Vortrag Norbert Pühringer, Handelsforum Bielefeld, 27.04.2016 Exzellenz im digitalen Zeitalter – Wie man Mensch und Technik erfolgreich miteinander verbindet 1. PARADIGMENWECHSEL Das Zeitalter der Digitalisierung bringt neue Anforderungen für Unternehmen und Handelsorganisationen mit sich, die mit den Mitteln der Vergangenheit nicht mehr erfolgreich bewältigt werden können. Der Schwerpunkt der Führungstätigkeit lag in der Vergangenheit auf Vorgabe und Kontrolle; im Fokus stand die Maximierung der Arbeitsproduktivität über technische Hilfsmittel und Rationalisierung von Abläufen. Die Digitalisierung birgt die Gefahr, sich vollends auf die Technik zu konzentrieren und die Menschen dabei zu vergessen. Deshalb brauchen wir einen Paradigmenwechsel in der Unternehmensführung. In Zukunft wird neben der Leistungsebene vor allem die Haltungsebene eine entscheidende Rolle für Erfolg und Wertsteigerung von Unternehmen spielen. Menschen müssen befähigt statt bevormundet werden, um ihr Potenzial entfalten zu können. Mitarbeiter, die sich mit ihrem Unternehmen identifizieren, die aus eigenem Antrieb Leistung bringen, werden zu Botschaftern der Marke und schaffen es ihrerseits die erforderliche Bindung zu den Kunden des Unternehmens aufzubauen und zu halten. Niemand geringerer als Steve Jobs hat mit dieser Einstellung Apple zum wertvollsten Unternehmen nach Börsenwert aufgebaut. 2. TECH + TOUCH – Die Erfolgsformel Exzellenz im digitalen Zeitalter erfordert daher die parallele Entwicklung der Leistungsfähigkeit (TECH: Prozesse, Systeme, Instrumente, Kennzahlen) und der Leistungsbereitschaft der Organisation (TOUCH: Orientierung, Identifikation, Engagement, Leidenschaft). 3 Hebel sollen zeigen, wie es gelingt, die beiden Ebenen miteinander zu verbinden. Hebel 1 – Bewegen: Hebel 2 – Fokussieren: Hebel 3 – Vereinfachen: 3. Mitarbeiter entwickeln ihre eigene Vision, übernehmen selbst Initiative und Verantwortung Gemeinsam definierte Ziele und geeignete Instrumente ermöglichen die Selbst-Steuerung der Mitarbeiter Effiziente Prozesse und Systeme unterstützen die Mitarbeiter optimal im Kundenkontakt BEWEGEN – Verhalten über Haltung ändern Wie bewegt man Menschen? Wie kommt man an das kreative Potenzial der Mitarbeiter heran, welches sie nur freiwillig oder eben nicht geben? Jedenfalls nicht durch Ansagen und Herrschen wie in der Vergangenheit. Sie müssen es schaffen, die Menschen persönlich zu berühren, ihrem Tun einen Sinn geben, um eine emotionale Bindung zum Unternehmen aufzubauen. Dazu müssen sie an der eigenen Haltung und der Haltung der Mitarbeiter arbeiten. Denn Verhalten kann nur über die Haltung verändert werden. Dazu braucht es mindestens 4 Ingredienzien: Eine Mission, die die Mitarbeiter berührt Das Bewußtsein über die eigene Haltung Das Erkennen eines persönlichen Nutzens für das Ziel / die Veränderung Eine Kultur der Transparenz und Offenheit Neue Haltungen erlernen wir, wenn wir begeistert sind, es sinnlich/körperlich spüren, die Dinge oft bewußt wiederholen und positives Feedback bekommen. 1 4. FOKUSSIEREN – Klare Orientierung durch Selbst-Steuerung Wie sieht die Steuerung im Zeitalter von Transparenz und Offenheit aus? Niemand wird bezweifeln, dass es auch weiterhin erforderlich sein wird, Ergebnisse zu messen. Wobei sich die Messung meist nur auf die finanziellen Kennzahlen bezieht und häufig nach dem Top-Down-Ansatz erfolgt, d.h. Vorgabe von Zielen von oben, Sicherstellung der Zielerreichung über die Hierarchien und damit wieder Vorgabe der erforderlichen Maßnahmen bei Abweichungen auf der operativen Ebene. Wollen Sie erreichen, dass sich die Mitarbeiter mit ihren Zielen wirklich identifizieren, dann müssen Sie sie schon an der Ausgestaltung dieser Ziele beteiligen. Auch hier ist eine gedankliche Umkehr der typischen Organisationspyramide erforderlich: nicht die Mitarbeiter dienen dem Management – natürlich dienen diese den Kunden – und vor allem: das Management dient den Mitarbeitern. Ein effektiver Ansatz zur Selbst-Steuerung ist zum Beispiel der Retail Kompass. Er besteht aus den 4 Messbereichen Finanzen, Abläufe, Mitarbeiter und Kunden und ist damit breiter aufgestellt als das übliche Berichtswesen. Über Ampelfarben wird einfach dargestellt, ob die Filiale aktuell ihre Ziele erreicht oder nicht. Am wichtigsten ist jedoch, dass die Filiale diesen Kompass selbst erstellt und die Ampeln schaltet. Dadurch kommt es zu einer anderen Form der Auseinandersetzung mit den Ergebnissen und vor allem der Maßnahmen, die hilfreich und nützlich sein können, um die gewünschten Ergebnisse doch noch zu erreichen. Und zwar nicht durch Vorgabe vom Regionalleiter sondern durch Eigeninitiative. 5. VEREINFACHEN – Mehr Zeit am Kunden Wieviel Zeit verbringen ihre Mitarbeiter wirklich im Kundenkontakt? Wieviel Zeit benötigen sie dafür, nicht funktionierende Prozesse händisch zu umgehen oder funktionsfähig zu machen? Exzellenz im digitalen Zeitalter bedeutet auch und vor allem die Gestaltung exzellenter Prozesse, die dazu geeignet sind, die gewünschte Leistung am Kunden auch tatsächlich zu erbringen. Und dazu ist es in der Regel erforderlich, erst einmal alles einfacher zu machen. Zwei Fragen stellen wir dazu regelmäßig in unseren Workshops mit Unternehmen: Wann ist ein Prozess eigentlich effizient? Und wann ist ein Prozess tatsächlich kundenorientiert? Am besten können diese Fragen nicht die zentralen Stellen im Unternehmen beantworten sondern vielmehr die Kollegen direkt am POS. Macht man ihnen auch noch klar, welche Vorteile sie selbst davon haben, wenn Prozesse im Sinne des Kunden und damit auch im Sinne der Mitarbeiter am POS vereinfacht werden, dann entsteht plötzlich große Bereitschaft, selbst herauszufinden, wo sich die Zeiträuber in den Prozessen verstecken. Wenn Sie sich auf diese Reise begeben, dann stellen sie vielleicht auch so wie einer unserer Kunden fest, dass gerade einmal 1/3 der Mitarbeiterstunden in den Filialen in den direkten Kundenkontakt gehen. Und das ein erheblicher Anteil der Zeiträuber durch das Handeln und die Vorgaben der Zentrale ausgelöst wird (u.a. unpassende Warensteuerung, überflüssige WE-Kontrolle, komplexe VM-Richtlinien, unflexible Personalplanung). Die gemeinsame Sichtweise auf diese Situation hatte in diesem Fall erheblichen Anteil daran, dass die Kundenzeit auf nahe 50% gesteigert werden konnte. 6. FAZIT Bewegen, Fokussieren, Vereinfachen: konkretes Handeln zeigt, wie es gelingt die beiden vermuteten Antagonisten TECH und TOUCH miteinander in Einklang zu bringen. Kein Zweifel, die Technik bringt enorme Vorteile für die Leistungssteigerung in allen Bereichen und ist ein Muss für den Handel der Zukunft. Technik alleine macht jedoch noch kein exzellentes Geschäftsmodell. Exzellenz entsteht erst, wenn es gelingt, Menschen für die neuen Wege zu begeistern, sie hinter eine gemeinsame Sache zu bringen und es ihnen maximal ermöglicht wird, ihre Fähigkeiten und Talente zu entfalten. Wem es gelingt, dieses Potenzial zu nutzen, der hat mit Sicherheit einen echten Differenzierungshebel und Vorteil im zukünftig nicht geringer werdenden Wettbewerb. 2
© Copyright 2025 ExpyDoc