Ausgabe 15 22. April 2016 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Mittelstand Risiko für deutsche Exporteure steigt Drei der fünf wichtigsten deutschen Handelspartner weisen mittlerweile steigende Pleitefälle auf D ie gesunkenen Ölpreise und der schwache Euro haben den deutschen Exporteuren zum Ende des vergangenen Jahres zu neuen Höhenflügen verholfen. Für 2015 erwartet der Außenhandelsverband BGA einen Anstieg der Ausfuhren um bis zu sechs Prozent auf einen Höchststand von 1091 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr waren die deutschen Exporte um 6,9 Prozent auf 595 Milliarden Euro gewachsen. Die Kreditversicherungsgesellschaft Euler Hermes hält eine anhaltend positive Entwicklung auch in diesem und kommenden Jahr für möglich. Allerdings steigen damit auch die Risiken für die deutschen Unternehmen. „Der deutsche Export ist derzeit ein bisschen wie die Formel 1 – hohes Tempo und steigende Risiken, überraschende Überholmanöver und die Gefahr von unerwarteten Remplern aus dem toten Winkel“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Demnach werden sie Euler Hermes zufolge in den kommen- In etlichen Ländern ist die Zahl der potentiellen Pleiten erheblich gewachsen. Grafik: Euler Hermes Analyse Konjunkturerwartungen hellen sich kurzfristig auf Das zweite Mal in Folge ist das ZEWBarometer angestiegen. Positive Nachrichten aus China und ein moderates Wachstum der deutschen Wirtschaft stimmen die Börsianer positiv. Für das gerade beendete erste Quartal halten Experten einen Anstieg von rund 0,5 Prozent für möglich. Unter den Börsianern in Deutschland ist Optimismus eingekehrt. Das Barometer für die Erwartungen in den nächsten sechs Monaten stieg im April um 6,9 auf 11,2 Punkte, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) mitteilte. Experten hatten nur mit einem Plus auf 8,0 Punkte gerechnet. „Überraschend positive Wirtschafts- nachrichten aus China dürften die Stimmung unter den Finanzmarktexperten aufgehellt haben“ sagte ZEW-Experte Sascha Steffen. Auch international sind die Erwartungen für China positiver ausgefallen. Der CEP-Indikator, der die Konjunkturerwartungen internationaler Finanzexperten für das Land für die kommenden zwölf Monaten wiedergibt, ist von minus 25,7 Punkten auf plus 3,5 Punkten gestiegen. Es bleibe abzuwarten, ob sich diese für China und die Weltwirtschaft wider günstigeren Erwartungen auch bald in den realen Wirtschaftszahlen niederschlagen werde, so das ZWE. Denn „unter dem Strich bleibt die anhaltende Wachstumsschwäche Chi- nas und anderer wichtiger Schwellenländer jedoch eine Belastung für die deutsche Exportwirtschaft“, so Steffen. Auch die Sorge über einen möglichen EU-Austritt Großbritanniens dürften die Stimmung gedämpft haben. Die aktuelle Lage bewerteten die Fachleute etwas ungünstiger. Dieses Barometer sank um 3,0 auf 47,7 Punkte. Hier hatten Experten einen minimalen Anstieg auf 51,0 Zähler vorhergesagt. Die Bundesbank hatte jüngst betont, im ersten Quartal 2016 sei die Wirtschaft „wohl kräftig gewachsen“ und womöglich stärker als Ende 2015 mit 0,3 Prozent. Für die Monate April bis Juni zeichne sich jedoch ab, dass die Wirtschaft an Fahrt verliere. 1 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |15/16 den beiden Jahren sogar einen stärkeren Zuwachs bei den Exporten als China (+96 Milliarden US-Dollar) verbuchen. 2016/ 2017 winken daher sogar insgesamt zusätzliche Exporte in Höhe von 104 Milliarden Dollar. Allerdings steigt mit dem guten Wachstum der deutschen Exporte auch das Risiko für die Unternehmen. Denn die Zahlungsbereitschaft lässt angesichts wirtschaftlicher Schwierigkeiten in etlichen Schwellenländern nach. In China beispielsweise könnten die Zahlungsausfälle ebenso zunehmen wie in Brasilien, Russland und Südafrika. Für 2016 rechnet Euler Hermes mit einem Zuwachs der Pleiten in China in Höhe von 20 Prozent. Ähnlich schlecht sieht es in Taiwan (+17 Prozent), China (20 Prozent) und Russland (+7 Prozent) aus. „Bei drei der fünf wichtigsten Handelspartnern der Deutschen steigen 2016 die Insolvenzen und damit die Risiken an“, sagt auch Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe. Die zunehmenden Pleiterisiken in vielen Schwellen- und Nachbarländern sollten die deutschen Unternehmen je- doch nicht dazu bringen, sich vermehrt aus dem Exportgeschäft zurückzuziehen, so Subran. Zu schnell würden andere ausländische Unternehmen trotz des hohen Risikos die Plätze der deutschen Unternehmen besetzen. Insgesamt werden die nachlassenden positiven Währungseffekte dazu führen, dass Deutschland vor allem in der EU die Exporte deutlich anheben können wird. Außerhalb der Eurozone werden keine großen Sprünge erwartet. Den Experten zufolge werden die Ausfuhren nach Frankreich in diesem Jahr beispielsweise schneller wachsen als in die USA. Zu den eindeutigen Verlierern zählt Subran Griechenland, Russland und Brasilien. Neben möglichen Zahlungsverzögerungen und -ausfällen bei einigen Handelspartnern bestehen aber weitere Risiken für die deutschen Unternehmen und letztlich auch für die Weltwirtschaft. Eine Welle von Kapitalverkehrskontrollen könnte beispielsweise die Schwellenländer erreichen. „Zudem halten politische Unsicherheiten durch Neuwahlen und drohende soziale Unruhen in zahlreichen Ländern wie bei- 22. April 2016 spielsweise Thailand, Brasilien oder auch in der Türkei 2016 die Politik und vor allem auch die Wirtschaft in Atem“, so Subran. In jüngster Nachbarschaft wären in diesem Zusammenhang die geplanten Neuwahlen in Spanien und das Referendum über einen möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU im Juni zu nennen. Mitte Februar warnte die britische Handelskammer vor den negativen Auswirkungen eines Brexits für die deutsche Exportwirtschaft. Die deutschbritische Handelsbilanz bei Waren und Dienstleistungen betrug 2014 nach Angaben der Bundesbank 177 Milliarden Euro. Dabei lag der Überschuss eindeutig auf deutscher Seite: Die Bundesrepublik exportierte Waren im Wert von 91,9 Milliarden Euro nach Großbritannien und importierte Güter im Wert von 44,1 Milliarden Euro. „Das trifft die deutsche Automobilindustrie an allererster Stelle, dann die weiße Ware, sehr viele Finanzdienstleistungen, die Bankenwelt“, sagte der Geschäftsführer der Britischen Handelskammer in Deutschland, Andreas Meyer-Schwickerath. Mittelstand Deutsche Unternehmen können Führungsrolle übernehmen Mit der richtigen Investition kann Industrie 4.0 für IT-Unternehmen und Industrie eine Neupositionierung auf dem Markt bieten D ie industrielle Revolution unserer Zeit ist digital“, sagt Andrus Ansip, der EU-Vizepräsident für den digitalen Binnenmarkt. „Da viele Unternehmen den gesamten Binnenmarkt nutzen wollen, sollten die öffentlichen Verwaltungen mit dem Bedarf an elektronischen Dienstleistungen Schritt halten – indem sie Dienste anbieten, die digital, offen zugänglich und grenzübergreifend angelegt sind.“ Aus diesem Grund hat die EU-Kommission in ihrer Strategie für den digitalen Binnenmarkt nun vorgeschlagen, 500 Millionen Euro in ein unionsweites Netz von Technologie-Exzellenzzentren (Digital Innovation Hubs) zu investieren, in denen Unternehmen digitale Innovationen testen und sich beraten lassen können. Die tatsächliche Auswirkung der Industrie 4.0 auf die wirtschaftlichen Ergebnisse der kommenden Jahre und die Noch können deutsche Unternehmen dafür sorgen, dass sie bei Industrie 4.0 eine Führungsrolle übernehmen. Foto: Flickr/TORLEY/CC by sa 2.0 Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist umstritten. Kurzfristig wird es durch die Umstellungen sicher zu etlichen Stellenverlusten kommen. Arbeitskräfte, die also 2 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |15/16 schon ein mittleres Alter erreicht haben und in der Industrie tätig sind, könnten im Zuge der vierten industriellen Revolution tatsächlich auf der Strecke bleiben. Gleichzeit schafft die Digitalisierung eine Reihe von neuen Berufsbildern und demzufolge auch Jobs. „In der Summe überwiegen die positiven Effekte durch Industrie 4.0, das zusätzliche Wachstum schafft mehr Arbeitsplätze als in der Fertigung entfallen“, sagt Michael Rüßmann von der Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG). „Auch in Zukunft wird es keine menschenleeren Fabriken geben.“ BCG rechnet in diesem Zusammenhang in den kommenden zehn Jahren mit bis zu 390.000 Arbeitsplätzen. Darüber hinaus werde die Industrie 4.0 in Deutschland in drei weiteren Bereichen positive Effekte generieren. So werde sich beispielsweise die Produktivität erheblich verbessern, so die Schlussfolgerung der aktuellen BCG-Studie „Industry 4.0: The Future of Productivity and Growth in Manufacturing Industries“. Nach Abzug der Materialkosten für die Industrie lassen sich in den kommenden fünf bis zehn Jahren zusätzliche Gewinne in Höhe von durchschnittlich 5 bis 8 Prozent durch eine verbesserte Produktivität erreichen. Vor allem Hersteller von Maschinen und Autos werden der Studie zufolge die besten Produktivitätsleistungen durch Industrie 4.0 erreichen. Insgesamt rechnen die Experten mit einem zusätzlichen Wachstum des Bruttoinlandproduktes um ein Prozent bzw. 30 Milliarden Euro. Gleichzeitig könnte ein Investitionsvolumen in Höhe von 250 Milliarden Euro geschaffen werden. Dies hängt davon ab, wie gut die die Angebote nationaler Unternehmen zur Umsetzung von Industrie 4.0 sind. Die deutsche Industrie hat einen erheblichen Investitionsbedarf, wenn sie rechtzeitig das Zeitalter der Digitalisierung einläuten will. Wenn deutsche IT-Unternehmen hier interessante Lösungen anbieten, können sie den USUnternehmen Konkurrenz machen und von den Investitionen profitieren. „Die deutsche Industrie mit ihrem führenden Automatisierungsgrad hat alle Chancen, bei Industrie 4.0 ganz vorne mitzuspielen“, so Rüßmann. „Die Unternehmen können sogar eine Führungsrolle einnehmen, wenn sie jetzt entschieden handeln“. Das bedeutete aber, sich mit den technologischen Möglichkeiten auseinanderzusetzen und für die eigene Produktion pragmatisch die passenden Technologien einzuführen. Gleichzeitig sind dazu ein verstärkter Ausbau der Netze und eine Anpassung auch der schulischen Bildung notwendig. In Sachen Breitbandvernetzung International liegt Deutschland zwar im oberen Mittelfeld, allerdings reicht die dafür zugrunde liegende, von der International Telecommunication Unit (ITU) zwei Megabit pro Sekunde als Breitbandverbindung 22. April 2016 bezeichnete Übertragungsgeschwindkeit nicht für die Bedürfnisse der Industrie 4.0. Vielmehr seien stabile Hochleistungsübertragungswege über Glasfaserkabel erforderlich. In Sachen Glasfaserkabel liegt Deutschland mit einer Glasfaser-Quote von lediglich einem Prozent jedoch auf dem letzten Platz in Europa, wie aus einer FES-Studie hervorgeht. Bei dem steigenden Bedarf an IT-fähigen Mitarbeitern muss auch an eine Änderung der schulischen Kompetenzvermittlung gedacht werden. „Ohne IT- und Softwarekompetenz verliert Deutschland den Vorsprung bei Automatisierung und Arbeitsplätzen“, sagt Rüßmann. Das gilt auch für die Mitarbeiter. Der Länderindikator 2015 „Schulde digital“ der Deutsche Telekom Stiftung zeigt, dass lediglich Rheinland Pfalz, Hamburg und Bremen gut aufgestellt sind. Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein, SachsenAnhalt, Berlin, Brandenburg und Sachsen haben hingegen einen erheblichen Nachholbedarf. 46 Prozent der deutschen Lehrer setzen mindestens einmal die Woche Computer im Unterricht ein, 2013 waren es sogar nur 34,4 Prozent, so die Ergebnisse der International Computer and Information Literacy Study. Die Mehrheit der Lehrer in Deutschland wünscht sich, Computer öfter einsetzen zu können. Allerdings stehen hier auch oft die starren Lehrpläne und die Anschaffungskosten im Weg. Innovation Algen sollen Plastik ersetzen Algen werden für die Wirtschaft und die Wissenschaft zunehmend interessanter E in japanisches Designerteam (AMAM) beschäftigt sich mit der Möglichkeiten, Algen für die Herstellung von Plastik zu verwenden. Dabei konzentrieren sie sich auf Agar. Dieses wird aus den Zellwänden verschiedener Algen gewonnen. Agar Plasticity heißt das Projekt. Mittels unterschiedlicher Texturen und Formen sollen so aus Algenprodukten verschiedene Plastikarten entwickelt werden. Von der Tüte über Plastikfolie bis hin zu Schaumverpackungen sollen die zukünftigen Anwendungsgebiete reichen. Die Idee: Werden die aus Agar hergestellten Plastikprodukte nicht mehr benötigt, bleiben nach dem Zersetzen keine Rückstände in der Umwelt zurück. Im Gegenteil, theoretisch würden sie in den Boden gelangen, würden diesen durch ihren Zersetzungsprozess sogar noch anreichern und dessen Wasserspeicherungsfähigkeit erhöhen. Der erste Prototyp der AMAM-Gruppe erhielt sogar bereits den ersten Platz bei der Lexus International’s Design Competition. Tatsächlich müsste allerdings, um eine große Produktion zu ermöglichen, eher auf künstliche Algenfarmen gesetzt werden. Das reine Abziehen der Algen aus dem Meer würde nur vorübergehend möglich sein und irgendwann auch einen zu großen Eingriff in das Ökosystem darstellen. Ähnlich agiert auch die Firma oceanBasis GmbH. Diese kultiviert seit 2001 vor der Küste Kiels die Braunalge Saccharina latissima. Aus der Alge wird dann die Naturkosmetikserie Oceanwell hergestellt. Nach der Ernte werden die Algen gespült und in einer speziellen Mühle zerkleinert. Ein vierwöchiges Gärverfah3 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |15/16 Zahlreiche Plastikprodukte lassen sich aus Algen herstellen. Foto: Agar Plasticity 22. April 2016 ren und mehrere, anschließende Filtervorgänge helfen dabei, das für die Kosmetik benötigte Extrakt aus der Alge zu gewinnen. Lebensmittel stellt das Unternehmen damit ebenfalls her. Und im Algen Science Center auf dem Jülicher Campus versorgen die Wissenschaftler des Instituts für Biound Geowissenschaften (IBG-2) Mikroalgen mit dem CO2 aus Niederaußem und gewinnen daraus Öle als Basis für Biotreibstoffe. „Die winzigen Algen wachsen bei den hohen Konzentrationen besonders schnell“, so die Forscher. Diese können dann als „Alternative zum Erdöl für Flugzeugtreibstoff, als Grundstoff für die chemische Industrie oder für Nahrungsmittel eingesetzt werden“. Innovation Niederlande will Benziner und Diesel-Autos verbieten Die Niederlande wollen den Verkauf von Benzin- und Diesel-Autos ab 2025 verbieten N iederländische Politiker haben für einen Antrag gestimmt, der den Verkauf von neuen Benzin- und Diesel-PKW ab dem Jahr 2025 verbietet. In weniger als zehn Jahren könnten damit nur noch EAutos in den Verkauf kommen. Die Autobranche gerät zunehmend unter Druck: In Norwegen und Österreich werden bereits ähnliche Pläne diskutiert. Der Antrag wurde bisher nur durch das Unterhaus des niederländischen Parlaments verabschiedet, und müsste erst den niederländischen Senat passieren, um rechtlich verbindlich zu werden. Dennoch ist der Erfolg bei der Mehrheitsabstimmung ein bedeutsames Zeichen, dass die Niederlande dem jüngsten Beispiel Norwegens und Österreichs folgen und mit der Abschaffung der Diesel mit konkreten Terminen ernst machen, so ein Bericht des britischen Guardian. Zu Beginn zielte demnach der von der mitregierenden Arbeitspartei (PvdA) vorgeschlagene Antrag darauf ab, Benzinund Diesel-PKW gleich völlig zu verbieten. Allerdings wurde diese radikalere Version abgeschwächt: Bereits verkehrende Autos dürfen nach dem aktuellen Entwurf nun weiter im Einsatz bleiben, allerdings strebe man danach, den künftigen Verkauf jeglicher Autos mit Verbrennungsmotoren zu verbieten. Damit soll die schrittweise Elektrifizierung auf den niederländischen Straßen in den nächsten zehn Jahren sichergestellt werden. Der Koalitionspartner VVD lehnte den Plan jedoch als „unrealistisch“ ab. ElektroAutos machen in den Niederlanden derzeit knapp 10 Prozent aller Auto-Verkäufe aus. 2015 wurden im Land 43.000 neue Elektrofahrzeuge gekauft. Europaweit liegt damit nur in Norwegen der Marktanteil mit 22,4 Prozent noch höher. Auch Deutschland plante jüngst erste Schritte zur Abschaffung der Diesel-Motoren. Wirtschafts-Staatssekretär Rainer Baake hatte ebenfalls vorgeschlagen, ab 2030 keine Diesel- und Benzinautos mehr In weniger als zehn Jahren sollen in den Niederlanden nur noch Elektro-Autos verkauft werden. Foto: EU-Kommission 4 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |15/16 zuzulassen. Allerdings stoßen die Pläne auf starken Widerstand: Nicht einmal eine Abschaffung der Steuervorteile für DieselKraftstoffe wurde auf dem jüngsten Treffen der Verkehrsminister durchgesetzt. Langfristig hat sich Deutschland jedoch ebenfalls verpflichtet, sich bis 2050 ganz von Verbrennungsmotoren zu verabschieden: Ein Verkaufsverbot diente der Vorbereitung zur Einhaltung der KlimaZiele der ZEV-Allianz, der auch Deutschland am Rande des Klimagipfels in Paris beitrat. Dieser sieht für alle unterzeichnenden Länder vor, ab 2050 den Verkehr ohne fossile Rohstoffe zu bestreiten, heißt es in einer Mitteilung. An der Allianz nehmen neben Deutschland und Norwegen auch Großbritannien, die Niederlande, acht USBundesstaaten sowie die kanadische Provinz Quebec teil. Demnach ergebe sich aus dem Verzicht von Diesel- und Benzinmotoren eine jährliche Ersparnis von einer Milliarde Tonnen CO2-Emissionen. Ausgerechnet das ölreiche Norwegen könnte dabei den Anfang machen und fossile Brennstoffe als erstes Land der Welt von seinen Straßen verbannen. Die Norwegische Verkehrsbehörde hat einen Nationalen Transport Plan veröffentlicht, nachdem ab 2025 keine Diesel- und Benzinautos mehr verkauft werden dürfen. Stattdessen sollen nur noch Fahrzeuge mit Elektroantrieb eine Zulassung bekommen. 22. April 2016 Auch das österreichische Umweltbundesamt hat den Vorschlag eingebracht, dass ab dem Jahr 2020 Händler keine Fahrzeuge mehr mit Diesel- oder Benzinmotor verkaufen dürfen. Die Wirtschaftskammer und der Autofahrerclub ÖAMTC wiegelten den Vorschlag zwar umgehend als „unrealistisch, teuer und wirkungslos“ ab, doch eine wachsende Anzahl von Ländern heizt die Debatte um einen Ausstieg aus dem Diesel mit konkreten Jahreszahlen an. Damit wächst auch der Druck auf die Autobauer, sich für den Fall mit einer fertig entwickelten Elektro-Antriebstechnologie auf ein mögliches baldiges Verkaufsverbot für Verbrennungsmotoren vorzubereiten. Finanzen Saudi-Arabien droht mit Angriff auf den Petro-Dollar Saudi-Arabien droht, US-Devisen in Milliardenhöhe abzustoßen. Das würde die hochverschuldeten USA massiv gefährden Adel al-Jubeir sagte Abgeordneten, dass Saudi-Arabien gezwungen wäre, US-Staatsanleihen und andere US-Papiere im Wert von bis zu 750 Milliarden Dollar abzustoßen. Foto: Flickr/ edward musiak/CC by sa 2.0 N ine Eleven sorgt auch nach 15 Jahren noch für Aufregung. Nun geht es um die mögliche Rolle, die Saudi-Arabien bzw. Beamte oder Mitglieder der Regierung dabei gespielt haben. Und es geht um Milliarden US-Anleihen, die bald auf den Markt geworfen werden könnten. Hintergrund ist ein Gesetzesentwurf, der vom USKongress genehmigt werden soll. Wird der Entwurf gebilligt, könnte die saudische Regierung vor amerikanischen Gerichten für jedwede Rolle bei den Anschlägen von 11. September zur Rechenschaft gezogen werden. Ein Gesetz von 1976 sieht vor, dass die automatische Immunität anderer Nationen vor den US-Gerichten nicht in Fällen angewendet werden soll, in denen Nationen als schuldig für Terroranschläge befunden werden, die Amerikaner auf amerikanischen Boden getötet haben. Einige US-Familien hatten nach dem 11. September versucht, gerichtlich Mitglieder der saudischen Königsfamilie, saudische Banken und gemeinnützige Organisationen zur Verantwortung zu ziehen. Dabei ging es um die angebliche, finanzielle Unterstützung des Terrorismus. Doch diese Anstrengungen ameri- kanischer Bürger wurden weitgehend vor allem aufgrund des Gesetzes von 1976 zunichte gemacht. Dieses Gesetz soll nun mit dem neuen Gesetzesentwurf bei Terroranschlägen umgangen werden können. Saudi-Arabien will der New York Times zufolge, dass dieses Gesetz nicht verabschiedet wird. Im März soll der saudische Außenminister Adel al-Jubeir eine Warnung des Königs bezüglich des Gesetzesentwurfs an Washington herangetragen haben. Adel al-Jubeir sagte Abgeordneten, dass Saudi-Arabien gezwungen wäre, US-Staatsanleihen und andere US-Papiere im Wert von bis zu 750 Milliarden Dollar abzustoßen, bevor diese Gefahr liefen, von US-Gerichten eingefroren zu werden. Die Obama-Administration wirbt im Kongress dafür, das Gesetz nicht zu verabschieden. Beamte sollen der New York Times zufolge Senatoren vor den diplomatischen und wirtschaftlichen Risiken des Gesetzes gewarnt haben. Am Mittwoch wird Obama in Riad zum Treffen mit dem König und Beamten der saudischen Regierung erwartet. Welche genaue Rolle Saudi-Arabien möglicherweise bei den Anschlägen vom 11. September zukam, ist umstritten. Die saudische Regierung hat immer wieder 5 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |15/16 verneint, dass das Königreich darin verwickelt war und auch die 9/11 Kommission „fand keinen Beweis, dass die saudische Regierung als Institution oder ein gehobener saudischer Beamter allein die Organisation finanziert hat“. Kritiker mahnten bisher die sehr spezielle Formulierung der Kommission in diesem Fall an. Und auch die Zusammenfassung der Untersuchungen des Kongresses im Jahr 2002 ist in diesem Zusammenhang zuletzt wieder ins Gespräch gekommen. Dieser 28-seitige Bericht ist bis dato nie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Wenn beide Häuser des Kongresses den Gesetzesentwurf billigen, fehlt noch die Unterschrift des Präsidenten. Und damit würde der Weg für Klagen gegen die saudische Regierung und Banken etc. ermöglicht. Edwin M. Truman vom Peterson Institute for International Economics sagt, die Drohung der saudischen Regierung seien „leere Drohungen“. Der Verkauf von hunderten Milliarden Dollar in Form von US-Papieren wäre nicht nur technisch schwierig durchzuführen. Vielmehr würde es an den internationalen Märkten zu erhebliche Turbulenzen kommen, für die sich die Saudis verantworten müssten, so Truman. Vor allem aber würde es den USDollar destabilisieren, an den der saudische Rial gebunden ist. „Der einzige Weg, wie sie uns bestrafen könnten, ist, indem sie sich selbst bestrafen.“ Die spezielle Beziehung der USA zu Saudi-Arabien zeigt sich sehr deutlich in den US-Devisen des Königreichs. Bloomberg zufolge gibt es seit den 70er Jahren keine offiziellen Angaben darüber, wieviel 22. April 2016 US-Schulden tatsächlich von Saudi-Arabien finanziert werden. Die Anleihen und Papiere im Wert von 750 Milliarden Dollar, mit denen die saudische Regierung gerade droht, können nur ein Anhaltspunkt sein. Edwin Truman vom Peterson Institute for International Economics bezeichnet es als „irrsinnig“, dass das USFinanzministerium die Daten zu SaudiArabien nie öffentlich gemacht hat. Die Geheimhaltung war Teil der Politik mit dem Königreich. Damit stellte das Finanzministerium Saudi-Arabien auf die gleiche Stufe wie 14 andere Nationen (meist OPEC-Mitglieder), deren US-Devisen auch nicht bekannt sind. Die US-Devisen hundert anderer Länder sind jedoch öffentlich einsehbar, so Truman. Truman war in den späten 90er Jahren Assistent des Finanzministers. Rohstoffe Die Opec hat versagt Saudi-Arabien droht, US-Devisen in Milliardenhöhe abzustoßen. Das würde die hochverschuldeten USA massiv gefährden W ährend der vergangenen anderthalb Monate gaben eine Lockerung der Geldpolitik der amerikanischen Zentralbank sowie höhere Ölpreise den Märkten eine Verschnaufpause im Baissetrend. Die Ölpreise dürften nach dem Scheitern des Gipfels in Doha wieder fallen, weil die Fundamentalfaktoren überwältigend negativ sind. Saudi-Arabien wollte in der Essenz gar keinen Deal, nicht nur wegen des Iran. Wo die Geldpolitik weniger subtil gehandhabt wird – Japan, Schweiz, Eurozone – haben die Aktienmärkte den Baissetrend wieder aufgenommen. Besonders betroffen: Finanztitel und Autohersteller, klassische frühzyklische Sektoren. Die US-Märkte sind überbewertet, wurden jedoch von der Geldpolitik gestützt. Ein Sturz des Ölpreises und anderer Märkte wird auch dort für tiefere Kurse sorgen. Die Ölpreise sind nach wie vor Taktgeber der globalen Finanzmärkte, wenn auch nicht mehr quasi auf Tagesbasis. Von Mitte Februar bis Mitte April erholten sie sich scharf von rund 28 Dollar auf über 42 Dollar per Barrel. Sie stiegen also um rund 50 Prozent an. In Baisse- Erdölpreis für den Juni 2016 WTI-Kontrakt. märkten sind solche scharfen Korrekturen nicht ungewöhnlich. Auch vorher gab es Korrekturen in ähnlichem Ausmaß, wenn auch nicht prozentual. Die Grafik zeigt, wie enorm die Volatilität nach wie vor ist, mit Rückwirkungen auf andere Finanzmärkte. Die wichtigsten Faktoren waren eine Umkehr der US-Geldpolitik sowie Spekulationen über eine Produktionsbeschränkung von OPEC- und Nicht-OPECLändern. Die amerikanische Notenbank Grafik: DMN; Quelle: ariva.de hatte im Dezember die Zielmarke für den Satz für Fed Funds um einen Viertel Prozentpunkt angehoben. Gleichzeitig hatte sie praktisch vier Zinserhöhungen für den Jahresverlauf 2016 angekündigt. Mit dem Einbruch der Märkte zu Beginn des Jahres schwand der Mut der Entscheidungsmacher rasch dahin. Was sich in Meinungsäußerungen von Mitgliedern des FOMC rasch abzeichnete, wurde Mitte März bekräftigt. Die Notenbank will den Zinsanstieg verlangsamen 6 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |15/16 und zieht nur noch zwei Zinsschritte für dieses Jahr in Betracht. Der veränderte Zinsausblick schwächte den Dollar markant und auf breiter Front ab. Zinserwartungen und der Dollar sind wichtige Treiber der Rohstoffpreise. Durch das Abrücken der Notenbank von ihren ursprünglichen Zielvorstellungen erholten sich nicht nur die Rohstoffpreise, sondern auch die Währungen und Märkte in den Schwellenländern. Weil sich die Währungen dieser Länder stabilisierten, sanken auch deren Zinsen. Also Ende gut, alles gut? Nicht ganz, der Druck verlagerte sich nur zeitlich, und in Bezug auf die Adressaten. Japan, die Schweiz und die Eurozone sind nun die Hauptbetroffenen. Für den 17. April war in Doha/Katar seit Wochen ein Treffen von 16 OPECund Nicht-OPEC Produzentenländern angesetzt. Dieser erste Gipfel von OPEC und Nicht-OPEC Ländern seit 2001 ist nach all den öffentlichen Signalen der vergangenen Wochen eine wichtige Wasserscheide für den Ölpreis. Die Spekulation über Produktionsbegrenzungen war von vier Produzentenländern angeheizt worden. Sie vereinbarten, die Produktion auf dem Niveau von Januar 2016 einzufrieren. Das besagt wenig, denn dies entspricht ungefähr dem Maximum dessen, was in den vergangenen Jahren erreicht wurde und technisch kurzfristig machbar ist. Die Motivation war durchsichtig. Es sollte den Druck vom Erdölpreis wegnehmen, und allenfalls erlauben, die Absicherungen über Forward-Kontrakte und Futures auf erhöhten Niveaus zu verlängern. Solange die Situation mit den amerikanischen ‚tight oil’-Produzenten nicht bereinigt ist und der Iran nicht daran teilnimmt, spielt die Produktionsbeschränkung allenfalls taktisch eine Rolle. Die im Markt weit verbreitete Spekulation um eine koordinierte Förderkürzung dürfte bis zum 17. April 2016 weiterhin wirksam sein – in beide Richtungen. Die Ausgangslage war komplex, und die Wirkung auf die Märkte vielleicht schwieriger als auf den ersten Blick ersichtlich. Es kann keinen Zweifel geben, dass es vielen OPEC- wie auch NichtOPEC Produzentenländern schlecht geht. Der Preissturz beim Erdöl hat die auf rosigen Preisprognosen basierenden Staatsfinanzen arg durcheinander gebracht, die Zahlungsbilanzen drastisch passiviert, und in einigen Ländern die Währungen kollabieren lassen. Selbst Liquiditätsschwierigkeiten sind nichts Ungewöhnliches. Von daher ist der Ruf nach Produktionsbeschränkungen mehrerer Länder verständlich. Vordergründig ist die Konferenz in Doha daran gescheitert, dass Saudi-Arabien den Einbezug Irans in die Produktionsbeschränkung verlangte. Dasselbe Saudi-Arabien hatte aber noch bis vor wenigen Tagen darauf beharrt, dass der Iran außen vor belassen werden soll und sich die übrigen Produzentenländer auf eine Produktionsbeschränkung einigen sollen. Entweder ist in der Zwischenzeit etwas passiert – oder Saudi-Arabien wollte in Realität gar nie einen Deal. Die öffentlichen Äußerungen seines wichtigsten Exponenten – des stellvertretenden Kronprinzen Salman – lassen eher auf die zweite Version schließen. Effektiv ist das Verhältnis zu Iran und Russland stark belastet. Russland ist der Allierte des Irans in Syrien. Im Mittleren Osten gibt es einen Kampf um die Vorherrschaft zwischen Saudi-Arabien und Iran. Doch die Situation ist dadurch kompliziert, dass die Vereinigten Staaten als eines der drei größten Produzentenländer nicht involviert sind. Die Kapazität und Produktion wurde vor allem dort ausgebaut, von den oft kleinen ‚tight oil’-Produzenten, welche mit hydraulischem Frakturieren und horizontalem Drillen mit hohen Kosten Erdöl in tief liegenden Gesteinsformationen erschließen. Der Boom war kreditfinanziert. Viele dieser Produzenten sind finanziell schwer angeschlagen, haben ihre Rentabilitätsschwelle aber deutlich reduzieren können. Deshalb ist ihre Produktion nur wenig gefallen. Außerdem könnten sie bereits erschlossene, aber noch nicht komplettierte Bohrlöcher (engl. Drilled Uncompleted, kurz DUC) wieder in Betrieb nehmen und für die nächsten Monate oder Quartale erhöhte Produktion über Forwards verkaufen. Viele Produzenten am Rande des Konkurses würden kurzfristig überleben, weil sie wieder fri- 22. April 2016 schen Cash generieren und ihre Schulden weiter bedienen könnten. Dafür genügen einige Wochen von Preisen von 45 Dollar per Barrel, für die Masse der Produzenten 50 bis eher 60 Dollar per Barrel. Es ist schlicht nicht einsichtig, warum das enorm reiche SaudiArabien mit seinen extrem niedrigen Produktionskosten diese marginalen Produzenten subventionieren, vor dem Konkurs bewahren und eine Redimensionierung verhindern soll. Es würde die Schwierigkeiten der Produzenten- und Schwellenländer längerfristig immens vergrößern. Die Preise würden dann verzögert, dafür umso länger nach unten ausbrechen. Ausschließen lässt sich nichts. Doch eine wirkliche Produktionskürzung würde für einen Anstieg der Preise und eine verzögerte Ausweitung des Nicht-OPEC Angebots sorgen. Auch Russland steht vor der Schwierigkeit, sich auf das veränderte Angebot einzustellen. Denn nicht nur die ‚tight oil’- , sondern auch die ‚shale gas’-Produzenten sind angeschlagen. Sie produzieren, um später mit LNG-Transporten den Weltmarkt zu erschließen. Sie werden dadurch Konkurrenten Russlands darstellen. Warum diese Konkurrenten überleben lassen, wenn sie jetzt in riesigen Schwierigkeiten stecken? Diese Frage dürfte sich umso mehr stellen, als die USA und die Europäische Union Ausrüstungen für Tiefseebohrungen wie auch für das Frakturieren auf die Sanktionsliste gegen Russland für die Annexion der Krim und das Eingreifen in der Ukraine gesetzt haben. Aus der Sicht Russlands könnte dies als Form des Wirtschaftskriegs der USA interpretiert werden. Warum dann deren tight-oil- und shale gas-Produzenten mit koordinierten Produktionsbeschränkungen und höheren Preisen Überlebenshilfe leisten? Eine Produktionskürzung jetzt würde die Schwierigkeiten der traditionellen Produzenten- und Schwellenländer längerfristig immens vergrößern. Die Produktion und Kapazität der amerikanischen Produzenten würden auf Quartale oder sogar Jahre hinaus erhöht werden. Die Preise würden dann verzögert, dafür umso länger nach unten ausbrechen. Ausschließen lässt sich nichts. Doch eine wirkliche Produktionskür7 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |15/16 zung würde für einen Anstieg der Preise und eine verzögert kräftige Ausweitung des Nicht-OPEC Angebots sorgen. Letzten Endes hing das Ergebnis des Doha-Gipfels vom Verhalten weniger Entscheidungsträger ab. Die wichtigsten waren der Kronprinz SaudiArabiens, der für die neue Erdölpolitik Saudi-Arabiens verantwortlich ist, sowie die Führung des Iran und der russische Präsident Putin. Sie haben ihre Berater, aber letzten Endes müssen sie entscheiden, wie sie zukünftig mit der Realität der amerikanischen tight oil- und shale gas-Produzenten klar kommen wollen. Überleben diese und sind fit und abgespeckt, werden SaudiArabien und Russland auf Jahre hinaus mit volatilen und unberechenbaren Ölpreisen konfrontiert sein. Als reine Ölbzw. Gasproduzentenländer haben sie ein Interesse, die lästige Konkurrenz zu beseitigen, um eine berechenbare und langfristig orientierte Preispolitik hinzubekommen. Die Konferenz am 17. April endete ohne wichtige Beschlüsse, nicht einmal mit einem gemeinsamen Communiqué. Auch wenn einzelne Exponenten von einem neuen Treffen im Juni reden: Dieses Ergebnis ist ein schwerer Schlag. Es zeigt, dass die wichtigsten Exponenten eigene Agenden haben. Von einem gemeinsamen Verhalten nur schon innerhalb der OPEC, geschweige denn einem koordinierten Verhalten mit Russland und anderen Nicht-OPEC Förderländern kann keine Rede sein. Deshalb wird der Erdölpreis rasch nach unten gehen und die alten Tiefstände unterbieten. Die reinen Fundamentalfaktoren für den Erdölmarkt haben sich verschlechtert, der Preis wird nach unten durchbrechen. Der Winter 2015/2016 geht in der nördlichen Halbkugel als mildester Winter seit Beginn der Wetter-Aufzeichnungen in die Annalen ein. Dort wo die saisonale Nachfrage deshalb typischerweise extrem stark ist, fiel sie diesmal unterdurchschnittlich aus. Die Produktion dagegen läuft auf Hochtouren. Die Contango-Situation im Markt macht es auch weiterhin profitabel, Lager auszubauen und auf Lager zu produzieren. Die Nachfrage in den klassischen Produzentenländern selber geht kon- Erdöllager in den USA. junkturbedingt zurück. Ein Einfrieren der Produktion bedeutet, dass die langsamer wachsende oder schrumpfende Inlandnachfrage in den Förderländern durch wachsende Exporte kompensiert wird. Dies ist bereits in Russland der Fall, sodass die erhöhten Exporte auf die Weltmarktpreise drücken. Im Effekt gehen die Lager ungebremst hinauf in Rekordhöhen. Allerdings sind die Aussichten für die Finanzmärkte durchaus unterschiedlich, was dem teilweise entgegengesetzten Kurs der Geldpolitik geschuldet ist. In den USA ist die Konjunktur gespalten. Die verarbeitende Industrie ist durch die Erdölkrise, die Krise der Schwellenländer und die Wachstumsverlangsamung in China betroffen. Die Export und Unternehmensinvestitionen bleiben schwach. Finanzpolitik, Wohnungsbau und privater Konsum stabilisieren dagegen die Endnachfrage. Der Kurs der Geldpolitik kann als deutlich weniger restriktiv bezeichnet werden als 2015. Der Dollar hat sich abgeschwächt, wenn auch nicht stark, und die Kreditrisikozuschläge sind markant zurückgegangen, mindestens im Investment Grade und sogar im High-YieldBereich außerhalb des Energiesektors. Zwar ist die Emissionsaktivität auch eingeschränkt, aber die monetären Bedingungen sind entspannter als vor drei Monaten. Der breite reale handelsgewichtete Index des Dollar vermittelt einen Eindruck, wie 2014/15 die Geldpolitik über den Wechselkurs restriktiver geworden ist 22. April 2016 Grafik: DMN; Quelle: EIA Doch die Konjunkturlage ist kompliziert. Der amerikanische Aktienmarkt ist überbewertet. Das Gewinnmomentum ist, besonders an den US-GAAP statt an den pro-forma Gewinnen gemessen, seit mehreren Quartalen stark rückläufig. Vorlaufende Indikatoren in der Realwirtschaft sind teilweise negativ, was eine weitere Kontraktion der Gewinne impliziert. Die Unternehmen stützen den Aktienmarkt durch Dividendenzahlungen und durch Rückkäufe, die durch zusätzliche Verschuldung finanziert sind. Hilfreich sind neuerdings die Umrechnungseffekte für die Währung. Die Verbindung von Nullzinspolitik und Quantitativer Lockerung der Geldpolitik hat den enormen Aktienboom seit 2009 herbeigeführt. Der Markt ist jetzt sehr fragil, da konjunkturbedingt und von den Bewertungen wie von der Verschuldungsdynamik her erhebliche Korrekturen bzw. eine Baisse möglich sind. Ein eigentlicher Einbruch des Aktienmarktes würde das Konsumentenvertrauen erschüttern und den privaten Konsum als wichtigste Stütze der Konjunktur gefährden. In diesem Fall wäre eine Rezession unvermeidlich. Die amerikanische Notenbank wird wohl alles daran setzen, Konjunktur und Aktienmarkt eine gewisse Unterstützung zu geben. Die Fed hat – anders als dies viele Analysten sehen – Spielraum für eine Feinsteuerung. Sie kann ein Überschießen des Marktes verhindern, notfalls mit einer Zinserhöhung, und sie kann subtil mit den Erwartungen spielen oder im Extremfall die Zinsen senken. Doch für den US8 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |15/16 Aktienmarkt spielen auch andere Faktoren als die Geldpolitik eine Rolle – die Erdölpreise, die Wahlaussichten für die Präsidentschaftswahlen, die Konjunkturaussichten und die Finanzmärkte im Rest der Welt. Weil in Doha während zwei Monaten geschürte Hoffnungen zerschellt sind, werden die Erdölpreise fallen und die Aktienmärkte folgen. Eine schwere Baisse an den ausländischen Märkten kann eine Flucht in den Dollar als sicheren Hafen auslösen. Ein scharfer Fall der Ölpreise, der von einer Flucht in den Dollar begleitet würde, gäbe den Anstoß auch für eine Baisse des USAktienmarktes. Die veränderten Zinsaussichten in den USA und die damit einhergehende Dollarschwäche haben eine Kehrseite. Länder wie Japan oder die Schweiz sind einer scharfen Währungsaufwertung ausgesetzt. Tiefere Zinsen, ja Negativzinsen sind dort kein Konjunkturstabilisator, sondern verstärken die negativen Effekte der harten Währung. Kein Wunder, sind die Aktienmärkte dieser Länder praktisch zurück bei den Tiefständen von Mitte Februar. Zudem wird in diesen Ländern die Finanzpolitik die Konjunktur bremsen oder zumindest belasten. In der Schweiz wird die Finanzpolitik nach dem bürgerlichen Wahlsieg mittelfristig restriktiv. In Japan lastet die Unsicherheit bezüglich der für 2017 angekündigten Mehrwertsteuer-Erhöhung auf der Konsum- und Investitionsnachfrage. Das gleiche Szenario, vorerst ohne restriktivere Finanzpolitik, gilt für die Eurozone, wo die EZB mit ihrer Negativzinspolitik und ihren Anleihenkäufen die Binnenkonjunktur – erklärtermaßen entgegen ihrer Absicht – wohl eher abwürgt, statt sie zu stimulieren. Der Mechanismus ist überall der gleiche. Der gesamte Finanzsektor – Banken, Versicherer, Pensionskassen – werden irreversibel geschädigt. Die Transmission geldpolitischer Impulse wird ver- Realer handelsgewichteter Wechselkurs des Dollars. hindert statt erleichtert. In all diesen Märkten sind die Titel des Finanzsektors im steilen Absturz. Sie werden die Tiefstände von Mitte Februar, von 2012 und allenfalls von 2009 in nicht allzu weiter Ferne durchschlagen. Ob der breite Markt gleich mitzieht, ist eine andere Frage. Wenn der Ölpreis sich in einer Bandbreite stabilisiert, mag sich die Konsolidierung länger hinziehen. Wenn nicht, dann stehen diese Märkte vor einer scharfen Talfahrt. Diese antizipiert dann die Rezession und nicht mehr nur eine Wachstumsverlangsamung wie bisher. Für Investoren aus diesen Ländern ist der US-Markt bei Obligationen und Aktien deutlich attraktiver. Seltsames gibt es über China zu berichten. Die Behörden haben die Märkte – Devisenmarkt, Aktienmarkt – erfolgreich stabilisiert. Ob sie über diese kurzfristigen Maßnahmen hinaus die richtigen Entscheidungen treffen, steht auf einem anderen Blatt. Wichtig scheint die Zentralisierung der Macht bei Staatspräsident Xi Jinping. Dieser verfolgt zusehends eine autoritäre Politik der Repression, inklusive des eiser- 22. April 2016 Grafik: DMN; Quelle: Fredgraph, Fed St. Louis nen Besens in den eigenen Reihen. Nur gute Nachrichten sind gefragt, sie sind Teil einer gleichgeschalteten patriotischen Propaganda. Deshalb werden die eingehenden Wirtschaftszahlen aus den Provinzen auch positiv aussehen, selbst ohne statistische Massage durch die Zentrale. Was völlig verquer steht, ist die Tatsache, dass engste Familienangehörige des Präsidenten offenbar ebenfalls in den Panama Papieren aufgeführt sind. Bereicherung und Kapitalflucht im engsten Umkreis berauben die Kampagne gegen die Korruption der Legitimation und Glaubwürdigkeit. Alle Macht auf sich zu konzentrieren, eisern durchgreifen und gleichzeitig selber angreifbar sein, ist eine schwierige Mission. Scheitert die Wirtschaftspolitik, könnte es angesichts vieler Feinde in den eigenen Reihen schnell geschehen sein. Die kommunistische Partei Chinas hat eine lange Tradition brutaler interner Machtkämpfe und Wendungen in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Überraschungen sind dann ohne Weiteres möglich. Chinas politischer Ausblick ist unsicher. Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Chefredakteurin: Jennifer Bendele. Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Nicolas Dvorak. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform Social Media GmbH, Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: [email protected]. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro Jahr. Bezug: [email protected]. Mediadaten: [email protected]. www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de 9
© Copyright 2024 ExpyDoc