiden Minaretten, im
Hintergrund der Kölner Dom. (dpa / Henning Kaiser)
Auf der anderen Seite sieht sie aber auch steigende Probleme in den
islamischen Communitys. Als "problematisch" bezeichnete sie
diesbezüglich die zunehmende Frömmigkeit von Jugendlichen. Für viele
Jugendliche sei zum Beispiel die Scharia unverzichtbar. Das seien nicht
einmal salfistische Jungendlichen, sondern Ränder im Mehrheitsislam, wo
man sich fragen könne, ob sie noch mit dem Grundgesetz kompatibel seien.
Kauder-Vorschlag zu Moscheen: "Gut gemeint, aber schwer umzusetzen"
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Schröter rät zu einer "grundständigen Aufklärung über den Islam bei
Muslimen und Nicht-Muslimen". In den Schulen müssten interkulturelle
Kompetenzen gestärkt werden. Zudem forderte sie eine konsequentere
Vorgehensweise in der Sicherheitspolitik gegen radikale Auswüchse des
Islams. Als Beispiel nannte sie die "Lies"-Aktion, bei der in Fußgängerzone
Handlungsempfehlungen
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Deutschland
der Koran verteilt wird. "In Wirklichkeit ist es nichts anderes, als eine
Strategie, um junge Leute in den Salafismus hineinzuwerben."
Den Vorschlag von Unionsfraktionschef Volker Kauder, Moscheen
überwachen zu lassen, bezeichnete sie als "gut gemeint, aber schwer
umzusetzen." Muttersprachler müssten diese Aufgabe übernehmen. Die
Polizei wisse, in welchen Moscheen radikale Ansichten vertreten würden.
Die Kommunen müssten diese Häuser dann schließen.
Islamwissenschaftler Michael Kiefer
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Ann-Kathrin Büüsker: "Der Islam gehört zu Deutschland" – auch wenn bei
diesem Satz des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff so
manchem der Hut hochgehen mag, insbesondere auf Seiten der
Konservativen, rund vier Millionen Muslime in Deutschland, die kann man
nun mal nicht einfach wegreden. Durch die zahlreichen Flüchtlinge, die vor
allem in den vergangenen Monaten zu uns gekommen sind, ist die Zahl der
Muslime noch mal gestiegen. Gerade vor dem Hintergrund der vielen
Flüchtlinge und der terroristischen Anschläge der vergangenen Monate
haben aber viele Bürgerinnen und Bürger ein etwas ungutes Gefühl im
Bauch, was den Islam angeht. Infolgedessen ist auch angetrieben, etwa
durch die AfD, eine Diskussion darüber entstanden, wie ein Islam in
Deutschland denn am besten aussehen könnte. Darüber möchte ich nun mit
Professor Susanne Schröter sprechen, Leiterin des Frankfurter
Forschungszentrums Globaler Islam. Guten Morgen, Frau Schröter!
Susanne Schröter: Guten Morgen!
Büüsker: Frau Schröter, wie notwendig ist die Debatte, die wir gerade
führen?
Schröter: Die Debatte ist absolut notwendig, weil wir eine steigende
Islamfeindlichkeit haben. Und die AfD ist sozusagen die Verkörperung dieser
Islamfeindlichkeit und treibt sie auch noch mal voran. Auf der anderen Seite
haben wir aber auch in den muslimischen Communitys durchaus Probleme.
Wir haben eine zunehmende Anzahl von Jugendlichen, die immer frömmer
werden und die in ihrer Frömmigkeit einen Weg gehen, den ich durchaus für
problematisch halte. Da brauchen wir noch gar nicht von salafistischen
Jugendlichen zu sprechen oder dschihadistischen, sondern das sind Ränder
im Mehrheitsislam, wo man sich fragen kann, ob sie noch
grundgesetzkompatibel sind.
Büüsker: Und warum muss man sich diese Frage stellen der
Grundgesetzkompatibilität?
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vereinbar"
Schröter: Na ja, wenn Jugendliche beispielsweise darauf beharren, dass die
Scharia unverzichtbar ist für ihre Religion, und das ist mir gestern auf der
Konferenz "Welcher Islam gehört zu Deutschland" auch passiert. Da kamen
dann nachher Jugendliche auf mich zu und sagten, ich würde den Islam nicht
akzeptieren. Ich würde ihnen den Islam nehmen, wenn ich die Forderung
stelle, dass man sich doch von der Scharia distanzieren soll, die ein ganzes
Paket an Regularien hat, wenn sie dann im Recht umgesetzt werden soll, die
absolut nicht mit unserem Grundgesetz übereinstimmen. Beispielsweise
nicht mit der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen,
beispielsweise mit der negativen Religionsfreiheit, das heißt, auch von der
Freiheit von Religion und der Möglichkeit, den Islam auch wieder zu
verlassen, wenn man Muslima oder Muslim ist.
Büüsker: Wie erklären Sie sich, dass das gerade bei jungen Muslimen ein
Thema ist?
Schröter: Das ist die große Frage, die im Moment alle umtreibt, da gibt es
sicherlich ein ganzes Bündel von Antworten. Es ist die zweite oder dritte oder
sogar vierte Generation von Muslimen, das heißt, vorwiegend Leute, die hier
geboren sind, aber hier niemals richtig Fuß gefasst haben. Das liegt zum Teil
an Diskriminierungen, die sie erfahren haben, das liegt aber auch an den
Familien, an den Communitys, die es nicht gerne sehen, wenn ihnen ihre
Jugendlichen sozusagen abhandenkommen und sich allzu sehr in die
deutsche Gesellschaft integrieren.
Büüsker: Wie wichtig ist es vor diesem Hintergrund, zu wissen, dass die
Moscheen in Deutschland vor allem aus dem Ausland gefördert sind. Trägt
das eventuell auch zu dieser Radikalisierung bei?
Schröter: Na ja, weltweit kann man sehen, dass der wahhabitische Islam
auch ein Produkt der Finanzierung mit saudischen Geldern ist, also der
saudische Wahhabismus verbreitet sich durch saudisches Geld, saudische
Prediger und saudische ideologische Produkte in aller Welt. Und das ist bei
uns auch so. Dann steht natürlich noch die Finanzierung durch die Türkei
gerade in der Diskussion. Und auch da muss man sich natürlich fragen,
welche Art von Islam wird eben auch aus dem Ausland hier bei uns befördert.
Ich halte das grundsätzlich für problematisch, aber die Gegenrezepte sind
eben nicht so einfach, wie man das vielleicht glauben mag, wenn man
Vorschläge aus der Politik hört.
Büüsker: Was könnte denn aus Ihrer Sicht ein Gegenrezept sein?
Schröter: Also, es müsste eine ganze Palette von Gegenrezepten geben: Auf
der einen Seite müsste man eine grundständige Aufklärung betreiben, A,
über den Islam bei Nichtmuslimen, aber auch bei Muslimen. Dann müsste in
den Schulen tatsächlich noch mal interkulturelle Kompetenz sehr viel
deutlicher gestärkt werden, als das im Moment der Fall ist. Das Fitmachen
der Jugend für eine komplizierte und anstrengende multikulturelle
Gesellschaft, das sollten wir wirklich in Angriff nehmen. Auf der Seite der
Sicherheitspolitik, sage ich mal, müsste auch noch ein bisschen
konsequenter vorgegangen werden gegen radikale Auswüchse des Islam,
beispielsweise gegen die sogenannte Lesaktion, die im Mantel der
Koranverteilung erscheint, aber in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine
Strategie, um junge Leute in den Salafismus hineinzuwerben.
Büüsker: Ich glaube, das sagt jetzt vielen Hörerinnen und Hörern nicht ganz
so viel.
Können Sie das kurz erklären – um was für eine Publikation handelt es sich
dabei?
Schröter: Die Lesaktion, das sind die Koranverteilungsaktivitäten in den
Fußgängerzonen. Sicherlich haben die meisten schon mal gesehen, dass
junge Muslime, immer Männer, in den Fußgängerzonen stehen mit dem
Koran und angeblich nur eben den Koran verteilen wollen, was ihnen nach
dem Grundgesetz, dem Recht der Religionsfreiheit zusteht. Aber wir wissen,
dass über diese Koranverteilungsaktionen vornehmlich junge Leute
geworben werden sollen für salafistische Gruppen. Wir wissen, dass nahezu
jeder Dschihadist, jeder, der nach Syrien ausgereist ist, um sich dem IS
anzuschließen, einmal bei diesen Koranverteilungsaktionen war oder
darüber angeworben wurde. Das ist eine der wichtigsten Strategien von
Salafisten und Dschihadisten, junge Leute tatsächlich in radikale Kreise
hineinzuziehen.
Büüsker: Jetzt gab es gestern den Vorschlag von Volker Kauder,
Unionsfraktionsvorsitzender, dass man Moscheen in Deutschland
überwachen müsste. Wie beurteilen Sie diesen Vorschlag?
Schröter: Vorschlag Kauders nicht praktikabel
Schröter: Na ja, das ist ein Vorschlag, der vielleicht gut gemeint ist, aber wie
soll das denn gehen? Möchte man tatsächlich Polizei in jede Moschee
schicken und möchte gucken, was wird denn da gepredigt? Das müssten
noch muttersprachliche Leute sein. Was macht man dann tatsächlich? Also
es gibt Wissen darüber, was in Moscheen gepredigt wird, und wir wissen
auch – und die Polizei weiß das noch viel besser –, wo radikale Inhalte auch
in Predigten vertreten werden. Und da wäre eigentlich der Schritt der
Kommunen, da doch mal etwas deutlicher Signale zu setzen und zu sagen,
wenn das weiter so läuft, dann müssen wir leider eure Moschee
dichtmachen. Also es ist nicht das mangelnde Wissen, sondern die
mangelnde Konsequenz, die uns zu schaffen macht.
Schröter: Die Debatte über den Islam in Deutschland, die wird derzeit vor
allem von der AfD vorangetrieben. Wie sehr ist diese Debatte auch von
Islamophobie getrieben?
Schröter: Ist sie absolut. Also wenn man sich die Vorschläge der AfD
anschaut, Moscheen zu verbieten, das Glaubensbekenntnis, Muslime unter
Generalverdacht zu stellen, sich gegen Minarette auszusprechen oder
grundsätzlich die Frage zu stellen, ob der Islam grundgesetzkompatibel ist,
dann befeuert man damit Vorurteile, Stereotypen. Das geht vollkommen an
der Wirklichkeit vorbei. Letztendlich ist es nichts anderes als
Islamfeindlichkeit, die dabei zum Ausdruck kommt. Das ist keine
konstruktive Kritik an Radikalismen, das ist die Verdammung einer
Weltreligion in Bausch und Bogen und absolut nicht akzeptabel.
Büüsker: Und dennoch ist die Kritik am Islam, wenn ich Sie richtig verstehe,
durchaus berechtigt. Wie schafft man da die Abgrenzung zu diesem
Rechtspopulismus, wie die AfD ihn vertritt?
Schröter: Diffuse Ängste zugespitzt auf das Feindbild Islam
Schröter: Ja, das ist gar nicht einfach. Und ich glaube, einer der größten
Schäden, die die AfD angerichtet hat, ist, dass tatsächlich vieles, das
kritisiert wird und kritisiert wurde auch in der Vergangenheit, übrigens nicht
nur von Nichtmuslimen, sondern auch von Muslimen, dass das jetzt leider
allzu schnell tatsächlich abgeurteilt wird und in die rechte Ecke gestellt wird.
Also beispielsweise die Idee, dass in den deutschen Moscheen vorwiegend
deutsch gepredigt werden sollte, das ist eine ganz alte Forderung, die auch
von liberalen Muslimen aufgestellt wird. Und jetzt wird man sofort damit
konfrontiert, ob man nicht vielleicht mit dieser Forderung die AfD
unterstützt. Das halte ich für fatal, genauso, wie ich es für fatal halte, dass
diffuse Ängste in der Bevölkerung jetzt zugespitzt werden auf das Feindbild
Islam. Das ist der Sache nicht dienlich. Und ich glaube, wir sind in der
ganzen Debatte, die auch eine innerislamische Debatte ist, längst viel weiter.
Büüsker: Jetzt haben Sie es schon angesprochen: Es ist auch eine
innerislamische Debatte. Wie finden wir jetzt den Dialog auch mit Muslime?
Es wird ganz oft über sie geredet, aber selten mit ihnen.
Schröter: Ja, wir haben jetzt in unserem Forschungszentrum, in dem auch
viele Muslime und Musliminnen arbeiten, wir bieten immer wieder
Plattformen, in denen diskutiert werden kann, so wie gestern die Konferenz
"Welcher Islam gehört zu Deutschland?", wo sich muslimische Redner und
Rednerinnen aus unterschiedlichen Spektren auf die Bühne gestellt haben
und ihre spezielle Version des Islam, ihre Religiosität, ihr Verhältnis zur
Gesellschaft zur Diskussion gestellt haben. Das waren sehr spannende
Beiträge, sehr differenzierte. Und wir haben gezeigt, dass Islam vielfältig ist
– das war das eine – und dass wir tatsächlich so interessante Denker und
Denkerinnen haben, die längst unter uns wirken und die einen Islam
entwickeln, eine Art, mit dem Koran und mit den islamischen
Überlieferungen umzugehen, die erfrischend sind, die berührend sind und
die unsere Gesellschaft auch bereichern.
Büüsker: Sagt Professor Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter
Forschungszentrums Globaler Islam, hier heute Morgen im
Deutschlandfunk. Frau Schröter, ich danke Ihnen für dieses Gespräch!
Schröter: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder.
Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews
und Diskussionen nicht zu eigen.
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