Schwerpunktthema: Ehrenamtliches Engagement bei der Inneren Mission (Seite 3 – 7) Hilfe im Alter: Synergien am Kochelsee (Seite 9) Evangelischer Beratungsdienst: 50 Jahre Hilfe für Frauen in Not (Seite 13) Die Zeitung der Inneren Mission München • April 2016 Liebe Leserin, lieber Leser, E hrenamtliches Engagement ist bei der Inneren Mission und ihren Tochterunternehmen herzlich willkommen. Ehrenamtliche lassen sich berühren von sozialen Notwendigkeiten in ihrem Umfeld und von den Tragödien, die Menschen in den Kriegs- und Krisengebieten erleben. Ausgabe 73 • www.im-muenchen.de Karl-Buchrucker-Preis für bestes journalistisches Handwerk Im Normalen das Besondere gezeigt Der mit 5.000 Euro dotierte KarlBuchrucker-Preis der Inneren Mission ging in diesem Jahr an die Münchner Journalistin Ann-Kathrin Eckardt für ihren in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Text „Gute Menschen“ sowie an Beate Greindl für die Reportage „Der Kommissar und seine Söhne“, die in der Reihe „Lebenslinien“ des Bayerischen Rundfunks zu sehen war. Während Eckardt sehr persönlich über ihre Situation als Flüchtlingshelferin berichtet, porträtiert Greindl einen Polizisten, der zwei Halbwaisen adoptiert und zudem einen eigenen Verein gegründet hat, der sich um auffällige Jugendliche kümmert. Journalistische Nahaufnahmen Martina Kreis Leiterin der Fachstelle Volunteering / Ehrenamt H underte helfen dort, wo die Menschen nach ihrer Flucht ankommen: in den Erstaufnahmeeinrichtungen, zum Beispiel beim Sortieren und in der Kleiderausgabe. Oder in den Unterkünften, wenn es darum geht, Deutsch zu lernen. Oder wenn Besuche bei Behörden, Ämtern oder Ärzten anstehen. Und was ganz wichtig ist: Ehrenamtliche sorgen für Kontakt und für Begegnung. Ohne sie wären viele Hilfesysteme in den Kommunen gar nicht tragfähig. E hrenamtliches Engagement ist aber kein Selbstläufer, sondern braucht hauptamtliche Begleitung: Informationen über ein bestimmtes Tätigkeitsfeld, Qualifizierung für spezielle Aufgaben – und vor allem für die Begleitung bei emotionalen Herausforderungen. Das gilt insbesondere dann, wenn es zu Enttäuschungen oder Problemen kommt. D iese Ausgabe des Diakonie Reports leistet einen Beitrag dazu, allen, die ehrenamtlich tätig sind, den Rücken zu stärken. Alle, die von ehrenamtlicher Arbeit profitieren, sagen damit ein aufrichtiges Dankeschön. Nicht zuletzt sollen diejenigen, die noch überlegen, ermutigt werden, sich ehrenamtlich zu engagieren. Dazu lesen Sie Berichte aus den unterschiedlichsten Bereichen, in denen man sich sinnvoll ehrenamtlich engagieren kann. Eine gewinnbringende Lektüre wünscht Ihnen Laudatorin Johanna Haberer sagte, beide Arbeiten seien „aufmerksame und sorgfältige journalistische Nahaufnahmen“. Beide Stücke handelten zudem von „ganz normalen besonderen Menschen, die ganz Normales, Besonderes tun“. Beate Greindl zeichne mit „ihrem sehr sorgfältig gearbeiteten und mit einer herausragenden Kamera umgesetzten Filmportrait das Psychogramm eines selbstlosen Helfers“. Der Beitrag der 49-Jährigen komme ganz ohne religiöses Pathos aus – und sei dennoch „eine Predigt“, so Haberer. Ann-Kathrin Eckardts Dokumentation ihres Selbstversuchs bewertete die Jurorin als eine „trotzige Geschichte im Asyl-Hype unserer Tage, die politisch ziemlich unkorrekt in einer locker-leichten Mischung aus Selbstironie, Selbstkritik und Ernüchterung von der Realität der Flüchtlings-Integration“ berichte. Der Text der 36-Jährigen gebe den ehrenamtlichen Helferin- Sie haben für herausragende journalistische Arbeit den Karl-Buchrucker-Preis bekommen (v.l.n.r.): Ina Krauß (nahm den Preis für Wolfgang Kerler entgegen), Maria Gerhard, Ann-Kathrin Eckardt und Beate Greindl. Fotos: Oliver Bodmer nen und Helfern eine Stimme, die sich über die Willkommenskultur des vergangenen Herbstes hinaus langfristig engagieren wollen. Gleichzeitig benenne sie symbolhaft auch die Limits des Ehrenamts: „Eckardt zeigt in aller Nüchternheit die aktuellen Grenzen der kulturellen Verständigung auf und den Zorn, wenn die Betreuten die Chancen nicht nutzen, die wir für zukunftsrelevant halten, wenn sie Kinder zeugen und gebären für relevanter halten als Deutsch zu lernen.“ Den Themenpreis erhielt der 29jährige Hörfunkjournalist Wolfgang Kerler für seine auf B5aktuell ausgestrahlte Reportage „Millionengeschäft Asyl – Wer an den Flüchtlingen verdient“. Kerler schildert darin die Anstrengungen bayerischer Kommunen, mit Hilfe von Investoren oder in Eigenregie die Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen zu gewährleisten – und in welche Kassen die damit verbundenen Mittel fließen. Vielschichtig statt simpel Mehr als vier Monate habe der „außerordentlich engagierte Journalist“ für seinen Beitrag recherchiert, lobte Laudator Till Krause vom SZ-Magazin. Herausgekommen sei keine „simple Gut-gegenBöse-Geschichte“; der Autor schildere vielmehr, „dass alles nicht so einfach ist, sondern sehr vielschichtig“. So gebe es überforderte Politiker, Privatpersonen, die große Geschäfte witterten, Firmen, die Millionen verdienten – und engagierte Kommunen, die mit der Flüchtlingshilfe die regionale Konjunktur Grußwort von Aufsichtsratsvorsitzendem Andreas Bornmüller bei der Preisverleihung „Man darf die Armen nicht gegeneinander ausspielen“ „In den Medien nimmt die Flüchtlingsfrage derzeit eine zentrale Stellung ein. Andere Zielgruppen sozialer und pflegerischer Angebote sind für die Innere Mission aber genauso wichtig. Wohnungslose Menschen, psychisch Kranke, Pflegebedürftige, Arbeitslose – um nur einige zu nennen – liegen uns nicht weniger am Herzen als die Flüchtlinge. Das spiegelt sich auch in den ausgezeichneten Beiträgen des Karl-Buchrucker-Preises wider. Allen Versuchen, ein Ranking unter Zielgruppen sozialer Arbeit zu etablieren, ist eine klare Absage zu erteilen. Sozusagen die einen ‚Ärmsten der Armen‘ gegen andere ‚Ärmste der Armen‘ auszuspielen, wird der jeweiligen Notlage, in der sich Menschen befinden, nicht gerecht. Soziale Unternehmen können darum nicht einfach wie produzierende Unternehmen auf andere Produkte ausweichen oder einen Strategiewechsel vollziehen. Die Angebote und Strategien sozialer Unternehmen werden in maßgeblicher Weise nicht durch die Organe sozialer Unternehmen, sondern durch die vorfindlichen Notlagen und den daraus resultierenden jeweiligen Hilfebedarf bestimmt. Die Einrichtungen der Inneren Mission München wenden sich darum an Menschen, deren Platz nicht so sehr in der Mitte der Gesellschaft ist, sondern eher am Rande. Wir erfüllen damit einen genuin christlichen Auftrag und sind da für die Recht- und Mittellosen, für diejenigen Menschen, die professionelle Hilfe brauchen, um ihr Leben, das aus irgendeinem Grund aus den Fugen geraten ist, wieder in den Griff zu bekommen. Ein Auftrag, der gleichzeitig unter dem Diktat steht, das alles auch noch solide hinzubekommen – ohne dabei in eine wirtschaftliche Schieflage zu geraten.“ zum Wohle aller Beteiligten ankurbelten. Krause wörtlich: „Ein meisterhaftes Stück Radiojournalismus, bei dem der Hörer immer nah dran an der Geschichte ist.“ Den Förderpreis verlieh die Jury an die 28-jährige freie Journalistin Maria Gerhard für ihre Reportage „Familienglück auf Umwegen“, die im Münchner Merkur erschienen ist. Gerhard schildert darin die Geschichte einer Siebenjährigen, die nach Unterbringung in zehn verschiedenen Pflegefamilien endlich dauerhaft bei einer Familie unterkommt. Der frühere Leiter der Deutschen Journalistenschule, Ulrich Brenner, sagte in seiner Laudatio, Gerhards Text sei „keine sozialromantische Friede-Freude-Eierkuchen-Geschichte, sondern ein Lese- und ein Lernstück“. Die Autorin behandle ein Thema von gesellschaftlicher Relevanz, beschreibe es in flüssiger und abwechslungsreicher Sprache und kombiniere geschickt beobachtete Szenen mit Informationen. Sein Urteil: „Spannend bis zum Schluss – bestes journalistisches Handwerk!“ Beide Preise sind mit je 3.000 Euro dotiert. Martin Wagner, Hörfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks, sagte in seinem Grußwort, auch wenn das Wort Diakonie „uncool, schon gleich gar nicht sexy und wie ein wenig aus der Zeit gefallen“ klinge, gehe es bei dem Dienst am Menschen im Rahmen kirchlicher Arbeit um „nicht mehr und nicht weniger als tätige Nächstenliebe“. Neben der Berichterstattung über Katastrophen und Krisen suche der BR „ganz bewusst nach Menschen, die etwas bewegen und Projekten, die die Gesellschaft positiv verändern“. Unsinnige Vorwürfe Der Vorstand der Inneren Mission, Pfarrer Günther Bauer, betonte in seiner Ansprache, alle eingereichten Beiträge seien gut recherchiert und widersprächen deutlich dem unsinnigen Vorwurf von der angeblichen Lügenpresse. Und wörtlich: „Vielmehr müssen sich diejenigen der Lüge zeihen lassen, die den Ruf zum demokratischen Aufbruch ‚Wir sind das Volk‘ für ihre egoistischen, menschenfeindlichen und rassistischen Aktionen missbrauchen.“ Insgesamt gingen bei der Inneren Mission dieses Jahr 63 Bewerbungen aus den Bereichen Hörfunk, Fernsehen, Print und Fotografie / Kunst ein. Das Preisgeld in Höhe von 11.000 Euro stifteten auch in diesem Jahr wieder die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Curacon, die Bruderhilfe – Pax – Familienfürsorge, der Versicherer im Raum der Kirchen, sowie die Evangelische Bank. Klaus Honigschnabel Seite 2 Nr. 73 · 2016 Perspektiven für Geflüchtete und Ausbau der Migrationsberatung gefordert „Integration muss ein wechselseitiger Prozess sein“ „Nach der Nothilfe im Jahr 2015 ist jetzt eine Integrationsperspektive dran“ – das forderte Vorstand Günther Bauer bei der Jahrespressekonferenz der Inneren Mission München. Man stehe nun am Anfang einer Phase, die drei bis fünf Jahre dauert. Wichtigste Ziele seien, für Flüchtlinge Deutschunterricht und Schulangebote sowie die berufliche Qualifikation auszubauen, Wohnraum zu schaffen und einen kulturellen und religiösen Dialog aufzubauen. Nach dem Königssteiner Schlüssel war München verpflichtet, 2015 rund 17.000 Flüchtlinge aufzunehmen; das entspricht etwa 1,1 Prozent der Einwohner. Viele davon würden dauerhaft bleiben. Es sei noch schwer, genau zu sagen, wie viele Flüchtlinge eine Bleibeperspektive haben. „Mia san mia“ geht nicht Integration müsse jedoch ein wechselseitiger Prozess sein. Der Ansatz „Mia san mia – und Ihr müsst Euch anpassen“ funktioniere nicht. Bauer wörtlich: „Die Menschen, die zu uns kommen, müssen bereit sein, sich zu integrieren. Auch die Gesellschaft muss offen sein und sich ständig verändern.“ Aufgrund von Tradition und Verfasstheit gebe es aber Punkte, die nicht verhandelbar sind. „Der Schutz der Schwachen muss in unserem Rechtsstaat überall ganz vorne stehen“, betonte Bauer. Das Gewaltmonopol liege beim Staat. Not könne niemals Gewalt legitimieren, „nicht in Syrien, nicht in Köln und auch nicht in München“. Damit bezog er sich auch auf einen Vorfall in der Bayern-Kaserne, bei dem mehrere nigerianische Frauen einen Mitarbeitenden der Inneren Mission tätlich angegriffen hatten. Wichtig für eine gelingende Integration sei zudem der Ausbau der Migrationsberatung, die für Geflüchtete mit Aufenthalts- und Bleiberecht zuständig ist. Allein im vergangenen Jahr sei bei der Migrationsberatung der Inneren Mission München die Zahl der Beratungen um 300 Prozent gestiegen. Um mit der Entwicklung mitzuhalten, müsse 2016 die derzeitige Zahl der Mitarbeitenden von acht auf 16 und im kommenden Jahr noch einmal auf 32 steigen. Da sei der Bund gefordert, die nötigen Mittel bereitzustellen, sagte Bauer. Als „zu niedrig“ schätzte er die Prognose des Bundesamtes für Migration ein, der zufolge heuer 500.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Betrachte man die Situation in Ländern wie Syrien, Afghanistan, Irak und Eritrea, die an der Spitze der Flüchtlingszahlen stehen, „fällt es schwer, zu glauben, dass sich an dem Konfliktpotential und den Fluchtursachen dort 2016 etwas ändert“. „Die Fürsorge für Flüchtlinge ist und bleibt eine gesamteuropäische Pflicht“, betonte der Vorstand der Inneren Mission München. Wer diese verwehrt, verweigere nicht nur Solidarität, sondern auch Humanität – und würde damit im Kern die Seele Europas verletzen. Die Alternative zur Nothilfe für Flüchtlinge und die Integration von Geflüchteten wäre ein „Grenzregime“ mit massiven negativen Folgen – nicht nur für das Leben von Flüchtlingen und Vertriebenen, sondern auch für die sich abschottenden Gesellschaften. Sprachvielfalt als Chance „Wir sind mit voller Kraft dabei, um die Situation in München zu bewältigen“, resümierte Andrea Betz, die bei der Inneren Mission seit Oktober 2015 die Abteilung Hilfen für Flüchtlinge, Migration und Integration leitet. Das sei nur dank sehr engagierter Mitarbeiten- der möglich. „Sie machen mit qualifiziertem und engagiertem Einsatz unsere Arbeit bunt.“ 38 Sprachen sprechen die rund 110 Mitarbeitenden. „Das ist eine riesige Chance, um in den Beratungsgesprächen auf die Flüchtlinge einzugehen.“ Alle Angebote aus einer Hand Derzeit betreut die Innere Mission in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Bayern-Kaserne und ihren Dependancen, in Gemeinschaftsunterkünften und Notdependancen insgesamt rund 5.500 geflüchtete Menschen, darunter 1.800 Kinder und Jugendliche zwischen null und 18 Jahren. Im Jahr 2016 werde sich mit der Eröffnung weiterer Unterkünfte diese Zahl voraussichtlich auf mehr als 10.000 erhöhen. Gute Erfahrungen bei der Flüchtlingsbetreuung habe die Innere Mission München mit ihrem „Alles aus einer Hand“-Konzept gemacht. Dabei übernimmt die Innere Mission in den Einrichtungen nicht nur die Asylsozialberatung, sondern auch die Betriebsführung, die Ehrenamtskoordination sowie die Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche. „Das sind die vier Säulen – die ,Must-haves‘ – für jede gelungene Form der Betriebsführung und Betreuung“, sagte Betz. Insbesondere die Angebote für Kinder im Bereich Bildung und Gesundheit sollen – auch mit Hilfe von Ehrenamtlichen – 2016 ausgebaut werden. Großes Lob gab es für die rund 600 Ehrenamtlichen, die sich derzeit in der Flüchtlingsarbeit der Inneren Mission München engagieren. „Sie haben uns sehr geholfen, Herausforderungen in den Unterkünften zu begegnen, Konflikte zu bewältigen und einen Strauß von Angeboten bereitzustellen.“ Isabel Hartmann So feiern andere Religionen (April – Juli 2016) April 23. – 30. April: Passah (jüdisch) Mai 3. Mai: 4. Mai: 5. – 6. Mai: 21. Mai: 21. Mai: 26. Mai: Lailat al-Miraj (islamisch) Yom HaShoah (jüdisch) Hidirellez (islamisch) Saka Dawa Vesak 2560 (buddhistisch) Lailat al-Baraat (islamisch) LagBaOmer (jüdisch) Juni 6. Juni: 12. – 13. Juni: Ramadan Beginn (islamisch) Schawuot (jüdisch) Juli 1. Juli: 5. – 7. Juli: 6. Juli: 19. Juli: Lailat al-Qadr (islamisch) Id al-Fitr, Ramadan Ende (islamisch) Ratha Yatra (hinduistisch) Asalha Puja (buddhistisch) InterKulturelle Akademie und Akademie für Politische Bildung: Tagung zu EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit Erfolgsgeschichte Arbeitnehmermobilität? Bis vor Kurzem galt: Zuwanderung nach Deutschland ist vor allem Zuwanderung aus der Europäischen Union, insbesondere aus Polen, Rumänien und Bulgarien. Auch wenn momentan die Hilfe für die vielen neu ankommenden Flüchtlinge im Vordergrund steht, bleibt die Zuwanderung und die Integration von Menschen aus den ost- und südosteuropäischen Staaten weiterhin ein Thema: in der sozialen Arbeit, für die Unternehmen und Arbeitsmarktakteure – und nicht zuletzt auch für die Herkunftsländer selbst. Eine vorläufige Bilanz zur Umsetzung der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit zog im November die Tagung „Erfolgsgeschichte Arbeitnehmermobilität – deutsche und südosteuropäische Perspektiven“ der InterKulturellen Akademie der Inneren Mission München in Kooperation mit der Akademie für Politische Bildung Tutzing. Gewinne und Kosten der Zuwanderung seien dabei ungleich verteilt, legte Dr. Carola Burkert vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) dar. Nach Bayern ziehe es überproportional viele Menschen aus Rumänien und Bulgarien. Untersuchungen zeigten, dass in Städten wie München die Arbeitslosigkeit der Migranten aus Südosteuropa trotzdem nur recht wenig über dem Durchschnitt liegt – anders als in manchen Städten des Ruhrgebiets. Mobilität als Chance Bildung ist der Generalschlüssel für eine erfolgreiche Integration. Foto: Matthias Balk / picture alliance Dass es dennoch auch in München ein breites Spektrum zwischen Akademikern und Tagelöhnern gibt, zeigten die Beiträge der Münchner Integrationsakteure: Andreea Untaru, Leiterin von Schiller 25 – Migrationsberatung Wohnungsloser, Dr. Magdalena ZiolekSkrzypczak vom Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München sowie Sevghin Mayr vom Infozentrum Migration und Arbeit berichteten über ihre Erfahrungen bei der Integration von Zuwanderern aus Ost- und Südosteuropa. Trotz aller Herausforderun- gen bei der Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft ist Deutschland unter dem Strich der Gewinner der Arbeitnehmermobilität. Die Bilanz für die Herkunftsländer fällt hingegen gemischt aus. Dies zeigten die Berichte von Dr. Michal Moszynski von der Universität Torun (Polen) sowie von Vesela Kovacheva vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut. Demographischer Wandel Die Abwanderung entlaste einerseits die Arbeitsmärkte in Polen, Rumänien und Bulgarien. Andererseits hätten diese Länder noch weitaus mehr mit dem demografischen Wandel zu kämpfen als Deutschland, weil viele junge und in der Mehrheit auch gut qualifizierte Menschen weggehen. Und in manchen Bereichen fehlten dann dort die Fachleute, die von der deutschen Wirtschaft dringend gesucht werden, zum Beispiel im Handwerk und im Gesundheitswesen. Auch die sozialen Kosten seien hoch, wenn Kinder bei den Großeltern aufwachsen, weil die Eltern im Ausland arbeiten. Aus Sicht der bayerischen Wirtschaft wäre es wünschenswert, Fachkräfte längerfristig zu binden, sagte Jens Wucherpfennig von der IHK für München und Oberbayern. Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen, zu der mittlerweile viele Institutionen beraten, erleichtere es Fachkräften, eine Beschäftigung entsprechend ihrer Qualifikation zu finden, resümierte Atanaska Encheva von der IQ-Fachstelle „Beratung und Qualifizierung“. Um wirklich in Deutschland anzukommen, brauche es aber mehr als nur ein ausreichendes Einkommen. Neben hinreichendem Wohnraum spielen weiche Faktoren eine große Rolle: Gibt es Integrationsangebote für die Familien der Arbeitnehmer? Gibt es gute Angebote zum Spracherwerb? Gibt es funktionierende Netzwerke, um sich in Deutschland einzuleben? Sabine Lindau Nr. 73 · 2016 Seite 3 Eva Jung-Kramer betreut seit 16 Jahren ehrenamtlich Straffällige „Ich sehe den Menschen und nicht die Straftat“ Eigentlich wollte Eva Jung-Kramer sich damals, vor 16 Jahren, bei der Freiwilligenorganisation Tatendrang nur informieren, was sie ehrenamtlich machen könnte, wenn sie in Rente geht. „Straffälligenhilfe“ war das Ergebnis der Beratung. Vor drei Jahren ist sie in Rente gegangen, doch mit dem Ehrenamt hat sie damals gleich angefangen: „Die haben mich einfach nicht wieder losgelassen“, erzählt sie und lacht. Die Insassen können einen Antrag auf einen ehrenamtlichen Helfer stellen; dafür bekommen sie Hafterleichterung. „Die Jungs fas- Und manche schildern auch ihre Taten. Jung-Krämer versucht, jeden so anzunehmen, wie er ist: „Ich sehe den Menschen und nicht die Eine bewusste Entscheidung Die 65-Jährige ist eine von rund 35 Ehrenamtlichen, die sich derzeit bei der Evangelischen Straffälligenhilfe um Häftlinge in den südbayerischen Justizvollzugsanstalten (JVA) kümmern: Sie schreiben ihnen Briefe, besuchen sie regelmäßig im Gefängnis, begleiten sie, wenn sie Ausgang oder Urlaub haben und stehen ihnen manchmal auch noch zur Seite, wenn sie aus dem Gefängnis entlassen werden. Kurz: Sie wollen ihnen den Weg zurück in ein Leben außerhalb der Gefängnismauern erleichtern. Einmal im Monat fährt Eva Jung-Kramer in die JVA Niederschönenfeld, in der Nähe von Donauwörth. Dort sitzen Erststraftäter zwischen 21 und 28 Jahren ein, unter anderem wegen Diebstahls, Dealens, Totschlags, versuchten Mordes. Die Münchnerin hat sich bewusst für diese Haftanstalt entschieden: „Gerade bei den Jungen hat man noch Hoffnung und kann etwas bewirken“, sagt sie. „Die Jungs wollen Freiheit spüren“: Eva Jung-Kramer hilft Straftätern, geregelte Wege aus dem Leben hinter Gittern zu finden. Foto: isa sen schnell Vertrauen zu mir, weil sie sehen, dass ich nicht die Justiz bin und das, was gesprochen wird, unter uns bleibt“, sagt Eva JungKramer. Sie redet mit ihnen über das Essen im Knast, über Probleme mit den Mitinsassen und Wärtern. Sie hört zu, wenn sich die Familie abwendet, wenn Beziehungen auseinander gehen oder wenn es um die Zeit nach dem Gefängnis geht. Straftat.“ Anfangs hat Eva JungKramer nur ihrer Familie und den engsten Freunden vom Ehrenamt erzählt. Weil sie immer wieder gemerkt hat, dass Menschen mit Vorbehalten darauf reagieren: „Warum engagierst Du Dich denn gerade für die? Den Opfern geht es doch viel schlechter“, hört sie dann meistens. Ihre Antwort: „Ich habe mich für diese Seite entschie- den“, antwortet sie dann. Das Ehrenamt ist für mich befriedigend.“ Eine soziale Ader habe sie schon immer gehabt, sei immer gut mit Menschen ausgekommen, egal welchen Hintergrund sie hatten. Ganz früh haben sie ihre Eltern in den Kindergarten gegeben – was zu dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit war. Da war sie mit Kindern aus sozial schwachen Familien zusammen. Und hat selber gemerkt: „Es geht nicht allen so gut wie mir.“ Sie hat in ihrem Leben keine Tiefschläge erlebt und möchte jetzt gerne etwas abgeben. Und doch: „Man kann nicht nur Gutmensch sein, man muss sich hinterfragen können“, sagt sie. Und eigene Ansprüche hinten anstellen. Die 115 Kilometer Fahrt von Niederschönenfeld nach München helfe, Abstand zu gewinnen: „Da kreisen bei mir noch oft die Gedanken.“ Und doch gibt es Fälle, die sie nicht so einfach loslassen. So wie bei Marek*: Er ist in Polen geboren und in Deutschland aufgewachsen, war Dealer und selbst drogenabhängig. Weil er seinen deutschen Pass nicht rechtzeitig beantragt hatte, wusste der 25-Jährige nicht, ob er abgeschoben wird – in ein Land, das er gar nicht kannte. „Die Ungewissheit war grauenvoll“, erinnert sich Jung-Kramer. „Der Richter war das Zünglein an der Waage.“ Er hat dann entschieden, dass Marek in Deutschland bleiben darf. Auch die ersten Schritte außerhalb der Gefängnismauern macht sie mit ihren Schützlingen, wenn Maja Demirovic hilft ehrenamtlich bei der Migrationsberatung Obdachloser „Schiller 25“ mit Schenken und beschenkt werden „Im Münchner Großstadtgewimmel halte ich kurz inne und nehme die Menschen wahr. Eine Gruppe junger Männer steht vor einem blauen Eckhaus, einer nach dem anderen tritt hinein. Ich sehe genauer hin, ,Schiller 25 – Migrationsberatung Wohnungsloser‘ steht auf einem Schild. Auch ich gehe durch die Tür und werde von einer jungen Frau begrüßt: ,Was kann ich für Sie tun?‘ Umsichtig und wertschätzend Während des laufenden Parteienverkehrs darf ich Fragen stellen. Die Antworten höre ich, aber vor allem sehe ich sie ,live und in Farbe‘. Es gefällt mir, wie wertschätzend und umsichtig alle miteinander umgehen. Die respektvolle, tatkräftige und fröhliche Art der fleißigen Mitarbeitenden gibt den Ausschlag, gerne mitmachen zu wollen. ,Ich möchte hier ehrenamtlich arbeiten und mithelfen‘, sage ich. Die Antwort am Ende des Gesprächs kommt sehr offen: ,Du bist willkommen!‘ Das ist auch das Credo der Einrichtung Schiller 25 – und wird tagtäglich gelebt. Auf Worte folgen Taten, wir lernen uns kennen, ich werde in den Räumlichkeiten herumgeführt und erfahre mehr über wichtige Basisthemen. Wir sprechen unsere gemeinsamen Werte an. Das überzeugt mich. Gerade das Klare und Konkrete. Schwuppdiwupp bin ich bei der informativen Einführung zum Thema Kälteschutzprogramm und dessen administrativen Aufgaben – wichtig für mich als zukünftige Helferin hinter dem Frontoffice. Ab dem Zeitpunkt bin ich ein Teil des EhrenamtTeams von Schiller 25. Hier kann ich kurzfristig helfen, indem ich einen kleinen bürokratischen Akt ausübe: Ich stelle unkompliziert individuelle Berechtigungen zum Übernachten an einem warmen Ort aus – eine Situation, die sich in der Schillerstraße 25 tagtäglich wiederholt. Dadurch bekommen viele Menschen einen kurzen Moment Erleichterung. Vor meiner Tätigkeit hier wusste ich nicht, dass es in München für alle finanzierte gesicherte Übernachtungsmöglichkeiten gibt – ohne ,Wenn und Aber‘. Und nun unterstütze ich aktiv Obdachlose. Papiertechnisch ist alles soweit klar. Mein Gegenüber reicht mir sein Wertvollstes: seinen Ausweis. Und seine Aufmerksamkeit. Ich begrüße ihn, nehme das Dokument und beginne mit der Anmeldung für die Notschlafstelle. Alles läuft, die Erstellung der Übernachtungsscheine klappt sehr schnell, das Ziel ist erreicht. Zwischenmenschlich, während des Vorganges, spüre ich oft einen schnellen Blick – er erreicht mich innen wie außen. Nachdem ich die Dokumente registriert und überprüft habe, setze ich schwung- Das Leben kommt an den Tresen: Hilfesuchender in der Beratungsstelle Schiller 25. Foto: Erol Gurian voll den offiziellen Stempel auf das Papier und reiche es über den Tresen. Andauernde Freude Der Mensch nimmt das Papier, schiebt es schnell in seine Tasche und sieht mich über den Tresen hinweg nochmal an. Dann dreht er sich rasch weg, um in die Welt hinauszugehen. Nochmal ein kurzer geschenkter Blick. Wirklich überraschend für mich ist das Gefühl der Freude am ehrenamtlichen Dienst. Man spürt diese Freude vor, während, aber vor allem nach der Arbeit. Noch tiefer empfinde ich das Staunen, wer alles vor uns steht. Zu den Obdachlosen hatte ich bisher eher eine ,Huschblick-Beziehung‘: Ich sah sie, sah sie aber auch nicht. Persönlich kannte ich vorher keinen. Seit meiner Aufgabe bei Schiller 25 sehe ich sie in ihrem ganzen Sein. Jeden einzelnen besonderen wertvollen Menschen. Vorurteile? Enge Sichtweise? Helfersyndrom? Alles Quatsch! Das echte bunte Leben ruft, legt seinen Ausweis auf den SchillerEmpfangstresen und will gelebt werden. Und überrascht immer wieder.“ Maja Demirovic sie Ausgang haben. Die Wünsche sind oft einfach: Kaffee trinken, Kleidung für die Zeit nach der Haft kaufen, durch die Stadt bummeln oder „kulinarisch wunderbar essen bei McDonalds“. Einer wünschte sich, mit ihr zu wandern, ein anderer bat um eine Radtour. Da hat sie die Räder der Familie in ihren VW-Bus gepackt und ihn zur Tour rund um einen See abgeholt. Wege in die Freiheit zeigen „Die Jungs wollen Freiheit spüren, denn im Gefängnis ist das Leben doch sehr klein geschaltet“, sagt sie. Beim Ausgang seien sie ganz andere Menschen: Viele seien wieder wie Kinder, andere eher ängstlich: „In den zwei bis drei Jahren hinter Gittern verändert sich die Welt sehr – gerade für so junge Menschen.“ Zwischen 20 bis 30 Straftäter hat Eva Jung-Kramer bisher betreut, ein bis zwei Jahre lang sieht sie sie regelmäßig. Mit der Entlassung endet der Kontakt zu den meisten. Von manchen erfährt sie, dass sie wieder hinter Gittern gelandet sind, mit anderen freut sie sich, wenn der Weg in die Freiheit geklappt hat. So wie bei Johann*: Er hat eine Arbeit und eine Freundin gefunden – und kürzlich eine WhatsApp-Nachricht geschrieben, dass er vier Tage Urlaub – seinen allerersten im Leben – in einem Vier-Sterne-Hotel verbringt. Isabel Hartmann *Namen von der Redaktion geändert Ehrenamt bei der Inneren Mission Mehr als 2.000 Ehrenamtliche haben sich im vergangenen Jahr bei der Inneren Mission München und ihren Tochterfirmen engagiert: Sie haben Flüchtlingen das Ankommen in München erleichtert, sich für Kinder und Jugendliche eingesetzt, psychisch kranke Menschen begleitet oder bei der diakonia Kleiderspenden sortiert. Sie waren für ältere Menschen in Heimen und ambulanten Einrichtungen der Hilfe im Alter da und haben beim Evangelischen Hilfswerk Menschen am Rande der Gesellschaft unterstützt. Wir sagen ein herzliches Dankeschön an alle Helferinnen und Helfer! Auf den folgenden Seiten wollen wir Ihnen ein paar der Ehrenamtlichen und die vielfältigen Möglichkeiten eines Ehrenamts bei der Inneren Mission München vorstellen. Falls Sie Interesse an einem Ehrenamt haben, melden Sie sich gerne bei Michael Frieß unter Telefon 089/12 69 91-114 oder per E-Mail [email protected] Einen Überblick über offene Ehrenamtsstellen finden Sie unter www.im-muenchen.de/ehrenamt. Ansprechpartnerin für Ehrenamtliche bei diakonia: Brigitte Knipp, Tel. 089/12 15 95-45 oder per E-Mail: [email protected] Isabel Hartmann Seite 4 Nr. 73 · 2016 Pfarrerin Martina Kreis leitet die neu geschaffene „Fachstelle Volunteering / Ehrenamt“ Netzwerkerin in Sachen Flüchtlingshilfe Viele Jahre lang war Martina Kreis bei „diakonia secondhand“ als Bereichsleiterin für die Sortierung und Verteilung der Kleiderspenden zuständig und dort sozusagen das „Gesicht der Flüchtlingshilfe“ (siehe auch Seite 15). Jetzt hat sie bei der Inneren Mission eine andere Aufgabe übernommen: Seit Anfang dieses Jahres leitet die 55-Jährige die neu geschaffene – und vom Münchner Stadtrat vorerst befristet finanzierte – Fachstelle Volunteering / Ehrenamt in der Abteilung „Hilfen für Flüchtlinge, Migration und Integration“. Zu ihren Aufgaben gehört es, die zahlreichen Kontakte mit Freiwilligen zu koordinieren. Während Kreis sich um die Ehrenamtlichen in den Gemeinschaftsunterkünften und kommunalen Flüchtlingseinrichtungen kümmert sowie für übergeordnete Kontakte in der Flüchtlingshilfe – beispielsweise zu Kirchengemeinden im Dekanat – zuständig ist, bearbeiten ihre Kolleginnen Andrea Yanez und Julia Helmbrecht die konkreten Anfragen in der Bayern-Kaserne und den Dependancen sowie auch am „Lighthouse Welcome Center“. Zusätzlich gehört zu ihrem neuen Aufgabenbereich die interne Absprache mit der – ebenfalls bei der Inneren Mission München angesiedelten – InterKulturellen Akademie. Hier geht es vor allem darum, bedarfsgerechte und zentrale Unterstützungs- und Schulungsangebote für Ehrenamtliche zu konzipieren und umzusetzen. Potentiale gezielt einsetzen Mit ihrer neuen Aufgabe setzt Kreis das nahtlos fort, was sie in ihrem vorigen Beruf jahrelang erfolgreich betrieben hat: „Wir müssen uns mit unseren Angeboten nach außen hin öffnen und verstärkt netzwerken.“ Als zentrale Ansprechpartnerin ist die Pfarrerin an der Schnittstelle zu den vielen Helferkreisen vor Ort tätig; hier bringt sie Angebot und Nachfrage ehrenamtlichen Engagements möglichst passgenau in Einklang. Gemeinsam mit den Sozialberatern in den Gemeinschaftsunterkünften möchte sie den Bereich der Patenschaften für einzelne Flüchtlinge oder auch ganze Familien ausbauen. Und als Theologin denkt sie auch darüber nach, mit welchen interreligiösen Angeboten ihr Arbeitgeber beispielsweise auf Sterbefälle von Nicht-Christen rea- Tolle Leute, tolle Erfahrungen: Für Waltraud Schwabl (r.) ist ihr Ehrenamt ein willkommener Ausgleich zum Alltag. Foto: Christine Maier gieren könnte. „Da liegen viele Aufgaben vor uns, von denen wir jetzt noch gar nicht wissen, wie die überhaupt aussehen.“ Einen regelrechten „Adlerblick“ will sie von ihrer übergeordneten Warte aus einnehmen: Die Übersicht bekommen, Ideen aufnehmen und gezielt einbringen, wo sie passen. Neulich etwa war Kreis bei einem Helferkreis in Freiham; viele andere Besuche und Gespräche stehen demnächst auf ihrem Terminplan. „Ich bin eine Handlungsreisende in Sachen Flüchtlingshilfe und freue mich darauf, möglichst viele Leute kennenzulernen und sie mit ihrem Potential optimal einzusetzen.“ Kontakt zu Spendern halten Dazu gehört auch, mit möglichen Spendern Kontakt aufzunehmen und die vorhandenen zu pflegen. „Wenn die Leute wissen, wofür sie konkret spenden, dann geben sie auch gerne.“ Mit den Freiwilligen führt sie erste Gespräche, findet heraus, was sie wollen – und was sie können – und schaut dann, dass sie einen idealen Einsatzplatz bekommen. Sie hilft, wenn es um den Antrag für Auch heute werde ich außer der Reihe für die Senioren mithelfen zu kochen, es hat sich gestern so ergeben. Ich habe Glück, dass mir alle Leute im Stadtteilbüro von Anfang an so freundlich begegnet sind. Deshalb fühle ich mich bis heute dort sehr gut aufgehoben. Allen anderen Ehrenamtlichen – wir sind so um die 60 – ergeht es wie mir: Wir sind mit dem gesamten Team des Stadtteilbüros Neuperlach wirklich verbunden. Das Team organisiert das ganze Jahr über immer wieder tolle Veranstaltungen für uns Ehrenamtliche. Dieses Jahr war ich auf einem Tagesausflug im Chiemgau dabei und zur Weihnachtsfeier und zum Grillfest eingeladen. Außer der Reihe habe ich beim Adventsmarkt und beim Grillfest Kuchen verkauft. Es macht mir echte Freude. Herzliches Klima Waltraud Schwabl hilft ehrenamtlich an der Infotheke des Stadtteilbüros Neuperlach Echte Freude „Zu meinem Ehrenamt bin ich über meine Nachbarin gekommen. Sie betreut im Stadtteilbüro ältere Menschen und hat mir vorgeschlagen, auch mal dort anzufragen. Ich habe mich für ein Ehrenamt entschieden, weil die Woche für mich dadurch wieder ein Stück mehr Struktur gewonnen hat und weil ich auch sehr gerne wieder mehr Kontakte zu Menschen in meiner nahen Umgebung haben wollte. Und das habe ich im Stadtteilbüro wirklich gefunden, mir macht es immer viel Spaß, dort auszuhelfen. Zuerst war ich in unserer Kleiderausgabe. Das hat mir nicht so gut gefallen, daher bin ich jetzt an der Infotheke. In der Regel helfe ich zweimal im Monat gute zwei Stunden aus, zurzeit sogar einmal die Woche: Ich beantworte das Telefon, nehme Kleiderspenden entgegen oder höre den Menschen, die kommen, einfach nur zu. Unterschiedlichste Anliegen Sie haben sehr unterschiedliche Anliegen: Viele Leute kommen mit Anträgen, zum Beispiel für Kindergeld oder Hartz IV. Ich vergebe dann Termine für die Ausfüllhilfe. Ich wohne gleich um die Ecke vom Stadtteilbüro, da kann ich auch mal spontan einspringen. Ich war früher Hauswirtschafterin von Beruf, bin jetzt aber viel zu Hause. Die Bürotätigkeiten im Stadtteilbüro sind ein Ausgleich für mich. Meinen Mitmenschen kann ich nur empfehlen, sich irgendein Ehrenamt in München oder Umgebung zu suchen, wenn es ihre Zeit irgendwie zulässt: Man lernt tolle Leute und Mitarbeitende kennen. Das Klima ist nicht rau, sondern wirklich sehr herzlich. Wir sind leider viel nur damit beschäftigt, für Geld in die Arbeit zu laufen, was oft mit viel Stress verbunden ist. Das empfinde ich bei meinem persönlichen Ehrenamt überhaupt nicht. Jetzt habe ich ab Mai einen neuen 450-Euro-Job gefunden, wieder im Haushalt. Deshalb schraube ich dann meinen Einsatz ein klein wenig zurück. Aber ich werde auf weitere Jahre sicherlich gerne dabei bleiben.“ Protokoll: Isabel Hartmann Powerfrau mit Sinn für Vernetzung auf allen Ebenen: Pfarrerin Martina Kreis ist bei den Migrationsdiensten seit Anfang dieses Jahres für die Betreuung von Ehrenamtlichen zuständig. Foto: Erol Gurian ein erweitertes Führungszeugnis geht, das man braucht, wenn man sich für Menschen engagieren will. Nur durch gute Unterstützung und Begleitung lasse sich die in der Flüchtlingshilfe langfristig notwendige Qualität der Arbeit sicherstellen. Gleichzeitig will Martina Kreis auch den generellen Blick weiten für das, was nötig ist. Beim Gespräch in Freiham beispielsweise waren Vertreter der dort ansässigen Firmen dabei und boten ihre Hilfe an: Stühle, Tische, Material. Das sei natürlich gut und hilfreich, sagt die aus der westfälischen Lan- deskirche stammende Theologin, mittelfristig wolle sie die Blickrichtung zusätzlich aber auch umdrehen. „Wir brauchen Praktikumsplätze und Stellenangebote für die Flüchtlinge.“ Damit da auf beiden Seiten kein Kulturschock entsteht, müsse man intensive Vorarbeit leisten. Genau das also, was ihr liegt. Klaus Honigschnabel Wer sich in der Flüchtlingshilfe engagieren will, kann sich direkt an Martina Kreis wenden: Tel.: 089/5 20 31 79-07 oder per E-Mail: [email protected] Raus aus der Flüchtlingsunterkunft – rein ins Vergnügen! Insgesamt drei Vorstellungen gab die Clownsgruppe „Calypso Company“ bei ihrem Besuch in München – und ein Teil der kostenlosen Karten war für Flüchtlingsfamilien mit Kindern reserviert, die sonst kaum Gelegenheit haben, sich so eine Veranstaltung anzusehen. Organisiert hatte das Ganze Frank Striegler von der Evangelischen Familienbildungsstätte Elly Heuss-Knapp, die Evangelische StadtAkademie stellte ihre Räume kostenfrei zur Verfügung – und die vier Clowns verzichteten auf einen Großteil ihrer Gage. Striegler, der in Dachau seit Jahrzehnten die Kleinkunstbühne „Leierkasten“ managt sowie die jährlichen „Theatertage“, hatte zudem das Busunternehmen Simperl dazu bewogen, die Bewohner aus der Bayern-Kaserne kostenfrei zur Aufführung zu fahren. Eine weitere – ebenfalls kostenlose – Aufführung fand dann in der Gemeinschaftsunterkunft in der Landsberger Straße (Foto) statt. Da die Künstlergruppe, die bereits mehrfach für den Verein „Clowns ohne Grenzen“ in der Welt unterwegs war, bei allen ihren Stücken weitgehend auf Sprache verzichtete, gab es auch kaum Verständigungsprobleme: Kinder und Eltern waren allesamt begeistert. Serena Widmann, die tatkräftig mitgeholfen hatte bei den Vorbereitungen, konnte nur Euphorisches berichten: „Die Leute waren so froh, aus der Unterkunft rauszukommen und endlich einmal auch mit voller Kraft und ganz unbeschwert lachen zu können!“ Auch im Bus habe noch eine tolle Stimmung geherrscht, alle waren glücklich und unheimlich dankbar, berichtet Widmann. „Die Kinder der Familien aus dem Irak und Afghanistan haben mich noch alle fest gedrückt und unsere sonst so coolen afrikanischen jungen Männer und jungen Damen meinten nur, ‚we never forget this funny show‘.“ Ein dickes Dankeschön an alle, die mitgeholfen haben! Klaus Honigschnabel / Foto: Erol Gurian Nr. 73 · 2016 Seite 5 Bayern-Kaserne: Ehrenamtliche haben 2015 mehr als 20.000 Flüchtlinge mit dem Nötigsten ausgestattet „Sie sind das Herzstück der Kleiderkammer“ „Wir geben Kleidung und Menschlichkeit“ – sollte die Kleiderkammer in der Bayern-Kaserne sich einen Slogan suchen, würde wohl keiner besser passen als dieser einfache Satz. Neben gespendeter Kleidung, einem Rucksack, einer Tasche, einem Koffer oder Hygieneartikeln wie Shampoo, Duschgel und Zahnpflege, gibt es hier ein Lächeln, aufmunternde Worte und Gesten. Und manchmal auch eine kleine Einführung in die deutsche Gründlichkeit: beim Anstehen zur Nummernausgabe, beim Checken der Papiere und bei der gerechten Verteilung an alle. es gab auch viele Tatkräftige, die mehrmals kamen und als fester Kern geblieben sind. Die Ehrenamtlichen in der Kleiderkammer haben durch ihre Art, die Flüchtlinge willkommen zu heißen, gezeigt, dass Menschlichkeit unendlich viele Gesichter hat. Sie waren so bunt gemischt wie die Neuankömmlinge: Ganz unterschiedliche Persönlichkeiten tummelten sich in Halle 28 und haben die Räumlichkeiten stets mit Wärme und Herzlichkeit erfüllt. Wir haben viel gelacht, aber zum Teil sind auch auf beiden Seiten ein paar Tränen geflossen: vor hen. Sie gehen nun offener auf neue Leute zu – und haben nette Begegnungen, die sie sonst nicht hätten. Sie haben gemerkt, dass Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft universelle Werte sind, die nicht vieler Worte bedürfen, sondern die sie mit kleinen Gesten und einem Lächeln ausdrücken können. Alle waren willkommen zu helfen: Firmen, Einzelpersonen, Familien – einfach alle. Sie konnten sehen, dass Menschen zu uns kommen, nicht Lawinen, Wellen oder Fluten. Es sind Individuen, die eine Geschichte und ein Schicksal haben, ihren eigenen Geschmack und eine Persönlichkeit. Von ganzem Herzen Dank Vor der Kleiderausgabe steht die Sortierung. Ohne ehrenamtliche Hilfe hätte die diakonia die Kleiderberge nicht bewältigt. Foto: Erol Gurian Von Dienstag bis Samstag geben wir in der Bayern-Kaserne Kleidung an die Flüchtlinge aus, die neu in München angekommen sind. Dabei sind die Ehrenamtlichen das Herzstück der Kleiderkammer. 2015 war ein Jahr der Extreme – die Zahlen der Flüchtlinge, der Pressemitteilungen und der freiwilligen Helfer überschlugen sich. Einige schauten nur einmal vorbei, um sich selbst ein Bild zu machen und um mitreden zu können. Aber Rührung, Dankbarkeit oder Anteilnahme. Jacken, Hosen, Schuhe und Socken fanden dank der Hilfe unserer Ehrenamtlichen glückliche neue Besitzer. Beim Auswählen der Kleidung signalisierten in die Höhe gereckte Daumen Zustimmung. Und ein Zucken der Mundwinkel verriet: Vielleicht gibt es etwas Passenderes. Viele der regelmäßig Helfenden berichten, wie diese Tätigkeit ihr Leben und die Art beeinflusst, wie sie mit anderen umge- Und jeder Helfende merkte, dass es Menschen gibt, mit denen man von Anfang an sehr gut auskommen und umgehen kann, die einen rühren und einem vor Dankbarkeit um den Hals fallen. Aber auch, dass es andere gibt, deren Auffassung vom Leben sich nicht mit der eigenen deckt und bei denen sich Kommunikation und Verständnis eher schwierig gestalten. An dieser Stelle möchte ich unbedingt auch die tatkräftigen Helfenden in der Spendensortierung in der Dachauer Straße und am Stahlgruberring erwähnen. Sie haben viel Liebe und Sorgfalt in ihre Arbeit gesteckt und eine Breite an Emotionen gezeigt – von Ungläubigkeit über Rührung bis hin zu purer Freude über die Spenden. Mehr als 20.000 Personen haben wir 2015 in der Kleiderkammer der Bayern-Kaserne mit dem Nötigsten ausgestattet und so einen Beitrag zur Willkommenskultur geleistet. Das war nur mit Hilfe der vielen Ehrenamtlichen möglich – ihnen allen sei an dieser Stelle von Herzen gedankt.“ Vanessa Hadzic Serena Widmann betreut seit vier Jahren Flüchtlinge in der Bayern-Kaserne „Wir wissen nicht, wie wir das ohne Sie geschafft hätten“ „Es kam eine afghanische Familie zu uns, die bereits seit ein paar Jahren in Deutschland lebte. Sie fragte nach, ob ich ihnen helfen könne, ihre Cousine zu finden. Nach ihrem letzten Wissensstand sei sie nun in der Bayern-Kaserne. Das Problem: Ihre Cousine habe kein Handy und sie können sie also nicht erreichen, um einen Treffpunkt auszumachen. Aufs Gelände der Bayern-Kaserne dürften sie ja nicht. Ich ließ mir den genauen Namen und das Geburtsdatum geben und bin dann ins Haus 58 gegangen. Mir war klar, dass sie als alleinstehende junge Frau zu 99 Prozent hier zu finden sei. Und tatsächlich, die Security konnte mir das Zimmer nennen und ich fand sie dort auch. Sie sprach kein Englisch und nur mit Händen und Füßen konn- te ich ihr erklären, dass sie mit mir mitgehen solle. Das tat sie – eher schüchtern, langsam und unwissend, was ich wollte. Als wir durch das Tor kamen und ihre Familie dort schon wartete, brach sie in meinen Armen zusammen und fing bitterlich zu weinen an. Ich brachte sie vorsichtig auf die Bank beim „Lighthouse Welcome Center“ und dort fielen sich ihre Cousine und sie in die Arme. Auf meine Frage, ob alles okay sei, antwortete ihre deutschsprachige Cousine nur: ‚Wir sind so un- endlich glücklich uns gefunden zu haben. Wir hätten nicht gewusst, wie wir das ohne Sie geschafft hätten. Das sind nur Freudentränen.‘ Nachdem ich für die Organisation und Verteilung von Freikartenkontingenten für Veranstaltungen, Clubs und Events zuständig bin, ist das Lighthouse immer unser Treffpunkt und für mich auch ein guter Ort, um interessierte Flüchtlinge während meiner Schichten für neue Aktionen zu akquirieren. Am schönsten ist es, wenn ich Schicht habe und die jungen Menschen zu mir kommen und sich immer wieder bedanken für einen unvergesslichen Abend, zum Beispiel im Theater. Und sie sagen, ,dass sie diesen Abend nie vergessen werden und so glücklich waren für ein paar Stunden‘. Das macht mich dann auch sehr glücklich!“ Feldkirchens Bürgermeister Werner van der Weck (links) hat den Asylhelferkreis beim Neujahrsempfang geehrt (vorne, v.l.n.r.): Michaela Strathmann, Christina Gruber, Friederike Dörner und Silja Bächli. Foto: Marion Ohnes Michaela Strathmann leitet mit Friederike Dörner den Asylhelferkreis in Feldkirchen „Es ist schön, dass unsere Arbeit gesehen wird“ „Bei einer Infoveranstaltung der Gemeinde Feldkirchen zu den Flüchtlingen im November 2014 wurde gefragt, wer an einem Helferkreis Asyl interessiert wäre. Die Resonanz in Feldkirchen war groß und ich wurde schnell mit der Leitung und Koordination des Helferkreises beauftragt. Als dann im Dezember zwölf Asylbewerber in das VHS-Gebäude eingezogen sind, haben sich viele Feldkirchner bei der Gemeinde erkundigt, wie sie helfen können – und sind so zu uns gestoßen. Jung und Alt gemeinsam Im September 2015 kamen – von einem Tag auf den anderen – rund 90 junge Flüchtlinge nach Feldkirchen. Die Evangelische Kinder- und Jugendhilfe hat spontan ihren Saal als Notunterkunft zur Verfügung gestellt. Mit nur ein paar Stunden Vorlauf haben wir zusammen mit den Mitarbeitenden der Kinder- und Jugendhilfe alles für die Jugendlichen organisiert: Bettwäsche, Handtücher, Duschgel, Fahrdienste aus der Bayern-Kaserne. Und haben in den vergangenen Monaten gemeinsam die Jugendlichen betreut. Mittlerweile sind 150 Helferinnen und Helfer im Verteiler des Asylhelferkreises; 30 bis 40 gehören zum festen Kern, der sich alle zwei Wochen trifft. Bei uns ist alles dabei, vom zwölfjährigen Schüler bis zur 80-Jährigen Oma. Wir sind gut aufgestellt, auch von den Berufen her haben wir eine große Bandbreite – von der Krankenschwester bis zum Rechtsanwalt, vom Immobilienmakler bis zum IT-Fachmann. Wenn ich eine Anfrage über unseren Verteiler schicke, bekomme ich immer eine Antwort. Wir haben schon eine Kleiderkammer aufgebaut und Deutschkurse mit Unterstützung der Firma Brainlab in Feldkirchen initiiert. Wir helfen bei Arzt- und Behördengängen sowie bei der Jobsuche. Wir besor- gen, was auch immer fehlt. Am Wochenende organisieren wir Angebote für die Flüchtlinge. Es gibt nichts, was wir noch nicht gemacht haben. Am Anfang waren die Not und das Elend der Flüchtlinge der Beweggrund für viele, zu helfen. Das Thema war ja überall präsent, vor allem in den Medien. In letzter Zeit hat sich meinem Eindruck nach die Stimmung geändert. Jetzt machen wir unsere Arbeit, weil es ohne Ehrenamtliche gar nicht ginge. Wenn wir einen Deutschkurs für die Flüchtlinge beantragen, kann das mehrere Monate dauern. Wenn wir selber anpacken, geht es schneller. Wir im Helferkreis sorgen dafür, dass es uns mit der ehrenamtlichen Arbeit gut geht. Als Leitung können Friederike Dörner und ich auch einiges auffangen. Denn es gibt auch traurige Erlebnisse: In einer Woche sind Familienmitglieder von drei Jugendlichen gestorben. Da haben einige von uns auch die Nacht zum Tag gemacht und die Jugendlichen unterstützt und begleitet. In solchen Momenten ist es wichtig, dass man da ist. Nicht reden, sondern handeln Es klappt bei uns gut, weil Leute dabei sind, die nicht lange hadern und warten, sondern einfach sagen: ‚Ich mache das‘. Die Jungs sagen immer wieder ,Danke‘, ohne dass sie es müssten. Es ist schön, dass unsere Arbeit gesehen wird. Mittlerweile sind die restlichen Jugendlichen in die Sozialpädagogischen Wohngruppen in Riemerling der Kinder- und Jugendhilfe Feldkirchen gezogen. Doch wir Helfer können und wollen nicht ganz loslassen. Deshalb haben wir ein Patenprogramm initiiert. Den Anstoß gab einer der Jugendlichen: ,Kannst Du nicht einfach meine Mama sein‘, hat er gefragt.“ (mehr dazu im nächsten Diakonie-Report). Protokoll: Isabel Hartmann Seite 6 Nr. 73 · 2016 Wohnangebote. Im Naturkindergarten am Weiherhäusle begrüßten eine engagierte Erzieherin und fröhlich singende Kinder die Ehrenamtlichen. Vielfältige Angebote Der Herzogsägmühler Naturkindergarten kommt bei Kindern und Eltern sehr gut an. Foto: Gabriele Graff Der Betriebsleiter der Gärtnerei erläuterte die Aufgaben des Fachund Ausbildungsbetriebs und stellte auf dem Friedhof die naturnahe Bestattung vor. Die Tiergestützte Therapie mit Pferden konnten die RundgangTeilnehmer in der SternstundenReithalle miterleben. Im Haus Obland gab es Informationen zu Langzeittherapiemöglichkeiten sowie zum neuen Schwerpunkt für Menschen mit Sucht und psychischen Erkrankungen – und eine Besichtigung des Neubaus. Christliches Miteinander Rundgang für Ehrenamtliche in Herzogsägmühle Wege der Schöpfung „Wege der Schöpfung“ – unter diesem Motto lud Personalreferentin Gabriele Graff die Ehrenamtlichen von Herzogsägmühle und den Tochterunternehmen zum zweiten Ehrenamtlichen-Rundgang ein. 40 freiwillige Helferinnen und Helfer starteten in diesem Jahr in der Friedhofskapelle. Und erfuhren dort von der Personalreferentin, wofür das Motto des Rundgangs steht: für das Erleben von Mensch, Tier und Natur – von Kindheit über Problembewältigung bis hin zu Spiritualität und Tod. So vielfältig wie das Angebot des Diakoniedorfs Herzogsägmühle waren auch die Stationen, darunter zum Beispiel die Landwirtschaft und suchttherapeutische Wie macht man christliches Miteinander und ein am Menschen orientiertes Zusammenarbeiten im Unternehmen Herzogsägmühle erlebbar? Auf diese Frage ging Direktor Wilfried Knorr in der Martinskirche ein. Der letzte Stopp: das Herzogsägmühler Café und Wirtshaus „Herzog“. Beim Mittagessen hatten die Teilnehmenden genügend Zeit, um sich über die vielen neuen Eindrücke des Vormittags auszutauschen. Gabriele Graff Hilfebedürftige zum Arzt begleiten, mit Behörden, Ämtern und Versicherungen verhandeln oder ambulante Hilfe organisieren – die Aufgaben rechtlicher Betreuer sind vielfältig. Für dieses Ehrenamt sucht der Betreuungsverein Innere Mission München (BIMM) Helfer, die eine gesetzliche Vertretung (rechtliche Betreuung) übernehmen möchten und pro Woche zwei Stunden ihrer Zeit zur Verfügung stellen. BIMM unterstützt mit seinen Ehrenamtlichen Menschen, die sich aufgrund von Altersverwirrung, psychischer Krankheit oder geistiger Behinderung nicht mehr selbstständig um ihre rechtlichen Belange kümmern können. Um die Ehrenamtlichen auf ihr Engagement vorzubereiten, bietet der Verein ab April eine Schulungsreihe an. Am 19. April startet diese mit einer generellen Einführung in das Thema Betreuungsrecht. An drei weiteren Terminen geht es um die Bereiche Vermögenssorge und Vertretungsarbeit bei Behörden, Sozialleistungsträgern und Versicherungen (26. April), Gesundheitsfürsorge und Organisation ambulanter Hilfen (3. Mai) sowie Fragen zu Wohnungsangelegenheiten (10. Mai). Alle Schulungen gehen jeweils von 18 bis 20 Uhr; der anfallende Unkostenbeitrag beträgt zehn Euro. Für Interessierte gibt es außerdem am 8. Juli die Informationsveranstaltung „Rechtliche Betreuung als Ehrenamt“ von 16 bis 18 Uhr. Die Schulungen von BIMM finden in Menschen mit ihren Eigenschaften akzeptieren „Sechsundzwanzig Jahre lang war ich Pflegekraft im Evangelischen Alten- und Pflegeheim ‚FriedrichMeinzolt-Haus‘. Als ich 2006 in Rente gegangen bin, habe ich nahtlos mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit weitergemacht. Mittlerweile bin ich 70 Jahre alt. Von Anfang an habe ich immer einmal in der Woche eine feste Bewohnerin betreut. Seit Oktober 2015 kümmere ich mich im Wohnbereich um Lena Müller*: Ich begleite sie beim Einkaufen, helfe bei kleinen hauswirtschaftlichen Verrichtungen oder führe einfach mal ein normales Gespräch. Frau Müller nimmt die wöchentlichen Besuche sehr gerne an und macht sich auch Sorgen, wenn ich mal nicht pünktlich zur verabredeten Zeit bei ihr bin. Außerdem begleite ich die wöchentlich stattfindende Kegelrunde. Bei schönem Wetter komme ich auch an anderen Tagen und verbringe mit verschiedenen Bewohnerinnen und Bewohnern Zeit im Freien. Denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass in der Pflege und Betreuung nicht immer dann Zeit da ist, wenn das Wetter pas- send ist. Das gilt auch fürs Leben: Die guten und die schlechten Zeiten – die Zeiten zum Weinen und Lachen – gehören dazu. Man muss sie nehmen, wie sie kommen. Schon während meiner hauptamtlichen Beschäftigung habe ich verschiedenen Bewohnern Extrazeit gewidmet. Ich versuche, jeden Menschen mit all seinen Eigenschaften zu akzeptieren und auf die individuellen Eigenheiten und tagesabhängigen Stimmungen einzugehen. Neben dem Ehrenamt im ,Friedrich-Meinzolt-Haus‘ helfe ich auch beim Gebrauchtwarenverkauf der Heilig-Kreuz-Gemeinde Dachau mit und unterstütze eine andere – früher ebenfalls ehrenamtlich tätige – Seniorin, die noch zu Hause wohnt. Ich bin viel unterwegs, mache das aber sehr gerne. Für die Zukunft wünsche ich mir nur Gesundheit. Denn ich möchte mich noch lange für das ‚FriedrichMeinzolt-Haus‘ und andere Mitmenschen direkt und persönlich engagieren.“ Protokoll: Christian Zanke * Name von der Redaktion geändert Zwölfter Orange Day: Ehrenamtliche von GlaxoSmithKline helfen in Karla 51 und in der Bayern-Kaserne Kurz gemeldet Betreuungsverein der Inneren Mission München (BIMM) Hannelore Der: Von der hauptamtlichen zur ehrenamtlichen Mitarbeiterin im „Friedrich-Meinzolt-Haus“ der Seidlstraße 4, 5. Stock, in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs statt. Weitere Informationen gibt es bei Elke Baier unter der Telefonnummer 089/12 70 92-71. InterKulturelle Akademie München Sprachliche Hürden, kulturelle Missverständnisse, rechtliche Fragen: Ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit ist ein Engagement, das viele Menschen bereichert, viele aber auch vor kleine und große Herausforderungen stellt. Die InterKulturelle Akademie (IKA) unterstützt die Ehrenamtlichen bei ihrem Einsatz und bietet auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten an. Eine Einführung „Interkulturelle Kommunikation“ gibt es am 27. April (18 – 20 Uhr). Aufbauend findet am 24. Juni (14 – 18 Uhr) sowie am 25. Juni (10 – 17 Uhr) das Vertiefungsseminar „Grundlagen interkultureller Kompetenz“ statt. Einfache Redewendungen lernen Interessierte beim „Mini-Sprachkurs Dari / Farsi“ am 29. April oder am 11. Mai (jeweils 16 – 17.30 Uhr). Eine Schulung „Grundlagen Asylrecht“ findet am 30. Mai (18 – 20 Uhr) statt. Am 9. Juni (18 – 20 Uhr) lädt die IKA ehrenamtlich Mitarbeitende zu einem begleiteten Erfahrungsaustausch „Ehrenamtliche zwischen Anteilnahme und Abgrenzung“ ein. Ein „Argumentationstraining“ gegen Stammtischparolen und Rassismus gibt es am 17. Juni (14 – 17 Uhr). Das „Herkunftsland Nigeria“ ist Thema der Veranstal- tung am 28. Juni (18 – 20 Uhr). Alle Veranstaltungen sind für Ehrenamtliche, die in der Flüchtlingshilfe tätig sind, kostenfrei und finden in der Geschäftsstelle der Inneren Mission (Landshuter Allee 40, 80637 München) statt. Rückfragen und Anmeldung bitte an Gudrun Blänsdorf unter Telefon 089/12 69 91147 oder per E-Mail an [email protected]. diakonia diakonia sucht dringend ehrenamtliche Helferinnen und Helfer für die Ausgabe von Kleiderspenden in der Kleiderkammer Ost am Stahlgruberring 8. Dort können sich bedürftige Menschen mit und ohne Migrationshintergrund kostenlos mit dem Nötigsten ausstatten, zum Beispiel Kleidung und Dinge für den täglichen Bedarf. Mögliche Einsatzzeiten für Ehrenamtliche sind jeweils am Montag, Mittwoch und Donnerstag von 9.30 Uhr bis 15 Uhr. Helfende Hände werden an dem Standort im Gewerbegebiet Moosfeld auch für das Sortieren von gespendeter Kleidung gesucht, mit der die diakonia Flüchtlinge im Stadtgebiet versorgt. Hier ist ein Engagement von Montag bis Freitag zwischen 9.30 und 16 Uhr und samstags von 9 bis 12 Uhr möglich. Ehrenamtliche können selbst entscheiden, wann und wie lange sie helfen möchten: Sie melden sich einfach im Online-Kalender auf www.diakonia-fluechtlinge.de an – und kommen vorbei. Schmutzige Hände, glückliches Gemüt An die Farbe, fertig, los – das hieß es für fünf Mitarbeitende des Arzneimittel- und Healthcare-Unternehmens GlaxoSmithKline (GSK) beim zwölften Orange Day des Unternehmens. Ihr Einsatzort: das Frauenobdach Karla 51. Die Pforte sowie den Vorraum haben sie dort geweißelt; der Flur hat vom Erdgeschoss bis zum Keller ebenfalls einen neuen Anstrich bekommen. „Sie haben richtig was geschafft“, sagt Isabel Schmidhuber, Leiterin von Karla 51. Auch die Bewohnerinnen von Karla 51 lobten das große Engagement: „Sie finden es toll, dass Menschen, die sonst im Büro arbeiten, etwas für Wohnungslose tun und sich dabei sogar die Hände schmutzig machen.“ Hilfsbereitschaft und handwerkliches Geschick – das brachten auch die zwei GSK-Teams für ihren sozialen Tag in der Bayern-Kaserne mit. Die eine Gruppe hat die Kleider in der Kleiderkammer sortiert und das Lager umgeräumt; die andere hat im „Lighthouse Welcome Center“ den alten Boden herausgerissen, einen neuen verlegt und das Haus gestrichen. Viele Ehrenamtliche profitieren von ihrem Engagement, sagt Karlotta Brietzke vom Sozialdienst für Flüchtlinge: „Einige meinten, so ein Tag erde einen wieder, wenn man sieht, wie es Menschen in besonderen Notlagen geht.“ Josephin Schmid Am zwölften Orange Day haben sich bundesweit 240 GSK-Mitarbeitende in 26 Projekten engagiert – wie hier bei Karla 51. Foto: Stefan Obermeier Nr. 73 · 2016 Seite 7 Ran an den Herd (v.l.n.r.): Pascal, Hans, Markus Burchert, Paul und Heinrich von der Männerkochgruppe im ASZ Haidhausen. Foto: Zina Boughrara Im Alten- und Service-Zentrum Haidhausen steht die Männerkochgruppe für den Mittagstisch an den Töpfen Kulinarische Experimente Äpfel und Karotten schnippeln, Sahne schlagen und Kartoffeln schälen – das gehört für Hans, Heinrich und Paul zweimal im Monat zum festen Programm. Dann treffen sie sich im Altenund Service-Zentrum Haidhausen (ASZ) zur Männerkochgruppe – und servieren ihre kulinarischen Ergebnisse den Besuchern des ASZ beim Mittagstisch. „Der Spaß und das Gesellige stehen dabei im Vordergrund“, sagt ASZ-Leiter Markus Burchert, der zusammen mit KomPassant Pascal die Gruppe verstärkt. Ursprünglich richtete sich der Aufruf zu einer ehrenamtlichen Kochgruppe an alle Besucherinnen und Besucher des ASZ Haidhausen. Hans war sofort dabei: Der 72Jährige kommt regelmäßig zum regulären Mittagstisch am Dienstag. „Wenn ich hier schon immer gut esse, dann möchte ich mich auch mal selber einbringen“, dachte er sich. Gemeldet haben sich auf den Aufruf noch zwei Mitstreiter – deshalb ist es jetzt eine Männer-Kochgruppe. „Bei uns geht es viel ruhiger zu als in gemischten Gruppen“, findet Paul. „Es gibt keinen Streit untereinander.“ Aber dafür gebe es „immer etwas zum Lachen“, ergänzt Heinrich, der Dritte – und mit 75 Jahren der Älteste – im Bunde. Unterschiedliche Geschmäcker Geschmäcker sind verschieden, das gilt auch für die Mitglieder der Männerkochgruppe: Hans mag am liebsten Wildgerichte und französische Küche – gerne nur vom Feinsten. Heinrich bevorzugt Pfannkuchen, während Paul beim Essen vor allem die Abwechslung liebt. Bei der Kochgruppe kommt in die Töpfe, was Saison und Region gerade so hergeben. Im Winter waren das oft Kartoffel- oder Nudelgerichte. Frisch und gesund sollen die Menüs sein – das ist das Credo der Hobbyköche. „Wir verfeinern unsere Gerichte mit ganz unterschiedlichen Gemüsesorten“, erklärt Burchert. Zudem hat sich die Gruppe der „experimentellen Küche“ verschrieben: Es geht nicht darum, strikt nach Rezept zu kochen, sondern auszuprobieren: Welche Zutaten passen zueinander? Was kann ich mit saisonalem Gemüse machen? Lob für die Gerichte „Beim ersten Mal war es schon eine Herausforderung für 15 Leute zu kochen“, erinnert sich Paul. „Aber inzwischen haben wir dazu gelernt.“ Und sie haben eine Arbeitsteilung gefunden: Paul macht die Hauptspeisen, Hans kümmert sich um die Nachspeisen, Heinrich schnippelt Obst und Gemüse und deckt den Tisch. Die Gäste beim Mittagstisch der Männerkochgruppe sind voll des Lobes für die Gerichte: Weil sie frisch sind – und abwechslungsreich. „Sie verzeihen uns auch mal kleine Fehler“, sagt Markus Burchert und lacht. Wenn etwas Salz an der Sauce fehlt oder die Nudeln zu lange im Wasser waren. Daraus lernen die Hobbyköche – und freuen sich schon auf den Sommer. Denn dann gibt es frisches Obst und Beeren für die Nachspeise und viele verschiedene Gemüsesorten für die Hauptspeise – die Grundlage für die nächsten Kochexperimente. Isabel Hartmann Dr. Stefan Dinges ist ehrenamtlicher Vorsitzender des Ethikbeirats der Hilfe im Alter Wertschätzung in der Altenhilfe „Ich bin seit Anfang an beim Ethikbeirat dabei, zusammen mit Frank Kittelberger habe ich ein Jahr lang in der Vorbereitungsphase als Trainer und Projektleiter gearbeitet. Seitdem bin ich Mitglied des Ethikbeirats. So wie die anderen externen Experten arbeite ich in den Sitzungen ehrenamtlich, dafür habe ich mich bewusst entschieden. Viele Mitarbeitende in der Altenhilfe engagieren sich über ihre Dienstzeit und Aufgaben hinaus, insbesondere in der Ethikarbeit. Über das Ehrenamt kann man bei bestimmten Themen Signale setzen. Ein wesentliches Ziel des Ethikbeirats ist es, allen Mitarbeitenden der Hilfe im Alter eine andere Aufmerksamkeit zu geben und Unterstützung, damit sie ihre anspruchsvolle Arbeit gut machen können. Der Pflege und Versorgung alter Menschen mangelt es an gesellschaftlicher Wertschätzung. Dabei ist sie nicht nur Thema der Hilfe im Alter oder der Diakonie, sondern auch der ganzen Gesellschaft. Drei Abende im Jahr treffen sich interne und externe Mitglieder des Ethikbeirats und besprechen aktuelle Fragestellungen und übergreifende Themen. Dazwischen liegen Zeiten der Vorbereitung, Ethikmoderationen vor Ort und Schulungen. Gemeinsam mit Pfarrerin Dorothea Bergmann, die die ge- samte Ethikarbeit in der Hilfe im Alter koordiniert und Ernie Fürst, die Verantwortliche für Pflegeüberleitung im „Leonhard-HenningerHaus“, bilden wir den Vorstand des Ethikbeirats. Wir leisten mitunter auch Übersetzungsarbeit zwischen den externen Experten und den Mitarbeitenden aus der Praxis. Als Medizin- und Gesundheitsethiker an der Uni Wien kann ich immer wieder Ad-hoc-Expertise in die Beratungen geben und aktuelle Trends und Inhalte in den Ethikbeirat einbringen. Gerade weil ich meine Aufgabe ohne Bezahlung ausübe, habe ich die Möglichkeit, klar und unabhängig Position zu ethischen Fragen zu beziehen, zum Beispiel der Geschäftsführung oder anderen Institutionen gegenüber. Beim Ehrenamt geht es immer wieder um das Austarieren der Grenzen: Wie viel kann man ehrenamtlich machen? Wie arbeitet man mit den hauptamtlichen Mitarbeitenden zusammen? Ich denke, das ist bisher ganz gut gelaufen. Ob Ehrenamt, Experte oder Beratertätigkeit – es braucht Rollenklarheit: Trage ich noch etwas zur Weiterentwicklung von Teams und Einrichtungen bei oder streichle ich nur mein eigenes Ego? In diesem Jahr geht der Ethikbeirat in die dritte Amtsperiode und wir können positiv auf die vergangenen sechs Jahre zurückblicken. Wir sind wirklich ein gutes Stück in Richtung einer gemeinsamen Ethikkultur in der Hilfe im Alter weitergekommen, dazu hat das ehrenamtliche Engagement der externen Experten sicherlich beigetragen.“ Protokoll: isa Im „Internet-Café für Senioren“ in Ebenhausen helfen sich ältere Menschen gegenseitig, die Welt des Computers zu verstehen Ordnung in den Wirrwarr bringen „Senioren helfen Senioren“ – wie man diese Idee konkret umsetzen kann, zeigen die Mitglieder der „Lokalen Agenda 21 Schäftlarn“ seit gut einem Jahr. „Gerade was das Internet betrifft, herrscht unter den Älteren große Unsicherheit“, sagt beispielsweise Klaus Broemel (78). Zusammen mit Dieter Rücker (86) und Alexander Waechter (74) beschloss er daher, sein Wissen im Rahmen der „Internet-Seniorengruppe Isartal“ (ISGI) an andere Interessierte weiterzugeben. Backofen als Zeichen? Nach einigen Überlegungen riefen die Drei ein „Internet-Café für Senioren“ ins Leben, in dem nun Rentner Hilfestellung rund um den PC bekommen. Den Raum für die wöchentlichen Treffs, die seit Oktober vergangenen Jahres stattfinden, stellt das Alten- und Pflegeheim Ebenhausen am GerhartHauptmann-Weg zur Verfügung. Pro Nachmittag besuchen durchschnittlich drei bis vier Senioren das Café. „Bei drei Experten haben wir schon fast einen Betreuungsschlüssel von eins zu eins“, sagt Broemel, der früher bei BMW in der Organisation gearbeitet hat, amüsiert. Am Tisch sitzen nun Experte Rücker und Besucher Richard Strauß konzentriert vor einem Laptop: „Für was ist dieses Zeichen?“, fragt der 78-Jährige und deutet auf ein Symbol unten auf der Leiste. „Sieht aus wie ein Backofen.“ Rücker, der nach 34 Jahren bei Siemens fast ein ganzes Jahrzehnt für Patentanwälte die EDV aufbaute, muss lachen. „Sieht so aus, aber so weit ist selbst der PC noch nicht.“ Ihnen gegenüber kämpfen währenddessen Alexander Waechter und Ruth Karwat mit den Tücken des Computers. „Der muss einfach mal aufgeräumt werden“, sagt Karwat. „Im Moment ist hier ein großer Wirrwarr.“ Die 80-Jährige nutzt den PC hauptsächlich, um E-Mails an ihre Familie und Freunde zu schreiben und Bilder zu speichern. „Eigentlich eine feine Sa- che“, sagt sie. Ein weiterer treuer Besucher ist neben Constantinos Paparoussopoulos (80), der sich heute mit Windows 10 vertraut machen möchte, Siegfried Fischer aus Schäftlarn. Er hat sich einen Tablet-Computer gekauft. Doch wie bringt man dieses kleine Ding zum Laufen? Der 72-Jährige fackelte nicht lange und machte sich am folgenden Tag auf den Weg zum Klosterbräustüberl. „Hier sind immer Leute“, dachte ich mir. „Einer wird sich schon damit auskennen.“ Sie wissen, wie’s geht: Alexander Wachter (l.) und Klaus Broemel (r.) sind Experten in Sachen Internet und Computer – und helfen Senioren wie Richard Strauß (m.), sich im digitalen Dschungel zurechtzufinden. Foto: Sabine Hermsdorf Dumm sterben will keiner Der erste, den er ansprach, war ein „junger, dynamischer“ Radler. Doch der musste schon nach 20 Minuten passen. „Also bin ich rüber zum Gymnasium.“ Fischer bat drei Mädchen, die gerade draußen saßen, um Hilfe. „Ich habe gesagt, dass ich aus Papua-Neuguinea komme und mich damit nicht auskenne.“ Die Drei brachten das Tablet schließlich zum Laufen – „doch ich selbst hatte jetzt immer noch nicht viel Ahnung“. Und so wandte Fischer sich an die Experten vom Internet-Café: „Schließlich will ich ja auch lernen, wie man sich beispielsweise legal Musik aus dem Internet herunterladen kann. Wenn man da nur einen Fehler macht, steht sofort der Anwalt vor der Tür. Und das muss ja nicht sein.“ Jetzt helfen ihm Broemel, Waechter und Rücker, die Möglichkeiten seines Tablets kennenzulernen. „Außerdem“, wirft Strauß un- ter dem Gelächter seiner Kollegen ein, „will ja keiner dumm sterben.“ Sabine Hermsdorf Das Internet-Café im Untergeschoss des Evangelischen Alten- und Pflegeheims am Gerhart-HauptmannWeg 10 in Ebenhausen hat jeden Montag von 14.30 bis 16.30 Uhr geöffnet. Betreut wird der Treff von der Internet-Seniorengruppe (ISGI) der Lokalen Agenda 21 Schäftlarn. Die Teilnahme ist kostenlos. Seite 8 Nr. 73 · 2016 Blick auf die Alpen: Service Senioren Wohnen in Sendling macht’s möglich Rundum-Versorgung im Rundbau Nur noch wenige Appartements sind im obersten Stockwerk des Evangelischen Pflegezentrums in Sendling zu mieten: Das Haus liegt in bester Lage unweit des grünen Isarhochufers im neuen Stadtteil München-Südseite. Wer hier einzieht, hat freien Blick in alle Himmelsrichtungen – und kann zudem alle Dienstleistungen eines modernen Pflegezentrums nutzen. Die Wohnungen im fünften Stock des vor drei Jahren eröffneten Hauses sind unterschiedlich groß und somit für rüstige Alleinstehende oder Paare geeignet. Ideal ist das Angebot für Paare, bei denen eine Person pflegebedürftig ist. Von den 20 Wohneinheiten sind derzeit noch sieben zu haben: eine 3-Zimmerwohnung (67 Quadratmeter) sowie sechs 2-Zimmerwohungen (40 – 42 Quadratmeter). Einrichtungsleiter Florian Walter ist sich sicher, dass das nicht mehr lange so bleibt: „Die Wohnungen Horst Wendt hat sich im fünften Stock des Sendlinger Pflegezentrums sein eigenes kleines Reich geschaffen. Foto: Kurt Bauer sind attraktiv, vollständig barrierefrei, haben eine Küchenzeile, sind sehr großzügig geschnitten – und unser Vollservice umfasst alles, was ältere Menschen benötigen.“ Der Rundum-Service beinhaltet alle Mahlzeiten, die täglich in der hauseigenen Küche frisch zubereitet werden, Wohnungsreinigung sowie Wäschepflege. Über ein Notrufsystem ist sichergestellt, dass jederzeit sofort Hilfe geholt werden kann. Und wenn dann Pflegebedarf besteht, ist die fachlich hochwertige Versorgung ebenfalls sichergestellt. Leben in Gemeinschaft Zudem können die Bewohner an den kulturellen Veranstaltungen im Haus teilnehmen: Vernissagen, Musik-Abende, Bilder-Vorträge, Theatervorstellungen, Konzerte, Feste und Gottesdienste in der hauseigenen Kapelle. Im Haus befinden sich auch ein Friseur-Salon sowie eine Cafeteria. Viermal pro Woche – und bei Bedarf auch täglich – kommt ein Arzt ins Pflegezentrum. Florian Walter: „Im Mittelpunkt steht für uns das Leben in der Gemeinschaft. Und wir wollen, dass sich unsere Bewohner rundum wohlfühlen und Zeit haben, ihr Leben – so gut es eben geht – zu genießen.“ Klaus Honigschnabel Interessenten für eine Wohnung wenden sich bitte an Frank Salziger von der Pflegeüberleitung (Telefon 089/ 32 29 82 - 100) oder per E-Mail an [email protected]. Schock im Planegger Pflegeheim: Hilfskraft berührt mehrere Heimbewohnerinnen unsittlich „Man kann in die Menschen nicht reinschauen“ Was sich Mitte Januar auf Station II des Evangelischen Pflegeheims in Planegg zugetragen hat, ist der Alptraum eines jeden Heimleiters: Ein seit sieben Jahren im Haus angestellter Pflegehelfer berührte eine hochaltrige und schwer demente Bewohnerin unsittlich. Das Haus reagierte umgehend: Heimleiter Ulrich Spies kündigte dem 58-Jährigen fristlos und erteilte zudem ein sofortiges Hausverbot. Bei der polizeilichen Vernehmung gestand der Mann dann noch drei weitere Übergriffe sexueller Art. Ulrich Spies ist – wie die gesamte Mitarbeiterschaft in Planegg – sichtlich schockiert von den Vorgängen: „Der Mann hat jahrelang seine Arbeit ohne Beanstandungen gemacht. Aber man kann halt nicht reinschauen in die Menschen.“ Auch die von der Hilfe im Alter vor der Einstellung obligatorisch geforderte Vorlage eines Führungszeugnisses sei da leider nicht hilfreich. „Bestimmte Sachen tauchen gar nicht auf oder werden wieder gelöscht.“ Und Vergehen, die noch nicht begangen wurden, könnten logischerweise hier auch gar nicht vermerkt sein. Der betreffende Mitarbeiter habe sogar kurz vorher an einem Supervisionstag „Wenn das Gewissen zwickt“ teilgenommen, so Heimleiter Spies. „Da war ein ganzer Tag reserviert ausschließlich für die eigene Psychohygiene – offenbar leider erfolglos.“ Das Pflegeheim informierte die gesamte Mitarbeiterschaft sowie die Angehörigen auf der entsprechenden Station. Zu dem Abend eingeladen war auch ein Vertreter der Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht, der früheren Heimaufsicht. Bei einem eigens angesetzten Fachtag steht das Thema „Sensibilisierung bei Missbrauch und Übergriffen“ im Zentrum; diese Schulung wird demnächst übergreifend bei allen anderen Heimen der Hilfe im Alter angeboten. Problem professionell gelöst Vorstand Günther Bauer zeigt sich ebenfalls entsetzt über den Vorfall. Gleichzeitig ist er voll des Lobes über den Umgang mit der ganzen Angelegenheit: „Wir sind froh, dass das alles so schnell und professionell gelöst wurde.“ Das Planegger Heim habe in der Vergangenheit immer Spitzennoten bei den Bewertungen erhalten; dies werde sich auch durch die Verfehlung eines Einzelnen künftig nicht ändern. ho Fachtag für Palliative Care beschäftigt sich mit dem Zeitmangel in der Altenpflege Drei Fragen an Ulrich Spies, Heimleiter in Planegg Futter für die Seele „Alle unsere Warnlampen sind nach dem Vorfall noch größer geworden“ Die Beschäftigten in der Pflegebranche wissen schon seit Langem: Zeit ist relativ. Ist ein Pflegefall komplizierter, benötigt er natürlich mehr Aufmerksamkeit in der Grundpflege als ein eher einfacherer Fall. Relativ gesehen klingt das ganz fair, doch wenn ein schwerer Pflegefall extrem viel Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, so bleiben für die anderen Fälle oft nur wenige Minuten pro Tag. Und dann zeigt sich die Qualität eines Hauses: Bleibt jetzt noch Zeit für Gespräche, für Einfühlungsvermögen, für die sogenannte seelische Pflege? Problem mit der knappen Zeit Der Grund für dieses Zeitdilemma liegt im vom Gesetzgeber her knapp bemessenen Personal, dem größten Problem in der Pflege überhaupt. Da bleibt Palliative Care, die beschützende Pflege in den letzten Monaten und Wochen, leicht auf der Strecke. Bei der Hilfe im Alter, einer Tochtergesellschaft der Inneren Mission, hat die seelische Pflege aber einen ganz wichtigen Stellenwert. 85 Pflegekräfte waren im Dezember zum Fachtag für Palliative Care gekommen, um sich darüber auszutauschen, wie sie dem Problem mit der knappen Zeit entgegenwirken und ein „Mehr als die Grundpflege“ leisten können. „Es ist ganz wichtig, dass man sieht, dass man nichts falsch macht“, berichtete beispielsweise Jadranka Jeleskoviz vom ,Leonhard-Henninger-Haus‘. Sie kennt das Problem mit der Zeit nur zu gut, denn sie arbeitet in der Kurzzeitpflege, wo der Druck aufgrund der kurzen Verweildauer ungleich höher ist. „Man muss jeden Tag Prioritäten setzen“, sagt sie. Umso wichtiger sei es deshalb, zu merken, dass andere das gleiche Problem haben. Hinweise, Tipps und Austausch bekamen die Pflegekräfte am Fachtag aber nicht nur von Kollegenseite. Neben Diskussionsrunden gaben auch externe Experten unterschiedlichster Fachrichtungen neue Anregungen. Zum Beispiel der Vortrag von Palliative CareFachkraft Katharina Theissing, die die Frage „Was ist Palliative Care eigentlich“ noch einmal grundlegend klärte. „Es ist wichtig zu wissen, dass man oft nicht weiß, was das Richtige ist“. Ein Satz, bei dem viele der Pflegekräfte aufgeatmet haben dürften. Bestätigt er doch ihre Erfahrungen im Alltag. Für Sterbende da sein Wichtig sei zudem bei der Palliativpflege, die Tatsache anzunehmen, dass Menschen sterben. „Die Sterbenden brauchen keine Experten, sondern sie brauchen jemanden, der für sie da ist, nach dem Motto ‚Bleib nahe, aber tue nichts‘“, so Theissing. Priorität in dieser Phase habe Nachdenken und Reflexion, um zu erkennen, was für die jeweilige Person genau jetzt am Wichtigsten ist. Doch auch Nachdenken und Reflexion benötigen entsprechend Zeit – und die ist bei Pflegekräften nun mal knapp. Die Politik mache hier zu wenig, um die Probleme nachhaltig zu lösen, beklagte Gerhard Prölß, Geschäftsführer der Hilfe im Alter. „Da werden zwar viele Versprechungen gemacht, doch es verbirgt sich oft nichts dahinter.“ Pflegereform bringt nichts Vor wenigen Wochen hatte der Bundestag die Pflegereform 2 auf den Weg gebracht. Demnach werden die Pflegefälle von 2017 an nicht mehr in drei Stufen wie bisher, sondern in fünf sogenannte Pflegegrade eingeteilt. Die Pflegegrade seien zwar gut, betont Prölß, „aber solange wir die Arbeit mit dem gleichen knappen Personalstand machen müssen, bringt uns das überhaupt nichts“. Somit verschlimmere die angebliche Verbesserung das Zeitproblem nur noch mehr. Nach einem ausgiebigen Austausch zwischen den Einrichtungen über bewährte Praxismodelle gab Sepp Raischl, Theologischer Leiter des Christophorus Hospizvereins, mit seinem Vortrag zur Frage „Was uns trägt?“ spirituelle Nahrung für die Seele der Pflegekräfte, die ja ihrerseits so oft andere allein durch ihr Dasein unterstützen. Lukas Bergmann Seit genau zehn Jahren leitet Ulrich Spies (Foto) das Evangelische Pflegeheim in Planegg. Mit ihm sprach Klaus Honigschnabel. ? ! Herr Spies, was haben Sie gedacht, als Sie die Nachricht von dem Übergriff erhielten? Im ersten Moment habe ich geglaubt, mir zieht es den Boden unter den Füßen weg. So etwas ist mir noch nie untergekommen. Ich war erst mal komplett sprachlos. Und dann kommt halt ganz automatisch die Reaktion: Gespräche, Beratungen mit der Mitarbeitervertretung, arbeitsrechtliche Konsequenzen. Da hat man als Heimleiter gar keine andere Wahl bei der Schwere des Vergehens. Über so eine Sache kann man nicht hinwegsehen. Niemals. ? ! Haben Sie alles getan, um solchen Übergriffen vorzubeugen? Da kann ich mit gutem Gewissen und von ganzem Herzen nur ,Ja‘ sagen. Wir haben hier im Haus eine Stimmung der Vertrautheit und der Offenheit. Das höre ich immer wieder von allen Mitarbeitenden und selbstverständlich auch von den Bewohnern und den Angehörigen. Wenn mal etwas klemmt und nicht passt, kann man das jederzeit sagen. Wir alle lernen aus Fehlern auch immer. Pflege ist ein persönlich sehr belastender Beruf; es geht ja immer um die letzten Dinge, um Tod und Sterben. Um das auszuhalten, gibt es ein umfassendes Fortbildungsangebot, bei dem man für sich und seine Seele etwas Gutes tun kann. Wir bieten Gesundheitstage an und andere Dinge zum Ausgleich. Aber wenn jemand dagegen – aus welchen Gründen auch immer – resistent ist, sind uns letztlich die Hände gebunden. ? Was ändert sich nach diesem Vorfall in Ihrem Haus? Man kann da natürlich nicht gleich zur Tagesordnung übergehen. Hier standen nach dem Bekanntwerden erst mal alle unter Schock. Wir haben das dann auf allen Ebenen intensiv besprochen und unsere Sensoren nachjustiert. Alle unsere Warnlampen sind jetzt noch größer geworden als sie vor dem Übergriff schon waren. Ärgerlich ist halt auch, dass man Jahr für Jahr gute Pflege macht, über die kaum berichtet wird, und nach so einem Fall dann mehrspaltige Artikel mit entsprechenden Überschriften lesen muss. Das haben die anderen Mitarbeitenden, die jeden Tag gute Arbeit leisten, nicht verdient. ! Nr. 73 · 2016 Seite 9 Die Hilfe im Alter betreibt seit dem 1. April das Rupert Mayer Seniorenheim in Kochel „Seehof“ schafft Synergien Die Hilfe im Alter GmbH (HiA) steht im Zentrum einer ungewöhnlichen ökumenischen Zusammenarbeit im katholisch geprägten Oberbayern: Das Tochterunternehmen der Inneren Mission hat am 1. April die Trägerschaft des seit 2003 vom Caritas Solidarwerk (CSW) betriebenen Rupert Mayer Seniorenheims „Seehof“ übernommen. Eigentümer des Anwesens bleibt die in München ansässige katholische Schwesternschaft von der Heiligen Familie. Das unmittelbar am Südostufer des Sees gelegene Haus verfügt derzeit über 63 Pflegeplätze, wird aber in den nächsten Jahren auf 74 Plätze erweitert. Die Kosten für den bereits genehmigten Umbau in Höhe von rund fünf Millionen Euro trägt die Eigentümerin. Im Zuge der Erweiterung entstehen auch zusätzliche Aufenthaltsräume. Ebenfalls übernommen werden 50 Mitarbeitende, die bisher beim CSW in Augsburg angestellt waren. Schmuckstück am See Vorstand Günther Bauer ist sichtlich erfreut über das Schmuckstück, das sich seit wenigen Wochen im Portfolio der Hilfe im Alter befindet: „Der ‚Seehof‘ ist etwas ganz Besonderes, weil er unser einziges Haus ist, das direkt an einem See liegt.“ Hervorragend passe auch zu den anderen Häusern der Hilfe im Alter, dass der Seehof vom Medizinischen Dienst der Kassen bei der jüngsten Überprüfung eine glatte 1,0 für seine Pflegequalität erhalten habe: „Qualität kommt zu Qualität.“ In einem separaten Gebäude leben derzeit rund ein Dutzend Ruhestandsschwestern. Sie werden wie bisher vom Haupthaus aus mit Essen versorgt und erhalten im Bedarfsfall auch die notwendigen Pflegeleistungen. Bereitet es dem evangelischen Pfarrer Probleme, dass ein katholischer Priester Namenspatron eines in evangelischer Trägerschaft stehenden Hauses ist? Bauer schüttelt den Kopf. „Rupert Mayer, der Apostel Münchens, war ein guter Jesuit.“ Aufgrund seiner mutigen Äußerungen während des 3. Reichs („Ein Nazi kann kein Christ sein und ein Christ kann kein Nazi sein“) wurde er mehrfach inhaftiert; 1987 wurde er für seine aufrechte Haltung vom Papst seliggesprochen. „Eine Namensänderung wäre da ausgesprochen kleingeistig und entspräche nicht unserer ökumenischen Offenheit.“ Die Hilfe im Alter ist noch bei einem weiteren Seniorenprojekt am Kochelsee beteiligt: In Schlehdorf, nur rund vier Kilometer Luftlinie entfernt, übernimmt der dia- konische Träger das bislang von einer privaten Trägerin betriebene Pflegeheim. Die entsprechenden Verträge mit dem zuständigen Zweckverband Seniorenwohn- und Pflegeheim Schlehdorf wurden Anfang März unterzeichnet. Die Bibel als Maßstab Da das 150 Jahre alte Haus an der Kocheler Straße in unmittelbarer Nachbarschaft des Klosters jedoch so baufällig ist, dass es nicht mehr saniert werden kann, muss es demnächst abgerissen werden. Bis Ende kommenden Jahres soll auf dem Gelände für 7,6 Millionen Euro ein Neubau entstehen, den die HiA nach seiner Fertigstellung betreiben wird. Auf drei Etagen stehen dann 52 Pflegeplätze im sogenannten „Wohngruppenkonzept“ zur Verfügung; Betriebsbeginn ist für Januar 2018 geplant. Entworfen haben den Neubau, ein lang gestrecktes Satteldachhaus im oberbayerischen Stil, die Architekten Marcus Kottermaier und Onni Rebholz aus Murnau. Hell und luftig soll er werden, mit vielen Loggien, die Blick zum See und zu den Bergen hin haben. Außerdem soll sich das Heim nach außen öffnen: Geplant ist deshalb eine öffentlich zugängige Cafeteria sowie ein großer Mehrzweckraum, den die Gemeinde für Veran- staltungen nutzen kann. Bevorzugt aufgenommen werden sollen Senioren aus den umliegenden Ortschaften Großweil und Schlehdorf. Beide Häuser werden von derselben Person geleitet: Jörg Kahl, Leiter des Lindenhofs in Grafenaschau, lenkt künftig auch die Geschicke der HiA am Kochelsee. Beide Heime bilden eine organisatorische Einheit: Die Küche in Kochel versorgt das kleinere Haus in Schlehdorf, dort wiederum wird die Bewohnerwäsche für das größere Haus gewaschen. Doch die Pläne der Hilfe im Alter für das „Blaue Land“ gehen weiter: Wenn das Haus in Schlehdorf in Betrieb ist, wird der derzeit in Grafenaschau befindliche „Lindenhof“ mit 44 Plätzen in beschützender Pflege geschlossen. Bewohner und Mitarbeitende ziehen in das neue Gebäude, das nur eine knappe halbe Stunde mit dem Auto entfernt liegt. Der aus dem 19. Jahrhundert stammende Lindenhof entspricht trotz aufwändiger Sanierungsarbeiten nicht mehr den neuerdings vorgeschriebenen Anforderungen. Über die weitere Verwendung des rund 10.000 Quadratmeter großen Grundstücks mit Blick auf das „Hörnle“ gibt es derzeit noch keine Entscheidung. Gerhard Prölß, Geschäftsführer der Hilfe im Alter, sieht in der damit verbundenen Ausweitung der Geschäftstätigkeiten eine gute und sinnvolle Ergänzung des Gesamtangebots: „In Kochel – und später dann in Schlehdorf – machen wir qualitativ hochwertige Pflege in einer wunderschönen Umgebung.“ Zudem böten beide Häuser auch eine Perspektive für die derzeit noch im Lindenhof beschäftigten Mitarbeitenden. „Alles zusammengenommen ergibt das hervorragende Synergieeffekte.“ Bei der Stabübergabe Ende März überreichte Schwester Maria, Generaloberin der Schwestern von der Hl. Familie, liebevoll ausgesuchte Abschieds- und Willkommensgeschenke. So bekamen Heimleiter Jörg Kahl und Vorstand Günther Bauer je einen Bibel-Zollstock: „Sie beginnen Ihren Dienst mit zwei Baustellen – in Kochel und in Schlehdorf –, damit können Sie messen und nachprüfen.“ Lob bei der Hausübergabe Für die politische Gemeinde freute sich 1. Bürgermeister Thomas Holz (CSU) auf eine gute Zusammenarbeit mit der Hilfe im Alter. Der Seehof sei für Kochel eine „bedeutende Einrichtung mit langer Tradition“, der Betreiberwechsel deshalb auch ein entscheidender Tag. Es sei keine Selbstverständlichkeit, so einen reibungslosen Übergang mit einem Festakt zu feiern; oft würden Pflegeheime vor dem Wechsel geschlossen, bis sich ein neuer Betreiber findet. Die HiA habe aber alle Mitarbeiter übernommen und auch für die Bewohner verlief der Übergang reibungslos, lobte Holz. „Ich hab’ mich bei meinen Kollegen in den Gemeinden erkundigt, in denen Sie tätig sind, und es ist mir überall nur Positives berichtet worden.“ ho / Foto: Gerwin Miller Offen und beschützend: Eine Sensortechnik gewährt den Bewohnern des Evangelischen Pflegeheims im Reischlhof mehr persönliche Freiheiten „Ein Meilenstein in der Altenpflege“ Im Evangelischen Pflegeheim im Reischlhof, ist innovative Technik eingezogen: Als eines der ersten Pflegeheime in München und im Landkreis verwendet das Haus die sogenannte passive Transpondertechnik, um zu verhindern, dass Heimbewohner, die einen richterlichen Unterbringungsbeschluss haben, ungewollt das Haus verlassen. Mittels eines Transponders am Fuß der Bewohner kann das Pflegepersonal nun denjenigen Bewohnern Sicherheit geben, die außerhalb des Hauses aufgrund ihrer Orientierungsschwäche in akuter Gefahr wären. Der häufigste Grund für diese Schwäche ist Demenz. Gerhard Prölß, Geschäftsführer der Hilfe im Alter, die das Haus betreibt, sieht in dem neuen System einen „Meilenstein in der Altenpflege“. Denn bislang mussten Bewohner innerhalb des Hauses umziehen, wenn sich die Notwendig- keit für eine beschützende Unterbringung zeigte. Per richterlichem Beschluss kamen sie dann in der Regel ins Erdgeschoss des Evangelischen Pflegeheims im Reischlhof. Das ändert sich nun. „Die neue Technologie hilft uns, auf Krankheitsverläufe individuell zu reagieren, ohne dass unsere Bewohner ihr gewohntes Umfeld verlassen oder in spezielle Bereiche umziehen müssen“, sagt Prölß. Die technologische Zukunft im Reischlhof hat drei Buchstaben: DFS, das „Desorientierten Fürsorge-System“, hergestellt von der Firma „Minos“. Das Transpondersystem meldet, wenn jemand das Haus verlassen möchte, aber zu denjenigen Bewohnern gehört, die das zu ihrer eigenen Sicherheit nicht dürfen. Der Leiter des Pflegeheims, Jan Steinbach, ist ebenfalls erleichtert über die sinnvolle technische Ausstattung. „Das System bietet mehr Flexibilität und den- noch Sicherheit gerade für Bewohner mit beginnender Weglauftendenz.“ Etwa 80.000 Euro hat das neue System samt Kontrolltechnik gekostet; Geld das gut angelegt ist. Seit Mitte März sind die Transponder aktiv und das Evangelische Pflegeheim im Reischlhof ist „ein beschützendes und gleichzeitig offenes Haus“, so Steinbach. Denn bislang war die Türe im Erdgeschoss grundsätzlich verschlossen. Man musste klingeln, um auf die beschützende Station zu kommen. Mithilfe von DFS kann diese Tür nun offen bleiben und dennoch sind die zu beschützenden Bewohner sicher. Die blauen Transponder wiegen neun Gramm und sind etwa so groß wie eine Armbanduhr. Sie werden mit einem hautfarbenen Klettverschluss und einem sichernden Magnetverschluss angebracht. Etwa die Hälfte der 45 Bewohner trägt den Transponder derzeit. Steinbach steht an der Etagentür der Pflegestation und demonstriert, wie das Ganze funktioniert. Er nimmt den Transponder in die Hand und wischt mit ihm auf Höhe des Fußgelenks über den Boden. Nun versucht der Heimleiter, die Türe zu öffnen. Es ist nicht möglich. Sie bleibt für ihn verschlossen, denn eine von elf Antennen hat ihn geortet. Sie sind im Fußboden unsichtbar verbaut. Und sollte doch jemand mal unbemerkt durch die Etagentür gelangen, greift die sogenannte Außensicherung. Die Pflegekräfte bekommen auf ihre Mobiltelefone eine Meldung, dass ein Bewohner mit Unterbringungsbeschluss das Haus verlässt. Im Ernstfall geht dann jemand zur Türe und sieht nach dem Rechten. Bleibt noch die ein oder andere Unwägbarkeit: Was passiert etwa, wenn der Strom ausfällt? „Dafür haben wir ein Notstromsystem. Die Transponder selbst sind wartungsfrei und funktionieren ohne Batterie“, erläutert Steinbach. Und wenn jemand das Band des Transponders einfach durchschneidet, wie es in der Erprobungsphase des Systems gelegentlich vorgekommen ist? „Die neuen Bänder sind so konstruiert, dass man sie mit einer Schere nicht mehr durchtrennen kann.“ Hüseyin Ince / Foto: Erol Gurian Seite 10 Nr. 73 · 2016 Die Tagung „Auf der Flucht“ beleuchtete aktuelle und künftige Fragen zum Thema Asyl Überleben wollen ist nicht illegal Monster, immer wieder Monster: Als Khalil mit seinen Eltern in einer Münchner Flüchtlingsunterkunft strandet, sind Monster in der Malwerkstatt sein einziges Motiv. Die Bilder des sechsjährigen syrischen Kindes illustrierten die Tagung „Auf der Flucht“, zu der die Evangelische Akademie Tutzing und die Innere Mission Ende November gemeinsam eingeladen hatten. Der Junge lebt seit 2013 mit seiner Familie in der Gemeinschaftsunterkunft an der Landsberger Straße, wo er einmal pro Woche die Malwerkstatt von Irmela Strohhacker besucht. „Khalil hat einen Bombeneinschlag in seiner Schule überlebt“, erzählt die pensionierte Kinderärztin. Er sah, wie seine Klassenkameraden von der Bombe zerfetzt wurden – brennende Häuser und sterbende Kinder füllten fortan seine Gedanken bei Tag und die Träume bei Nacht. In Tutzing verdeutlichten Khalils Bilder, worum es geht, wenn Deutschland, wenn die Europäische Union über Kontingente und Obergrenzen für Flüchtlinge spricht. Egoistenkonglomerat Europa Der Journalist Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung bezeichnete die EU in seinem Vortrag, der mehr einer wortgewaltigen Predigt glich, als „Egoistenkonglomerat verschiedener Nationen“, das Zufluchtsuchende illegalisiere. „Es ist aber nicht illegal, sein Leben retten zu wollen“, so Prantl. Das Flüchtlingsproblem sei nicht nur ein Problem des Herbstes 2015, sondern das „Problem des 21. Jahrhunderts“. Flüchtlinge seien „Botschafter des weltweiten Hungers, des Leids und der Not“. Anders als beim biblischen Exodus öffne sich den Flüchtenden das Meer jedoch nicht. Europa müsse deshalb legale Zuwanderung ermöglichen und Fluchtursachen bekämpfen. Wenn es das nicht tue, werde es „an seinem Geiz und seiner Egomanie ersticken“. Er warf Ländern wie Polen, das nur christliche Flüchtlinge aufnehmen will, „Hochverrat an den europäischen Werten“ vor und forderte die gleichen Anstrengungen wie in der Eurokrise: „Es geht jetzt nicht um das Überleben einer Währung, sondern um das Überleben von Menschen“, kritisierte der Journalist. Globale Gleichgültigkeit Die Herzlichkeit, mit der viele Deutsche die Flüchtlinge an den Hauptbahnhöfen empfangen hätten, löse zwar das Integrationsproblem nicht. „Sie hilft aber, die Globalisierung der Gleichgültigkeit zu beenden“, sagte Prantl. Die Flüchtlingsfrage zu bewältigen gehört zum Tagesgeschäft von Maria Els, Vizepräsidentin der Regierung von Oberbayern. Bei einer Flüchtlingszahl „von einer Million plus x“, von denen wohl 50 Prozent zumindest ein befristetes Bleiberecht bekommen, brauche man „eine Integrationsoffensive in den Bereichen Sprache, Wohnraum, Arbeits- und Ausbildungsplätze, Kindergärten und Schulen“. Nach ihren Angaben gibt Oberbayern derzeit täglich anderthalb bis zwei Millionen Euro für die Aufnahme der Flüchtlinge aus – „das muss auch verwaltet werden“, sagte die Beamtin mit Blick auf die immer noch zu dünne Personaldecke ihrer Behörde. Trotz aller Sachlichkeit musste sie am Ende ihres Vortrags dennoch schlucken: „Bislang haben wir viel geschafft – aber manchmal liegen die Nerven blank.“ Dass sie das Schicksal der Flüchtlinge persönlich betroffen macht, merkte man auch Ursula Gräfin Praschma an, Abteilungspräsiden- tin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg. „Unser Amt steht im Dienst der Menschen, die zu uns kommen und uns vertrauen, und im Dienste der Gesellschaft“, sagte sie. Die Verantwortung, es gut und richtig zu machen, trage sich nicht leicht. Die Abteilungsleiterin für Asyl wies deshalb Kritik an der Bearbeitungsgeschwindigkeit von Asylanträgen zurück. In Deutschland würden nur 6,6 Prozent aller Asylentscheidungen des BAMF von Verwaltungsgerichten korrigiert – „in anderen europäischen Ländern liegt die Quote bei 25 Prozent“. Zudem verwies Praschma darauf, dass massiv Personal eingestellt werde, um mehr Anträge bearbeiten zu können. Ein Stück zusammenrücken Praschma bezeichnete den Königsteiner Schlüssel, der die Ankommenden proportional zu Bevölkerungszahl und Steueraufkommen auf die Bundesländer verteilt, als „wertvolles System“. Er sorge dafür, dass Flüchtlinge nicht – wie in Frankreich oder England – nur an den Rändern der Großstädte hängenblieben, sondern kleinteilig über Deutschland verteilt würden. Dadurch werde Integration erst möglich. Gleichzeitig forderte sie, dass angesichts der aktuellen Situation „alle jetzt ein Stück zusammenrücken“ müssten. Wenn Turnhallen von Flüchtlingen belegt seien, müssten Kinder lernen, „dass nicht immer alles im Überfluss da sein kann“. Der Konfliktforscher Mitra Moussa Nabo von der Universität der Bundeswehr München versuchte, die chaotische Gemengelage im Nahen Osten zu erhellen. Bei all dem Gewirr von Interessen blieben zwei Erkenntnisse: Liberale Kräfte im Sinne einer westlichen Definition haben in den meisten Vom Monsterbild zu erlösenden Schneeflocken – der syrische Flüchtlingsjunge Khalil schloss beim Malen Frieden mit seiner Erinnerung. Foto: Oryk Haist arabischen Staaten keinerlei Basis in der Bevölkerung; dort ist die Opposition zu den herrschenden Regimen vorwiegend sunnitisch-dschihadistisch geprägt. Das bedeute zugleich, dass die Diskussion in Europa über eine friedliche und gewaltfreie islamische Religion an der Wirklichkeit im Nahen Osten vorbeigeht. Jürgen Micksch, Ehrenvorsitzender des Fördervereins von Pro Asyl erinnerte daran, dass es in der gesamten Menschheitsgeschichte noch nie so viele Flüchtlinge gegeben habe wie derzeit. Und alles deute darauf hin, „dass es noch mehr werden“. Flüchtlinge seien Botschafter der globalen Ungerechtigkeiten: „Nur wenn wir lernen, die abzuschaffen und zu teilen, kann sich das ändern.“ Lösungen sind Mangelware Kabarettist Christian Springer, der sich selber seit Jahren in der Syrien-Hilfe engagiert, forderte in seiner alles andere als lustigen Rede, endlich die Armut in den Kriegsregionen zu bekämpfen. Dagegen würden von vielen Staaten Pickup-Fahrzeuge und Waffen geliefert, ohne dass sich jemand aufrege: „Ich versteh die Welt nicht mehr!“ Angesichts der unüber- sichtlichen Problemlage musste er allerdings eingestehen, selber „auch keine Lösung zu haben“. Zu Beginn der Tagung hatte Günther Bauer, Vorstand der Inneren Mission, berichtet, dass die Planung zur Tagung bereits vor zwei Jahren begonnen hätte. Zwischenzeitlich habe die „wirkliche Wirklichkeit die Planungen überholt und verändert“. Inneren Frieden gefunden Diejenigen, die dieser Wirklichkeit entkommen sind, brauchen oft Jahre, bis sie mit den Erinnerungen umzugehen lernen. Wochenlang malte der sechsjährige Khalil brennende Häuser – bis er einmal ein Bild eines ausgebrannten Hauses mit dicken Schneeflocken garnierte. Auf Strohhackers erfreute Äußerung, dass die Schneeflocken wohl das restliche Feuer löschen könnten, reagierte der Junge glücklich. „Seit diesem Bild hatte Khalil über Wochen kein Bedürfnis mehr, Bilder über die belastete Vergangenheit zu malen“, erinnert sich die Ärztin, die als Ehrenamtliche die Maltherapie leitet. Der kleine Junge hat vielleicht endlich seinen inneren Frieden gefunden. Susanne Schröder / ho Münchner Wohlfahrtsverbände fordern Abbau der Unterschiede von Arm und Reich Konstruktive Lösungen statt populistischer Parolen Um den sozialen Frieden in der Stadt zu erhalten, müsse mehr Geld in die Integration fließen, fordern die Münchner Wohlfahrtsverbände. Für ein solidarisches Miteinander müssten zudem alle gesellschaftlichen Gruppen einbezogen werden, forderte Caritas-Geschäftsführer Nobert Huber, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege München, vor der Presse. Humaner Umgang nötig Nötig seien ein humaner Umgang mit Flüchtlingen sowie eine Politik, die die Unterschiede zwischen Arm und Reich abbaue: „Der Zustrom der Flüchtlinge ist nicht die Ursache für die Unterschiede, er verschärft nur die Probleme dieser bestehenden Unterschiede“, so Huber. Er forderte die Bayerische Staatsregierung auf, konstruktive Lösungen in der Flüchtlingsfrage zu formulieren und nicht durch „populistische Parolen Ängste in der Bevölkerung zu schüren“. Scharfe Kritik äußerte Karin Majewski, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, an der im Asylpaket II beschlossenen Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz. „Dadurch wird in Kauf genommen, dass Frauen und Kinder sich in die Hände von Schleppern und auf gefährliche Fluchtwege begeben.“ Dass die geplante Regelung auch auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ausgeweitet werde, stehe dem Kindeswohl entgegen. Private Unterbringung besser Majewski forderte zudem eine Änderung des Bayerischen Landes- aufnahmegesetzes, das Asylsuchende zwingt, bis zum Abschluss des Asylverfahrens in staatlichen Aufnahmeeinrichtungen zu leben. „Es gibt viele Privatpersonen, die Flüchtlinge aufnehmen würden, es aber nicht dürfen. Das finden wir grundfalsch.“ Private Unterbringung fördere den Spracherwerb und eine schnellere Integration. Integration sei eine Schlüsselaufgabe, sagte Aaron Buck, Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde. Die Angebote richteten sich nicht nur an Menschen mit Migrationshintergrund, sondern auch an Menschen mit Behinderung, in schwierigen Lebenslagen oder eines bestimmten Alters. Durch den starken Zuzug von Flüchtlingen und eine „massive Radikalisierung bis weit in die gesellschaftliche Mitte hinein“ drohe eine Aufspaltung der Gesellschaft. Es gelte, mit vereinten Kräften das Auseinanderdriften von Arm und Reich wie auch eine aggressive Polarisierung von gesellschaftlichen Gruppen aufzuhalten: „Wir brauchen eine Infrastruktur für die Integration, die auf dem Grundgesetz und den Wertvorstellungen Deutschlands basiert.“ Der „Rand“ geht bis zur Mitte Auf die vielen Angebote der Wohlfahrtsverbände für Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängten werden, wies der Vorstand der Inneren Mission München und Vertreter von mehr als 80 diakonischen Rechtsträgern in der Landeshauptstadt, Günther Bauer, hin. Den Begriff „Randgruppen“ dürfte es eigentlich gar nicht geben; zudem reiche der Rand „bis in die Mitte der Gesellschaft“. Aufgabe der Verbände sei es, sich um alle Menschen zu küm- mern, „deren Leben aus den Fugen geraten ist“. Es gelte, sie mittels vielfältiger und spezifischer Angebote in die Gesellschaft zu integrieren, so Bauer. Neben Beratungsund Betreuungsangeboten sei die Sorge um den sozialen Wohnungsbau zentral sowie die Schaffung von Unterkünften, zum Beispiel auch für den Kälteschutz. Besonders schwer hätten es nicht anspruchsberechtigte EU-Bürger und Menschen ohne legalen Aufenthaltstitel. Für sie seien die Lebensmittelausgaben, Kleiderkammern und mobile ärztliche Angebote besonders wertvoll. Bauer wörtlich: „Ohne die Angebote der Wohlfahrtsverbände wäre die reiche Stadt München menschlich deutlich ärmer.“ Die Vertreter der anderen Verbände wiesen auf Themen in der Altenpflege hin sowie auf Fragen der Bildungsgerechtigkeit. ho Nr. 73 · 2016 Seite 11 Innere Mission beendet Sozialbetreuung im Ankunftszentrum für Flüchtlinge „Das ist mit unserem diakonischen Selbstverständnis nicht vereinbar“ Ende März hat die Innere Mission die Sozialbetreuung für Flüchtlinge in der Maria-Probst-Straße im Euro-Industriepark beendet. Nur eine gute Woche nach der Beauftragung durch die Regierung von Oberbayern (ROB) hatte die Innere Mission München am 21. Juli 2015 die Sozialbetreuung im neu eröffneten Ankunftszentrum (AZ) aufgenommen. Bereits zwei Wochen später war ein Dienst in zwei Schichten von 7.30 bis 23.30 Uhr eingerichtet, um täglich zwischen 300 und 800 Flüchtlinge gleich nach ihrer Ankunft zu betreuen. Ursache für die Beendigung der Tätigkeit war eine europaweite Ausschreibung des Betriebs des Ankunftszentrums durch die ROB. Dabei ist der Bereich – in der Ausschreibung als Los bezeichnet – der Sozialen Betreuung den Bereichen Catering, Reinigung und Security gleichgesetzt. „Die Abgabe eines Angebots für den Bereich Soziale Betreuung ist damit für uns obsolet, da diese dann dem Objektleiter gegenüber weisungsgebunden ist“, sagte Andrea Betz, Leiterin der Abteilung Hilfen für Flüchtlinge, Migration und Integration. Nur dieser sei Ansprechpartner für die Regierung von Oberbayern als Auftraggeber. Andrea Betz wörtlich: „Damit wird der Stellenwert der Sozialbetreuung deutlich abgewertet, sie ist nur noch Dienstleister eines anderen Dienstleisters. Das ist mit unserem diakonischen Selbstverständnis nicht vereinbar.“ In dieser Konstellation sei es nicht mehr möglich, die Belange der Flüchtlinge angemessen zu vertreten. Vorstand Günther Bauer fügte hinzu: „Während aus der gesellschaftlichen Mitte die Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes gefordert wird, wird genau diese Das war einmal: Die Mitarbeitenden der Inneren Mission begrüßten im Ankunftszentrum die Flüchtlinge mit süßen Lebkuchenherzen. Foto: ho notwendige Aufwertung konterkariert, indem der Sozialarbeit die Rolle eines Erfüllungsgehilfen zugewiesen wird. Schon die Ausschreibung sozialer Dienste in Einzellosen für soziale Dienstleister erschwert die Arbeit. Die Unterstellung unter produktorientierte Dienstleistungen trifft die sozialen Dienste im Mark.“ Das Team der Inneren Mission München im Ankunftszentrum bestand aus einer Sozialanthropologin, einem Islamwissenschaftler, einer Germanistin und weiteren Hochschulabsolventen. In jeder Schicht waren drei qualifizierte Mitarbeitende im Dienst. Sie berieten in 13 Sprachen, darunter Arabisch, Paschto, Dari, Farsi, Urdu, Hindi, Russisch, Kurdisch und Vietnamesisch. „Wir beschäftigen unsere hochqualifizierten Kolleginnen und Kollegen weiter“, sagt Sarah Weiss. Die Juristin hat das Angebot in kürzester Zeit aufgebaut und geleitet. Der Zuschlag ging dann Mitte März übrigens an die Siba security service GmbH mit Stammsitz in Karlsruhe. Das Bewachungs- und Werkschutzunternehmen bietet bundesweit ein breitgefächertes Spektrum an Sicherheitsdienstleistungen vorwiegend in den Bereichen des personellen Objekt- und Werkschutzes, beim Brandschutz oder der Sicherung militärischer Objekte. Ebenso ist Siba tätig in der Bewachung von Museen sowie von Geld- und Werttransporten. Seit 1. April ist Siba nun auch für die niedrigschwellige Sozialberatung im Münchner Ankunftszentrum zuständig. Isabel Hartmann Fragebogenaktion des BAMF: Innere Mission übt Kritik am Vorgehen der Bundesbehörde Sinnlos – und rechtlich fragwürdig Es war ein ungewöhnlicher Besuch, der da Ende Februar in den Erstaufnahmeeinrichtungen in der Mc Graw-Kaserne und der St.-VeitStraße auftauchte, um die dort untergebrachten Asylsuchenden zu registrieren. Im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nahmen Beamte des Zolls und Bundeswehrsoldaten Fingerabdrücke von den Bewohnern, verteilten sechsseitige Fragebögen und gaben die Order aus, diese müssten innerhalb von zwei Wochen zum BAMF zurückgeschickt werden. Elisabeth Ramzews, Leiterin der Asylsozialarbeit bei der Inneren Mission, ist entsetzt über das Vorgehen, das sie in ihrer langjährigen Laufbahn zum ersten Mal erlebte. „So etwas ist bisher noch nie vorgekommen!“ sagt sie. Viele der Flüchtlinge seien anschließend völlig verunsichert zur Sozialberatung gekommen, weil sie nicht wussten, wie und warum sie die insgesamt 56 Fragen beantworten sollten. Bei den Fragen geht es um die jeweilige Fluchtroute, um Aufenthalte in anderen EU-Staaten und um Familienangehörige. Wer in einem anderen EU-Land bereits registriert ist, muss dorthin zurück, so die Logik des BAMF. Da es für die Rückführung eine Frist von zwei Monaten gibt, muss das Amt – immer auf Anforderung eines Bundeslandes – schnell handeln. Doch niemand habe den Menschen gesagt, welche Konsequenzen das Ausfüllen dieses Fragebogens habe, kritisiert Ramzews. Auch Hubert Heinhold, als bundesweit bekannter und versierter Asylanwalt im Vorstand von Pro Asyl, hält die Aktion für rechtswidrig. Die zuständige EU-Verordnung „Dublin III“ sehe in Artikel 5 für diese Befragung „definitiv ein persönliches Gespräch in vertrauensvoller Umgebung“ vor. Das BAMF beruft sich hingegen auf eine Ausnahmeregelung, der zufolge man von dem persönlichen Gespräch absehen könne, wenn der Flüchtling bereits ausreichend informiert ist. Rechtsanwalt Heinhold widerspricht hier vehement: „Wenn das BAMF flächendeckend Fragebögen verteilt, macht es die Ausnahme ja zur Regel; das geht so nicht.“ Die Flüchtlinge wüssten eben gerade nicht, worum es geht, wenn sie den Fragebogen in die Hand gedrückt bekommen. Noch dazu, wo es um bedeutsame Inhalte gehe. Formal und rechtlich sei das Vorgehen der Bundesbehörde mehr als fragwürdig. Heinhold hegt zudem den Verdacht, dass das Verfahren aus Gründen von Geld- und Zeitersparnissen in dieser Form durchgeführt werde. Und „sinnlos“ sei es außerdem: In der Praxis würden wohl kaum Asylbewerber in andere EULänder zurückgeführt werden, „da sie dort entweder registriert sein oder einen Asylantrag gestellt haben müssten“. Faktisch treffe dies bei kaum einem Flüchtling zu. Das BAMF spricht offiziell in feinstem Bürokratendeutsch von einem „integrierten Identitätsmanagement“, das zur Unterstützung der Bundesländer schon seit September 2015 mit mobilen Einsatzteams erfolge. Lisa Ramzews hingegen ist sauer, weil die Behörde ihre Aufgaben kurzerhand auf die Sozialarbeiter der Inneren Mission abwälzt. Klaus Honigschnabel Seit Ostern ist die neue Unterkunft in Betrieb. Foto: Oliver Bodmer Milbertshofen-Am Hart: Neue Flüchtlingsunterkunft nach Brandanschlägen eröffnet „Wir blicken jetzt positiv nach vorne“ Nach den mehrfachen Versuchen dreier Jugendlicher, Anfang März die noch unbewohnte Flüchtlingsunterkunft an der Neuherbergstraße in Brand zu setzen, hat die Innere Mission am Gründonnerstag die Arbeit in der Einrichtung aufgenommen. Sechs Mitarbeitende sind für die Asylsozialarbeit zuständig; zudem gibt es zahlreiche weitere Beschäftigte in der Kinderbetreuung und Betriebsführung. Dazu kommen weitere neun Mitarbeiter einer Security-Firma, die für Ruhe und Ordnung innerhalb der Leichtbauhalle sorgen sollen. Andrea Betz, bei der Inneren Mission verantwortlich für die Flüchtlingsarbeit, sieht nach den Anschlägen Handlungsbedarf. Deshalb will die 36-Jährige jetzt dort mit gezielten Informationen präsent sein und Flagge zeigen. Die Mitarbeiterinnen der ebenfalls in ihrer Abteilung angesiedelten Fachstelle Ehrenamt werden künftig regelmäßig vor Ort Ansprechpartner für Ehrenamtliche und Nachbarn sein. So habe man im direkten Umfeld der neuen Einrichtung 500 Flyer verteilt und werbe für ehrenamtliches Engagement im örtlichen Helferkreis. „Wir müssen Kurz gemeldet Intensive Betreuung für Flüchtlingskinder Die Landeshauptstadt München investiert massiv in die Betreuung von Flüchtlingskindern: Der Stadtrat hat allein für das laufende Jahr zusätzlich knapp sieben Millionen Euro bewilligt. Damit erhöht sich das aktuelle Gesamtbudget auf 9,5 Millionen Euro. Auch die Migrationsdienste der Inneren Mission bekommen für ihre Unterstützungsangebote in den Flüchtlingsunterkünften einen Teil dieser zusätzlichen Mittel. Mehr als ein Drittel der Bewohner seien Kinder und Jugendliche, berichtet Andrea Betz, die diesen Bereich verantwortet. „Über den Beschluss freuen wir uns sehr; jetzt können wir mit unseren Angeboten starten.“ Weil die Flüchtlingskinder so schnell keinen Platz in einer Kindertages- den Menschen die Angst nehmen, dass da etwas Schlimmes auf sie zukommt.“ Bei einem ersten Treffen im Dezember hatten sich jedenfalls rund 30 Freiwillige gemeldet, die Solidarität zeigen, den Flüchtlingen einen freundlichen Empfang gewähren und sie beim Eingewöhnen in der neuen Heimat unterstützen wollen. Sichtlich erleichtert ist die Sozialpädagogin, dass bei den Brandanschlägen niemand zu Schaden kam. Sollten künftig Störungen von außen auftreten, werde man – wie dies auch jeder andere Bürger tun müsse – „konsequent die Polizei rufen“. Wichtig sei es nun vor allem, den Kontakt zu allen beteiligten Organisationen und Verbänden im Stadtviertel zu intensivieren und zu überlegen, wie ähnliche Vorfälle verhindert werden können. Einbezogen in die Gespräche werden zudem die Mitglieder des Bezirksausschusses, örtliche Vereine, Jugendhilfeträger sowie die Polizei. Man dürfe die Brandanschläge nicht verharmlosen, sondern müsse sie durchaus ernst nehmen, sagt Andrea Betz. „Aber jetzt blicken wir erst einmal positiv nach vorne.“ Klaus Honigschnabel stätte bekommen, seien „altersund geschlechtsspezifische Angebote wichtig, damit sie an Bildung teilhaben können“. Für die Kleinen gibt es spezielle Sprachförderung, außerdem gelte es, ganz einfache Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu lernen. Wer schon in die Schule gehen kann, bekommt Hilfe bei den Hausaufgaben sowie zusätzliche Freizeitangebote im Sport- oder Kulturbereich, um den Alltag zu strukturieren. Die Voraussetzungen seien dabei sehr unterschiedlich, weiß Andrea Betz. Einige Kinder hätten schon in der Heimat eine Schule besucht, „anderen muss man erst zeigen, was in einen Schulranzen gehört oder wie man einen Füller hält“. Aufgrund der Angebote für Kinder und Jugendliche können die Eltern auch ungestört an Beratungsgesprächen teilnehmen. Andrea Betz: „Das ist für alle in der Familie wichtig und sinnvoll.“ Seite 12 Nr. 73 · 2016 Beim Boxen können jugendliche Flüchtlinge Selbstbewusstsein und Stärke erfahren Training gegen den Terror im Kopf Der erste Gegner ist eine mit Postern und Zeitungsausschnitten beklebte Wand. „Werft einfach Mal den Tennisball dagegen und fangt ihn wieder auf. Los geht’s!“, ruft Box-Trainer Tim Yilmaz. Die neun Jungen im Alter von 15 bis 18 Jahren stehen noch etwas unsicher neben ihm, doch nach und nach nimmt jeder einen gelben Ball aus einer Kiste und wirft ihn gegen die Wand – erst zögerlich, dann immer kräftiger. „Sehr schön!“, lobt Yilmaz. In eineinhalb Stunden wird er fast das ganze Pensum eines normalen Anfänger-Trainings geschafft haben, wird er später sagen. Und doch ist heute alles anders. Denn die neun Jungs, die in den Box-Keller des MTV 1879 in der Münchner Ludwigsvorstadt gekommen sind, sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Afghanistan, Irak oder Eritrea und erst seit wenigen Wochen oder Monaten in Deutschland. Suche nach Sponsoren „Irgendwann ist mir die Idee gekommen, ein Box-Training für jugendliche Flüchtlinge zu organisieren“, erzählt Florian Wurzer, der an diesem Abend vom Rand des Kellers aus das erste Training beobachtet. Der 35-Jährige hat im Studium den Verein „Charity meets Challenge“ gegründet, mit dem er Spenden für soziale Einrichtungen in Bayern sammelt. Tim Yilmaz kennt er schon aus der Schulzeit und konnte ihn gleich für seine Idee gewinnen. Sie fanden erste Sponsoren und den Sportverein MTV als kostenfreien Trainingsort. Über die Innere Mission haben sie dann den Kontakt zu den Flüchtlingen bekommen – die ersten Jugendlichen kommen nun aus Wohngruppen der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Feldkirchen in Riemerling. „Das Boxen soll den Jungs vor allem dabei helfen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken für den langen Weg, den sie noch vor sich haben“, sagt Wurzer. „Sie sollen aus dem Training gestärkt hervorgehen, damit sie auch bei Rückschlägen im echten Leben, die sie sicherlich erleben werden, nicht aufgeben.“ Trainer Tim Yilmaz (m.) fand schnell einen Draht zu den Jugendlichen. kam“, erzählt Ursula Zenker, zuständig für die Beschulung der Flüchtlings-Wohngruppen in Riemerling. „Wir haben geschaut, wer noch viel Selbstbewusstsein gebrauchen kann.“ Alle hätten auf der Flucht Unterdrückung, Gewalt und teilweise auch Folter erlebt, erzählt die Diakonin. „Es waren Momente, in denen die Jungs sehr schwach waren. Beim Boxen sollen sie jetzt neu lernen, ,nein‘ zu sagen.“ Der Sport hat ihrer Meinung nach noch weitere positive Auswirkungen: „Die Jungs lernen hier, sich ganz auf eine Sache zu konzentrieren.“ Das sei zum einen wichtig für Schule und Ausbildung, ermögliche ihnen aber auch, in der Zeit an nichts anderes zu denken. „Die Jugendlichen wachen oft nachts auf und erinnern sich an ihre schlimmen Fluchterlebnisse. Die sind dann sehr aufgeregt – das ist Terror im Kopf.“ Weiche Bandagen – harte Jungs gendlichen. „Nein – Gewalt ist unkontrolliert, der Box-Sport ist dagegen sehr reguliert,“ sagt Zenker. Der Sinn des Trainings sei es ja gerade, die eigenen Aggressionen steuern zu lernen. Auch Tim Yilmaz sieht hier keine Gefahr – ganz im Gegenteil. „Die lernen eine Sportart und nicht, sich zu schlagen“, erklärt der Trainer. „Was wir hier machen, bleibt hier im Raum und wird nicht auf die Straße getragen. Die Jugendlichen sollen sich richtig auspowern – ich selbst mache ja auch Sport, wenn ich wieder einen klaren Kopf kriegen will.“ Der Körperkontakt beim Boxen sei etwas sehr Wichtiges. Anders als zum Beispiel beim Fußball ist man dem Gegner viel näher und lernt, eigene Distanzen zu überwinden und mit der Nähe des anderen umzugehen, sagt Yilmaz. Direkte Integration Nachdem das Training mit Zweierübungen von Schlag und Ausweichbewegung zuende gegangen ist, ist er erleichtert, dass es keine Berührungsängste zwischen den Jugendlichen gab. Die Gruppe scheint sich gut zu verstehen. „Wir sind wie Brüder“, bestätigt der 18jährige Abdul aus Ghana und verstaut das Springseil in seinem Rucksack, das jeder der Jungs behalten darf, um zu Hause in Riemerling damit zu trainieren. Für den nächsten Termin muss für die Jungen nun noch Sportkleidung organisiert werden – an diesem Abend waren alle in Jeans und T-Shirt erschienen. Das Boxtraining ist zunächst für zehn Mal finanziert. Danach wünscht sich Initiator Florian Wurzer, dass die Jugendlichen dem Sport treu bleiben, sich in den Verein integrieren und dort Anschluss finden. Für die Vereinsgebühren und den Aufbau weiterer Gruppen überlegt er, eine CrowdfundingAktion zu starten. Ursula Zenker bestätigt, dass es bereits jetzt mehr Anfragen für das Training gab als Plätze. Das Boxen ist für sie direkte Integration: Die Jugendlichen lernen auch über den Sport hinaus viel. Zum Beispiel neue Wörter oder Regeln wie Pünktlichkeit. Und – ganz einfach: „Sie haben jetzt in der Schule etwas zu erzählen.“ Imke Plesch Neu lernen, Nein zu sagen Beim Training merkt man den Jugendlichen mittlerweile kaum noch Unsicherheit an. Aus einem großen Pappkarton angeln sie sich die gespendeten neuen Boxhandschuhe sowie die Bandagen und beschriften sie mit ihrem Namen. Kaum haben sie die Handschuhe angezogen, beginnen sie herumzualbern und sich mit ihnen zu knuffen – wie ganz normale Jugendliche in ihrem Alter. „Ich habe Boxen im Fernsehen gesehen. Es macht mir Spaß“, erzählt Linkshänder Rewas, der vor einigen Monaten aus dem Irak geflohen ist. Ein Teil seiner Geschwister ist ebenfalls in Deutschland, die anderen sind noch in der Türkei. Mehr will er über seine Flucht nicht erzählen. Aber kann das Boxen nicht eventuell sogar Gewalt auslösen? Immerhin „schlagen“ sich die Ju- Unterdessen hat Yilmaz die Tennisballübung beendet und verraten, worum es ihm dabei ging: „Rewas, du hast als einziger mit links geworfen. Dann ist bei dir die rechte Hand die Führhand und die linke die Schlaghand. Bei den anderen ist es genau andersherum.“ Die Jungs nicken, immer noch etwas schüchtern. Ob sie Wörter wie „Führhand“ und „Schlaghand“ verstehen, erscheint nicht ganz klar, aber wenn Trainer Tim etwas vormacht, machen sie es einfach nach. Immer wieder flüstern einzelne Jugendliche den anderen in ihren Landessprachen etwas zu. „Wir haben die Jungs schon ziemlich genau ausgesucht, als der Vorschlag mit dem Box-Training Ausweichen und parieren, Führhand oder Schlaghand: Beim Boxen lernen die Jugendlichen Regeln – und stärken so ihr Selbstbewusstsein. Fotos: Kurt Bauer Kurz gemeldet Fachakademie für Sozialpädagogik Gemeinsam mit der Abteilung Hilfen für Flüchtlinge, Migration und Integration startete die Fachakademie für Sozialpädagogik im Januar das Pilotprojekt „Begleitende Ausbildung für fachfremde Mitarbeitende“. Diese erfüllt die Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales: Um als Asylsozialberater angestellt zu werden, braucht es einen Nachweis über 40 Stunden Praxisarbeit und 40 Stunden Theorie. Insgesamt 14 angehende Mitarbeiter der Sozialberatung – alle mit einem fachfremden Hochschulabschluss – wurden freigestellt, um an mehreren Tagen die Basiskompetenzen von professioneller Gesprächsführung und Beratung zu lernen und ihre bereits geleistete Praxis zu reflektieren. Zwei weitere Qualifizierungsschulungen für neue Mitarbeitende sind geplant. Abteilung Kindertageseinrichtungen Gut besucht waren das Info-Forum der Kindertageseinrichtungen und der Fachakademie für Sozialpädagogik im Januar: An liebevoll dekorierten Ständen konnten sich die Studierenden und andere Interessenten bei den Mitarbeiterinnen der 16 Kindertageseinrichtungen der Inneren Mission über Praktikumsmöglichkeiten informieren. Beim Informationsabend der Fachakademie war dann der Nachwuchs dran: Schulleiter und Dozenten stellten Interessierten die Struktur und die Inhalte der Kinderpflegeund der Erzieher-Ausbildung vor. Fachakademie für Sozialpädagogik bietet verkürzte Erzieherausbildung für (Fach-)Abiturienten an Modellversuch „OptiPrax“ Mit (Fach-)Abitur in drei Jahren zur Erzieherin oder zum Erzieher – das ist ab September 2016 an der Evangelischen Fachakademie für Sozialpädagogik der Inneren Mission München dank „OptiPrax“ möglich. Diese Abkürzung steht für „Erzieherausbildung mit optimierten Praxisphasen". Als einzige evangelische Ausbildungsstätte beteiligt sich die Fachakademie an diesem Schulversuch des Bayerischen Kultusministeriums. Rosemarie Reichelt, Leiterin der Abteilung Kindertagesbetreuung, sieht in der verkürzten Ausbildungsvariante zum/zur staatlich geprüften Erzieher/in zugleich Chancen und Herausforderungen: „Wir bewerten es auf der einen Seite positiv, dass sich das Kultusministerium bemüht, durch neue Ausbildungswege neue Zielgruppen für die Erzieherausbildung zu gewinnen“, sagt sie. „Andererseits sehen wir auch, dass sich durch die verkürzte Ausbildung die Qualität verändern kann.“ Aus diesem Grund sei es besonders wichtig, am Modellversuch beteiligt zu sein, um ihn kritisch in den nächsten Jahren begleiten zu können. Theorie verzahnt mit Praxis Nach eingehender Prüfung hat sich die Innere Mission München für die Variante 2 von OptiPrax entschieden: eine dreijährige Erzieherausbildung speziell für die Zielgruppe der (Fach-)Abiturienten und Abiturientinnen. Statt der bisher vierjährigen Ausbildung (mit einjährigem Sozialpädagogischen Seminar, zwei Jahren theoretischer Ausbildung sowie einem Jahr Berufspraktikum) sind in der verkürzten Ausbildung Theorie und Praxis drei Jahre lang eng verzahnt. Die Studierenden sammeln jede Woche zwei bis drei Tage in einer sozialpädagogischen Einrichtung Praxiserfahrung und erarbeiten sich in den übrigen zwei bis drei Tagen an der Fachakademie die theoretischen Inhalte. Zudem sind in jedem Studienjahr mehrwöchige Blöcke geplant, in denen nur Unterricht an der Fachakademie oder nur Praxiserfahrung in der Einrichtung vorgesehen sind. „Für uns ist dies die vielversprechendste Option, um neue Bewerbergruppen zu gewinnen und gleichzeitig kompetente Erzieherinnen und Erzieher ohne substanziellen Qualitätsverlust auszubilden“, sagt Michael Roth, Leiter der Fachakademie. Nach den bisherigen Erfahrungen seien Bewerber mit Fachabitur oder Abitur in ihrer persönlichen Reife oft weit entwickelt und könnten sich differenzierte theoretische Inhalte in relativ kurzer Zeit erschließen. Schon viele Bewerbungen Zudem habe die Fachakademie die Erfahrung gemacht, dass nicht wenige (Fach-)Abiturienten im bisherigen vierjährigen Ausbildungssystem ihre Kompetenzen rascher entwickeln hätten können. „Deshalb gehen wir davon aus, dass gerade engagierte Bewerberinnen und Bewerber mit (Fach-)Abitur häufiger eine dreijährige Ausbildung wählen werden und das angestrebte Kompetenzniveau auch erreichen können“, ist Roth überzeugt. Da die Bewerberinnen und Bewerber für die OptiPrax-Ausbildung in der Regel keine oder nur wenig praktische Erfahrung mitbringen, müssten die theoretische und die praktische Ausbildung parallel laufen. An diesem Punkt sieht Rosemarie Reichelt auch einen entscheidenden Vorteil der Inneren Mission: „Mit unserer Fachakademie, den eigenen Praxisstellen und der engen Kooperation mit anderen diakonischen und evangelischen Trägern können wir Theorie und Praxis sehr gut miteinander verbinden.“ Bereits jetzt liegen ausreichend Bewerbungen vor, sodass im Herbst ein Kurs mit 20 Studierenden starten kann, weitere Anwärterinnen und Anwärter stehen bereits auf der Warteliste. Damit werden in fast allen Kindertageseinrichtungen der Inneren Mission mit Beginn des Studienjahrs 2016/17 ein bis zwei OptiPrax-Studierende ihre Ausbildung beginnen. red Nr. 73 · 2016 Seite 13 Der Evangelische Beratungsdienst unterstützt seit 50 Jahren obdachlose Frauen mit unterschiedlichsten Angeboten Kurz gemeldet Heterogene Zielgruppe – vielfältige Probleme Evangelisches Hilfswerk München Obdachlose Frauen? Die gibt es doch gar nicht! „Das war lange die vorherrschende Meinung in der Bevölkerung“, erzählt Nadja Dobesch-Felix, eine der drei Einrichtungsleiterinnen beim Evangelischen Beratungsdienst für Frauen. Doch als in den 80er Jahren die ersten speziellen Anlaufstellen eröffnet wurden, kamen plötzlich sehr viele Frauen und es war klar: Es gibt sie doch. „Unsere Aufgabe ist es, die verdeckte Obdachlosigkeit von Frauen sichtbar zu machen, ihnen einen geschützten Raum zu bieten und sie dann konsequent frauenspezifisch zu beraten“, erklärt DobeschFelix. Heute hilft der Evangelische Beratungsdienst pro Jahr etwa 900 wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Frauen. Landeshauptstadt immer mehr verfeinert. Eine wichtige Wegmarke war 1996 die Eröffnung des Frauenobdachs „Karla 51“, das wohnungslose Frauen in akuten Notsituationen aufnimmt. Der Beratungsdienst wurde 2014 neu organisiert und in die drei Bereiche Beratungsstelle und Straffälligenhilfe, Unterstütztes Wohnen sowie Stationäres Wohnen aufgeteilt, in denen heute etwa 45 Sozialpädagoginnen arbeiten. „Wir schauen immer als Erstes: In welcher Lebenssituation ist die Frau und welche Unterstützung braucht sie?“, erklärt Dobesch-Felix. Die Gruppe obdachloser Frauen ist sehr heterogen, ihre Probleme sind vielfältig: Neben dem Verlust der Wohnung, häufig durch Trennung vom Partner, haben die schüttert, wie vereinsamt viele Frauen sind. Anders als Männer versuchen Frauen zudem noch länger, ihre Armut zu verdecken: Wenn sie ihre Wohnung verlieren, schlafen viele zunächst noch bei Freunden oder Bekannten, selten wirklich auf der Straße. Sie achten auch mehr auf ihr Erscheinungsbild, schminken sich mit Testprodukten im Kaufhaus und nutzen statt Plastiktüten einen Rollkoffer für ihre Habseligkeiten. Das Haus in der Heßstraße 12 existiert auch heute noch und ist einer der Pfeiler der Arbeit des Beratungsdienstes: Bei einem kompletten Umbau Anfang der 80erJahre wurden die Mehrbett- in 22 Einzelzimmer mit Bad umgewandelt. Hier bekommen die Frauen intensive Unterstützung: „Wir be- lich von einer Sozialarbeiterin besucht werden. Außerdem gibt es noch Wohngemeinschaften speziell für junge Frauen zwischen 18 und etwa 21 Jahren. „Einige Frauen durchlaufen auch mehrere unserer Angebote“, erzählt Barbara Thoma, zuständig für die Beratungsstelle und Straffälligenhilfe. So beraten die Pädagoginnen zum Beispiel in den Justizvollzugsanstalten in München und Aichach inhaftierte Frauen regelmäßig und bereiten sie auf ihre Entlassung vor. Manche können dann ins Wohnheim und später in eine Wohngemeinschaft ziehen. Haben sie schließlich eine eigene Wohnung gefunden, können sie sich im Rahmen von Integrationshilfen noch eine Weile begleiten lassen, beispielsweise bei Behördengängen oder Erkundigungen im neuen Stadtviertel. „Unser Ziel ist es, die Frauen nachhaltig zu begleiten“, erklärt Thoma. Niedrigschwellige Unterstützungsmöglichkeiten wie die Integrationshilfen oder ambulante Beratungsangebote tragen dazu bei, dass sie selbstständig leben können und nicht nach ein paar Jahren erneut ihre Wohnung verlieren. Preiswerter Wohnraum fehlt Beim Freitagsfrühstück kommen Frauen aus allen Bereichen des Beratungsdienstes zusammen. Hier können sie sich in geselliger Runde austauschen, Kontakte knüpfen oder einfach nur in Ruhe einen Kaffee trinken. Fotos: Erol Gurian Der Beratungsdienst für Frauen und Mädchen wurde vor 50 Jahren in München gegründet. Vorläufer war die vom Pfarrer der Matthäuskirche gegründete „Mitternachtsmission“, in der die Diakonieschwester Annerl Hold seit 1935 Prostituierten half. „Mitternachtsmission“ als Pate Die Mitternachtsmission wurde 1947 in die Innere Mission eingegliedert und konnte 1949 einige Zimmer in der Heßstraße 12 in der Maxvorstadt beziehen. Damals lebten Schwester Annerl und eine weitere Schwester noch gemeinsam mit den 25 betreuten Frauen in sehr einfachen Verhältnissen unter einem Dach. Doch nach einigen Jahren konnten sie die Arbeit nicht mehr alleine bewältigen. 1966 wurde deshalb der Evangelische Beratungsdienst gegründet, der von der Stadt München und vom Bezirk Oberbayern mitfinanziert wird. Zwei Schwestern aus Neuendettelsau leiteten von nun an das Heim in der Heßstraße mit einer ambulanten Beratungsstelle und freier Straffälligenhilfe. Die Hilfe für Prostituierte wurde eine eigene Einrichtung und läuft heute unter den Namen „Mimikry“ und „Marikas“. Seit 1966 hat sich das Hilfesystem für Frauen in der bayerischen meisten Frauen auch körperliche und sexuelle Gewalt erlebt, sei es vom Partner oder bereits in der Kindheit. Viele Frauen sind psychisch oder physisch krank, haben keine oder nur eine unzureichende Ausbildung, Schulden oder Probleme mit der Erziehung ihrer Kinder. „Die Frauen, die zu uns kommen, sind arm in jeder Hinsicht: Ihnen fehlt es nicht nur an Geld, sondern auch an persönlichen Netzwerken, Ausbildung und Gesundheit.“ Sie ist immer wieder er- Dreimal feiern!!! 75 Gemeinsam sind sie 75 Jahre alt: der Evangelische Beratungsdienst für Frauen, das Frauenobdach Karla 51 und die Lebensplätze für Frauen, drei Einrichtungen des Evangelischen Hilfswerks München, die sich speziell den Belangen von (ehemals) obdachlosen Frauen widmen. Gefeiert wird das dreifache Jubiläum am 16. Juni mit einem Gottesdienst in St. Markus (Beginn 10.30 Uhr) und einem anschließenden Empfang im Alten Rathaus (13.30 Uhr). Der Diakonie-Report stellt die drei Einrichtungen in diesem und dem folgenden Heft vor. gleiten die Bewohnerinnen im Schnitt etwa ein Jahr“, erklärt die Einrichtungsleiterin des Bereiches Stationäres Wohnen, Monika Schmidt. „Sie sollen hier erstmal zur Ruhe kommen, sich zum Beispiel um ihre Gesundheit kümmern und vielleicht Kontakt zu ihrem Kind aufnehmen, wenn das in einer anderen Einrichtung untergebracht ist.“ Viele müssten auch lernen, überhaupt ihren Tag selbst zu strukturieren, Putzdienste ordentlich zu erledigen und Konflikte mit anderen Bewohnerinnen friedlich zu lösen. Da die Sozialarbeiterinnen ihr Büro im selben Gebäude haben, bemerken sie schnell, wenn jemand Probleme hat und mit ihnen nicht allein fertig wird. Voraussetzung aller Hilfen ist jedoch, dass die Frauen eine bezahlbare Wohnung finden – und genau daran scheitert es in München schon seit Längerem: „In der Realität haben unsere Frauen auf dem freien Wohnungsmarkt keine Chance und können nur auf eine Sozialwohnung hoffen“, sagt Dobesch-Felix. Sie sieht neben den fehlenden preiswerten Wohnungen noch ein zweites großes Problem für benachteiligte Frauen. „Die Arbeitswelt wird immer komplizierter, einfache Tätigkeiten fallen weg. Früher konnten viele Frauen auch ohne abgeschlossene Ausbildung irgendwo mitarbeiten und waren integriert.“ Diese Möglichkeiten gebe es kaum noch. Dabei sei es für das Selbstwertgefühl der Frauen enorm wichtig, eine Arbeit zu haben und darüber Anerkennung zu bekommen. Doch auch wer eine Arbeit hat und den Mindestlohn bekommt, kann sich davon oft keine eigene Wohnung leisten. Gut bezahlte Arbeitsplätze und preiswerte Wohnungen sind deshalb die Hauptforderungen der Einrichtungsleiterinnen des Evangelischen Beratungsdienstes – damit sie auch in Zukunft Frauen helfen können, auf eigenen Beinen zu stehen. Imke Plesch Struktur für jeden Tag Ein zentraler Punkt in der Beratung ist oft, das Selbstwertgefühl der Frauen wieder aufzubauen. „Wir motivieren die Frauen, ihre eigenen Ressourcen, Ideen und ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Viele müssen erst lernen, dass sie sie selbst sein dürfen.“ Für Frauen, die ihren Alltag relativ selbständig organisieren können, gibt es außerdem über das Stadtgebiet verteilt mehrere betreute Wohngemeinschaften, in denen sie etwa einmal wöchent- Tatkäftiges Triumfeminat an der Spitze des Beratungsdienstes (v.l.n.r.): Barbara Thoma, Nadja Dobesch-Felix und Monika Schmidt. Mehr als 3.000 Menschen haben das Kälteschutz-Angebot des Evangelischen Hilfswerks vom 1. November bis 31. März angenommen. Auch 25 Ehrenamtliche unterstützten in diesem Jahr das Kälteschutzprojekt. „Der diesjährige Kälteschutz war wieder ein voller Erfolg, schon deshalb, weil wir dazu beitragen konnten, dass niemand auf der Straße erfroren oder zu Schaden gekommen ist“, resümiert Anton Auer, der den Kälteschutz für das EHW koordinierte. Die Aufnahme der Hilfesuchenden erfolgte über die EHW-Einrichtung „Schiller 25“. Hier stellten die Mitarbeitenden ihnen Einweisungsscheine aus. In den 152 Nächten kamen durchschnittlich 330 Hilfesuchende pro Nacht. Ein Großteil der Menschen ohne Obdach kommt aus Rumänien (30 Prozent) und Bulgarien (25 Prozent). Aber auch zehn Prozent Deutsche sind unter den Klienten, sagt Auer. Außerdem kommen die Menschen aus anderen EU-Ländern wie Italien oder sogenannten Drittstaaten. Ferner suchen immer mehr Frauen Schutz vor der Kälte – in den vergangenen Monaten waren es 15 Prozent. Bis Januar 2016 lag die Gesamtkapazität bei 1.000 Schlafplätzen – viele der Betten stehen auf dem Gelände der ehemaligen BayernKaserne. Auch 200 Flüchtlinge, die sich meist auf der Durchreise befanden, haben im Kälteschutz einen Ort der Zuflucht gefunden. Mit dem Ende des Kälteschutzes müssen die meisten Menschen wieder zurück auf die Straße oder in prekäre Wohnverhältnisse. Andere gehen zurück in ihre Heimatländer. Frauenobdach Karla 51 Fasching feiern und Gutes tun – das steht auf dem Programm des jährlich stattfindenden „Magnolienballs“. Bereits seit 65 Jahren richtet der Deutsch-Amerikanische Frauenclub München das Tanzspektakel der besonderen Art aus. Das diesjährige Motto: Varieté. Über die 10.000 Euro Spende für das Frauenobdach „Karla 51“ des Evangelischen Hilfswerks freuten sich Isabel Schmidhuber, Leiterin des Frauenobdachs, und ihre Stellvertreterin Antje Kamradt ganz besonders. „Das ist wirklich eine schöne Summe und eine ganz tolle Überraschung zu Beginn des Jahres“, sagte Schmidhuber. „Das Geld geht direkt an die Frauen und Kinder bei uns: So können wir beispielsweise die Erstklässler mit Schulsachen ausstatten, gemeinsame Ausflüge organisieren oder mal ein Geburtstagsfest feiern.“ Mit der Benefizgala unterstützt die Organisation Deutsch-Amerikanische Jugendprogramme, den Studentenaustausch und caritative Einrichtungen. Der zweite Scheck des Abends – ebenfalls 10.000 Euro – ging an den Jugendaustausch im Verband Deutsch-Amerikanischer Clubs (VDAC). Der Deutsch-Amerikanische Frauenclub wurde 1948 gegründet und ist seither ein Ort der Begegnung für Deutsche und Amerikaner. Seite 14 Nr. 73 · 2016 Kircheneintrittsstelle unterwegs: Zwischen Bahnhofsmission und Prostituierten-Beratung Glauben kann man überall Inwiefern kann eine Beratungsstelle für Prostituierte ein Glaubensort sein? Ein Zimmer mit Stockbetten, in denen sich junge Stricher ausruhen können? Ein Team von Sozialpädagoginnen, die in Bordelle gehen und dort mit Prostituierten ins Gespräch kommen oder auf der Straße mit Strichern? „Glaubensorte – Lebensthemen und Geschichten an ungewöhnlichen Orten“ heißt eine Veranstaltungsreihe der Evangelischen Kircheneintrittsstelle und des Evangelischen Bildungswerks München. In der Bahnhofsmission, der Flüchtlingsunterkunft oder im Krankenhaus machen Pfarrerin Sabine Bleise-Donderer und Pfarrer Sebastian Kühnen sich mit den Teilnehmern auf die Suche nach Spuren des christlichen Glaubens. Gelebte Nächstenliebe Den Auftakt der Reihe macht ein Besuch in den Beratungsstellen „Mimikry“ und „Marikas“, die weibliche und männliche Prostituierte unterstützen. Die beiden Einrichtungen des Evangelischen Hilfswerks sind im Erdgeschoss eines Hauses in der Dreimühlenstraße untergebracht. Hier sitzen zwölf Teilnehmer an einem sonnigen Samstagvormittag Ende Februar um einen einfachen Holztisch. Einige arbeiten hauptberuflich im kirchlichen oder diakonischen Bereich, andere engagieren sich privat in ihrer Gemeinde; einige kennen die Einrichtung bereits flüchtig und wollen nun einen vertieften Einblick in die Arbeit dort bekommen. Andere interessiert einfach „die ganze Bandbreite von Kirche“. „Sie sind hier mittendrin in unserer Beratungsstelle Marikas“, begrüßt Einrichtungsleiterin Michaela Fröhlich die Gäste. „An diesem Tisch essen wir mit den jungen Männern zu Mittag. Die Jungs haben ihn auch selbst hergerichtet und gestrichen.“ An einer Wandtafel weisen Piktogramme auf die Regeln bei Marikas hin. Daneben hängt ein Plakat mit dem Alphabet – jedem Buchstaben ist ein Foto zugeordnet mit einem Gegenstand, der mit dem jeweiligen Buchstaben beginnt. Durch die offene Tür zum Nachbarraum sieht man einen Kicker. Die Teilnehmer lauschen gespannt, als Fröhlich ih- Impressum Diakonie Report Zeitung der Inneren Mission München re tägliche Arbeit beschreibt. Etwa 1.500 Beratungsgespräche leistet Mimikry, die Beratungsstelle für Frauen, im Jahr; bei Marikas sind es etwa 800. Zwei Sozialpädagoginnen suchen die Prostituierten, von denen in München 90 Prozent Migrantinnen sind, wöchentlich in Bordellen oder am Straßenstrich auf, um Kondome und Infobroschüren zu verteilen. Daneben beraten sie sie bei Fragen etwa zu Gesundheit, Schwangerschaft, Schulden oder Arbeitsalternativen. Durch diese aufsuchende Arbeit lernen die Frauen Mimikry kennen und können sich bei Problemen den Beraterinnen anvertrauen. Und kommen bei der täglichen Arbeit auch Glaubensfragen zur Sprache, will eine Teilnehmerin wissen. „Wir missionieren nicht“, erklärt Michaela Fröhlich. In erster Linie gehe es darum, Beziehungen und Vertrauen aufzubauen, um so den Frauen im Alltag beizustehen. „Fragen zum Glauben beantworten wir gerne, wenn die Frauen das möchten.“ Wertschätzende Akzeptanz Einsatzort Straße: Die Mitarbeitenden von Marikas und Mimikry gehen dorthin, wo die Klienten arbeiten. Den Auftrag der beiden Beratungsstellen versteht die Sozialpädagogin, die schon seit sechs Jahren hier arbeitet, „als gelebte Nächstenliebe“. Mit ihrem Team setzt sie sich ein für Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, die auf Hilfe angewiesen oder benachteiligt sind. Die Aufmerksamkeit und gleichzeitig das Interesse in der Gruppe steigen, als Fröhlich von der Arbeit mit jungen Strichern bei Marikas erzählt. Für Männer bis 27 Jahren gibt es in den Räumen der Beratungsstelle acht Betten, in denen sie von Mittwoch bis Freitag von 6.30 bis 14 Uhr schlafen können. „Die Anlaufstelle soll so niedrigschwellig wie möglich sein“, erläutert Fröhlich. Nur dann würde Jet-Foto Kranert / Deutsche Bahn AG, Martina Kreis, Sabine Lindau, Christine Maier, Gerwin Miller, Stefan Obermeier, Marion Ohnes, Imke Plesch, Josephin Schmid, Susanne Schröder, Christian Zanke Inhaber und Verleger: Innere Mission München – Diakonie in München und Oberbayern e.V., Landshuter Allee 40, 80637 München Satz: CreAktiv komma München GmbH, Fürstenrieder Straße 5, 80687 München Verantwortlicher Redakteur: Klaus Honigschnabel, Telefon: 089 / 12 69 91–121 Druck: Druckhaus Kastner, Wolnzach; gedruckt auf Papier mit 50 Prozent Recyclinganteil Redaktion: Isabel Hartmann, Klaus Honigschnabel Erscheinungsweise: dreimal jährlich Mitarbeit: Matthias Balk / picture alliance, Kurt Bauer, Lukas Bergmann, Oliver Bodmer, Zina Boughrara, Gudrun Blänsdorf, Maja Demirovic, Gabriele Graff, Erol Gurian, Vanessa Hadzic, Oryk Haist, Sabine Hermsdorf, Hüseyin Ince, sie auch wirklich genutzt. Von 14 bis 17 Uhr sind die Räume für den Tagesaufenthalt geöffnet, wo die jungen Männer einen Schutz- und Ruheraum finden, Gesprächs- und Beratungsangebote bekommen oder sich einfach nur ausruhen können. Fast alle, die die Beratungsstelle aufsuchen, sind Roma und stammen aus Bulgarien. „Während die Frauen, mit denen wir es zu tun haben, die Prostitution als eine Form von Erwerbstätigkeit sehen, ist die Armutsprostitution für junge Männer eher eine Überlebensstrategie“, erzählt Fröhlich. Sie sind in der Regel wohnungslos und haben ein sehr geringes Bildungsniveau. Viele sind Analphabeten. Bei Marikas bekommen sie nicht nur ein Bett, sondern auch Essen von der Tafel, können duschen und ihre Wäsche waschen. Sehr wichtig ist, sie über Krankheiten wie HIV und Hygiene aufzuklären, ihnen den Gebrauch von Kondomen zu erklären und vielleicht mit ihnen einen Lebenslauf und eine Bewerbung zu schreiben, berichtet Fröhlich. Auch wenn es schwierig sei, konkrete Erfolgserlebnisse zu messen, bekämen sie und ihr Team bei der Arbeit sehr viel zurück: „Die Jungs sind dankbar für Menschlichkeit und Hilfe und dafür, dass wir sie so nehmen, wie sie sind.“ Aktuelle Druckauflage: 9.500 Stück Der Auflage liegen bei: Jahresbericht und Zeitung der diakonia, Jahresbericht der Inneren Mission sowie ein Überweisungsträger. Spendenkonto: IBAN DE38 70020270 0036707070 BIC HYVEDEMMXXX Auf diesen Punkt kommen die Teilnehmer nach einer kurzen Diskussion in Kleingruppen und einer Bibelgeschichte schließlich wieder zu sprechen. Dass die Prostituierten hier akzeptiert und wertgeschätzt und nicht verurteilt würden, sei doch genau die Botschaft der unbedingten und unablässigen Liebe Jesu, findet eine Teilnehmerin. Das betont auch Fröhlich: „Diese Frauen und Männer erleben in der Gesellschaft soviel Stigmatisierung. Wir sehen sie hier in erster Linie als Menschen und nicht als Prostituierte oder Stricher.“ Deshalb werden auch alle mit Handschlag und Namen begrüßt. Doch nicht nur die Klienten würden stigmatisiert, auch diejenigen, die hier arbeiten, berichtet die Einrichtungsleiterin: „In meinem persönlichen Umfeld gibt es ganz unterschiedliche Reaktionen, wenn ich von meiner beruflichen Tätigkeit berichte; oft werde ich gefragt, warum ich denn solchen Menschen helfe.“ Umso mehr freue sie sich, im Rahmen der Veranstaltungsreihe einen Einblick in ihre Arbeit geben zu können und als Glaubensort wertgeschätzt zu werden. Imke Plesch Nächster Termin 24/7: Am Puls der Zeit Führung in der Bahnhofsmission, Geschichten über das, was Menschen wirklich brauchen 30. April 2016, 10 – 13 Uhr Ort: Bahnhofsmission, Hauptbahnhof München, Gleis 11 Anmeldung bei der Evangelischen Kircheneintrittsstelle unter Telefon 089/51 26 59 60 (bis 23. April 2016). Garantiert keine Schottenröcke und auch kein Whisky: Zwölf Tonnen Winterkleidung kamen aus Edinburgh nach München – und gingen direkt in die Flüchtlingshilfe. Foto: Kurt Bauer „Edinburgh Direct Aid“ spendet zwölf Tonnen Winterkleidung für Flüchtlinge in München Warme Decken, Schals und Röcke aus Schottland Die Textilsortierer bei der diakonia haben im Dezember eine außergewöhnliche Spende frei Haus geliefert bekommen: Zwei Lastwagen brachten rund zwölf Tonnen Kleidung ins Sortierzentrum am Stahlgruberring 8. Alles fein säuberlich verpackt auf 35 Paletten und passgenau für den Winter. Absender der ungewöhnlichen Spende: Die „Edinburgh Direct Aid“ (EDA) in der schottischen Hauptstadt – seit 1954 (und damit älteste) Partnerstadt von München. Rund 1.800 Kilometer haben die gespendeten Kleider aus den Highlands zurückgelegt, bevor sie an Flüchtlinge verteilt wurden. Die Schottische Regierung hat das Unternehmen mit einer Zuwendung von 10.000 Pfund unterstützt. Schon seit mehr als 20 Jahren sammelt EDA Hilfsgüter speziell für Flüchtlinge und bringt sie auch selber vor Ort. Bislang gingen die Container nach Bosnien, Kroatien oder Gaza, in den Kosovo oder in den Libanon. Die Herzlichkeit, mit der die Münchner Bevölkerung die Flüchtlinge im September empfangen hatte, beeindruckte die schottische Hilfeorganisation. Über die Vermittlung einer Privatperson kamen die beiden Hilfeorganisationen dann zusammen und machten aus, was genau gebraucht wird in der kalten Jahreszeit. Das Ergebnis der Kleidersammlung, zu der die Schotten ihre sonst gerne als sehr sparsam apostrophierten Landsleute aufriefen, brach alle Rekorde: „We were almost overwhelmed by the quantities of goods donated“, berichtete EDA-Chairman Denis Rutovitz. Und diakonia-Geschäftsführer Dieter Sommer ergänzte: „Es ist wunderbar, wie gut eine Zusammenarbeit in Europa auch klappen kann, wenn alle Beteiligten guten Willens sind.“ Klaus Honigschnabel Kooperation mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst (SPDi) diakonia eröffnet Ladengeschäft „M7“ in Ebersberg Die diakonia Dienstleistungsbetriebe sind in Ebersberg wieder mit einem Ladengeschäft vertreten. Im „M7“ in der Münchener Straße 7 finden künftig alle Liebhaber von Secondhand-Ware gebrauchte Textilien, Kleinmöbel, Hausrat und Gesellschaftsspiele. Zum Schnäppchenpreis – und mit einem sozialen Hintergrund. Der Secondhand-Laden bietet derzeit 14 Arbeitsplätze für Menschen, die aufgrund schwieriger Lebenslagen oder anderer Beeinträchtigungen nur schwer Arbeit finden. Sie können sich hier beruflich orientieren oder sich qualifizieren lassen. Wie alle anderen Ladengeschäfte der diakonia lebt der Betrieb von Spenden, ob Kleidung, Schuhe oder Spielsachen. Bis vor wenigen Monaten war diakonia in Ebersberg in der Ignaz-Perner-Straße vertreten. Im Frühjahr dieses Jahres entstand im Münchner Osten ein großer Sortierbetrieb, weshalb Disposition und Fuhrpark zentral gebündelt wurden. In der Münchener Straße 7 konnte jetzt ein neues Ladengeschäft in zentraler Lage, schräg gegenüber der Kreisklinik, bezogen werden. Zum neuen Konzept gehört auch, dass diakonia nun enger mit den örtlichen Sozialpsychiatrischen Diensten (SPDi) zusammenarbeitet. Menschen mit Handicap, die vom SPDi betreut werden und die sich für eine neue Tätigkeit interessieren, können sich direkt an diakonia wenden. Der Sozialbetrieb unterhält ein kleines Büro im Gartenhof der Tagesstätte. Die Kooperation hat bereits zahlreiche Interessierte in Arbeit gebracht. Wie beispielsweise in der Spielzeugsortierung, die in dem Ladengeschäft ebenfalls eine neue Heimat gefunden hat. ho Nr. 73 · 2016 Seite 15 Nach zwölf intensiven Jahren hat Martina Kreis die diakonia verlassen Abschied von der Brückenbauerin Als Martina Kreis Anfang Juli 2004 bei diakonia die Leitung des Secondhand-Ladens „kleidsam“ übernahm, umfasste ihr Team gerade einmal acht Mitarbeiterinnen; bei ihrer Verabschiedung elf Jahre später war sie Chefin von rund 200 Beschäftigten. Wobei die Pfarrerin aus Westfalen eigentlich nie typische ChefAllüren an den Tag legte, sondern sich eher als Trainerin eines Teams verstand, bei dem alle Hand in Hand arbeiten. „Wir haben zusammen etwas Wunderbares auf die Beine gestellt“, sagte sie ganz zum Schluss – und viele, die zum Abschied ins Gebrauchtwarenhaus gekommen waren, hatten da feuchte Augen. Zuvor hatte Geschäftsführer Dieter Sommer ihre Haltung und ihr engagiertes Wertesystem gelobt, das die damals arbeitslose Theologin mitbrachte, als sie sich erstmals bei diakonia vorstellte. Doch die ur- Persönlich Seit vergangenem Jahr leitet Monika Schmidt den Stationären Bereich des Evangelischen Beratungsdienstes für Frauen. Sie ist in der Einrichtung kein neues Gesicht: Vor rund 23 Jahren kam die 44-Jährige als Praktikantin im Wohnheim in der Heßstraße zum ersten Mal in die Einrichtung – und ist geblieben. „Gerade im stationären Bereich kann man intensiver arbeiten und Prozesse starten, um Frauen umfassend zu unterstützen, die einen schlechten Lebensstart bekommen haben“, sagt sie. In den vergangenen Jahrzehnten ist der Evangelische Beratungsdienst stetig gewachsen (siehe Seite 13) – und Monika Schmidt hat sich „immer unter dem gleichen Dach weiterentwickelt“: Während ihres Studiums half sie, die Erwachsenen-Wohngemeinschaften mit aufzubauen – und startete danach als Sozialpädagogin. Mehrere Jahre lang fungierte sie als interne Vertrauensperson, war Mitglied der Mitarbeitervertretung und stellvertretende Leiterin. „Die Lage für unsere Klientinnen wird komplizierter“, hat sie in den vergangenen Jahren beobachtet. „Viele von ihnen haben nicht nur eines, sondern vielfältige existenzielle Probleme – und gleichzeitig weniger Rückhalt in der Familie und im Freundes- sprüngliche Idee – eine Beschäftigung als Arbeitslosenseelsorgerin – sei nicht umsetzbar gewesen und so habe sie bald von der „inneren Kanzel ins Management des Secondhand-Vertriebs gewechselt“. Zwischenzeitlich sei daraus ein mittleres Unternehmen geworden, das „vorzüglich aufgestellt ist“. Pfarrer Günther Bauer, Vorstand der Inneren Mission, attestierte seiner Amtskollegin, gleichzeitig „Pionier und Pontifex“ gewesen zu sein: „Die Pioniere bei der Bundeswehr räumen die großen Brocken auf die Seite und schlagen auch mal Brücken, wenn es gilt, ein Hindernis zu überwinden.“ Der von Kreis entwickelte Textilbereich sei das „Aushängeschild“ der diakonia geworden, lobte Bauer. „Und deshalb bin ich auch heilfroh, dass Sie uns an anderer Stelle bei der Inneren Mission als Mitarbeiterin erhalten bleiben.“ (siehe Seite 4) kreis.“ Ein Jahr bleiben die Frauen im Durchschnitt im Wohnheim. In dieser Zeit möchte Monika Schmidt jeder in ihren Möglichkeiten eine Chance und Wertschätzung geben. Dabei liegt ihr die geschlechterspezifische Arbeit besonders am Herzen: „Studien zeigen, dass 35 Prozent der Obdachlosen Frauen sind“, sagt Schmidt. Sie seien nur nicht so sichtbar. „Dass es Bedarf an Unterstützung gibt, merken wir daran, dass neue frauenspezifische Angebote gut angenommen werden.“ Oft gelte es, erst einmal die Frauen zu bestärken, etwas für sich zu tun, ihre Rechte einzufordern und ihren Weg zu finden. Ihr Wissen vermittelt Monika Schmidt mittlerweile an nachfolgende Generationen: An der Hochschule München gibt sie das Methodenseminar „Berufliches Handeln mit wohnungslosen und straffälligen Frauen“. Bei der Inneren Mission engagiert sie sich bei Communicatio und in der internen Arbeitsgruppe für Praktikantenanleitende. „Mir ist es wichtig, dass der Nachwuchs fachlich gut ausgebildet wird“, sagt sie. „Schließlich sind die Studierenden von heute unsere Mitarbeitenden von morgen.“ Das hat sie selbst mit ihrem Weg innerhalb des Evangelischen Beratungsdienstes gezeigt. Stellvertretende Leiterin der Abteilung Kindertagesbetreuung ist seit 1. September 2015 Margit te Brake. Ihr Ziel ist, „die Abteilung Kindertagesbetreuung in all ihren Facetten kennenzulernen, gemeinsam mit der Abteilungsleitung weiterzuentwickeln und Entlastung zu schaffen“. Sie hat das Qualitätsmanagement übernommen, arbeitet sich in alle Themenfelder ein und ist aktuell dabei, sich mit den 16 Einrichtungen bekannt zu machen. „Ich bin mit offenen Armen empfangen worden“, sagt sie. Des Weiteren leitet die Diakonin den Kindergarten in Feldmoching. Die 47-Jährige ist ursprünglich gelernte Bürokauffrau und kommt Dem stimmte auch Andreas Voget, Chef des FairWertung Dachverbandes in Essen, uneingeschränkt zu. Kreis sei „stets offen, fröhlich, positiv denkend und den Menschen zugewandt“ gewesen, auch wenn in den vergangenen Monaten die zahlreichen Kleiderspenden für Flüchtlinge alle „bis an den Anschlag“ gefordert hätten. Und Roland Pelikan vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt versicherte ihr schlicht und ergreifend: „Du hast hier viel bewegt.“ Beschaulich ist es dabei an den vielen Wirkstätten der Martina Kreis nie zugegangen – auch wenn einer ihrer vielen Wahlsprüche lautete: „Jetzt machen wir uns mal ein ruhiges Jahr.“ Bewegt haben die 55-Jährige in dieser Zeit nicht nur zahlreiche Themen, sondern auch Menschen. Getreu eines anderen Wahlspruchs: „Bei der diakonia ist nichts in Stein gemeißelt.“ Klaus Honigschnabel aus der Nähe von Pappenheim. „Ich mag Zahlen und die Arbeit im Büro, brauche aber auch den Kontakt zu Menschen“, erklärt te Brake. Deshalb habe sie nach vier Jahren Arbeitsalltag „nochmal völlig umgesattelt“ und die Ausbildung zur Diakonin begonnen. Nach fünfjähriger Ausbildung mit Schwerpunkt Erziehung in Rummelsberg ist sie seit 1999 eingesegnete Diakonin. „Unser Beruf ist eine Lebensform – diese Entscheidung habe ich nie bereut“, betont Margit te Brake. Von 1997 bis 2004 war te Brake Geschäftsführerin des Vereins Freundesring Nürnberg und Sulzbürg. Die Rummelsberger Dienste für junge Menschen übernahmen 2005 die Trägerschaft für die beiden Kitas und die zwei MutterKind-Häuser des Vereins. Margit te Brake wurde Fachbereichsleiterin für die Kindertagesstätten und die Häuser Mutter und Kind. Neben der Arbeit schloss sie 2008 die Weiterbildung Management sozialer Organisationen sowie das Studium der Diakoniewissenschaft ab. Im Januar 2010 wechselte sie als Abteilungsleitung in den Bereich Fundraising und Spendenwesen. Aus privaten Gründen zog Margit te Brake dann im Dezember des Jahres nach Oberbayern und übernahm die Leitung des Rummelsberger Altenhilfeverbundes in Starnberg. „Das war eine ganz spannende Zeit“, erzählt sie. „Mir sind die alten Menschen ge- Drei Goldene Kronenkreuze verliehen Christine Maier, Leiterin des Stadtteilbüros Neuperlach, hat im Dezember das Goldene Kronenkreuz erhalten. Bei der Verleihung im festlichen Rahmen hob Gordon Bürk, Geschäftsführer des Evangelischen Hilfswerks München, ihr erfolgreiches Wirken für die Innere Mission München und für das Evangelische Hilfswerk hervor: Die zahlreichen Kurse und Angebote im Stadtteilbüro seien über viele Jahre hinweg durch den unermüdlichen Einsatz von Christine Maier entstanden. Das Goldene Kronenkreuz gab es auch für Nadja Dobesch-Felix, Leiterin des Bereichs Unterstütztes Wohnen des Evangelischen Beratungsdienstes für Frauen. In seiner Rede betonte Gordon Bürk, welchen maßgeblichen Beitrag sie zur guten Entwicklung des gesamten Evangelischen Beratungsdienstes erbrachte hatte. Aus der Arbeit des Evangelischen Beratungsdienstes nauso ans Herz gewachsen wie Mütter und Kinder.“ Langfristig fände sie es „einen reizvollen Gedanken“, die Bereiche Altenhilfe und Kindertagesbetreuung näher zusammenzubringen. Der promovierte evangelische Pfarrer Michael Frieß ist seit Anfang Dezember als Assistent von Vorstand Günther Bauer für besondere Projekte und Aufgaben auf Geschäftsführungsebene zuständig. Zugleich leitet er in diesem Rahmen die Abteilung Sozialpsychiatrie und Gesundheit. Wäre der 41-Jährige ein katholischer Mönch, dann hätte er zumindest das benediktinische Ordensideal der stabilitas loci, demzufolge man gelobt, beständig an einem Ort zu leben, zu hundert Prozent erfüllt: Frieß hielt sich zeitlebens in der Gemeinde Gröbenzell, westlich von München, auf. Lediglich die erste Woche auf Erden verbrachte er im Krankenhaus der benachbarten Kreisstadt Fürstenfeldbruck. „Ich bin mit Leib und Seele hängengeblieben in meiner Stadt.“ 15 Monate Zivildienst geleistet hat er bei den ortsansässigen Maltesern – und auch dort ist er gerne hängengeblieben. Mittlerweile ist er ehrenamtlicher Geschäftsführer der Wache, übernimmt verbandspolitische Funktionen auf Diözesanebene und kann es nach 21 Jahren einfach nicht lassen, selbst Rettungsdienst zu fahren. „Ich brauch‘ die praktische Arbeit am Patienten; nur am Schreibtisch geht nicht“, sagt er. Frieß will „Menschen direkt helfen“ – etwa wenn es darum geht, verletzte Flüchtlinge ins Krankenhaus oder Patienten in einer akuten psychischen Krise in die Psychiatrie zu bringen – für den Theologen ist das auch eine wichtige persönliche Erfahrung. „Das überschneidet sich auf ideale Weise mit meinen neuen Aufgaben bei der Inneren Mission.“ Theologie studiert hat er in München, nach dem ersten Examen war er zweieinhalb Jahre Assistent von Professor Friedrich Wil- seien zudem weitere wichtige Dienste wie das Frauenobdach Karla 51 oder die Lebensplätze hervorgegangen. Diese trügen somit von ihrer Entstehung her auch die Handschrift von Nadja Dobesch-Felix. Der Gesamtleiter der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Feldkirchen, Achim Weiss, wurde für seine langjährige engagierte Mitarbeit ebenfalls mit dem Goldenen Kronenkreuz geehrt. Im Rahmen der Verleihung des KarlBuchrucker-Preises überreichte Vorstand Günther Bauer die höchste Auszeichnung, die die Diakonie in Deutschland vergeben kann. Bauer würdigte den 60-Jährigen für seinen anhaltend hohen Einsatz im Bereich der Jugendhilfe, „der über das hinausgeht, was man als Arbeitgeber von einem Mitarbeiter eigentlich erwarten kann“. Der Sozialpädagoge leitet seit 24 Jahren die „Komplex-Einrichtung“ in Feldkirchen; dort sind derzeit in zahlreichen Dienststellen rund 270 Mitarbeitende beschäftigt. helm Graf. Für seine Promotion zog sich Frieß zwei Jahre in häusliche Klausur zurück – eine Spanne, die er rückblickend als eine „ganz tolle befreite Zeit“ empfindet. Thematisch wählte er mutig ein heikles Thema: „Komm süßer Tod – Europa auf dem Weg zur Euthanasie?“ Der Untertitel klingt freilich deutlich wissenschaftlicher: „Zur theologischen Akzeptanz von aktiver Sterbehilfe und assistiertem Suizid“. Ein Diskurs, für den Frieß als liberaler Theologe auf Fachtagungen und Veranstaltungen ein viel gefragter Gast ist. Weitere berufliche Stationen führten ihn zum Vikariat nach Pfaffenhofen/Ilm, auf seine erste Pfarrstelle nach Hilpoltstein und schließlich nach Landsberg/Lech, von wo aus er nach nur anderthalb Jahren zur Inneren Mission wechselte. An seinem neuen Tätigkeitsfeld interessiert ihn vor allem, diakonische Projekte handfest umzusetzen. „Ich will jetzt das hauptamtlich machen, was ich von den Maltesern her aus langer ehrenamtlicher Tätigkeit bereits kenne.“ Projekte gibt es dazu genug: Ein Flyer für die innerbetriebliche Sozialarbeit muss gemacht werden, im Bereich der Epilepsie soll eine neue Wohngemeinschaft am Nockherberg entstehen und der im Aufbau befindliche psychologische Krisendienst in Oberbayern ist ein „Riesenprojekt“, das viel Organisationstalent fordert. Seite 16 Nr. 73 · 2016 Interkulturelle Akademie: Veranstaltung „Sterben, Tod und Trauer“ findet viel Resonanz Zeichen der Nähe Freie Plätze bei der Ferienerholung: StreetdanceWorkshop, Stadtranderholung oder Sommerfreizeit Langeweile war gestern Hohe Mauern bezwingen, mal Bühnenluft schnuppern oder Tipis bauen und den Wald erforschen? Eine Menge Abenteuer gibt es auch in diesem Jahr bei der Ferienerholung der Inneren Mission zu erleben. In den Pfingstferien finden zwei Workshops für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren im Internationalen Jugendzentrum Haidhausen (IJZ) in der Einsteinstraße 90 statt. Auf die Bühne geht es im Theater-Workshop (17. – 20.5.). In der zweiten Woche können Mädchen und Jungen beim Streetdance-Workshop (23. – 25. + 27.5.) neue Moves kennenlernen und sich zur Musik ausprobieren. Wieder im Programm ist in den Sommerferien der beliebte und bewegungsintensive Workshop Parkour (1. – 5.8.). Auch im Herbst wird im IJZ ein Workshop zu den Themen Bewegung, Spaß und Spiel stattfinden (2. – 6.11.). Spiel und Spaß In den Sommerferien stehen bei den Freizeiten für Schulkinder von sechs bis zwölf Jahren eine Woche lang Spiel und Spaß im Vordergrund. Beim Natur-Stadt-Erlebnis (27.8. – 2.9.) im Jugendhaus St. Anna bei Freising erkundet die Gruppe gemeinsam im Norden von München die Gegend, Natur und Stadt. Wanderungen, Lagerfeuer, Geschichten und Kreativsein gehören zum Programm des Natur-Phantasie-Erlebnisses (3. – 9.9.) im Jugendhaus Ensdorf in Kraiburg am Inn. Bei der Stadtranderholung auf dem Gelände des Waldheims Grä- felfing des Evangelischen Handwerkervereins können Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren ihr eigenes Waldhaus bauen, spielen, basteln und Sport oder Musik machen. Geschlafen wird zu Hause. In den Pfingstferien gibt es zwei und in den Sommerferien insgesamt sechs Campwochen, die auch kombiniert werden können. Familien mit einem geringen Einkommen bekommen – dank Zuschüssen der Stadt München – bei den Angeboten eine Ermäßigung. Die Anmeldung läuft vorzugsweise über das Formular auf der Homepage. Telefonisch sind die Mitarbeitenden der Ferienerholung unter der Nummer 089/41 07 99 12 oder per E-Mail [email protected] zu erreichen. isa www.ferienerholung-muenchen.de Betreuer gesucht Für die Stadtranderholung suchen die Veranstalter noch Betreuerinnen und Betreuer, die – im Idealfall – pädagogische Erfahrung besitzen sollten. Möglich sind ein- bis sechswöchige Einsätze oder Praktika. Die Betreuer erhalten eine qualifizierte Schulung, Anleitung und Begleitung in der Kinderbetreuung. Für den Einsatz gibt es – je nach Dauer und Qualifikation – den Jugendgruppenleiterschein mit zugehöriger Ausbildung (JuLeiCa), eine Aufwandsentschädigung und gegebenenfalls eine Praktikumsbescheinigung. Nähere Informationen unter Telefon 089 / 41 07 99 12 oder der E-Mail [email protected]. T E R M I N E 25 Jahre Heilpädagogische Tagesstätten Feldkirchen; 27. April, ab 13 Uhr, Hohenlindner Straße 8 12.00 Uhr Tombola, Dachauer Straße 192. Jede Hose nur fünf Euro; Kinder zahlen die Hälfte. Benefizkonzert der koreanischen Gemeinde zugunsten unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge; 7. Mai, ab 19 Uhr, St. Markus, Gabelsberger Straße 6 10 Jahre Evangelisches Pflegezentrum Eichenau; 8. Juli, 11 – 17 Uhr, Bahnhofstraße 117 20 Jahre diakonia – fünf Jahre Kaufhaus secondhand; 7. – 10. Juni nachmittags, 11. Juni ab 30 Jahre Pflegeheim „Lindenhof“ in Grafenaschau; 22. Juli, ab 14.30 Uhr, Aschauer Straße 28 Weitere Veranstaltungen finden Sie unter www.im-muenchen.de Respekt gegenüber den Toten Die islamische Religionspädagogin Laily Moradi ermutigte, bei den Sterbenden oder ihren Familien nachzufragen, welche Begleitung und welche Rituale sie sich wünschen. Denn für Muslime sei es religiöse Pflicht, sich auf den Tod vorzubereiten. Laily Moradi, die mit dem islamischen Bestattungsunternehmer Salih Güler zusammenarbeitet, ging auch auf die islamischen Bestattungsriten und die Praxis auf den Münchner Friedhöfen ein. Die Totenwaschung, die im Islam sehr wichtig ist, sei nicht nur eine Pflichtaufgabe für Muslime, sondern auch eine wertvolle Bereicherung: Sie ermöglicht es, dem Toten gegenüber Respekt zu erweisen, ist aber auch ein Moment des Nachdenkens über das, was im eigenen Leben wichtig ist. Muslimische Gräberfelder finden sich in München auf dem Westfriedhof, auf dem Neuen Südfriedhof sowie – bereits seit 1955 – auf dem Waldfriedhof. Alle Gräber sind nach Mekka ausgerichtet, muslimische Gräber sollen zudem schlicht sein. Individuell sind die Gräber trotzdem: Sie spiegeln die unterschiedlichen Herkunftsländer und Persönlichkeiten. Blumenschmuck nach deutscher Tradition findet sich dort inzwischen durchaus. „Auch die Gräber haben sich integriert“, sagte Laily Moradi. Einblicke in ganz andere Vorstellungen vom Tod gab die interkulturelle Trainerin und Beraterin Ngân Nguyen-Meyer. „In Vietnam sind Buddhismus und Geisterglaube eng miteinander verwoben“, erzählte sie. „Die Seele lebt nach dem Tod weiter und beeinflusst das Leben der Lebenden.“ Die Präsenz der Geister sei für viele Vietnamesen stark spürbar und auch mit Ängsten belegt. Die Verstorbenen werden für die Zeit nach dem Tod sogar mit Papiergeld, Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Lebens versorgt. „Die Verantwortlichen in den Alten- und Pflegeheimen sollten sich Zeit nehmen, um die unterschiedlichen Todesvorstellungen ihrer Mitarbeitenden kennenzulernen“, empfahl Ngân Nguyen-Meyer, die auch 22 junge Vietnamesen bei ihrer Ankunft betreut hat, die seit 2013 in den Heimen der Hilfe im Alter arbeiten. Im Programm der InterKulturellen Akademie soll der Tod nicht das letzte Wort haben: Nach den Veranstaltungen zu „Lebensstationen in den Religionen“ sind weitere Veranstaltungen zu Lebensthemen geplant. Gudrun Blänsdorf Das Gesicht der Obdachlosigkeit Ausdrucksstarke, schonungslose und ehrlich Porträts: Die Wanderausstellung „Die Unsichtbaren“ der Deutschen Bahn Stiftung gibt Obdachlosigkeit ein Gesicht. Vom 12. bis zum 23. Mai gastiert sie in der Halle des Münchner Hauptbahnhofs. Oberbürgermeister Dieter Reiter spricht zur Eröffnung am 12. Mai um 10 Uhr ein Grußwort. Insgesamt 25 Schwarz-WeißPorträts auf großformatigen Tafeln zeigen obdachlose Menschen – die zwar allgegenwärtig sind, aber trotzdem in der Gesellschaft kaum beachtet werden. Kurze Zitate geben Einblick in das Schicksal der Unsichtbaren. Das Projekt ist eine Kooperation der Berliner Morgenpost mit der dortigen Bahnhofsmission: Cheffotograf Reto Klar und Redakteurin Uta Keseling begleiteten drei Wochen lang den Alltag in der Bahnhofsmission. Der daraus entstandene Bildband „Unsichtbar – Vom Leben auf der Straße“ mit insgesamt 52 Bildern, Zitaten und einer Reportage ist auch im Handel erhältlich – der Reinerlös kommt den deutschen Bahnhofsmissionen zugute. js / Foto: Kranert / Deutsche Bahn AG Und jetzt das Letzte… Frau Merkel mag die Raute. Wir in Bayern zeigen lieber harte Kante... Aufsichtsratsvorsitzender Andreas Bornmüller, falsch zitiert von ho. Foto: Oliver Bodmer Schäfchen zählen – und dabei garantiert nicht einschlafen: Bei der Ferienerholung geht es raus in die Natur. Foto: Archiv Wie leben Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen in München die verschiedenen Stationen des Lebens? Um diese Frage drehte sich eine Veranstaltungsreihe der InterKulturellen Akademie der Inneren Mission München. Um die letzte Lebensstation – Sterben, Tod und Trauer – ging es beim Begegnungsabend im März, der viele Besucher anzog. Die Öffnung für unterschiedliche Kulturen und Religionen ist auch für die Alten- und Pflegeheime ein aktuelles Thema – das zeigte die Einführung von Pfarrerin Dorothea Bergmann, Leiterin der Fachstelle „Spiritualität – Palliativ Care – Ethik – Seelsorge (SPES)“. Ihr Anliegen ist es, in den Heimen der Hilfe im Alter die letzte Lebensphase würdevoll zu begleiten. Unabhängig von Religion oder Konfession sei es wichtig, Zeichen der Nähe zu zeigen, Gespräche sowie Vertrautes wie Gebete und Rituale anzubieten, und Sterbesegen und Abschiedsworte zu ermöglichen.
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