Radiogottesdienst am 24. April 2016 St. Martin-Kirche in Bramsche Predigt von Superintendent Hans Hentschel Liebe Gemeinde, Kleiderfragen sind ja zuweilen ausgesprochen wichtig. Unsere Tochter wird im Juli heiraten und schon heute machen meine Frau und sie sich allerlei Gedanken darüber, was man dann wohl anzieht. Zum Standesamt natürlich etwas anderes als dann zur kirchlichen Trauung. Ich erinnere mich beim Thema Kleiderfragen an eine Kirchenvorstandssitzung in meiner Gemeinde. Wir diskutierten darüber, ob ich hin und wieder einen weißen Talar tragen sollte. Es gab Gründe dafür, es gab Gründe dagegen. Den Todesstoß gab dem weißen Talar in dieser Runde die jüngste Kirchenvorsteherin. Die sagte: „Stehen Sie doch bitte mal auf.“ Ich stand auf, sie besah mich und sagte: „Ach, bleiben Sie bei schwarz. Das macht schlank!“ Um Kleiderfragen geht es auch beim heutigen Predigttext aus dem 3. Kapitel des Kolosserbriefs. Der Apostel Paulus schreibt an uns als Gemeinde. So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar. Zieht an … dies und jenes … Klingt nach einer Kleiderordnung, wie sie manchmal auf so besonderen Einladungen steht. So wie neulich. Da halte ich eine Einladung zu einem Fest in der Hand. Büttengeschöpftes Papier, schnörkelige Frakturschrift, überaus edel. „Wir laden Sie herzlich ein“, steht da in großen Buchstaben. Ganz klein steht unten in der linken Ecke: Anzug, kleine Abendgarderobe. Weil ich in solchen Sachen nicht besonders gut bin, frage ich meine Frau: „Was ist denn kleine Abendgarderobe?“ „Das ist ein dunkler Anzug. Eben fein gemacht“, lächelt sie, weil sie weiß, dass ich da nicht besonders scharf drauf bin. Kleiderordnung! Mein anthrazitfarbener Anzug sitzt tadellos, die Schuhe sind fast ungetragen, weil ich sie nach dem Kauf vor zwei Jahren erst mal noch ein bisschen schonen wollte, ein Hemd so farblich zwischen Magenta und Violett und meine Frau sagt: „Mit dem Schlips kannst du aber nicht gehen! Wir kaufen noch einen Schlips, der farblich so ein bisschen tupft - wie die Verkäuferin sagt - fast so viel kostet wie das Hemd, aber perfekt passt. Der fehlte noch zur ‚kleinen Abendgarderobe und ein Einstecktuch - habe ich gar nicht gewusst, dass es so was gibt - ist auch noch dabei. Im Predigttext lädt Paulus ein. Eine Einladung zum christlichen Leben. Seine Kleiderordnung formuliert ebenfalls eine ganz besondere Garderobe: ‚Zieht als Leute, die zu Gott gehören Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut Geduld, Verträglichkeit, Vergebungsbereitschaft und Liebe an. In diesem Kleingedruckten - darin kenne ich mich als Theologe nun allerdings aus - hat er allerdings etwas vergessen. Deshalb wage ich es, der Kleiderordnung des Apostel Paulus auf der Einladung zum Fest christlicher Lebensführung noch ein Accessoire hinzuzufügen. Humor. Vergesst als Leute, die zu Gott gehören neben all diesen schönen Dingen nicht, den Humor anzuziehen. Der Humor ist die kleine Schwester der Glaubensgewissheit und der kleinere Bruder des frommen Widerspruchs gegen bittere, traurige oder enttäuschende Erfahrungen im Leben. Die bleiben ja niemandem erspart. Humor setzt ins christliche Lebensgefühl ein Trotzdem. Büttengeschöpft und frakturgeschrieben eingeladen bin ich nun auf dem Fest. Viele haben zu ihrer kleinen Abendgarderobe irgendeine kleine Auffälligkeit angelegt. Da ist einer, der hat eine Krawatte um, auf der lauter Hasen zu sehen sind. Und eine Dame hat einen gewaltigen bunten Schal. Evangelische Kirche im NDR – www.ndr.de/kirche 2 Hier blitzt eine Nelke im Knopfloch, da trägt einer ein dunkelrotes T-Shirt zur Smoking Jacke. Humor gibt der christlichen Kleiderordnung einen Tupfer der Besonderheit und einen Spritzer Heiligen Geistes, der auch dann, wenn uns das Leben doof kommt … ich meine, wenn das Leben uns mitspielt … der selbst dann Bitternis versüßen kann. Mit dem Glauben ist es schon immer so gewesen. Menschen aus biblischen Geschichten erfahren Schrecken, Krankheit, Ängste und sogar den Tod und in all dem gibt es ein Trotzdem. Trotzdem bleibe ich bei dir, Gott. Weil der Glaube zählt: Gottes Macht hält mich in Acht, Erd und Abgrund muss verstummen, ob sie noch so brummen. Humor gehört zu den Kleidungsstücken christlichen Lebens. Als achtjähriger Junge war ich verliebt. In eine viel ältere Frau, die wunderbar singen konnte, die wunderbar trösten konnte, die feengleich war. Mary Poppins! Die hatte ein Lebensrezept. Das habe ich in meinen persönlichen Glauben so einfach mit übernommen. Ein gesungenes Lebensrezept. Ich konnte den Text schnell auswendig. Wenn ein Löffelchen voll Zucker bittre Medizin versüßt, ja Medizin versüßt, Medizin versüßt, wenn ein Löffelchen voll Zucker bittre Medizin versüßt, rutscht sie gleich noch mal so gut. Es ist nicht immer - vielleicht sogar viel zu selten - Medizin, was uns im Leben bitter wird. Aber wenn wir glauben können, dass unsere Mühsale tatsächlich bei Jesus Christus aufgehoben werden, dann ist es nicht zu weit hergeholt wenn wir singen: Unter deinem Schirmen bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei. Kommt her zu mir … ich will euch erquicken. Hat Jesus eigentlich Humor gehabt? Also, Jesus hat jedenfalls nie gelacht … wird von manchen ernsten Christenmenschen behauptet. Und darum wird das Lachen nicht zu den Werken der Nachfolge gerechnet. Oder zur Kleiderordnung des christlichen Lebens. „Klar“, sage ich. „Ihr habt Recht. Ihr ernsten Christenmenschen. In der Tat wird uns kein lachender Jesus in den biblischen Geschichten geschildert, aber: Wir dürfen wohl als gewiss annehmen, dass jemand, der der Liebe so sehr das Wort geredet hat wie Jesus, nicht ohne Lächeln und ohne Lachen durch die Welt gegangen ist. Außerdem lässt es auf einen durchaus subtilen Humor schließen, wenn sich Jesus dazu überreden lässt, der Festgesellschaft in Kana bei der dortigen Hochzeit Wasser in Wein zu verwandeln.“ Da ist eine Festgesellschaft wie Festgesellschaften so sind: ausgelassen, nicht mehr ganz nüchtern und beim Danz up de Deel macht es die Runde: Der Wein ist alle! Und Jesus ändert das. Sorgt für reichlich Nachschub. Vielleicht ist gerade dieses Zeichen ein Schlüssel, um den Humor, der zur christlichen Kleiderordnung gehört, näher zu bestimmen. Humor kann eine farblose Welt in eine zumindest buntere Welt verwandeln. Und er kann Gegebenheiten des Mangels zum Lächeln verwandeln. Dann versteht man plötzlich, warum die christlichen Gemeinden sogar dem Tod ein Osterlachen gegenüberstellen. Hahahahaha … lleluja! Das Leben ist nicht immer ein Zuckerschlecken und manchmal findet sich auch das Löffelchen voll Zucker nicht auf Anhieb Der zeitweiligen Schwere des Lebens wird die Erleichterung der Auferstehung versprochen. Es gibt ein Aufstehen nach dem Hinfallen, ein Tränentrocknen nach dem Weinen. Zeichen der Liebe Gottes wird es geben, die unserer Glaubenskleidung noch das Band der Vollkommenheit beifügt. Sagt mir doch an jenem Abend bei diesem noblen Anlass jemand: „Also das Einstecktuch, das Sie da tragen, das macht Ihr Outfit vollkommen!“ Paulus schreibt an uns als die Auserwählten und die Heiligen, die sich der Kleiderordnung des Glaubens stellen sollen. Da heißt es: Zieht als Leute, die zu Gott gehören, Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld, Verträglichkeit, Vergebungsbereitschaft und Liebe an. Der Apostel Paulus schließt seinen Brief mit: Seid dankbar! Da fällt mir ein, dass wir im Konfirmandenunterricht im Zusammenhang mit Dankbarkeit über Tischgebete sprachen. Ein Konfirmand sagte: „Also bei uns muss vor dem Essen nicht gebetet werden. Meine Mutter kann kochen.“ Humor kommt noch dazu. Am Ende das Lachen. Und über das Ende hinaus das Osterlachen. Amen. Evangelische Kirche im NDR – www.ndr.de/kirche
© Copyright 2024 ExpyDoc