Ausgabe 16 / Saison 15/16 • Bayer 04 Leverkusen • Auflage: 1.500 / gegen freiwillige Spende 30.04.2016, 15:30 Uhr Hannover 96 - FC Schalke 04 Niedersachsenstadion 07.05.2016, 15:30 Uhr FC Schalke 04 - FC Augsburg Arena AufSchalke Herausgeber „Blauer Brief“: Ultras Gelsenkirchen e.V. Daimlerstraße 6 45891 Gelsenkirchen www.ultras-ge.de [email protected] V.i.S.d.P.: Zoran Stanisavljevic Themen in dieser Ausgabe: Einleitung +++ Rückblick Derby +++ Rückblick FC Bayern München AG - FC Schalke 04 e.V. +++ Unter Freunden +++ Interview Traditionself Teil 2 +++ Zurück zu den Wurzeln - Italien +++ Dat is Schalke +++ Blick über den Tellerrand: USA +++ Gemischte Tüte Glückauf Schalker, nach einer ansprechenden Leistung im Derby folgte, wie von den meisten bereits erwartet, eine klare 3:0 Niederlage beim Tabellenführer aus München. Mit dem heutigen Spieltag startet der Endspurt der Bundesligasaison 2015/16. Ab heute dürfen keine Ausrutscher mehr passieren, wenn man nächstes Jahr das internationale Parkett betreten will. Bevor es gegen die vermeintlich leichten Gegner aus Hannover, Augsburg und Hoffenheim rangeht, haben wir zum „Spitzenspiel“ den aktuellen Tabellendritten SV Bayer Leverkusen zu Gast. Die Zeit der Ausreden ist vorbei. In den letzten vier Spiele heißt es: Alles geben - auf dem Platz, wie auf den Rängen. Arsch aufreißen! Gemeinsam nach Europa! Die hiesigen Medien scheinen es hingegen nicht gerne zu sehen, dass wir nächstes Jahr wieder international vertreten sein könnten. Anders ist das durchgängige Stiften von Unruhe nicht zu erklären. Es vergeht kein Spieltag, ohne dass neue Gerüchte und Trainer- oder Managerdiskussion in den Zeitungen und Online-Portalen zu lesen sind. Der Höhepunkt war vor dem Spiel am vergangenen Samstag gegen den FC Bayern erreicht: Wenige Minuten vor dem Anpfiff der Partie hatte ein Moderator von Sky nichts Besseres im Sinn, als unserem Trainer das Gerücht zu unterbreiten, dass für die nächsten Saison bereits ein neuer Trainer verpflichtet wurde. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Meldung ist es ein absolutes Unding, den aktuell verantwortlichen Trainer unmittelbar vor so einem schweren Spiel mit solchen Aussagen zu konfrontieren. Es stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch Sinn macht, der Presse Interviews zu liefern und ständig auf neue Gerüchte einzugehen oder, ob es zum Erreichen der sportlichen Ziele nicht besser wäre, zumindest für die restlichen Spielzeit die Zusammenarbeit mit der Presse einzustellen. Es kann eigentlich nur besser werden. Dem Fußball und seinen Fans hat die DFL wieder einmal einen Bärendienst erwiesen. Ab der Saison 2017/18 wird der Spieltag wieder mehr zerstückelt. So wird es von da an auch in der 1.Bundesliga pro Saison fünf Montagsspiele sowie fünf Spiele in der Saison Sonntags um 13:30 Uhr geben. Des Weiteren wurde das 17:30 Uhr Spiel auf 18 Uhr verschoben. Als Begründung wird die Entlastung der Europapokal Teilnehmer genannt. Dass dies nur ein Vorwand ist, um mehr TV-Einnahmen zu generieren, zeigt sich letzten Endes dadurch, dass diese Partien so oder so ausgeführt werden, egal wie sich die Anzahl der im Europapokal befindenden Mannschaften im Laufe der Saison verändert. Für uns Fans bedeutet diese Regelung, weitere Urlaubstage dem Fußball zu opfern. Eine festgelegte maximale Entfernung zwischen den Städten der jeweiligen Vereine für diese Spiele ist nämlich nicht vorgesehen. Bereits in dieser Saison wird es das erste Montagsspiel in der Geschichte der Bundesliga geben: So muss der VfB Stuttgart am 2.Mai in Bremen antreten. Grund hierfür ist, dass am 1.Mai, zur Entlastung der Polizei, keine Spiele mehr stattfinden. Warum das Spiel nicht am Samstag, den 30.4. ausgetragen wird ist schleierhaft. Mehrere Gruppen aus beiden Fanszene haben bereits einen Boykott des Spiels bekanntgegeben. Selbstverständlich lehnen auch wir Montagsspiele ab, inwiefern unser Protest aussehen wird ist noch offen. Die heutige Ausgabe hat neben dem gewohnten Standard, wie den Spielberichten, der gemischten Tüte, der Unter Freunden-Rubrik und einem Hoppingbericht aus den USA, drei weitere Höhepunkte zu bieten. Mit der heutigen Ausgabe startet die neue Rubrik “Dat is Schalke”, in dieser werden aus der 112-jährigen Geschichte unseres Vereins markante Persönlichkeiten vorgestellt, aber auch besondere Spiele werden den Weg in den Blauen Brief finden. Den Start macht ein Bericht über den im Nationalsozialismus verfolgten jüdischen 2.Vorsitzenden Dr. Paul Eichengrün. Des Weiteren findet ihr in der Mitte der Ausgabe den zweite Teil des Interviews mit Martin Max und Olaf Thon zur Traditionsmannschaft und zum anderen gibt es in der Italien-Rubrik ein Interview mit der italienischen Ultra Gruppe La Vicenza Ultras, die so nett waren ausführlich auf unsere Fragen zu antworten. Das Interview wird in zwei Teilen erscheinen und bietet euch nicht nur einen interessanten Einblick in die in Deutschland vielleicht eher weniger bekannte Kurve, sondern dem Interviewpartner gelingt es auch, dem Leser die Mentalität der Ultras so zu vermitteln, dass wir jedem nur empfehlen können, sich die Zeilen zu Gemüte zu 2 führen. Dieses gilt natürlich auch für den Rest der Ausgabe. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen. Rückblick D E R B Y 2:2 (0:0) Schalke gegen Dortmund. Revierderby! Jeder Schalker verbindet mit diesen Spielen seine eigenen Erinnerungen. Mein erstes Derby erlebte ich als Fünfjähirger im Parkstadion im August 1991. Nach 90 Minuten stand ein 5:2 für Schalke auf der Anzeigetafel über der Nordkurve und die blau-weißen Knappen zogen mich weiter in ihren Bann. Knapp 25 Jahre später stand nun erneut das Derby auf dem Spielplan. Mit einem Ergebnis wie aus dem Jahr 1991 rechnete ich dieses Mal jedoch nicht. Zu schwer lagen mir die Leistungen der letzten Wochen und besonders das Auftreten der Mannschaft in Ingolstadt im Magen. Auf der anderen Seite standen die sehr guten sportlichen Leistungen der Schwarz-Gelben. Die Vorzeichen für einen Derbysieg waren also schon Mal besser. Trotzdem gilt in jedem Spiel gegen den Rivalen, unabhängig von Form und Tabellenplatzierung: Neues Spiel - Neues Glück! Und so wurde pünktlich zum Wochenende die Motivation wieder nach oben gefahren. Den Abend vor dem Spiel verbrachten wir, wie in den letzten Jahren, gemeinsam mit einigen VNKlern im Club75. Darts, Kickern oder Löcher in die Luft gucken, jeder fand eine Beschäftigung, die ihn individuell auf das anstehende Spiel vorbereitet. Begegnungen mit der gegnerischen Szene gab es an diesem Abend nicht. Lediglich die auf Gelsenkirchens Straßen zahlreich vertretene Polizei drangsalierte noch einige Schalker. Nach einem ereignislosen Vorabend schnellte der Adrenalinspiegel am Morgen des Spieltags deutlich in die Höhe. Schon beim Klingeln des Telefons ahnte ich Böses und der Anrufer teilte mir mit, dass die Dortmunder Fanszene in der Glückauf-Kampfbahn stehe und ich in zwei Minuten eingesammelt werde. Auf dem Weg zur Kampfbahn kreuzte bereits die Polizei den Weg und beim Erreichen der Berliner Brücke konnte man sehen, dass die Staatsmacht schon zahlreich vertreten war. Eine Reaktion vor Ort war durch dieses massive Aufgebot somit nicht möglich. Einige alarmierte Schalker erhielten noch vor Ort Platzverweise und eine sich in der Nähe sammelnde Gruppe wurde durch die Polizei eingekesselt. Wir mussten die Dortmunder somit in unserer eigenen Stadt gewähren lassen. Dazu noch an einem symbolträchtigen Ort der Schalker Vereinsgeschichte, der an Spieltagen in den Sommermonaten von UGE als Treffpunkt genutzt wird. Mehr als bitter! Man braucht an dieser Stelle auch nicht lamentieren, dass Teile der Gruppe noch nicht in Gelsenkirchen waren, die Polizei zu schnell vor Ort war oder man in der Vergangenheit größere Erfolge vorzuweisen hat. Ohne Diskussion landete die Dortmunder Fanszene mit dieser Aktion einen wirkungsvollen Treffer. Verloren ist verloren! Mit Öffnung des Club75 war die Stimmung dementsprechend gedrückt und es blieb die Hoffnung, dass wenigstens im Spiel das nächste Negativerlebnis verhindert werden kann. Unter genauer Beobachtung der Polizei wurde der Weg zum Stadion schnell hinter sich gebracht und in der bereits gut gefüllten Nordkurve zeigten wir für die Dauer des Warmlaufens ein Spruchband: “Spieler in unseren Farben laufen, grätschen, sprinten & kämpfen bis zum Umfallen!” Eine klare Aufforderung an die Mannschaft, was an diesem Tag auf dem Rasen erwartet wurde. Die Stimmung auf den Rängen war arenatypisch vor allem in der Anfangsphase stark. Wie bereits bei den Pöbeleinlagen vor Spielbeginn stach im Stehplatzbereich der Nordkurve eine gute Mitmachquote ins Auge und ließ für das Spiel einiges hoffen. Jedoch flachte die Stimmung bis zur Halbzeitpause ab. In der zweiten Hälfte waren knapp vier Minuten gespielt, als Dortmund in Führung ging. Befürchteten zu diesem Zeitpunkt nun einige, dass die Schalker Schießbude öffnet, konnte Flügelflitzer Sané die Pessimisten zwei Minuten später eines Besseren belehren. Gewusel im Dortmunder Strafraum und unsere Nummer 19 knallt den Ball über die Linie. In 3 der Folge ein perverser Torjubel in der Arena. Leute kegelten durch den Block und man spürte, dass es eben kein Spiel wie jedes andere ist. Die Freude währte jedoch nicht lange. Lediglich fünf Minuten nach dem Ausgleich ging Schwarz-Gelb durch einen Kopfball wieder in Führung. Zehn Minuten später dann wieder eine Bude für unser Team durch den in dieser Saison häufig so enttäuschenden Huntelaar. Bedingt durch das offene Spiel war der Support in der zweiten Halbzeit deutlich emotionaler. So ließen sich Schalker aller Richtungen, auch in Kenntnis der Stadionordnung, nicht davon abhalten, bei Eckbällen der Dortmunder vor der Nordkurve einige Gegenstände Richtung Spielfeld zu entsorgen. In diesem Zusammenhang aber auch enttäuschend, dass es über die gesamte Spieldauer gesehen, kaum gelang den Rest des Stadions zum Einsteigen in die Gesänge zu bewegen. Negativer Höhepunkt in dieser Hinsicht war der kaum auf Resonanz stoßende Schalke 04 Wechselgesang. Nach zwei Minuten Nachspielzeit endete dann ein Derby, welches auf dem Platz keinen Sieger fand. Auf dem Rückweg zum Club gab es auf dem Parkplatz immer wieder aufkommende Auseinandersetzungen mit der Polizei. Daraus resultierten einige Personalienfeststellungen und leichte Blessuren auf Schalker Seite, aber auch manche Polizisten werden noch einige Tage an den Einsatz zurückdenken. Mit Blick auf den kommenden Arbeits- oder Schultag und den Geschehnissen des Tages im Kopf, leerte sich der Treffpunkt schnell, sodass der Derbytag ein frühzeitiges Ende fand. 4 Rückblick FC Bayern München AG - FC Schalke 04 e.V. 3:0 (0:0) Morgens 05:00 Uhr, der Wecker klingelt: Endlich ist es soweit, die Sonderzugfahrt nach München steht auf dem Tagesplan. Die Vorfreude auf die Tour war groß, auch wenn die Aussicht auf drei Punkte eher unwahrscheinlich schien. Für mich hieß es schnell die letzten Sachen zusammen gepackt, die Leute aus meiner Umgebung eingesammelt und ab zum Bahnhof nach Gelsenkirchen. Dort angekommen, erblickte ich das von meiner Seite auch erhoffte Bild, fast 100 Prozent der Mitreisenden waren mit einer grauen Jogginghose ausgestattet und auch sonst holten fast alle ihre asozialsten Klamotten aus dem Kleiderschrank, vom löchrigen Trainingsanzug aus den 90´ern bis hin zum Veltins Ganzkörperanzug. Mit leichter Verspätung traf der Sonderzug in Gelsenkirchen ein, und ich besetzte zügig, gemeinsam mit meiner Region, mein Abteil. Am Morgen gab es im Zug noch zwei verschiedene Lager. So waren ein paar eher darauf hinaus nochmal etwas Schlaf für den Tag zu sammeln, wobei andere direkt in die Vollen gingen, und das Motto „Ruhrpottkanaken“ richtig auslebten. Im Zug wurde eine Sonderausgabe des Blauen Briefes verteilt, welcher die vergangenen von uns organisierten Sonderzugfahrten aufgreifen sollte. Passend zum Motto wurden außerdem im Zug Plastiktragetaschen mit dem Aufdruck „Ruhrpottkanaken“ verteilt, welche später im Stadion zum Einsatz kommen sollten. Trotz der vorherigen Ansagen, mussten es leider einige Leute in Bezug auf Alkohol wieder übertreiben und wussten schon während der Hinfahrt teilweise nicht mehr, wo man denn heute spielt. Aus diesem Konsum kamen einige Leute auf die dumme Idee Scheiben einzuschlagen und jeglichen Müll aus dem Fenster zu entsorgen, so was ist einfach nur scheiße und geht weit über das ausgerufene Motto hinaus! Dies wurde uns leider auch zum Verhängnis, sodass von der Seite der Bullen der Hinweis kam „solange Sachen aus dem Fenster fliegen, fahrt ihr nicht weiter“. Dazu kam noch, dass die Frankfurter auf dem Weg nach Leverkusen in „Eltville“ die Gleise betraten, sodass unser Zug, welcher den Weg der Frankfurter gekreuzt hätte, im Bahnhof „Geisenheim“ 5 zurück gehalten wurde. Damit verhinderten die Bullen ein Aufeinandertreffen. Daraus und aus einem Tausch der letzten beiden Waggons aufgrund eines Defekts ergab sich eine ordentliche Verspätung, und man erreichte den Münchener Bahnhof erst sehr spät. Aufgrund des immer näherrückenden Anpfiffs, bewegten wir uns zügig in Richtung U-Bahn. Die Staatsmacht im Süden war wie gewohnt mal wieder sehr aggressiv, wobei man sagen muss, dass einige Leute sich zu unnötigen Pöbeleien hinreißen ließen, und somit wurden zwei Leute aus der U-Bahn gezogen und festgenommen. Leider wurden die beiden auch erst zur zweiten Halbzeit freigelassen. Wir erreichten das Stadion nicht pünktlich. Zum Glück machten die neu aufgebauten Drehkreuze keine Probleme, sodass wir ohne Hindernisse gemeinsam in den Block gehen konnten. Es dauerte aufgrund der späten Ankunft noch bis zur 20. Spielminute bis sich bei der Nordkurve Gelsenkirchen alles eingespielt hatte und wir vernünftig im Block positioniert waren. Positiv anzumerken ist, dass in diesem Jahr das erste Mal zwei Megaphone im Block erlaubt waren. Heute hing eine auf das Motto abgestimmte Zaunfahne mit der Aufschrift „Ruhrpottkanaken“ vor unserem Block. Das Spiel begann ziemlich träge, wobei die Bayern zwar dominant waren, allerdings in den ersten 45 Minuten kaum Torchancen erspielten. Die Stimmung war in der ersten Hälfte sehr ansprechend, und dazu kamen noch einige Pöbeleinlagen gegen den verhassten Torhüter der Bayern, welche im weiten Rund zu vernehmen waren. Die zweite Halbzeit startete stimmungstechnisch wieder sehr gut und die in der Pause auch an alle Fans, die nicht im Sonderzug waren, verteilten Tüten wurden direkt eingesetzt. Dazu waren einige Fahnen dauerhaft im Einsatz, was ein sehr gutes Bild ergab. Das nur neun Minuten nach der Pause erzielte 1:0 warf die Nordkurve Gelsenkirchen allerdings nicht zurück und nach der schrecklichen Tormusik machten wir da weiter, wo wir aufgehört hatten. Wie zu erahnen lief es allerdings nicht wie in der letzten Woche darauf hinaus, dass es die Mannschaft zum Kämpfen animierte, sondern die Bayern wurden dominanter und erspielten sich immer häufiger Torchancen. Es kam wie es kommen musste und die Bayern erzielten in kurzen Abständen das 2:0 und 3:0, nach denen dann auf den Rängen die Luft raus war. Die ein oder andere Pöbeleinlage gegen die Südkurve ließen wir uns trotzdem nicht nehmen. Ein insgesamt sehr ordentlicher Auftritt unsererseits. Die Südkurve rund um die Schickeria konnte in den ersten 45. Minuten nicht allzu viel abreißen, allerdings lieferten die Münchener in der zweiten Halbzeit einen 6 ebenfalls sehr ansprechender Auftritt. Hier sind besonders einige Hüpfeinlagen zu vermerken. Man kann zudem auch sagen, dass die Südkurve einen ganz klaren Schritt nach vorne gemacht hat und es stetig besser wird. Wir machten uns dann schnell auf den Weg Richtung Hauptbahnhof, welchen wir auch pünktlich erreichten und es konnte sehr zeitig wieder zurück gehen. Für mich verlief die Rückfahrt eher ruhig, wobei es im Partyabteil trotz der Niederlage natürlich noch das ein oder andere Bier gab, und die Nacht lang bis zur Ankunft in Gelsenkirchen durchgefeiert wurde. Für mich und meine Autobesatzung ging es dann zügig auf den Weg nach Hause, wo ich dann auch um 08:00 Uhr in der Früh ankam. SPIELTAGSBERICHT DER SEK SV Sonderzug, Ruhrpottkanaken-Motto-Tour klingt perfekt. FC Bayern, Bayrische Polizei und deren Arena jedoch nicht. Letzteres würde ich jedoch zu gerne wieder von innen sehen, aber ein gewisser Personenkreis hat da eine andere Auffassung als ich! Naja, davon lass ich mich noch lange nicht von meiner Freude abhalten und somit stand es nie zur Debatte der Mottotour in den Freistaat fernzubleiben. Auch wenn die Tour schon am Gelsenkirchener Hauptbahnhof mit 45-minütiger Verspätung begann, aber umso besser konnte man aber schon diverse geniale Outfits ins Auge nehmen. Und den Großteil der Leute, den man sonst nicht in einer Jogginghose vor der Tür sieht in einem grauen Exemplar zu betrachten machte doch weitere Freude auf die Tour. Die Fahrt verlief wie gedacht lustig, auch als zwei Waggons wegen Problemen kurzzeitig abgekoppelt und getauscht werden mussten. Nicht viel später mussten wir den nächste ungeplanten Stopp hinnehmen weil die angerückte Polizei kein Interesse auf ein Aufeinandertreffen mit dem uns entgegenkommenden Zug inklusive dem Haufen aus FFM hatte. Aber auch hier ging es kurze Zeit später weiter und die Maßnahme der Uniformierten funktionierte. Die restliche Zeit bis München wurde mit mehr oder minder sinnvollen, aber lustigen Gesprächen und einigen Bierchen verbracht. Kurze mahnende Worte an die Personen die meinen mit irgendwelchen dummen Aktionen Scheiben im Zug zu Bruch zu bringen oder Sonstiges zu beschädigen, unabsichtlich oder nicht, da brauch man sich nicht wundern wenn man bei solch sinnfreien Aktionen demnächst neben dem Zug herjoggen darf! In München angekommen hieß es einen geeigneten Laden zu finden um bei Speis und Trank auch das Spiel gucken zu können. Nachmehreren Pleiten bei eventuell geeigneten Läden wurde endlich einer gefunden auch wenn man erst später feststellte das gefühlte 75 Grad anscheinend dort normale Raumtemparatur ist. Das Warten auf den Anpfiff wurde mit studieren der Karte und, für Bayern typisch, mit einer Maß Bier verbracht und pünktlich zum Anstoß gab es dann auch feste Nahrung. Das Spiel auf einer Leinwand zu gucken statt im Stadion ist schon beschissen genug, wenn man dann noch so Auftritt wie unsere Blauen in der zweiten Halbzeit, wartet man nur noch auf den Abpfiff. Mit selbigem wurde auch sofort der Fußmarsch zum Hauptbahnhof angetreten und nach Eindecken mit einigen Getränken wurde wieder mal gewartet bis der Haufen zurück am Gleis eintraf. 7 Die Hälfte der Zeit am Spieltag verbringt man damit zu warten, aufregend oder spaßig ist definitiv anders! Nachdem wir von unseren Leuten wieder in Empfang genommen wurden und man vorher am Hauptbahnhof auch nur komische Leute und auch komischer Weise nur ganz wenige Rote zu Gesicht bekam hieß es einsteigen und Abfahrt. Die Rückfahrt ist schnell erzählt: Viel Spaß und viele Getränke und irgendwann auch mal so etwas wie Sekundenschlaf bis man wieder den vertrauten Heimatbahnhof erreichte. An der Stelle auch schöne Grüße an unsere holländischen Freunde von VAK-P die uns auf der Tour begleiteten und auch einige Zeit gewohnten Klängen aus den Boxen belauschen durften. Auch wenn die Tour zeitlich gesehen für euch eine andere Hausnummer als durch die kleine Niederlande war. Dank je wel! Und auch für uns die über 24 Stunden durch die Gegend tingeln um 90 Minuten Fußball nur im TV zu sehen, wie Anfangs erwähnt, wir werden durchhalten und uns von nichts abhalten lassen weil unsere Freunde für uns da sind! SEK SV bleibt am Ball, Versprochen! Unter Freunden Ultras Nürnberg Aktuelle Lage: Unglaublich, aber nach 18 ungeschlagen Spielen verlor der Club doch tatsächlich im Heimspiel gegen den Tabellenletzten aus Duisburg. Zum Spiel gegen den Meidericher SV zeigte die Nordkurve Nürnberg eine Choreo im 9/11er und dem darüberliegenden Blöcken im Oberrang. Vor dem Block hing ein schwarzes Banner mit der Aufschrift „Die ganze Welt dreht sich um dich“. Dazu wurde dann eine Blockfahne hochgezogen auf der Jacky vor einem Globus abgebildet war worüber groß die drei magischen Buchstaben F, C und N prangten. Abgerundet wurde das Bild mit schwarzen Pappen und einigen Sternen dazwischen. Leider wurde auch das darauffolgende Spiel im Karlsruher Wildparkstadion verloren und der Ausrutscher von Leipzig konnte somit nicht genutzt werden. Während des gesamten Spiels zierte zusätzlich zu den üblichen Zaunfahnen das „Was auch immer passiert wir lieben dich sowieso“-Banner den Zaun vor dem Gästeblock. Mit sechs Punkten Abstand auf den zweiten Tabellenplatz und sieben Punkten Vorsprung auf die Verfolger sieht es vier Spieltage vor Schluss also ganz so aus, als wenn der Ruhmreiche zwei zusätzliche Spiele bestreiten müsste, um nächste Saison wieder erstklassig Spielen zu dürfen. 8 Der Vollständigkeit halber gibt es in dieser Ausgabe noch den Spielbericht zum Auswärtsspiel beim FSV Frankfurt zu lesen, welches am Tag nach unserem Grottenkick in Ingolstadt stattfand. FSV Frankfurt – 1. FC Nürnberg 0:3 Nach unserem Spiel in Ingolstadt nutzten viele Schalker die Möglichkeit, Sonntags unsere Freunde aus Nürnberg beim FSV Frankfurt zu unterstützen. Für mich und meine Reisegruppe ging es per Auto in die Nähe von Nürnberg, wo wir bei befreundeten Mitgliedern von UN unterkamen. Bis spät in die Nacht wurde in diversen Restaurants und Kneipen die fränkische Küche genossen und das ein oder andere Bierchen getrunken, weshalb wir am nächsten Morgen den Wecker zunächst überhörten. Während unsere Gastgeber sich Richtung Nürnberg aufmachten, um die Busse zu besteigen, trafen wir uns bei einem Daheimgebliebenen zum Frühstück und fuhren wenig später in Autos hinterher. Die Anreise verlief ereignislos und wir erreichten den Gästeparkplatz nahezu zeitgleich mit den Bussen. Da das Stadion keinen wirklichen Charme besitzt, wurde die Zeit bis zum Spiel bei Gesprächen mit Freunden außerhalb des Blocks totgeschlagen. Der Stehplatzblock platzte aus allen Nähten, was jedoch die gute Stimmung nicht minderte. Die Nordkurve Nürnberg zeigte von Anfang an, wer heute die Stimmhoheit hatte und spätestens als das erste Mal „Steht auf, wenn ihr Clubfans seid“ angestimmt wurde war klar, dass die Gäste auch zahlenmäßig fast die Nase vorn hatten. Circa 5.000 der insgesamt 11.000 Zuschauer am heutigen Tage waren Franken. Außer eines zu Unrecht nicht gegebenen Abseitstors für den FCN, war die erste Halbzeit fußballerisch nicht sonderlich spannend. Lediglich auf den Rängen konnten Akzente gesetzt werden und vor allem die drei Buchstaben bleiben in Erinnerung, da diese brachial durch das Stadion hallten. Der Club drehte in der letzten halben Stunde auf und konnte durch ein Tor in der 67. Minute endlich in Führung gehen. Die erlösende Entscheidung gab es durch einen Doppelpack von Danny Blum in der 87. und 89. Minute. Nach dem Spiel wurde noch mit der Mannschaft gefeiert, ehe es zurück zu den Autos ging. Hier wurde eine unserer Autobesatzungen, die abseits des Gästeparkplatzes geparkt hatte, noch von einigen Ultras der SGE angegriffen. Zum Glück konnte alles verteidigt werden und es kam Niemand zu größerem Schaden. Zu erwähnen ist noch, dass auch einer unserer SV‘ler anwesend war und den Tag vor den Stadiontoren mit der Sek SV vom FCN verbrachte. Stark bleiben Jungs! 9 Vak-P Aktuelle Lage: Drei Spieltage vor Saisonende steht der FC Twente mit 36 Punkte auf Platz 13 und somit im Niemandsland der Eredivisie. Das letzte Heimspiel gegen Feyenoord wurde knapp mit 1:0 verloren. Zu Beginn des Spiel wurde noch einmal das 25-jährige Jubiläum von Vak-P zelebriert, über welches wir in der letzten Ausgabe berichtet hatten. Zum Einlaufen der Mannschaften wurde deshalb in der Heimkurve eine große Blockfahne mit der Aufschrift „25 Jaar Vak-P“ und dem bekannten Obelix mit Bierkrug und tätowierten Vak-P Logo auf dem Oberarm hochgezogen. Im Anschluss daran wurde von oben eine weitere Blockfahne über die Zuschauer gespannt. Auf dieser stand neben dem Gruppenlogo der Text „Ontstaan uit Baldadigheid“ und „Gesterkt door saamhorigheid“, was so viel bedeutet wie „aus Übermütigkeit entstanden“ und „gestärkt durch den Zusammenhalt“. Letzte Woche ging es dann ins grenznahe Doetinchem, um beim Tabellenvorletzten De Graafshap anzutreten. Das Spiel endete durch ein spätes Gegentor 1:1, etwas Besonderes zu berichten gibt es nicht. Über die aufgetauchten Papiere und die dazugehörigen Untersuchungen des KNVB gibt es bisher nichts Neues. Wahrscheinlich werden wir euch in der nächsten und letzten Ausgabe dieser Saison dazu mehr erzählen können, da Ende des Monats bekanntlich die Frist für einige geforderte Änderungen abläuft. Hoffen wir bis dahin, dass die Vereinsoffiziellen mit der großartigen Unterstützung ihrer Mitglieder alle Forderungen umsetzen und der FCT uns so in der Eredivisie erhalten bleibt. Komiti Skopje Aktuelle Lage: Am vergangenen Wochenende stand der letzte reguläre Spieltag auf dem Programm, ehe es vor wenigen Tagen mit der Meisterschafts- beziehungsweise Play Off-Runde los ging. Vardar traf dabei auf den einzigen ernsthaften Verfolger Shkendija. Hierbei kam es Ende der ersten Hälfte zu einem kurzen Zwischenfall auf der Südtribüne. Nur fünf Minuten nach dem Führungstreffer bekam Vardar nämlich den Ausgleich, was die anwesenden Vereinsangehörigen der Gäste natürlich jubeln lies. Neben den Vereinsoffiziellen befand sich außerdem einer der Capos der Ballistet, der Ultragruppe von Shkendija Tetovo, unter den darunter. Offiziell waren Gästefans natürlich wieder einmal verboten. Einige Vardar-Anhänger suchten daraufhin die Konfrontation mit den ungebetenen Gästen und versuchten diese zu attackieren. Daraufhin wurden die Vorstandsmitglieder und auch der bekannte Shkendija-Fan vom Sicherheitsdienst und der Polizei aus dem Stadion eskortiert. Das 1:1 war übrigens auch gleichzeitig das Endergebnis, was bedeutet, dass Vardar als Tabellenführer mit zwei Punkten Vorsprung in die Play Offs geht. Anders als in vielen anderen Ländern werden in der mazedonischen Liga die Punkte auch nicht halbiert. Dort spielen die sechs besten Teams einfach jeweils noch einmal gegeneinander, wobei die bisherigen Punkte bestehen bleiben. Somit sind es für Vardar noch fünf Spiele bis zur erneuten Meisterschaft und der damit verbundenen Teilnahme an der Champions League Qualifikation. Interview Traditionself Teil II Wir wollen auch gerne ein bisschen über die Entwicklung des Fussballs sprechen. Es hat sich ja seit eurer aktiven Zeit bis heute sehr viel verändert, wie seht ihr das Thema 10 „Kommerzialisierung des Fussballs”? War es früher besser oder ist es ein notwendiger Schritt, weil Fussballvereine auch größtenteils Wirtschaftsunternehmen sind? 11 Also in gewissem Maße ist das völlig normal. Aber für mich persönlich ist es so, dass das was gerade in England passiert, mir Bauchschmerzen bereitet. Ich finde irgendwann muss auch mal das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Auch wenn wir vielleicht dadurch profitieren werden, weil da ja wahnsinnige Ablösesummen gezahlt werden, vielleicht ja auch bald für unsere Spieler. Aber auf der anderen Seite finde ich das nicht gesund! Alles nur aufs Geschäft zu reduzieren, finde ich zu wenig. Für mich steht an erster Stelle immer noch der Fußball, es sind immer noch Fußballvereine, keine Wirtschaftsunternehmen. Über den sportlichen Bereich spreche ich ehrlich gesagt auch lieber als über das Geschäft. 10 Insgesamt glaube ich aber, dass die Engländer den falschen Weg gehen und wir davon profitieren. Wenn wir es schaffen, also nicht nur Schalke, sondern die Bundesligaclubs, auf die Jugend zu setzen, dann gehen wir den richtigen Weg. Das Händchen für Talente zu haben ist wichtig, aber ich denke wir können das Rad nicht aufhalten. Vor allem was die Wettbewerbsfähigkeit bei Schalke 04 angeht. Wir müssen versuchen, auf der einen Seite die Tradition zu erhalten und das Kommerzziele nicht zu groß werden zu lassen. Aber auf der anderen Seite wollen wir auch versuchen wettbewerbsfähig zu sein. Diesen Spagat zu schaffen ist echt schwierig. Ich weiß, dass ihr euch dafür stark einsetzt. Aber wie das dann letztendlich aussieht, wenn man auf viele Dinge wie zum Beispiel das Marketing verzichtet, wo würden wir dann mit Schalke spielen? Ich verstehe euch, aber ich glaube man muss sich auch öffnen, was die modernen Dinge und die Weiterentwicklung des Fußballs betrifft. Vor allem was die Themen Videobeweis, größerer Kader, Internationalisierung und Europa-Liga betrifft. Das wird nicht mehr aufzuhalten sein. Eine Europa-Liga gibt es mit der Champions League und der EuropaLeague ja jetzt quasi schon. Seid ihr davon überzeugt, dass die Strukturen des eingetragenen Vereins erhalten bleiben sollten? Oder seht ihr solche Entwicklungen wie bei RB Leipzig als positives Beispiel, nach dem auch Schalke sich richten sollte? 11 Wir sind ja zum Glück noch ein eingetragener Verein, das find ich auch gut so! Aber dadurch muss man natürlich andere finanzielle Quellen erschließen. Das macht unser Verein momentan echt gut. Was die Zukunft bringen wird, da möchte ich meine Hand aber nicht für ins Feuer legen. Ich finde es aber echt gut, dass wir immer noch ein eingetragener Verein sind. Das sagen auch alle Verantwortlichen bei Schalke so! Natürlich muss dabei aber die Wettbewerbsfähigkeit im Auge behalten werden. Wenn irgendwann einmal die Entwicklung weitergeht und wir mit dem eingetragenen Verein nicht mehr zu Rande kommen, dann haben immer noch die Mitglieder die Entscheidung zu treffen. Die Mitgliederversammlung ist ja das höchste Organ bei uns, von daher denke ich, dass wir gut aufgestellt sind. Ein Doktorand aus Paderborn hat im Zuge seiner Doktorarbeit herausgefunden, dass sich allein in dem Zeitraum zwischen den Jahren 1996 und 2006 die Gehälter der Fußballer verdreifacht haben. Glaubt ihr, dass solche hohen Geldsummen irgendwann den Charakter verderben? Ist es heutzutage überhaupt noch möglich, dass junge Spieler sich so stark mit ihren Vereinen identifizieren wie zum Beispiel Benedikt Höwedes? 11 Bene ist da eine absolute Ausnahme, aber bei uns kann man inzwischen auch ganz gutes Geld verdienen. Am Ende kann man auch nur zwei Mal am Tag essen - der Charakter spielt von Anfang an eine große Rolle, wenn es um Werte oder Geld geht. 10 Wichtig beim Thema Geld ist allerdings, dass die Spieler am meisten bekommen von diesem riesen Topf Geld. Sie sind ja schließlich diejenigen, die am meisten machen, ihre Gesundheit opfern. Wenn man 11 dann im Gegenzug noch die Eintrittspreise vernünftig halten könnte, dann wäre es umso besser! Aber ob ein Spieler für einen durchs Feuer geht oder nicht, das hat mit dem Geld nicht viel zu tun. Für die jungen Spieler ist es heutzutage aber sicher nicht einfach, die sind von vielen anderen Faktoren beeinflussbar. Da gibt es ja Berater, die einem dann raten da oder da hin zu gehen. Das verändert einen natürlich auch selber. Das persönliche Umfeld ist dabei eben verdammt wichtig. Da kommt es dann darauf an, ob die Familie bodenständig und wie der Freundeskreis ist. Wenn ich mich jetzt mit Leuten in der Kurve unterhalte, dann ist es vor allem bei den Älteren so, dass sie sagen, dass Spieler wie Thon und Max früher noch richtig mit Herzblut dabei waren. Und den Spielern jetzt, denen geht es nur ums Geld. die Stimmung auf Schalke vor dem letzten Sommer war. Umso überraschter war ich, dass die Stimmung schnell ins Gegenteil umgeschwungen ist. Der neue Trainer hat es schnell geschafft, die Fans wieder hinter die Mannschaft zu bringen. Dass es hin und wieder Mal eine Delle gibt, das ist ja klar. Na gut, das Spiel gegen Donezk war natürlich für alle enttäuschend, aber die Mannschaft hat eine Reaktion gezeigt. Wir haben eine junge Mannschaft: Wenn ich mir das Mittelfeld anschaue, da ist ja keiner älter als 22 Jahre! Genau deswegen hat sie es verdient, dass man da etwas Geduld aufbringt. Wir haben eine Riesenchance, mit diesen jungen Spielern eine gute Mannschaft aufzubauen. Dafür brauchen sie aber eine gewisse Zeit. Diese Ungeduld ist ja leider eine Schwäche des Schalker Publikums, das kennt ihr sicher noch aus eurer aktiven Zeit. 11 Aber damals war es auch eine andere Zeit, wir kamen ja auch alle hier aus der Ecke. Wir beide sind mit Schalke groß geworden, da hast du direkt eine andere Beziehung zum Verein, wenn du von klein auf hier bist. 10 Das Geld gehört dazu, aber wenn der Spieler auf dem Feld steht, dann geht er seiner Leidenschaft nach, sonst wäre er nie so weit gekommen. Das es aber unterschiedliche Charaktere gibt, das ist klar. Die Fußballer sind genauso ein Querschnitt der Gesellschaft. Was sagt ihr denn zur aktuellen sportlichen Lage des Profikaders? Glaubt ihr, da wird wieder zu viel Unruhe von außen reingetragen? 10 Wir waren ja nie so gut für längere Zeit, ich habe ja immer gegen den Abstieg gespielt. Man muss dem Trainer einfach die Zeit geben, wir müssen einfach mal eine ganze Saison abwarten. Jetzt gibt’s ja bald die Konstellation mit dem neuen Manager, mit seiner großen Erfahrung. Der muss jetzt die Entscheidung treffen wie es weiter geht. Das was Schalke fehlt ist Kontinuität. Kontinuität in allen Bereichen! Solange wir die nicht hinbekommen, sondern immer wechseln und Theater machen, ändert sich das sicher nicht. Ich hoffe, dass die Leute, die an der Führung sind, die Saison mit dem Trainer durchbringen und schauen was der neue Manager will. Damit wir wirklich mal Konstanz reinbringen, das ist mein Wunsch. 11 11 Na gut, das ist ja nichts Neues. Wir sind ein großer Verein, mit uns kann man gut Schlagzeilen machen. Aber ich habe da teilweise den Eindruck, dass bewusst Dinge gestreut werden, um Schlagzeilen zu produzieren. Vor der Saison war klar, dass es einen Umbruch geben wird, dass wir verstärkt auf die Jugend setzen wollen. Wir wissen ja alle wie schlecht 12 Das kann ich so nur unterstreichen. Gerade die Manager- und Trainerposition sind die Wichtigsten. Die geben ja die Richtung vor, da brauchst du Leute, die über einen längeren Zeitraum arbeiten können. Habt ihr das Gefühl, dass das Publikum heute eher pfeift bei schlechter Leistung als früher in eurer Zeit im Parkstadion? 11 Nein, ganz im Gegenteil! Es gab eine ganz andere Stimmung, es war ja auch nur zwei Mal im Jahr ausverkauft, gegen Bayern und die Zecken. Aber damals haben die Spieler mehr zu ihrem Verein gehalten. Die Stimmung ist heutzutage wirklich fantastisch von unseren Fans. Wenn die Mannschaft kämpft, dann stehen die Fans großartig hinter der Mannschaft. Teilweise verlassen die Leute ab der 70. oder 80. Minute fast schon fluchtartig das Stadion. Das liegt dann aber wohl nur selten am Spiel, häufiger daran, dass sie schnell vom Parkplatz wollen oder noch vor der Heimfahrt auf Toilette müssen. Insgesamt können wir aber sicherlich zufrieden sein! 11 Absolut! Aber in der Uefa-Cup-Sieger-Sasion war die Stimmung selbst im Parkstadion schon geil. Da sind auch viele Lieder entstanden, wie “Steht auf wenn ihr Schalker seid” in Teneriffa, das ist ja heute immer noch aktuell. nächsten Kunstverein in der Liga. Wie seht ihr das, seht ihr das kritisch oder gehört das einfach zu der Entwicklung des Fußballs dazu? 10 Spontan gesagt: einer steigt ab, einer kommt dazu. Das wird sich normalisieren, der Markt wird das regeln. Ich finde das nicht toll, aber ich kann es nicht verändern, man kann da nichts machen. Es gibt ja zum Glück noch die 50+1 Regel. 11 Ja, aber die kann man ja umgehen, wie man sieht. Was sich momentan bei 1860 abspielt ist ja eine Katastrophe. Das ist das beste Beispiel dafür, was passiert wenn man sich einen Investor ins Boot holt. Das geht so nicht, da sind wir uns doch alle einig! Genau, der Verein wird zum Spielball für den Investoren. So ein Verein wie RB Leipzig wird ja nur dafür geschaffen, den gab es ja vorher nicht. 11 10 Wir planen ja auch momentan für den Sommer 2017 ein Spiel in der Arena gegen Spieler aus den gegnerischen Mannschaften, die wir auf dem Weg zum Uefa-Cup-Sieg geschlagen haben. Da sollen dann Spieler von Inter mitspielen, aber auch von Trabzon und Brügge zum Beispiel. Das ist ja eine super Info! 10 Es ist zwar noch nicht genau terminiert und es steht nichts fest, aber es wäre ja cool wenn es am 21. Mai, genau nach zwanzig Jahren stattfinden könnte! Das muss aber auch Ansporn für uns sein, wir müssen die einfach schlagen! Habt ihr noch einen letzten Satz, irgendwas, was ihr uns noch mitteilen möchtet? 10 Für mich als Schlusssatz: Wir möchten transparent sein, wir möchten für die Fans da sein und die Tradition pflegen. Und natürlich ein bisschen Spaß haben, aber das klappt ganz gut bis jetzt! Dann hoffen wir mal, dass das so weitergeht! Vielen Dank für das Interview! Wir sind uns denke ich einig, dass der Fußball von den Emotionen lebt. Ab nächstem Jahr haben wir wahrscheinlich mit RB Leipzig den 13 14 15 Zurück zu den Wurzeln - Italien Gemischte Tüte Italien Ultras und Politik: Wie wir bereits berichteten, kam es am 6. April zu einem historischen Zusammentreffen im römischen Senat, welches in der Form ein absolutes Novum darstellt. Teil nahmen hierbei neben Politikern, Senatoren und Abgeordneten unter anderem 24 capi Ultrá. Das Treffen und die anschließende Pressekonferenz sorgten in Italien für viel Furore, so schlich sich beispielsweise ein Mitarbeiter der Gazzetta dello Sport verkleidet hinein, und berichtete im Nachhinein gewohnt diffamierend. Statt die Bereitschaft der Ultras herauszustellen, sich für den Fußball zusammenzuraufen, wurde aus der ganzen Sache mehr und mehr ein Politikum. Trotzdem gelang es den anwesenden Parteien nüchtern über Themen wie doppelte Stadionverbote, Trennungen der Kurven, Pyrotechnik, unangemeldete Spruchbänder sowie den ominösen Artikeln 8 und 9 zu diskutieren. Mit von der Partie war natürlich Bocia, der sich Ausdrucksfreiheiten für den einst grandiosen Tifo zurückwünschte: “Einst waren wir die Avantgarde Europas, ein Mythos für alle, während uns nun alle auf der Nase herumtanzen. Lasst uns wieder unseren leidenschaftlichen Tifo machen, so wie wir ihn gut können. Sie müssen uns das zurückgeben, was uns zusteht.” Am Ende steht eine Liste an Maßnahmen, die sich die Ultras wünschen. Ob und wie diese umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Das Treffen an sich ist jedoch sicher ein Zeichen in die richtige Richtung und hoffentlich weg von der nie endenden Repressionsschraube. Udine: Anlässlich eines regionalen Feiertages lockte die Curva Nord schon früh vor dem Spiel gegen Neapel viele Menschen ins Stadion, um gemeinsam zu zelebrieren. Auf ihrer Facebook-Seite teilten sie im Nachgang mit, sehr stolz darauf zu sein, was die Kurve und das Stadion zusammen geleistet haben. Der moderne Fußball des Geldes, der falschen Phrasen, der Gehirnwäsche der Medien, der schäbigen Slogans und gekauften Stars sei im Angesicht des eigenen Stolzes und der eigenen unangepassten und unautorisierten Leidenschaft wie ein Kartenhaus in sich zusammengesackt. Benevento: Die Ultras aus Benevento wurden in der Vergangenheit bereits mehrfach aktiv, um ihrer Gemeinde bei der Beseitigung der Schäden zu helfen, die durch eine Überschwemmung vergangenes Jahr entstanden sind. Erst jüngst organisierten sie wieder einen gemeinsamen Abend mit Musik und Spendensammlung für das meistbetroffene Viertel. Gemeindevertreter teilten im Nachgang mit, dass sie sehr froh seien, dass es in einer modernen Gesellschaft, wo jeder nur auf das eigene Wohl aus ist, noch Leute gibt, die aus ihren Prinzipien und aus Solidarität Taten sprechen lassen. Turin: Der Präsident des FC Torino Urbano Cairo hat eine besondere Maßnahme im Kampf gegen den Abstieg und das ansonsten recht leere Stadion ergriffen. So können unter 16-Jährige nun Kurventickets für nur einen Euro erwerben. Auch auf den anderen Tribünen sind die Preise deutlich verringert worden, so kostet auch die Haupttribüne maximal 15 Euro. Darüber hinaus beschloss die Turiner Polizei zwei Bars der Fangruppierung Drughi von Juventus Turin zu schließen, da diese von mehreren Personen mit laufenden Strafverfahren und Stadionverboten besucht würden. Die Drughi kritisierten dies als irrsinnig, zumal ein Stadionverbot in keiner Weise mit einem strafrechtlichen Urteil zu vergleichen sei. Pisa: Die Curva Nord aus Pisa konnte beim Heimspiel gegen S.P.A.L. Ferrara satte 6.113 Euro an Spenden einnehmen. Genutzt werden diese, um bei der Realisierung eines Parks für die Stadt zu helfen, der auch behindertengerecht sein soll. 16 Florenz: Das toskanische Derby zwischen der Fiorentina und Empoli wurde von den Gruppen der Curva Fiesole boykottiert. Grund dafür waren die Eintrittspreise von circa 30 Euro für Auswärtsfans. Das Stadion solle ein Ort für alle sein, und nicht ein Privileg für wenige Fans. Rom: Während das Derby vor traurigen 21.000 Zuschauern bestritten wurde, liegt eine neue Statistik zu den aktuellen Stadionverboten vor. So hat es in den ersten Monaten des Jahres bereits 255 neue Stadionverbote gehagelt. Im Vergleich zum letzten Jahr ist dies ein Anstieg um 265 Prozent, absurd! Gegenüber einigen Jungs aus der Kurve Roms äußerte sich der Trainer Luciano Spalletti erneut kritisch zur Teilung der Kurve und dem damit einhergehenden extremen Zuschauereinbußen. Er erklärte sich jüngst sogar in einer Pressekonferenz dazu bereit, zur Not persönlich mit dem römischen Polizeipräsidenten Gabrielli zu sprechen, um für die letzten Spiele die nötige Unterstützung sicherzustellen. Ob es letztendlich dazu kommt, ist jedoch höchst fraglich. Für großes Unverständnis in der römischen Fanszene sorgte die Ankündigung der italienischen Fußballliga, dass beim Finale der Coppa Italia am 22. Mai zwischen Juve und Milan den Anhängern des AC Mailand die Curva Sud im Olympiastadion zugeteilt wird. Den Anhängern des AS Rom, die diese Saison ohnehin die eigenen Heimspiele boykottieren, stößt dies böse auf, weil es Anhänger des AC Mailand waren, die vor 27 Jahren den AS Rom Fan Antonio de Falchi in der Nähe des San Siro töteten. Im Prozess um den Tod von Ciro Esposito legte De Santis vor Gericht nun ein Geständnis ab. So sei er von einem Schlag mit der Pistole eines Neapolitaners getroffen worden und habe diese dem Neapel Fan dann entrissen. Als er zu Boden ging, habe er schließlich in Panik wahllos Schüsse abgegeben. Triest: Vor einigen Monaten hatten wir von Problemen rund um den Triestiner Fußballverein und dessen offener Zukunft berichtet. Fans der Curva Furlan stemmten sich gegen die Pläne möglicher neuer Investoren und waren nicht bereit, die ihnen gehörenden Markenrechte am alten Vereinslogo freizugeben. Nun ist allerdings Bewegung in die Geschichte gekommen, so segnete ein örtliches Gericht die Versteigerung des Vereins an Mauro Milanese ab und auch die Fans gaben sich mit Milaneses Plänen zufrieden, sodass die Markenrechte freigegeben wurden und der Verein alsbald unter dem Namen Unione Sportiva Triestina 1918 signieren wird. Palermo: Am vorvergangenen Sonntag kam es in Palermos Innenstadt nach einer Auseinandersetzung zwischen Fans von Lazio Rom und US Palermo zu acht Festnahmen. Die Festgesetzten sollen nach offiziellen Angaben von der Polizei mindestens bis zum 22. April also ganze zwölf Tage in Isolationshaft festgehalten werden. Die vollen Namen der Verhafteten wurden von der Polizei veröffentlicht und von mehreren Zeitungen mit Altersangaben abgedruckt. Inwiefern diese Vorgehensweise noch den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit entspricht, weiß wohl nur die Polizei selbst. Verona: Trotz des eher angespannten Verhältnisses zwischen Vereinsführung und Anhängern von Hellas Verona, stellte sich der Verein zuletzt in einer Stellungnahme hinter seine Anhänger, die beim Auswärtsspiel in Neapel sowohl vor als auch nach dem Spiel ohne ersichtlichen Grund mehrere Stunden von der Polizei schikaniert wurden und so trotz pünktlicher Anreise einen beachtlichen Teil des Spiels verpassten. So wurden die Busse der Verona Anhänger, die von der Polizei eskortiert wurden, gezwungen zwei Stunden lang auf der Ringautobahn Neapels sinnlos auf und ab zu fahren, ehe sie endlich zum Stadion geleitet wurden. Bergamo: Für das Spiel zwischen Atalanta und AS Rom wurde der Verkauf von Tickets an Bewohner der Region Lazio, in der die italienische Hauptstadt liegt, verboten. Für die römischen Fans insofern besonders hart, da sie bereits die Heimspiele ihrer Mannschaft momentan nicht besuchen. 17 Salerno: In Salerno tauchten am 12. April, dem sechsten Todestag des langjährigen Anführers von Salernos Fanszene Carmine Rinaldi, bekannt als Siberiano, im gesamten Stadtgebiet Banner und Spruchbänder zu seinen Ehren auf. Sportliche Situation: Fünf Spieltage vor Schluss führt Juventus die Serie A mit 79 Punkten und neun Punkten Vorsprung auf den SSC Neapel an, da Inter den SSC mit 2:0 besiegen konnte. Dahinter folgen AS Rom, Inter Mailand und AC Florenz, denen der AC Mailand im Kampf um die internationalen Plätze wohl nicht mehr allzu gefährlich werden dürfte. Auf den Abstiegsplätzen stehen Hellas Verona, US Palermo sowie Frosinone Calcio. In dieser Englischen Woche stand unter anderem die Partien zwischen Juventus und Lazio auf dem Programm, während es dieses Wochenende gleich zu mehreren spannenden Duellen kommt: So spielen morgen im Kellerduell Palermo und Frosinone gegeneinander und an der Tabellenspitze messen sich Juventus Turin mit AC Florenz sowie der AS Rom mit dem SSC Neapel. Vorstellung Vicenza Calcio S.p.A. Der Interviewpartner für diese und die letzte Ausgabe des Blauen Briefes in dieser Saison ist Paolo, Anhänger von Vicenza Calcio. Der Verein wurde 1902 gegründet und ist somit der älteste Fußballverein der Region Venetien. Seine Vereinsfarben sind Weiß und Rot. Bis zum Ersten Weltkrieg etablierte sich der Verein als einer der besten in seiner Region. Danach folgte jedoch ein Absturz in niedere Spielklassen, der bis zum Aufstieg 1942 in die Serie A andauerte. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte schnell der Abstieg in die Serie B und 1953 musste man aufgrund eines finanziellen Engpasses den Namen eines örtlichen Wollwarenherstellers annehmen, weshalb Vicenza von nun an unter dem Namen Lanerossi Vicenza signierte. Dies war in Italien, zu einer Zeit als Sponsoring noch verboten war, einer der ersten Fälle überhaupt, in denen sich ein Unternehmen einen Verein komplett einverleibte. Der Name wurde an den der Firma angepasst und fortan prangte auf den Trikots ein R anstelle des Wappens. Mitte der Fünfzigerjahre gelang dann der Wiederaufstieg und von nun an spielte man bis 1975 ununterbrochen in der ersten Liga. Auf den Abstieg folgte nach zwei Jahren ein Wiederaufstieg mit Vizemeisterschaft dank der Verpflichtung des Torschützenkönigs Paolo Rossi für die damalige italienische Rekordablösesumme von 2,6 Milliarden Lire. Auf diesen Erfolg folgte der direkte Abstieg bis in die dritte italienische Liga. Erst 1985 konnte man mit der Mannschaft rund um Roberto Baggio zurück in die Serie B gelangen und wäre in der Folgesaison in die erste Liga aufgestiegen, wenn man nicht in den Manipulationsskandal verwickelt gewesen wäre, der das Team zurück in die dritte Liga beförderte. Im Jahre 1990 trennte man sich von Lanerossi und der ursprüngliche Vereinsname wurde wieder angenommen. Seitdem ist der Verein als Aktiengesellschaft organisiert. Nachdem man Mitte der Neunziger zurück in das italienische Oberhaus gekehrt war, erzielte man 1997 mit dem Sieg der Coppa Italia den größten Erfolg der Vereinsgeschichte. Im selben Jahr wechselte mit Vicenza erstmals ein italienischer Verein in die Hände eines ausländischen Investors. Im Jahr darauf kamen die Vicentini sogar bis ins Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger. Seit der Jahrtausendwende spielt der Verein in der Serie B und konnte satte zwei Mal von Zwangsabstiegen anderer Mannschaften profitieren, bis jedoch 2013 endgültig der Gang in die Drittklassigkeit anstand. 2014 folgte dann jedoch der Wiederaufstieg in die Serie B, wo Vicenza aktuell spielt. Im Jahre 2004 wechselte der Verein von einer englischen Finanzgruppe in den Besitz lokaler Unternehmer rund um Sergio Cassingena, im Jahre 2015 stieß zudem eine neue Finanzgruppe dazu. Der Verein trägt seine Spiele im Stadio Romeo Menti aus. Dieses bietet seit der Umsetzung mehrerer Sicherheitsmaßnahmen vor einigen Jahren, bei denen man fast die Hälfte der eigentlichen Kapazität einbüßte, Platz für 12.500 Zuschauer. Die Fanszene steht traditionell in der Curva Sud, wobei einige Gruppen ab Anfang des Jahrtausends zwischenzeitlich auch in der Curva Nord standen. In der Curva Sud gründeten sich 1978 die Vigilantes, die bis zur Auflösung 2012 maßgeblich die Geschichte der Fanszene geprägt haben. Seit jeher gibt es in Vicenza außerdem eine Vielzahl von verschiedenen größeren, mittleren und kleinsten Ultragruppen, die 18 19 das Bild der Kurve prägen. Aktuell sind die La Vicenza Ultras - ein Zusammenschluss aus zwei Gruppen und unorganisierten Ultras- wohl die führende Gruppe in der Curva Sud. Über die Jahre hinweg hat sich die Fanszene von Vicenza auf Italiens Straßen darüber hinaus einen Namen gemacht und gilt seit jeher als heißes Pflaster. Interview La Vicenza Ultras Teil I An dieser Stelle freuen wir uns sehr, euch das Interview mit La Vicenza zu präsentieren. Geführt haben wir es mit Pol, einem der Anführer der Zona Mucchio Vicenza, die er zusammen mit anderen vor elf Jahren gründete. Die Zona Mucchio ist zusammen mit einer anderen Gruppe und unorganisierten Ultras Teil des Zusammenschlusses La Vicenza Ultras. Pol ist um die 50 Jahre alt und besucht die Curva Sud seit nun mehreren Jahrzehnten. Ciao Vicentini! Danke, dass ihr euch die Zeit für uns nehmt. Als erstes würden wir gerne wissen, was Ultrà allgemein grob für euch bedeutet? Was unterscheidet für euch einen Ultrà im Stadion von den restlichen Zuschauern und im Alltag von jedem anderen Mitglied der Gesellschaft? Ich denke, dass Ultras in erster Linie ein Bürger, eine Person und ein Fan ist. Darüber hinaus heißt Ultras auch pure Zugehörigkeit, Zusammenhalt, Teilnahme, Gemeinschaftssinn, Bindung, Glaube, Auseinandersetzung, Respekt, Leidenschaft und Freundschaft. Es ist das Ausleben eines bestimmten Milieus, welches du zunächst diffus als Ort und als Menschenansammlung wahrnimmst und was dann nach und nach zu deinem Zuhause und zu deiner Familie wird. Was einen Ultrà unterscheidet, ist die Arbeit für die Gruppe, die sich in verschiedensten Formen ausdrückt, sowie eine konstante Präsenz für die eigenen Farben und die eigene Stadt. Dies ist auch im Sinne anderer Zuschauer und Fans zum Beispiel bei Versammlungen, dem Vorspiel, dem Spiel, der Auswärtsfahrt und dem Nachspiel gedacht. Gibt es ein Ereignis, welches dich maßgeblich in deinem Fanleben geprägt hat? Ja und zwar das erste Mal, dass ich Schläge von einem Ultrà aus meiner eigenen Kurve bekommen habe. Was mich allerdings dabei geprägt hat, war einige Tage später die Einsicht, aus welchem Grund dies passiert war… Wie waren deine ersten Schritte in der Welt der Ultras? Jugendlich leichtsinnig, abenteuerlustig, ausdrucksvoll, gewagt, stolz und aufrichtig! Könnt ihr uns etwas zur Entstehung der ersten Ultragruppen in Vicenza erzählen? Die Ultrabewegung machte in Vicenza während der Siebzigerjahre ihre ersten Schritte. Ein Großteil von ihr bestand aus Jugendlichen, die in der Nähe des Menti Stadions lebten, welches die Keimzelle unseres gemeinsamen Handelns wurde. Das Banner Ultras war das erste, welches vor der Brüstung des glorreichen Stadions aufgehängt wurde, danach folgte das der Red White Panthers. In kürzester Zeit kräftigte und befestigte sich die Gruppe und im Jahre 1978 organisierte man sich offiziell unter dem Namen Vigilantes, welche von da an für mehr als 30 Jahre die Geschichte der weiß-roten Curva Sud bestimmen sollten. Die Fanszene in Vicenza hat über die Jahre zahlreiche Gruppen an verschiedenen Standorten im Stadion erlebt. Könntet ihr uns einen Überblick über die aktuell präsenten Gruppen im Stadion und ihre Ausrichtung geben? Ja, in Vicenza hat es tatsächlich schon immer viele verschiedene Gruppen gegeben. Dies liegt sowohl an der 20 großflächigen Provinz mit dementsprechend verschiedenen Personenkreisen, die im berischen Tifo (Tifo Vicenzas anm. Red.) involviert sind und die Kurve auf unterschiedliche Art und Weise voranbringen, als auch am Wesen der Personen und ihren Differenzen. Diese Differenzen, genährt von verschiedensten Nuancen, bringen eine interessante Arbeit der Kooperation und gegenseitigen Beobachtung hervor, was in einer totalen Beteiligung und einem regen Austausch, aber auch Konfrontationen und Meinungsverschiedenheiten mündet. Die Ursachen können ganz unterschiedlich sein und es ist natürlich so, dass eine Person lieber dort ist, wo sie mehr mit anderen gemein hat und die Sichtweisen der anderen teilt. Deshalb reichen die Gründe, aus denen die Bildung von Grüppchen und Fraktionen resultiert, von völlig unbedeutendem bis zu gemeinsamen politischen Anschauungen oder aber nur einfachen Geschmacksunterschieden bezüglich subkulturellen Erscheinungen, Musik oder einer Geschichte, die von den Eltern, Freunden oder Geschwistern überliefert ist. In den meisten Fällen ist es allerdings so, dass die Bildung von verschiedenen Gruppen in der unterschiedlichen Sichtweise und Interpretation der Geschehnisse rund um das Ultradasein in Vicenza und Italien begründet liegt. Es sind somit meist Differenzen bezüglich der Lesart und dem Ausleben des Lebensstils Ultras. Aktuell würde ich von drei Ultragruppen (in Vicenza anm. Red.) sprechen: eine Gruppe setzt sich aus Mitgliedern etwas höheren Alters zusammen, ist strikt gegen die Tessera und hat sich nicht an dem Projekt der Vereinigung zu einem Kurvenzentrum beteiligt. Dann gibt es eine etwas lockerere Gruppe, die bisweilen auch politisch in Erscheinung tritt sowie eher casual daherkommt, und eine Gruppe, die weniger hierarchisch sondern eher liberal organisiert ist und vom Durchschnittsalter seiner Mitglieder so wie die zweite Gruppe, wenn nicht jünger einzustufen ist. Die beiden letzteren bilden das von mir beschriebene Kurvenzentrum unter dem Namen La Vicenza Ultras. Zu erwähnen ist noch eine auf der Asche der Vigilantes 1978 gegründete Gruppe, die ziemlich jung und autonom ist, aber Bock hat zu agitieren. Einen abschließendes Urteil kann ich noch nicht abgeben, da sie eine neuere Erscheinung ist. Darüber hinaus gibt es im Umfeld viele gestandene Ultras, viele von ihnen ehemalige, die natürlich immer ihre Daseinsberechtigung und damit auch was zu sagen haben. Im Jahre 2012 lösten sich die Vigilantes, eine der einflussreichsten Gruppen, nach 34 Jahren auf. Was waren die Hintergründe hierfür und wie waren die Nachwirkungen? Die Gründe für die Auflösung der Vigilantes sind so viele, dass es schwer ist, einen einzelnen besonders herauszustellen. Zu viele Dinge hatten sich über die Jahre verändert, zum Beispiel hatten sich schon seit einiger Zeit mehrere Gruppen von der Hauptgruppe abgetrennt, um autonom zu agieren. Die unterschiedlichen Ansichten bezüglich einiger Dinge sowie die verschiedenen Herangehenweisen im Kampf gegen den Artikel 9 und die Tessera hatten die Gruppe bereits schon länger von innen aufgerieben. Im Endeffekt ist die Auflösung ein natürlicher Prozess gewesen, der sich über die Zeit herauskristallisiert hat. In Italien gibt es keinen Platz mehr für große organisierte Gruppen. Dem Kampf gegen die Ultras an sich sind mittlerweile alle Gruppen in allen Städten ausgesetzt. Was dabei herauskommen wird, werden wir in Zukunft sehen. Wie kam es zum Zusammenschluss von einigen alten Gruppen zu La Vicenza Ultras und wie bewertet ihr die Entwicklung im Stadion seitdem? Ehrlich gesagt haben wir uns nach vier Jahren aufrichtigem harten Kampf und Aktivität gegen die Tessera, sowie nach der Auflösung der Vigilantes, in die Augen gesehen und uns gesagt, dass die Kurve ein großes Potenzial hat, was zu dem Zeitpunkt nicht mehr abgerufen werden konnte. Es war einfach an der Zeit, dieses Potenzial auszuschöpfen, und zwar auf unsere Art, aber indem man jedem die Möglichkeit gegeben hat, dem etwas beizutragen und einer gemeinsamen Linie zu folgen. Ich würde behaupten, dass die Resultate bisher gut, konstant und aussichtsreich sind. Es gibt Grund genug auf das Erreichte stolz zu sein, auch wenn noch großer Raum für Verbesserungen und zum Wachsen da ist. 21 Wie entwickelt ihr euren Tifo? Woher und von wem habt ihr Impressionen gesammelt, die auf euch Einfluss genommen haben? Ich weiß nicht, ob ich die Frage richtig verstanden habe, aber für uns ist sehr wichtig was in Gesprächen an uns herangetragen wird. Ob das bei Versammlungen, Auswärtsfahrten, beim Treffen vor dem Spiel ist oder das was an Meinungen von unseren langjährigen und leidenschaftlich geführten Freundschaften kommt, genauso wie der Respekt und die Anerkennung, die wir von gegnerischen Kurven erfahren. Es ist allerdings auch wahr, dass durch die sozialen Netzwerke eine konstante Eindruckswelle aus anderen Kurven und auch aus anderen Ländern auf einen niederprasselt. Man sieht ein wenig von allem und auch das genaue Gegenteil davon, aber was uns am Ende denke ich unterscheidet, ist die Vermittlungsarbeit, die wir innerhalb unserer Kurve und zwischen den einzelnen Gruppen machen. Wer sind eure größten Feinde und zu welchen Gruppen pflegt Ihr Freundschaften? Könnt ihr uns exemplarisch eine Geschichte zu einer Freundschaft und zu einer Feindschaft erzählen? Mit Sicherheit besteht die wichtigste Bindung mit der Gruppe rund um die Jungs aus Pescara. Überlegt mal, dass eben diese Verbindung zwischen Vicenza und Pescara die erste Fanfreundschaft in der Geschichte des italienischen Fußballs ist, und sich mittlerweile mit über 40 Jahren Bestand rühmen kann. Es passiert häufig, dass man einen weiß-roten Doppelhalter in der Kurve Pescaras sieht, oder wiederum einen blau-weißen in unserer weiß-roten Kurve. Die letzte Anekdote stammt aus der letzten Saison, als Pescara im Halbfinale der Play-offs um den Aufstieg in die Serie A bei uns in Vicenza gewonnen hat. Es hätte wer weiß was geschehen können, aber am Ende hat die Tradition gesiegt und die Freunde aus Pescara sind unter dem Applaus unserer gesamten Fanszene von dannen gezogen. Sehr herzlich, aber vor allem auf Ultraebene gepflegt, ist die Freundschaft zu den Reggiani, dessen Realität der unseren zudem sehr ähnelt, die zu den Cremonesi und die zu den Udinesi, zu denen die Bindung aus Ultrasicht sehr stark ist. Im Ausland gibt es zudem eine historische Freundschaft nach Metz und ein gutes Verhältnis zu der Süd von Lyon und mit Teilen von Millwall. Was die Rivalitäten angeht ist Verona ohne Frage schon immer unser Feind Nummer Eins. Danach gibt es dann Rivalitäten mit Neapel, Brescia, Bergamo, Padova, Sampdoria, Bologna, Juventus und was einem auch sonst noch einfallen mag. Das Derby ist trotzdem für viele von uns, vor allem für die Älteren, das Spiel des Jahres. In den letzten Jahren hat es nicht mehr so viele Zusammenstöße gegeben wie in der Vergangenheit, nichtsdestotrotz treffen wir uns nach wie vor am Derbytag, wie in den anderen heißen Spielen, frühmorgens und...warten!!! Im Hinblick auf eure Freundschaften, aber vor allem auch auf eure Feindschaften würden wir gerne wissen, was für euch zur Welt der Ultras gehört und elementarer Bestandteil davon ist und wo die Grenzen liegen. Aus meiner Sicht gehört eine Freundschaft oder eine Feindschaft zur Tradition. Es widert mich an, wenn eine Gruppe eine historische Freundschaft wegen einer Veränderung der politischen oder sozialen Orientierung der neuen Akteure bricht. Ich bin der Meinung, dass Ultras Hüter einer mittlerweile antiken Lebensweise sind, wo Werte, Loyalität, Mut und Tradition fundamentale und unauflösbare Grundlagen für eben diese Art zu Leben sind. Die Grenzen sind die ungeschriebener Regeln. Leider werden die Kurven in den großen Fanszenen Italiens wie buchstäbliche Märkte gehandelt, in denen die Vorherrschaft einer bestimmten Fraktion die Kontrolle über Drogenhandel, sowie dem Merchandising oder aber den Tickets, den Kartenkontingenten für Auswärtsspiele et 22 cetera bedeutet. Der Staat gibt uns starken Gegenwind, das stimmt, aber das Verderben der Ultras in Italien sind die Ultras selbst. Wenn wir mehr vereint und bereit gewesen wären, ein paar Interessen für die Freiheit zu opfern, vielleicht wären die Dinge dann anders gelaufen. Dat is Schalke… In dieser neuen, unregelmäßig erscheinenden Rubrik sollen, teils abhängig vom jeweiligen Gegner, Geschichten von legendären Spielen oder bedeutenden Persönlichkeiten der langen und ereignisreichen Schalker Vereinsgeschichte erzählt werden. Mit manchen dieser Geschichten verbindet man vielleicht persönliche Erinnerungen, hat teils schon über sie gelesen oder noch nie davon gehört. Den Anfang macht ein Text zu einer eher unbekannten Person der Schalker Historie, der auch in die NS-Rubrik aus der vorletzten Saison gepasst hätte, in der wir bereits einige Personen aus dieser Zeit vorgestellt haben. Dr. Paul Eichengrün „So wurde ich in dieser Nacht aufgeweckt und dachte, unser Haus stünde in Flammen. […] Und dann kamen sie in unser Haus, bestimmt 20, 25 Leute. Vater kannte einige Leute, weil sie Patienten meines Vaters gewesen waren. Sie waren wie wilde Tiere. Sie stürmten in die Küche, sie zerstörten alles. Aber sie verhafteten meinen Vater. […] In dieser Stadt (Gelsenkirchen) verhafteten sie alle jüdischen Männer und mein Vater war nur einer von ihnen. So brachten sie alle zur Polizeistation und hielten sie dort fest. Viele von ihnen wurden in Konzentrationslager geschickt. […] Mein Vater wurde schließlich mit Hilfe von Geld befreit.“ So beschreibt die Tochter von Paul Eichengrün, Laura Gabriel, die Ereignisse der Reichspogromnacht in der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 in ihrem Elternhaus. Ihr Vater wurde am 05. September 1899 in Witten geboren und stammte aus einer reichen jüdischen Kaufmannsfamilie. Nach seinem Militärdienst und dem Medizinstudium in Heidelberg ließ er sich in Gelsenkirchen in der heutigen Neustraße als Zahnarzt nieder. Er wird als angesehener Bürger Gelsenkirchens beschrieben, der einen jüdischen Turnverein mitgründete und in der Schalker Altherrenmannschaft aktiv war. Am 23. Juli 1932 wurde Eichengrün zum zweiten Vorsitzenden von Schalke gewählt. Leider konnte er dieses Amt nicht mal ein Jahr lang ausüben. Kurz nach der Machtübernahme der Nazis führte der DFB einen Arierparagraphen ein, demzufolge Juden nicht mehr in Vereinsführungen sein durften. Laut eines Berichts der Gelsenkirchener Zeitung gab er sein Amt im April 1933 schweren Herzens mit den gleichen Worten ab, mit denen er es zuvor angetreten hatte: „Alles für Schalke!“ Seine Amtsniederlegung geschah dabei aus eigenem Antrieb, um dem Verein keinen Schaden zuzufügen. Doch auch nach seinem Rücktritt bleibt Eichengrün vorerst in Gelsenkirchen und dem Fußball erhalten. So wurde er Fußballobmann des jüdischen Sportbundes Schild, der als Auffangbecken für Betroffene der Arisierungspolitik fungierte. Trotz einer stetig gehässiger werdenden Stimmung im faschistischen Deutschland, hoffte die Familie auf eine Besserung der Situation und wollte das Land noch nicht verlassen. Auch persönlich bekam Eichengrün den grassierenden Anitsemitismus zu spüren. Die Einnahmen seiner Praxis gingen nach der Machtübernahme 1933 rapide zurück, vormals gute Bekannte wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben. Dass die Zukunft von ihm, seiner Frau, ihren Eltern und der beiden Kinder nicht in Deutschland liegen konnte, musste die Familie spätestens nach den schrecklichen eingangs geschilderten Erlebnissen der Reichspogromnacht realisieren. Dem Ehepaar und ihren Kindern gelang über Großbritannien schlussendlich die Flucht in die USA. Die Eltern von Ilse Eichengrün schafften dies leider nicht und wurden 1942 in Konzentrationslagern ermordet. In den Vereinigten Staaten wurden Eichengrüns universitären Leistungen nicht anerkannt, weswegen er als Zahntechniker tätig wurde. Zuvor wurde ihm auch der Doktortitel durch das NS-Regime aberkannt. Er verstarb letztlich 1985, 25 Jahre nach seiner Frau. Die Geschichte von Dr. Paul Eichengrün und seiner Familie steht stellvertretend für viele Schicksale auf Schalke, 23 im deutschen Fußball und der deutschen Gesellschaft. Sie sollten uns mahnen, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Quelle: Schalker Kreisel, Saison 2012/2013, 18.01.2013, Nr. 13 Blick über den Tellerrand: USA Für ein Auslandssemester verschlug es mich das letzte halbe Jahr ins warme Kalifornien, genauer gesagt nach San Diego. Ganz ohne Fußball im Stadion lässt sich solch eine lange Zeit natürlich nicht aushalten, daher kümmerte ich mich schon vor Abflug um Tickets für die letzten vier Saisonspiele des nahe gelegensten Vereins: LA Galaxy. Im Land der unbegrenzten (Konsum-)Möglichkeiten ist „Soccer“ abseits der 90 Minuten kaum mit unserem europäischen Fußballverständnis vereinbar. Daher folgt nun zunächst ein kleiner Überblick über die Major Soccer League. Die Liga läuft von März bis Dezember und besteht aus 20 Teams (drei davon aus Kanada), wovon jeweils zehn in der Western Conference und zehn in der Eastern Conference spielen. Zunächst werden 34 Spiele nach einem relativ undurchsichtigen Spielplan ausgetragen. Es gibt ein Hin- und Rückspiel gegen jedes Team aus der eigenen Conference und ein Spiel gegen jedes Team der anderen Conference. Hinzu kommen noch einmal sechs willkürliche Spiele gegen ein Team aus der eigenen Conference. Die besten sechs Teams aus jeder Conference qualifizieren sich für die Playoffs, wobei die beiden besten der Conferences schon sicher im Conference-Halbfinale stehen und die anderen ein Knockout-Spiel absolvieren müssen. Der Sieger des jeweiligen Conference-Finales darf dann im Finale um den MLS Cup antreten. Es ist also durchaus möglich als sechster von zehn in der Tabelle der eigenen Conference noch Amerikanischer Meister zu werden. Auf- und Abstiege gibt es im Amerikanischen Sport nicht, da jeder, der zu viel Geld besitzt, ein Team eröffnen und sich in die MLS als Franchise einkaufen kann. Fairer sportlicher Wettbewerb wird so im Keim erstickt und solange genug Geld vorhanden ist, braucht niemand Angst vor einem Abstieg oder einer Auflösung zu haben. LA Galaxy gehört wie auch Houston Dynamo der Anschutz Entertainment Group (die AEG besitzt zum Beispiel auch die Eisbären Berlin und die Hamburg Freezers), selbstgeführte eingetragene Vereine oder ähnliches gibt es nicht. Des Weiteren haben die meisten Spieler in der MLS keinen Vertrag mit ihrem eigenen Team sondern mit der Liga. Daher müssen diese auch auf diversen Promotionsveranstaltungen der Liga antanzen, bei denen sich sogar ab und zu die Fans in Form der Supporter Groups beteiligen, um Sponsoren anzuwerben. Dieses System ist also wie der gesamte nordamerikanische Sport kommerzialisiert bis zum geht nicht mehr und sollte hoffentlich ein Negativbeispiel für Europa bleiben. Ein Wort zu den Fans: Größtenteils ist das Publikum in den USA exakt so wie man es von Funktionärsseite in Europa gerne hätte: Familien mit Kindern, die Geld für Bratwurst, Cola und überteuerte Fanutensilien mitbringen und außer durch nettes klatschen nicht weiter auffallen. Jedoch gibt es auch einige Gruppen in Los Angeles, die sich selbst als Ultras bezeichnen. Machten mir vorher noch Namen wie „L.A. Riot Squad“ und „Angel City Brigade“ noch Hoffnung, so war diese nach einem ersten Blick auf die Homepages der Gruppen verflogen. Die augenscheinlich größte Gruppe, die Angel City Brigade, schreibt auf ihrer Homepage zwar von Ultra, jedoch wird im nächsten Satz auch von einem Rausschmiss aus der Gruppe geschrieben, falls Gewalt angewendet wird, Fanmaterial von anderen Fanszenen geklaut wird, es zu Ärger mit der Polizei kommt oder Pyrotechnik eingesetzt wird. LA Riot Squad schreibt ähnliches mit einem Verweis darauf, dass der Name nur ironisch gemeint ist. Über die dritte Gruppe welche sich als Ultras bezeichnet und sich „Galaxians“ nennt, konnte ich vorher nichts in Erfahrung bringen und war somit gespannt, ob diese anders auftreten werden. Den Homepages war zu entnehmen, dass Auswärtsspiele gemeinsam in einer Bar geschaut werden, außer dem Derby gegen die San Jose 24 Earthquakes, zu welchem man sich per Bus auf die Reise begibt. Los Angeles Galaxy - New York City FC 5:1 23.08.15 12pm Das erste Spiel in Los Angeles sollte an einem Sonntag um 12:00 Uhr angepfiffen werden. Der Gegner hieß New York City FC und außer dem in die Jahre gekommenen Andrea Pirlo hatte ich damit gerechnet keinen der Spieler vom NYFC beim Namen zu kennen. Jedoch überraschte schon das Spieltagsplakat, auf dem groß ein Duell der „britischen Giganten“ Steven Gerrard und Frank Lampard beworben wurde. Lampard sollte jedoch am heutigen Tage nicht für den New York FC auflaufen, dafür neben Andrea Pirlo der bestens bekannte David Villa. Bei Los Angeles waren Giovanni dos Santos, Steven Gerrard und Robbie Keane die über die Landesgrenzen hinaus bekannten Akteure. Da ich erst kurz vor Anpfiff am 27.000 Zuschauer fassenden „StubHub Center“ ankam, hatte ich nur kurz Zeit die Bierpreise in Erfahrung zu bringen und mich bei günstigen 11,50$ dafür zu entscheiden, heute nichts zu trinken, bevor es in den „Block“ ging. Bei diesem Spiel hatten wir Karten für die sogenannte „Grass Berm“, welche einfach nur eine schräge Rasenfläche über der Heimkurve darstellte. Eine sehr coole Idee so etwas in ein modernes Fußballstadion zu integrieren und so ließen wir uns auch nicht davon stören, dass hier größtenteils Familien mit Kindern auf Picknickdecken saßen und das Spiel kaum verfolgten. Wir kamen gerade rechtzeitig, um das Spektakel rund um die Nationalhymne mitzubekommen, bei der das ganze Stadion stand, jeder mitsang, ein paar Militärs auf dem Spielfeld rumstanden und zu deren fulminantem Schlussakkord natürlich noch Feuerwerk in die Höhe geschossen wurde. Wie sollte es in einem solch patriotischen Land auch anders sein. Zum Anpfiff gab es von der Angel City Brigade (Standort in der Kurve hinterm Tor) eine kleine Choreo bestehend aus Luftschlangen und Luftballons in Vereinsfarben, welche sehr nett anzusehen war. Das LA Riot Squad, welches auf der gegenüberliegenden Seite seinen Standort hat, hatte USA- und Kalifornien-Fahnen verteilt und kommentierte den Anpfiff mit „U-S-A“-Rufen. Schon ein sehr trauriger Anblick. Außer einem LA Galaxy Wechselgesang mit der Angel City Brigade sind diese auch nicht mehr in Erscheinung getreten. Die „ACB“ haben jedoch 90 Minuten durchsupportet und waren dabei in Lautstärke, Liedgut und Anzahl der Supportwilligen in etwa vergleichbar mit einem guten Regionalligisten in Deutschland. 25 Das Spiel war geprägt von Fehlpässen, jedoch machte es aufgrund der vielen Tore viel Spaß hier zuzusehen. Für Los Angeles waren doppelt Robbie Keane, Zardes, Llegret und dos Santos erfolgreich. Den Ehrentreffer für New York erzielte David Villa, jedoch war mehr nicht drin und so endete das Spiel verdient mit 5:1 für Los Angeles. Los Angeles Galaxy – Montreal Impact 0:0 12.09.15 7:30pm Beim zweiten Spiel in Los Angeles wollte ich eigentlich früh ankommen, um mich im Stadion mal etwas umzuschauen, jedoch waren wir leider zu spät, da wir zu viel Zeit am Huntington Beach verbrachten. Heute ging es gegen den kanadischen Vertreter aus Montreal, welcher mit Didier Drogba auch einen in die Jahre gekommenen Superstar unter Vertrag hat. Wir hatten Karten für die Heimkurve, in welcher man sich den Block aussuchen konnte, allerdings fanden wir keine Stehplätze vor, sondern nur Sitzbänke, auf denen auch fast jeder in der Kurve platznahm. Vor den jeweiligen Blöcken der Gruppierungen stand ein Schild, dass es sich hierbei um einen Supporterblock handelt. Erstmals konnte ich auch die Galaxians im Stadion erspähen, davon wurde ich jedoch mehr als enttäuscht. Es handelte sich um ein halbes Dutzend ca. 40-Jähriger Frauen und Männer, welche mit einer Trommel zeitweise bei den Gesängen der Angel City Brigade einstiegen und sich dafür hinter ihrer viel zu großen Zaunfahne positionierten. Ansonsten waren diese nicht weiter erwähnenswert, obwohl sie als einer der größten Fanclubs von LA Galaxy geführt werden. Von meinem Platz aus konnte man nun auch erkennen, dass die ACB ein eigenes Podest, 2 Vorsänger und ein Megafon für ihren 50 Mann starken Haufen hat. Außer einem lauten Wechselgesang, in welchen das halbe Stadion mit einstieg, gab es heute stimmungstechnisch auch nichts zu vermelden. Das Spiel plätscherte so vor sich hin und obwohl es mehrere Großchancen aufgrund von Unfähigkeiten in beiden Abwehrreihen gab, fiel dennoch nur ein Abseitstor für LA, welches nach kurzer Diskussion wieder aberkannt wurde. So endete das Spiel trotz einigen ehemaligen Stürmerstars nur 0:0. Erwähnenswert ist noch, dass in der Halbzeitpause mal wieder irgendwelchen Veteranen unter tosendem Applaus für ihren Verdienst für das Land gedankt wurde. Wirklich nervig, wenn man sich das bei jeder Sportveranstaltung anhören muss. Los Angeles Galaxy – FC Dallas 3:2 27.09.15 6:30pm Zum Spiel gegen den FC Dallas war ich endlich mal rechtzeitig im Stadion, um mich ein wenig umzusehen. Neben unendlich vielen Fressständen und Ständen von Sponsoren bei denen sie dir Laptops, Handyverträge, Reisen und sonstigen Schwachsinn schmackhaft machen wollen, hatte das Stadion nicht viel zu bieten. So fand ich mich relativ schnell im Fanshop wieder, wo mir ein weiteres negatives Beispiel der Kommerzialisierung und Sensationsgier ins Auge fiel. Neben dem typischen Merchandisekram, den jeder Fußballverein der Welt zu verkaufen versucht, gab es bereits bedruckte Trikots mit Spielernamen. Soweit erstmal keine Besonderheit, allerdings hatten die Trikots unterschiedliche Preise. Normalsterbliche Spieler wären für 80$ zu haben, Keane, Zardes und Co für 110$ und wenn man seinen Rücken mit Giovanni dos Santos oder Steven Gerrard schmücken wollte, musste man ganze 130$ auf den Tisch legen. Natürlich sind 80% der Leute mit Trikots von dos Santos oder Gerrard unterwegs gewesen. Im hart umkämpften Spiel gewann LA verdient mit 3:2 gegen den späteren Western Conference-Sieger aus 26 Dallas. Robbie Keane konnte seine Tore Nr. 200 und 201 für Galaxy markieren, wobei sein zweites Tor am heutigen Tage ein echtes Traumtor per Volleydirektabnahme war. Den dritten Treffer steuerte Steven Gerrard bei. Dallas war das erste Team ohne einen Uraltstar im Kader, welches ich in den USA spielen sah. SDSU Aztecs – California 1:0 Zwei Tage vor dem letzten Heimspiel von LA Galaxy ergab sich endlich die Möglichkeit ein Spiel meines UniTeams zu verfolgen. Das interessanteste an diesem Spiel war der Ground. Dieser befand sich auf dem Dach des Uni-Parkhauses und beinhaltete eine Tribüne, eine Tartanbahn und das Spielfeld. Bei der Ankunft gab es noch unnötige Klatschpappen, ein Mannschaftsposter und eine Liederfibel mit diversen Liedtexten, welche jedoch an diesem Tage niemand zum Besten geben sollte. Es waren ca. 150 Fans anwesend, bei welchen es sich größtenteils um Eltern der Spieler handelte. Das Spiel war relativ langweilig, jedoch konnte das Team der SDSU mit 1:0 gewinnen und somit seine Spitzenposition festigen. Da wir abends noch Richtung Vegas aufbrechen wollten, ging es nach dem Spiel schleunigst nach Hause um vor Abfahrt noch die benötigten alkoholischen Durstlöscher zu besorgen. Los Angeles Galaxy – Portland Timbers 2:5 Beim letzten Heimspiel, welches das vorletzte Saisonspiel war, hätte LA Galaxy die Chance gehabt, den zweiten Platz in der Western Conference fix zu machen und damit direkt ins Halbfinale der Conference-Ausscheidung einzuziehen. Da das Wochenende in Vegas verbracht wurde, kamen wir sonntags wieder äußerst knapp vor Anstoß am Stadion an. Dieses Spiel war auch das Erste, bei dem auffiel, dass es direkt neben der Heimkurve einen Gästeblock gibt, natürlich ohne Zaun, Geländer oder ähnliches. Bisher war dieser immer mit normalen Leuten gefüllt, jedoch war dieses Mal der gesamte Gästeblock in grünen Trikots besetzt und es wurde lautstark supportet. Eine Zaunfahne oder sonstiges Tifomaterial waren leider nicht dabei, obwohl die Portland Timbers einer der wenigen Vereine mit wirklichen Ultragruppen in Nordamerika sein soll. Wenn es sich bei den Fans wirklich um mitgereiste Fans aus Portland handelt, ist dies schon eine beachtliche Anreise! Die Distanz zwischen Portland und LA beträgt gute 1500km und ist damit sogar noch ein wenig weiter als vergleichsweise die Strecke GE-Barcelona. Der für 16 Uhr geplante Anstoß verzögerte sich etwas, sodass es erst gegen 16:20 losging. 27 Das Spiel begann rasant und direkt in der vierten Minute knallte Gerrard einen wuchtigen Weitschuss an die Latte. Kurz darauf gab es das Führungstor für die Portland Timbers. Diese erhöhten mehrfach, da LA bei dem schnellen Kombinationsspiel nicht hinterherkam. Keane verkürzte zweimal den Rückstand aber die Timbers schaukelten das Spiel locker mit 5:2 über die Zeit. In der Halbzeit gab es noch eine kleine Schlägerei zwischen mehreren Leuten im Block der ACB, es reichte aber ein unbehelmter Polizist aus, um dem Treiben ein Ende zu bereiten. Galaxy hat durch diese Niederlage den Grundstein dafür gelegt, nur den 5. Platz in der Conference zu ergattern und die Saison mit einem glanzlosen Ausscheiden in der Knock-Out-Round zu beenden. Dies war eine herbe Enttäuschung, da das ausgeschriebene Saisonziel der Gewinn des MLS Cups war. Diesen gewannen hingegen die Portland Timbers mit einem 2:1 im Finale gegen den Vertreter der Eastern Conference Columbus Crew FC. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Konsumgier der Amis natürlich auch im Fußball niederschlägt und sich der Besuch eines Spiels vor Ort dennoch durchaus lohnt, um einfach mal zu sehen, wie der Sport auf diesem Kontinent gelebt wird. Falls ihr also mal in die Vereinigten Staaten fliegt, habt die MLS und die zweithöchste Spielklasse die North American Soccer League im Blick! Gemischte Tüte Nürnberg: Nach dem Spiel unserer Freunde vom Glubb gegen den HSV im April 2012 kam es zu einem unverhältnismäßigen Polizeieinsatz, der ausnahmsweise vor Gericht landete. Polizisten gingen mit Schlagstöcken, Fäusten und Pfefferspray gegen Fans vor. Zwei der beteiligten Beamten wurden zu Bewährungsstrafe von jeweils acht beziehungsweise zwölf Monaten verurteilt. Einer verlor zusätzlich seinen Beamtenstatus und musste die Polizei verlassen. Auch ein Fanbetreuer des FCN wurde dabei verletzte. Dieser reichte eine Klage auf Schadensersatz ein. Er gibt an, dass sich seine Augen durch den Einsatz von Pfefferspray verschlechtert haben und er an einem Burn-Out erkrankt ist. Die Geschehnisse an diesem Tag und die folgenden Gerichtsverhandlungen belasteten ihn bis heute noch. Der Anwalt des „Freistaates“ Bayern bezweifelt zwar, dass der gesundheitliche Zustand des Fanbetreuers auf die Vorfälle zurückzuführen sind, dennoch wollte er sich durch eine Zahlung einigen. Der Rechtsanwalt des Fanbetreuers verlangte einen Schadensersatz von 11.000 Euro. Durch Vermittlung der Richterin wurde ein Schadensersatz von 4.000 Euro ausgehandelt. Viel zu selten müssen sich Polizisten für Polizeigewalt verantworten. Ausnahmen bestätigen die Regel. Hamburg: Anfang des Jahres wurde bekannt, dass die Polizei Hamburg eine Datei über vermeintliche Gewalttäter im Fußballumfeld führt, deren Existenz sie noch 2014 abgestritten hatte. In ihr sind nicht nur Namen, sondern auch Fotos und Personen im persönlichen Umfeld gespeichert (Wir berichteten im Blauen Brief gegen Werder). Die Seite netzpolitik.org hat nun interne Mails des LKA veröffentlicht, die belegen, dass die falsche Auskunft vor zwei Jahren kein „Missverständnis“ war, wie die Polizei es darstellt. Vielmehr offenbart der Mailverkehr, dass der Behörde schon damals bewusst war, dass sie die Datei offenlegen müsste. Netzpolitik.org sieht darin eine mutmaßliche Verletzung der Amtspflicht. Eine Datei, deren Existenz und Aufbau selbst schon sehr fragwürdig sind, wird also mutwillig verschwiegen. Vertrauen in die Polizei schafft dies nicht gerade. Bremen: Die Bremer Ultragruppen Infamous Youth, UltrA-Team Bremen, L´Intesa Verde und Caillera haben angekündigt, das Montagsspiel am 02. Mai gegen den VfB Stuttgart nicht zu besuchen. Auch wenn ihnen das aufgrund der sportlich angespannten Situation schwerfällt, sehen sie die Entscheidung als alternativlos an. Auch die Stuttgarter Fanszene wird das Spiel boykottieren und hat für den Samstag vor dem Spiel eine große Protestaktion unter dem Motto „Gegen Montagsspiele und für fangerechte Anstoßzeiten!“ angekündigt. 28
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