Anschlussunterbringung in den Kommunen

Anschlussunterbringung von Flüchtlingen –
Aufgabenzuweisung und Kostenaufteilung prüfen und anpassen
Die grün-rote Landesregierung hat durch kraftvolles und koordiniertes Handeln bereits viele
Maßnahmen für eine menschenwürdige Unterbringung, Betreuung und Integration von
Flüchtlingen auf den Weg gebracht: Eine Verzehnfachung der Aufnahmekapazitäten der
Landeserstaufnahmeeinrichtungen, das bundesweit beispielhafte Registrierzentrum in
Heidelberg mit schnellen und effektiven Verfahren, eine bedarfsangepasste Aufstockung der
finanziellen Unterstützung für die Kreise und Kommunen, ein 60-Millionen schweres
Landesförderprogramm „Wohnraum für Flüchtlinge“ zur Finanzierung zusätzlichen
Wohnraums in der Anschlussunterbringung und das Programm „Chancen gestalten“ mit
einem Volumen von 5 Mio. Euro für Sprach- und Integrationskurse sowie Stärkung der
Netzwerke auf Kreisebene zur Förderung der Integration in den Arbeitsmarkt.
Mit der Beschleunigung der Asylverfahren stehen wir vor einem Paradigmenwechsel: Auf
mittlere Sicht wird ein Neuzuschnitt von der vorläufigen Unterbringung in sogenannten
Gemeinschaftsunterkünften und Anschlussunterbringung erforderlich sein. Eine
zunehmend schnellere Registrierung und Bearbeitung der Asylanträge wird perspektivisch zu
einer kürzeren Verweildauer der Asylsuchenden mit guter Bleibeperspektive in der
vorläufigen Unterbringung führen. Sie kommen schneller als geplant in die
Anschlussunterbringung. Die geltenden Vereinbarungen zwischen Land und Kommunalen
Landesverbänden (KLVen) zur Kostenübernahme für Unterbringung und Integration
bedürfen deshalb einer Anpassung. Dazu brauchen wir valide Zahlen und Klärung der
Zuständigekeiten.
1. Während die Zuständigkeit für die Erstunterbringung der Flüchtlinge beim Land liegt,
ist die vorläufige Unterbringung nach derzeitigem Recht Aufgabe der Stadt- und
Landkreise und die Anschlussunterbringung Aufgabe der Kommunen. Gleichwohl
unterstützt das Land sowohl die Kreise als auch die Kommunen bei der
Unterbringung:
 Die KLVen und das Land haben sich im November darauf verständigt, die im
Sommer 2015 vereinbarte stufenweise Erhöhung der Pauschale pro Flüchtling
für die vorläufige Unterbringung (ab 2016 knapp 14 Tsd. Euro für insges. 18
Monate) durch eine nachlaufende Spitzabrechnung zu ersetzen, die eine
auskömmliche Ausstattung der Stadt- und Landkreise für die vorläufige
Unterbringung sicherstellen soll.
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 Mit dem Landesförderprogramm „Wohnraum für Flüchtlinge“ leistet das
Land einen freiwilligen Beitrag zur Finanzierung zusätzlichen Wohnraums für
die Anschlussunterbringung (2015 – 2018 jeweils 30 Mio. Euro/Jahr).
 Die Regelung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG), wonach einem
Flüchtling ab 2016 7 Quadratmeter Wohnraum (statt bisher 4,5) zur
Verfügung
stehen
müssen,
wurde
wegen
der
landesweiten
Ausnahmesituation für zwei Jahre zurückgestellt.
 Die Stabstelle der Staatsrätin Gisela Erler erstellt eine Internet-Plattform
„private Wohnraumvermittlung“ für Flüchtlinge.
 Flüchtlingsunterkünfte in Gewerbegebieten sind zulässig (BW BundesratsInitiative erfolgreich umgesetzt).
 Die Kosten für alle Liegenschaftsausgaben der Kreise übernimmt das Land
(Einigung mit den KLV).
2. Die von den KLVen Ende 2015 vorgelegte grobe Hochrechnung der Kosten für die
Anschlussunterbringung wird derzeit mit dem Lenkungskreis Flüchtlingsaufnahme
der Landesregierung beraten. Das Land hält es wie die KLVen für überlegenswert, die
Trennung von vorläufiger Unterbringung und Anschlussunterbringung
perspektivisch aufzugeben und wird sich einer finanziellen Unterstützung der
Kommunen nicht verschließen, soweit sich eine spürbare Entlastung bei der
vorläufigen Unterbringung (bisher berechnet für eine durchschnittliche Verweildauer
von 18 Monaten) ergibt. Die Integration anerkannter Asylbewerber ist eine
gesamtstaatliche Aufgabe, mit der die Landesregierung die Kommunen nicht alleine
lassen wird. Gelten soll dabei nach unserer Auffassung der Grundsatz „Geld folgt
Flüchtling“. Die den Berechnungen der KLVen zugrunde gelegten Entwicklungen der
Flüchtlingszahlen und daraus resultierende Folgekosten müssen aus unserer Sicht
jedoch detailliert geprüft und z.T. revidiert werden:
 Entwicklung der Flüchtlingszahlen: Die voraussichtliche Zahl der 2016 direkt
von der Erstaufnahmeeinrichtung in die Anschlussunterbringung kommenden
Asylsuchenden mit guter Bleibeperspektive wird auf Grund der anhaltenden
Personalprobleme des BAMF niedriger sein als von den KLVen prognostiziert.
 Rahmenbedingungen: Die auf Bundes- und Europaebene laufenden
Bemühungen zur Senkung der Zugangszahlen von Flüchtlingen lassen eine
valide Prognose derzeit nicht zu.
 Rückkehrquote: Es ist davon auszugehen, dass die von Landesseite
favorisierte und durchgeführte intensive Rückkehrberatung, die vom Bund
angekündigten
Leistungskürzungen
und
eine
konsequente
Rückführungspraxis zu einer deutlich höheren Rückkehrquote als die von den
KLVen angenommenen 10% führen werden.
 Familiennachzug: Die Annahme der KLVen, dass jedem anerkannten
Asylbewerber im Rahmen des Familiennachzugs vier Angehörige in die
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Kommunen folgen werden („Faktor 4“), wird dadurch relativiert, dass auch
Personen mit schlechter Bleibeperspektive in die Anschlussunterbringung
kommen werden. Sofern sie nicht zurückgeführt werden können, haben sie
keinen Anspruch auf Familienzusammenführung.
3. Bei der Anschlussunterbringung handelt es sich nicht lediglich um die Unterbringung
im engeren Sinne. Vielmehr zählen alle Angebote und Aufwendungen im
Zusammenhang mit der Integration von Flüchtlingen in die jeweiligen
Wohngemeinden dazu. Die Zuständigkeiten dafür sind zwischen Bund, Land und
Kommunen aufgeteilt. Das Land beteiligt sich bereits heute in vielerlei Hinsicht und
macht Angebote auch in Bereichen, für die es nicht originär zuständig ist:
 Integrations- und Sprachkurse: Die KLVen fordern während der
Anschlussunterbringung verbindliche Integrations- und Sprachkurse. Die
Zuständigkeit für Integrationskurse liegt beim Bund. Für viele Ausländer mit
Aufenthaltstitel ist eine Teilnahme an den Kursen des BAMF (Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge) bereits verpflichtend. Eine Öffnung der Kurse für
AsylsbewerberInnen und Geduldete ist im vergangenen Herbst erfolgt allerdings ohne Rechtsanspruch und nur für Asylsuchende mit guter
Bleibeperspektive.
 Programm „Chancen gestalten“: Das Land fördert als freiwillige Leistung mit
dem Programm „Chancen gestalten“ (in Höhe von 5 Mio Euro) den Zugang zu
Sprach- und Integrationskursen auch für Asylsuchende, die keinen direkten
Zugang zu den Kursen des Bundes haben.
 Arbeit: Die Arbeitsmarktqualifizierung und die Finanzierung entsprechender
Maßnahmen liegen in der Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit.
Gleichwohl fördert das Land auch hier als freiwillige Leistung über das
Programm „Chancen gestalten“ die Netzwerke auf Kreisebene im Bereich
Arbeitsmarktintegration. Ebenso erhebt das Land mitgebrachte berufliche
Qualifikationen und hat ein Beraternetzwerk bezüglich der förmlichen
Anerkennung von Qualifikationen aufgebaut.
 Integration von Kindern: Die KLVen fordern vom Land zusätzliche Mittel für
den Ausbau von Betreuungsangeboten für die Kinder von Asylsuchenden. Die
Zahlen werden dabei sehr hoch angesetzt. Vorhaltung und Ausbau von
Kindergartenplätzen ist eine kommunale Aufgabe. Die Gemeinden erhalten
hierfür nach § 29 b FAG seit 2013 pauschale Zuweisungen in Höhe von 529
Mio. Euro jährlich. Außerdem werden69 % der laufenden Betriebsausgaben
für die Kleinkindbetreuung vom Land getragen. Das 2015 vom Land
aufgelegte Programm für investive Maßnahmen im Kleinkindbereich in Höhe
von 50 Mio. Euro ist derzeit noch nicht ausgeschöpft, Mittel können also bei
Bedarf beantragt werden Zudem waren um 01.03.2014 rund 63 000
genehmigte Kita-Plätze im Land nicht besetzt.
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 Anstieg der Schülerzahlen: Das Land beteiligt sich finanziell im Rahmen der
im „Pakt für die Familien“ getroffenen dynamischen Vereinbarung an der
Finanzierung der Schulsozialarbeit. Bei der Erweiterung von Schulen/
Schulräumen für weitere Vorbereitungsklassen und insgesamt steigende
Schülerzahlen ist eine Finanzierung über die Schulbauförderrichtlinie zu
prüfen.
 Unbegleitete Minderjährige Ausländer (UMA): Das Land erstattet den
Kommunen die Jugendhilfekosten für unbegleitete minderjährige Ausländer
(UMA) und trägt damit die Hauptlast in diesem Bereich. Gleichwohl erhalten
die Kommunen zur Entlastung rund
23 Prozent der für UMA gewährten
Mittel des Bundes.
Andreas Schwarz (MdL), Uli Sckerl (MdL), Germaine Knoll-Merritt (PB),
Barbarita Schreiber (PB)
Fraktion GRÜNE - 5.2.2016
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