Andarina? auf Tour: Zwischen Reisefieber und Alltag in

Cornelia Steinigen
"Andarina" auf Tour:
Zwischen Reisefieber und Alltag in Frankreich,
Marokko, Tansania, Iran und der
Dominikanischen Republik.
Die besten Beiträge aus Connys Reiseblog
(2007-2016)
epubli GmbH
"Andarina" auf Tour: Zwischen Reisefieber und Alltag in
Frankreich, Marokko, Tansania, Iran und der Dominikanischen Republik. Die besten Beiträge aus Connys Reiseblog
(2007-2016)
Cornelia Steinigen
Copyright: © 2016 Cornelia Steinigen
Blog-URL: https://andarina-vom-dienst.org/
Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Umschlagsfoto: Bootsanlegestelle in Lamu-Town, Lamu,
Kenia. Foto: © Cornelia Steinigen
Vorwort
"Andarina" auf Tour
Vorwort
Andarina kommt aus dem Spanischen und ist ein
etwas
altmodischer
der
Begriff,
Wandervogel
bedeutet.
mich
So
stets
nennt
meine
Gastmutter in der
Dominikanischen
Republik, wo ich
gerade ein Freiwilligenjahr verbringe, wenn ich mal
wieder auf Reisen gehe. Sehr passend wie ich finde! So passend, dass ich vor Kurzem sogar meinen Reiseblog
umbenannte
und
ihm
die
URL
https://andarina-vom-dienst.org/ verpasste.
Als ich aus diesem Reiseblog meine besten Beiträge
für das vorliegende Buch auswählte und alle noch
einmal las, war ich erstaunt, wie viel Material sich in
"Andarina" auf Tour
Vorwort
neun Jahren Bloggeschichte angesammelt hatte. Es
war teilweise wie eine Zeitreise in meine eigene Vergangenheit: Manche Reiseanekdoten hatte ich bereits
völlig vergessen, an manche Orte konnte ich mich
schon gar nicht mehr erinnern – ein komisches Ge-
fühl, aber gleichzeitig auch eine Gelegenheit für mich
sie in meiner Erinnerung „wieder zu beleben . Denn
dafür ist mein Reiseblog schließlich da: Eindrücke,
Beobachtungen, Erlebnisse, manchmal extrem detailliert, manchmal länderübergreifend vergleichend,
festzuhalten, zu analysieren und zu zeigen, mit wie
viel Freude, Lernen und Neugier Reisen für mich verbunden ist und dies auf meine Leser zu übertragen.
Die größten Passagen in diesem Buch nehmen Länder
ein, in denen ich länger einmal gelebt und studiert
bzw. gearbeitet habe: Frankreich, Marokko, Tansania
und die Dominikanische Republik. Alle weiteren Länder habe ich bereist, jedoch in der Regel nicht wie ein
Pauschaltourist, sondern auf individuelleren Pfaden,
sei es, weil ich Freunde besuchte, an einer Summer
School oder Bildungsreise teilnahm. Bei vielen meiner
"Andarina" auf Tour
Vorwort
Reisen lernte ich dank der )nternetplattform „Couchsurfing" unglaublich gastfreundliche und interessante
Leute kennen, die mir ihr Land und ihre Kultur näherbrachten und meine Reise unvergesslich prägten.
Die Blogbeiträge sind chronologisch aufsteigend sortiert. Jedem Länderkapitel habe ich ein Verzeichnis
vorangestellt, das den Zeitraum, die jeweilige Tätigkeit während meines Auslandsaufenthaltes, sowie
Personennamen und landestypische Begriffe erklärt.
Ich habe in diesem Buch bewusst auf Fotos verzichtet,
da es bereits einen beträchtlichen Seitenumfang erreicht hat. Die Bilder zu meinen Auslandsaufenthalten
und Reisen sind jedoch nach Ländern sortiert auf
meinem Reiseblog zu finden.
Ich wünsche euch nun eine anregende Lektüre, freue
mich über Feedback und stehe gerne für Reisetipps
zur Verfügung.
Cornelia "La Andarina", Jarabacoa, April 2016
"Andarina" auf Tour
Inhalt
Inhalt
Frankreich ..................................................................................................... 7
Skandinavien (Dänemark, Norwegen, Schweden &
Finnland) .................................................................................................... 90
Marokko, Spanien & Großbritannien ........................................... 97
Usbekistan............................................................................................... 201
Tansania & Kenia ................................................................................. 232
Schweiz ..................................................................................................... 313
Iran & Türkei ......................................................................................... 319
Polen .......................................................................................................... 342
Portugal .................................................................................................... 347
Dominikanische Republik ............................................................... 362
"Andarina" auf Tour
Frankreich
Frankreich
Zeitraum & Tätigkeit
September 2007 - Juni 2008: Studium an der Université Rennes 2
Personen
Anne
Mitstudentin aus Jena, die mit mir in Rennes studiert
Anke
Mitstudentin aus Jena, die mit mir in Rennes studiert
Bénédicte
französische Studentin, mit der ich in Jena zusammengewohnt hatte und die nun in Paris lebt
Benji &
Mitglieder im >Hospitality Club, die mich und
Romain
>Theresa in Perros Guirec beherbergen
Céline
Mitglied im >Hospitality Club, die mich und >Maria
in Brest beherbergt
Charles
Mitglied im >Hospitality Club, der mich in Dijon beherbergt
Claire
Freundin von >Gilles, bei deren Eltern >Maria
und ich in La Rochelle übernachten
Clémence
französische Studentin in Rennes, meine Mentorin
Emmiina
finnische Mitstudentin in Rennes
Eva
tschechische Mitstudentin in Rennes
Gilles
Mitglied im >Hospitality Club, der mich und >Theresa
in Brest beherbergt
Guillaume
Freund von >Claire, den >Maria und ich in La
Rochelle treffen
Gwendal
Mitglied im >Hospitality Club, der mich in Quimper
beherbergt
7
"Andarina" auf Tour
Isabelle
Frankreich
Mitglied im >Hospitality Club, die mich in Angers
beherbergt
Jacques &
Mitglieder im >Hospitality Club, die mich in
Hélène
Villefranche-sur-Saone beherbergen
Jean-Philippe
Mitglied bei >Couchsurfing, der mich in Beaune
beherbergt
Koen
Freund von >Nele
Maria
finnische Mitstudentin in Rennes
Nele
belgische Mitstudentin in Rennes
Rianne
niederländische Mitstudentin in Rennes
Theresa
Mitstudentin aus Jena, die mich in Rennes besucht
Begriffe
Couchsurfing
Internetplattform mit Leuten aus aller Welt, bei denen man kostenlos übernachten kann bzw. die einem
ihre Stadt zeigen; Nachfolgeplattform von
>Hospitality Club
Erasmus
Name
eines Austauschprograms für Studenten
(Erasmusstudenten), in dessen Rahmen diese an einer
anderen europäischen Uni studieren können
Hospitality Club Internetplattform mit Leuten aus aller Welt, bei denen man kostenlos übernachten kann bzw. die einem
ihre Stadt zeigen; Vorgängerplattform von
>Couchsurfing
Metro
U-Bahn
TGV
französischer Schnellzug, mit dem ICE vergleichbar
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Aufbruchsstimmung - 2007-08-27 18:37
Halli hallo an alle!
Mit diesem Blog könnt ihr euch immer bezüglich meiner
Wenigkeit auf dem Laufenden halten. In genau zwei Wochen und zwei Tagen heißt es nämlich: Adieu Deutschland
und bienvenue la France! Ich werde zu meinem Erasmusjahr nach Rennes in die Bretagne aufbrechen, jipiiieh!
Die Vorbereitungen laufen schon auf Hochtouren: Mein
Zimmer in Jena ist mittlerweile um einige Bücherreihen
leerer, ebenso sehen schon die Zimmerwände aus und der
Fußboden wird zunehmend mit Umzugskisten vollgestapelt. Am 1.9.07 ziehe ich in „Good Old Jena aus und werde
bis zum 12.9.07 in „Dräsdn ;-) verbringen.
So, dies war der erste Streich (äh Blog), aber der Zweite
folgt sogleich!
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Ferien vor der Haustür - 2007-08-27 19:15
Die Hausarbeiten sind geschrieben, Praktikumsbewerbungen verschickt - und nun? Damit ich mein Semesterticket
vor meiner Abreise noch mal ausnutze, entschloss ich mich
ein bisschen Thüringer Frischluft zu schnappen und die
Umgebung Jenas zu erkunden. Erstes Ziel im Osten Jenas:
Gera. Nun ja, eine Stadt, die nicht gerade wegen ihrer
Schönheit bekannt ist. Und tatsächlich: Eine Innenstadt mit
viel
Beton,
großen,
klotzartigen
Mainstream-
Einkaufspassagen und erschreckend vielen leer stehenden,
teilweise heruntergekommenen Häusern. Obwohl einige
Leute auf der Straße unterwegs waren, kam mir die Stadt
doch irgendwie verlassen vor. Etwas abseits vom Zentrum
dann die große Rentnerwelle - ihr einziges Ziel: Die BUGA,
auf deren Eingang sie Fotoapparat-behangen, sonnenbebrillt, kurzhosig und mit Socken in den Sandalen (ich pauschalisiere natürlich) zuströmten. Das Gartengelände sah
schon sehr einladend aus, war mir aber zu teuer. Stattdessen entdeckte ich den wohl schönsten Stadtteil Geras:
Untermhaus. In dem kleinen, verschlafenen und gemütlichen Ortsteil steht nämlich das Geburtshaus des Malers
Otto Dix (vielleicht kennen ihn ja die Dresdner aus den
Neuen Meistern). Zu besichtigen gab s viele Bilder und
10
"Andarina" auf Tour
Frankreich
noch mehr Schautafeln mit wirklich interessanten Einblicken in seine Biographie. Auch die Orangerie, die ich danach besuchte, hat sich Dix gewidmet und viele seiner
Werke ausgestellt. An alle Kunstinteressierten: Eine Besichtigung lohnt sich!!!
Fotos von Gera konnte ich nicht viele schießen. Nachdem
ich das kleine „Flower-Power (ja, auch dort gibt s diese
Musikbar) aufgenommen hatte, schmierte mein Foto ab.
Ersatzbatterien hatte ich natürlich zu Hause vergessen. :-/
Das Flower Power in Gera - damit soll wohl die BUGA auch
für junge Leute attraktiv gemacht werden. ;-)
Ebenso erging es mir am nächsten Tag in Gotha - eine
Kleinstadt westlich von Jena (für alle nicht so ThüringenKundigen: Gotha liegt zwischen Eisenach und Erfurt).
Nachdem ich zumindest ein paar mehr Fotos schießen
konnte, hoben auch hier meine Fotobatterien die Hufen
(Was sind das bloß für Scheiß-Billigdinger...?). Nachdem
ich den mühsamen Aufstieg auf den Stadtberg zum Schloss
Friedenstein überwunden hatte und dabei zwei vorbeipreschenden Pferdekutschen ausgewichen war, betrat ich den
weitläufigen Schlossinnenhof und schlitterte sogleich in
das 10. Gothaer Barockfest hinein. Überall rannten kostü11
"Andarina" auf Tour
Frankreich
mierte, gepuderte Leute umher, an den Verkaufsständen
gab es den üblichen Mittelalterkrempel und ein Bläsertrupp lieferte den passenden Soundtrack. Merkwürdigerweise gab es sogar ein Kamelgehege, wobei ich mich frage,
was die mit dem Barock zu tun haben. Naja, vielleicht waren sie aufgrund ihrer barocken (Höcker-) Formen eingeladen worden? ;-)
In den Schlossgemäuern konnte ich mich von der sengenden Hitze im Schlossinnenhof zum Glück etwas abkühlen
während ich mir zwei Ausstellungen ansah. Ja, ja, ne richtige Bildungs"reise"! ;-) Schon etwas genervt von dem ganzen Barockgetümmel stieg ich den Stadtberg auf der anderen Seite wieder herunter zum Marktplatz. Der ist umzingelt von schönen, rausgeputzten Häusern - besonders bekannt das rote Rathaus - und kleinen Cafés. Auf der Einkaufsstraße hatte man schon die Bürgersteige hochgeklappt und so fand ich das ganze Stadtzentrum eher ausgestorben vor. Das war vielleicht auch ganz gut so: Meine
Füße glühten mittlerweile und so schleppte ich mich plattfüßig zurück zum Bahnhof. Dank Wochenend-Zugverkehr
und Bauarbeiten dauerte meine Rückfahrt, für die ich hinzu eine Stunde gebraucht hatte, drei Stunden! Uff!
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Stand der Dinge - 2007-09-12 00:08
Morgen um dieselbe Zeit werde ich schon im Nachtzug
zwischen Berlin und Paris durch das Land rauschen und
wahrscheinlich mehr oder weniger schlafen, um für meine
Ankunft in Frankreich gut ausgeruht zu sein. Die Hälfte
meines Gepäcks, zwei Koffer, habe ich bereits gestern mit
dem Hermes-Versand (diese Schleichwerbung immer ;-))
auf die Reise geschickt - sie werden aber erst nach mir in
Rennes ankommen. Morgen früh geht es dann ans Einpacken meiner restlichen Sachen, ich hoffe nur alles unterund dann auch wegzubekommen! Ich werde definitiv wie
ein Packesel aussehen!
Die vergangenen Tage in Dresden habe ich überwiegend
damit verbracht, irgendwelche organisatorischen Angelegenheiten für und über Frankreich im Internet zu recherchieren, mich von allen Daheimbleibenden zu verabschieden, eines der vielen Frankreich-Bücher Ulrich Wickerts zu
lesen, etc.
Mein Zimmer in Jena jedenfalls habe ich letzte Woche
Dienstag endgültig geräumt. Zuvor war meine Schwester
noch einige Tage zu Besuch, an denen wir noch ein biss13
"Andarina" auf Tour
Frankreich
chen Thüringen unsicher gemacht haben: Ausflug zur Wartburg nach Eisenach und nach Rudolstadt. Die Highlights:
Eine Eselstation am Fuße der Wartburg - mit den Grautieren kann man sich den Weg nach oben schunkeln lassen,
worauf wir aber verzichteten und lieber zu Fuß hoch stapften - und die übergroßen Filzpuschen, die wir bei einer
Führung in der Rudolstädter Heidecksburg über unsere
Füße stülpen mussten und somit gleich das Reinigungspersonal entlasteten, indem wir die Böden der Festsäle blitzblank polierten. Auf jeden Fall gab s wieder viel zu entdecken im Thüringer Land! Meinen nächsten Bericht gibt es
dann wahrscheinlich aus "Fronkreisch"! ;-) Bis dahin! A
bientôt! :-)
Erste Eindrücke aus Rennes - 2007-09-16 19:28
Chers amis (liebe Freunde),
heute also mein erster ausführlicher Bericht aus dem fernen Rennes!
Anreise, 12./13.9.07
Am Dienstag hatte mich meine Mutti mit dem Auto nach
Berlin gefahren, da ich dort gegen 21.30 Uhr mit dem
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Nachtzug nach Paris losfuhr. Ich hatte einen Liegeplatz,
doch an Schlaf war fast die ganze Nacht nicht zu denken.
Der Zug hat oft dermaßen hin- und hergeruckelt, dass ich
manchmal dachte, er entgleist gleich bzw. ich falle gleich
aus dem Bett heraus. Dafür hatte ich großes Glück mit
meinen zwei sehr netten Zimmergenossinnen – zwei Französinnen,
die
mich
bezüglich
meiner
Französischkenntnisse gleich auf die Feuerprobe stellten.
Die beiden habe ich soweit gut verstanden und ich konnte
mich auch so einigermaßen verständlich machen. Als ich
ihnen erzählte, dass ich in Paris vom Gare du Nord (Nordbahnhof)
zum
Gare
Montparnasse
(Montparnasse-
Bahnhof) mit der Metro fahren muss und mir noch ein Ticket kaufen muss, hat die Eine gleich ihr Portemonnaie
gezückt und mir ein Ticket geschenkt. :-) Die andere Französin hat mir dann im Bahnhof noch den Weg zur Metro
gezeigt und mir außerdem noch viele wertvolle Reisetips
für Frankreich gegeben. Im Pariser Vormittagsgedränge
dann mit vier Gepäckstücken Metro zu fahren war echt
ätzend und ich möchte nicht wissen, wie vielen Leuten ich
mit meiner Kraxe im Gesicht hing – aber zum Absetzen war
einfach kein Platz! Vom Gare Montparnasse aus bin ich nun
zwei Stunden mit dem TGV weiter gen Westen nach Rennes gefahren, wo ich gegen 14 Uhr eintraf. Mit der Renner
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Metro ging s weiter zum Univiertel der Université 2
„Villejean , wo sich im Empfang schon einige Erasmusstudenten angesammelt hatten. Nach einigem Warten wurden
wir in ein anderes Gebäude gelotst, wo wir Papierkram
erledigten. Dann ging s mit der ganzen Bagage weiter zum
Wohnheim, wo die Anmeldung noch einmal ewig dauerte
und bei einigen echte Verzweiflung auslöste. Die französische Bürokratie ist echt noch schlimmer als die deutsche!
Was man da alles für Unterlagen für ein Wohnheimzimmer
benötigt: Medizinisches Zertifikat (hatte ich zum Glück
schon), eine Zimmerversicherung (hatte ich noch nicht),
zwei Passfotos, etc. Naja, endlich durfte ich dann mein
9m²-Zimmer beziehen. Bis in den späten Abend habe ich
ausgepackt und es mir einigermaßen gemütlich eingerichtet. Dann fiel ich nur noch in das viel zu weiche Bett und
konnte sogar mit dem eigentlich unbequemen Oreiller
(lange Kissenwurst) unter dem Kopf einschlafen, weil ich
einfach nur total kaputt war.
Der nächste Tag, 14.9.07
Mit der Deutschen Bahn hatte ich mir noch zwei weitere
Gepäckstücke nachschicken lassen, da ich für das eine Jahr
ja doch ganz schön viel Zeug brauche und Frankreich ja
nun nicht gerade für seine niedrigen Preise bekannt ist.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Auf jeden Fall kam am nächsten Tag dann zumindest einer
der beiden Koffer an – ich hoffe, der Zweite trudelt auch
noch ein...
Um 10.30 Uhr hatten wir die erste Infoveranstaltung in
einem Hörsaal, wo uns die Erasmusbeauftragte, das Sprachenzentrum und die studentischen Betreuer begrüßten.
Wir erhielten eine hässliche graue Begrüßungstasche, deren Inhalt aber umso wertvoller ist: Infobroschüren über
Rennes und die Uni, Anmeldeformulare, sowie ein gedrucktes Vorlesungsverzeichnis. Bis Mitte Oktober müssen
wir unseren Stundenplan zusammengestellt haben. Im
Anschluss gab es einen „Pot d accueil (Willkommens-
trunk) mit kleinem Imbiss, wo sich die ersten Kontakte
knüpften. Anne, die ich bereits vom Französischkurs in
Jena kenne, hatte ich am vorhergehenden Tag schon getroffen und Anke, die ich auch schon aus Jena kenne, und
die mit ihrer kleinen Tochter nach Rennes gekommen ist,
konnte ich auch begrüßen. Außerdem habe ich meine
„marraine
Mentorin Clémence getroffen, die ich gleich
mit ein paar Fragen löchern konnte. Anne und ich haben
uns dann mit einer Belgierin und einer Niederländerin,
sowie einer Finnin unterhalten – echt kompliziert, wenn
man da zwischen den Sprachen Französisch, Englisch,
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Deutsch bzw. Niederländisch hin- und herwechselt, weil
eben alle noch nicht so vokabelfest sind. Aber es ging
schon, ça va! Mit der Niederländerin habe ich Mittags die
Mensa („Restau U ) getestet: Vorspeise (Salat), Hauptspeise (Pizza) und Nachtisch (Karamelcreme) oder ein Getränk. Wasser steht kostenlos auf jedem Tisch zur Verfügung. Nachmittags sind wir in die Stadt gefahren und haben bei Bouguyes (sprich: Buig) eine französische
Simkarte, sowie eine Prepaidkarte fürs Handy gekauft.
Später holten mich Anne und ihr Freund mit dem Auto
vom Bahnhof ab und wir kurvten ein bisschen durch Rennes auf der Suche nach einem günstigen Supermarkt namens „Super U . Wir fanden zwar schließlich eine andere
Filiale, als die, wo wir ursprünglich hin wollten, aber konnten uns dort mit dem Nötigsten eindecken. Zum Glück
gibt s da f“r viele Produkte eine Billigmarke „Bien vu ,
denn an sich ist es echt teuer!
Abends habe ich dann mit der Niederländerin, der Belgierin, zwei Finninnen sowie zwei Deutschen die „Rue de la
Soif Straße des Durstes getestet, in der Bar an Bar, Kneipe an Kneipe liegt und auch die ersten Betrunkenen nicht
lange auf sich warten ließen und uns fast umrempelten.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Total verpennt 15.9.07
Für den nächsten Morgen war in unserem vollgepackten
Programm ein Besuch des „Marché des Lices , der große
Wochenmarkt Rennes , angesetzt. Ich verschlief prompt
und wurde zum Glück von Anne geweckt, die auf meinem
Handy anrief. So konnte ich später noch zur Gruppe hinzustoßen. Nach dem Marktbesuch gab es erst mal eine Stärkung in Form von heißer Schokolade, Tee bzw. Orangensaft in einem Café in der lebhaften Innenstadt. Ganz Rennes schien auf den Beinen zu sein! Mittags traf ich mich mit
Clémence, die mir eine kleine Stadtführung gab, einen
günstigen Supermarkt zeigte, etc. Den Rest des Tages verbrachte ich damit durch die hektische Innenstadt zu
schlendern, die interessanten Leute auf der Straße zu beobachten , die kleinen, versteckten Gassen mit den krummen Fachwerkhäusern zu entdecken und schließlich noch
einmal im „Super U zum Einkaufen zu landen.
Die Stadt
Ich denke, um mal eine erste Zusammenfassung zu wagen,
ich werde mich pudelwohl in Rennes fühlen – die Innenstadt ist genau nach meinem Geschmack: Kleine, alternative Läden und Cafés, ausgeflippte Leute, alte, krumme Häuser, ... ;-) Und auch die Erasmusleute, die ich bisher kennen
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
gelernt habe, sind sehr sehr sympathisch. Ich hoffe natürlich dann an der Uni auch noch mehr Franzosen kennen zu
lernen!
Okay, das reicht für heute! Grüße ins kalte Deutschland!
Hier ist es nämlich um einige Grad wärmer. :-)
Alltagsbeobachtungen - 2007-09-22 20:12
Dauerberieselung
An sämtlichen öffentlichen Orten wird man hier mit seichter Hintergrundmusik dauerbeschallt: Egal, ob man auf die
Metro wartet, Bus fährt, schwimmen geht oder außen bzw.
innen am bzw. im Einkaufscenter unterwegs ist – überall
dudelt irgendwelche einigermaßen aktuelle Chartsmusik
vor sich hin. Sogar auf dem Flohmarkt letztes Wochenende
waren an den Trafomasten Lautsprecher angebracht, aus
denen zuerst traditionelle Folkloremusik, dann 80er-JahreMucke und später ein Radiogespräch herausdudelten. Erklärungsversuche? Ich habe keine, aber vielleicht ist den
Leuten hier einfach die Stille zu laut. ;-) Apropos Musik: Ich
habe vor einigen Tagen tatsächlich die deutsche Band „Tokio Hotel im Radio gehört, quel horreur (wie schrecklich)!
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Die waren ja mit ihrem ersten Lied in Frankreich auf Platz
1 in den Charts. Naja, so werden jetzt zumindest viele französische Teenies dazu angeregt Deutsch zu lernen...
Essen
Wie ich schon befürchtet habe, muss ich hier auf leckere
dunkle Körnerbrötchen bzw. –brot verzichten. Es gibt
wirklich nur Baguette und das aber in allen Varianten.
Problem: Für mich schmecken fast alle Baguettesorten
gleich und ich habe festgestellt, dass dieser helle Teig auch
nicht sehr nahrhaft ist. Ich kann ein ganzes Baguette verdrücken und habe nach einer Stunde schon wieder Hunger.
:-( Die andere Speise, die ich, vielleicht als typische Deutsche, bemängeln muss, sind die Würstchen hier. Was im
Supermarkt noch am ehesten nach Wiener Würstchen aussah, entpuppte sich dann beim Essen als eine hellrote,
wabbelige, viel zu salzige Wurstmasse, die ich mir bestimmt nicht noch einmal kaufen werde. Isst man hingegen
die bretonische Spezialität „Gallettes aux saucisses
(Würstchen eingerollt in einen dünnen, leicht salzigen
Teig), bestehen die Würstchen aus zahlreichen Stückchen
mit fast mehr Fett als Fleisch, was für mich auch nicht unbedingt eine Delikatesse darstellt. Dafür gibt es hier umso
mehr Sorten an Meeresfrüchten und Fisch. Ich werde mich
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
ranhalten und versuchen so viel wie möglich einmal zu
probieren!
Menschen
Von den Einwohnern in Rennes kann ich nur schwärmen,
denn sie sind um einiges netter, offener und hilfsbereiter
als in Deutschland! Als ich in Rennes und auch schon beim
Umsteigen in Paris mit meinem ganzen Gepäck unterwegs
war, fand sich immer jemand, der mir half, meine Tasche
die Treppenstufen zum Metroausgang hinaufzutragen.
Auch die Studenten, die sich um die ganzen Erasmusleute
kümmern, sind sehr hilfsbereit, rücken mit ihrer Handynummer an und sagen: Wenn du ein Problem hast oder
einfach einen Kaffee trinken gehen willst, ruf an! Ebenso
die Professoren, die die Infoveranstaltungen abgehalten
haben: Schreiben Sie mir bei Problemen eine Email oder
kommen sie gleich im Büro vorbei, alles kein Problem. Als
ich mit einigen anderen Erasmusstudenten in einer kleinen, gemütlichen Kneipe war, und eine Frau an der Bar
bemerkte, dass wir Ausländer sind, kam sie auch gleich zu
uns und fragte ganz interessiert nach, woher wir denn kämen, etc. Anne, die ich schon aus Jena kenne, hat mir außerdem erzählt, dass ein Mann mit ihr und ihrem Freund
über eine Stunde mit dem Auto durch die Stadt gefahren
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
ist, um eine ganz bestimmte Tankstelle, wo man bar bezahlen kann, zu suchen. Als sie nach dieser Zeit immer noch
keine andere Tankstelle als eine mit Kartenzahlung gefunden hatten, hat der Mann mit seiner Kreditkarte für sie
bezahlt, und sie haben ihm das Geld in bar gegeben. Très
très gentil (sehr sehr nett), würde ich sagen! :-)
Hygiene
Mit der Hygiene ist es hier nicht weit her. Im Wohnheim
befinden sich die Klos auf dem Gang. Es gibt zwar ein
Waschbecken im Zimmer, aber nicht bei den Klos. Was da
so alles an den Türklinken klebt, möchte ich gar nicht wissen... Und auch, dass man vielleicht einen Deckel auf die
Mülltonnen im Hof macht, ist offensichtlich nicht notwendig... Kauft man sich ein frisches belegtes Baguette, Kebab,
Crêpes, etc. zum Essen, wird alles mit der bloßen Hand
angefasst
–
Handschuhe
trägt
keiner.
Erste Uniwoche - 2007-09-30 22:02
Die erste Uniwoche habe ich nun bereits schon hinter mich
gebracht. Eins ist sicher: Die Uni und ihre Fakultäten sind
längst nicht so gut organisiert wie in Jena. Obwohl letzten
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Montag Vorlesungsbeginn war, hingen da noch nicht alle
Veranstaltungen aus. Zahlreiche Studententrauben verstopften die Gänge der jeweiligen Fakultät um sich noch
am Montag ihre Stundenpläne abzuschreiben. Ich hatte mir
am Wochenende einen provisorischen Stundenplan zusammengestellt, den ich dann allerdings Mitte der Woche
noch einmal komplett umstellte, weil ich einmal z. B. in der
falschen Veranstaltung gelandet oder der Kurs zu langweilig war.
Nun sieht es so aus, dass ich Montag frei habe, Dienstag ein
bisschen Arabisch weiter praktiziere, was ich in Jena ja
schon angefangen habe, Mittwoch und Donnerstag proppenvoll mit Veranstaltungen aus Arts du Spectacle (Darstellende Kunst / Film- und Theaterwissenschaften), LEA
(angewandte Fremdsprachen) und islamische Geschichte
sind, und Freitag früh noch eine Vorlesung zur Globalisierung der Wirtschaft folgt. Morgen werden dann noch die
Zeiten für die Französischsprachkurse ausgehangen, die
ich zweimal abends in der Woche belegen muss. Uff, das
wird anstrengend! Aber es gibt wahnsinnig viele interessante Kurse und für das Erasmus-Programm muss ich eben
30 Creditpunkte im Semester sammeln, indem ich die
Klausuren mitschreibe.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Das Krasse hier ist, dass eine Veranstaltung meist tatsächlich zwei volle Stunden dauert bzw. habe ich auch von Einigen gehört, dass sie Kurse mit einer Dauer von drei oder
vier Stunden besuchen! So bin ich echt meist von 8.15 Uhr
bis 17.45 Uhr in der Uni. :-( Zum Glück aber gibt es mittags
eine Pause von einer Stunde, die aber auch echt notwendig
ist. Denn egal, ob man in die Mensa „Restau U genannt
geht, oder sich ein Sandwich in der Cafeteria kauft, überall
bilden sich lange, lange Schlangen.
Worüber ich sehr erleichtert bin, ist, dass ich die meisten
Profs gut verstehe. Nur bei den Wirtschaftskursen haperte
es am spezifischen Vokabular und der Unkenntnis der ganzen Abkürzungen. Da ist Nacharbeiten angesagt... Zum
Glück konnte ich auch schon einige Franzosen bei den Univeranstaltungen kennenlernen. Wenn man gemeinsam
nach einem Hörsaal sucht, der aus unerfindlichen Gründen
auf keinem Plan im Gebäude eingezeichnet ist, und einem
auch nach drei Mal Nachfragen keiner sagen kann, wo sich
der Raum befindet, kommt man automatisch ins Gespräch.
Der größte Unterschied zur Uni in Jena oder wohl allgemein zu einer deutschen Uni ist, dass es an der französischen Uni viel verschulter zugeht. Meist sitzt der Prof, aus25
"Andarina" auf Tour
Frankreich
gerüstet mit computerbeschriebenen Seiten, vor den Studenten, und erzählt etwas zum jeweiligen Thema, in dem
er fast aus seinem Text abliest. Die französischen Studenten pinseln wie die Verrückten mit und zwar in ganzen
Sätzen! Manchmal wiederholt der Prof seine Sätze auch
wie in einem Diktat, furchtbar! Und wenn die Studenten
mal eine Jahreszahl nicht mitbekommen bricht eine halbe
Panikwelle aus... Vielleicht haben sie Angst nur Stichpunkte zu schreiben, weil sie so eine Information vergessen
könnten? Ich habe keine Ahnung. Ich bleibe jedenfalls entspannt. Denn wozu gibt s schließlich eine Bibliographie?
Bei den meisten Profs kann ich auch deshalb gut mitschreiben, weil sie eine Top-Rhetorik an den Tag legen. Es
ist ein bisschen so, als würden sie Theater spielen oder als
wenn ein Politiker eine Rede halten würde. Das ist aber
echt gut so, denn mit Folien oder einer Power-PointPräsentation wird so gut wie nie gearbeitet.
Bretonische Küche - 2007-10-08 11:17
Heute gibt es einen kleinen Exkurs in die bretonische Küche. Vor zwei Wochen nämlich hatte ich mich mit einem
Mädchen vom „Hospitality Club getroffen, die mich mit in
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
ein typisch bretonisches Restaurant nahm. Was man hier
an jeder Ecke essen kann sind Crêpes und Galettes, beides
dünne Teigfladen. Der Unterschied ist, dass der Crêpesteig
mit hellem Weizenmehl hergestellt wird und leicht süß
schmeckt, Galettes dunkles Buchweizenmehl enthalten
und leicht salzig schmecken. Zu Crêpes werden dann alle
möglichen süßen Zutaten serviert, sei es Schokolade, Honig, Zucker oder Karamellcreme. Diese Karamellcreme
jedoch ist hier ganz besonders, denn sie wird mit für die
Bretagne typischer gesalzener Butter vermischt und als
Brotaufstrich verkauft. Das schmeckt in etwa wie flüssige
„Werthers Echte -Bonbons und ist sehr sehr lecker! Die
Galettes werden zum Beispiel mit Würstchen (Galettes
saucisses), mit Käse oder Schinken gefüllt oder mit einem
Ei serviert. Absolutes (ighlight jedoch ist die „Reine de la
Mer
Meereskönigin – das sind Galettes mit verschiede-
nen Meeresfrüchten. Der große Unterschied zu Deutschland ist hier, dass es wirklich in jedem Supermarkt eine
große Abteilung mit frischem Fisch und Meeresfrüchten
gibt. Typisch außerdem ist, glaube ich, Entenleberpastete
und Ziegenkäse in allen Varianten.
Und was trinkt man hier? Cidre natürlich. Doch im Restaurant wird dieser nicht in einem Glas wie im übrigen Frank27
"Andarina" auf Tour
Frankreich
reich serviert, sondern man trinkt ihn aus einem „Bolée ,
einer Tasse, und schenkt ihn aus einem „Pichet , einer
Tonkanne, aus.
Kommt man an einem Bäcker vorbei, weiß man vor lauter
kleinen süßen Gebäcken gar nicht, wofür man sich entscheiden soll: Brioches (Milchbrötchen) in allen Varianten,
Gewürzkuchen, Baguette mit Schokostückchen, Croissants,
etc. Okay, aber diese große Auswahl beim Bäcker ist nicht
nur auf die Bretagne beschränkt, sondern erstreckt sich,
glaube ich, über ganz Frankreich.
Jon Bon Jovi am Akkordeon und der vernaschte George
Clooney - 2007-10-17 09:31
Über Rennes ist gerade das Akkordeonfestival "Le Grand
Soufflet" (Die große Ziehharmonika) hereingebrochen.
Jeden Tag gibt es hier daher am zeitigen Abend ein kostenloses Konzert im Festivalzelt vor dem Parlament der Bretagne. Gestern Abend konnte ich mit Rianne einen Platz in
dem brechend vollen Zelt ergattern. Nach einer viertelstündigen Performance einer Akkordeonspielerin und einer
Tänzerin
stand
Mériadec
28
Gouriou,
ein
"Andarina" auf Tour
Frankreich
Soloakkordeonspieler, auf dem Programm. Als er die Bühne betrat, musste ich seinem Aussehen nach gleich an Jon
Bon Jovi denken und schon beim ersten Stück ließ er es
richtig krachen. Ich habe wirklich noch nie nie nie jemanden so exzessiv Akkordeon spielen gesehen!!! Er riss den
verzerrten Mund bei jeder Armbewegung weit auf, vollführte ein Headbanging, bei dem ich schon vom Zusehen
Nackenschmerzen bekam, stampfte den Rhythmus mit den
Beinen mit und brachte sein Instrument wirklich an die
Grenzen seiner Belastbarkeit und seiner Ausdehnungsfähigkeit. Schon nach dem ersten Stück musste sich der Spieler das schweißnasse Gesicht mit einem großen Handtuch
abwischen. In den folgenden Liedern brachte er dann (leider) auch noch seine Stimme zum Einsatz. Von Gesang
konnte dabei nicht die Rede sein - vielmehr erinnerten
mich seine Laute, an die unkontrollierten Schreie einer
vom Dorette-Syndrom geplagten Person. Und auf Dauer
war es wirklich anstrengend zuzuhören. Die Lautstärke
schwoll immer mehr an und der schnelle Rhythmus tat
sein Übriges – von einer entspannten Abendgestaltung war
also nichts zu spüren. In den Pausen zwischen den Stücken
verließen dann die ersten Menschengruppen geradezu
fluchtartig das Zelt, aber von draußen strömten immer
wieder Neue herein, die offenbar großen Gefallen an dem
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Akkordeonvirtuosen fanden. Denn Applaus und Bitten um
eine Zugabe gab es am Ende reichlich. Fazit des Abends:
Uns hat das Konzert nicht wirklich gefallen, aber "interessant" war es allemal und es wird uns wohl noch lange in
Erinnerung bleiben. ;-)
Nach dem Konzert trafen Rianne und ich uns noch mit den
beiden Finninnen Maria und Emmiina zum Crêpes- bzw.
Galette-Essen in einer kleinen, gemütlichen und etwas
schickeren Crêperie. Alle Galettes trugen hier die Namen
berühmter Georges - kein Wunder, denn sie hieß "Le Saint
George". So kam es, dass Rianne sich einen lange gehegten
Traum erfüllen und George Clooney (mit Spinat) vernaschen konnte. Emmiina nahm sich George Michael vor und
Maria und ich hatten ein Rendezvous mit den Malern
George Braque (Pilze, Crème fraîche) und George de le
Tour (Ziegenkäse, Honig & Nüsse). Nach den Galettes
musste natürlich noch ein Crêpes-Dessert folgen - einfach
köstlich!!!
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Ein Hauch von Révolution - 2007-10-19 22:02
Diese Woche Mittwoch gab es während der Mittagspause
eine studentische Vollversammlung. Diese wurde von einer linken (ich glaube sogar kommunistischen) Studentenvereinigung ins Leben gerufen, um über ein neues Gesetz
zu diskutieren, das die Autonomie der Unis zunehmend
einschränken soll. Generell wurde fast genau dasselbe diskutiert wie in Jena: Der Einsatz von mehr aus der Wirtschaft kommenden Leuten und weniger Studenten im
Unirat, die Machtkonzentration im Amt des Unikanzlers,
die steigenden Gebühren für Dienstleistungen der Uni, die
ungleiche Bewertung und Anerkennung der Abschlüsse
zwischen den verschiedenen französischen Unis, etc. Allein
der Atmosphäre willen war diese Generalversammlung
hochinteressant für mich. Zunächst stellte ich fest, dass
deutlich mehr Leute anwesend waren als bei einer Vollversammlung in Jena (okay, die Uni hier hat auch mehr Studenten). Es lief so ab, dass die vier Organisatoren vorne im
Hörsaal an einem Tisch saßen, ein paar einleitende Worte
formulierten und dann das Wort den anwesenden Studenten überließen, die einer nach dem anderen das Wort ergriffen. Das ging dann allerdings 2 1/2 Stunden so weiter
ohne, dass zwischendurch etwas Produktives herauskam.
31
"Andarina" auf Tour
Frankreich
Die ersten Nikotinabhängigen fingen deshalb an, sich ihre
Zigaretten im Hörsaal anzuzünden. Aber wirklich jeder
Student
wurde
bis
zum
Schluss
angehört.
Dazwischengeplapper von anderen Studenten wurden mit
scharfen "Scht"-Lauten unterbunden. Am Ende sollte dann
eine Abstimmung stattfinden, was gegen das neue Unigesetz unternommen werden könnte. Die Abstimmung endete jedoch in einem großen "Bordel" (Chaos). Von hinten
blökten die Ersten, dass alles gefälscht sei, weil keiner die
Stimmen gezählt hatte, andere moserten über die Formulierung der Forderung, "Buh"-Rufe und Pfiffe wurden laut...
Es lag tatsächlich etwas Revolutionshaftes in der Luft... Mir
reichte es dann aber nach so langer Zeit in dieser Versammlung - ich weiß nicht, was letztendlich herausgekommen ist...
Am nächsten Tag streikten übrigens wie in Deutschland
die Züge. Und auch die Unibibliothek hatte sich angeschlossen und einfach mal für einen Tag dicht gemacht.
Mal sehen, wann die ganze Uni streikt... hätte ich nichts
dagegen! ;-)
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Paris, Paris - 2007-11-08 00:55
Am Sonntagabend, den 28.10.2007, nahmen Eva, Maria
und ich den TGV von Rennes nach Paris. Wir übernachteten via "Hospitality Club" in einer Zweier-WG im Norden
von Montmartre, schon fast an der Peripherie von Paris,
die aber mit der Metro gut zu erreichen war. Montag holte
uns erst einmal das Wetter ein, das uns bisher in der Bretagne ungewöhnlicherweise erspart geblieben war: Es
regnete den ganzen Tag und das ordentlich! Wir flüchteten
in ein kleines Parfümmuseum nahe der Oper und danach in
ein gemütliches, aber wie für Paris leider typisch, sauteures Café. Da Marias und auch meine Schuhe ziemlich
durchnässt waren, mussten wir am Nachmittag erst einmal
shoppen gehen (tolle Ausrede, oder? ;-)) und so landeten
wir am anderen Ende der Stadt im Einkaufszentrum von La
Defense, ein Stadtteil, in dem sich der zweite, aber moderne Triumphbogen von Paris befindet. Den Abend verbrachten wir in einer kleinen Bar in Montmartre.
Am Dienstag dann weckte uns strahlender Sonnenschein –
perfekt, um den Tag an der frischen Luft zu verbringen. Ich
machte mich mit Maria, wie viele andere Touristen auch,
auf den Weg zum Friedhof, der (ehemals) Reichen, Schö33
"Andarina" auf Tour
Frankreich
nen und Berühmten, Père Lachaise. Wir hatten ein Rendezvous mit Oscar Wilde (Grab mit zahlreichen Lippenstift-Bisous-Abdrücken), Edith Piaf, Chopin, Honoré de
Balzac, Molière, etc. Das Grab von Jim Morrison war interessanterweise abgesperrt (es waren wohl zu viele
schwarze Messen auf seinem Rücken abgehalten worden)
und so hatten es sich zahlreiche "The Doors"-Jünger mit
einer Flasche Rotwein auf den benachbarten Grabsteinen
gemütlich gemacht, um ihrem Idol zu huldigen. Nach dem
Friedhof marschierten wir mit einem kleinen Zwischenstopp in einem Café in Richtung Zentrum um Eva zu treffen
– sie wollte uns eine kleine Führung durch das Univiertel
Quartier Latin geben. Daraus wurde jedoch nicht viel, denn
wir blieben an einem kleinen Kino hängen, das gerade für
eine Woche Fritz-Lang-Filme zeigte, und entschieden uns
spontan einen Film zu schauen. Dieser spielte kurioserweise in Prag (Eva stammt ja aus Prag) während der Besetzung durch die Nazis und enthielt somit auch einige deutsche Dialoge, die jedoch selbst für mich schwer zu verstehen waren. Es ging um das Attentat auf Heydrich, was jedoch in einer völlig fiktiven Geschichte aufgerollt wurde.
Den nächsten Vormittag verbrachte ich dann mit einem
kleinen Spaziergang im völlig von Touristen überfluteten
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Montmartre-Viertel und den Nachmittag mit dem Besuch
einer Filmausstellung in der Cinématheque. Bei dieser Gelegenheit konnte ich auch gleich einen Blick auf die wirklich sagenhaft riesige Bibliothek von Ex-Präsident Mitterand werfen, die architektonisch äußerst interessant ist.
Sie besteht aus vier Hochhäusern, die die Form aufgeklappter Bücher haben, und einem Kellergeschoss, bei dem
man eher denkt in einem Konferenzzentrum oder auf einer
Messe zu sein als in einer Bibliothek.
Am Donnerstagmorgen kehrte Eva dann schon nach Rennes zurück, so dass ich allein mit Maria eine neue Tour in
Paris startete. Wir besuchten das Musée Rodin (RodinMuseum) mit seinem Skulpturengarten und nahmen am
Nachmittag den (angeblich) schnellsten Aufzug Europas
um auf den Tour Montparnasse (Montparnasse-Turm) zu
gelangen. Trotz des nebligen Wetters bot sich uns ein
atemberaubender Blick über die ganze Stadt! Am Abend
trafen wir uns dann im Café „Les deux Moulins (Die Zwei
Mühlen), das aus dem "Die Fabelhafte Welt der Amélie"Film bekannt ist, mit Bénédicte, einer französischen
Freundin, mit der ich in Jena zusammen im Wohnheim
gewohnt hatte.
35
"Andarina" auf Tour
Frankreich
Maria hatte schon die ganze Woche vor sich hin gekränkelt; es war absolut keine Besserung in Sicht und so bot
Bénédicte ihr an, am nächsten Tag in Paris mit ihr zum
Arzt zu gehen. )ch machte mich derweil auf, um „)éna suchen zu gehen – so heißt in Paris nämlich eine Metrostati-
on und wie ich dann vor Ort auch noch mitbekam, eine
Straße, ein Platz und die Brücke, die direkt auf den Eiffelturm zuführt. Hier wird natürlich an die große Schlacht
Napoleons von 1806 gedacht, in der er gegen die Österreicher und die Preußen gewonnen hatte.
Als ich ein bisschen weiter westlich das Seine-Ufer entlang
spazierte, stieß ich zu allem Überfluss auch noch auf eine
kleine Version der amerikanischen Freiheitsstatue – mit
dem riesigen Gebäude von "Radio France" im Hintergrund.
Den Rest des Tages verbrachte ich dann im Stadtteil Marais
damit einkaufen zu gehen und die vielen kleinen Gassen
und Nebenstraßen zu entdecken bevor es am Abend wieder mit dem TGV zurück nach Rennes ging. Am Bahnhof
und in der Metro war fast niemand zu sehen – welch ent-
spannte Stille im Gegensatz zu Paris...
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Vive la Grève - Französische Streikkultur hautnah 2007-11-08 01:42
Seit Dienstag ist es auch an der Université Rennes 2 soweit:
Streik & Uniblockade gegen die Verabschiedung des LRU
(Loi relative aux libertés et responsabilités des universités,
Gesetz bezüglich der universitären Freiheiten und Verantwortlichkeiten). Ungefähr zehn andere Unis, darunter z. B.
Paris-Sorbonne, Lille oder Toulouse, waren schon eine
Woche zuvor in den Streik getreten, um damit die Veränderungen anzuprangern, die das neue Gesetz mit sich bringen würde - steigende Kosten für Einschreibungen, o. ä.,
weil sich der Staat zunehmend aus der Hochschulfinanzierung zurückziehen will, mehr Mitbestimmungsrechte für
Leute aus der Wirtschaft an der Uni und somit deren
Kommerzialisierung, etc.
Eine Generalversammlung (Assemblée Générale - AG) von
500 bis 700 Studenten hatte sich in Rennes am Dienstag
mit knapper Mehrheit für eine Uniblockade am gestrigen
Mittwoch ausgesprochen. Neugierig, was das wohl bedeuten sollte, habe ich morgens mit meinem Fotoapparat eine
Runde auf dem Campus gedreht. Alle Eingänge der verschiedenen Unigebäude waren entweder mit einem riesen
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Wirrwarr aus Tischen und Stühlen verrammelt worden
oder aber ein kleines Streikkommitee hatte es sich am Eingang gemütlich gemacht und hinderte alle am Eintreten.
Sämtliche Unikurse fielen somit aus - nur die Sprachkurse
für alle Ausländer durften abgehalten werden. Um 12.30
Uhr dann die nächste AG. Nachdem wieder fast alle Leute,
die ich schon auf der ersten AG hatte reden hören, ihre
Meinung kundgetan hatten und somit auch wieder 2 1/2
Stunden ins Land gegangen waren, dann die nächste Abstimmung. Blockade für einen weiteren Tag und an diesem
dann geheime Abstimmung per Wahlzettel über den weiteren Verlauf des Streiks (Zustimmung) oder aber gleich
Blockade für eine weitere Woche (abgelehnt), Bibliothek
blockieren? - abgelehnt, Polizeieinsätze dulden? - abgelehnt, ...
Somit ist heute also ein weiterer unifreier Tag, so dass ich
glücklicherweise Zeit finde zu einer interessanten Filmkonferenz zu gehen. Und dann also heute noch die anonyme Abstimmung über den weiteren Streikverlauf - bin echt
gespannt, denn meiner Meinung nach entspricht die Anzahl derer für den Streik der Anzahl derer gegen den
Streik. Ich hoffe nur nicht, dass es insgesamt neun(!)
Streikwochen werden wie vor zwei Jahren. Da wurde näm38
"Andarina" auf Tour
Frankreich
lich sogar das Sommersemester bis in den Juli hinein verlängert, obwohl dieses eigentlich nur bis Mitte Mai dauert...
Ich lasse mich überraschen von den streikbegeisterten
Franzosen! Auch die bretonischen Fischer sind gerade in
den Streik getreten, und man munkelt, dass es ab dem
13.11.2007 auch die französische Bahn erwischt...
Traumberuf "Grèviste" - 2007-11-18 22:59
Seit letzter Woche Donnerstag hat die Uni ihren normalen
Betrieb wieder aufgenommen. In der Nacht von Mittwoch
zu Donnerstag hatten Polizeikräfte auf Ersuchen des Unidirektors hin das größte Unigebäude (Gebäude B) von seinen
Hausbesetzern räumen lassen. Diese, größtenteils Nichtstudenten, hatten sich schon mit Kühlschrank, Kochplatte
und Sofa häuslich eingerichtet, so dass die ganze Nacht erst
mal geputzt werden musste. Ich frage mich, ob es hier eigentlich so etwas wie professionelle Grèvistes (Streikende)
gibt, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn es zu
wenige Betroffene gibt, die streiken wollen...? Donnerstagmorgen dann in aller Herrgottsfrühe (8.15 Uhr) sammelten sich alle erschienenen Studenten und Profs vor den
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Unigebäuden an und warteten in der Kälte auf Einlass. Dieser wurde uns dann von einigen Security-Leuten gewährt.
In meinem ersten Kurs jedoch waren von etwa 30 Studenten gerade mal sieben erschienen und so entschied der
Prof statt Unterricht zu machen doch lieber ein bisschen
über den Streik zu diskutieren. Da er weiß, dass ich Erasmusstudent bin, durfte ich ihm auch gleich schildern, wie
so ein Unistreik in Deutschland abläuft und dass so etwas
wie eine komplette Uniblocklade eigentlich so gut wie
nicht vorkommt.
Meine anschließenden Veranstaltungen und auch die am
Freitagmorgen hatte ich in gewohnter Manier. Nur abends
wurde die Uni schon 18 Uhr zugeschlossen aus Angst, einige Blockierer könnten sich erneut in den Gebäuden verbarrikadieren. Am Wochenende gab es wieder eine nationale studentische Versammlung - diesmal in Tours. Ergebnis: Solidarisierung mit den Angestellten, die kommenden
Dienstag streiken, Einbindung der Gymnasiasten in den
Unistreik und eine Demo am kommenden Donnerstag. Wie
es nächste Woche in Rennes weitergeht weiß ich allerdings
nicht. Weder auf der Unihomepage noch auf den Infoseiten
der Stadt und der Regionalzeitung sind irgendwelche Hin-
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
weise zu finden, ob die Uni erneut besetzt werden könnte.
Ich lasse mich daher einfach überraschen!
Vitré: Ein Ausflug mit Hindernissen - 2007-12-03 01:11
Samstag, 24.11.07: Geplanter Ausflug nach Vitré, Treffpunkt 12 Uhr Bahnhof Rennes. Ich machte mich gemütlich
mit dem Rad auf zum Bahnhof, kaufte schon mein Zugticket während ich auf die anderen (Rianne, Emmiina und
Maria) wartete und dann traf es mich wie ein Donnerschlag: Ich hatte meine Reduktionskarte für den Zug im
Wohnheim vergessen – ZUT! (Verdammt!) Sprint zur Met-
ro, in der Hoffnung in weniger als einer halben Stunde
wieder am Bahnhof zu sein. Ich versuchte vergeblich eine
SMS an die anderen zu schicken, denn mit Empfang fürs
Telefonnetz sieht es im Metrotunnel nun mal schlecht aus.
Aussteigen – Sprint ins Wohnheimzimmer – Karte raussu-
chen – Sprint zurück zur Metro und zwischendurch Tele-
fonat mit den anderen, dass sie mir den Bahnsteig durchgeben, da ich hoffentlich noch rechtzeitig am Bahnhof ankomme. Raus aus der Metro – mit immer schwerer werdenden Beinen nehme ich die endlos erscheinenden Trep-
pen zum Ausgang. Rein in den Bahnhof – Bahnsteig regis41
"Andarina" auf Tour
Frankreich
triert – Treppen – und dann: Ausgang zu meinem Bahn-
gleis gesperrt. Also fix rein in den Fahrstuhl. Kurz vor der
Abfahrt erreiche ich endlich den Zug, in dem die anderen
mich schon ungeduldig erwartet haben. Puh, geschafft –
was für ein Start! Warum ich mir so einen Stress gemacht
habe? Der Zug nach Vitré (an der östlichen Grenze der Bretagne gelegen) fährt nur etwa fünf Mal am Tag und hätte
ich den Zug nicht bekommen, hätte ich den Ausflug an diesem Tag streichen können. Aber so ist ja alles noch einmal
gut gegangen – zumindest für mich...
In Vitré angekommen schlenderten wir durch die mittelalterlichen Straßen, die schon mit reichlich Weihnachtsdeko
behangen waren, passierten eine alte Klosteranlage und
kehrten an der Schlossmauer vorbei wieder in die Innenstadt zurück. Dort packten wir erst mal die Sandwichs aus
und ließen uns unseren Mittagsimbiss in der strahlenden
Sonne schmecken. Als wir wieder weitergehen wollten ein
Aufschrei von Emmiina: Ihre Tasche hatte sich in eine
klebrige Tropfsteinhöhle verwandelt, da sie aus unerklärlichen Gründen ihre offene Fanta-Flasche in die Tasche gelegt hatte. Prrrrr! Wir klaubten sämtliche Taschentuchvorräte zusammen um Handys, Portemonnaie und den restlichen Tascheninhalt wieder einigermaßen trocken zu be42
"Andarina" auf Tour
Frankreich
kommen. Das klappte auch ganz gut, nur, dass nun die ganzen Sachen ein etwas eigentümliches Fanta-Aroma aufwiesen. Unser nächstes Vorhaben, ein gemütliches Café in
Vitré zu finden, erwies sich als äußerst schwierig. Irgendwie existierten hier generell fast keine Cafés und wenn
dann waren sie geschlossen. Doch nach ausreichender Suche wurden wir endlich fündig: Ein in mediterranen Farben gehaltenes Café mit einem Gebäckangebot zum Niederknien und dem größten Teeangebot, das wir jemals in
einem französische Café gesehen hatten. Denn eins muss
ich mal sagen: Von Tee haben die Franzosen einfach mal
gar keine Ahnung! Selbst im größten Supermarkt ist das
Angebot äußerst dürftig und losen Tee, den man bei uns ja
mittlerweile auch bei Aldi kaufen kann, gibt's hier wirklich
nur im Teeladen. Soweit mein Teeexkurs. Nach dem obligatorischen Cafébesuch erkundeten wir noch ein bisschen
den anderen Teil der Stadt. Beim Besuch der größten Kirche Vitrés wurden wir, kaum eingetreten, gleich wieder
mit einer barschen Aufforderung des Hausmeisters (oder
sagt man Kirchenmeister?) rausgeschmissen – ist man hier
gar nicht gewohnt, wo doch sonst immer alle so freundlich
sind! :-/ Naja, am zeitigen Abend nahmen wir den Zug nach
Rennes zurück und schlossen den Tag mit einem leckeren
Nudelgericht bei Rianne ab.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Kitsch de Noël - Weihnachtskitsch - 2007-12-11 01:42
Eigentlich sagt man den Franzosen ja einen Sinn für Ästhetik nach - was allerdings die Weihnachtsdekoration in allen
Städten, die ich bisher gesehen habe, betrifft, kann von
ästhetischer Gestaltung keine Rede sein. Das ist wirklich
Kitsch hoch drei!!! Da findet man dann blaue neben gelben
sowie neben roten und grünen Lichtern in den Bäumen,
pinke oder neonorange Weihnachtsbäume geschmückt mit
silbernen Kugeln in den Schaufenstern und überall blaue
Blinkerlichter. Einzig in Rennes sind die Laternen, Straßengirlanden und Bäume in einem einheitlichen Gelb beleuchtet, was abends wirklich schön aussieht. Das
Schlimmste jedoch, was ich hier beobachten kann, sind
komplett weiß angesprühte, kahle Bäume, die in sämtlichen Städten vor die Geschäfte oder auf irgendwelche
zentralen Plätze gestellt werden. Das ist einfach unglaublich hässlich und soll wohl als Ersatz für den nicht vorhandenen Schnee herhalten...? In St. Malo waren sie immerhin
noch so kreativ, die weißen Bäume mit weißem Schaumstoff zu bekleben, damit es zumindest ein bisschen nach
"echtem" Schnee aussieht. ;-) Möchte nicht wissen, was das
für eine Heidenarbeit gemacht hat...
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Und wenn das 5. Lichtlein brennt, dann hast du Weihnachten verpennt - 2008-01-22 23:43
Nachdem ich meine erste Klausur hinter mich gebracht
hatte, ging's am 21.12.07 (Freitag) auf gen Heimat. Erst mit
dem TGV von Rennes nach Paris, dann Übernachtung bei
Bénédicte in Paris und schließlich am frühen Morgen den
Eurolines-Bus direkt nach Dresden – Letzteres ein wahres
Erlebnis für sich! Da der Bus von Dresden bis nach Minsk
weiterfuhr, hatte man einen (weiß(?))russischen Busfahrer engagiert, der auch nur Russisch mit uns Fahrgästen
(in der Mehrheit Weißrussen, in der Minderheit Deutsche)
redete. Mit zumindest gebrochenem Englisch konnte er
uns dann wenigstens die Pausenzeiten klarmachen.
Abends dann der Clou: Zur Unterhaltung der Fahrgäste
wurden hintereinander drei(!) Filme gezeigt. Diese waren
natürlich entweder original Russisch oder auf Russisch
synchronisiert – war schon echt witzig Meg Ryan mal Russisch reden zu hören! So konnte ich zumindest meine
bruchstückhaften Einzelwort-Russischkenntnisse aufpolieren. ;-) Leider konnte man die Lautstärke nicht regulieren
und es gab auch keine Kopfhörer wie im Flugzeug, so dass
die Filme allmählich in eine nervtötende Dauerbeschallung
ausarteten. Zudem noch hatten wir durch die zahlreichen
45
"Andarina" auf Tour
Frankreich
Zwischenstopps eine Verspätung von zwei Stunden angehäuft, so dass sich die Fahrt in dem seit dem letzten Zwischenstopp proppenvollen Bus ewig hinzog. Ich kam
schließlich nach 2 Uhr nachts in "Good Old Dräsdn" an, wo
mich meine Mutter und Schwester abholten.
Am nächsten Nachmittag stand natürlich noch der obligatorische Striezelmarktbesuch, der Dresdner Weihnachtsmarkt, auf dem Programm und die nächsten Tage dann das
alljährliche kalorien- und geschenkereiche Fest- und
Feiertagszeremonial. Zum ersten Mal allerdings machten
wir dieses Weihnachten eine Feuerzangenbowle (Französische "Übersetzung": punche à base de vin rouge et de
rhum servi chaud et flambé, Punsch auf Rotwein- und
Rumbasis, der warm und flambiert serviert wird) – sehr
lecker!
In der kurzen Zeit nach Weihnachten traf ich mich natürlich auch noch mit allen Freunden aus Dresden und verbrachte Silvester schließlich in Freiberg, die Studienstadt
meiner Schwester, wo wir in einem kleinen Studentenclub
feuchtfröhlich ins neue Jahr hinein feierten. ;-)
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Am 4.1.08 (Freitag) trat ich die Rückreise via München und
Paris nach Rennes an. Obwohl ich wieder mal nicht schlafen konnte, war die Reise im Nachtzug doch weithin angenehmer als im Bus! Zumal ich durch einen Irrtum bezüglich der Wagennummer (was aber nicht schlimm war) in
einem Abteil gelandet war, das ich die ganze Nacht über
für mich hatte. :-) Als ich dann das Bahn-Magazin aufschlug, fiel mir auch noch gleich ein Artikel über das Jenaer
Unijubiläum (450 Jahre) in die Hände – da hatte jemand
also gute Öffentlichkeitsarbeit geleistet!
Nach meiner Ankunft in Rennes raffte ich mich auf, um
einige Tage mit Lernen zu verbringen. Und was soll ich
sagen? Die Klausuren liefen aus meiner Sicht gar nicht mal
schlecht! Aber Abwarten und Tee trinken bis die Ergebnisse raus sind...
Die Tage des mehr oder weniger fleißigen Lernens hatten
in mir allerdings einen solchen Hüttenkoller, sprich eine
Aversion gegen mein hühnerstallartiges Winzzimmer, erzeugt, dass ich erst einmal auf Reisen gehen musste. Aber
dazu mehr im nächsten Eintrag.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Angers - 2008-02-12 23:02
Am ersten Februarwochenende stand mein nächster Ausflug an: Ich machte mich auf den Weg nach Angers, das
etwa 1 ½ Stunden mit dem Auto südöstlich von Rennes
liegt. Und was soll ich sagen? Auf den ersten Blick war ich
hin und weg von dieser Stadt an der Maine! Das Museumsviertel ist komplett in hellem Sandstein gehalten und
macht somit den modernen Teil der Stadt aus. Die kleinen,
engen, mittelalterlichen Gassen mit den historischen
Fachwerkhäusern, angelegt in einem verwirrenden Straßennetz, bilden den Kontrast. Und dann diese herrliche
Lage an der Maine – sehr idyllisch vor allem bei dem früh-
lingshaften Wetter an diesem Wochenende. Meine Begeisterung schwächte sich dann allerdings Samstagnachmittag
ab, als ich den Fehler machte, meinen Fuß zur ShoppingPrimetime in die menschenüberlaufene Innenstadt zu setzen. :-S
Aber besser schön der Reihe nach: Samstagvormittag kam
ich also in Angers an, was übrigens nicht mehr zur Region
Bretagne gehört, sondern zu den Pays de la Loire. Nach
einem obligatorischen Besuch in der Touri-Info und einem
ausf“hrlichen
Stadtrundgang
48
ging s
auf
nach
St.
"Andarina" auf Tour
Frankreich
Barthélemy d Anjou, eine kleine Gemeinde westlich von
Angers. Was es dort zu sehen gab? Ein Museum der Kommunikation. Soll noch Einer sagen, ich mache hier nichts
für mein Studium!
;-) Das Museum lag in einer riesigen Parkanlage und seine
Ausstellung war mit viel Liebe fürs Detail gestaltet worden,
einzig der rote Faden fehlte ein bisschen.
Noch ein kleiner episodischer Einschub: Als ich in Angers
unterwegs war, stolperte ich auf der Suche nach einer Toilette aus Versehen ins Kongresszentrum hinein. Ich fand
mich an einem Empfangstresen wieder, wo ich mit einem
überschwänglichen Lächeln begrüßt und sofort mit einer
prospektgefüllten Papiertüte ausgestattet wurde. Meiner
verdatterten Nachfrage, wo ich denn hier gelandet sei,
wurde mit "Auf einer Reisemesse" geantwortet, ich musste
noch eine kurzen Fragebogen über mich ergehen lassen
und konnte dann eintreten. Da ja Pauschalreisen nun Erstens gar nicht mein Ding sind und es mir Zweitens auch an
Mitteln dafür fehlt, sah ich von dieser Messe tatsächlich
nur die Toiletten und entdeckte kurz vor dem Rausgehen
jedoch noch Folgendes: Einer der Kongresssäle hieß doch
tatsächlich "Osnabrück"! Osnabrück ist nämlich die Partnerstadt von Angers.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Von Samstag zu Sonntag übernachtete ich mal wieder bei
jemandem vom "Hospitality Club". Diesmal Isabelle, eine
gestresste, aufgedrehte Journalistin von Anfang 40, die
aber supernett war. Am Abend waren wir gleich bei einer
Freundin eingeladen, bei der wir mit viel Sekt und Wein
und einer leckeren Lasagne die Genehmigung ihres Kulturprojektes feierten. Es war schon sehr skurril: Ich inmitten von den drei Freundinnen zwischen etwas über 40 bis
50
Jahren,
die
total
aufgedreht
waren
wie
eine
Teenagerrunde - aber ich habe echt so viel gelacht wie
schon lange nicht mehr! :-) War echt ein klasse Abend!
Am nächsten Tag startete ich meine Museumsextremtour
mit dem Stadtschloss, in dem etwas weltweit Einzigartiges
ausgestellt ist: Der größte Wandteppich, der jemals gewebt
wurde, auf dem die Apokalypse nach der Johanneserzählung dargestellt ist. In dem spärlich beleuchteten Raum
waren die einzelnen Teppichbilder aus dem 14. Jahrhundert auf einer Länge von etwa 100 m und einer Gesamtfläche von 700 m² (!) ausgestellt – sehr beeindruckend!
Im Schlossinnenhof sah ich dann die ersten Touristen
überhaupt in dieser Stadt und die Klischees bestätigten
sich mal wieder: Italienische Großfamilie samt Mamma mit
50
"Andarina" auf Tour
Frankreich
fetten Designersonnenbrillen, Designerklamotten und goldenen Handtäschchen, zwei Japaner, die sich gegenseitig
unentwegt vor, neben und im Schloss fotografierten und
eine französische Familie mit kleinen, kreischenden Kindern. (Mit ist das hier schon öfter aufgefallen, dass ich viel
mehr Familien mit kleinen Kindern als in Deutschland sehe
und alles auch generell kinderfreundlicher gestaltet ist. In
fast jedem Museum gibt es Extrainformationen für Kinder
aufbereitet bzw. begleitende Animationen; es gibt ziemlich
viele Läden nur mit Kinderklamotten und Kinderbüchern,
etc.)
Nach dem Schloss stand das Musée des Beaux Arts (Museum der Schönen Künste) und schließlich noch die Galerie
von David von Angers auf meinem Programm. David von
Angers war ein Bildhauer, dessen teilweise übermenschlich großen Skulpturen nun hier in Angers in einer ehemaligen Kirche ausgestellt sind. Deren Dach hatte man durch
ein Glasdach ersetzt, so dass bei Sonnenlicht wohl schöne
Lichteffekte zu sehen sein müssen. Leider war es zu meiner
Besuchszeit bewölkt. Dafür grinste mich in der ersten Etage eine ganze Reihe deutscher Köpfe an, Goethe, Schiller,
die Dresdner Ludwig Tieck und Carus, etc.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Am Abend ging es mit einer Mitfahrgelegenheit zurück.
Rennes empfing mich mit strömendem Regen ...
Reisebericht - Lyon, Stadt des Lichtes - 2008-03-07
20:09
So ihr Lieben, heute werde ich mal mit einem ausführlichen Reisebericht anfangen, damit ihr einen kleinen Eindruck bekommt, was ich in den Winterferien so alles erlebt
habe.
Erst einmal vorweg: Es war echt eine der besten Reisen,
die ich je unternommen habe und das dank "Hospitality
Club", also den Leuten, bei denen ich immer kostenlos
übernachtet habe. Die waren alle supersympathisch und
gastfreundlich, haben mir ihre Stadt und die Umgebung
gezeigt, mich zum Essen eingeladen bzw. bekocht, usw.
Am 21. Februar, ein Donnerstag, ging s los und nach etwa
fünfstündiger Zugfahrt erreichte ich Lyon. Sofort merkte
ich, dass ich im Süden angekommen war: Hellgelbe und orange Häuser, rote Ziegeldächer und milde Temperaturen. Ich ließ mein Gepäck am Bahnhof und marschierte los,
um die drittgrößte Stadt Frankreichs mit den zwei Flüssen
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
(Rhône und Saône) zu erkunden. Die Lage an den Flüssen
macht die Stadt wirklich zu etwas Besonderem – ich war
total begeistert, vor allem von den vielen kleinen Brücken,
die über die Saône führen und den historischen Teil Lyons
(Vieux Lyon, Altes Lyon) und das moderne Stadtzentrum
Presque )le, Halbinsel) verbinden. Jemand erzählte mir
später, dass Lyon ähnlich wie Budapest sein muss, aber ich
war leider noch nicht in Budapest ...
Danach schlenderte ich über den schon mehr am Stadtrand
liegenden Boulevard des Etats-Unis (Boulevard der Vereinigten Staaten) und schaute mir die erstaunlichen Hausmalereien an den HLM (Habitations à Loyer Modéré, Sozialwohnungen) an. Und als Filmfreak musste ich danach
natürlich das nahe liegende Institut der Brüder Lumière
aufsuchen. Louis, einer der beiden Brüder, hatte in Lyon
nämlich den Kinematographen (griech. kinein = bewegen
& graphein = schreiben, daher unser Wort „Kino
entwi-
ckelt, ein Gerät, mit dem man sowohl Filme aufnehmen als
auch projizieren kann. Und es war auch in Lyon, wo die
Lumières schließlich ihren ersten Film aufnahmen, der die
Mitarbeiter der Lumière-Fabrik beim Verlassen des Fabrikgebäudes zeigt.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Zum Institut gehörte eine herrschaftliche Villa mit Museum
und ein Garten, in dem Drucke der von den Lumières realisierten Farbfotos, die so genannten Autochrome, ausgestellt waren. Alles war sehr gut aufbereitet und hochinteressant!
Am Abend traf ich mit Plattfüßen bei den ersten
"Hospitality Clubbern" ein. Obwohl mein eigentlicher Gastgeber gerade als Skilehrer in den Bergen unterwegs war,
hatte er mir sein Zimmer (25 m² - ein Luxus im Gegensatz
zum Wohnheim in Rennes!) überlassen und seinen Mitbewohnern Bescheid gegeben.
Am nächsten Morgen tat ich etwas für meine Kondition
und stieg den Stadtberg zum Viertel Fourvière hinauf. Dort
gab es eine mosaikverzierte Kirche zu sehen, was so einige
Touristen angelockt hatte, und die Reste römischer Amphitheater sowie ein ehemaliges Aquädukt.
Wieder unten in der Stadt sah ich mich im Vieux Lyon um,
der zu meinem Lieblingsstadtteil werden sollte: Schmale
Gassen mit Häusern in mediterranen Farben mit vielen
kleinen Geschäften, Cafés und den für Lyon typischen
"Bouchons" (eigentliche Übersetzung: Korken oder De54
"Andarina" auf Tour
Frankreich
ckel). Das sind Restaurants mit der regionaltypischen Küche und einigermaßen moderaten Preisen. Es kann sich
aber nicht jedes Restaurant „Bouchon nennen, da gibt es
strenge Auswahlkriterien. Was weiterhin sehr typisch
lyonnais ist, sind die so genannten „Traboules . Das Wort
stammt wahrscheinlich aus dem Lateinischen von „trans –
zwischen und „ambulare – spazieren und es handelt sich
um Gänge, durch die man zwischen den verschiedenen
Wohnhäusern umher spazieren kann.
Leider hatte sich bei meinem Abstieg vom Fourvière-Hügel
meine halbe Wasserflasche in meiner Tasche entleert. :-(
Mit Taschentüchern konnte ich das Schlimmste verhindern. Mein total durchnässtes Buch konnte ich zumindest
in einer Bäckerei, wo ich Halt machte, antrocknen lassen,
denn die Verkäuferin bot mir an, es ein bisschen in den
Ofen zu legen. ;-)
Den Tag schloss ich mit einem Besuch in einem Miniaturund Filmdekormuseum ab. Die hatten doch tatsächlich das
Filmdekor aus „Das Parf“m ausgestellt, das direkt nach
dem Dreh in München nach Lyon befördert worden war.
War schon eine bisschen unheimliche Atmosphäre im Museumskeller, in dem sogar eine schwarze Katze umher
huschte.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Den Samstag verbrachte ich schließlich im Musée des Beaux Arts (Museum der Schönen Künste), das zu meiner
Freude kostenlos war und nach der Besichtigung mit einem schönen Innenhof zum Ausruhen einlud. Abends führte es mich noch einmal zum Lumière-Institut, wo es eine
Filmretrospektive zu John Ford, dem großen Westernregisseur, gab. War sehr amüsant und das Kino herrlich gemütlich!
Tja, und dann war auch schon der letzte Tag in Lyon gekommen. Ich lieh mir ein Fahrrad aus, da meine Füße langsam nicht mehr mitmachen wollten, und fuhr am RhôneUfer entlang bis zum Messegelände und machte danach
Station im Tête d Or Goldkopf), ein großer Park mit Bota-
nischem Garten und Zoo. Lyon war übrigens die erste Stadt
Frankreichs, in der Fahrräder an zahlreichen Ausleihstationen für jedermann zur Verfügung gestellt worden. Man
kauft sich eine befristete oder dauerhafte Fahrradkarte
und kann sich damit an jeder Station ein Fahrrad ausleihen. Am Ziel angelangt, stellt man das Fahrrad einfach
wieder an einer anderen Station ab. Finde ich superpraktisch! )n Rennes und Paris gibt s das “brigens auch und in
Dijon, meiner letzten Reisestation, wurde das Fahrradnetz
gerade an dem Tag eingeführt, an dem ich angekommen
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
war. Ursprünglich war die Einführung der Fahrradstationen in Lyon eine Werbemethode, um Werbebotschaften
mithilfe der Fahrräder in der Stadt zirkulieren zu lassen.
Deshalb werden die Drahtesel in Lyon auch nicht von der
Stadt, sondern von einem privaten Unternehmen in Stand
gehalten.
Bevor es auf zum Busbahnhof ging, gönnte ich mir noch
einen Kaffee im Vieux Lyon, wo ich tatsächlich ohne Mantel
draußen sitzen konnte! Fortsetzung folgt ...
Villefranche-sur-Saone - 2008-03-08 20:15
Den 24. und 25. Februar (Sonntag und Montag) verbrachte
ich die Nacht in Villefranche-sur-Saone, etwa eine halbe
Stunde im Bus nördlich von Lyon gelegen, bei Jacques und
Hélène. An beiden Abenden wurde ich köstlich bekocht
und mit Wein versorgt - kein Wunder, denn ich war nun in
der wichtigsten Stadt der Weinregion Beaujolais zu Gast.
Am Montagvormittag machte Jacques mit mir eine Autorundfahrt im Beaujolais mit seinen weinbepflanzten Hügeln und Serpentinenstraßen. Wir statteten einem Freund
von ihm, dem "Ami du Pain" (Freund des Brots) einen Be57
"Andarina" auf Tour
Frankreich
such ab, der selber Brot in einem ehemaligen Bauernhof
herstellte und dafür eigenhändig einen riesigen Ziegelofen
im Haus installiert hatte. Wir konnten ihn bei seiner routinierten Arbeit beobachten, die er in der über und über mit
Mehl bestäubten Backstube barfuß verrichtete. An diesem
Tag stand Algenbrot auf dem Programm. Wie ein Bergmann hatte er sich eine kleine Kopfleuchte umgebunden,
um stets das ganze Innere des Ofens sehen zu können. Nebenan im Raum mischten er und zwei andere Männer (einer ein US-amerikanischer Bäcker, der in Frankreich wohl
seine Backtechnik erweitern wollte) die verschiedenen
Teigsorten an und ließen den Teig dann ruhen, damit er
"arbeiten" konnte. Das war echt ein interessantes Erlebnis
- hat man nicht alle Tage!
Weiter ging die Tour nach Oingt, eine winzige, fast menschenleere Stadt, deren Name furchtbar schwierig auszusprechen ist ("Oä" oder so ähnlich). Da sie auf einem Hügel
lag, hatten wir eine herrliche Sicht in die Umgebung und
die goldgelben Häuser (man spricht von "Pierre dorée",
goldener Stein) bildeten einen schönen Kontrast zum
strahlendblauen Himmel.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Zurück in Villefranche-sur-Saone nahm ich mir die Innenstadt vor, aber außer der langen, hügeligen Einkaufsstraße,
der Rue Nationale (Nationalstraße) und der Notre-DameKirche gab es nichts großartig Interessantes zu entdecken.
Allerdings machte ich hier zum ersten Mal Bekanntschaft
mit einem in der Gegend verbreiteten Brauch, der "Fête
des Conscrits" (Fest der Einberufenen). Dieses wird jedes
Jahr Ende Februar gefeiert und geht darauf zurück, dass
zwei zum Militär Einberufene sich in Schwarz kleideten,
einen schwarzen Hut aufsetzten und in diesem Aufzug
durch die Straßen marschierten. Diesen Brauch hat dann
schließlich die ganze Stadt aufgegriffen und so feiern an
diesem Tag immer alle, die dasselbe Alter haben, zusammen. Es ist also eine Gruppe der 20-Jährigen, 30-Jährigen,
etc. unterwegs. Naja, und dabei wird natürlich auch mächtig gebechert...
Beaune - 2008-03-09 15:59
Noch am 28. Februar erreichte ich abends Beaune. JeanPhilippe, mein erster Gastgeber von "Couchsurfing" (vom
Prinzip her das gleiche wie "Hospitality Club") holte mich
vom Bahnhof ab, gab mir eine abendliche Stadtführung
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
und lud mich zum Essen in ein typisches burgundisches
Restaurant ein. So kam es, dass ich zum ersten Mal Schnecken aß! Wenn man einfach nicht dran denkt, dass es sich
eigentlich gerade um dieses kleine schleimige Wesen handelt, dass man da gerade verspeist, ist es sehr lecker! Hat
eine "flubschige" Konsistenz wie Kalamaris und im Prinzip
macht nur die Soße den eigentlichen Geschmack aus.
Am nächsten Tag begab ich mich an den Ort, für den
Beaune die meistbesuchte Stadt in der Bourgogne ist: Das
Hôtel Dieu mit seinem bunten, glasierten Ziegeldach, was
hier typisch für die Region ist. Ich fand es sehr schön und
bin mittlerweile echt ein Fan dieser Dächer mit den geometrischen Mustern geworden. Im Innern des Hôtel Dieu
sah es in etwa genauso wie in dem Hôtel Dieu Bellevilles'
aus, ein Ort, den ich vorher besucht hatte, nur, dass der
Krankenraum hier größer und mit buntbemalten Holzbalken an der Decke verziert war. Im Hof des Hôtel Dieu ist
übrigens sogar einmal ein Film mit Louis de Funes ("La
Grande Vadrouille", Die Große Sause) gedreht worden!
Nachmittags hatte mir Jean-Philippe empfohlen, doch an
einer Weinverkostung in einem der zahlreichen Keller (caves) teilzunehmen. Nun gut, ich wurde mit einer silbernen
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Verkostungsschale (oder wie auch immer sich das nennt)
ausgestattet und stieg in den Keller hinab. Ich wurde von
einem schlips- und anzugtragenden Weinexperten empfangen, der mir die Weinsorten, die Weinregionen und ein
bisschen etwas über die verschiedenen Jahrgänge erzählte,
wobei ich nicht wirklich viel verstand. Erstens, die ganzen
Fachbegriffe auf Französisch und zweitens, wenn es jemanden gibt, der von Wein einfach mal gar keine Ahnung
hat, dann bin ich es. Ich ließ natürlich trotzdem in regelmäßiges Abständen ein "Oui, oui." (Ja, ja) und "Ah,
intéressant." vernehmen. Danach ging es mit der Verkostung weiter - ich hatte eine Liste von 15 Weinen vor mir.
Die Kenner suchen sich offensichtlich im Vorhinein aus,
was sie verkosten wollen. Ich fing einfach mit den ersten
Weinen an. Monsieur Expert meinte, ich solle auf jeden Fall
die jüngeren Jahrgänge meiden (von 2006 z. B. - warum
auch immer, wahrscheinlich des Aromas wegen) und müsse auch nicht alles trinken, sondern könne die Probe wieder ausspucken, um zu vermeiden, dass die Sache zu
schnell in den Kopf geht. Zum Glück ließ er mich für den
Rest der Verkostungsstrecke allein. Ich glaube, er hielt
mich mittlerweile schon für total bescheuert, weil ich mich
so amateurhaft anstellte. Der Rundgang endete schließlich
in einer ehemaligen Kirche, wo mich der Experte kurz
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
vorm Ausgang abfing. "Und, wie fanden Sie denn den dritten Rotwein, den sie im Keller gekostet haben?" - "Ääähm,
an den erinnere ich mich gerade nicht... . " Und dann ließ
ich auch noch durchblicken, dass ich eventuell noch ein
Geschenk suchte, woraufhin er mich in den Weinladen
bugsierte. "Dieser hier ist wirklich günstig für seine Sorte,
€ die Flasche. Naja, die anderen gibt es dann ab
,
€. " Schluck, schluck. "Ähm, ich glaube das “bersteigt dann
doch mein Budget. Ich werde mich mal nach was Anderem
umschauen.... ." Gott, das war echt hochgradig peinlich!!!
Ich war echt froh, als ich den Weinkeller verlassen konnte.
Und wie kommt Monsieur Expert eigentlich darauf, dass
sich eine Studentin eine Weinflasche zu 30 € leisten kann,
auch wenn das noch so günstig für diese Sorte ist ...?
Nun ja, ich musste erst einmal frische Luft schnappen und
begab mich außerhalb der Stadtmauern von Beaune in die
herrlichen Weinberge, um ein bisschen umher zu spazieren.
Dijon - Stadt der hundert Türme - 2008-03-09 22:34
Freitagabend, 29. Februar: Und da war ich auch an der
letzten Station meiner Reise angelangt, Dijon. Hier blieb ich
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
bis Sonntag bei Charles, ein Student in einer Classe
préparatoire (Vorbereitungskurs für den Zugang zu einer
Elitehochschule), der Deutsch als erste Fremdsprache gelernt hatte. So kam es, dass wir die ganze Zeit zwischen
Französisch und Deutsch hin- und hersprangen - sehr lustig! :-)
Samstag zeigte Charles mir das Zentrum Dijons und wusste
zu den meisten Gebäuden eine interessante Anekdote zu
erzählen. Dijon erinnerte mich wieder stark an Rennes mit
seinen Fachwerkhäusern und den kleinen Gassen mit zahlreichen Cafés und Restaurants. Ich bestieg am Nachmittag
einen der vielen Stadttürme und hatte einen herrlichen
Blick über die ganze Stadt. Jetzt konnte ich auch verstehen,
warum man von der "Stadt der hundert Türme" spricht wirklich überall ragten vor allem Kirchtürme in den Himmel. Und ein paar buntgemusterte Dächer gab es zu meiner
Freude auch wieder zu sehen. Am Abend aßen wir zusammen mit ein paar Freunden in Charles' Dachwohnung und
gingen danach noch zu einem Freund von ihm. Nachts auf
dem Nachhauseweg gabelte Charles dann einen alten, aber
noch gut erhaltenen Ledersessel auf, den wohl jemand für
den Sperrmüll auf die Straße gestellt hatte. Er und ein
Freund zögerten nicht lange und schleppten das Teil bis zu
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Charles' Wohnhaus und dann noch die drei Etagen bis zur
Dachwohnung hinauf. Hab lange nicht mehr so gelacht! :-)
Den Sonntag nutzte ich um kostenlos ins Musée des Beaux
Arts (Museum der Schönen Künste) zu gehen und noch ein
bisschen durch die Stadt zu schlendern. Am zeitigen Abend
hieß es dann "Adieu Dijon!" und ich nahm den TGV erst bis
nach Paris, von dort aus nach Rennes. Voll von Eindrücken,
aber echt k.o. kam ich schließlich gegen Mitternacht in
Rennes an. Und Montag rief auch schon wieder die Uni ... :-(
P.S.: Noch eine Anekdote zu Dijon: Den Meisten wird die
Stadt ja sicherlich für ihren Senf bekannt sein. Was aber
auch noch aus dieser Stadt stammt, ist der Kir, ein Getränk,
dass aus Kassiscreme und Weißwein zusammengemischt
wird. Erfunden wurde dieses Getränk vom ehemaligen
Bürgermeister Dijons namens Kir. Daher also die Getränkebezeichnung. Im Norden von Dijon gibt es sogar einen
See Kir (Lac Kir), den der Bürgermeister künstlich anlegen
ließ.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Besuch numéro 2 - 2008-03-26 19:31
Am Nachmittag des 10. März 2008 (Montag) stand der
zweite Besuch ins Haus: Theresa, eine Studienfreundin aus
Jena, gerade von ihrem Auslandssemester in Argentinien
zurück, trudelte in Rennes ein. Da gab's natürlich erst einmal eine Stadtführung und abends einen obligatorischen
Crêperie-Besuch.
Die nächsten Tage ging es auf Reisen in den Norden der
Bretagne bis nach Brest, eine Stadt im äußersten Westen
Frankreichs gelegen. Am Dienstag fuhren wir morgens mit
dem Bus nach Dinan, wo ich im November ja schon einmal
mit Rianne gewesen war. Dank Theresa aber entdeckte ich
noch ein paar neue Ecken dieser schnuckeligen mittelalterlichen Stadt mit ihren zahlreichen Fachwerkhäusern. Am
Abend nahmen wir den Bus in Richtung Westen und ließen
uns in einem kleinen Ort im Süden von Lannion von Benji
und Romain abholen, bei denen wir (mal wieder) über den
"Hospitality Club" übernachteten. Sie statteten uns mit
Infos über ihren Ort Perros Guirec, und Kartenmaterial für
den nächsten Tag aus, an dem wir die wohl schönste Küste
der Bretagne, die Côte de Granit Rose (Küste der rosanen
Granitfelsen), besuchen wollten.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Den Abend hatte es noch gestürmt und geregnet, doch der
nächste Morgen empfing uns mit strahlendem Sonnenschein. In fünf Minuten waren wir am Strand und nach
etwa einer halben Stunde konnten wir sie von weitem sehen: Die rosanen Granitfelsen, die einen ganzen Küstenabschnitt bedeckten und ein bisschen surreal in der Landschaft wirkten. Der Wind hatte bizarre Formen in den Stein
geschliffen und richtige Sitzkuhlen hinterlassen. Doch Vorsicht, der Stein war recht grobkörnig und rau – wir mussten bei unseren Kletteraktionen echt aufpassen uns nicht
die Hände aufzuschürfen. Ein Stück des Weges weiter dann
das große Naturschauspiel: Der Wind ließ meterhohe Wellen ans Ufer schlagen und das Wasser wurde tatsächlich so
sehr aufgeschäumt, dass einzelne Schaumfetzen durch die
Luft flogen. Ich weiß nicht wie lange wir gebannt diesen
Naturgewalten zusahen, aber es war einfach zu beeindruckend! Als wir schließlich im nächsten Küstenort angekommen waren, ließen wir uns wieder von den beiden
Hospitality Clubbern abholen und abends fuhren sie uns
sogar noch zum Bahnhof. Nächste Reisestation: Brest. Hier
übernachteten wir bei Gilles, der uns auch vom Bahnhof
abholte. Am nächsten Tag gab er uns eine kleine Stadtführung in der wohl so ziemlich hässlichsten Stadt, die ich
jemals gesehen habe. Überall triste, graue Betonbauten,
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
klobige Betondenkmale und –brücken, wenig Grün. Und
das grieselige Regenwetter verbesserte meinen Eindruck
auch nicht gerade. Die Stadt war im 2. Weltkrieg von den
Alliierten fast vollständig zerstört worden, weil sie eine
deutsche Marinestation beherbergt hatte, und wurde danach schnellstmöglich und mit wenigen Mitteln einem geometrischen Plan folgend wieder aufgebaut. So entstand z.
B. auch diese gruselige Kirche, die Theresa und mich besonders schockiert hatte. Heute befindet sich vor der Küste
Brests eine Lagerstätte der französischen Nuklearwaffen –
auch nicht gerade beruhigend...
Kulturell jedoch muss die Stadt wohl so einiges zu bieten
haben, es gibt zahlreiche Festivals und Bars, was wir am
Donnerstagabend dann auch in Erfahrung bringen konnten: Wir machten mit einigen Freunden von Gilles und
zwei Französinnen, die auch über "Hospitality Club" bei
Gilles übernachteten, eine kleine Kneipentour.
Freitag nahmen Theresa und ich den Regionalbus zur Pointe St. Mathieu, dem westlichsten Zipfel an der Küste. Wir
fanden einen Leuchtturm und eine Kirchruine vor, von der
eine recht mystische Atmosphäre ausging. Wir folgten zunächst dem Jakobsweg (ja, der führt hier tatsächlich lang!)
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
an der Küste. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich hier
„les blockhaus das ist tatsächlich das französische Wort!),
die deutschen Bunker, die im 2. Weltkrieg zur Überwachung und Verteidigung der Küste als riesige Betonklötze
in die Landschaft gebaut worden waren. Das war schon
eine komische und auch ein bisschen beunruhigende Erfahrung für mich – diese graffitibeschmierten Betonklötze
in der gelbblühenden Landschaft...
Nach einem kleinen Picknick nahmen wir dann den Weg
Richtung Norden nach Le Conquet und gelangten per Anhalter zurück nach Brest. Theresa reiste am späten Nachmittag leider schon wieder ab und ich trat am nächsten
Tag die Rückreise nach Rennes an. Natürlich nicht ohne
noch zwei weitere bretonische Orte abzuklappern: Roscoff,
am Meer gelegen und bekannt für seine Algen und Zwiebeln, und schließlich Morlaix, berühmt für seine weltweit
einzigartigen Laternenhäuser, mittelalterliche Fachwerkbauten.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
La Rochelle - 2008-04-17 00:33
Meine nächste Reise nach der Tour nach Brest führte mich
am Osterwochenende mit Maria in den Westen Frankreichs, nach La Rochelle und die Île de Ré (Insel Ré), etwa
zwischen Nantes und Bordeaux gelegen. Wie es der Zufall
wollte, hatte ich aufgrund meiner Reise nach Brest eine
Übernachtungsmöglichkeit arrangieren können. Als Theresa und ich nämlich bei Gilles in Brest zu Abend aßen, war
auch eine Freundin vom ihm, Claire, zu Besuch. Sie erwähnte, dass sie aus La Rochelle kommt und bot mir doch
prompt auf meine Nachfrage hin an, dass Maria und ich bei
ihren Eltern übernachten könnten. Ich rief die Eltern ein
paar Tage vorher an und die Sache war geritzt. Sie waren
wirklich unglaublich nett: Sie holten uns Freitagabend vom
Bahnhof ab und brachten uns Montag auf dem Rückweg
auch wieder hin; wir wurden am ersten Abend bei ihnen
zum Essen eingeladen, sie versorgten uns mit reichlich
Infomaterial für die Stadt und wir hatten schließlich einen
eigenen Schlafraum für uns. Und am nächsten Morgen
stand schon das Frühstück bereit. Herrlich!
Den Vormittag verbrachten Maria und ich damit die Innenstadt von La Rochelle zu erkunden. Sehr typisch waren die
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
weißen Kalksteinhäuser meistens mit Arkaden versehen,
die der ganzen Stadt einen freundlichen und hellen Eindruck gaben, der sich so ganz von den dunklen Backsteinhäusern der Bretagne unterscheidet. Besonders gefiel uns
der Bereich um den Hafen herum, wo gerade ein Töpfermarkt abgehalten wurde. Den obligatorischen Kaffee nahmen wir im Restaurant des Aquariums ein, von wo wir
einen herrlichen Ausblick auf die ganze Stadt mit ihren
zahlreichen Türmen hatten.
Claire hatte mir im Vorfeld die Handynummern einiger
ihrer Freunde in La Rochelle gegeben, damit wir abends
mit ihnen noch etwas unternehmen konnten. Ich kontaktierte einen gewissen Guillaume, der dann prompt im
Aquariumsrestaurant vorbeikam und uns zum Mittagessen
zu sich nach Hause einlud. Für unsere Abendgestaltung
hatte er auch schon einen Vorschlag parat: Eine Verkleidungsparty mit dem Thema „Folie
Verr“cktheit irgend-
wo auf dem Land 20 km von La Rochelle entfernt. Okay,
wir waren dabei! Guillaume war schon perfekt mit einer
Teufelsmaske, einem Wikingerhelm und einem riesigen
Umhang für die Party ausgestattet. Nur uns fehlte noch das
verrückte Kostüm... Wir wollten jedoch auch nicht extra
etwas kaufen und so hatte Guillaume die Idee doch einfach
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
unsere Klamotten verkehrt herum anzuziehen. Genau das
taten wir dann auch. ;-)
Abends fuhren wir also los, wirklich mitten in die totale
Pampa hinein und stellten das Auto auf dem mit „Folie
gekennzeichneten „Parkplatz ab. Zuerst sahen wir eine
hell erleuchtete Jurte, ursprünglich ein mongolisches No-
madenzelt, in die wir eintraten und in der wir auf die ersten „Verr“ckten trafen: Eine Frau in viel zu kurzen Leg-
gins, einer Bomber-Skijacke und Skischuhen an den Füßen
sowie einen "Tokio Hotel"-Verschnitt mit schwarzen
Strubelhaaren, weißen Leggings, Ringelsocken und Sandalen – einfach zum Schießen!
Die eigentliche Party mit ordentlich Musik und Buffet
spielte sich im Haus irgendeines alternativen Vereins gegenüber der Jurte ab. Die Kostümierungen waren unglaublich kreativ! Maria und ich saßen da und es kam uns alles
wie in einem Traum vor. Noch am Morgen hätten wir uns
nie erdenken können am Abend auf einer durchgeknallten
Kostümparty zu sitzen, auf die uns ein Typ mitgenommen
hatte, den wir gerade erst am Nachmittag kennen gelernt
hatten. Mais c est la vie! (Aber so ist das Leben!)
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Am frühen Partymorgen wusste wahrscheinlich so ziemlich jeder Gast, dass Maria und ich Ausländerinnen sind,
denn ich weiß nicht wie oft ich in dieser Nacht erklären
musste, woher ich komme, was ich in Frankreich mache
und warum um alles in der Welt ich hier auf dieser Kostümparty irgendwo in der Pampa bei La Rochelle bin, wo
ich doch eigentlich in Rennes wohne. Besonders witzig ist
es immer, wenn mir irgendjemand dann erzählt: „Ah, also
ich kenne auch eine Deutsche. Laura, ist ein sehr nettes
Mädel. – )ch: „Ähm, aha. Also ich kenne die jetzt nicht ... .
Und Maria war noch um einiges „exotischer mit ihrer finnischen (erkunft. Als Partyhighlight gab s sogar noch ei-
nen Männerstrip, der allerdings alles andere als professionell war. ;-)
Irgendwann am frühen Morgen lieferte uns Guillaume
dann wieder an unserem Quartier ab, wo wir vollkommen
erschöpft in die Federn fielen.
Für den nächsten Tag hatten wir uns ursprünglich vorgenommen, die nahe Île de Ré mit dem Fahrrad zu erkunden.
Doch wie ihr euch sicherlich vorstellen könnt: Pustekuchen! Aufgrund unserer Unausgeschlafenheit setzten wir
uns stattdessen in den Bus und ließen uns über die ganze
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Insel bis zur bekanntesten Sehenswürdigkeit, dem Phare
des Baleines (Leuchtturm der Wale), kutschen, besichtigten diesen und stiegen zurück in den Bus. So richtig schön
touristisch halt! ;-) Aber so hatten wir vom Busfenster aus
wenigstens einen schönen Ausblick auf die Insel und ihre
kleinen Touristenorte.
An unserem mittlerweile schon letzten Tag in La Rochelle
bestiegen wir noch den Tour de la Lanterne (Laternenturm), spazierten ein bisschen am Meer entlang und genossen einen Kaffee in der Mittagssonne. Und dann war
Ostern auch schon wieder passé.
Alltagsbeobachtungen - 2008-05-15 21:55
An dieser Stelle eine lose Sammlung an Alltagsbeobachtungen, die ich während meines gesamten Aufenthaltes in
Frankreich gemacht habe:
Bürokratie
Unglaublich, aber wahr: Die Franzosen sind noch bürokratischer als die Deutschen. Sie lieben Dokumente über alles.
Für sämtliche Gelegenheiten (Wohnheimplatzvergabe,
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Praktikumsvereinbarung, Partyraummietung) muss mindestens ein Dokument ausgefüllt werden (okay, das ist ja
noch normal); zusätzlich muss man noch irgendwelche
"justificatifs" (Belege) erbringen, sei es Wohnplatznachweis, ärztliches Attest oder Einverständniserklärung eines
Unitutors, und eine Begründung schreiben. So geschehen
für meinen Antrag auf Wohnheimplatzverlängerung: Bereits auf dem Dokument hatte ich auf dem dafür vorgesehenen Platz in Stichpunkten meine Motive erläutert, warum ich den Sommer über noch im Wohnheim wohnen
bleiben möchte. Das allerdings reichte nicht aus. Ich musste an das Dokument noch einen Brief für die Wohnheimvergabestelle heften, auf dem ich noch einmal ausführlicher auf meine Motive einzugehen hatte. Ab Mitte Juni
weiß ich dann, ob es etwas gebracht hat... Auch für mein
Praktikum musste ich eine so genannte "Convention"
(Übereinkunft) in dreifacher Ausführung ausfüllen, in der
ich mein Praktikum erläutere und dem Praktikumsbüro
der Uni sämtliche Informationen zu meinem Praktikum
gebe. Diese Dokumente konnte ich allerdings nur erhalten,
nachdem ich einen Motivationsbrief an meinen Fachtutor
geschrieben hatte. Ich schickte die Convention dann an
meine Praktikumsstelle, um deren Unterschrift zu erhalten. Danach gingen die Dokumente zurück an die Uni, um
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
die Unterschrift des Unidirektors zu bekommen und wenn
das dann irgendwann geschehen ist, werden sie mir zurückgeschickt und ich muss wiederum ein Exemplar an die
Praktikumsstelle weiterleiten. Dieser ganze Prozess war
natürlich noch begleitet davon, dass ich einen Nachweis
einer Haftpflichtversicherung einreiche, diverse Kopien
anhänge, etc. Ein Graus, als sich an meiner Praktikumsdauer etwas änderte! Ich musste wieder in dreifacher Ausführung einen Verlängerungsantrag ausfüllen, in dem ich teilweise genau dasselbe wie in der Convention schrieb und
das ganze Prozedere danach begann von Neuem. Ils sont
fous les Français!!! (Die Franzosen sind verrückt!!!)
Persönliches Geplänkel & die französische Schwäche
für ausländische Akzente
In Frankreich läuft viel mehr auf der persönlichen Ebene
ab. Überall wird eifrig ein Schwätzchen gehalten, egal ob
an der Supermarktkasse, in einem Unisekretariat oder im
Bus. Für mich als doch eher hektische Deutsche war das
mindestens viertelstündige Anstehen an der Supermarktkasse (auch wenn nur zwei Personen vor mir waren) anfangs echt nervig, aber mittlerweile merke ich das schon
gar nicht mehr. Bis wahrscheinlich zu meinem ersten AldiEinkauf wieder in Deutschland... ;-)
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Generell sind die Leute hier auch viel kontaktfreudiger und
oft ganz in ihrer eigenen Welt versunken. So reden meiner
Meinung nach mehr Leute als in Deutschland beim Einkaufen mit sich selbst, und das nicht nur ältere Leute, oder
geben Kommentare zu dem ab, was man kauft. So geschehen bei H&M, wo ich dabei war mir eine Gesichtsmaske
auszusuchen und die Frau neben mir erzählte, dass sie
davon einen Hautauschlag bekommen hatte.
Auch bei, ich sag mal "formellen" Anlässen wie Vorstellungsgespräch oder Kontoeröffnung, gibt es neben dem
offiziellen immer auch einen persönlichen Teil, in dem ich
dann natürlich erzählen musste, woher ich komme, was ich
in Frankreich mache, etc. Und auch, wenn man bei solch
"formellen" Dingen einmal ein Problem hat, ist es am besten, die persönlichen Umstände in aller Ausführlichkeit zu
erläutern und schon lässt sich das Problem meist auf zwischenmenschlicher Ebene regeln. Wenn man, wie ich hier,
Ausländer ist, hat man in den meisten Fällen sofort einen
Stein im Brett, vorausgesetzt, man spricht zumindest ein
paar Brocken Französisch. Ich habe nämlich festgestellt,
dass die Franzosen echt auf Akzente abfahren. Da ich diesen nie ganz verbergen kann, wurde ich z. B. schon beim
Kaufen von Bustickets gefragt: "Ah, vous avez un joli ac76
"Andarina" auf Tour
Frankreich
cent! Vous venez d'où?" (Ah, Sie haben aber einen schönen
Akzent! Woher kommen Sie denn?). Und wenn ich mich im
Café mit anderen Erasmusleuten auf Französisch unterhalte, kommt in den meisten Fällen auch jemand an den Tisch
und fragt interessiert nach unserer Herkunft.
Vor ein paar Minuten ein weiteres typisches Beispiel für
die französische Kontaktfreudigkeit: Ich habe für meine
Reise nach Südfrankreich wieder einige Leute vom
"Hospitality Club" kontaktiert, um bei ihnen kostenlos zu
übernachten, und habe meiner Mail auch gleich meine
Handynummer hinzugefügt. Viele rufen mich tatsächlich
sofort zurück. Und der Typ vor ein paar Minuten rief mich
sogar zurück, obwohl er gar nicht mehr in der von ihm im
Profil angegebenen Stadt (Perpignan) wohnt, aber er erzählte mir, dass er ursprünglich aus Rennes sei, fragte mich
an welcher Uni ich dort studiere, warnte mich ein bisschen
vor Perpignan als einer etwas unruhigen Stadt vor und
meinte, falls ich mal eine Übernachtungsmöglichkeit für
Paris bräuchte, wo er nun gelandet ist, könnte ich ihn kontaktieren. Einfach nur klasse!
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Englisch
Die englische Sprache bereitet den meisten Franzosen arge
Probleme. Und ich glaube für Leute, die kein Französisch
sprechen und die als Touristen nach Frankreich kommen,
ist es ziemlich schwierig sich zu verständigen. Viele Franzosen haben mir ihre schlechten Sprachkenntnisse mit
dem miesen Englischunterricht erklärt, der, zumindest bis
vor Kurzem noch, erst mit zwölf Jahren begann und dann
in der typisch frontalen Art durchgeführt wurde: Grammatik und Texte schreiben. Sprechen: Fehlanzeige! In der Uni
gab es etliche Professoren, die sich vor der Aussprache
einer englischen Wendung umständlich für ihren Akzent
entschuldigt haben und dann die Wörter in einer französischen Manier aussprachen, dass es einem die Nackenhaare
aufstellte. Ein "Junk Cut" (sprich: "Jank Catt") wurde zu
einem "Jönk Cött" oder der aus dem Hollywood-Kino
stammende "Hays Code" (sprich: "Hees") wurde zum
"Code Eis".
Aber auch im Radio habe ich so einige Grausamkeiten anhören müssen, wenn die Moderatoren von irgendwelchen
englischen Stars, Musik- oder Filmtiteln sprachen und ich
erst nach mehrmaligem Wiederholen der "frenglischen"
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Wendung erschließen konnte, von wem da gerade die Rede
war.
Doch nicht nur englische, sondern sämtliche ausländische
Namen und Bezeichnungen werden "französiert". Manchmal redete ein Prof in der Uni von irgendeiner bekannten
Persönlichkeit, doch bevor er deren Namen nicht an die
Tafel geschrieben hatte, wusste ich nicht, von wem die
Rede war. Einige Beispiele: "Leonardo da Vinci" wird zu
"Léonard de Vinci", "Pythagoras" zu "Pythagore", "Bach"
wird "Back", "van Gogh" wird "van Gock" ausgesprochen,
usw.
Hinzu kommt immer noch, dass die Franzosen sämtliche
ausländische Wendungen mit der gleichen Endbetonung
wie im Französischen aussprechen, was meist einfach nur
putzig klingt.
Sicht auf die Deutschen & das "Phänomen Tokio Hotel"
Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Franzosen
Deutsch in der Schule gelernt haben und zumindest immer
ein paar Brocken hervorzaubern, wenn ich erzähle, dass
ich Deutsche bin. Im französischen Schulsystem muss man
nämlich neben Englisch zwischen Deutsch und Spanisch
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
als Fremdsprache wählen. In den letzten Jahren überwog
die Wahl von Spanisch, wahrscheinlich weil es als romanische Sprache leichter für die Franzosen zu erlernen ist. Tja
und dann kam das "Phänomen Tokio Hotel" und immer
mehr französische Teenies entschieden und entscheiden
sich nun Deutsch zu lernen. Erst gestern auf einer Party
erzählte mir ein Franzose von seiner kleinen Schwester,
die sich, um die Liedtexte von "Tokio Hotel" zu verstehen,
enthusiastisch daran machte, Deutsch zu lernen. "Tokio
Hotel" als deutsch-französische Kulturbotschafter!?
Generell reagieren die Franzosen positiv, wenn ich erzähle,
dass ich aus Deutschland komme. Entweder haben sie
selbst irgendeine persönliche Verbindung zu Deutschland,
weil sie dort jemanden kennen oder im Urlaub waren, oder
aber sie haben absolut keine Ahnung von Deutschland,
waren noch nie dort, fragen mich dann aber interessiert,
wie diese und jene Sache denn in Deutschland von statten
geht. Bis auf eine Ausnahme habe ich keinen Franzosen
getroffen, der Deutschland automatisch mit Hitler bzw.
Nazis in Verbindung brachte. Eher im Gegenteil: Eine Französin erzählte mir, sie sei ganz genervt von der teilweise
noch öffentlich in Frankreich praktizierten einseitigen
Schuldzuweisung gegenüber Deutschland während der
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Nazizeit. Sie meinte, es würden noch viel zu oft die französischen Kollaborateure vergessen und zum Beispiel über
die französische Rolle im Algerienkrieg hülle man sich lieber in Schweigen. Von der einen Ausnahme allerdings
muss ich noch kurz erzählen: Ich war im ersten Semester
mit Eva, einer Tschechin, auf einem Tanzfestival gewesen,
wo uns eine Frau um die Mitte Fünfzig von der Insel La
Réunion (französisches Überseegebiet) fragte, woher wir
denn kämen. Als ich sagte "Aus Deutschland" erwiderte
sie: "Ah, Heil Hitler!", worauf ich säuerlich antwortete, dass
das ja nun nicht mehr aktuell sei.
Reisebericht: Ile d'Ouessant und Südbretagne - 200806-02 16:50
Wie ihr ja auf meinem Blog bereits lesen konntet, war ich
vom 17. (Samstag) bis 26. (Montag) Mai 2008 mal wieder
auf Reisen. Mit Maria machte ich mich Samstagabend nach
Brest auf, wo wir eine Nacht bei einem Couchsurfer verbrachten, um am nächsten Morgen die Fähre auf die Île
d Ouessant zu nehmen. Diese )nsel bildet “brigens den
westlichsten Teil des französischen Territoriums. Nach
einer zweistündigen Schifffahrt, zunächst entlang der Küs81
"Andarina" auf Tour
Frankreich
te westlich von Brest, dann auf dem offenen Meer, kamen
wir auf der Insel an und ließen uns mit einem Bus in den
einzigen größeren Ort, Lampaul, fahren. Wir suchten die
Jugendherberge auf, in der wir fast die einzigen Gäste waren, und drehten anschließend unsere Einkaufsrunde in
einem der drei Supermärkte der Insel, der natürlich vollkommen überteuert war. :-(
Bis zum zeitigen Abend marschierten wir den westlichen
Zipfel der Insel bis zum Phare de Nividic (Leuchtturm von
Nividic) ab. Die Natur war herrlich unbelassen und die
Wege teilweise nur von weichem Lehm und Gras bedeckt,
so dass wir große Strecken barfuß laufen konnten. Bäume
gibt es auf der Insel eher wenige, denn da es keinerlei
Schutz vom naheliegendem Festland gibt, pfeift der Wind
doch ordentlich umher. Aber wir hatten riesiges Glück mit
dem Wetter: Die Sonne schien alle drei Tage, die wir auf
der Insel verbrachten. Maria verbrannte sich ganz schön
das Gesicht, denn der Wind ließ die Strahlung einfach nicht
spüren.
Am Abend gingen wir ziemlich erschöpft von unserem
Ausflug tatsächlich mit Sonnenuntergang schlafen, der hier
allerdings auch erst 22.15 Uhr einsetzte.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Am nächsten Tag erkundeten wir den Norden, Osten und
Süden der Insel per Fahrrad. Neben der hauptsächlich wilden Küste aus schroffen Felsen fanden wir auch einen kleinen, paradiesischen Sandstrand mit Blick auf das türkisblaue Meer. Zum Baden allerdings war es leider zu kalt.
Am Dienstagnachmittag hieß es auch schon Abschied
nehmen von der kleinen Insel. Schade, ich habe mich dort
so entspannt wie seit langem nicht gefühlt!
Wieder in Brest holten uns Céline vom "Hospitality Club"
und ihr Freund vom Hafen ab und wir verbrachten eine
Nacht in ihrer unglaublich schicken Designerwohnung.
Nach ausführlichem Aperitif gab es ein Crêpes- und
Galettes-Menü vom Feinsten. Und am nächsten Morgen
erwartete uns ein reich gefüllter Frühstückstisch, gegen
den das Frühstück in der Jugendherberge ein Witz gewesen war.
Céline fuhr uns zum Bahnhof, von wo aus wir den Bus nach
Quimper in den Süden nahmen. Dort angekommen, holte
uns Gwendal vom "Hospitality Club" ab; wir aßen bei ihm
zu Mittag und machten uns danach auf, das schnucklige
Stadtzentrum von Quimper zu erkunden. Überall gab es
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Fachwerkhäuser in allen möglichen Farben und zahlreiche
Läden verkauften Fayencegeschirr, das hier für diese Region sehr typisch ist. Quimper bedeutet auf Bretonisch übrigens „Zusammenfluss", denn durch die Stadt schlängeln
sich drei Flüsse, Odet, Steir und Jet, die später ineinander
fließen.
Maria musste am späten Nachmittag nach Rennes zurückkehren, da sie vor ihrer Abreise nach Finnland noch Besuch von einer Freundin erhielt. Gwendal machte mit mir
abends eine Autotour in die Umgebung (Île Tudy,
Tronoën). Er wusste echt zu jedem Ort etwas zu erzählen,
da er einmal als Bankberater für die Bauern in der Umgebung gearbeitet hatte und somit ständig in der Gegend
unterwegs gewesen war. Außerdem erzählte er mir auch
viele interessante Dinge über bretonische Musik und Geschichte und ich konnte sogar ein paar Wörter Bretonisch
lernen.
Den nächsten Tag schaute ich mir ein Museum für bretonische Traditionen an, sowie das Schloss Lanniron. Abends
dann machte mir die französische Streikkultur einen Strich
durch meine Planung. Ich verpasste um eine Minute den
letzten Zug, der mich nach Lorient bringen sollte – der Spä84
"Andarina" auf Tour
Frankreich
tere wurde aufgrund eines Streiks nämlich gestrichen. Ich
rief Gwendal an, der mir zum Glück versicherte, mich ohne
Probleme noch eine Nacht beherbergen zu können. Wir
machten abends eine weitere Tour in die Umgebung, bei
der wir diesmal sogar am Strand picknickten. Absolut beeindruckend fand ich dort die auf den Strand gestürzten
riesengroßen deutschen Bunker „blockhaus" aus dem .
Weltkrieg. Später kamen am wir am Phare d Eckm“hl vor-
bei, ein Leuchtturm, der an eine Napoleonische Schlacht in
Eggmühl (Bayern) erinnern soll. Ich verstehe bei dieser
Namensgebung allerdings nicht, warum die Franzosen den
Ort „Eckm“hl" schreiben und die Deutschen „Eggm“hl",
denn ich meine der Laut „ck" existiert normalerweise ja
nicht im Französischen ...
Am nächsten Morgen nahm ich schließlich den Zug nach
Lorient, eine nichtssagende Industriestadt, die fast null
Persönlichkeit aufweist. Das liegt daran, dass die Stadt wie
Brest im 2. Weltkrieg fast vollkommen zerstört worden
war und danach schnell wieder aufgebaut werden musste.
Mein "Hospitality Club"-Gastgeber empfahl mir jedoch die
Fähre nach Port-Louis, einer kleinen Nachbargemeinde, zu
nehmen, was sich tatsächlich mehr als Lorient lohnte.
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Den ganzen nächsten Tag schüttete es wie aus Eimern.
Mein neugekaufter Regenschirm hielt dieser Vollladung
bretonischen Regens nur mühselig stand und auch meine
Schuhe waren nur begrenzt wasserdicht. Ich flüchtete mich
in die Zitadelle von Port-Louis, die einst von spanischen
Besetzern erbaut worden war und schaute mir, welch Ironie des Schicksals, das Marinemuseum mit seiner Ausstellung über Schiffbrüchige und die Rettungsmethoden der
Freiwilligenverbände, an. Hochinteressant! Eine weitere
Ausstellung beschäftigte sich mit dem Handel zwischen
Frankreich und Indien, da Lorient der einzige französische
Hafen gewesen war, von dem aus die Handelsschiffe ihre
Route nach Indien aufgenommen hatten.
Den nächsten Tag widmete ich Quimperlé, einer schönen
kleinen Stadt im Westen Lorients, die mich zum einen mit
ihren Kirchenbauten beeindruckte und zum anderen durch
das Vorhandensein einer englischen Telefonzelle im Zentrum und eines deutschen Briefkastens am Bahnhof. ;-)
Montag war auch schon der letzte Tag meiner Reise gekommen, den ich auf dem Weg nach Rennes noch nutzte,
um mir Auray anzuschauen. Hatte ich in den anderen bretonischen Städten schon des Öfteren meine Muttersprache
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
aufgeschnappt, so hatten hier eindeutig die Engländer die
Stadt im Griff. Ich schlenderte durch die engen Gassen aus
Fachwerkhäusern und genoss den Blick auf das kleine Hafenareal gesäumt von zahlreichen touristischen Restaurants.
Wer aufmerksam die Tour de France verfolgt, weiß vielleicht schon, dass diese dieses Jahr in der Bretagne beginnen wird. Am 6. Juli 2008 wird der Ankunftsort einer Etappe Auray sein und so waren in der ganzen Stadt in Vorfreude schon viele Schaufenster mit Tour-de-FranceAufklebern geschmückt worden.
Linguistische Kuriosität n°1 - 2007-09-22 20:13
In Deutschland machen die Teletubbies zur Begrüßung „A
O , in den Niederlanden „E O und in Finnland „O O .
Linguistische Kuriosität n°2 - 2007-09-28 19:48
Wenn in den Niederlanden das Handy klingelt, dann heißt
das "bellen". Bellt hingegen ein Hund wird das als "bluffen"
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
bezeichnet - ausgesprochen wie das „Bluffen beim Kartenspielen.
Linguistische Kuriosität n°3 - 2007-10-06 11:55
Gibt man in Deutschland eine Sache auf, so "wirft man das
Handtuch". In Frankreich hingegen "wirft man den
Schwamm" (jeter l'éponge). Beide Wendungen haben ihren
Ursprung übrigens in der Boxwelt.
Eine mögliche Bezeichnung für Türklinke im Französischen finde ich sehr lustig: "Entenschnabel" (bec-de-cane).
Linguistische Kuriosität n°4 - 2007-11-25 21:28
Das @-Zeichen wird auf Niederländisch als "Affenschwanz"
(apenstaartje) bezeichnet. Im Schwedischen heißt es "Rüssel-a" (snabel-a). Interessant: "Snabel" ist also auf Schwedisch der Rüssel, Schnabel hingegen heißt "näbb".
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"Andarina" auf Tour
Frankreich
Linguistische Kuriosität n°5 - 2008-01-23 00:24
Heute prangte ein großes deutsches Wort auf dem Titel
der französischen Tageszeitung „Libération : "KRAC(".
Gemeint ist der große Börsenkrach, der ausgehend von der
US-Börse sämtliche weitere Börsen der Welt betrifft und
überall die Kurse einstürzen lässt. "Un krach" heißt übersetzt also tatsächlich "Börsenkrach". Nur witzig, dass wir ja
mittlerweile auf Neudeutsch immer von einem BörsenCRASH sprechen...
An dieser Stelle noch ein paar weitere deutsche Wörter,
die es in den französischen Sprachalltag geschafft haben:
Un edelweiss - bezeichnet die Blume Edelweiß, aber auch
eine Biermarke heißt hier so.
Un ersatz - Ersatz, z. B. auch "un ersatz de café" was Kaffeeersatz heißt.
Un leitmotiv - wie auch im Englischen hat es dieser Musikbegriff ins Französische geschafft .
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"Andarina" auf Tour
Skandinavien
Skandinavien (Dänemark, Norwegen,
Schweden & Finnland)
Zeitraum & Tätigkeit
Juli 2008 & April 2014: Urlaub
Mai 2012 & August 2013: Arbeit als Reisebegleiterin auf einer Nordkaptour
Personen
Heinz & Günter
Busfahrer auf der Nordkaptour im Mai 2012
Kati & Slava
Couchsurfer, die mich in Tampere beherbergen
Katja
Freundin, die ich vom Studium aus Jena kenne und
mit der ich 2014 Dänemark und Schweden bereise
Maurizio
Couchsurfer, den ich mit >Kati & Slava in Tampere
treffe
Begriffe
Couchsurfing
Internetplattform mit Leuten aus aller Welt, bei denen man kostenlos übernachten kann bzw. die einem
ihre Stadt zeigen
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"Andarina" auf Tour
Skandinavien
Erste Eindrücke aus Finnland - Tampere - 2008-07-20
20:10
Letzten Montag traf ich im "Land der tausend Seen", Finnland, ein, genauer gesagt in Tampere. Überall sieht man
Fabriktürme und rote Backsteinfabrikhäuser. Die industrielle Vergangenheit (z. B. Textil- und Schuhindustrie) lässt
sich also nicht verleugnen und Tampere wird daher auch
als das "finnische Detroit" bezeichnet, wie mir meine beiden Gastgeber Kati (Finnin) und Slava (Russe) erzählten.
Am ersten Tag nahmen sie mich zusammen mit einem anderen Couchsurfer, Maurizio (Italiener), mit auf einen kleinen Stadtrundgang. Maurizio war ständig auf der Suche
nach einem echten italienischen Espresso, den er natürlich
nirgendwo finden konnte. ;-) Am Nachmittag sah ich mir
Tampere aus der Luft an, indem ich auf einen Aussichtsturm (übrigens mit sich drehender Kuppel wie der Berliner Fernsehturm) im Vergnügungspark Tamperes stieg.
Wow, fast die ganze Stadt ist von zwei Seen umgeben. Eine
herrliche Lage!
Am zweiten Tag besichtigte ich das Medienmuseum von
Tampere (ich will ja auch mal wieder was für mein Studium in Deutschland tun! ;-)) in einem riesigen Fabrikkom91
"Andarina" auf Tour
Skandinavien
plex gelegen, der schon als eine Stadt in der Stadt bezeichnet wird, da es dort zahlreiche Museen, ein Kino, Kneipen,
Agenturen und sogar eine Kirche gibt. Nachmittags dann
zusammen mit Kati und Slava die zweite Museumsrunde
im Leninmuseum. Ja, Lenin war es nämlich, der 1917 den
finnischen Unabhängigkeitsvertrag unterzeichnete. Reisen
bildet!
Den letzten Tag in Tampere verbrachte ich einfach damit
durch die Stadt zu bummeln und mich immer wieder an
der finnischen Sprache zu erfreuen, die ellenlange Wortschlangen hervorbringt und gerne Vokale und Konsonanten anhäuft. An sich klingt die Sprache meiner Meinung
nach eher bedächtig und die Finnen sprechen mit vielen
Pausen. Auf der Straße sieht man außerdem extrem viele
blonde Leute (na so was) und ziemlich viele schwarzgekleidete "Grufties" und Heavy-Metal-Leute. Tampere soll
für die letztgenannten beiden Stilgruppen in Finnland sogar die wichtigste Stadt sein.
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"Andarina" auf Tour
Skandinavien
Intermezzo im Hohen Norden: Nordkaptour, Klappe
die Dritte - 2012-06-29 12:39
An dieser Stelle meines Blogs habe ich die schönsten Fotos
von meiner diesjährigen Nordkaptour zusammengestellt,
für die ich nun das dritte Mal als Reisebegleiterin in den
Hohen Norden aufgebrochen war. Die Tour verlief recht
entspannt, bis auf die üblichen Ausraster ("Warum wird
der Kaffee nicht sofort aufgefüllt?", "Warum müssen wir
immer so hetzen?") waren die Gäste sehr nett und nach
einer anfänglichen Auftauphase auch recht herzlich ("Naja,
die kommen halt aus dem Norden." - O-Ton mein Busfahrer Heinz). Mit den beiden Busfahrern Heinz und Günter
habe ich mich super verstanden und die kannten sich "da
oben" auch sehr gut aus. Es war faszinierend zu sehen, wie
anders die Landschaft im Vergleich zu meinen Reisezeiträumen im Juli und August/September in den Jahren zuvor
aussah. Wir fuhren teilweise an geschlossenen Schneedecken vorbei und auch die Berge waren viel schneebedeckter als später im Jahr. Und das große Highlight: Strahlender
Sonnenschein am Nordkap, was in etwa einem Sechser im
Lotto gleichkommt! „So sieht also die Straße aus, die man
dahin hochfährt! , dachte ich nur, nachdem man in den
Jahren zuvor vor lauter Nebel kaum die Hand hatte vor
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Ende der Leseprobe von:
„Andarina“ auf Tour: Zwischen Reisefieber und Alltag in
Frankreich, Marokko, Tansania, Iran und der Dominikanischen
Republik - Die besten Beiträge aus Connys Reiseblog (2007-2016)
Cornelia Steinigen
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