Cornelia Steinigen "Andarina" auf Tour: Zwischen Reisefieber und Alltag in Frankreich, Marokko, Tansania, Iran und der Dominikanischen Republik. Die besten Beiträge aus Connys Reiseblog (2007-2016) epubli GmbH "Andarina" auf Tour: Zwischen Reisefieber und Alltag in Frankreich, Marokko, Tansania, Iran und der Dominikanischen Republik. Die besten Beiträge aus Connys Reiseblog (2007-2016) Cornelia Steinigen Copyright: © 2016 Cornelia Steinigen Blog-URL: https://andarina-vom-dienst.org/ Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de Umschlagsfoto: Bootsanlegestelle in Lamu-Town, Lamu, Kenia. Foto: © Cornelia Steinigen Vorwort "Andarina" auf Tour Vorwort Andarina kommt aus dem Spanischen und ist ein etwas altmodischer der Begriff, Wandervogel bedeutet. mich So stets nennt meine Gastmutter in der Dominikanischen Republik, wo ich gerade ein Freiwilligenjahr verbringe, wenn ich mal wieder auf Reisen gehe. Sehr passend wie ich finde! So passend, dass ich vor Kurzem sogar meinen Reiseblog umbenannte und ihm die URL https://andarina-vom-dienst.org/ verpasste. Als ich aus diesem Reiseblog meine besten Beiträge für das vorliegende Buch auswählte und alle noch einmal las, war ich erstaunt, wie viel Material sich in "Andarina" auf Tour Vorwort neun Jahren Bloggeschichte angesammelt hatte. Es war teilweise wie eine Zeitreise in meine eigene Vergangenheit: Manche Reiseanekdoten hatte ich bereits völlig vergessen, an manche Orte konnte ich mich schon gar nicht mehr erinnern – ein komisches Ge- fühl, aber gleichzeitig auch eine Gelegenheit für mich sie in meiner Erinnerung „wieder zu beleben . Denn dafür ist mein Reiseblog schließlich da: Eindrücke, Beobachtungen, Erlebnisse, manchmal extrem detailliert, manchmal länderübergreifend vergleichend, festzuhalten, zu analysieren und zu zeigen, mit wie viel Freude, Lernen und Neugier Reisen für mich verbunden ist und dies auf meine Leser zu übertragen. Die größten Passagen in diesem Buch nehmen Länder ein, in denen ich länger einmal gelebt und studiert bzw. gearbeitet habe: Frankreich, Marokko, Tansania und die Dominikanische Republik. Alle weiteren Länder habe ich bereist, jedoch in der Regel nicht wie ein Pauschaltourist, sondern auf individuelleren Pfaden, sei es, weil ich Freunde besuchte, an einer Summer School oder Bildungsreise teilnahm. Bei vielen meiner "Andarina" auf Tour Vorwort Reisen lernte ich dank der )nternetplattform „Couchsurfing" unglaublich gastfreundliche und interessante Leute kennen, die mir ihr Land und ihre Kultur näherbrachten und meine Reise unvergesslich prägten. Die Blogbeiträge sind chronologisch aufsteigend sortiert. Jedem Länderkapitel habe ich ein Verzeichnis vorangestellt, das den Zeitraum, die jeweilige Tätigkeit während meines Auslandsaufenthaltes, sowie Personennamen und landestypische Begriffe erklärt. Ich habe in diesem Buch bewusst auf Fotos verzichtet, da es bereits einen beträchtlichen Seitenumfang erreicht hat. Die Bilder zu meinen Auslandsaufenthalten und Reisen sind jedoch nach Ländern sortiert auf meinem Reiseblog zu finden. Ich wünsche euch nun eine anregende Lektüre, freue mich über Feedback und stehe gerne für Reisetipps zur Verfügung. Cornelia "La Andarina", Jarabacoa, April 2016 "Andarina" auf Tour Inhalt Inhalt Frankreich ..................................................................................................... 7 Skandinavien (Dänemark, Norwegen, Schweden & Finnland) .................................................................................................... 90 Marokko, Spanien & Großbritannien ........................................... 97 Usbekistan............................................................................................... 201 Tansania & Kenia ................................................................................. 232 Schweiz ..................................................................................................... 313 Iran & Türkei ......................................................................................... 319 Polen .......................................................................................................... 342 Portugal .................................................................................................... 347 Dominikanische Republik ............................................................... 362 "Andarina" auf Tour Frankreich Frankreich Zeitraum & Tätigkeit September 2007 - Juni 2008: Studium an der Université Rennes 2 Personen Anne Mitstudentin aus Jena, die mit mir in Rennes studiert Anke Mitstudentin aus Jena, die mit mir in Rennes studiert Bénédicte französische Studentin, mit der ich in Jena zusammengewohnt hatte und die nun in Paris lebt Benji & Mitglieder im >Hospitality Club, die mich und Romain >Theresa in Perros Guirec beherbergen Céline Mitglied im >Hospitality Club, die mich und >Maria in Brest beherbergt Charles Mitglied im >Hospitality Club, der mich in Dijon beherbergt Claire Freundin von >Gilles, bei deren Eltern >Maria und ich in La Rochelle übernachten Clémence französische Studentin in Rennes, meine Mentorin Emmiina finnische Mitstudentin in Rennes Eva tschechische Mitstudentin in Rennes Gilles Mitglied im >Hospitality Club, der mich und >Theresa in Brest beherbergt Guillaume Freund von >Claire, den >Maria und ich in La Rochelle treffen Gwendal Mitglied im >Hospitality Club, der mich in Quimper beherbergt 7 "Andarina" auf Tour Isabelle Frankreich Mitglied im >Hospitality Club, die mich in Angers beherbergt Jacques & Mitglieder im >Hospitality Club, die mich in Hélène Villefranche-sur-Saone beherbergen Jean-Philippe Mitglied bei >Couchsurfing, der mich in Beaune beherbergt Koen Freund von >Nele Maria finnische Mitstudentin in Rennes Nele belgische Mitstudentin in Rennes Rianne niederländische Mitstudentin in Rennes Theresa Mitstudentin aus Jena, die mich in Rennes besucht Begriffe Couchsurfing Internetplattform mit Leuten aus aller Welt, bei denen man kostenlos übernachten kann bzw. die einem ihre Stadt zeigen; Nachfolgeplattform von >Hospitality Club Erasmus Name eines Austauschprograms für Studenten (Erasmusstudenten), in dessen Rahmen diese an einer anderen europäischen Uni studieren können Hospitality Club Internetplattform mit Leuten aus aller Welt, bei denen man kostenlos übernachten kann bzw. die einem ihre Stadt zeigen; Vorgängerplattform von >Couchsurfing Metro U-Bahn TGV französischer Schnellzug, mit dem ICE vergleichbar 8 "Andarina" auf Tour Frankreich Aufbruchsstimmung - 2007-08-27 18:37 Halli hallo an alle! Mit diesem Blog könnt ihr euch immer bezüglich meiner Wenigkeit auf dem Laufenden halten. In genau zwei Wochen und zwei Tagen heißt es nämlich: Adieu Deutschland und bienvenue la France! Ich werde zu meinem Erasmusjahr nach Rennes in die Bretagne aufbrechen, jipiiieh! Die Vorbereitungen laufen schon auf Hochtouren: Mein Zimmer in Jena ist mittlerweile um einige Bücherreihen leerer, ebenso sehen schon die Zimmerwände aus und der Fußboden wird zunehmend mit Umzugskisten vollgestapelt. Am 1.9.07 ziehe ich in „Good Old Jena aus und werde bis zum 12.9.07 in „Dräsdn ;-) verbringen. So, dies war der erste Streich (äh Blog), aber der Zweite folgt sogleich! 9 "Andarina" auf Tour Frankreich Ferien vor der Haustür - 2007-08-27 19:15 Die Hausarbeiten sind geschrieben, Praktikumsbewerbungen verschickt - und nun? Damit ich mein Semesterticket vor meiner Abreise noch mal ausnutze, entschloss ich mich ein bisschen Thüringer Frischluft zu schnappen und die Umgebung Jenas zu erkunden. Erstes Ziel im Osten Jenas: Gera. Nun ja, eine Stadt, die nicht gerade wegen ihrer Schönheit bekannt ist. Und tatsächlich: Eine Innenstadt mit viel Beton, großen, klotzartigen Mainstream- Einkaufspassagen und erschreckend vielen leer stehenden, teilweise heruntergekommenen Häusern. Obwohl einige Leute auf der Straße unterwegs waren, kam mir die Stadt doch irgendwie verlassen vor. Etwas abseits vom Zentrum dann die große Rentnerwelle - ihr einziges Ziel: Die BUGA, auf deren Eingang sie Fotoapparat-behangen, sonnenbebrillt, kurzhosig und mit Socken in den Sandalen (ich pauschalisiere natürlich) zuströmten. Das Gartengelände sah schon sehr einladend aus, war mir aber zu teuer. Stattdessen entdeckte ich den wohl schönsten Stadtteil Geras: Untermhaus. In dem kleinen, verschlafenen und gemütlichen Ortsteil steht nämlich das Geburtshaus des Malers Otto Dix (vielleicht kennen ihn ja die Dresdner aus den Neuen Meistern). Zu besichtigen gab s viele Bilder und 10 "Andarina" auf Tour Frankreich noch mehr Schautafeln mit wirklich interessanten Einblicken in seine Biographie. Auch die Orangerie, die ich danach besuchte, hat sich Dix gewidmet und viele seiner Werke ausgestellt. An alle Kunstinteressierten: Eine Besichtigung lohnt sich!!! Fotos von Gera konnte ich nicht viele schießen. Nachdem ich das kleine „Flower-Power (ja, auch dort gibt s diese Musikbar) aufgenommen hatte, schmierte mein Foto ab. Ersatzbatterien hatte ich natürlich zu Hause vergessen. :-/ Das Flower Power in Gera - damit soll wohl die BUGA auch für junge Leute attraktiv gemacht werden. ;-) Ebenso erging es mir am nächsten Tag in Gotha - eine Kleinstadt westlich von Jena (für alle nicht so ThüringenKundigen: Gotha liegt zwischen Eisenach und Erfurt). Nachdem ich zumindest ein paar mehr Fotos schießen konnte, hoben auch hier meine Fotobatterien die Hufen (Was sind das bloß für Scheiß-Billigdinger...?). Nachdem ich den mühsamen Aufstieg auf den Stadtberg zum Schloss Friedenstein überwunden hatte und dabei zwei vorbeipreschenden Pferdekutschen ausgewichen war, betrat ich den weitläufigen Schlossinnenhof und schlitterte sogleich in das 10. Gothaer Barockfest hinein. Überall rannten kostü11 "Andarina" auf Tour Frankreich mierte, gepuderte Leute umher, an den Verkaufsständen gab es den üblichen Mittelalterkrempel und ein Bläsertrupp lieferte den passenden Soundtrack. Merkwürdigerweise gab es sogar ein Kamelgehege, wobei ich mich frage, was die mit dem Barock zu tun haben. Naja, vielleicht waren sie aufgrund ihrer barocken (Höcker-) Formen eingeladen worden? ;-) In den Schlossgemäuern konnte ich mich von der sengenden Hitze im Schlossinnenhof zum Glück etwas abkühlen während ich mir zwei Ausstellungen ansah. Ja, ja, ne richtige Bildungs"reise"! ;-) Schon etwas genervt von dem ganzen Barockgetümmel stieg ich den Stadtberg auf der anderen Seite wieder herunter zum Marktplatz. Der ist umzingelt von schönen, rausgeputzten Häusern - besonders bekannt das rote Rathaus - und kleinen Cafés. Auf der Einkaufsstraße hatte man schon die Bürgersteige hochgeklappt und so fand ich das ganze Stadtzentrum eher ausgestorben vor. Das war vielleicht auch ganz gut so: Meine Füße glühten mittlerweile und so schleppte ich mich plattfüßig zurück zum Bahnhof. Dank Wochenend-Zugverkehr und Bauarbeiten dauerte meine Rückfahrt, für die ich hinzu eine Stunde gebraucht hatte, drei Stunden! Uff! 12 "Andarina" auf Tour Frankreich Stand der Dinge - 2007-09-12 00:08 Morgen um dieselbe Zeit werde ich schon im Nachtzug zwischen Berlin und Paris durch das Land rauschen und wahrscheinlich mehr oder weniger schlafen, um für meine Ankunft in Frankreich gut ausgeruht zu sein. Die Hälfte meines Gepäcks, zwei Koffer, habe ich bereits gestern mit dem Hermes-Versand (diese Schleichwerbung immer ;-)) auf die Reise geschickt - sie werden aber erst nach mir in Rennes ankommen. Morgen früh geht es dann ans Einpacken meiner restlichen Sachen, ich hoffe nur alles unterund dann auch wegzubekommen! Ich werde definitiv wie ein Packesel aussehen! Die vergangenen Tage in Dresden habe ich überwiegend damit verbracht, irgendwelche organisatorischen Angelegenheiten für und über Frankreich im Internet zu recherchieren, mich von allen Daheimbleibenden zu verabschieden, eines der vielen Frankreich-Bücher Ulrich Wickerts zu lesen, etc. Mein Zimmer in Jena jedenfalls habe ich letzte Woche Dienstag endgültig geräumt. Zuvor war meine Schwester noch einige Tage zu Besuch, an denen wir noch ein biss13 "Andarina" auf Tour Frankreich chen Thüringen unsicher gemacht haben: Ausflug zur Wartburg nach Eisenach und nach Rudolstadt. Die Highlights: Eine Eselstation am Fuße der Wartburg - mit den Grautieren kann man sich den Weg nach oben schunkeln lassen, worauf wir aber verzichteten und lieber zu Fuß hoch stapften - und die übergroßen Filzpuschen, die wir bei einer Führung in der Rudolstädter Heidecksburg über unsere Füße stülpen mussten und somit gleich das Reinigungspersonal entlasteten, indem wir die Böden der Festsäle blitzblank polierten. Auf jeden Fall gab s wieder viel zu entdecken im Thüringer Land! Meinen nächsten Bericht gibt es dann wahrscheinlich aus "Fronkreisch"! ;-) Bis dahin! A bientôt! :-) Erste Eindrücke aus Rennes - 2007-09-16 19:28 Chers amis (liebe Freunde), heute also mein erster ausführlicher Bericht aus dem fernen Rennes! Anreise, 12./13.9.07 Am Dienstag hatte mich meine Mutti mit dem Auto nach Berlin gefahren, da ich dort gegen 21.30 Uhr mit dem 14 "Andarina" auf Tour Frankreich Nachtzug nach Paris losfuhr. Ich hatte einen Liegeplatz, doch an Schlaf war fast die ganze Nacht nicht zu denken. Der Zug hat oft dermaßen hin- und hergeruckelt, dass ich manchmal dachte, er entgleist gleich bzw. ich falle gleich aus dem Bett heraus. Dafür hatte ich großes Glück mit meinen zwei sehr netten Zimmergenossinnen – zwei Französinnen, die mich bezüglich meiner Französischkenntnisse gleich auf die Feuerprobe stellten. Die beiden habe ich soweit gut verstanden und ich konnte mich auch so einigermaßen verständlich machen. Als ich ihnen erzählte, dass ich in Paris vom Gare du Nord (Nordbahnhof) zum Gare Montparnasse (Montparnasse- Bahnhof) mit der Metro fahren muss und mir noch ein Ticket kaufen muss, hat die Eine gleich ihr Portemonnaie gezückt und mir ein Ticket geschenkt. :-) Die andere Französin hat mir dann im Bahnhof noch den Weg zur Metro gezeigt und mir außerdem noch viele wertvolle Reisetips für Frankreich gegeben. Im Pariser Vormittagsgedränge dann mit vier Gepäckstücken Metro zu fahren war echt ätzend und ich möchte nicht wissen, wie vielen Leuten ich mit meiner Kraxe im Gesicht hing – aber zum Absetzen war einfach kein Platz! Vom Gare Montparnasse aus bin ich nun zwei Stunden mit dem TGV weiter gen Westen nach Rennes gefahren, wo ich gegen 14 Uhr eintraf. Mit der Renner 15 "Andarina" auf Tour Frankreich Metro ging s weiter zum Univiertel der Université 2 „Villejean , wo sich im Empfang schon einige Erasmusstudenten angesammelt hatten. Nach einigem Warten wurden wir in ein anderes Gebäude gelotst, wo wir Papierkram erledigten. Dann ging s mit der ganzen Bagage weiter zum Wohnheim, wo die Anmeldung noch einmal ewig dauerte und bei einigen echte Verzweiflung auslöste. Die französische Bürokratie ist echt noch schlimmer als die deutsche! Was man da alles für Unterlagen für ein Wohnheimzimmer benötigt: Medizinisches Zertifikat (hatte ich zum Glück schon), eine Zimmerversicherung (hatte ich noch nicht), zwei Passfotos, etc. Naja, endlich durfte ich dann mein 9m²-Zimmer beziehen. Bis in den späten Abend habe ich ausgepackt und es mir einigermaßen gemütlich eingerichtet. Dann fiel ich nur noch in das viel zu weiche Bett und konnte sogar mit dem eigentlich unbequemen Oreiller (lange Kissenwurst) unter dem Kopf einschlafen, weil ich einfach nur total kaputt war. Der nächste Tag, 14.9.07 Mit der Deutschen Bahn hatte ich mir noch zwei weitere Gepäckstücke nachschicken lassen, da ich für das eine Jahr ja doch ganz schön viel Zeug brauche und Frankreich ja nun nicht gerade für seine niedrigen Preise bekannt ist. 16 "Andarina" auf Tour Frankreich Auf jeden Fall kam am nächsten Tag dann zumindest einer der beiden Koffer an – ich hoffe, der Zweite trudelt auch noch ein... Um 10.30 Uhr hatten wir die erste Infoveranstaltung in einem Hörsaal, wo uns die Erasmusbeauftragte, das Sprachenzentrum und die studentischen Betreuer begrüßten. Wir erhielten eine hässliche graue Begrüßungstasche, deren Inhalt aber umso wertvoller ist: Infobroschüren über Rennes und die Uni, Anmeldeformulare, sowie ein gedrucktes Vorlesungsverzeichnis. Bis Mitte Oktober müssen wir unseren Stundenplan zusammengestellt haben. Im Anschluss gab es einen „Pot d accueil (Willkommens- trunk) mit kleinem Imbiss, wo sich die ersten Kontakte knüpften. Anne, die ich bereits vom Französischkurs in Jena kenne, hatte ich am vorhergehenden Tag schon getroffen und Anke, die ich auch schon aus Jena kenne, und die mit ihrer kleinen Tochter nach Rennes gekommen ist, konnte ich auch begrüßen. Außerdem habe ich meine „marraine Mentorin Clémence getroffen, die ich gleich mit ein paar Fragen löchern konnte. Anne und ich haben uns dann mit einer Belgierin und einer Niederländerin, sowie einer Finnin unterhalten – echt kompliziert, wenn man da zwischen den Sprachen Französisch, Englisch, 17 "Andarina" auf Tour Frankreich Deutsch bzw. Niederländisch hin- und herwechselt, weil eben alle noch nicht so vokabelfest sind. Aber es ging schon, ça va! Mit der Niederländerin habe ich Mittags die Mensa („Restau U ) getestet: Vorspeise (Salat), Hauptspeise (Pizza) und Nachtisch (Karamelcreme) oder ein Getränk. Wasser steht kostenlos auf jedem Tisch zur Verfügung. Nachmittags sind wir in die Stadt gefahren und haben bei Bouguyes (sprich: Buig) eine französische Simkarte, sowie eine Prepaidkarte fürs Handy gekauft. Später holten mich Anne und ihr Freund mit dem Auto vom Bahnhof ab und wir kurvten ein bisschen durch Rennes auf der Suche nach einem günstigen Supermarkt namens „Super U . Wir fanden zwar schließlich eine andere Filiale, als die, wo wir ursprünglich hin wollten, aber konnten uns dort mit dem Nötigsten eindecken. Zum Glück gibt s da f“r viele Produkte eine Billigmarke „Bien vu , denn an sich ist es echt teuer! Abends habe ich dann mit der Niederländerin, der Belgierin, zwei Finninnen sowie zwei Deutschen die „Rue de la Soif Straße des Durstes getestet, in der Bar an Bar, Kneipe an Kneipe liegt und auch die ersten Betrunkenen nicht lange auf sich warten ließen und uns fast umrempelten. 18 "Andarina" auf Tour Frankreich Total verpennt 15.9.07 Für den nächsten Morgen war in unserem vollgepackten Programm ein Besuch des „Marché des Lices , der große Wochenmarkt Rennes , angesetzt. Ich verschlief prompt und wurde zum Glück von Anne geweckt, die auf meinem Handy anrief. So konnte ich später noch zur Gruppe hinzustoßen. Nach dem Marktbesuch gab es erst mal eine Stärkung in Form von heißer Schokolade, Tee bzw. Orangensaft in einem Café in der lebhaften Innenstadt. Ganz Rennes schien auf den Beinen zu sein! Mittags traf ich mich mit Clémence, die mir eine kleine Stadtführung gab, einen günstigen Supermarkt zeigte, etc. Den Rest des Tages verbrachte ich damit durch die hektische Innenstadt zu schlendern, die interessanten Leute auf der Straße zu beobachten , die kleinen, versteckten Gassen mit den krummen Fachwerkhäusern zu entdecken und schließlich noch einmal im „Super U zum Einkaufen zu landen. Die Stadt Ich denke, um mal eine erste Zusammenfassung zu wagen, ich werde mich pudelwohl in Rennes fühlen – die Innenstadt ist genau nach meinem Geschmack: Kleine, alternative Läden und Cafés, ausgeflippte Leute, alte, krumme Häuser, ... ;-) Und auch die Erasmusleute, die ich bisher kennen 19 "Andarina" auf Tour Frankreich gelernt habe, sind sehr sehr sympathisch. Ich hoffe natürlich dann an der Uni auch noch mehr Franzosen kennen zu lernen! Okay, das reicht für heute! Grüße ins kalte Deutschland! Hier ist es nämlich um einige Grad wärmer. :-) Alltagsbeobachtungen - 2007-09-22 20:12 Dauerberieselung An sämtlichen öffentlichen Orten wird man hier mit seichter Hintergrundmusik dauerbeschallt: Egal, ob man auf die Metro wartet, Bus fährt, schwimmen geht oder außen bzw. innen am bzw. im Einkaufscenter unterwegs ist – überall dudelt irgendwelche einigermaßen aktuelle Chartsmusik vor sich hin. Sogar auf dem Flohmarkt letztes Wochenende waren an den Trafomasten Lautsprecher angebracht, aus denen zuerst traditionelle Folkloremusik, dann 80er-JahreMucke und später ein Radiogespräch herausdudelten. Erklärungsversuche? Ich habe keine, aber vielleicht ist den Leuten hier einfach die Stille zu laut. ;-) Apropos Musik: Ich habe vor einigen Tagen tatsächlich die deutsche Band „Tokio Hotel im Radio gehört, quel horreur (wie schrecklich)! 20 "Andarina" auf Tour Frankreich Die waren ja mit ihrem ersten Lied in Frankreich auf Platz 1 in den Charts. Naja, so werden jetzt zumindest viele französische Teenies dazu angeregt Deutsch zu lernen... Essen Wie ich schon befürchtet habe, muss ich hier auf leckere dunkle Körnerbrötchen bzw. –brot verzichten. Es gibt wirklich nur Baguette und das aber in allen Varianten. Problem: Für mich schmecken fast alle Baguettesorten gleich und ich habe festgestellt, dass dieser helle Teig auch nicht sehr nahrhaft ist. Ich kann ein ganzes Baguette verdrücken und habe nach einer Stunde schon wieder Hunger. :-( Die andere Speise, die ich, vielleicht als typische Deutsche, bemängeln muss, sind die Würstchen hier. Was im Supermarkt noch am ehesten nach Wiener Würstchen aussah, entpuppte sich dann beim Essen als eine hellrote, wabbelige, viel zu salzige Wurstmasse, die ich mir bestimmt nicht noch einmal kaufen werde. Isst man hingegen die bretonische Spezialität „Gallettes aux saucisses (Würstchen eingerollt in einen dünnen, leicht salzigen Teig), bestehen die Würstchen aus zahlreichen Stückchen mit fast mehr Fett als Fleisch, was für mich auch nicht unbedingt eine Delikatesse darstellt. Dafür gibt es hier umso mehr Sorten an Meeresfrüchten und Fisch. Ich werde mich 21 "Andarina" auf Tour Frankreich ranhalten und versuchen so viel wie möglich einmal zu probieren! Menschen Von den Einwohnern in Rennes kann ich nur schwärmen, denn sie sind um einiges netter, offener und hilfsbereiter als in Deutschland! Als ich in Rennes und auch schon beim Umsteigen in Paris mit meinem ganzen Gepäck unterwegs war, fand sich immer jemand, der mir half, meine Tasche die Treppenstufen zum Metroausgang hinaufzutragen. Auch die Studenten, die sich um die ganzen Erasmusleute kümmern, sind sehr hilfsbereit, rücken mit ihrer Handynummer an und sagen: Wenn du ein Problem hast oder einfach einen Kaffee trinken gehen willst, ruf an! Ebenso die Professoren, die die Infoveranstaltungen abgehalten haben: Schreiben Sie mir bei Problemen eine Email oder kommen sie gleich im Büro vorbei, alles kein Problem. Als ich mit einigen anderen Erasmusstudenten in einer kleinen, gemütlichen Kneipe war, und eine Frau an der Bar bemerkte, dass wir Ausländer sind, kam sie auch gleich zu uns und fragte ganz interessiert nach, woher wir denn kämen, etc. Anne, die ich schon aus Jena kenne, hat mir außerdem erzählt, dass ein Mann mit ihr und ihrem Freund über eine Stunde mit dem Auto durch die Stadt gefahren 22 "Andarina" auf Tour Frankreich ist, um eine ganz bestimmte Tankstelle, wo man bar bezahlen kann, zu suchen. Als sie nach dieser Zeit immer noch keine andere Tankstelle als eine mit Kartenzahlung gefunden hatten, hat der Mann mit seiner Kreditkarte für sie bezahlt, und sie haben ihm das Geld in bar gegeben. Très très gentil (sehr sehr nett), würde ich sagen! :-) Hygiene Mit der Hygiene ist es hier nicht weit her. Im Wohnheim befinden sich die Klos auf dem Gang. Es gibt zwar ein Waschbecken im Zimmer, aber nicht bei den Klos. Was da so alles an den Türklinken klebt, möchte ich gar nicht wissen... Und auch, dass man vielleicht einen Deckel auf die Mülltonnen im Hof macht, ist offensichtlich nicht notwendig... Kauft man sich ein frisches belegtes Baguette, Kebab, Crêpes, etc. zum Essen, wird alles mit der bloßen Hand angefasst – Handschuhe trägt keiner. Erste Uniwoche - 2007-09-30 22:02 Die erste Uniwoche habe ich nun bereits schon hinter mich gebracht. Eins ist sicher: Die Uni und ihre Fakultäten sind längst nicht so gut organisiert wie in Jena. Obwohl letzten 23 "Andarina" auf Tour Frankreich Montag Vorlesungsbeginn war, hingen da noch nicht alle Veranstaltungen aus. Zahlreiche Studententrauben verstopften die Gänge der jeweiligen Fakultät um sich noch am Montag ihre Stundenpläne abzuschreiben. Ich hatte mir am Wochenende einen provisorischen Stundenplan zusammengestellt, den ich dann allerdings Mitte der Woche noch einmal komplett umstellte, weil ich einmal z. B. in der falschen Veranstaltung gelandet oder der Kurs zu langweilig war. Nun sieht es so aus, dass ich Montag frei habe, Dienstag ein bisschen Arabisch weiter praktiziere, was ich in Jena ja schon angefangen habe, Mittwoch und Donnerstag proppenvoll mit Veranstaltungen aus Arts du Spectacle (Darstellende Kunst / Film- und Theaterwissenschaften), LEA (angewandte Fremdsprachen) und islamische Geschichte sind, und Freitag früh noch eine Vorlesung zur Globalisierung der Wirtschaft folgt. Morgen werden dann noch die Zeiten für die Französischsprachkurse ausgehangen, die ich zweimal abends in der Woche belegen muss. Uff, das wird anstrengend! Aber es gibt wahnsinnig viele interessante Kurse und für das Erasmus-Programm muss ich eben 30 Creditpunkte im Semester sammeln, indem ich die Klausuren mitschreibe. 24 "Andarina" auf Tour Frankreich Das Krasse hier ist, dass eine Veranstaltung meist tatsächlich zwei volle Stunden dauert bzw. habe ich auch von Einigen gehört, dass sie Kurse mit einer Dauer von drei oder vier Stunden besuchen! So bin ich echt meist von 8.15 Uhr bis 17.45 Uhr in der Uni. :-( Zum Glück aber gibt es mittags eine Pause von einer Stunde, die aber auch echt notwendig ist. Denn egal, ob man in die Mensa „Restau U genannt geht, oder sich ein Sandwich in der Cafeteria kauft, überall bilden sich lange, lange Schlangen. Worüber ich sehr erleichtert bin, ist, dass ich die meisten Profs gut verstehe. Nur bei den Wirtschaftskursen haperte es am spezifischen Vokabular und der Unkenntnis der ganzen Abkürzungen. Da ist Nacharbeiten angesagt... Zum Glück konnte ich auch schon einige Franzosen bei den Univeranstaltungen kennenlernen. Wenn man gemeinsam nach einem Hörsaal sucht, der aus unerfindlichen Gründen auf keinem Plan im Gebäude eingezeichnet ist, und einem auch nach drei Mal Nachfragen keiner sagen kann, wo sich der Raum befindet, kommt man automatisch ins Gespräch. Der größte Unterschied zur Uni in Jena oder wohl allgemein zu einer deutschen Uni ist, dass es an der französischen Uni viel verschulter zugeht. Meist sitzt der Prof, aus25 "Andarina" auf Tour Frankreich gerüstet mit computerbeschriebenen Seiten, vor den Studenten, und erzählt etwas zum jeweiligen Thema, in dem er fast aus seinem Text abliest. Die französischen Studenten pinseln wie die Verrückten mit und zwar in ganzen Sätzen! Manchmal wiederholt der Prof seine Sätze auch wie in einem Diktat, furchtbar! Und wenn die Studenten mal eine Jahreszahl nicht mitbekommen bricht eine halbe Panikwelle aus... Vielleicht haben sie Angst nur Stichpunkte zu schreiben, weil sie so eine Information vergessen könnten? Ich habe keine Ahnung. Ich bleibe jedenfalls entspannt. Denn wozu gibt s schließlich eine Bibliographie? Bei den meisten Profs kann ich auch deshalb gut mitschreiben, weil sie eine Top-Rhetorik an den Tag legen. Es ist ein bisschen so, als würden sie Theater spielen oder als wenn ein Politiker eine Rede halten würde. Das ist aber echt gut so, denn mit Folien oder einer Power-PointPräsentation wird so gut wie nie gearbeitet. Bretonische Küche - 2007-10-08 11:17 Heute gibt es einen kleinen Exkurs in die bretonische Küche. Vor zwei Wochen nämlich hatte ich mich mit einem Mädchen vom „Hospitality Club getroffen, die mich mit in 26 "Andarina" auf Tour Frankreich ein typisch bretonisches Restaurant nahm. Was man hier an jeder Ecke essen kann sind Crêpes und Galettes, beides dünne Teigfladen. Der Unterschied ist, dass der Crêpesteig mit hellem Weizenmehl hergestellt wird und leicht süß schmeckt, Galettes dunkles Buchweizenmehl enthalten und leicht salzig schmecken. Zu Crêpes werden dann alle möglichen süßen Zutaten serviert, sei es Schokolade, Honig, Zucker oder Karamellcreme. Diese Karamellcreme jedoch ist hier ganz besonders, denn sie wird mit für die Bretagne typischer gesalzener Butter vermischt und als Brotaufstrich verkauft. Das schmeckt in etwa wie flüssige „Werthers Echte -Bonbons und ist sehr sehr lecker! Die Galettes werden zum Beispiel mit Würstchen (Galettes saucisses), mit Käse oder Schinken gefüllt oder mit einem Ei serviert. Absolutes (ighlight jedoch ist die „Reine de la Mer Meereskönigin – das sind Galettes mit verschiede- nen Meeresfrüchten. Der große Unterschied zu Deutschland ist hier, dass es wirklich in jedem Supermarkt eine große Abteilung mit frischem Fisch und Meeresfrüchten gibt. Typisch außerdem ist, glaube ich, Entenleberpastete und Ziegenkäse in allen Varianten. Und was trinkt man hier? Cidre natürlich. Doch im Restaurant wird dieser nicht in einem Glas wie im übrigen Frank27 "Andarina" auf Tour Frankreich reich serviert, sondern man trinkt ihn aus einem „Bolée , einer Tasse, und schenkt ihn aus einem „Pichet , einer Tonkanne, aus. Kommt man an einem Bäcker vorbei, weiß man vor lauter kleinen süßen Gebäcken gar nicht, wofür man sich entscheiden soll: Brioches (Milchbrötchen) in allen Varianten, Gewürzkuchen, Baguette mit Schokostückchen, Croissants, etc. Okay, aber diese große Auswahl beim Bäcker ist nicht nur auf die Bretagne beschränkt, sondern erstreckt sich, glaube ich, über ganz Frankreich. Jon Bon Jovi am Akkordeon und der vernaschte George Clooney - 2007-10-17 09:31 Über Rennes ist gerade das Akkordeonfestival "Le Grand Soufflet" (Die große Ziehharmonika) hereingebrochen. Jeden Tag gibt es hier daher am zeitigen Abend ein kostenloses Konzert im Festivalzelt vor dem Parlament der Bretagne. Gestern Abend konnte ich mit Rianne einen Platz in dem brechend vollen Zelt ergattern. Nach einer viertelstündigen Performance einer Akkordeonspielerin und einer Tänzerin stand Mériadec 28 Gouriou, ein "Andarina" auf Tour Frankreich Soloakkordeonspieler, auf dem Programm. Als er die Bühne betrat, musste ich seinem Aussehen nach gleich an Jon Bon Jovi denken und schon beim ersten Stück ließ er es richtig krachen. Ich habe wirklich noch nie nie nie jemanden so exzessiv Akkordeon spielen gesehen!!! Er riss den verzerrten Mund bei jeder Armbewegung weit auf, vollführte ein Headbanging, bei dem ich schon vom Zusehen Nackenschmerzen bekam, stampfte den Rhythmus mit den Beinen mit und brachte sein Instrument wirklich an die Grenzen seiner Belastbarkeit und seiner Ausdehnungsfähigkeit. Schon nach dem ersten Stück musste sich der Spieler das schweißnasse Gesicht mit einem großen Handtuch abwischen. In den folgenden Liedern brachte er dann (leider) auch noch seine Stimme zum Einsatz. Von Gesang konnte dabei nicht die Rede sein - vielmehr erinnerten mich seine Laute, an die unkontrollierten Schreie einer vom Dorette-Syndrom geplagten Person. Und auf Dauer war es wirklich anstrengend zuzuhören. Die Lautstärke schwoll immer mehr an und der schnelle Rhythmus tat sein Übriges – von einer entspannten Abendgestaltung war also nichts zu spüren. In den Pausen zwischen den Stücken verließen dann die ersten Menschengruppen geradezu fluchtartig das Zelt, aber von draußen strömten immer wieder Neue herein, die offenbar großen Gefallen an dem 29 "Andarina" auf Tour Frankreich Akkordeonvirtuosen fanden. Denn Applaus und Bitten um eine Zugabe gab es am Ende reichlich. Fazit des Abends: Uns hat das Konzert nicht wirklich gefallen, aber "interessant" war es allemal und es wird uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben. ;-) Nach dem Konzert trafen Rianne und ich uns noch mit den beiden Finninnen Maria und Emmiina zum Crêpes- bzw. Galette-Essen in einer kleinen, gemütlichen und etwas schickeren Crêperie. Alle Galettes trugen hier die Namen berühmter Georges - kein Wunder, denn sie hieß "Le Saint George". So kam es, dass Rianne sich einen lange gehegten Traum erfüllen und George Clooney (mit Spinat) vernaschen konnte. Emmiina nahm sich George Michael vor und Maria und ich hatten ein Rendezvous mit den Malern George Braque (Pilze, Crème fraîche) und George de le Tour (Ziegenkäse, Honig & Nüsse). Nach den Galettes musste natürlich noch ein Crêpes-Dessert folgen - einfach köstlich!!! 30 "Andarina" auf Tour Frankreich Ein Hauch von Révolution - 2007-10-19 22:02 Diese Woche Mittwoch gab es während der Mittagspause eine studentische Vollversammlung. Diese wurde von einer linken (ich glaube sogar kommunistischen) Studentenvereinigung ins Leben gerufen, um über ein neues Gesetz zu diskutieren, das die Autonomie der Unis zunehmend einschränken soll. Generell wurde fast genau dasselbe diskutiert wie in Jena: Der Einsatz von mehr aus der Wirtschaft kommenden Leuten und weniger Studenten im Unirat, die Machtkonzentration im Amt des Unikanzlers, die steigenden Gebühren für Dienstleistungen der Uni, die ungleiche Bewertung und Anerkennung der Abschlüsse zwischen den verschiedenen französischen Unis, etc. Allein der Atmosphäre willen war diese Generalversammlung hochinteressant für mich. Zunächst stellte ich fest, dass deutlich mehr Leute anwesend waren als bei einer Vollversammlung in Jena (okay, die Uni hier hat auch mehr Studenten). Es lief so ab, dass die vier Organisatoren vorne im Hörsaal an einem Tisch saßen, ein paar einleitende Worte formulierten und dann das Wort den anwesenden Studenten überließen, die einer nach dem anderen das Wort ergriffen. Das ging dann allerdings 2 1/2 Stunden so weiter ohne, dass zwischendurch etwas Produktives herauskam. 31 "Andarina" auf Tour Frankreich Die ersten Nikotinabhängigen fingen deshalb an, sich ihre Zigaretten im Hörsaal anzuzünden. Aber wirklich jeder Student wurde bis zum Schluss angehört. Dazwischengeplapper von anderen Studenten wurden mit scharfen "Scht"-Lauten unterbunden. Am Ende sollte dann eine Abstimmung stattfinden, was gegen das neue Unigesetz unternommen werden könnte. Die Abstimmung endete jedoch in einem großen "Bordel" (Chaos). Von hinten blökten die Ersten, dass alles gefälscht sei, weil keiner die Stimmen gezählt hatte, andere moserten über die Formulierung der Forderung, "Buh"-Rufe und Pfiffe wurden laut... Es lag tatsächlich etwas Revolutionshaftes in der Luft... Mir reichte es dann aber nach so langer Zeit in dieser Versammlung - ich weiß nicht, was letztendlich herausgekommen ist... Am nächsten Tag streikten übrigens wie in Deutschland die Züge. Und auch die Unibibliothek hatte sich angeschlossen und einfach mal für einen Tag dicht gemacht. Mal sehen, wann die ganze Uni streikt... hätte ich nichts dagegen! ;-) 32 "Andarina" auf Tour Frankreich Paris, Paris - 2007-11-08 00:55 Am Sonntagabend, den 28.10.2007, nahmen Eva, Maria und ich den TGV von Rennes nach Paris. Wir übernachteten via "Hospitality Club" in einer Zweier-WG im Norden von Montmartre, schon fast an der Peripherie von Paris, die aber mit der Metro gut zu erreichen war. Montag holte uns erst einmal das Wetter ein, das uns bisher in der Bretagne ungewöhnlicherweise erspart geblieben war: Es regnete den ganzen Tag und das ordentlich! Wir flüchteten in ein kleines Parfümmuseum nahe der Oper und danach in ein gemütliches, aber wie für Paris leider typisch, sauteures Café. Da Marias und auch meine Schuhe ziemlich durchnässt waren, mussten wir am Nachmittag erst einmal shoppen gehen (tolle Ausrede, oder? ;-)) und so landeten wir am anderen Ende der Stadt im Einkaufszentrum von La Defense, ein Stadtteil, in dem sich der zweite, aber moderne Triumphbogen von Paris befindet. Den Abend verbrachten wir in einer kleinen Bar in Montmartre. Am Dienstag dann weckte uns strahlender Sonnenschein – perfekt, um den Tag an der frischen Luft zu verbringen. Ich machte mich mit Maria, wie viele andere Touristen auch, auf den Weg zum Friedhof, der (ehemals) Reichen, Schö33 "Andarina" auf Tour Frankreich nen und Berühmten, Père Lachaise. Wir hatten ein Rendezvous mit Oscar Wilde (Grab mit zahlreichen Lippenstift-Bisous-Abdrücken), Edith Piaf, Chopin, Honoré de Balzac, Molière, etc. Das Grab von Jim Morrison war interessanterweise abgesperrt (es waren wohl zu viele schwarze Messen auf seinem Rücken abgehalten worden) und so hatten es sich zahlreiche "The Doors"-Jünger mit einer Flasche Rotwein auf den benachbarten Grabsteinen gemütlich gemacht, um ihrem Idol zu huldigen. Nach dem Friedhof marschierten wir mit einem kleinen Zwischenstopp in einem Café in Richtung Zentrum um Eva zu treffen – sie wollte uns eine kleine Führung durch das Univiertel Quartier Latin geben. Daraus wurde jedoch nicht viel, denn wir blieben an einem kleinen Kino hängen, das gerade für eine Woche Fritz-Lang-Filme zeigte, und entschieden uns spontan einen Film zu schauen. Dieser spielte kurioserweise in Prag (Eva stammt ja aus Prag) während der Besetzung durch die Nazis und enthielt somit auch einige deutsche Dialoge, die jedoch selbst für mich schwer zu verstehen waren. Es ging um das Attentat auf Heydrich, was jedoch in einer völlig fiktiven Geschichte aufgerollt wurde. Den nächsten Vormittag verbrachte ich dann mit einem kleinen Spaziergang im völlig von Touristen überfluteten 34 "Andarina" auf Tour Frankreich Montmartre-Viertel und den Nachmittag mit dem Besuch einer Filmausstellung in der Cinématheque. Bei dieser Gelegenheit konnte ich auch gleich einen Blick auf die wirklich sagenhaft riesige Bibliothek von Ex-Präsident Mitterand werfen, die architektonisch äußerst interessant ist. Sie besteht aus vier Hochhäusern, die die Form aufgeklappter Bücher haben, und einem Kellergeschoss, bei dem man eher denkt in einem Konferenzzentrum oder auf einer Messe zu sein als in einer Bibliothek. Am Donnerstagmorgen kehrte Eva dann schon nach Rennes zurück, so dass ich allein mit Maria eine neue Tour in Paris startete. Wir besuchten das Musée Rodin (RodinMuseum) mit seinem Skulpturengarten und nahmen am Nachmittag den (angeblich) schnellsten Aufzug Europas um auf den Tour Montparnasse (Montparnasse-Turm) zu gelangen. Trotz des nebligen Wetters bot sich uns ein atemberaubender Blick über die ganze Stadt! Am Abend trafen wir uns dann im Café „Les deux Moulins (Die Zwei Mühlen), das aus dem "Die Fabelhafte Welt der Amélie"Film bekannt ist, mit Bénédicte, einer französischen Freundin, mit der ich in Jena zusammen im Wohnheim gewohnt hatte. 35 "Andarina" auf Tour Frankreich Maria hatte schon die ganze Woche vor sich hin gekränkelt; es war absolut keine Besserung in Sicht und so bot Bénédicte ihr an, am nächsten Tag in Paris mit ihr zum Arzt zu gehen. )ch machte mich derweil auf, um „)éna suchen zu gehen – so heißt in Paris nämlich eine Metrostati- on und wie ich dann vor Ort auch noch mitbekam, eine Straße, ein Platz und die Brücke, die direkt auf den Eiffelturm zuführt. Hier wird natürlich an die große Schlacht Napoleons von 1806 gedacht, in der er gegen die Österreicher und die Preußen gewonnen hatte. Als ich ein bisschen weiter westlich das Seine-Ufer entlang spazierte, stieß ich zu allem Überfluss auch noch auf eine kleine Version der amerikanischen Freiheitsstatue – mit dem riesigen Gebäude von "Radio France" im Hintergrund. Den Rest des Tages verbrachte ich dann im Stadtteil Marais damit einkaufen zu gehen und die vielen kleinen Gassen und Nebenstraßen zu entdecken bevor es am Abend wieder mit dem TGV zurück nach Rennes ging. Am Bahnhof und in der Metro war fast niemand zu sehen – welch ent- spannte Stille im Gegensatz zu Paris... 36 "Andarina" auf Tour Frankreich Vive la Grève - Französische Streikkultur hautnah 2007-11-08 01:42 Seit Dienstag ist es auch an der Université Rennes 2 soweit: Streik & Uniblockade gegen die Verabschiedung des LRU (Loi relative aux libertés et responsabilités des universités, Gesetz bezüglich der universitären Freiheiten und Verantwortlichkeiten). Ungefähr zehn andere Unis, darunter z. B. Paris-Sorbonne, Lille oder Toulouse, waren schon eine Woche zuvor in den Streik getreten, um damit die Veränderungen anzuprangern, die das neue Gesetz mit sich bringen würde - steigende Kosten für Einschreibungen, o. ä., weil sich der Staat zunehmend aus der Hochschulfinanzierung zurückziehen will, mehr Mitbestimmungsrechte für Leute aus der Wirtschaft an der Uni und somit deren Kommerzialisierung, etc. Eine Generalversammlung (Assemblée Générale - AG) von 500 bis 700 Studenten hatte sich in Rennes am Dienstag mit knapper Mehrheit für eine Uniblockade am gestrigen Mittwoch ausgesprochen. Neugierig, was das wohl bedeuten sollte, habe ich morgens mit meinem Fotoapparat eine Runde auf dem Campus gedreht. Alle Eingänge der verschiedenen Unigebäude waren entweder mit einem riesen 37 "Andarina" auf Tour Frankreich Wirrwarr aus Tischen und Stühlen verrammelt worden oder aber ein kleines Streikkommitee hatte es sich am Eingang gemütlich gemacht und hinderte alle am Eintreten. Sämtliche Unikurse fielen somit aus - nur die Sprachkurse für alle Ausländer durften abgehalten werden. Um 12.30 Uhr dann die nächste AG. Nachdem wieder fast alle Leute, die ich schon auf der ersten AG hatte reden hören, ihre Meinung kundgetan hatten und somit auch wieder 2 1/2 Stunden ins Land gegangen waren, dann die nächste Abstimmung. Blockade für einen weiteren Tag und an diesem dann geheime Abstimmung per Wahlzettel über den weiteren Verlauf des Streiks (Zustimmung) oder aber gleich Blockade für eine weitere Woche (abgelehnt), Bibliothek blockieren? - abgelehnt, Polizeieinsätze dulden? - abgelehnt, ... Somit ist heute also ein weiterer unifreier Tag, so dass ich glücklicherweise Zeit finde zu einer interessanten Filmkonferenz zu gehen. Und dann also heute noch die anonyme Abstimmung über den weiteren Streikverlauf - bin echt gespannt, denn meiner Meinung nach entspricht die Anzahl derer für den Streik der Anzahl derer gegen den Streik. Ich hoffe nur nicht, dass es insgesamt neun(!) Streikwochen werden wie vor zwei Jahren. Da wurde näm38 "Andarina" auf Tour Frankreich lich sogar das Sommersemester bis in den Juli hinein verlängert, obwohl dieses eigentlich nur bis Mitte Mai dauert... Ich lasse mich überraschen von den streikbegeisterten Franzosen! Auch die bretonischen Fischer sind gerade in den Streik getreten, und man munkelt, dass es ab dem 13.11.2007 auch die französische Bahn erwischt... Traumberuf "Grèviste" - 2007-11-18 22:59 Seit letzter Woche Donnerstag hat die Uni ihren normalen Betrieb wieder aufgenommen. In der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag hatten Polizeikräfte auf Ersuchen des Unidirektors hin das größte Unigebäude (Gebäude B) von seinen Hausbesetzern räumen lassen. Diese, größtenteils Nichtstudenten, hatten sich schon mit Kühlschrank, Kochplatte und Sofa häuslich eingerichtet, so dass die ganze Nacht erst mal geputzt werden musste. Ich frage mich, ob es hier eigentlich so etwas wie professionelle Grèvistes (Streikende) gibt, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn es zu wenige Betroffene gibt, die streiken wollen...? Donnerstagmorgen dann in aller Herrgottsfrühe (8.15 Uhr) sammelten sich alle erschienenen Studenten und Profs vor den 39 "Andarina" auf Tour Frankreich Unigebäuden an und warteten in der Kälte auf Einlass. Dieser wurde uns dann von einigen Security-Leuten gewährt. In meinem ersten Kurs jedoch waren von etwa 30 Studenten gerade mal sieben erschienen und so entschied der Prof statt Unterricht zu machen doch lieber ein bisschen über den Streik zu diskutieren. Da er weiß, dass ich Erasmusstudent bin, durfte ich ihm auch gleich schildern, wie so ein Unistreik in Deutschland abläuft und dass so etwas wie eine komplette Uniblocklade eigentlich so gut wie nicht vorkommt. Meine anschließenden Veranstaltungen und auch die am Freitagmorgen hatte ich in gewohnter Manier. Nur abends wurde die Uni schon 18 Uhr zugeschlossen aus Angst, einige Blockierer könnten sich erneut in den Gebäuden verbarrikadieren. Am Wochenende gab es wieder eine nationale studentische Versammlung - diesmal in Tours. Ergebnis: Solidarisierung mit den Angestellten, die kommenden Dienstag streiken, Einbindung der Gymnasiasten in den Unistreik und eine Demo am kommenden Donnerstag. Wie es nächste Woche in Rennes weitergeht weiß ich allerdings nicht. Weder auf der Unihomepage noch auf den Infoseiten der Stadt und der Regionalzeitung sind irgendwelche Hin- 40 "Andarina" auf Tour Frankreich weise zu finden, ob die Uni erneut besetzt werden könnte. Ich lasse mich daher einfach überraschen! Vitré: Ein Ausflug mit Hindernissen - 2007-12-03 01:11 Samstag, 24.11.07: Geplanter Ausflug nach Vitré, Treffpunkt 12 Uhr Bahnhof Rennes. Ich machte mich gemütlich mit dem Rad auf zum Bahnhof, kaufte schon mein Zugticket während ich auf die anderen (Rianne, Emmiina und Maria) wartete und dann traf es mich wie ein Donnerschlag: Ich hatte meine Reduktionskarte für den Zug im Wohnheim vergessen – ZUT! (Verdammt!) Sprint zur Met- ro, in der Hoffnung in weniger als einer halben Stunde wieder am Bahnhof zu sein. Ich versuchte vergeblich eine SMS an die anderen zu schicken, denn mit Empfang fürs Telefonnetz sieht es im Metrotunnel nun mal schlecht aus. Aussteigen – Sprint ins Wohnheimzimmer – Karte raussu- chen – Sprint zurück zur Metro und zwischendurch Tele- fonat mit den anderen, dass sie mir den Bahnsteig durchgeben, da ich hoffentlich noch rechtzeitig am Bahnhof ankomme. Raus aus der Metro – mit immer schwerer werdenden Beinen nehme ich die endlos erscheinenden Trep- pen zum Ausgang. Rein in den Bahnhof – Bahnsteig regis41 "Andarina" auf Tour Frankreich triert – Treppen – und dann: Ausgang zu meinem Bahn- gleis gesperrt. Also fix rein in den Fahrstuhl. Kurz vor der Abfahrt erreiche ich endlich den Zug, in dem die anderen mich schon ungeduldig erwartet haben. Puh, geschafft – was für ein Start! Warum ich mir so einen Stress gemacht habe? Der Zug nach Vitré (an der östlichen Grenze der Bretagne gelegen) fährt nur etwa fünf Mal am Tag und hätte ich den Zug nicht bekommen, hätte ich den Ausflug an diesem Tag streichen können. Aber so ist ja alles noch einmal gut gegangen – zumindest für mich... In Vitré angekommen schlenderten wir durch die mittelalterlichen Straßen, die schon mit reichlich Weihnachtsdeko behangen waren, passierten eine alte Klosteranlage und kehrten an der Schlossmauer vorbei wieder in die Innenstadt zurück. Dort packten wir erst mal die Sandwichs aus und ließen uns unseren Mittagsimbiss in der strahlenden Sonne schmecken. Als wir wieder weitergehen wollten ein Aufschrei von Emmiina: Ihre Tasche hatte sich in eine klebrige Tropfsteinhöhle verwandelt, da sie aus unerklärlichen Gründen ihre offene Fanta-Flasche in die Tasche gelegt hatte. Prrrrr! Wir klaubten sämtliche Taschentuchvorräte zusammen um Handys, Portemonnaie und den restlichen Tascheninhalt wieder einigermaßen trocken zu be42 "Andarina" auf Tour Frankreich kommen. Das klappte auch ganz gut, nur, dass nun die ganzen Sachen ein etwas eigentümliches Fanta-Aroma aufwiesen. Unser nächstes Vorhaben, ein gemütliches Café in Vitré zu finden, erwies sich als äußerst schwierig. Irgendwie existierten hier generell fast keine Cafés und wenn dann waren sie geschlossen. Doch nach ausreichender Suche wurden wir endlich fündig: Ein in mediterranen Farben gehaltenes Café mit einem Gebäckangebot zum Niederknien und dem größten Teeangebot, das wir jemals in einem französische Café gesehen hatten. Denn eins muss ich mal sagen: Von Tee haben die Franzosen einfach mal gar keine Ahnung! Selbst im größten Supermarkt ist das Angebot äußerst dürftig und losen Tee, den man bei uns ja mittlerweile auch bei Aldi kaufen kann, gibt's hier wirklich nur im Teeladen. Soweit mein Teeexkurs. Nach dem obligatorischen Cafébesuch erkundeten wir noch ein bisschen den anderen Teil der Stadt. Beim Besuch der größten Kirche Vitrés wurden wir, kaum eingetreten, gleich wieder mit einer barschen Aufforderung des Hausmeisters (oder sagt man Kirchenmeister?) rausgeschmissen – ist man hier gar nicht gewohnt, wo doch sonst immer alle so freundlich sind! :-/ Naja, am zeitigen Abend nahmen wir den Zug nach Rennes zurück und schlossen den Tag mit einem leckeren Nudelgericht bei Rianne ab. 43 "Andarina" auf Tour Frankreich Kitsch de Noël - Weihnachtskitsch - 2007-12-11 01:42 Eigentlich sagt man den Franzosen ja einen Sinn für Ästhetik nach - was allerdings die Weihnachtsdekoration in allen Städten, die ich bisher gesehen habe, betrifft, kann von ästhetischer Gestaltung keine Rede sein. Das ist wirklich Kitsch hoch drei!!! Da findet man dann blaue neben gelben sowie neben roten und grünen Lichtern in den Bäumen, pinke oder neonorange Weihnachtsbäume geschmückt mit silbernen Kugeln in den Schaufenstern und überall blaue Blinkerlichter. Einzig in Rennes sind die Laternen, Straßengirlanden und Bäume in einem einheitlichen Gelb beleuchtet, was abends wirklich schön aussieht. Das Schlimmste jedoch, was ich hier beobachten kann, sind komplett weiß angesprühte, kahle Bäume, die in sämtlichen Städten vor die Geschäfte oder auf irgendwelche zentralen Plätze gestellt werden. Das ist einfach unglaublich hässlich und soll wohl als Ersatz für den nicht vorhandenen Schnee herhalten...? In St. Malo waren sie immerhin noch so kreativ, die weißen Bäume mit weißem Schaumstoff zu bekleben, damit es zumindest ein bisschen nach "echtem" Schnee aussieht. ;-) Möchte nicht wissen, was das für eine Heidenarbeit gemacht hat... 44 "Andarina" auf Tour Frankreich Und wenn das 5. Lichtlein brennt, dann hast du Weihnachten verpennt - 2008-01-22 23:43 Nachdem ich meine erste Klausur hinter mich gebracht hatte, ging's am 21.12.07 (Freitag) auf gen Heimat. Erst mit dem TGV von Rennes nach Paris, dann Übernachtung bei Bénédicte in Paris und schließlich am frühen Morgen den Eurolines-Bus direkt nach Dresden – Letzteres ein wahres Erlebnis für sich! Da der Bus von Dresden bis nach Minsk weiterfuhr, hatte man einen (weiß(?))russischen Busfahrer engagiert, der auch nur Russisch mit uns Fahrgästen (in der Mehrheit Weißrussen, in der Minderheit Deutsche) redete. Mit zumindest gebrochenem Englisch konnte er uns dann wenigstens die Pausenzeiten klarmachen. Abends dann der Clou: Zur Unterhaltung der Fahrgäste wurden hintereinander drei(!) Filme gezeigt. Diese waren natürlich entweder original Russisch oder auf Russisch synchronisiert – war schon echt witzig Meg Ryan mal Russisch reden zu hören! So konnte ich zumindest meine bruchstückhaften Einzelwort-Russischkenntnisse aufpolieren. ;-) Leider konnte man die Lautstärke nicht regulieren und es gab auch keine Kopfhörer wie im Flugzeug, so dass die Filme allmählich in eine nervtötende Dauerbeschallung ausarteten. Zudem noch hatten wir durch die zahlreichen 45 "Andarina" auf Tour Frankreich Zwischenstopps eine Verspätung von zwei Stunden angehäuft, so dass sich die Fahrt in dem seit dem letzten Zwischenstopp proppenvollen Bus ewig hinzog. Ich kam schließlich nach 2 Uhr nachts in "Good Old Dräsdn" an, wo mich meine Mutter und Schwester abholten. Am nächsten Nachmittag stand natürlich noch der obligatorische Striezelmarktbesuch, der Dresdner Weihnachtsmarkt, auf dem Programm und die nächsten Tage dann das alljährliche kalorien- und geschenkereiche Fest- und Feiertagszeremonial. Zum ersten Mal allerdings machten wir dieses Weihnachten eine Feuerzangenbowle (Französische "Übersetzung": punche à base de vin rouge et de rhum servi chaud et flambé, Punsch auf Rotwein- und Rumbasis, der warm und flambiert serviert wird) – sehr lecker! In der kurzen Zeit nach Weihnachten traf ich mich natürlich auch noch mit allen Freunden aus Dresden und verbrachte Silvester schließlich in Freiberg, die Studienstadt meiner Schwester, wo wir in einem kleinen Studentenclub feuchtfröhlich ins neue Jahr hinein feierten. ;-) 46 "Andarina" auf Tour Frankreich Am 4.1.08 (Freitag) trat ich die Rückreise via München und Paris nach Rennes an. Obwohl ich wieder mal nicht schlafen konnte, war die Reise im Nachtzug doch weithin angenehmer als im Bus! Zumal ich durch einen Irrtum bezüglich der Wagennummer (was aber nicht schlimm war) in einem Abteil gelandet war, das ich die ganze Nacht über für mich hatte. :-) Als ich dann das Bahn-Magazin aufschlug, fiel mir auch noch gleich ein Artikel über das Jenaer Unijubiläum (450 Jahre) in die Hände – da hatte jemand also gute Öffentlichkeitsarbeit geleistet! Nach meiner Ankunft in Rennes raffte ich mich auf, um einige Tage mit Lernen zu verbringen. Und was soll ich sagen? Die Klausuren liefen aus meiner Sicht gar nicht mal schlecht! Aber Abwarten und Tee trinken bis die Ergebnisse raus sind... Die Tage des mehr oder weniger fleißigen Lernens hatten in mir allerdings einen solchen Hüttenkoller, sprich eine Aversion gegen mein hühnerstallartiges Winzzimmer, erzeugt, dass ich erst einmal auf Reisen gehen musste. Aber dazu mehr im nächsten Eintrag. 47 "Andarina" auf Tour Frankreich Angers - 2008-02-12 23:02 Am ersten Februarwochenende stand mein nächster Ausflug an: Ich machte mich auf den Weg nach Angers, das etwa 1 ½ Stunden mit dem Auto südöstlich von Rennes liegt. Und was soll ich sagen? Auf den ersten Blick war ich hin und weg von dieser Stadt an der Maine! Das Museumsviertel ist komplett in hellem Sandstein gehalten und macht somit den modernen Teil der Stadt aus. Die kleinen, engen, mittelalterlichen Gassen mit den historischen Fachwerkhäusern, angelegt in einem verwirrenden Straßennetz, bilden den Kontrast. Und dann diese herrliche Lage an der Maine – sehr idyllisch vor allem bei dem früh- lingshaften Wetter an diesem Wochenende. Meine Begeisterung schwächte sich dann allerdings Samstagnachmittag ab, als ich den Fehler machte, meinen Fuß zur ShoppingPrimetime in die menschenüberlaufene Innenstadt zu setzen. :-S Aber besser schön der Reihe nach: Samstagvormittag kam ich also in Angers an, was übrigens nicht mehr zur Region Bretagne gehört, sondern zu den Pays de la Loire. Nach einem obligatorischen Besuch in der Touri-Info und einem ausf“hrlichen Stadtrundgang 48 ging s auf nach St. "Andarina" auf Tour Frankreich Barthélemy d Anjou, eine kleine Gemeinde westlich von Angers. Was es dort zu sehen gab? Ein Museum der Kommunikation. Soll noch Einer sagen, ich mache hier nichts für mein Studium! ;-) Das Museum lag in einer riesigen Parkanlage und seine Ausstellung war mit viel Liebe fürs Detail gestaltet worden, einzig der rote Faden fehlte ein bisschen. Noch ein kleiner episodischer Einschub: Als ich in Angers unterwegs war, stolperte ich auf der Suche nach einer Toilette aus Versehen ins Kongresszentrum hinein. Ich fand mich an einem Empfangstresen wieder, wo ich mit einem überschwänglichen Lächeln begrüßt und sofort mit einer prospektgefüllten Papiertüte ausgestattet wurde. Meiner verdatterten Nachfrage, wo ich denn hier gelandet sei, wurde mit "Auf einer Reisemesse" geantwortet, ich musste noch eine kurzen Fragebogen über mich ergehen lassen und konnte dann eintreten. Da ja Pauschalreisen nun Erstens gar nicht mein Ding sind und es mir Zweitens auch an Mitteln dafür fehlt, sah ich von dieser Messe tatsächlich nur die Toiletten und entdeckte kurz vor dem Rausgehen jedoch noch Folgendes: Einer der Kongresssäle hieß doch tatsächlich "Osnabrück"! Osnabrück ist nämlich die Partnerstadt von Angers. 49 "Andarina" auf Tour Frankreich Von Samstag zu Sonntag übernachtete ich mal wieder bei jemandem vom "Hospitality Club". Diesmal Isabelle, eine gestresste, aufgedrehte Journalistin von Anfang 40, die aber supernett war. Am Abend waren wir gleich bei einer Freundin eingeladen, bei der wir mit viel Sekt und Wein und einer leckeren Lasagne die Genehmigung ihres Kulturprojektes feierten. Es war schon sehr skurril: Ich inmitten von den drei Freundinnen zwischen etwas über 40 bis 50 Jahren, die total aufgedreht waren wie eine Teenagerrunde - aber ich habe echt so viel gelacht wie schon lange nicht mehr! :-) War echt ein klasse Abend! Am nächsten Tag startete ich meine Museumsextremtour mit dem Stadtschloss, in dem etwas weltweit Einzigartiges ausgestellt ist: Der größte Wandteppich, der jemals gewebt wurde, auf dem die Apokalypse nach der Johanneserzählung dargestellt ist. In dem spärlich beleuchteten Raum waren die einzelnen Teppichbilder aus dem 14. Jahrhundert auf einer Länge von etwa 100 m und einer Gesamtfläche von 700 m² (!) ausgestellt – sehr beeindruckend! Im Schlossinnenhof sah ich dann die ersten Touristen überhaupt in dieser Stadt und die Klischees bestätigten sich mal wieder: Italienische Großfamilie samt Mamma mit 50 "Andarina" auf Tour Frankreich fetten Designersonnenbrillen, Designerklamotten und goldenen Handtäschchen, zwei Japaner, die sich gegenseitig unentwegt vor, neben und im Schloss fotografierten und eine französische Familie mit kleinen, kreischenden Kindern. (Mit ist das hier schon öfter aufgefallen, dass ich viel mehr Familien mit kleinen Kindern als in Deutschland sehe und alles auch generell kinderfreundlicher gestaltet ist. In fast jedem Museum gibt es Extrainformationen für Kinder aufbereitet bzw. begleitende Animationen; es gibt ziemlich viele Läden nur mit Kinderklamotten und Kinderbüchern, etc.) Nach dem Schloss stand das Musée des Beaux Arts (Museum der Schönen Künste) und schließlich noch die Galerie von David von Angers auf meinem Programm. David von Angers war ein Bildhauer, dessen teilweise übermenschlich großen Skulpturen nun hier in Angers in einer ehemaligen Kirche ausgestellt sind. Deren Dach hatte man durch ein Glasdach ersetzt, so dass bei Sonnenlicht wohl schöne Lichteffekte zu sehen sein müssen. Leider war es zu meiner Besuchszeit bewölkt. Dafür grinste mich in der ersten Etage eine ganze Reihe deutscher Köpfe an, Goethe, Schiller, die Dresdner Ludwig Tieck und Carus, etc. 51 "Andarina" auf Tour Frankreich Am Abend ging es mit einer Mitfahrgelegenheit zurück. Rennes empfing mich mit strömendem Regen ... Reisebericht - Lyon, Stadt des Lichtes - 2008-03-07 20:09 So ihr Lieben, heute werde ich mal mit einem ausführlichen Reisebericht anfangen, damit ihr einen kleinen Eindruck bekommt, was ich in den Winterferien so alles erlebt habe. Erst einmal vorweg: Es war echt eine der besten Reisen, die ich je unternommen habe und das dank "Hospitality Club", also den Leuten, bei denen ich immer kostenlos übernachtet habe. Die waren alle supersympathisch und gastfreundlich, haben mir ihre Stadt und die Umgebung gezeigt, mich zum Essen eingeladen bzw. bekocht, usw. Am 21. Februar, ein Donnerstag, ging s los und nach etwa fünfstündiger Zugfahrt erreichte ich Lyon. Sofort merkte ich, dass ich im Süden angekommen war: Hellgelbe und orange Häuser, rote Ziegeldächer und milde Temperaturen. Ich ließ mein Gepäck am Bahnhof und marschierte los, um die drittgrößte Stadt Frankreichs mit den zwei Flüssen 52 "Andarina" auf Tour Frankreich (Rhône und Saône) zu erkunden. Die Lage an den Flüssen macht die Stadt wirklich zu etwas Besonderem – ich war total begeistert, vor allem von den vielen kleinen Brücken, die über die Saône führen und den historischen Teil Lyons (Vieux Lyon, Altes Lyon) und das moderne Stadtzentrum Presque )le, Halbinsel) verbinden. Jemand erzählte mir später, dass Lyon ähnlich wie Budapest sein muss, aber ich war leider noch nicht in Budapest ... Danach schlenderte ich über den schon mehr am Stadtrand liegenden Boulevard des Etats-Unis (Boulevard der Vereinigten Staaten) und schaute mir die erstaunlichen Hausmalereien an den HLM (Habitations à Loyer Modéré, Sozialwohnungen) an. Und als Filmfreak musste ich danach natürlich das nahe liegende Institut der Brüder Lumière aufsuchen. Louis, einer der beiden Brüder, hatte in Lyon nämlich den Kinematographen (griech. kinein = bewegen & graphein = schreiben, daher unser Wort „Kino entwi- ckelt, ein Gerät, mit dem man sowohl Filme aufnehmen als auch projizieren kann. Und es war auch in Lyon, wo die Lumières schließlich ihren ersten Film aufnahmen, der die Mitarbeiter der Lumière-Fabrik beim Verlassen des Fabrikgebäudes zeigt. 53 "Andarina" auf Tour Frankreich Zum Institut gehörte eine herrschaftliche Villa mit Museum und ein Garten, in dem Drucke der von den Lumières realisierten Farbfotos, die so genannten Autochrome, ausgestellt waren. Alles war sehr gut aufbereitet und hochinteressant! Am Abend traf ich mit Plattfüßen bei den ersten "Hospitality Clubbern" ein. Obwohl mein eigentlicher Gastgeber gerade als Skilehrer in den Bergen unterwegs war, hatte er mir sein Zimmer (25 m² - ein Luxus im Gegensatz zum Wohnheim in Rennes!) überlassen und seinen Mitbewohnern Bescheid gegeben. Am nächsten Morgen tat ich etwas für meine Kondition und stieg den Stadtberg zum Viertel Fourvière hinauf. Dort gab es eine mosaikverzierte Kirche zu sehen, was so einige Touristen angelockt hatte, und die Reste römischer Amphitheater sowie ein ehemaliges Aquädukt. Wieder unten in der Stadt sah ich mich im Vieux Lyon um, der zu meinem Lieblingsstadtteil werden sollte: Schmale Gassen mit Häusern in mediterranen Farben mit vielen kleinen Geschäften, Cafés und den für Lyon typischen "Bouchons" (eigentliche Übersetzung: Korken oder De54 "Andarina" auf Tour Frankreich ckel). Das sind Restaurants mit der regionaltypischen Küche und einigermaßen moderaten Preisen. Es kann sich aber nicht jedes Restaurant „Bouchon nennen, da gibt es strenge Auswahlkriterien. Was weiterhin sehr typisch lyonnais ist, sind die so genannten „Traboules . Das Wort stammt wahrscheinlich aus dem Lateinischen von „trans – zwischen und „ambulare – spazieren und es handelt sich um Gänge, durch die man zwischen den verschiedenen Wohnhäusern umher spazieren kann. Leider hatte sich bei meinem Abstieg vom Fourvière-Hügel meine halbe Wasserflasche in meiner Tasche entleert. :-( Mit Taschentüchern konnte ich das Schlimmste verhindern. Mein total durchnässtes Buch konnte ich zumindest in einer Bäckerei, wo ich Halt machte, antrocknen lassen, denn die Verkäuferin bot mir an, es ein bisschen in den Ofen zu legen. ;-) Den Tag schloss ich mit einem Besuch in einem Miniaturund Filmdekormuseum ab. Die hatten doch tatsächlich das Filmdekor aus „Das Parf“m ausgestellt, das direkt nach dem Dreh in München nach Lyon befördert worden war. War schon eine bisschen unheimliche Atmosphäre im Museumskeller, in dem sogar eine schwarze Katze umher huschte. 55 "Andarina" auf Tour Frankreich Den Samstag verbrachte ich schließlich im Musée des Beaux Arts (Museum der Schönen Künste), das zu meiner Freude kostenlos war und nach der Besichtigung mit einem schönen Innenhof zum Ausruhen einlud. Abends führte es mich noch einmal zum Lumière-Institut, wo es eine Filmretrospektive zu John Ford, dem großen Westernregisseur, gab. War sehr amüsant und das Kino herrlich gemütlich! Tja, und dann war auch schon der letzte Tag in Lyon gekommen. Ich lieh mir ein Fahrrad aus, da meine Füße langsam nicht mehr mitmachen wollten, und fuhr am RhôneUfer entlang bis zum Messegelände und machte danach Station im Tête d Or Goldkopf), ein großer Park mit Bota- nischem Garten und Zoo. Lyon war übrigens die erste Stadt Frankreichs, in der Fahrräder an zahlreichen Ausleihstationen für jedermann zur Verfügung gestellt worden. Man kauft sich eine befristete oder dauerhafte Fahrradkarte und kann sich damit an jeder Station ein Fahrrad ausleihen. Am Ziel angelangt, stellt man das Fahrrad einfach wieder an einer anderen Station ab. Finde ich superpraktisch! )n Rennes und Paris gibt s das “brigens auch und in Dijon, meiner letzten Reisestation, wurde das Fahrradnetz gerade an dem Tag eingeführt, an dem ich angekommen 56 "Andarina" auf Tour Frankreich war. Ursprünglich war die Einführung der Fahrradstationen in Lyon eine Werbemethode, um Werbebotschaften mithilfe der Fahrräder in der Stadt zirkulieren zu lassen. Deshalb werden die Drahtesel in Lyon auch nicht von der Stadt, sondern von einem privaten Unternehmen in Stand gehalten. Bevor es auf zum Busbahnhof ging, gönnte ich mir noch einen Kaffee im Vieux Lyon, wo ich tatsächlich ohne Mantel draußen sitzen konnte! Fortsetzung folgt ... Villefranche-sur-Saone - 2008-03-08 20:15 Den 24. und 25. Februar (Sonntag und Montag) verbrachte ich die Nacht in Villefranche-sur-Saone, etwa eine halbe Stunde im Bus nördlich von Lyon gelegen, bei Jacques und Hélène. An beiden Abenden wurde ich köstlich bekocht und mit Wein versorgt - kein Wunder, denn ich war nun in der wichtigsten Stadt der Weinregion Beaujolais zu Gast. Am Montagvormittag machte Jacques mit mir eine Autorundfahrt im Beaujolais mit seinen weinbepflanzten Hügeln und Serpentinenstraßen. Wir statteten einem Freund von ihm, dem "Ami du Pain" (Freund des Brots) einen Be57 "Andarina" auf Tour Frankreich such ab, der selber Brot in einem ehemaligen Bauernhof herstellte und dafür eigenhändig einen riesigen Ziegelofen im Haus installiert hatte. Wir konnten ihn bei seiner routinierten Arbeit beobachten, die er in der über und über mit Mehl bestäubten Backstube barfuß verrichtete. An diesem Tag stand Algenbrot auf dem Programm. Wie ein Bergmann hatte er sich eine kleine Kopfleuchte umgebunden, um stets das ganze Innere des Ofens sehen zu können. Nebenan im Raum mischten er und zwei andere Männer (einer ein US-amerikanischer Bäcker, der in Frankreich wohl seine Backtechnik erweitern wollte) die verschiedenen Teigsorten an und ließen den Teig dann ruhen, damit er "arbeiten" konnte. Das war echt ein interessantes Erlebnis - hat man nicht alle Tage! Weiter ging die Tour nach Oingt, eine winzige, fast menschenleere Stadt, deren Name furchtbar schwierig auszusprechen ist ("Oä" oder so ähnlich). Da sie auf einem Hügel lag, hatten wir eine herrliche Sicht in die Umgebung und die goldgelben Häuser (man spricht von "Pierre dorée", goldener Stein) bildeten einen schönen Kontrast zum strahlendblauen Himmel. 58 "Andarina" auf Tour Frankreich Zurück in Villefranche-sur-Saone nahm ich mir die Innenstadt vor, aber außer der langen, hügeligen Einkaufsstraße, der Rue Nationale (Nationalstraße) und der Notre-DameKirche gab es nichts großartig Interessantes zu entdecken. Allerdings machte ich hier zum ersten Mal Bekanntschaft mit einem in der Gegend verbreiteten Brauch, der "Fête des Conscrits" (Fest der Einberufenen). Dieses wird jedes Jahr Ende Februar gefeiert und geht darauf zurück, dass zwei zum Militär Einberufene sich in Schwarz kleideten, einen schwarzen Hut aufsetzten und in diesem Aufzug durch die Straßen marschierten. Diesen Brauch hat dann schließlich die ganze Stadt aufgegriffen und so feiern an diesem Tag immer alle, die dasselbe Alter haben, zusammen. Es ist also eine Gruppe der 20-Jährigen, 30-Jährigen, etc. unterwegs. Naja, und dabei wird natürlich auch mächtig gebechert... Beaune - 2008-03-09 15:59 Noch am 28. Februar erreichte ich abends Beaune. JeanPhilippe, mein erster Gastgeber von "Couchsurfing" (vom Prinzip her das gleiche wie "Hospitality Club") holte mich vom Bahnhof ab, gab mir eine abendliche Stadtführung 59 "Andarina" auf Tour Frankreich und lud mich zum Essen in ein typisches burgundisches Restaurant ein. So kam es, dass ich zum ersten Mal Schnecken aß! Wenn man einfach nicht dran denkt, dass es sich eigentlich gerade um dieses kleine schleimige Wesen handelt, dass man da gerade verspeist, ist es sehr lecker! Hat eine "flubschige" Konsistenz wie Kalamaris und im Prinzip macht nur die Soße den eigentlichen Geschmack aus. Am nächsten Tag begab ich mich an den Ort, für den Beaune die meistbesuchte Stadt in der Bourgogne ist: Das Hôtel Dieu mit seinem bunten, glasierten Ziegeldach, was hier typisch für die Region ist. Ich fand es sehr schön und bin mittlerweile echt ein Fan dieser Dächer mit den geometrischen Mustern geworden. Im Innern des Hôtel Dieu sah es in etwa genauso wie in dem Hôtel Dieu Bellevilles' aus, ein Ort, den ich vorher besucht hatte, nur, dass der Krankenraum hier größer und mit buntbemalten Holzbalken an der Decke verziert war. Im Hof des Hôtel Dieu ist übrigens sogar einmal ein Film mit Louis de Funes ("La Grande Vadrouille", Die Große Sause) gedreht worden! Nachmittags hatte mir Jean-Philippe empfohlen, doch an einer Weinverkostung in einem der zahlreichen Keller (caves) teilzunehmen. Nun gut, ich wurde mit einer silbernen 60 "Andarina" auf Tour Frankreich Verkostungsschale (oder wie auch immer sich das nennt) ausgestattet und stieg in den Keller hinab. Ich wurde von einem schlips- und anzugtragenden Weinexperten empfangen, der mir die Weinsorten, die Weinregionen und ein bisschen etwas über die verschiedenen Jahrgänge erzählte, wobei ich nicht wirklich viel verstand. Erstens, die ganzen Fachbegriffe auf Französisch und zweitens, wenn es jemanden gibt, der von Wein einfach mal gar keine Ahnung hat, dann bin ich es. Ich ließ natürlich trotzdem in regelmäßiges Abständen ein "Oui, oui." (Ja, ja) und "Ah, intéressant." vernehmen. Danach ging es mit der Verkostung weiter - ich hatte eine Liste von 15 Weinen vor mir. Die Kenner suchen sich offensichtlich im Vorhinein aus, was sie verkosten wollen. Ich fing einfach mit den ersten Weinen an. Monsieur Expert meinte, ich solle auf jeden Fall die jüngeren Jahrgänge meiden (von 2006 z. B. - warum auch immer, wahrscheinlich des Aromas wegen) und müsse auch nicht alles trinken, sondern könne die Probe wieder ausspucken, um zu vermeiden, dass die Sache zu schnell in den Kopf geht. Zum Glück ließ er mich für den Rest der Verkostungsstrecke allein. Ich glaube, er hielt mich mittlerweile schon für total bescheuert, weil ich mich so amateurhaft anstellte. Der Rundgang endete schließlich in einer ehemaligen Kirche, wo mich der Experte kurz 61 "Andarina" auf Tour Frankreich vorm Ausgang abfing. "Und, wie fanden Sie denn den dritten Rotwein, den sie im Keller gekostet haben?" - "Ääähm, an den erinnere ich mich gerade nicht... . " Und dann ließ ich auch noch durchblicken, dass ich eventuell noch ein Geschenk suchte, woraufhin er mich in den Weinladen bugsierte. "Dieser hier ist wirklich günstig für seine Sorte, € die Flasche. Naja, die anderen gibt es dann ab , €. " Schluck, schluck. "Ähm, ich glaube das “bersteigt dann doch mein Budget. Ich werde mich mal nach was Anderem umschauen.... ." Gott, das war echt hochgradig peinlich!!! Ich war echt froh, als ich den Weinkeller verlassen konnte. Und wie kommt Monsieur Expert eigentlich darauf, dass sich eine Studentin eine Weinflasche zu 30 € leisten kann, auch wenn das noch so günstig für diese Sorte ist ...? Nun ja, ich musste erst einmal frische Luft schnappen und begab mich außerhalb der Stadtmauern von Beaune in die herrlichen Weinberge, um ein bisschen umher zu spazieren. Dijon - Stadt der hundert Türme - 2008-03-09 22:34 Freitagabend, 29. Februar: Und da war ich auch an der letzten Station meiner Reise angelangt, Dijon. Hier blieb ich 62 "Andarina" auf Tour Frankreich bis Sonntag bei Charles, ein Student in einer Classe préparatoire (Vorbereitungskurs für den Zugang zu einer Elitehochschule), der Deutsch als erste Fremdsprache gelernt hatte. So kam es, dass wir die ganze Zeit zwischen Französisch und Deutsch hin- und hersprangen - sehr lustig! :-) Samstag zeigte Charles mir das Zentrum Dijons und wusste zu den meisten Gebäuden eine interessante Anekdote zu erzählen. Dijon erinnerte mich wieder stark an Rennes mit seinen Fachwerkhäusern und den kleinen Gassen mit zahlreichen Cafés und Restaurants. Ich bestieg am Nachmittag einen der vielen Stadttürme und hatte einen herrlichen Blick über die ganze Stadt. Jetzt konnte ich auch verstehen, warum man von der "Stadt der hundert Türme" spricht wirklich überall ragten vor allem Kirchtürme in den Himmel. Und ein paar buntgemusterte Dächer gab es zu meiner Freude auch wieder zu sehen. Am Abend aßen wir zusammen mit ein paar Freunden in Charles' Dachwohnung und gingen danach noch zu einem Freund von ihm. Nachts auf dem Nachhauseweg gabelte Charles dann einen alten, aber noch gut erhaltenen Ledersessel auf, den wohl jemand für den Sperrmüll auf die Straße gestellt hatte. Er und ein Freund zögerten nicht lange und schleppten das Teil bis zu 63 "Andarina" auf Tour Frankreich Charles' Wohnhaus und dann noch die drei Etagen bis zur Dachwohnung hinauf. Hab lange nicht mehr so gelacht! :-) Den Sonntag nutzte ich um kostenlos ins Musée des Beaux Arts (Museum der Schönen Künste) zu gehen und noch ein bisschen durch die Stadt zu schlendern. Am zeitigen Abend hieß es dann "Adieu Dijon!" und ich nahm den TGV erst bis nach Paris, von dort aus nach Rennes. Voll von Eindrücken, aber echt k.o. kam ich schließlich gegen Mitternacht in Rennes an. Und Montag rief auch schon wieder die Uni ... :-( P.S.: Noch eine Anekdote zu Dijon: Den Meisten wird die Stadt ja sicherlich für ihren Senf bekannt sein. Was aber auch noch aus dieser Stadt stammt, ist der Kir, ein Getränk, dass aus Kassiscreme und Weißwein zusammengemischt wird. Erfunden wurde dieses Getränk vom ehemaligen Bürgermeister Dijons namens Kir. Daher also die Getränkebezeichnung. Im Norden von Dijon gibt es sogar einen See Kir (Lac Kir), den der Bürgermeister künstlich anlegen ließ. 64 "Andarina" auf Tour Frankreich Besuch numéro 2 - 2008-03-26 19:31 Am Nachmittag des 10. März 2008 (Montag) stand der zweite Besuch ins Haus: Theresa, eine Studienfreundin aus Jena, gerade von ihrem Auslandssemester in Argentinien zurück, trudelte in Rennes ein. Da gab's natürlich erst einmal eine Stadtführung und abends einen obligatorischen Crêperie-Besuch. Die nächsten Tage ging es auf Reisen in den Norden der Bretagne bis nach Brest, eine Stadt im äußersten Westen Frankreichs gelegen. Am Dienstag fuhren wir morgens mit dem Bus nach Dinan, wo ich im November ja schon einmal mit Rianne gewesen war. Dank Theresa aber entdeckte ich noch ein paar neue Ecken dieser schnuckeligen mittelalterlichen Stadt mit ihren zahlreichen Fachwerkhäusern. Am Abend nahmen wir den Bus in Richtung Westen und ließen uns in einem kleinen Ort im Süden von Lannion von Benji und Romain abholen, bei denen wir (mal wieder) über den "Hospitality Club" übernachteten. Sie statteten uns mit Infos über ihren Ort Perros Guirec, und Kartenmaterial für den nächsten Tag aus, an dem wir die wohl schönste Küste der Bretagne, die Côte de Granit Rose (Küste der rosanen Granitfelsen), besuchen wollten. 65 "Andarina" auf Tour Frankreich Den Abend hatte es noch gestürmt und geregnet, doch der nächste Morgen empfing uns mit strahlendem Sonnenschein. In fünf Minuten waren wir am Strand und nach etwa einer halben Stunde konnten wir sie von weitem sehen: Die rosanen Granitfelsen, die einen ganzen Küstenabschnitt bedeckten und ein bisschen surreal in der Landschaft wirkten. Der Wind hatte bizarre Formen in den Stein geschliffen und richtige Sitzkuhlen hinterlassen. Doch Vorsicht, der Stein war recht grobkörnig und rau – wir mussten bei unseren Kletteraktionen echt aufpassen uns nicht die Hände aufzuschürfen. Ein Stück des Weges weiter dann das große Naturschauspiel: Der Wind ließ meterhohe Wellen ans Ufer schlagen und das Wasser wurde tatsächlich so sehr aufgeschäumt, dass einzelne Schaumfetzen durch die Luft flogen. Ich weiß nicht wie lange wir gebannt diesen Naturgewalten zusahen, aber es war einfach zu beeindruckend! Als wir schließlich im nächsten Küstenort angekommen waren, ließen wir uns wieder von den beiden Hospitality Clubbern abholen und abends fuhren sie uns sogar noch zum Bahnhof. Nächste Reisestation: Brest. Hier übernachteten wir bei Gilles, der uns auch vom Bahnhof abholte. Am nächsten Tag gab er uns eine kleine Stadtführung in der wohl so ziemlich hässlichsten Stadt, die ich jemals gesehen habe. Überall triste, graue Betonbauten, 66 "Andarina" auf Tour Frankreich klobige Betondenkmale und –brücken, wenig Grün. Und das grieselige Regenwetter verbesserte meinen Eindruck auch nicht gerade. Die Stadt war im 2. Weltkrieg von den Alliierten fast vollständig zerstört worden, weil sie eine deutsche Marinestation beherbergt hatte, und wurde danach schnellstmöglich und mit wenigen Mitteln einem geometrischen Plan folgend wieder aufgebaut. So entstand z. B. auch diese gruselige Kirche, die Theresa und mich besonders schockiert hatte. Heute befindet sich vor der Küste Brests eine Lagerstätte der französischen Nuklearwaffen – auch nicht gerade beruhigend... Kulturell jedoch muss die Stadt wohl so einiges zu bieten haben, es gibt zahlreiche Festivals und Bars, was wir am Donnerstagabend dann auch in Erfahrung bringen konnten: Wir machten mit einigen Freunden von Gilles und zwei Französinnen, die auch über "Hospitality Club" bei Gilles übernachteten, eine kleine Kneipentour. Freitag nahmen Theresa und ich den Regionalbus zur Pointe St. Mathieu, dem westlichsten Zipfel an der Küste. Wir fanden einen Leuchtturm und eine Kirchruine vor, von der eine recht mystische Atmosphäre ausging. Wir folgten zunächst dem Jakobsweg (ja, der führt hier tatsächlich lang!) 67 "Andarina" auf Tour Frankreich an der Küste. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich hier „les blockhaus das ist tatsächlich das französische Wort!), die deutschen Bunker, die im 2. Weltkrieg zur Überwachung und Verteidigung der Küste als riesige Betonklötze in die Landschaft gebaut worden waren. Das war schon eine komische und auch ein bisschen beunruhigende Erfahrung für mich – diese graffitibeschmierten Betonklötze in der gelbblühenden Landschaft... Nach einem kleinen Picknick nahmen wir dann den Weg Richtung Norden nach Le Conquet und gelangten per Anhalter zurück nach Brest. Theresa reiste am späten Nachmittag leider schon wieder ab und ich trat am nächsten Tag die Rückreise nach Rennes an. Natürlich nicht ohne noch zwei weitere bretonische Orte abzuklappern: Roscoff, am Meer gelegen und bekannt für seine Algen und Zwiebeln, und schließlich Morlaix, berühmt für seine weltweit einzigartigen Laternenhäuser, mittelalterliche Fachwerkbauten. 68 "Andarina" auf Tour Frankreich La Rochelle - 2008-04-17 00:33 Meine nächste Reise nach der Tour nach Brest führte mich am Osterwochenende mit Maria in den Westen Frankreichs, nach La Rochelle und die Île de Ré (Insel Ré), etwa zwischen Nantes und Bordeaux gelegen. Wie es der Zufall wollte, hatte ich aufgrund meiner Reise nach Brest eine Übernachtungsmöglichkeit arrangieren können. Als Theresa und ich nämlich bei Gilles in Brest zu Abend aßen, war auch eine Freundin vom ihm, Claire, zu Besuch. Sie erwähnte, dass sie aus La Rochelle kommt und bot mir doch prompt auf meine Nachfrage hin an, dass Maria und ich bei ihren Eltern übernachten könnten. Ich rief die Eltern ein paar Tage vorher an und die Sache war geritzt. Sie waren wirklich unglaublich nett: Sie holten uns Freitagabend vom Bahnhof ab und brachten uns Montag auf dem Rückweg auch wieder hin; wir wurden am ersten Abend bei ihnen zum Essen eingeladen, sie versorgten uns mit reichlich Infomaterial für die Stadt und wir hatten schließlich einen eigenen Schlafraum für uns. Und am nächsten Morgen stand schon das Frühstück bereit. Herrlich! Den Vormittag verbrachten Maria und ich damit die Innenstadt von La Rochelle zu erkunden. Sehr typisch waren die 69 "Andarina" auf Tour Frankreich weißen Kalksteinhäuser meistens mit Arkaden versehen, die der ganzen Stadt einen freundlichen und hellen Eindruck gaben, der sich so ganz von den dunklen Backsteinhäusern der Bretagne unterscheidet. Besonders gefiel uns der Bereich um den Hafen herum, wo gerade ein Töpfermarkt abgehalten wurde. Den obligatorischen Kaffee nahmen wir im Restaurant des Aquariums ein, von wo wir einen herrlichen Ausblick auf die ganze Stadt mit ihren zahlreichen Türmen hatten. Claire hatte mir im Vorfeld die Handynummern einiger ihrer Freunde in La Rochelle gegeben, damit wir abends mit ihnen noch etwas unternehmen konnten. Ich kontaktierte einen gewissen Guillaume, der dann prompt im Aquariumsrestaurant vorbeikam und uns zum Mittagessen zu sich nach Hause einlud. Für unsere Abendgestaltung hatte er auch schon einen Vorschlag parat: Eine Verkleidungsparty mit dem Thema „Folie Verr“cktheit irgend- wo auf dem Land 20 km von La Rochelle entfernt. Okay, wir waren dabei! Guillaume war schon perfekt mit einer Teufelsmaske, einem Wikingerhelm und einem riesigen Umhang für die Party ausgestattet. Nur uns fehlte noch das verrückte Kostüm... Wir wollten jedoch auch nicht extra etwas kaufen und so hatte Guillaume die Idee doch einfach 70 "Andarina" auf Tour Frankreich unsere Klamotten verkehrt herum anzuziehen. Genau das taten wir dann auch. ;-) Abends fuhren wir also los, wirklich mitten in die totale Pampa hinein und stellten das Auto auf dem mit „Folie gekennzeichneten „Parkplatz ab. Zuerst sahen wir eine hell erleuchtete Jurte, ursprünglich ein mongolisches No- madenzelt, in die wir eintraten und in der wir auf die ersten „Verr“ckten trafen: Eine Frau in viel zu kurzen Leg- gins, einer Bomber-Skijacke und Skischuhen an den Füßen sowie einen "Tokio Hotel"-Verschnitt mit schwarzen Strubelhaaren, weißen Leggings, Ringelsocken und Sandalen – einfach zum Schießen! Die eigentliche Party mit ordentlich Musik und Buffet spielte sich im Haus irgendeines alternativen Vereins gegenüber der Jurte ab. Die Kostümierungen waren unglaublich kreativ! Maria und ich saßen da und es kam uns alles wie in einem Traum vor. Noch am Morgen hätten wir uns nie erdenken können am Abend auf einer durchgeknallten Kostümparty zu sitzen, auf die uns ein Typ mitgenommen hatte, den wir gerade erst am Nachmittag kennen gelernt hatten. Mais c est la vie! (Aber so ist das Leben!) 71 "Andarina" auf Tour Frankreich Am frühen Partymorgen wusste wahrscheinlich so ziemlich jeder Gast, dass Maria und ich Ausländerinnen sind, denn ich weiß nicht wie oft ich in dieser Nacht erklären musste, woher ich komme, was ich in Frankreich mache und warum um alles in der Welt ich hier auf dieser Kostümparty irgendwo in der Pampa bei La Rochelle bin, wo ich doch eigentlich in Rennes wohne. Besonders witzig ist es immer, wenn mir irgendjemand dann erzählt: „Ah, also ich kenne auch eine Deutsche. Laura, ist ein sehr nettes Mädel. – )ch: „Ähm, aha. Also ich kenne die jetzt nicht ... . Und Maria war noch um einiges „exotischer mit ihrer finnischen (erkunft. Als Partyhighlight gab s sogar noch ei- nen Männerstrip, der allerdings alles andere als professionell war. ;-) Irgendwann am frühen Morgen lieferte uns Guillaume dann wieder an unserem Quartier ab, wo wir vollkommen erschöpft in die Federn fielen. Für den nächsten Tag hatten wir uns ursprünglich vorgenommen, die nahe Île de Ré mit dem Fahrrad zu erkunden. Doch wie ihr euch sicherlich vorstellen könnt: Pustekuchen! Aufgrund unserer Unausgeschlafenheit setzten wir uns stattdessen in den Bus und ließen uns über die ganze 72 "Andarina" auf Tour Frankreich Insel bis zur bekanntesten Sehenswürdigkeit, dem Phare des Baleines (Leuchtturm der Wale), kutschen, besichtigten diesen und stiegen zurück in den Bus. So richtig schön touristisch halt! ;-) Aber so hatten wir vom Busfenster aus wenigstens einen schönen Ausblick auf die Insel und ihre kleinen Touristenorte. An unserem mittlerweile schon letzten Tag in La Rochelle bestiegen wir noch den Tour de la Lanterne (Laternenturm), spazierten ein bisschen am Meer entlang und genossen einen Kaffee in der Mittagssonne. Und dann war Ostern auch schon wieder passé. Alltagsbeobachtungen - 2008-05-15 21:55 An dieser Stelle eine lose Sammlung an Alltagsbeobachtungen, die ich während meines gesamten Aufenthaltes in Frankreich gemacht habe: Bürokratie Unglaublich, aber wahr: Die Franzosen sind noch bürokratischer als die Deutschen. Sie lieben Dokumente über alles. Für sämtliche Gelegenheiten (Wohnheimplatzvergabe, 73 "Andarina" auf Tour Frankreich Praktikumsvereinbarung, Partyraummietung) muss mindestens ein Dokument ausgefüllt werden (okay, das ist ja noch normal); zusätzlich muss man noch irgendwelche "justificatifs" (Belege) erbringen, sei es Wohnplatznachweis, ärztliches Attest oder Einverständniserklärung eines Unitutors, und eine Begründung schreiben. So geschehen für meinen Antrag auf Wohnheimplatzverlängerung: Bereits auf dem Dokument hatte ich auf dem dafür vorgesehenen Platz in Stichpunkten meine Motive erläutert, warum ich den Sommer über noch im Wohnheim wohnen bleiben möchte. Das allerdings reichte nicht aus. Ich musste an das Dokument noch einen Brief für die Wohnheimvergabestelle heften, auf dem ich noch einmal ausführlicher auf meine Motive einzugehen hatte. Ab Mitte Juni weiß ich dann, ob es etwas gebracht hat... Auch für mein Praktikum musste ich eine so genannte "Convention" (Übereinkunft) in dreifacher Ausführung ausfüllen, in der ich mein Praktikum erläutere und dem Praktikumsbüro der Uni sämtliche Informationen zu meinem Praktikum gebe. Diese Dokumente konnte ich allerdings nur erhalten, nachdem ich einen Motivationsbrief an meinen Fachtutor geschrieben hatte. Ich schickte die Convention dann an meine Praktikumsstelle, um deren Unterschrift zu erhalten. Danach gingen die Dokumente zurück an die Uni, um 74 "Andarina" auf Tour Frankreich die Unterschrift des Unidirektors zu bekommen und wenn das dann irgendwann geschehen ist, werden sie mir zurückgeschickt und ich muss wiederum ein Exemplar an die Praktikumsstelle weiterleiten. Dieser ganze Prozess war natürlich noch begleitet davon, dass ich einen Nachweis einer Haftpflichtversicherung einreiche, diverse Kopien anhänge, etc. Ein Graus, als sich an meiner Praktikumsdauer etwas änderte! Ich musste wieder in dreifacher Ausführung einen Verlängerungsantrag ausfüllen, in dem ich teilweise genau dasselbe wie in der Convention schrieb und das ganze Prozedere danach begann von Neuem. Ils sont fous les Français!!! (Die Franzosen sind verrückt!!!) Persönliches Geplänkel & die französische Schwäche für ausländische Akzente In Frankreich läuft viel mehr auf der persönlichen Ebene ab. Überall wird eifrig ein Schwätzchen gehalten, egal ob an der Supermarktkasse, in einem Unisekretariat oder im Bus. Für mich als doch eher hektische Deutsche war das mindestens viertelstündige Anstehen an der Supermarktkasse (auch wenn nur zwei Personen vor mir waren) anfangs echt nervig, aber mittlerweile merke ich das schon gar nicht mehr. Bis wahrscheinlich zu meinem ersten AldiEinkauf wieder in Deutschland... ;-) 75 "Andarina" auf Tour Frankreich Generell sind die Leute hier auch viel kontaktfreudiger und oft ganz in ihrer eigenen Welt versunken. So reden meiner Meinung nach mehr Leute als in Deutschland beim Einkaufen mit sich selbst, und das nicht nur ältere Leute, oder geben Kommentare zu dem ab, was man kauft. So geschehen bei H&M, wo ich dabei war mir eine Gesichtsmaske auszusuchen und die Frau neben mir erzählte, dass sie davon einen Hautauschlag bekommen hatte. Auch bei, ich sag mal "formellen" Anlässen wie Vorstellungsgespräch oder Kontoeröffnung, gibt es neben dem offiziellen immer auch einen persönlichen Teil, in dem ich dann natürlich erzählen musste, woher ich komme, was ich in Frankreich mache, etc. Und auch, wenn man bei solch "formellen" Dingen einmal ein Problem hat, ist es am besten, die persönlichen Umstände in aller Ausführlichkeit zu erläutern und schon lässt sich das Problem meist auf zwischenmenschlicher Ebene regeln. Wenn man, wie ich hier, Ausländer ist, hat man in den meisten Fällen sofort einen Stein im Brett, vorausgesetzt, man spricht zumindest ein paar Brocken Französisch. Ich habe nämlich festgestellt, dass die Franzosen echt auf Akzente abfahren. Da ich diesen nie ganz verbergen kann, wurde ich z. B. schon beim Kaufen von Bustickets gefragt: "Ah, vous avez un joli ac76 "Andarina" auf Tour Frankreich cent! Vous venez d'où?" (Ah, Sie haben aber einen schönen Akzent! Woher kommen Sie denn?). Und wenn ich mich im Café mit anderen Erasmusleuten auf Französisch unterhalte, kommt in den meisten Fällen auch jemand an den Tisch und fragt interessiert nach unserer Herkunft. Vor ein paar Minuten ein weiteres typisches Beispiel für die französische Kontaktfreudigkeit: Ich habe für meine Reise nach Südfrankreich wieder einige Leute vom "Hospitality Club" kontaktiert, um bei ihnen kostenlos zu übernachten, und habe meiner Mail auch gleich meine Handynummer hinzugefügt. Viele rufen mich tatsächlich sofort zurück. Und der Typ vor ein paar Minuten rief mich sogar zurück, obwohl er gar nicht mehr in der von ihm im Profil angegebenen Stadt (Perpignan) wohnt, aber er erzählte mir, dass er ursprünglich aus Rennes sei, fragte mich an welcher Uni ich dort studiere, warnte mich ein bisschen vor Perpignan als einer etwas unruhigen Stadt vor und meinte, falls ich mal eine Übernachtungsmöglichkeit für Paris bräuchte, wo er nun gelandet ist, könnte ich ihn kontaktieren. Einfach nur klasse! 77 "Andarina" auf Tour Frankreich Englisch Die englische Sprache bereitet den meisten Franzosen arge Probleme. Und ich glaube für Leute, die kein Französisch sprechen und die als Touristen nach Frankreich kommen, ist es ziemlich schwierig sich zu verständigen. Viele Franzosen haben mir ihre schlechten Sprachkenntnisse mit dem miesen Englischunterricht erklärt, der, zumindest bis vor Kurzem noch, erst mit zwölf Jahren begann und dann in der typisch frontalen Art durchgeführt wurde: Grammatik und Texte schreiben. Sprechen: Fehlanzeige! In der Uni gab es etliche Professoren, die sich vor der Aussprache einer englischen Wendung umständlich für ihren Akzent entschuldigt haben und dann die Wörter in einer französischen Manier aussprachen, dass es einem die Nackenhaare aufstellte. Ein "Junk Cut" (sprich: "Jank Catt") wurde zu einem "Jönk Cött" oder der aus dem Hollywood-Kino stammende "Hays Code" (sprich: "Hees") wurde zum "Code Eis". Aber auch im Radio habe ich so einige Grausamkeiten anhören müssen, wenn die Moderatoren von irgendwelchen englischen Stars, Musik- oder Filmtiteln sprachen und ich erst nach mehrmaligem Wiederholen der "frenglischen" 78 "Andarina" auf Tour Frankreich Wendung erschließen konnte, von wem da gerade die Rede war. Doch nicht nur englische, sondern sämtliche ausländische Namen und Bezeichnungen werden "französiert". Manchmal redete ein Prof in der Uni von irgendeiner bekannten Persönlichkeit, doch bevor er deren Namen nicht an die Tafel geschrieben hatte, wusste ich nicht, von wem die Rede war. Einige Beispiele: "Leonardo da Vinci" wird zu "Léonard de Vinci", "Pythagoras" zu "Pythagore", "Bach" wird "Back", "van Gogh" wird "van Gock" ausgesprochen, usw. Hinzu kommt immer noch, dass die Franzosen sämtliche ausländische Wendungen mit der gleichen Endbetonung wie im Französischen aussprechen, was meist einfach nur putzig klingt. Sicht auf die Deutschen & das "Phänomen Tokio Hotel" Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Franzosen Deutsch in der Schule gelernt haben und zumindest immer ein paar Brocken hervorzaubern, wenn ich erzähle, dass ich Deutsche bin. Im französischen Schulsystem muss man nämlich neben Englisch zwischen Deutsch und Spanisch 79 "Andarina" auf Tour Frankreich als Fremdsprache wählen. In den letzten Jahren überwog die Wahl von Spanisch, wahrscheinlich weil es als romanische Sprache leichter für die Franzosen zu erlernen ist. Tja und dann kam das "Phänomen Tokio Hotel" und immer mehr französische Teenies entschieden und entscheiden sich nun Deutsch zu lernen. Erst gestern auf einer Party erzählte mir ein Franzose von seiner kleinen Schwester, die sich, um die Liedtexte von "Tokio Hotel" zu verstehen, enthusiastisch daran machte, Deutsch zu lernen. "Tokio Hotel" als deutsch-französische Kulturbotschafter!? Generell reagieren die Franzosen positiv, wenn ich erzähle, dass ich aus Deutschland komme. Entweder haben sie selbst irgendeine persönliche Verbindung zu Deutschland, weil sie dort jemanden kennen oder im Urlaub waren, oder aber sie haben absolut keine Ahnung von Deutschland, waren noch nie dort, fragen mich dann aber interessiert, wie diese und jene Sache denn in Deutschland von statten geht. Bis auf eine Ausnahme habe ich keinen Franzosen getroffen, der Deutschland automatisch mit Hitler bzw. Nazis in Verbindung brachte. Eher im Gegenteil: Eine Französin erzählte mir, sie sei ganz genervt von der teilweise noch öffentlich in Frankreich praktizierten einseitigen Schuldzuweisung gegenüber Deutschland während der 80 "Andarina" auf Tour Frankreich Nazizeit. Sie meinte, es würden noch viel zu oft die französischen Kollaborateure vergessen und zum Beispiel über die französische Rolle im Algerienkrieg hülle man sich lieber in Schweigen. Von der einen Ausnahme allerdings muss ich noch kurz erzählen: Ich war im ersten Semester mit Eva, einer Tschechin, auf einem Tanzfestival gewesen, wo uns eine Frau um die Mitte Fünfzig von der Insel La Réunion (französisches Überseegebiet) fragte, woher wir denn kämen. Als ich sagte "Aus Deutschland" erwiderte sie: "Ah, Heil Hitler!", worauf ich säuerlich antwortete, dass das ja nun nicht mehr aktuell sei. Reisebericht: Ile d'Ouessant und Südbretagne - 200806-02 16:50 Wie ihr ja auf meinem Blog bereits lesen konntet, war ich vom 17. (Samstag) bis 26. (Montag) Mai 2008 mal wieder auf Reisen. Mit Maria machte ich mich Samstagabend nach Brest auf, wo wir eine Nacht bei einem Couchsurfer verbrachten, um am nächsten Morgen die Fähre auf die Île d Ouessant zu nehmen. Diese )nsel bildet “brigens den westlichsten Teil des französischen Territoriums. Nach einer zweistündigen Schifffahrt, zunächst entlang der Küs81 "Andarina" auf Tour Frankreich te westlich von Brest, dann auf dem offenen Meer, kamen wir auf der Insel an und ließen uns mit einem Bus in den einzigen größeren Ort, Lampaul, fahren. Wir suchten die Jugendherberge auf, in der wir fast die einzigen Gäste waren, und drehten anschließend unsere Einkaufsrunde in einem der drei Supermärkte der Insel, der natürlich vollkommen überteuert war. :-( Bis zum zeitigen Abend marschierten wir den westlichen Zipfel der Insel bis zum Phare de Nividic (Leuchtturm von Nividic) ab. Die Natur war herrlich unbelassen und die Wege teilweise nur von weichem Lehm und Gras bedeckt, so dass wir große Strecken barfuß laufen konnten. Bäume gibt es auf der Insel eher wenige, denn da es keinerlei Schutz vom naheliegendem Festland gibt, pfeift der Wind doch ordentlich umher. Aber wir hatten riesiges Glück mit dem Wetter: Die Sonne schien alle drei Tage, die wir auf der Insel verbrachten. Maria verbrannte sich ganz schön das Gesicht, denn der Wind ließ die Strahlung einfach nicht spüren. Am Abend gingen wir ziemlich erschöpft von unserem Ausflug tatsächlich mit Sonnenuntergang schlafen, der hier allerdings auch erst 22.15 Uhr einsetzte. 82 "Andarina" auf Tour Frankreich Am nächsten Tag erkundeten wir den Norden, Osten und Süden der Insel per Fahrrad. Neben der hauptsächlich wilden Küste aus schroffen Felsen fanden wir auch einen kleinen, paradiesischen Sandstrand mit Blick auf das türkisblaue Meer. Zum Baden allerdings war es leider zu kalt. Am Dienstagnachmittag hieß es auch schon Abschied nehmen von der kleinen Insel. Schade, ich habe mich dort so entspannt wie seit langem nicht gefühlt! Wieder in Brest holten uns Céline vom "Hospitality Club" und ihr Freund vom Hafen ab und wir verbrachten eine Nacht in ihrer unglaublich schicken Designerwohnung. Nach ausführlichem Aperitif gab es ein Crêpes- und Galettes-Menü vom Feinsten. Und am nächsten Morgen erwartete uns ein reich gefüllter Frühstückstisch, gegen den das Frühstück in der Jugendherberge ein Witz gewesen war. Céline fuhr uns zum Bahnhof, von wo aus wir den Bus nach Quimper in den Süden nahmen. Dort angekommen, holte uns Gwendal vom "Hospitality Club" ab; wir aßen bei ihm zu Mittag und machten uns danach auf, das schnucklige Stadtzentrum von Quimper zu erkunden. Überall gab es 83 "Andarina" auf Tour Frankreich Fachwerkhäuser in allen möglichen Farben und zahlreiche Läden verkauften Fayencegeschirr, das hier für diese Region sehr typisch ist. Quimper bedeutet auf Bretonisch übrigens „Zusammenfluss", denn durch die Stadt schlängeln sich drei Flüsse, Odet, Steir und Jet, die später ineinander fließen. Maria musste am späten Nachmittag nach Rennes zurückkehren, da sie vor ihrer Abreise nach Finnland noch Besuch von einer Freundin erhielt. Gwendal machte mit mir abends eine Autotour in die Umgebung (Île Tudy, Tronoën). Er wusste echt zu jedem Ort etwas zu erzählen, da er einmal als Bankberater für die Bauern in der Umgebung gearbeitet hatte und somit ständig in der Gegend unterwegs gewesen war. Außerdem erzählte er mir auch viele interessante Dinge über bretonische Musik und Geschichte und ich konnte sogar ein paar Wörter Bretonisch lernen. Den nächsten Tag schaute ich mir ein Museum für bretonische Traditionen an, sowie das Schloss Lanniron. Abends dann machte mir die französische Streikkultur einen Strich durch meine Planung. Ich verpasste um eine Minute den letzten Zug, der mich nach Lorient bringen sollte – der Spä84 "Andarina" auf Tour Frankreich tere wurde aufgrund eines Streiks nämlich gestrichen. Ich rief Gwendal an, der mir zum Glück versicherte, mich ohne Probleme noch eine Nacht beherbergen zu können. Wir machten abends eine weitere Tour in die Umgebung, bei der wir diesmal sogar am Strand picknickten. Absolut beeindruckend fand ich dort die auf den Strand gestürzten riesengroßen deutschen Bunker „blockhaus" aus dem . Weltkrieg. Später kamen am wir am Phare d Eckm“hl vor- bei, ein Leuchtturm, der an eine Napoleonische Schlacht in Eggmühl (Bayern) erinnern soll. Ich verstehe bei dieser Namensgebung allerdings nicht, warum die Franzosen den Ort „Eckm“hl" schreiben und die Deutschen „Eggm“hl", denn ich meine der Laut „ck" existiert normalerweise ja nicht im Französischen ... Am nächsten Morgen nahm ich schließlich den Zug nach Lorient, eine nichtssagende Industriestadt, die fast null Persönlichkeit aufweist. Das liegt daran, dass die Stadt wie Brest im 2. Weltkrieg fast vollkommen zerstört worden war und danach schnell wieder aufgebaut werden musste. Mein "Hospitality Club"-Gastgeber empfahl mir jedoch die Fähre nach Port-Louis, einer kleinen Nachbargemeinde, zu nehmen, was sich tatsächlich mehr als Lorient lohnte. 85 "Andarina" auf Tour Frankreich Den ganzen nächsten Tag schüttete es wie aus Eimern. Mein neugekaufter Regenschirm hielt dieser Vollladung bretonischen Regens nur mühselig stand und auch meine Schuhe waren nur begrenzt wasserdicht. Ich flüchtete mich in die Zitadelle von Port-Louis, die einst von spanischen Besetzern erbaut worden war und schaute mir, welch Ironie des Schicksals, das Marinemuseum mit seiner Ausstellung über Schiffbrüchige und die Rettungsmethoden der Freiwilligenverbände, an. Hochinteressant! Eine weitere Ausstellung beschäftigte sich mit dem Handel zwischen Frankreich und Indien, da Lorient der einzige französische Hafen gewesen war, von dem aus die Handelsschiffe ihre Route nach Indien aufgenommen hatten. Den nächsten Tag widmete ich Quimperlé, einer schönen kleinen Stadt im Westen Lorients, die mich zum einen mit ihren Kirchenbauten beeindruckte und zum anderen durch das Vorhandensein einer englischen Telefonzelle im Zentrum und eines deutschen Briefkastens am Bahnhof. ;-) Montag war auch schon der letzte Tag meiner Reise gekommen, den ich auf dem Weg nach Rennes noch nutzte, um mir Auray anzuschauen. Hatte ich in den anderen bretonischen Städten schon des Öfteren meine Muttersprache 86 "Andarina" auf Tour Frankreich aufgeschnappt, so hatten hier eindeutig die Engländer die Stadt im Griff. Ich schlenderte durch die engen Gassen aus Fachwerkhäusern und genoss den Blick auf das kleine Hafenareal gesäumt von zahlreichen touristischen Restaurants. Wer aufmerksam die Tour de France verfolgt, weiß vielleicht schon, dass diese dieses Jahr in der Bretagne beginnen wird. Am 6. Juli 2008 wird der Ankunftsort einer Etappe Auray sein und so waren in der ganzen Stadt in Vorfreude schon viele Schaufenster mit Tour-de-FranceAufklebern geschmückt worden. Linguistische Kuriosität n°1 - 2007-09-22 20:13 In Deutschland machen die Teletubbies zur Begrüßung „A O , in den Niederlanden „E O und in Finnland „O O . Linguistische Kuriosität n°2 - 2007-09-28 19:48 Wenn in den Niederlanden das Handy klingelt, dann heißt das "bellen". Bellt hingegen ein Hund wird das als "bluffen" 87 "Andarina" auf Tour Frankreich bezeichnet - ausgesprochen wie das „Bluffen beim Kartenspielen. Linguistische Kuriosität n°3 - 2007-10-06 11:55 Gibt man in Deutschland eine Sache auf, so "wirft man das Handtuch". In Frankreich hingegen "wirft man den Schwamm" (jeter l'éponge). Beide Wendungen haben ihren Ursprung übrigens in der Boxwelt. Eine mögliche Bezeichnung für Türklinke im Französischen finde ich sehr lustig: "Entenschnabel" (bec-de-cane). Linguistische Kuriosität n°4 - 2007-11-25 21:28 Das @-Zeichen wird auf Niederländisch als "Affenschwanz" (apenstaartje) bezeichnet. Im Schwedischen heißt es "Rüssel-a" (snabel-a). Interessant: "Snabel" ist also auf Schwedisch der Rüssel, Schnabel hingegen heißt "näbb". 88 "Andarina" auf Tour Frankreich Linguistische Kuriosität n°5 - 2008-01-23 00:24 Heute prangte ein großes deutsches Wort auf dem Titel der französischen Tageszeitung „Libération : "KRAC(". Gemeint ist der große Börsenkrach, der ausgehend von der US-Börse sämtliche weitere Börsen der Welt betrifft und überall die Kurse einstürzen lässt. "Un krach" heißt übersetzt also tatsächlich "Börsenkrach". Nur witzig, dass wir ja mittlerweile auf Neudeutsch immer von einem BörsenCRASH sprechen... An dieser Stelle noch ein paar weitere deutsche Wörter, die es in den französischen Sprachalltag geschafft haben: Un edelweiss - bezeichnet die Blume Edelweiß, aber auch eine Biermarke heißt hier so. Un ersatz - Ersatz, z. B. auch "un ersatz de café" was Kaffeeersatz heißt. Un leitmotiv - wie auch im Englischen hat es dieser Musikbegriff ins Französische geschafft . 89 "Andarina" auf Tour Skandinavien Skandinavien (Dänemark, Norwegen, Schweden & Finnland) Zeitraum & Tätigkeit Juli 2008 & April 2014: Urlaub Mai 2012 & August 2013: Arbeit als Reisebegleiterin auf einer Nordkaptour Personen Heinz & Günter Busfahrer auf der Nordkaptour im Mai 2012 Kati & Slava Couchsurfer, die mich in Tampere beherbergen Katja Freundin, die ich vom Studium aus Jena kenne und mit der ich 2014 Dänemark und Schweden bereise Maurizio Couchsurfer, den ich mit >Kati & Slava in Tampere treffe Begriffe Couchsurfing Internetplattform mit Leuten aus aller Welt, bei denen man kostenlos übernachten kann bzw. die einem ihre Stadt zeigen 90 "Andarina" auf Tour Skandinavien Erste Eindrücke aus Finnland - Tampere - 2008-07-20 20:10 Letzten Montag traf ich im "Land der tausend Seen", Finnland, ein, genauer gesagt in Tampere. Überall sieht man Fabriktürme und rote Backsteinfabrikhäuser. Die industrielle Vergangenheit (z. B. Textil- und Schuhindustrie) lässt sich also nicht verleugnen und Tampere wird daher auch als das "finnische Detroit" bezeichnet, wie mir meine beiden Gastgeber Kati (Finnin) und Slava (Russe) erzählten. Am ersten Tag nahmen sie mich zusammen mit einem anderen Couchsurfer, Maurizio (Italiener), mit auf einen kleinen Stadtrundgang. Maurizio war ständig auf der Suche nach einem echten italienischen Espresso, den er natürlich nirgendwo finden konnte. ;-) Am Nachmittag sah ich mir Tampere aus der Luft an, indem ich auf einen Aussichtsturm (übrigens mit sich drehender Kuppel wie der Berliner Fernsehturm) im Vergnügungspark Tamperes stieg. Wow, fast die ganze Stadt ist von zwei Seen umgeben. Eine herrliche Lage! Am zweiten Tag besichtigte ich das Medienmuseum von Tampere (ich will ja auch mal wieder was für mein Studium in Deutschland tun! ;-)) in einem riesigen Fabrikkom91 "Andarina" auf Tour Skandinavien plex gelegen, der schon als eine Stadt in der Stadt bezeichnet wird, da es dort zahlreiche Museen, ein Kino, Kneipen, Agenturen und sogar eine Kirche gibt. Nachmittags dann zusammen mit Kati und Slava die zweite Museumsrunde im Leninmuseum. Ja, Lenin war es nämlich, der 1917 den finnischen Unabhängigkeitsvertrag unterzeichnete. Reisen bildet! Den letzten Tag in Tampere verbrachte ich einfach damit durch die Stadt zu bummeln und mich immer wieder an der finnischen Sprache zu erfreuen, die ellenlange Wortschlangen hervorbringt und gerne Vokale und Konsonanten anhäuft. An sich klingt die Sprache meiner Meinung nach eher bedächtig und die Finnen sprechen mit vielen Pausen. Auf der Straße sieht man außerdem extrem viele blonde Leute (na so was) und ziemlich viele schwarzgekleidete "Grufties" und Heavy-Metal-Leute. Tampere soll für die letztgenannten beiden Stilgruppen in Finnland sogar die wichtigste Stadt sein. 92 "Andarina" auf Tour Skandinavien Intermezzo im Hohen Norden: Nordkaptour, Klappe die Dritte - 2012-06-29 12:39 An dieser Stelle meines Blogs habe ich die schönsten Fotos von meiner diesjährigen Nordkaptour zusammengestellt, für die ich nun das dritte Mal als Reisebegleiterin in den Hohen Norden aufgebrochen war. Die Tour verlief recht entspannt, bis auf die üblichen Ausraster ("Warum wird der Kaffee nicht sofort aufgefüllt?", "Warum müssen wir immer so hetzen?") waren die Gäste sehr nett und nach einer anfänglichen Auftauphase auch recht herzlich ("Naja, die kommen halt aus dem Norden." - O-Ton mein Busfahrer Heinz). Mit den beiden Busfahrern Heinz und Günter habe ich mich super verstanden und die kannten sich "da oben" auch sehr gut aus. Es war faszinierend zu sehen, wie anders die Landschaft im Vergleich zu meinen Reisezeiträumen im Juli und August/September in den Jahren zuvor aussah. Wir fuhren teilweise an geschlossenen Schneedecken vorbei und auch die Berge waren viel schneebedeckter als später im Jahr. Und das große Highlight: Strahlender Sonnenschein am Nordkap, was in etwa einem Sechser im Lotto gleichkommt! „So sieht also die Straße aus, die man dahin hochfährt! , dachte ich nur, nachdem man in den Jahren zuvor vor lauter Nebel kaum die Hand hatte vor 93 Ende der Leseprobe von: „Andarina“ auf Tour: Zwischen Reisefieber und Alltag in Frankreich, Marokko, Tansania, Iran und der Dominikanischen Republik - Die besten Beiträge aus Connys Reiseblog (2007-2016) Cornelia Steinigen Hat Ihnen die Leseprobe gefallen? Das komplette Buch können Sie bestellen unter: http://bit.ly/1T7WH1Q
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