Dissertation ETH Nr. 22856 Kraftfluss in Stahlbetonplatten Abhandlung zur Erlangung des Titels DOKTOR DER WISSENSCHAFTEN der ETH ZÜRICH (Dr. sc. ETH Zürich) vorgelegt von SIMON ZWEIDLER Dipl. Bauingenieur ETH/FH geboren am 09. April 1975 Bürger von Bachs ZH angenommen auf Antrag von Prof. Dr. Peter Marti, Referent Prof. Dr. Walter Kaufmann, Korreferent Prof. Dr. Johann Kollegger, Korreferent 2015 Vorwort Stahlbetonplatten sind in der Betonbauweise die am häufigsten verwendeten Tragelemente und gehören damit zum festen Bestandteil der Arbeit eines im konstruktiven Ingenieurbau tätigen Bauingenieurs. Im Vergleich zum Stahlbetonbalken ist aufgrund der zusätzlichen räumlichen Dimension die Steuerung des Kraftflusses im Traglastzustand bis anhin nicht möglich. Die Bemessung erfolgt entweder auf der Basis von elastisch ermittelten Schnittgrössen unter Verwendung der Normalmomenten-Fliessbedingung oder unter Vernachlässigung der Drillmomente mit der etablierten Streifenmethode. Der daraus resultierende, auf dem unteren Grenzwertsatz der Plastizitätstheorie basierende Kraftfluss ist damit in beiden Fällen verschieden von demjenigen, welcher effektiv im Traglastzustand eintreten wird. Mit der vorliegenden Abhandlung „Kraftfluss in Stahlbetonplatten“ wird dieser unbefriedigende Umstand dahingehend gelöst, indem das Herstellen eines direkten Bezugs zwischen Lastabtragung und Anordnung sowie Menge der Bewehrung gelingt. Damit ist ein konstruktives Arbeiten auch im Traglastzustand wie beim Stahlbetonbalken möglich. Die sich durch ihre Einfachheit auszeichnende Berechnungsmethode ermöglicht das Finden der vollständigen Lösung von ausgewählten orthogonal beziehungsweise schiefwinklig bewehrten Stahlbetonplatten. Die erarbeiteten Grundlagen zur Steuerung des Kraftflusses im Traglastzustand sollen hierbei zu einem besseren Verständnis des Tragverhaltens von Stahlbetonplatten beitragen. Einerseits lässt sich damit die vollständige Lösung von weiteren Segmentplatten finden; andererseits können die daraus resultierenden Erkenntnisse dem Auffinden eines statisch zulässigen Spannungszustandes mit höherem unterem Grenzwert dienen. Diese Abhandlung entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Baustatik und Konstruktion der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Mein aufrichtiger Dank gilt Herrn Professor Dr. Peter Marti, der mir die Durchführung des fachlich weitgefächerten Doktorats in geistiger Unabhängigkeit ermöglichte. Ebenso danke ich den Herren Professoren Dr. Walter Kaufmann und Dr.-Ing. Johann Kollegger für die Begleitung dieser Arbeit und die Übernahme des Korreferats. Meinen derzeitigen und ehemaligen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Baustatik und Konstruktion danke ich für die zahlreichen fachlichen Diskussionen. Schliesslich bedanke ich mich bei meiner Familie für das entgegengebrachte Verständnis und den Rückhalt während des Entstehens dieser Arbeit. Zürich, im April 2016 Simon Zweidler Kurzfassung Der Verbundwerkstoff Stahlbeton ist durch das herstellungsbedingte Giessen des Betons in die formgebende Schalung für Flächentragwerke wie Platten, Scheiben und Schalen prädestiniert. Die häufigste Anwendung betrifft dabei Stahlbetonplatten. Von der äusserlichen Betonhülle ist der Kraftfluss nur vermeintlich ablesbar; dieser wird namentlich im Traglastzustand vorwiegend von der im Beton eingelegten Stahlbewehrung bestimmt. Die mit der freien Wahl der Menge sowie der Anordnung der Bewehrung gegebene Freiheit wird bezüglich der Steuerung des Kraftflusses bis anhin zu wenig genutzt. In der vorliegenden Abhandlung wird darum der zum Traglastzustand gehörende Kraftfluss in orthogonal beziehungsweise schiefwinklig bewehrten Stahlbetonplatten ins Zentrum gestellt. Hierzu ermöglicht erstens eine mit sogenannten Fliessgeraden erweiterte Darstellung von Mohrschen Kreisen unter Einbezug des Biegewiderstandes die Konstruktion von verträglichen Spannungszuständen auf der Basis der Normalmomenten-Fliessbedingung; die mit der kinematischen Diskontinuitätslinie verträglichen Mohrschen Kreise müssen sich dabei in sogenannten Angelpunkten schneiden. Zweitens lassen sich von den infinitesimalen Diskontinuitäten mittels räumlicher Ausdehnung Schnittkörperdiagramme erzeugen, an welchen sich die Gleichgewichtsbedingungen von Platten formulieren lassen. Diese beiden Darstellungen stellen den zentralen Punkt der vorliegenden Abhandlung dar; damit gelingt auf Basis des Verträglichkeitssatzes der Plastizitätstheorie eine abschliessende Diskussion des Kraftflusses an Diskontinuitätslinien sowie deren Schnittpunkten, in Fächern, Fliessregionen und in Plattensegmenten. Die daraus sich ergebenden Folgerungen sind als Verallgemeinerung der von Nielsen bezüglich des Kraftflusses in isotropen Stahlbetonplatten geführten Diskussion einzuordnen. Ebenso gelingt damit eine abschliessende Klärung über die in der vollständigen Lösung mögliche Existenz von den aus der sogenannten „Nodal-Force“-Theorie bekannten Knotenkräften. Knotenkräfte des Typs I können auftreten; hingegen wird die Existenz von Knotenkräften des Typs II widerlegt. Daraus lässt sich weiter folgern, dass der vermeintliche Informationsgewinn sowohl durch die „Nodal-Force“Theorie als auch durch die „Equilibrium“-Methode in Form von Knotenkräften nichtig ist; die beiden Theorien können nicht zielführend sein und sind damit widerlegt. Die Gleichgewichtsbetrachtung der „Nodal-Force“-Theorie ist trotzdem in eine neue Anwendung überführbar, indem sich gegebene Mechanismen auf allfällige Knotenkräfte des Typs II überprüfen lassen. Sind solche Knotenkräfte erforderlich, kann der entsprechende Mechanismus nicht zur vollständigen Lösung gehören; die daraus folgende Last entspricht lediglich einem oberen Grenzwert der Traglast. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse gelingt die Entwicklung der vollständigen Lösung für gleichförmig belastete, dreieck- oder trapezförmige Plattensegmente. Die Segmente sind an der längsten Kante einfach gelagert und weisen eine beliebig wählbare orthogonale oder schiefwinklige Bewehrung auf. Die entwickelten Lösungen ermöglichen mittels einfacher Handrechnung das Auffinden der vollständigen Lösung für ausgewählte Plattenbeispiele; die definierte Zielsetzung einer direkten Verknüpfung zwischen Lastabtragung (Steuerung des Kraftflusses) sowie Anordnung und Menge der Bewehrung ist damit erreicht. Die vorliegende Methodik ermöglicht dem konstruktiv tätigen Ingenieur das ihm ureigene und von Balkenkonstruktionen vertraute Konstruieren auch bei Stahlbetonplatten. Abstract The composite material reinforced concrete is predestinated for surface structures such as slabs, panels and shells due to the way it is produced by casting. Reinforced concrete slabs are the most common application. Their force path cannot be deduced from the external concrete shape, as at ultimate limit state it is determined by the embedded reinforcement. Presently, the freedom of influencing the force path by choosing the amount and distribution of the reinforcement is not sufficiently used. This is why the present work focuses on the force paths belonging to the ultimate limit states of orthogonally and skewly reinforced concrete slabs. The so called yield traces extended representation of Mohr's circles considering the bending capacity, enables the construction of compatible stress states based on the normal moment yield condition. The Mohr's circles, which are compatible with the kinematic discontinuity line, must intersect at the so called pivots. Further, by expanding the two-dimensional infinitesimal discontinuities, free body diagrams can be created to formulate the equilibrium equations of slabs. Both presentations are the central point of the present work. It enables the concluding discussion of the force path at discontinuity lines as well as their intersections, fan mechanisms, yield regions and slab segments. The resulting conclusions can be considered as a generalisation of Nielsen's discussion on the force flow in isotropic reinforced concrete slabs. Further, the possible existence of nodal forces known from the so called Nodal-Force-Theory in the complete solution is clarified. Typ I nodal forces can occur, while the existence of Typ II nodal forces is disproven. It can be concluded further that the alleged information gain in the form of nodal forces is void both by the Nodal-Force-Theory and the Equilibrium-Method; the two theories are therefore disproven. However, this leads to a new application of the equilibrium considerations of the Nodal-Force-Theory, where given mechanisms can be tested for Type II nodal forces. If such nodal forces are necessary, then the mechanism can't belong to the complete solution and the corresponding load merely corresponds to an upper bound limit of the ultimate load. Based on the gained insights a complete solution for uniformly loaded triangular or trapezoidal slab segments is developed. The segments are simply supported along their longest side and have an orthogonal or skew reinforcement that can be chosen arbitrarily. The developed solutions allow the determination of the complete solution of selected slab examples with simple hand calculations. Thus the defined goal of a direct connection between load bearing (influencing the force path) and the distribution as well as amount of reinforcement is achieved. The present method allows the practising Engineer to apply the detailing procedures familiar for beams to reinforced concrete slabs. Inhaltsverzeichnis 1 2 Einleitung 1 1.1 Problemstellung 1 1.2 Zielsetzung 2 1.3 Übersicht 2 1.4 Abgrenzung 4 Stahlbetonplatten: Grundlagen 5 2.1 Thermomechanische Grundlagen 5 2.1.1 Einleitung 5 2.1.2 Prinzip der virtuellen Leistungen 6 2.1.3 Thermodynamische Grundlagen 8 2.1.4 Plastizitätstheorie 12 2.1.5 Herleitung der Grenzwertsätze 19 2.1.6 Verträglichkeitssatz und Einspielsatz 22 2.2 3 4 Theorie schubstarrer Platten 24 2.2.1 Gleichgewichtsbedingungen 24 2.2.2 Kinematische Relationen 27 2.2.3 Konstitutive Gleichungen 28 2.3 Normalmomenten-Fliessbedingung 29 2.4 Diskontinuitätslinien 34 2.4.1 Statische Diskontinuitätslinien 34 2.4.2 Kinematische Diskontinuitätslinie 36 Querkraftfeld in Platten 39 3.1 Gleichgewichtslösung 39 3.2 Elastische Lösung 45 3.3 Vergleich der Lösungen 47 Querkraftfluss an Diskontinuitätslinien 51 4.1 Einleitung 51 4.2 Statische Diskontinuitätslinien 51 4.2.1 Darstellung mit Wirbelschichten 51 4.2.2 Analogie zur Fluidmechanik 54 4.2.3 Plastische Verträglichkeit 57 Kinematische Diskontinuitätslinie 64 4.3 i 5 Querkraftfluss in Plattensegmenten 73 5.1 Segmentlinien 73 5.2 Segmentecken 75 5.2.1 Erster Fall; Fliessregime III 75 5.2.2 Zweiter Fall; Fliessregime I 80 5.2.3 Dritter Fall; Fliessregime II 87 5.2.4 Schlussbetrachtung 88 5.3 Fächer 5.4 Fliessregionen 100 5.5 Plattensegmente 102 5.5.1 Aufteilung der Eigenspannungszustände 102 5.5.2 Eigenspannungszustand Typ „div m = 0“ 103 Eigenspannungszustand Typ v h2 5.5.4 Eigenspannungszustand Typ v h1 5.5.5 Orthotrop bzw. schief bewehrtes Trapezsegment 116 5.5.6 Orthotrop bzw. schief bewehrtes Dreiecksegment 123 5.5.3 6 7 ii 90 Anwendungsbeispiele 125 6.1 Einleitung 125 6.2 Rechteckplatte mit orthotroper Bewehrung 127 6.3 Trapezplatte mit orthotroper Bewehrung 130 6.4 Schiefe Platte mit schiefer Bewehrung 135 Zusammenfassung und Folgerungen 141 7.1 Zusammenfassung 141 7.2 Folgerungen 142 7.3 Ausblick 145 Literaturverzeichnis 147 Bezeichnungen 153 1 Einleitung 1.1 Problemstellung Der Verbundwerkstoff Stahlbeton ist durch das herstellungsbedingte Giessen des Betons in die formgebende Schalung für Flächentragwerke wie Platten, Scheiben und Schalen prädestiniert. Die häufigste Anwendung betrifft Stahlbetonplatten. Von der äusserlichen Betonhülle ist dabei der Kraftfluss nicht ablesbar; dieser wird namentlich im Traglastzustand vorwiegend von der im Beton eingelegten Stahlbewehrung bestimmt. Die mit der freien Wahl der Menge sowie der Anordnung der Bewehrung gegebene Freiheit wird bezüglich der Steuerung des Kraftflusses jedoch bis anhin zu wenig genutzt. Dies lässt sich damit erklären, dass die im Vergleich zum Balken zusätzliche Dimension bei der Beschreibung von Flächentragwerken die Komplexität ungemein steigert. Ein zum Balken analoges Konstruieren ist bis anhin unmöglich; dem konstruktiv tätigen Ingenieur bleibt nur der Weg der Analyse. Diese basiert auf der Ermittlung von elastischen Schnittgrössen unter Verwendung der etablierten Plattentheorien. Dünne und damit schubstarre Platten lassen sich mittels der zum Balken analogen Vorstellung vom Ebenbleiben der Querschnitte nach Bernoulli mit der Theorie von Kirchhoff berechnen [32]. Reissner und Mindlin liessen die sogenannte Bernoulli-Hypothese fallen und erweiterten die Theorie auf schubsteife Platten, womit das Tragverhalten von dicken Platten realitätsnah erfasst werden kann [53, 75]. Für die Berechnung von Stahlbetonplatten haben diese elastisch verträglichen Lösungen bis zum Erreichen des Rissmomentes ihre Gültigkeit; dabei ist der Tragwiderstand jedoch längst nicht erreicht. Die Laststeigerung führt beim Überschreiten des Rissmoments am jeweiligen Ort zu einer Steifigkeitsabminderung, welche aufgrund der statischen Unbestimmtheit der Platte mit elastischen Schnittkraftumlagerungen einhergeht. Die gerissenen Bereiche weiten sich bei steigender Belastung bis zum Erreichen der elastischen Grenzlast beziehungsweise der Traglast kontinuierlich aus, wobei im letzteren Fall auch plastische Schnittkraftumlagerungen notwendig sind. Dieses komplexe Verhalten kann durch Erweitern der erwähnten Theorien mit Hilfe von aufwendigen, inkrementellen Berechnungen erfasst und abgebildet werden; abgesehen von der Traglast sind die daraus gewonnenen Resultate aus baupraktischer Sicht jedoch von geringem Interesse. Für den konstruktiv tätigen Ingenieur ist es hingegen von eminenter Wichtigkeit, die Traglast zuverlässig bestimmen zu können. Anstatt mit dem beschriebenen inkrementellen Vorgehen lässt sich diese auch direkt auf der Basis des unteren (statischen) und oberen (kinematischen) Grenzwertsatzes der Plastizitätstheorie ermitteln. Fallen die berechnete untere und obere Schranke zusammen, handelt es sich gemäss dem Verträglichkeitssatz um die vollständige Lösung [80]. Der zur so gewonnenen Traglast gehörende Spannungszustand lässt sich in einen elastischen Anteil und den zugehörigen (optimalsten) Eigenspannungszustand auftrennen. Die elastische Lösung lässt sich mit den erwähnten Plattentheorien ermitteln; der Eigenspannungszustand resultiert aus der vollständigen Entlastung vom Niveau der Traglast. Dieser optimal eingeprägte Zustand bewirkt bei erneuter 1 Einleitung Belastung bis zur Traglast gemäss Einspielsatz keine zusätzlichen plastischen Verformungen und somit keine progressive Schädigung in der Platte [35, 63]. In der Praxis wird in praktisch allen Fällen vom unteren Grenzwertsatz der Plastizitätstheorie Gebrauch gemacht. Die Schnittkraftermittlung erfolgt in der Regel aufgrund linear elastischer Berechnungen nach der Methode der Finiten Elemente. Die so gewonnene Lösung stellt gemäss Plastizitätstheorie einen statisch zulässigen Spannungszustand dar, welcher unter Einhaltung der Fliessbedingung auf der sicheren Seite liegt. Dies lässt sich dadurch erreichen, indem die erforderliche Bewehrung unter Zuhilfenahme der Normalmomenten-Fliessbedingung bestimmt wird. Dieses im Kern analytische Vorgehen lässt dem Konstrukteur bezüglich der Beeinflussung des Kraftflusses oder gar einer hinsichtlich der Traglast optimierten Bewehrungsführung keine Gestaltungsmöglichkeiten; mit den elastisch ermittelten Schnittgrössen ist der Kraftfluss gegeben. Eine zweite Vorgehensweise liegt in der Anwendung der einfachen Streifenmethode [18], bei welcher durch Vernachlässigung der Drillmomente eine Reduktion der angesprochenen Komplexität erzielt wird. Die Platte wird mittels zweier zueinander orthogonaler oder schiefer Balkenlagen idealisiert, wodurch sich der Kraftfluss im Traglastzustand mit entsprechend gewählten Biegewiderständen gewissermassen steuern lässt. Diese ebenfalls auf dem unteren Grenzwertsatz basierte Methode setzt einen auf die Biegemomente reduzierten statisch zulässigen Spannungszustand voraus, welcher im Allgemeinen von dem zur Traglast gehörenden Spannungszustand abweicht. 1.2 Zielsetzung Sowohl die Steigerung der Komplexität wegen der im Vergleich zum Balken zusätzlich vorhandenen Dimension als auch die bezüglich des Widerstands vorhandene Anisotropie eröffnen dem Konstrukteur in umgekehrter Betrachtungsweise grosse Freiheiten, da sich der Kraftfluss im Gegensatz zu einem homogen isotropen Materialverhalten durch die frei wählbare Bewehrungsanordnung beliebig steuern lässt. In der vorliegenden Abhandlung sollen daher die am Balken bewährten Konstruktions- und Berechnungsmethoden auf Stahlbetonplatten übertragen werden. Als Ergebnis wird ein Vorgehen angestrebt, welches einen direkten Bezug zwischen Lastabtragung sowie Anordnung und Menge der Bewehrung herstellt und damit ein konstruktives Arbeiten wie bei Balken ermöglicht. Damit lassen sich für ein gegebenes statisches System durch unterschiedliche Bewehrungsanordnungen verschiedene Lastabtragungen auf dem Traglastniveau generieren. Dies führt letztendlich zum übergeordneten Ziel, mit der angestrebten Methodik dem konstruktiv tätigen Ingenieur das ihm ureigene Konstruieren auch bei Stahlbetonplatten zu ermöglichen. 1.3 Übersicht Die in Kapitel 1.2 formulierte Zielsetzung legt den Fokus auf das Auffinden des zur Traglast gehörenden Spannungszustandes und des damit einhergehenden Kraftflusses. Die hauptsächliche Schwierigkeit besteht darin, den Lösungsraum aller statisch zulässigen Spannungszustände durch allgemeingültige Aussagen möglichst eng fassen zu können, ohne dabei durch unsachgemässe Schlussfolgerungen das Auffinden von vollständigen Lösungen zu verunmöglichen. Dies erfordert eine präzis geführte Diskussion, wobei das Hauptaugenmerk stets auf die durch den Verträglichkeitssatz geforderte plastische Verträglichkeit gerichtet ist [80]; die Verträglichkeit muss in Bezug auf die vollständige Lösung immer erfüllt sein. 2 Übersicht Im ersten Teil (Kapitel 2) erfolgt in kompakter Form ein axiomatischer Aufbau der thermomechanischen Grundlagen, welche das Fundament sowohl der Plastizitäts- als auch der Elastizitätstheorie darstellen. Speziell hervorzuheben ist dabei die duale Betrachtung des plastischen Potentials und der Dissipationsleistung, welche mittels Legendre-Transformation miteinander in Beziehung gebracht und damit an den thermodynamischen Hauptsätzen angebunden werden können. Ausgehend von diesem allen Kontinua zugrundeliegenden thermomechanischen Rahmen wird einerseits mittels kinematischer Restriktion die schubstarre Plattentheorie nach Kirchhoff aufbereitet und anderseits die für die plastische Betrachtung von Stahlbetonplatten notwendige NormalmomentenFliessbedingung hergeleitet. Den drei daraus resultierenden Fliessregimen kommt eine zentrale Bedeutung zu. Zuletzt werden die statischen und kinematischen Diskontinuitätslinien eingeführt, womit alle für die in Kapitel 1.1 formulierte Problemstellung benötigten Grundlagen bereitstehen. Im zweiten Teil (Kapitel 3) wird die Untersuchung des Kraftflusses mittels einer globalen Betrachtung auf Basis des Querkraftfeldes angestossen; dieses lässt sich allgemein in divergenzund rotationsfreie Anteile aufspalten. Die mathematisch geführte Diskussion bringt nebst der Einführung der zur Kraftdichte analogen Wirbeldichte neue Beziehungen hervor, die in den nachfolgenden Kapiteln Verwendung finden. Die zwischen Platte und Membranschale bestehende Analogie ermöglicht eine mechanische Interpretation des Kraftflusses und erlaubt, den Unterschied zwischen einem lediglich statisch zulässigen Spannungszustand und dem der elastischen Lösung entsprechenden Spannungszustand aufzuzeigen. Es lässt sich damit zum Beispiel für eine im Zentrum punktgestützte, gleichförmig belastete Quadratplatte zeigen, dass der zur vollständigen Lösung gehörende Kraftfluss ein Wirbelfeld aufweist, während die elastische Lösung aller homogen isotropen, schubstarren Platten wirbelfrei sein muss; die Diskussion über das Einprägen von Wirbeln im Querkraftfeld sowie deren Verträglichkeit ist damit lanciert. Der Fokus des dritten Teils (Kapitel 4) liegt auf dem mit geraden Diskontinuitätslinien verträglichen Kraftfluss. Hierbei gelingt bezüglich der in Kapitel 3.3 formulierten Fragestellung, ob und wie Wirbelfelder überhaupt bestehen, mittels eines Analogieschlusses zur Fluidmechanik eine erste Klärung in Form einer mechanischen Modellvorstellung. Die Frage nach der plastischen Verträglichkeit von statischen Diskontinuitätslinien wird dabei mit einer neuartigen, um die Verträglichkeit erweiterten Darstellung von Mohrschen Kreisen beantwortet, welche in der vorliegenden Abhandlung die Schlüsselkonstruktion darstellt. Damit gelingt der Übergang zur kinematischen Diskontinuitätslinie samt Klärung des daran möglichen Kraftflusses. Im vierten Teil (Kapitel 5) wird die Untersuchung des Kraftflusses auf Basis der in den Kapiteln 3 und 4 gewonnenen Erkenntnisse insbesondere mit Hilfe der erweiterten Darstellung der Mohrschen Kreise auf Schnittpunkte von Diskontinuitätslinien (Ecken), Fächer, Fliessregionen und Plattensegmente ausgedehnt. Dies ermöglicht unter Einbezug der Verträglichkeit eine abschliessende Klärung bezüglich der aus der Literatur bekannten Knotenkräfte (nodal forces). Die Erweiterung der Konstruktion um den Mohrschen Kreis des negativen Biegewiderstands führt für gerade verlaufende kinematische Diskontinuitätslinien auf die vollständige Lösung von allgemeinen Fächern, und ermöglicht mit der Auflösung der geometrischen Restriktion die Beschreibung von Fliessregionen. Die Diskussion des Kraftflusses wird mit der Entwicklung des zur vollständigen Lösung gehörenden Spannungszustandes zweier Plattensegmente abgeschlossen. Der letzte Teil (Kapitel 6) illustriert an drei ausgewählten Plattenbeispielen die Ermittlung der vollständigen Lösung mittels einfacher Handrechnungen. Die drei Beispiele unterscheiden sich sowohl in der Grundrissform als auch in der Bewehrungsführung. 3 Einleitung 1.4 Abgrenzung Die in der vorliegenden Abhandlung gewonnenen Erkenntnisse gründen auf der NormalmomentenFliessbedingung [64, 79, 95]. Hierbei sind die Plattenmomente als verallgemeinerte Schnittgrössen zu verstehen. Effekte wie die Verschiebung der Neutralachse im gerissenen Zustand oder unterschiedliche, durch orthotrope Bewehrung hervorgerufene Dicken der Druckzonen sind der verfeinerten Modellvorstellung des Sandwichmodells [45, 46] zuzuordnen und finden hier keine Berücksichtigung. Die Traglast wird gemäss Plastizitätstheorie nach Theorie 1. Ordnung bestimmt. Beanspruchungen nach Theorie 2. Ordnung, wie beispielsweise Membranspannungszustände oder Dom-Effekte, werden nicht berücksichtigt. Sowohl die Widerstandsüberschätzung der Normalmomenten-Fliessbedingung bei hohen Bewehrungsgehalten und reiner Drillmomentenbeanspruchung [64, 43] wie auch der begrenzte Schubwiderstand von Stahlbetonplatten [23] finden hier ebenfalls keine Berücksichtigung. 4 2 Stahlbetonplatten: Grundlagen 2.1 Thermomechanische Grundlagen 2.1.1 Einleitung Die für die nachfolgenden Ausführungen zu den Stahlbetonplatten notwendigen thermomechanischen Grundlagen werden in kompakter Form hergeleitet. Damit lässt sich, ohne Abstriche beim axiomatischen Aufbau vornehmen zu müssen, auf die unabdingbaren Definitionen hinweisen. Ausgehend von einem euklidischen Raum sowie der Definition des Dehnungsmasses lassen sich für ein infinitesimales Volumenelement eines beliebigen Körpers die Verformungen (resultierend aus der Differenz von der unverformten zur verformten Lage) mit den Verzerrungen in Form von kinematischen Relationen verknüpfen. Die Anwendung des Impulssatzes auf das Volumenelement führt ferner auf die infinitesimale Gleichgewichtsbedingung in Richtung der drei Koordinatenachsen; die Anwendung des Drallsatzes führt auf die Symmetrie des Spannungstensors. Für ein statisches System mit vorgegebenen Randbedingungen lässt sich durch Erfüllen der kinematischen Relationen ein kinematisch zulässiger Verformungszustand beziehungsweise durch Erfüllen der statischen Gleichgewichtsbedingungen ein statisch zulässiger Spannungszustand angeben. Aus diesen, im Allgemeinen voneinander unabhängigen Zuständen kann mittels skalarer Multiplikation und nachfolgenden Umformungen das Prinzip der virtuellen Arbeiten beziehungsweise unter Verwendung der zeitlichen Ableitung des Verformungszustandes das Prinzip der virtuellen Leistungen gewonnen werden. Dabei lässt sich zeigen, dass das Prinzip der virtuellen Arbeiten nur unter Voraussetzung infinitesimaler Verformungen und somit nach Theorie 1. Ordnung gilt, das Prinzip der virtuellen Leistungen hingegen auch für grosse Verschiebungen Gültigkeit hat. Die Stärke der beiden Prinzipien liegt in der Verwendung von für sich einzeln zulässigen Zuständen, welche miteinander nicht zwingend verträglich sein müssen; es ermöglicht eine materialunabhängige Beschreibung. Fasst man die Spannungen als geometrische Grössen im sechsdimensionalen Raum auf, so vereinen die beiden Prinzipien die Kinematik mit der Statik als reine Geometrie der Verformungen und Spannungen. Die Verträglichkeit von Spannungen und Verformungsgrössen hängt von der Charakterisierung des Werkstoffverhaltens ab. In einem geschlossenen System bleibt gemäss den thermodynamischen Hauptsätzen die Energie über die Zeit konstant, und die Entropierate strebt ein Maximum an. Die innere Energie Ui stellt als thermodynamisches Potential die Summe aus der mechanischen und der thermischen Energie dar. Daraus lassen sich mittels Legendre-Transformation die drei weiteren thermodynamischen Potentiale in Form der Helmholtzschen Freien Energie Fi, der Gibbssschen Freien Energie Gi sowie der Enthalpie Hi ableiten, wobei durch die Transformationen kein neuer Informationsgehalt gewonnen wird; der vorhandene Zustand lässt sich lediglich in Funktion anderer Variablen beschreiben. 5 Stahlbetonplatten: Grundlagen Der irreversible Anteil der Entropierate entspricht der Dissipationsleistung Di, womit sich das Maximalprinzip der Entropierate auf die Dissipationsleistung überträgt; die Dissipationsleistung Di strebt demzufolge ebenfalls ein Maximum an. Sie lässt sich unter Ausschluss von viskosen Vorgängen mit einem ratenunabhängigen Modell beschreiben, womit die Orthogonalität des generalisierten Spannungstensors g zur Fläche Di = const gegeben ist. Unter diesen beiden Voraussetzungen lässt sich das plastische Potential mit Hilfe der Legendre-Transformation als duales Potential zur Dissipationsleistung herleiten und damit thermodynamisch begründen. Ebenso können für ein elastisch-plastisch entkoppeltes Materialverhalten die Formänderungsenergie und die komplementäre Formänderungsenergie durch eine Legendre-Transformation miteinander in Beziehung gebracht werden. Letztendlich ist festzuhalten, dass sich die Kontinuumsmechanik beginnend mit der Geometrie, unter Einbezug des Impuls- und Drallsatzes sowie der thermodynamischen Hauptsätze axiomatisch aufbauen lässt. Das heisst, dass Kontinuumsmechanik nicht ohne Thermodynamik betrieben werden kann, und eine Thermodynamik, die diesen Namen verdient, kommt nicht ohne Kontinuumsmechanik aus [102]. Sie stellt damit das Fundament sowohl der Hyperelastizität als auch der Hyperplastizität dar; für Letztere lassen sich die Grenzwertsätze, der Verträglichkeitssatz und der Einspielsatz ableiten. 2.1.2 Prinzip der virtuellen Leistungen Die Herleitung basiert auf der Tragwerkstheorie 1. Ordnung. Das heisst, dass infinitesimale Verformungen den Spannungstensor nicht beeinflussen, womit die Gleichgewichtsbedingungen am unverformten infinitesimalen Volumenelement formuliert werden dürfen. Wie nachfolgend gezeigt wird, muss damit für ein gegebenes statisches System sowohl die gesamte verrichtete Leistung gemäss dem Prinzip der virtuellen Leistungen als auch die gesamte verrichtete Arbeit gemäss dem Prinzip der virtuellen Arbeiten verschwinden. Als Ausgangslage stellen hierbei beliebig wählbare statisch zulässige Spannungszustände und kinematisch zulässige Verformungszustände beziehungsweise deren zeitliche Ableitung in Form von kinematisch zulässigen Geschwindigkeitszuständen dar. Ein kinematisch zulässiger Verformungszustand nach Theorie 1. Ordnung liegt vor, falls alle materiellen Punkte des statischen Systems die kinematischen Relationen in Funktion des CauchyVerzerrungstensors die Beziehung ij 12 ui , j u j ,i 0 (2.1) erfüllen und auf dem Bereich Su der Oberfläche S gemäss u u0 0 auf Su (2.2) die Verformungen den eingeprägten Grössen entsprechen, siehe Bild 2.1 (a). Der dazugehörige kinematisch zulässige Geschwindigkeitszustand lässt sich mit Hilfe der zeitlichen Ableitung aus (2.1) und (2.2) gewinnen. Die Anwendung des Drallsatzes auf das infinitesimale Volumenelement führt dazu, dass der Cauchy-Spannungstensor auch unter Einbezug von grossen Verschiebungen und somit nach Theorie 3. Ordnung gemäss T (2.3) symmetrisch sein muss. Diese Eigenschaft lässt sich für die Betrachtung nach Theorie 1. Ordnung am unverformten infinitesimalen Volumenelement in Bild 2.1 (b) grafisch leicht ablesen. Mit dem 6 Thermomechanische Grundlagen Infinitesimales Volumenelement: (a) kinematische Relationen; (b) Symmetrie des Spannungstensors. Bild 2.1: symmetrischen Spannungstensor folgt aus dem Impulssatz die am infinitesimalen Volumenelement formulierte Gleichgewichtsbedingung div x q a 0 (2.4) in differentieller Form. Ein statisch (dynamisch) zulässiger Spannungszustand herrscht somit vor, falls für alle materiellen Punkte die Beziehung (2.4) gilt und gleichzeitig im Bereich St der Oberfläche S die Beziehung n t0 0 (2.5) mit den eingeprägten Spannungen t0 erfüllt wird. Multipliziert man sowohl (2.4) als auch (2.5) skalar mit einem vorerst kinematisch nicht zulässigen Geschwindigkeitszustand v(2) = u (2) , so muss unter der Voraussetzung eines statisch zulässigen Spannungszustandes das bestimmte Integral über den Körper beziehungsweise über die Oberfläche gemäss div x q 0 a u (2) dV V n t 0 u (2) dS 0 (2.6) St verschwinden. Das Skalarprodukt aus dem ersten Term mit dem virtuellen Geschwindigkeitszustand v(2) lässt sich mit Hilfe der partiellen Differentiation div x u div x u (2.7) und anschliessendem Anwenden des Divergenztheorems in (2.6) zum Prinzip der virtuellen Leistungen dV V q V 0 a u dV t St 0 u dS t u 0 dS 0 (2.8) Su umformen, wobei mit dem letzten Rechenschritt (2.7) der Geschwindigkeitszustand nun kinematisch zulässig zu sein braucht. Dies wird in Gleichung (2.8) mit dem Zeiger symbolisiert; der Zeiger markiert die Zugehörigkeit zu einem statisch (dynamisch) zulässigen Spannungszustand. 7 Stahlbetonplatten: Grundlagen Ebenso liesse sich die Beziehung (2.8) durch skalare Multiplikation eines kinematisch zulässigen Geschwindigkeitszustandes mit einem vorerst statisch (dynamisch) nicht zulässigen Spannungszustand erreichen, sofern die analogen Rechenschritte sowie die Einschränkung der statischen (dynamischen) Zulässigkeit angewendet werden. Es ist hier noch anzumerken, dass in der vorliegenden Abhandlung die von Schade vorgeschlagene Symbolschreibweise Verwendung findet; das Symbolzeichen stellt das doppelte Skalarprodukt dar [81]. Das daraus resultierende Prinzip der virtuellen Leistungen (2.8) gilt wie bereits eingangs erwähnt auch für grosse Verschiebungen. Dabei sind je nach Darstellungsart (Euler- respektive Lagrange-Darstellung) der erste beziehungsweise der zweite Piola-Kirchhoff-Spannungstensor sowie die zeitliche Ableitung des Euler-Almansi- beziehungsweise des Green-Lagrange-Verzerrungstensors zu verwenden. In dieser allgemeinsten Form kann das Prinzip der virtuellen Arbeiten nicht aufgestellt werden. Es lässt sich jedoch zeigen, dass die zu (2.8) analoge Beziehung dV q 0 u dV V V t 0 u d S St t u 0 dS 0 (2.9) Su für Verformungen nach Theorie 1. Ordnung gilt. 2.1.3 Thermodynamische Grundlagen Durch Verknüpfen des Prinzips der virtuellen Leistungen (2.8) mit den beiden Hauptsätzen der Thermodynamik lässt sich der zweite thermodynamische Hauptsatz in der sogenannten ClausiusPlanck-Ungleichung formulieren, welche nachfolgend die Grundlage zur Herleitung von thermodynamisch konsistenten Materialmodellen bilden wird. Ausgangslage ist dabei die Beziehung (2.8), welche sich in Form von Leistungen folgendermassen zusammenfassen lässt: Pint T Pext (2.10) Hierbei stellen Pint die Leistung der inneren mechanischen Arbeit und T die zeitliche Ableitung der kinetischen Energie T 1 2 v 2 dV dar, welche zusammen im dynamischen Gleichgewicht mit der Leistung Pext der äusseren Arbeit zu stehen haben. Um Thermodynamik betreiben zu können, ist die Bilanzierung (2.10) um die thermische Leistung zu erweitern, welche sich in Analogie zur Leistung der äusseren Arbeit Pext q 0 u dV V t 0 St u dS t u 0 dS (2.11) Su und unter Verwendung der infinitesimalen, räumlichen Wärmequelle r sowie des sogenannten Cauchy-Wärmeflusses q t wie folgt aufstellen lässt: Q r dV V 8 q S t n dS (2.12) Thermomechanische Grundlagen Die Leistung der inneren mechanischen Arbeit Pint sowie die thermische Leistung (2.12) lassen sich gemäss U Pint Q (2.13) als zeitliche Änderung der inneren Energie U in globaler Form zusammenfassen und mit Hilfe des Divergenztheorems in lokaler Form gemäss U i div q t r (2.14) ausdrücken. Aus (2.10) und (2.13) folgt mit U T Pext Q (2.15) der erste Hauptsatz der Thermodynamik, welcher besagt, dass die einem System zugeführte mechanische und thermische Leistung (Pext + Q) im dynamischen Gleichgewicht mit der zeitlichen Ableitung der inneren und der kinetischen Energie (U + T) stehen muss. Durch Einführen der Entropie S dV (2.16) V in globaler Form lässt sich der zweite Hauptsatz der Thermodynamik wie folgt aufstellen: S S r r dV V h ndS (2.17) S Dieser besagt, dass die totale Entropieleistung S grösser gleich der reversiblen Entropieleistung S r sein muss, die sich wiederum affin zu (2.12) verhält. Die daraus resultierende Differenz entspricht der irreversiblen Entropieleistung D S S r 0 (2.18) welche mit der Dissipationsleistung in globaler Form gleichzusetzen ist. Durch Einsetzen von (2.18) und (2.17) in (2.14) folgt in lokaler Form Di U i 0 (2.19) der zweite Hauptsatz der Thermodynamik in Form der sogenannten Clausius-Planck Ungleichung. 9 Stahlbetonplatten: Grundlagen Ausser den beiden Hauptsätzen der Thermodynamik müssen noch die thermodynamischen Potentiale hergeleitet werden, um die Aufteilung der Energieformen insbesondere bei der Hyperplastizität verständlich zu machen. Das zentrale mathematische Werkzeug stellt hierbei die Legendre-Transformation dar, welche die Beschreibung einer Potentialfunktion als Umhüllende ihrer Tangenten ermöglicht. Zwei Potentiale können damit durch eine Variablentransformation miteinander in Beziehung gebracht werden. Ausgehend von der inneren Energie Ui als Funktion des Verzerrungstensors sowie der Entropie folgt aus (2.19) mit verschwindender Dissipationleistung unter Anwendung der Kettenregel U i 0 U i (2.20) Das heisst, dass sowohl der Spannungstensor als auch die absolute Temperatur den auf die innere Energie Ui angewendeten Gradienten entsprechen. Mit Hilfe der Legendre-Transformation lassen sich nun die zu (2.20) dualen Gradienten und Potentiale finden. Für einen isochoren Zustand folgt aus dem zweiten Klammerausdruck in (2.20) die nach Helmholtz benannte freie Energie Fi U i (2.21) mit dem dazugehörenden dualen Gradienten Fi (2.22) Analog folgt aus dem ersten Klammerausdruck für einen isentropen Zustand die Enthalpie H i U i (2.23) mit dem dazugehörenden dualen Gradienten H i (2.24) Die freie Energie Fi ist neben der absoluten Temperatur auch eine Funktion des Verzerrungstensors , womit sich für einen isothermen Zustand mit dem Gradienten grad F das letzte thermodynamische Potential in Form der Gibbsschen freien Energie Gi Fi (2.25) mit dem dazugehörenden dualen Gradienten Gi (2.26) finden lässt. Dieses kann ebenso für einen isobaren Zustand mit Hilfe des Gradienten grad H i gemäss Gi H i (2.27) gefunden werden. Die vier thermodynamischen Potential und ihre Verknüpfungen sind in Bild 2.2 zusammengetragen, welches der Publikation [6] entnommen ist. Die noch ausstehende mechanische Bedeutung wird in Kapitel 2.1.4 nachgeliefert. 10 Thermomechanische Grundlagen ! Bild 2.2: ! Übersicht der thermodynamischen Potentiale und deren Verknüpfung durch die Legendre-Transformation: Innere Energie, Helmholtzsche freie Energie, Gibbssche freie Energie und Enthalpie. Mit Hilfe der Legendre-Transformation (2.21) lässt sich die Clausius-Planck-Ungleichung (2.19) in die äquivalente Form 0 Di Fi (2.28) bringen, welche insbesondere für Prozesse mit konstanter absoluter Temperatur ihre Vorzüge offenbart. Somit stehen mit den beiden aufgestellten Hauptsätzen der Thermodynamik gemäss (2.15) und (2.17) in globaler Form beziehungsweise gemäss (2.14) und (2.19) in lokaler Form sowie mit den in Bild 2.2 dargestellten thermodynamischen Potentialen die Grundlagen zur Herleitung von thermodynamisch konsistenten Werkstoffmodellen bereit. 11 Stahlbetonplatten: Grundlagen 2.1.4 Plastizitätstheorie Die Plastizitätstheorie entwickelte sich historisch bedingt ausgehend von der Definition des Fliesskriteriums [93], der plastischen Spannungs-Dehnungsbeziehung [85] sowie dem Postulat zur Fliessbedingung [54] und deren Verallgemeinerung [70] auf Basis des Spannungszustands in Form des plastischen Potentials. Darauf aufbauend erfolgten die weiteren entscheidenden Arbeiten wie beispielsweise diejenigen von Drucker [7, 8, 9] und Prager [69], welche zur weit ausgebauten Theorie führten. Ziegler versuchte in mehreren Arbeiten die infolge des eingeschlagenen Weges des Postulats vom plastischen Potential fehlende Anknüpfung an die thermodynamischen Hauptsätze mit dem nach ihm benannten Orthogonalitätsprinzip zu schliessen [99, 100, 101]. Dies lässt sich aus heutiger Sicht mit Hilfe der Legendre-Transformation, welche beide Orthogonalitätsbeziehungen in sich vereint, leicht bewerkstelligen. Es lässt sich damit der umgekehrte Weg über die Dissipationsleistung begehen, wodurch das plastische Potential an den thermodynamischen Hauptsätzen angebunden werden kann. Unter Ausschluss von viskosen Vorgängen definiert sich die Dissipationsleistung wie folgt: Di , g (2.29) Sie stellt dabei vorerst eine Funktion des generalisierten Spannungstensors g sowie der inneren Variable (beziehungsweise deren zeitlichen Ableitung) dar, die als Verallgemeinerung des plastischen Verzerrungsinkrements zu verstehen ist; sie wird in der Folge vereinfachend so benannt. Der auf die Dissipationsleistung angewendete Gradient ist unabhängig vom plastischen Verzerrungsinkrement, was (allgemein anerkannt) als ratenunabhängige Dissipationsleistung bezeichnet wird. Die Dissipationsleistung stellt demzufolge bezüglich des plastischen Verzerrungsinkrements aus mathematischer Sicht eine Funktion erster Ordnung dar und lässt sich mit Hilfe des Satzes von Euler gemäss Di , Di (2.30) ausdrücken. Der Vergleich von (2.29) und (2.30) führt auf die Orthogonalitätsbeziehung g Di 0 (2.31) wonach der generalisierte Spannungstensor g senkrecht auf der Fläche Di = const steht, vergleiche Bild 2.3 (a). Die Gegenüberstellung von (2.29) und (2.31) mit den thermodynamischen Potentialen sowie den dazugehörenden Gradienten in Kapitel 2.1.3 lässt erahnen, dass durch die Legendre-Transformation ein zur Dissipationsleistung Di duales Potential gegeben sein muss. Dies lässt sich leicht bewerkstelligen, indem die Beziehung (2.29) um die skalierte Fliessbedingung Y = 0 gemäss Y g , g Di , (2.32) erweitert wird. Daraus ergibt sich der zu (2.31) duale Gradient Y g (2.33) in Form des zur Fliessbedingung assoziierten Fliessgesetzes; die Variable ist dabei ein nicht negativer Skalar mit der Einheit Geschwindigkeit. Die unabhängig bereits in [6] formulierte Beziehung (2.32) lässt sich mit Bild 2.3 (b) grafisch in Form einer Potentialfunktion darstellen. Dabei ist klar 12 Thermomechanische Grundlagen ersichtlich, dass die Legendre-Transformation infolge der Fliessbedingung Y = 0 nur in eine Richtung eindeutigen Charakter aufweisen kann; sie ist im vorliegenden Fall dementsprechend eindeutig (bei der Hyperelastizität liegt ein eineindeutiger Charakter vor, siehe hierzu Bild 2.5 sowie Beziehung (2.49)). Dies soll zunächst am Beispiel der in Bild 2.3 (c) dargestellten Mohrschen Hüllkurve demonstriert werden. Mohr postulierte aus rein gedanklichen Erwägungen das plastische Potential als Hüllkurve aller Grenzspannungskreise, was der aus den Stützebenen in Form einer Tangentenschar resultierenden minimalen Begrenzung gleichkommt [56, 94]. Sie stellt damit eine Verallgemeinerung der nach Coulomb benannten Fliessbedingung dar. Beispielsweise lässt sich das Verhalten des Betons als quasi-isotroper Werkstoff mit einer modifizierten Fliessbedingung nach Coulomb und dementsprechend mit einer Mohrschen Hüllkurve beschreiben [4]. Anstelle der üblicherweise direkten Beschreibung der Fliessbedingung soll nun der Weg über die Dissipationsleistung (2.30) sowie der damit verbundenen Legendre-Transformation (2.32) beschritten werden. Mit den in Bild 2.3 (c) dargestellten vektoriellen Grössen , pl,nn pl , pl,nt sin n cos (2.34) sowie dem Skalar pl lässt sich das plastische Verzerrungsinkrement pl n (2.35) in Funktion des dazugehörigen Einheitsvektors angeben. Wie Marti zeigte, lässt sich die spezifische Dissipationsleistung D pl pl cos c (2.36) direkt aus Bild 2.3 (c) ablesen [43]; sie bildet damit die Ausgangsbeziehung für die nachfolgende Herleitung. Durch Einsetzen in der Legendre-Transformation (2.32) folgt zunächst in einer transformierten Betrachtung die Fliessbedingung Y pl cos c sin cos cos c (2.37) welche sich durch Ausklammern der Kosinusfunktion auf die allgemein bekannte Form Y cos tan c (2.38) überführen lässt. Sie ist damit thermodynamisch begründet. Interessant scheint dabei, dass die Fliessbedingung (2.38) ebenfalls eine Legendre-Transformation in Abhängigkeit der Normalspannung sowie des Reibungswinkels darstellt und durch ihre Konvexität eineindeutigen Charakter aufweist. Abschliessend ist erstens festzuhalten, dass durch Vorgabe der Dissipationsleistung das plastische Potential gegeben ist; es lässt sich damit thermodynamisch begründen. Zweitens sind die beiden in Bild 2.3 (a) dargestellten Orthogonalitätsbeziehungen (2.31) und (2.33) in der LegendreTransformation vereint; sie stellen das Orthogonalitätsprinzip nach Ziegler dar [101]. Ferner folgt aus (2.19) beziehungsweise aus (2.29), dass die Fliessbedingung (plastisches Potential) bezogen auf den Spannungsraum eine konvexe Figur darstellen muss; sie kann hierbei auch schwach konvexe Bereiche aufweisen. 13 Stahlbetonplatten: Grundlagen Der zweite thermodynamische Hauptsatz lässt sich mit (2.30) zu den beiden folgenden Beziehungen umformulieren: U i 0 Di U i U i F F D F 0 i i i i (2.39) (2.40) Dabei bestätigen jeweils der erste und letzte Klammerausdruck die bereits hergeleiteten Gradienten. Hingegen ist durch die zusätzliche innere Variable der jeweils mittlere Klammerausdruck neu, was mit der Beziehung (2.31) auf die Identität g Di U F i i (2.41) führt. Die Dissipationsleistung Di liesse sich ferner gemäss Dˆ Di , Dˆ i i (2.42) als zeitliche Ableitung einer integralen Dissipation Dˆ i auffassen, woraus sich mit der Kettenregel die zweite Identität von (2.42) ergibt. Bei dieser neuen Betrachtungsweise ist Vorsicht geboten, da mit (2.42) beispielsweise eine zyklische Belastungsgeschichte nicht erfasst werden kann. Sie lässt sich demzufolge nur für initial dissipationsfreie Tragsysteme verwenden, welche eine monotone Laststeigerung erfahren. Nichtsdestotrotz lässt sich unter Verwendung von (2.42) die Identität (2.41) wie folgt erweitern: g Di Dˆ i U i (2.43) Der generalisierte Spannungstensor g entspricht somit dem auf die Dissipationsleistung Di, auf die integrale Dissipation Dˆ i sowie auf die innere Energie Ui angewendeten Gradienten, wobei im letzten Fall der Gradient in entgegengesetzte Richtung zeigt. Dies lässt sich anhand der grafischen Darstellung in Bild 2.3 (a) wie folgt thermodynamisch interpretieren: Sowohl der generalisierte Spannungs- als auch der plastische Verzerrungstensor lassen sich in einem sechsdimensionalen euklidschen Raum als Vektoren auffassen und dementsprechend darstellen. Die zeitliche Änderung des plastischen Verzerrungstensors lässt sich mittels Bahnkurve erfassen, deren Tangente für einen bestimmten Zeitpunkt t gerade in Richtung des plastischen Verzerrungsinkrements zeigt. Beim Fortschreiten des Belastungsvorgangs muss die von aussen eingebrachte Leistung bei vernachlässigbaren d‘Alembertschen Trägheitskräften als innere Energie Ui aufgenommen werden, wovon die erste Identität in (2.43) den Anteil der Dissipationsleistung Di anzeigt. Die letzte Identität zeigt dagegen den irreversiblen Entropievorgang an. Das heisst, dass nur derjenige Anteil der inneren Energie Ui dissipiert, woraus effektiv plastische Verzerrungen resultieren. Das von Ziegler postulierte Orthogonalitätsprinzip ist somit um die letzte Identität in (2.43) zu erweitern. 14 Thermomechanische Grundlagen Bild 2.3: Hyperplastizität: (a) Orthogonalitätsbeziehungen; (b) Legendre-Transformation zwischen der Dissipationsleistung und dem plastischen Potential; (c) Anwendung auf die Mohrsche Hüllkurve. Die mit (2.32) hergeleitete Fliessbedingung lässt sich weiter direkt im zweiten thermodynamischen Hauptsatz (2.28) einsetzen, woraus sich mit den Identitäten grad Fi 0 und grad Fi 0 die zusätzliche Beziehung F Y g , g i (2.44) für die Fliessbedingung ergibt. (2.44) weist dabei Ähnlichkeit zu der in den Arbeiten von Lubliner thermodynamisch begründeten Fliessbedingung auf, obschon deren Herleitung ohne Verwendung der Legendre-Transformation auskommt [38, 39]. Dabei ist interessant, dass die dort gefundene Form beispielsweise die Beschreibung sowohl des Schmidschen Schubspannungsgesetzes als auch der von Mises-Fliessbedingung einschliesst [38]. Aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik in Form der Clausius-Planck-Ungleichung (2.19) wird bereits ersichtlich, dass durch Vorgabe eines thermodynamischen Potentials, beispielsweise durch Vorgabe der inneren Energie Ui sowie der Dissipationsleistung Di, das Werkstoffverhalten eindeutig gegeben ist. 15 Stahlbetonplatten: Grundlagen Bild 2.4: Elastisch-plastisch entkoppelbares Werkstoffverhalten: (a) Spannungs-Dehnungsdiagramm; (b) Separiertes, elastisches Werkstoffverhalten; (c) Separiertes, plastisches Werkstoffverhalten; (d) Darstellung der thermodynamischen Potentiale bei kinematischer Verfestigung; (e) Darstellung der thermodynamischen Potentiale bei isotroper Verfestigung. Anstelle der inneren Energie Ui kann auch die Gibbssche freie Enthalpie Gi verwendet werden, welche sich für einen grossen Anwendungsbereich von Werkstoffmodellen in Funktion von drei Anteilen gemäss Gi , Gi1 Gi 2 (2.45) anschreiben lässt [6, 74]. Ist eine Entkopplung des elastischen vom plastischen Verhalten gemäss el pl möglich, kann die innere Variable dem plastischen Verzerrungstensor pl gleichgesetzt werden, siehe Bild 2.3 (a). Die freie Energie lässt sich damit gemäss Fi , pl , Fi1 pl Fi 2 pl (2.46) in zwei Anteile aufspalten, woraus sich unter Verwendung der Legendre-Transformation (2.25) die Beziehung Fi1 pl Gi1 el Fi 2 pl Gi 2 pl ergibt. 16 (2.47) Thermomechanische Grundlagen Bild 2.5: Lineare Hyperelastizität: (a) Lineares Spannungs-Dehnungsdiagramm; (b) Darstellung der Verformungsenergie sowie der dazu komplementären Verformungsenergie ; (c) Legendre-Transformation der Hyperelastizität. Die linke Seite von (2.47) beschreibt das von den plastischen Verzerrungen entkoppelte elastische Verhalten, siehe hierzu Bild 2.4 (b). Die beiden darin enthaltenen Teilpotentiale müssen der Verformungsenergie Fi1 el el und der dazu komplementären Verformungsenergie Gi1 entsprechen. Das Erstgenannte ist für rein elastisches Verhalten direkt aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik (2.19) beziehungsweise (2.28) ersichtlich, wobei sich mit der per Definition verschwindenden Dissipationsleistung gemäss Di = 0 die zueinander äquivalenten Gradienten gemäss U i Fi (2.48) ergeben. Die thermodynamischen Potentiale Ui und Fi sind dann gerade der Verformungsenergie gleichzusetzen, woraus sich wiederum mit der Legendre-Transformation das dazu duale Potential el el (2.49) in Form der komplementären Verformungsenergie gewinnen lässt. Mit dem letzten Schritt ist das elastische Verhalten thermodynamisch begründet; es wird deshalb Hyperelastizität genannt. Im Gegensatz zu (2.32) weist die Legendre-Transformation (2.49) nun eindeutigen Charakter auf. Im Fall der in den Bildern 2.5 (a) und (b) dargestellten linearen Hyperelastizität folgt aus (2.49) die Darstellung in Bild 2.5 (c), wonach die aus der Tangentenschar resultierende Umhüllende gerade der Potentialfunktion in Form der Verformungsenergie entspricht. Die beiden Terme auf der rechten Seite von (2.47) kommen erst bei plastischen Verzerrungen zum Tragen. Sie entsprechen der freien Energie Fi2, welche im Fall von kinematischer Verfestigung bei monotoner Belastung als reversibler Anteil im Werkstoff gespeichert bleibt und erst bei entgegengesetzter Belastung frei werden kann, siehe hierzu die Bilder 2.4 (a) - (d). Im Fall von isotroper Verfestigung entsprechen diese Anteile Null, wie dies aus den Bildern 2.4 (a), (b) (c) und (e) ersichtlich wird. 17 Stahlbetonplatten: Grundlagen Die vollständige Entkopplung des elastischen vom plastischen Werkstoffverhalten ermöglicht ferner die Beschreibung der thermodynamischen Potentiale als Funktionen von el und pl , was die Anbindung sowohl der Hyperelastizität als auch der Hyperplastizität an den zweiten thermodynamischen Hauptsatz (2.28) gemäss 0 Di el pl Fi el , pl , (2.50) F D F 0 i el i i pl el pl pl (2.51) in getrennter Form verdeutlicht. Die beiden daraus resultierenden Klammerausdrücke stellen jeweils den Ausgangsgradient für die Legendre-Transformation sowohl der Hyperelastizität (2.49) als auch der Hyperplastizität (2.32) dar. Der Anteil der freien Energie Fi im plastischen Bereich widerspiegelt den reversiblen Anteil im Fall von kinematischer Verfestigung gemäss g , siehe hierzu die Bilder 2.4 (a) - (d). Bei isotroper Verfestigung entfällt dieser Anteil, die Fliessspannung entspricht g und steigt mit zunehmenden plastischen Verzerrungen an, siehe hierzu die Bilder 2.4 (a) - (c) und (e). Bei ideal plastischem Werkstoffverhalten bleibt dagegen die Fliessspannung über die plastischen Verzerrungen gemäss g const konstant. Für das letztgenannte Werkstoffverhalten werden in den Kapiteln 2.1.5 und 2.1.6 sowohl die Grenzwertsätze als auch der Verträglichkeitssatz und der Einspielsatz hergeleitet, welche mit der Übertragung auf die verallgemeinerten Grössen in Form von Plattenmomenten die Grundlage für die vorliegende Abhandlung bilden. Abschliessend lässt sich anhand der Darstellungen in Bild 2.4 die noch aus Kapitel 2.1.3 offenstehende Deutung der verschiedenen thermodynamischen Potentiale vollziehen. Die innere Energie Ui stellt gemäss (2.21) die Summe aus der Helmholtzschen freien Energie Fi und dem Produkt aus der Entropie mit der absoluten Temperatur dar. Dabei weist die freie Energie reversiblen Charakter auf und besteht im Fall der kinematischen Verfestigung aus zwei Anteilen. Bei einer vollständigen Entlastung wird der erste Anteil freigesetzt; der zweite Anteil bleibt gespeichert und kann erst mittels Umkehrung der Belastungsrichtung wieder gewonnen werden. Beim plastischen Vorgang wird der entsprechende Anteil der inneren Energie Ui gemäss der letzten Identität in (2.43) in Form von Wärme irreversibel dissipiert, die jedoch vorerst im Werkstoff enthalten bleibt. Der Werkstoff erwärmt sich. Die Gibbssche freie Enthalpie Gi stellt als komplementäres Potential zur freien Energie Fi diejenige Energie dar, welche für die Erschaffung eines Systems aus dessen Grundbestandteilen benötigt wird [86]. Beispielsweise entfallen für einen spröden Werkstoff die Anteile Gi2 und Gi 3 in der entsprechenden freien Enthalpie Gi; er wiese damit kein Potential für plastische Verzerrungen auf. Die effektiv vorhandene Gibbssche freie Enthalpie Gi lässt sich somit als Mass für die Duktilität beziehungsweise mit der Übertragung auf Bauteile als verallgemeinertes Mass für das Verformungsvermögen auffassen. Schliesslich ist die Enthalpie Hi zu erwähnen, deren Änderung gemäss (2.23) der Summe aus der Änderung der inneren Energie Ui sowie der Ausdehnungsarbeit bei konstantem Druck entspricht [86]. 18 Thermomechanische Grundlagen 2.1.5 Herleitung der Grenzwertsätze Die Dissipationsleistung (2.29) stellt mit der Darstellung des plastischen Potentials im Spannungsraum das Produkt zweier aufeinander projizierter Vektoren dar, woraus sich wegen der Konvexität der Fliessfigur und dem dazu orthogonal stehenden plastischen Verzerrungsinkrement das Prinzip der maximalen Dissipationsleistung u u 0 (2.52) ergibt, siehe Bild 2.6 (a). Hierbei muss die Dissipationsleistung Di des verträglichen Zustands (sowohl u als auch u gehören den zulässigen Zuständen der vollständigen Lösung an) grösser gleich der Dissipationsleistung resultierend aus dem Spannungstensor * und dem plastischen Verzerrungsinkrement u ausfallen, wobei der Spannungstensor * einem statisch zulässigen Spannungszustand des aplastischen Bereichs entspricht. Diese Überlegungen lassen sich auf die Variablen eines zu einem kinematisch zulässigen Verformungszustand gehörenden plastischen Verzerrungsinkrements k sowie dem dazu verträglichen, jedoch zu keinem statisch zulässigen Spannungszustand gehörenden Spannungstensor k und dem zur vollständigen Lösung gehörenden Spannungstensor u übertragen. Daraus ergibt sich gemäss k u k 0 (2.53) dass die auf dem kinematischen Verformungszustand basierende Dissipationsleistung grösser gleich der, der vollständigen Lösung entsprechenden Dissipationsleistung sein muss. Die Beziehung (2.53) liesse sich damit in Analogie zu (2.52) als Prinzip der minimalen Dissipationsleistung benennen. Die beiden Beziehungen (2.52) und (2.53) sowie das Prinzip der virtuellen Leistungen (2.8) stellen die Grundlage für die Herleitung der beiden Grenzwertsätze dar. Dabei symbolisieren die Zeiger (beziehungsweise s) und k die Zugehörigkeit zu einem statisch zulässigen Spannungszustand beziehungsweise zu einem kinematisch zulässigen Verformungszustand. Der Zeiger 0 steht für die eingeprägten Grössen wie Belastungen und Verformungen beziehungsweise die damit einhergehenden Geschwindigkeiten. Für ein gegebenes statisches System basiert der untere Grenzwertsatz auf einem beliebig wählbaren statisch zulässigen Spannungszustand. Die dazugehörige Belastungsgruppe t s s t 0 , q s s q0 (2.54) lässt sich bei einer starr-plastischen Betrachtung durch den Faktor s dermassen monoton steigern, bis an einem Ort des statischen Systems gerade die Fliessbedingung erfüllt wird. Beim zur Traglast gehörenden statisch zulässigen Spannungszustand endet hingegen die dazu analoge monotone Laststeigerung gemäss t u u t 0 , qu u q0 (2.55) beim Erreichen der Traglast. 19 Stahlbetonplatten: Grundlagen Kombiniert man die zur vollständigen Lösung gehörende zeitliche Ableitung des Verformungszustandes einerseits mit dem dazu nicht verträglichen jedoch für sich statisch zulässigen Spannungszustand des unteren Grenzwertes und anderseits mit dem zur vollständigen Lösung gehörenden Spannungszustand, so lässt sich das Prinzip der virtuellen Leistungen (2.8) gemäss u u dV u q 0 u u dV V V u t 0 u u dS 0 (2.56) s t 0 u u dS 0 (2.57) St beziehungsweise u dV s q 0 u u dV V V St aufstellen. Wie in Kapitel 2.1.2 gezeigt, liegt die Stärke sowohl des Prinzips der virtuellen Leistungen als auch des Prinzips der virtuellen Arbeiten im Kombinieren von beliebigen, miteinander nicht verträglichen Zuständen, welche für sich jedoch einzeln zulässig sein müssen. Aus der Differenz von (2.57) und (2.56) folgt V u u dV u s q 0 u u dV V 0 u t u d S S t (2.58) Der Ausdruck linkerhand muss gemäss Prinzip der maximalen Dissipationsleistung (2.52) grösser gleich Null sein, und der zweite Faktor rechterhand kann aus Stabilitätsgründen nicht negativ ausfallen, woraus letztendlich die Ungleichung u s 0 (2.59) folgt. Das heisst, die aus einem statisch zulässigen, innerhalb des aplastischen Bereichs liegenden Spannungszustand (keine Verletzung der Fliessbedingung) sich ergebende Last ist kleiner gleich der Traglast gemäss der vollständigen Lösung, siehe Bild 2.6 (b). Der obere Grenzwert basiert auf der zeitlichen Ableitung eines beliebig wählbaren, kinematisch zulässigen Verformungszustandes sowie der mit dem Faktor k skalierten Belastungsgruppe t k k t 0 , q s k q0 (2.60) Die gleiche Belastungsgruppe lässt sich mit dem zur Traglast gehörenden Skalierungsfaktor u gemäss t u u t 0 , qu u q 0 (2.61) multiplizieren. Dabei lässt sich für die erste Belastungsgruppe (2.60) kein statisch zulässiger Spannungszustand angegeben, wodurch in der Beschreibung mit dem Prinzip der virtuellen Leistungen gemäss V k k dV k q 0 u k dV V k t 0 u k dS (2.62) St die Leistung der treibenden äusseren Lasten nicht kleiner als die vorhandene Dissipationsleistung sein kann; es liegt ein Mechanismus vor. Kombiniert man die zeitliche Ableitung des zu Beginn beliebig gewählten kinematisch zulässigen Verschiebungszustandes mit dem zur Traglast gehörenden statisch zulässigen Spannungszustand, so gilt gemäss (2.8) u k dV u q 0 u k dV V 20 V St u t 0 u k dS 0 (2.63) Thermomechanische Grundlagen ! " Bild 2.6: Plastizitätstheorie: (a) Plastisches Potential zur Herleitung der Grenzwertsätze; (b) Eingrenzung der Traglast in der Darstellung eines Kraft-Verformungsdiagrammes; (c) Einspielsatz am Beispiel einer einzelnen Belastungsgruppe. Aus der Addition von (2.62) und (2.63) folgt die Ungleichung V k u k dV k u q 0 u k dV V t St 0 u k dS (2.64) wobei der Ausdruck linkerhand gemäss (2.53) sowie der zweite Faktor rechterhand nicht negativ sein können. Daraus folgt mit k u 0 (2.65) dass die nach der kinematischen Methode ermittelte Last grösser gleich der Traglast gemäss der vollständigen Lösung ausfallen muss. 21 Stahlbetonplatten: Grundlagen Die Traglast kann nun mittels der beiden Grenzwertsätze folgend aus (2.59) und (2.65) gemäss s u k (2.66) eingegrenzt werden, wobei sich die Grenzen mit einer besseren Wahl sowohl des statisch zulässigen Spannungszustandes als auch des kinematisch zulässigen Verformungszustandes annähern lassen. Bestenfalls fallen die beiden Grenzen in (2.66) gemäss s u k (2.67) zusammen, wodurch mit dem Vergleich von (2.56), (2.57), (2.62) und (2.63) der gewählte statisch zulässige Spannungszustand k u (2.68) demjenigen der vollständigen Lösung gemäss Plastizitätstheorie entsprechen muss; es liegt somit die vollständige Lösung vor. Demgegenüber lässt sich aus dem Vergleich von (2.62) mit (2.63) keine weitere Aussage betreffend des vorliegenden kinematisch zulässigen Verformungszustandes k machen. Dessen Zugehörigkeit zur vollständigen Lösung kann erst mit Hilfe der Verträglichkeit bestätigt werden, welche im Rahmen des Verträglichkeitssatzes in Kapitel 2.1.6 hergeleitet wird. 2.1.6 Verträglichkeitssatz und Einspielsatz Die Ausgangsbeziehung für die beiden in Kapitel 2.1.5 hergeleiteten Grenzwertsätze ist das Prinzip der virtuellen Leistungen dV q 0 u dV V V t 0 u dS 0 (2.69) St nach welchem die Summe der virtuellen Leistungen resultierend aus der Kombination eines statisch zulässigen Spannungszustands mit der zeitlichen Ableitung eines kinematisch zulässigen Verformungszustandes verschwinden muss. Die plastische Verträglichkeitsbedingung lässt sich ausgehend von dem in den Bildern 2.3 (a) und 2.6 (a) dargestellten plastischen Potential folgendermassen formulieren: Das auftretende plastische Verzerrungsinkrement u ist nur dann mit dem dazugehörenden Spannungszustand u verträglich, falls die Fliessbedingung Y = 0 am entsprechenden Ort erfüllt wird. Andernfalls ist das Auftreten eines plastischen Verzerrungsinkrements nicht möglich. Dies lässt sich mit als Fallunterscheidung in der Beziehung Y u 0 Y u 0 0 u Y u u (2.70) zusammenfassen. Bei Vorliegen der vollständigen Lösung entspricht der erste Integralausdruck in (2.69) der über den Körper integrierten Dissipationsleistung, welche gemäss (2.19) positiv sein muss. Mit (2.1), (2.2), (2.4) und (2.5) folgt zunächst die Zulässigkeit der entsprechenden Zustände und somit aus (2.69) u u dV q 0 u u dV V V t 0 u u dS 0 (2.71) St Die Leistungen sind nun nicht mehr virtuell sondern weisen wegen (2.70) realen Charakter auf. 22 Thermomechanische Grundlagen Die mit k verträgliche Spannung k muss infolge von (2.67) sowie (2.62) und (2.63) gemäss k u (2.72) dem Spannungszustand u der vollständigen Lösung entsprechen, welcher seinerseits gemäss (2.70) mit den zur vollständigen Lösung gehörenden Verzerrungsinkrementen u verträglich ist. Daraus folgt, dass die zeitliche Ableitung des kinematisch zulässigen Verformungszustands gemäss k u (2.73) derjenigen der vollständigen Lösung gleichzusetzen ist. Falls die auf Basis der beiden Grenzwertsätze ermittelten Grenzen gemäss (2.67) zusammenfallen, gehört demnach die zeitliche Ableitung des gewählten kinematisch zulässigen Verformungszustandes k der vollständigen Lösung an und ist damit instabil. Mit den Herleitungsschritten (2.69) - (2.73) ist dessen Instabilität in Form des Verträglichkeitssatzes bewiesen [80]. Wirken mehrere voneinander unabhängige Belastungsgruppen nacheinander auf ein gegebenes statisches System, liesse sich mit den Grenzwertsätzen für jede einzelne Belastungsgruppe die Traglast ermitteln. Das wiederholte und aufeinanderfolgende Aufbringen der verschiedenen Belastungsgruppen mit den auf dem Traglastniveau ermittelten Belastungsintensitäten würde jedoch zu fortschreitenden plastischen Verformungen und damit zum Versagen des Bauwerks führen. Dies lässt sich durch Verringerung der Belastungsintensität sowie einen gewählten Eigenspannungszustand derart bewerkstelligen, dass beim folgenden Aufbringen aller Belastungsgruppen die Fliessbedingung nirgends verletzt wird. Das wiederholte Aufbringen der verschiedenen Belastungsgruppen verursacht rein elastische Formänderungen, womit ein progressives Versagen durch plastische Verformungen ausgeschlossen werden kann. Die gesuchte Belastungsintensität entspricht dabei der sogenannten Einspiellast qEinspiel qu (2.74) welche bei der Anzahl Belastungsgruppen n > 1 kleiner als die entsprechende Traglast ausfallen muss. Die Möglichkeit des Einspielens eines derartigen Eigenspannungszustandes ist durch den Einspielsatz gegeben, welcher beginnend in den Arbeiten von Bleich, Melan und Symonds [2, 48, 49, 50, 88] den Abschluss in zwei Theoremen im Rahmen der Arbeiten von Neal und Koiter fand [33, 34, 63]. Auf die entsprechende Herleitung wird hier verzichtet; eine übersichtliche Darstellung ist in [35] gegeben. Das Aufbringen einer einzelnen Belastungsgruppe lässt sich hinsichtlich der Anwendung des Einspielsatzes als Spezialfall auffassen, woraus sich folgende Gegebenheiten ableiten. Erstens entspricht die Einspiellast gemäss qEinspiel qu (2.75) der Traglast der vollständigen Lösung. Zweitens führt der Einspielvorgang auf denjenigen Eigenspannungszustand, welcher durch Superposition mit dem zur elastischen Lösung gehörenden Spannungszustand auf den Spannungszustand der vollständigen Lösung führt. Dabei ist die elastische Lösung mit der dem Traglastniveau entsprechenden Belastungsintensität zu skalieren, siehe hierzu Bild 2.6 (c). Diese Separierung wird bei der Untersuchung des Querkraftfeldes von Platten in Kapitel 3 weiterverfolgt. 23 Stahlbetonplatten: Grundlagen 2.2 Theorie schubstarrer Platten Die heute zur Verwendung kommende Theorie schubstarrer Platten hat ihre Anfänge bei der von Jakob I Bernoulli aufgestellten und durch Leonhard Euler bestätigten Balkentheorie [1, 10]. Sie fand nach namhaften Beiträgen von Leonhard Euler, Jakob II Bernoulli und Sophie Germain ihren Abschluss in einer von Gustav Kirchhoff 1850 veröffentlichten Arbeit [32]; sie wird deshalb auch Kirchhoffsche Plattentheorie genannt [87]. Sowohl die Balken- als auch die Plattentheorie bildeten den Auftakt für die induktiv wachsende, heute weit ausgebaute Kontinuumsmechanik. Aus heutiger Sicht erscheint es sinnvoll, den umgekehrten Weg zu beschreiten, indem vom allgemeinen Kontinuum ausgehend deduktiv der Spezialfall der schubstarren Platte gewonnen wird. Hierbei kann für jede kontinuumsmechanische Problemstellung gleichermassen vorgegangen werden, indem durch Verknüpfen der Gleichgewichtsgleichungen mit den kinematischen Relationen und den konstitutiven Gleichungen die mathematische Beschreibung des Problems in Form einer Differentialgleichung gelingt. 2.2.1 Gleichgewichtsbedingungen Als Erstes werden die Gleichgewichtsgleichungen nach Theorie 1. Ordnung aufgestellt. Die Platte wird nur normal zu ihrer Ebene beansprucht; aus Gleichgewichtsgründen entfallen dabei die Membrankräfte. Die Normalspannungen und die Schubspannungen lassen sich zu den Biegemomenten mxx und myy und dem Drillmoment mxy sowie den Querkräften vx und vy zusammenfassen, siehe Bild 2.7 (a). Dabei ist zu bemerken, dass die Symmetrie des Spannungstensors gemäss (2.3) sich auf den Momententensor überträgt, mxy = myx. Durch Aufstellen des Gleichgewichts nach Theorie 1. Ordnung erhält man die drei Gleichgewichtsbedingungen mxx , x mxy , y vx (2.76) mxy , x m yy , y v y (2.77) vx , x v y , y qz (2.78) in Indexschreibweise, welche sich mit mxx , xx 2 mxy , xy m yy , yy qz (2.79) zur partiellen Gleichgewichtsdifferentialgleichung der Platte zusammenfassen lassen. Dieser wird vielfach zu wenig Bedeutung zugemessen; sie wird meist nur als erster Schritt bei der Herleitung der partiellen Differentialgleichung (2.105) schubstarrer, linear elastischer und isotroper Platten wahrgenommen. Ihre volle Schlagkraft entfaltet sie bei der Anwendung der statischen Methode der Plastizitätstheorie, wonach bei Einhaltung der statischen Randbedingungen und unter der Bedingung, dass die Fliessbedingung nicht verletzt wird, alleine (2.79) erfüllt sein muss. Wie in den folgenden Kapiteln aufgezeigt wird, erweitert das Weglassen der kinematischen Verträglichkeit den Lösungsraum von (2.79) ungemein. 24 Theorie schubstarrer Platten Bild 2.7: Formulierung des Gleichgewichts am infinitesimalen Plattenelement: (a) in kartesischen Koordinaten; (b) in polaren Koordinaten; (c) Transformation des Momententensors mit Mohrschem Kreis; (d) Transformation des Querkraftvektors mit Hilfe des Thaleskreises. 25 Stahlbetonplatten: Grundlagen Die Gleichgewichtsbedingungen (2.76) bis (2.78) lassen sich in Symbolschreibweise gemäss div v qz (2.80) div m v (2.81) zusammenfassen, was einen ersten Hinweis bezüglich des Kraftflusses darstellt. Die auf ein Strömungsfeld angewendete Divergenz beschreibt den Zu- oder Abfluss und identifiziert beziehungsweise quantifiziert die Quellen und Senken des Vektorfelds. Gemäss (2.80) lässt sich somit die Querkraft als Strömung interpretieren, die durch die Beanspruchung qz in Form von Quellen gespeist wird und diese zu den Auflagern trägt, welche als Senken in Erscheinung treten. Analog lässt sich die Beziehung (2.81) mit den Biegemomenten und Querkräften erklären. Durch Einsetzen von (2.81) in (2.80) erhält man die partielle Gleichgewichtsdifferentialgleichung (2.79) in Symbolschreibweise m qz (2.82) wobei die Divergenz mit dem Nablaoperator dargestellt ist. Die Gleichgewichtsbedingungen lassen sich auch in Zylinderkoordinaten mit den dazugehörigen Spannungsresultierenden aufstellen, welche dem infinitesimalen Plattenelement in Bild 2.7 (b) zu entnehmen sind: v, vr r , r qz r (2.83) mrr r ,r m mr , vr r (2.84) m r (2.85) r ,r m, mr v r Unabhängig vom gewählten Koordinatensystem lassen sich die Richtungstransformationen der Querkräfte und Momente für jeden Punkt der Platte darstellen. Die Querkraft transformiert sich als Vektor und somit als Tensor 1. Stufe gemäss der Transformationsregel v R v beziehungsweise vn vx cos v y sin (2.86) vt vx sin v y cos (2.87) in ausgeschriebener Form in eine neue Richtung , was ebenso grafisch mit Hilfe des Thaleskreises bewerkstelligt werden kann. Aus der geometrischen Konstruktion in Bild 2.7 (d) lässt sich einerseits die maximale Querkraft und damit die Hauptquerkraft v0 vx 2 v y 2 (2.88) mit Hilfe des Satzes von Pythagoras und anderseits die Hauptrichtung 0 der Querkraft in der Form tan 0 bestimmen. 26 vy vx (2.89) Theorie schubstarrer Platten Die Momente transformieren sich als Tensor 2. Stufe nach der Transformationsregel m R m R T , was in ausgeschriebener Form zu den beiden Biegemomenten sowie dem Drillmoment mnn mxx cos 2 m yy sin 2 2 mxy sin cos (2.90) mtt mxx sin 2 m yy cos 2 2 mxy sin cos (2.91) mnt m yy mxx sin cos mxy cos 2 sin 2 (2.92) in der neuen Richtung führt. Die einzelnen Terme der so gewonnenen, transformierten Momente (2.90) - (2.92) lassen sich auch von den beiden oberen dreiecksförmigen Schnittkörperdiagrammen in Bild 2.7 (c) ableiten und führen durch eine geometrische Interpretation zum Mohrschen Momentenkreis, welcher in der Mitte von Bild 2.7 (c) grafisch dargestellt ist. Die ursprünglich als grafische Transformation für die Spannungen aufgestellte Mohrsche Konstruktion [55] kann auf beliebige Tensoren 2. Stufe übertragen werden. Die Momente können durch Drehung der beiden Schnittufer um den Pol insbesondere für denjenigen Zustand bestimmt werden, bei welchem die Drillmomente verschwinden und somit die Hauptmomente m1 und m2 sowie die dazugehörige Hauptrichtung 1 vorliegen. Die dabei gefundenen Schnittufer sind mit den beiden unteren Schnittkörperdiagrammen in Bild 2.7 (c) wiedergegeben und weisen wie gefordert keine Drillmomente auf. Die grafische Ermittlung der Hauptwerte entspricht aus analytischer Sicht der Lösung des Eigenwertproblems eines Tensors 2. Stufe, was zu den Hauptmomenten m1,2 mxx m yy 2 m m yy 4mxy 2 2 xx 2 (2.93) und der dazugehörigen Hauptrichtung 1 führt: tan 21 2mxy mxx m yy (2.94) Im Allgemeinen sind die mit (2.89) und (2.94) gefundenen Hauptrichtungen der Hauptquerkraft beziehungsweise der Hauptmomente voneinander verschieden, 0 1 . 2.2.2 Kinematische Relationen Neben den Gleichgewichtsbedingungen sind zur vollständigen Beschreibung des Zustands einer Platte die kinematischen Relationen erforderlich, welche die Verzerrungen mit den Verformungsgrössen (Durchbiegungen und Rotationen) verknüpfen. Für schubstarre Platten wird dabei die für Balken anerkannte Hypothese nach Bernoulli [1] und Navier [62] sinngemäss übernommen, welche besagt, dass die Querschnitte eben und senkrecht zur verformten Achse bleiben. Die erste Forderung kann dabei als kinematische Restriktion verstanden werden, welche es ermöglicht, die Verzerrungen in Funktion einer Krümmung zu beschreiben. Mit der zweiten Forderung werden die immer vorhandenen Querkraftverformungen vernachlässigt. Dies führt dazu, dass sich die Querkraft nicht wie gewohnt aus den dazugehörigen Verformungen ableiten lässt, sondern aus den Gleichgewichtsgleichungen (2.81) bestimmt werden muss. Das Fallenlassen der zweiten Forderung führt zur Theorie schubsteifer Platten nach Reissner-Mindlin [75, 53]; siehe hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 5.5.4. 27 Stahlbetonplatten: Grundlagen Die kinematischen Relationen der schubstarren Platte verknüpfen somit die verallgemeinerten Verzerrungen in Form eines Krümmungstensors mit der in Richtung z gemessenen Verformung (Durchbiegung) w: xx yx xy w, xx yy w, yx w, xy w, yy (2.95) Der Krümmungstensor ist gemäss Satz von Schwarz symmetrisch. Es gilt noch zu bemerken, dass (2.95) die übliche Vereinfachung für kleine Verformungen enthält. 2.2.3 Konstitutive Gleichungen Abschliessend sind die konstitutiven Gleichungen herzuleiten, welche eine Verbindung zwischen den Gleichgewichtsbedingungen (2.82) und den kinematischen Relationen (2.95) herstellen. Die Ausgangsgleichung hierfür ist die Beziehung ij Cijkl kl , welche im Allgemeinen für die vollkommene lineare Anisotropie steht und beim Übergang zur Isotropie zu den konstitutiven Gleichungen führt, welche nur noch von zwei Konstanten abhängig sind. Diese lassen sich in der Form xx 1 xx yy zz E E (2.96) beschreiben und für alle Richtungen in der Indexschreibweise ij 1 ij ij kk E E (2.97) zusammenfassen. Dabei stehen die Konstante E für den Elastizitätsmodul, für die Querkontraktion und ij für den Einheitstensor. (2.97) lässt sich in der inversen Form ij 2 ij ij kk (2.98) mit den nach Lamé benannten Konstanten darstellen, welche ihrerseits Funktionen der beiden oben beschriebenen Materialparameter sind: E , 2 1 E 1 1 2 (2.99) Die konstitutiven Gleichungen (2.97) beziehungsweise die dazu inverse Form (2.98) beschreiben das Verhalten eines infinitesimalen Volumenelements, welches in alle Richtungen beansprucht wird. Die Platte als zweidimensionales Flächentragwerk weist abgesehen von den Krafteinleitungen nur Spannungen in der xy-Ebene auf, womit sich (2.99) mit der Bedingung zz = xz yz0 in Bild 2.7 (a) zum ebenen Spannungszustand mit den übrig gebliebenen Normalspannungen xx E 1 2 xx yy , yy E 1 2 yy xx (2.100) sowie der Schubspannung xy E xy 1 (2.101) reduzieren lässt. Die Spannungskomponenten (2.100) und (2.101) lassen sich darauffolgend mit der für die kinematischen Relationen geforderten kinematischen Restriktion in Form der Dehnungsebene als Funktionen der Krümmungen ausdrücken und durch Multiplikation mit dem Hebelarm z 28 Normalmomenten-Fliessbedingung und nachfolgender Integration über die Plattendicke h zu Schnittmomenten zusammenfassen, woraus sich letztendlich die verallgemeinerten konstitutiven Gleichungen mxx m m yx mxy xx yy D m yy 1 yx 1 xy yy xx (2.102) der homogenen, isotropen und schubstarren Platte mit der dazugehörenden Plattensteifigkeit D E h3 12 1 2 (2.103) ergeben. Die Beziehungen (2.82), (2.95) und (2.102) lassen sich zur partiellen Differentialgleichung in Indexschreibweise D w, xxxx 2 w, xxyy w, yyyy qz (2.104) zusammenfügen und mit Hilfe des Laplaceoperators in der Symbolschreibweise D w qz (2.105) ausdrücken. Die so gewonnene partielle Differentialgleichung 4. Ordnung muss transversal zum Rand zwei Bedingungen erfüllen. Mit dem Biegemoment mnn, dem Drillmoment mnt und der Querkraft vn stehen jedoch drei Grössen zur Verfügung. Diese Problematik wurde von Thomson und Tait [28] derart gelöst, dass die Änderung des Drillmoments entlang des Randes als Querkraft interpretiert und somit ins vertikale Gleichgewicht eingearbeitet wird. Diese Betrachtungsweise führt durch Zusammenführen zweier Platten an ihren Rändern und dem Erfüllen der notwendigen statischen Übergangsbedingungen zur statischen Diskontinuitätslinie, welche in Kapitel 2.4 ausführlich erläutert wird. Die angesprochene Problematik der Randbedingungen entfällt bei schubsteifen Platten nach Reissner-Mindlin [75, 53], bei welcher transversal zum Rand drei Bedingungen zu erfüllen sind. 2.3 Normalmomenten-Fliessbedingung Die Normalmomenten-Fliessbedingung ist im Zeitraum eines Jahres unabhängig von Sawczuk & Jäger, Nielsen und Wolfensberger postuliert worden und lässt sich wie folgt herleiten [79, 64, 95]. Der Bruchzustand des Betons kann aufgrund der Untersuchungen von Kupfer [37] für einen ebenen Spannungszustand mit der modifizierten Fliessbedingung nach Coulomb [4] modelliert werden, welche sich unter Vernachlässigung der Betonzugspannungen fct im Hauptspannungsraum als quadratische Fliessbedingung abbilden lässt, siehe hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 2.1.4. Die in einer Platte orthogonal aufeinander treffenden Druckspannungen können unabhängig voneinander den Wert fc erreichen, wobei die erforderliche Betondruckkraft als Resultierende dieser Druckspannungen sich über die Druckzonenhöhe zc steuern lässt. Für verschiedene Bewehrungsstärken resultieren unterschiedliche Dicken zc der Druckzonen, siehe Bild 2.8 (a). Dabei wird angenommen, dass mit Erfüllen der Duktilitätskriterien des eindimensionalen plastischen Biegegelenks der Beton nicht limitierend wirkt. Die Betondruckkraft muss mit der Zugkraft der Bewehrung auf Niveau der Fliessspannung fy im horizontalen Kräftegleichgewicht stehen und lässt sich mit dem zugehörigen inneren Hebelarm zx zum Biegewiderstand mxu beziehungsweise mit zy zu myu multiplizieren, siehe Bild 2.8 (a). Die für 29 Stahlbetonplatten: Grundlagen verschiedene Richtungen ermittelten Biegewiderstände dürfen superponiert werden und führen für den in der Praxis am häufigsten vorkommenden Fall einer orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte in analoger Weise zu (2.90) - (2.92) sowie den damit verschwindenden Drillmomentenwiderständen zu den bezüglich des Koordinatensystems n-t transformierten Widerstandsgrössen mnu mxu cos 2 myu sin 2 (2.106) mntu m yu mxu sin cos (2.107) wie dies dem Bild 2.8 (b) zu entnehmen ist. Diese beschreiben aufgrund von statischen Überlegungen den Widerstand in Abhängigkeit des Richtungswinkels und lassen sich durch deren Ähnlichkeit zu (2.90) - (2.92) mittels eines Mohrschen Kreises des Biegewiderstandes darstellen; dieser stellt die Grundlage für die weiteren Arbeiten in den Kapiteln 4.2 und 4.3 dar. Die Übertragung auf schief bewehrte Stahlbetonplatten lässt sich dabei ohne weiteres bewerkstelligen. Im Vergleich zu (2.106) und (2.107) ergibt sich infolge Superposition der Widerstände aus den verschiedenen Bewehrungslagen gemäss mnu mxu cos 2 m yu sin 2 2 mxyu sin cos (2.108) mntu m yu mxu sin cos mxyu cos 2 sin 2 (2.109) bereits im Ursprungskoordinatensystem ein Drillmomentenwiderstand mxyu; die Richtungstransformation lässt sich dabei nach wie vor grafisch mit dem Mohrschen Kreis des Biegewiderstandes bewältigen, wie dies bei der Herleitung des Trapezsegments in Kapitel 5.5.5 zur Anwendung gebracht wird. Zudem lassen sich die Widerstandsgrössen (2.108) und (2.109) mit Hilfe der Transformationsregeln (2.90) - (2.92) in der entsprechenden Richtung gemäss (2.94) als Widerstandsgrössen einer quasi orthotropen Bewehrung auffassen und dementsprechend behandeln. Die aus einem statisch zulässigen Spannungszustand resultierende Momentenbeanspruchung mnn darf gemäss Kapitel 2.1.5 in keinem Punkt den ermittelten Widerstand mnu überschreiten. Die zwei daraus ableitbaren Bedingungen mnn mnu und mnn , mnu , führen mit (2.106) und (2.90) auf folgende zwei Beziehungen mxu mxx cos2 myu myy sin 2 2mxy sin cos (2.110) mxu mxx sin cos m yu m yy sin cos mxy cos 2 sin 2 (2.111) Durch Einsetzen von (2.110) in (2.111) lässt sich zunächst eine nach dem Richtungswinkel separierte Beziehung tan mxy mxu mxx mxu mxx m yu m yy mxy m yu m yy (2.112) gewinnen, woraus mit der letzten Identität letztendlich die Fliessbedingung Y mxy 2 mxu mxx m yu m yy 0 (2.113) für positive Biegewiderstände folgt. Mit den Beträgen mxu und myu der negativen Biegewiderstände erhält man analog Y mxy 2 mxu mxx 30 m yu m yy 0 (2.114) Normalmomenten-Fliessbedingung ! Bild 2.8: Herleitung der Normalmomenten-Fliessbedingung: (a) Ermittlung der orthogonalen Biegewiderstände; (b) Transformation des Biegewiderstands; (c) Fliessbedingung im Momentenraum; (d) transformierte Grössen in Abhängigkeit des Richtungswinkels; (e) Mohrscher Kreis der plastischen Krümmungsinkremente für Fliessregime III (Y = 0); (f) mögliche Richtungen der Fliessgelenklinien für Fliessregime II (Schnittellipse, Y = Y = 0). 31 Stahlbetonplatten: Grundlagen Die so gewonnenen Fliessbedingungen basieren durch die Modellvorstellung in (2.106) und (2.107) auf einer rein statischen Herleitung auf der Ebene von verallgemeinerten Schnittgrössen. Sie entsprechen im dreidimensionalen Momentenraum zwei gegeneinander gerichteten elliptischen Kegeln, welche sich in einer Ellipse schneiden, siehe Bild 2.8 (c). Die vorliegende Fliessfigur erfüllt die plastizitätstheoretische Forderung nach Konvexität und kann ohne Vorkenntnisse über deren Zustandekommen auch als Ausgangspunkt für die Herleitung eines dazu verträglichen plastischen Krümmungsinkrements dienen. Hierzu wird ein Fliessgesetz benötigt, welches einen Bezug zwischen der Fliessfigur und den plastischen Verzerrungsinkrementen herstellt. Mit dem der Fliessbedingung zugeordneten Fliessgesetz (2.33), nach welchem die plastischen Verzerrungsinkremente orthogonal zur Fliessfigur gerichtet sind, lassen sich die plastischen Krümmungsinkremente als verallgemeinerte Grössen mit dem auf die Fliessfigur Y angewendeten Gradienten gradY gleichsetzen und mit (2.113) wie folgt ausschreiben xx Y m yu m yy mxx Y 2mxy 2 xy mxy , yy Y mxu mxx m yy (2.115) wobei einen nicht negativen skalaren Faktor mit der Einheit Geschwindigkeit bezeichnet. Mit (2.114) ergeben sich analoge Beziehungen. Die so gewonnenen plastischen Krümmungsinkremente lassen sich als Komponenten eines Tensors 2. Stufe wiederum mit einem Mohrschen Kreis darstellen, womit die Hauptkrümmungsinkremente und die dazugehörigen Richtungen direkt ablesbar sind, siehe Bild 2.8 (e). Dabei verschwindet für alle Punkte des Fliessregimes III das zweite Hauptkrümmungsinkrement. Die Richtung des übrig gebliebenen Hauptkrümmungsinkrements stimmt mit der Richtung der Fliessgelenklinie aus Bild 2.8 (b) überein, welche als kinematische Diskontinuitätslinie mit den Erläuterungen des Kapitels 2.4.2 einem kinematischen zulässigen Verschiebungszustand entspringt. Damit ist gemäss dem Verträglichkeitssatz der Plastizitätstheorie in Kapitel 2.1.6 klar, dass mit den vorliegenden Fliessbedingungen (2.113) respektive (2.114) die vollständige Lösung von orthtrop beziehungsweise schief bewehrten Stahlbetonplatten gefunden werden kann. Es muss dabei festgehalten werden, dass die Fliessbedingung nur für die verallgemeinerten Grössen m und den Kriterien bezüglich der statischen beziehungsweise kinematischen Zulässigkeit standhält. Zum einen sind die bei orthotroper Bewehrung unterschiedlichen Druckzonenhöhen in Bild 2.8 (a) nicht mit dem Mechanismus der Fliessgelenklinie aus Bild 2.10 (a) verträglich. Zum anderen werden bei stark bewehrten und hauptsächlich drillbeanspruchten Platten die Drillwiderstände überschätzt. Für diese querschnittsinneren Betrachtungen wird auf die Grundlage des Sandwichmodells verwiesen [45, 46]. In der vorliegenden Abhandlung wird indes die mit (2.113) respektive (2.114) hergeleitete und etablierte Fliessbedingung als Grundlage vorausgesetzt. Die gegebene Fliessfigur in Bild 2.8 (c) lässt sich geometrisch in die drei Fliesszonen der Kegelflächen (III), der Schnittellipse (II) und der beiden Kegelspitzen (I) unterteilen, welche in der Folge ausdiskutiert werden sollen. Die unterschiedliche Charakteristik zeigt sich dabei anhand des Vorzeichens der dazugehörigen Gausschen Krümmung xx yy xy 2 (2.116) welche durch die Substitution mit den plastischen Krümmungsinkrementen (2.115) direkt aus der Fliessbedingung (2.113) zu gewinnen ist. 32 Normalmomenten-Fliessbedingung Für alle Oberflächenpunkte des Fliessregimes III muss die Gausssche Krümmung gemäss xx yy xy 2 0 (2.117) verschwinden. Diese Beziehung lässt sich mit dem Mohrschen Kreis in Bild 2.8 (e) als Höhensatz interpretieren, wodurch nur ein plastisches Hauptkrümmungsinkrement auftreten kann. Ein zum Fliessregime III verträglicher Verschiebungszustand stellt somit eine abwickelbare Fläche dar, die ihrerseits bezüglich des dreidimensionalen euklidischen Raumes eine Untergruppe der Regelflächen bildet. Solche lassen sich entlang einer Leitlinie mit einer Regelgeraden erzeugen [36, 17]. Eine kinematisch verträgliche Fliessgelenkkurve als Ansammlung von konzentrierten Fliessgelenken muss somit gerade sein, was eine bestimmende Eigenschaft für die weitere Herleitung des Kraftflusses in Stahlbetonplatten sein wird (siehe Kapitel 4.3). Die Punkte der Schnittellipse (Fliessregime II) in Bild 2.8 (c) erfüllen die Fliessbedingung sowohl für die positiven als auch negativen Widerstandsmomente in (2.113) respektive (2.114) und zeigen mit der in Bild 2.8 (d) mit II gekennzeichneten Transformation in Abhängigkeit des Richtungswinkels die zueinander verträglichen Richtungen der positiven und negativen Fliessgelenklinien auf. Diese beiden Richtungen sind auch mittels der dazugehörigen plastischen Krümmungsinkremente des untersuchten Punktes in den beiden äusseren Mohrschen Kreisen in Bild 2.8 (f) wiederzufinden. Die klar bestimmten Richtungen sind jedoch nicht die einzigen Möglichkeiten, welche das der Fliessfigur zugeordnete Fliessgesetz zulässt. An der Kante kann das Krümmungsinkrement in Form eines Vektors zwischen den zwei Grenzen eine beliebige Lage einnehmen, wie dies aus Bild 2.8 (f) zu entnehmen ist. Für den zulässigen Fall eines senkrechten Vektors ist der Mohrsche Kreis mit den Hauptrichtungen von = +/- 45 º ebenfalls wiedergegeben. Dabei verschwindet die Gaussche Krümmung nun nicht mehr, wodurch mit den Überlegungen zum Höhensatz das Gleichheitszeichen in (2.117) durch ein „kleiner gleich“-Zeichen zu ersetzten ist: xx yy xy 2 0 (2.118) Ein zum Fliessregime II verträglicher kinematischer Verschiebungszustand kann nun auch der Gruppe der sogenannten antiklastischen Flächen (windschiefe Regelfläche) angehören. Solche kommen in Fliessregionen der Stahlbetonplatten zum Vorschein, wie zum Beispiel als Sattelfläche in einem Teilbereich der allseitig eingespannten, gleichmässig belasteten Quadratplatte, für welche Fox die vollständige Lösung vorlegte [13]. Das Fliessregime I besteht aus den beiden Kegelspitzen, welche die grösstmögliche Freiheit bezüglich der daraus ableitbaren zulässigen Krümmungsinkremente aufweisen; sie haben lediglich der Beziehung xx yy xy 2 0 (2.119) zu gehorchen. Hervorzuheben ist dabei das zulässige Krümmungsinkrement, welches in der mxxmyy-Ebene unter einem Winkel von 45 Grad zu liegen kommt; der dazugehörige Mohrsche Kreis reduziert sich auf einen Punkt (Bild 2.8 (c)). Mit dieser Eigenschaft ist es möglich, dass sich beliebig viele positive beziehungsweise negative Fliessgelenklinien aus unterschiedlichen Richtungen in einem Punkt der Platte treffen, was sich am Beispiel der Fächermechanismen anschaulich illustrieren lässt. Daraus folgt umgekehrt, dass die Hauptmomente im Schnittpunkt von positiven respektive negativen Fliessgelenklinien bei der vollständigen Lösung gerade den jeweiligen Biegewiderständen entsprechen müssen. Für den Fall der quasi-isotropen Bewehrung reduzieren sich die drei aufgeführten Fliessregime zu denjenigen, welche Nielsen aufführte [64] und die Fox verwendete [12, 13]. Dabei vereinfacht sich die Formulierung der Fallunterscheidungen; sie lässt sich anstatt mit der Fliessfigur durch die Hauptmomente vornehmen. 33 Stahlbetonplatten: Grundlagen 2.4 Diskontinuitätslinien Die von der Kontinuumsmechanik ableitbaren Bedingungen zu den zulässigen Zuständen lassen auf Stufe der Plattenmomente lediglich die etablierten statischen und kinematischen Diskontinuitätslinien zu, welche für die Diskussion des Kraftflusses im Folgenden aufbereitet werden. 2.4.1 Statische Diskontinuitätslinien Johansen [26] diskutiert die Überlegungen von Thomson und Tait [28] bezüglich eines Schnittes am freien Rand der elastischen Platte. Hillerborg [18] sieht, dass aus Gleichgewichtsgründen ein Drillmomentensprung im Innern einer Platte möglich ist, verfolgt diesen Ansatz jedoch nicht weiter. Er erwägt lediglich einen konzentrierten Querkraftfluss in Form eines versteckten Unterzuges, einem sogenannten „Strong-Band“, wie dies bereits Wood & Armer [98] und Kemp [30, 31] in ihren Arbeiten vorschlugen. Clyde [5] stellte das Gleichgewicht in der heute üblichen Schreibweise zwischen dem Drillmomentensprung und der Querkraft her und zeigte damit die statische Zulässigkeit einer solchen Unstetigkeit auf. Daraufhin entwickelten Morley [59, 60] und Marti [47] statisch zulässige Momentenfelder, welche statische Diskontinuitätslinien beinhalten. Der Durchbruch gelang letztendlich Meyboom und Marti mit experimentellen Versuchen, in welchen sie durch spezielle Bewehrungsanordnung das Ausbilden von statischen Diskontinuitätslinien erzwingen konnten und somit deren Existenz bestätigten [51, 52]. Eine statische Diskontinuität kann am ebenen infinitesimalen Flächenelement in folgende zwei Fälle unterteilt werden. Im ersten Fall tritt die Diskontinuität bezüglich den Schubspannungen auf; die Gleichgewichtsbetrachtung führt mit dem Grenzwertdurchgang dn 0 in Bild 2.9 (a) zu den unterschiedlichen, beiderseits der Diskontinuitätslinie parallel verlaufenden Schubspannungen tnI und tnII . Daraus folgt durch die Verallgemeinerung der Schnittgrössen der Drillmomentensprung, welcher mit der konzentrierten Querkraft Vt mntII mntI (2.120) des in den Bildern 2.9 (b) und (c) dargestellten Schnittkörperdiagramms im Momentgleichgewicht stehen muss. Die vertikale Betrachtung bringt die konzentrierten Querkräfte mit den beiden ankommenden verteilten Plattenquerkräften ins Gleichgewicht Vt ,t vnII vnI (2.121) Daraus erhält man durch Zusammenführen mit (2.120) die Beziehung vnII vnI mntII ,t mntI ,t 0 (2.122) von welcher sich die unterschiedlichen Möglichkeiten des Querkraftflusses erahnen lassen; die Diskussion erfolgt in Kapitel 4.2.2. Transversal zur Diskontinuität lässt das Gleichgewicht hingegen keine Unstetigkeit zu, was mit der Verallgemeinerung der Schnittgrössen zur Bedingung I II mnn mnn (2.123) führt. Die mit den Gleichgewichtsgleichungen (2.120) - (2.123) gefundene erste Diskontinuität wird im Folgenden aufgrund der Historie weiterhin als statische Diskontinuitätslinie bezeichnet, obschon dies aus mechanischen Überlegungen, wie eingangs erwähnt, den Oberbegriff beider Fälle darstellen sollte. Der zweite Fall betrifft die mögliche Unstetigkeit bezüglich der Normalspannungen. Mit dem Grenzwertdurchgang dn 0 formiert sich am infinitesimalen Flächenelement in Bild 2.9 (d) die Normalspannung zu einer konzentrierten Normalkraft, welche inmitten einer Fläche elastisch nicht 34 Diskontinuitätslinien Bild 2.9: Statische Diskontinuitätslinie: (a) zulässiger Spannungszustand; (b) Gleichgewicht am Schnittkörper, räumliche Darstellung; (c) Gleichgewicht am Schnittkörper, planare Darstellung. Versteckter Unterzug: (d) zulässiger Spannungszustand; (e) Gleichgewicht am Schnittkörper, räumliche Darstellung; (f) Gleichgewicht am Schnittkörper, planare Darstellung. verträglich sein kann. Daraus lassen sich die in den Bildern 2.9 (e) und (f) mit dem Schnittkörperdiagramm dargestellten verallgemeinerten Schnittgrössen sowie die damit einhergehenden Gleichgewichtsbeziehungen I II mnn mnn (2.124) mntI mntII (2.125) Vt ,t vnII vnI q z (2.126) M t ,t Vt (2.127) ableiten. Diese beschreiben die zweite statische Diskontinuitätslinie, welche als versteckter Unterzug oder mit der englischen Bezeichnung „strong band“ in Kombination mit der Streifenmethode 35 Stahlbetonplatten: Grundlagen von Hillerborg [19] in der Praxis vielfach erprobt und etabliert ist. Durch die hier, infolge des Grenzwertdurchganges formulierte Modellvorstellung geht das in den Bildern 2.9 (e) und (f) dargestellte infinitesimale Plattenelement in ein Balkenelement mit den entsprechenden konzentrierten Schnittgrössen über; dieser kommt zwischen den angrenzenden Plattenelementen zu liegen. Das Balkenelement ist durch die zusätzliche Längsbewehrung charakterisiert, welche für die Abtragung der (insbesondere durch Einzelkräfte oder Linienkräfte erzeugten) konzentrierten Biegemomente Mtt notwendig wird. Die effektive Abtragung erfolgt, wie bei Balken üblich, mit einer endlichen Breite; die vorhandenen Druckspannungen sind dabei natürlich zu kontrollieren. Eine Kombination der beiden statischen Diskontinuitätslinien ist bei der Entwicklung von statisch zulässigen Momentenfeldern möglich; die Diskussion über deren kinematische Verträglichkeit in Kapitel 4.2.3 respektive 5.2.2 wird jedoch den unterschiedlichen Charakter akzentuieren und dadurch die vorgenommene Unterteilung bestärken. 2.4.2 Kinematische Diskontinuitätslinie Johansen [25, 26] postulierte aufgrund von experimentellen Beobachtungen, dass sich beim Versagen einer Stahlbetonplatte Fliessgelenke entlang von geraden Linien ausbilden, woraus der Versagensmechanismus und die dazugehörige Traglast bestimmt werden können. Er war dabei durch die Arbeiten von Galileo Galilei [14] inspiriert, welcher mit seinen Ausführungen über den Widerstand von Balken den Grundstein der Bruchtheorie respektive der heutigen Traglasttheorie legte. Johansen nahm auch die von Ingerslev [22] gemachten Gleichgewichtsüberlegungen auf und erweiterte diese durch Einführen von Knotenkräften (Englisch: nodal forces), welche beim Zusammentreffen von Fliessgelenklinien entstehen können [26]. Die dabei aus heutiger Sicht vorhandene Vermischung der statischen und kinematischen Methode der Plastizitätstheorie konnte damals nicht erkannt werden. Erst Prager [69] ordnete nach dem theoretischen Aufbau der Plastizitätstheorie durch Drucker, Greenberg und Prager [8, 9] die von Johansen aufgestellte Fliessgelenklinientheorie dem Oberen Grenzwertsatz zu und stellte sie damit auf eine klare theoretische Basis. Die Plastizitätstheorie vermochte diese Vermischung in den darauffolgenden Weiterentwicklungen der Arbeiten von Kemp, Morley, Nielsen, Wood und Jones allerdings nicht wirklich zu klären [29, 58, 65, 97, 27], was wiederkehrend zu Missverständnissen führte. Diese Arbeiten erscheinen erst im Licht der vollständigen Lösung wieder wertvoll, da durch die Forderung nach Verträglichkeit sowohl das Gleichgewicht als auch die kinematische Relationen erfüllt sein müssen und somit statische Überlegungen mit der kinematischen Methode kombiniert werden dürfen. Die Fliessgelenklinientheorie als kinematische Methode basiert auf einem Versagensmechanismus, welcher aus konzentrierten geraden Fliessgelenklinien oder eben kinematischen Diskontinuitätslinien konstruiert wird, siehe Bild 2.10 (a). Die dazwischenliegenden Plattenbereiche verhalten sich dabei weiterhin elastisch und können als starr betrachtet werden. Der Versagensmechanismus ist somit durch die Fliessgelenkscharniere entlang von Starrkörpern charakterisiert. Am infinitesimalen Plattenelement in Bild 2.10 (b) ergeben sich die geometrischen Beziehungen x 36 1 , dx y 1 , dy n 1 dn (2.128) Diskontinuitätslinien Bild 2.10: Kinematische Diskontinuitätslinie: (a) Darstellung des plastischen Gelenkes; (b) Fliessgelenklinie, räumliche Darstellung; (c) Fliessgelenklinie, planare Darstellung. n stellt die über den Fliessgelenkbereich integrierte KrümDas plastische Rotationsinkrement mung dar und kann unter Verwendung der Grössen dx sin dt , dy cos dt , dn sin cos dt (2.129) x und y in Beziehung mit den auf die Koordinatenachsen xy projizierten Rotationsinkrementen gebracht werden: n sin cos x sin y cos (2.130) Die spezifische Dissipationsleistung ergibt sich durch Multiplikation des senkrecht zur Fliess n und gelenklinie vorhandenen plastischen Biegewiderstandes mnu mit dem Rotationsinkrement kann mit (2.106), (2.129) und (2.130) in Funktion der orthotropen Biegewiderstände ausgedrückt werden: n mxu x dy mxy y dx Di mnu (2.131) Für die Konstruktion eines kinematisch zulässigen Versagensmechanismus stellte Johansen die folgenden zwei Theoreme auf [24, 26], welche bei nicht vorhandenen Fliessregionen (Fliessregime II) nach wie vor gültig sind: Theorem I: Die Fliessgelenklinie zwischen zwei Plattenteilen geht durch den Schnittpunkt ihrer Drehachsen. Theorem II: Der Versagensmechanismus ist durch die Drehachsen der Plattenteile und die Verhältniszahlen der Drehungen bestimmt. Weiter darf zum Finden eines kinematisch zulässigen Versagensmechanismus das Wissen über verträgliche kinematische Diskontinuitätslinien gemäss Normalmomenten-Fliesshypothese einfliessen. Lässt sich ein kinematisch zulässiger Versagensmechanismus konstruieren, so kann daraus 37 einerseits die spezifische Dissipationsleistung in den Fliessgelenklinien gemäss (2.131) über die ganze Platte integriert und anderseits die mechanische Leistung W qkin w dA (2.132) A der Einwirkung qkin ermittelt werden. Aus der Gleichsetzung D W (2.133) der totalen Dissipationsleistung D mit der mechanischen Leistung W lässt sich letztendlich ein oberer Grenzwert für die Traglast qkin ermitteln. 38 3 Querkraftfeld in Platten 3.1 Gleichgewichtslösung Das übergeordnete Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, den Kraftfluss in Stahlbetonplatten mittels der Bewehrungsführung im Traglastzustand nach Belieben steuern zu können. Dabei kommt zunächst mit der möglichen Beschreibung des Kraftflusses durch das Querkraftfeld nur die statische Vorgehensweise beziehungsweise die Verwendung des unteren Grenzwertsatzes der Plastizitätstheorie in Frage. Eine Verknüpfung des Querkraftfeldes mit der kinematischen Methode ist aus theoretischen Gründen weder möglich noch zulässig; diese wird erst in Kapitel 4 bei der Diskussion von vollständigen Lösungen hinzugezogen. Somit müssen vorerst nur die Gleichgewichtsgleichungen (2.80) und (2.81) erfüllt sein; die auf eine einzige Lösung einschränkende Verträglichkeit muss nicht berücksichtigt werden, wie dies in Kapitel 2.2 aufgezeigt ist. Für eine konkrete Problemstellung einer Stahlbetonplatte können deshalb insbesondere wegen deren zweidimensionaler Ausbreitung unendlich viele statisch zulässige Spannungszustände konstruiert werden, was theoretisch durch infinitesimal stufenweise Abdeckung der erforderlichen Bewehrung zu ebenso vielen Bewehrungsanordnungen auf Niveau der Traglast führt. Um die ganze Fülle dieser Lösungen zu erfassen ohne dabei den Lösungsraum von vornherein einzuschränken, ist von einem Querkraftfeld in seiner allgemeinsten Form auszugehen. Nach dem Hauptsatz der Vektoranalysis lässt sich jedes Vektorfeld im Bereich der Plattenfläche A in divergenz- und rotationsfreie Anteile aufspalten v v p v h1 v h2 auf A (3.1) wobei mit p respektive h1 die partikuläre Lösung beziehungsweise die homogene Lösung gekennzeichnet sind. Das aufgetrennte Vektorfeld ist eindeutig bestimmt, falls die Normalkomponente des Querkraftfeldes auf dem Rand mit n v g0 auf A (3.2) ebenfalls vorgegeben ist [3]. Die Vektorfelder v p und v h1 lassen sich als Funktionen der Potentiale und wie folgt anschreiben: vxp , x , v yp , y , rot v p , yx , xy 0 (3.3) vxh1 , y , v yh1 , x , div v h1 , yx , xy 0 (3.4) 39 Querkraftfeld in Platten Das Vektorfeld v h2 ist sowohl divergenz- als auch rotationsfrei rot v h2 0, div v h2 0 (3.5) wodurch es in den beiden ersten Vektorfeldern nicht erfasst werden kann, jedoch durch die Randbedingung in (3.1) anteilsmässig definiert ist. Physikalisch lassen sich die drei Vektorfelder folgendermassen interpretieren: Der rotationsfreie Anteil v p stellt die Quellen und Senken dar, welche sich im vorliegenden Fall der Platte in der Beanspruchung qz beziehungsweise in den Auflagerreaktionen widerspiegeln. Von den beiden divergenzfreien Anteilen ist der erste nicht rotationsfrei und tritt dementsprechend als reines Wirbelfeld in Erscheinung; der zweite Anteil entspricht einer durch das beobachtete Gebiet fliessenden Strömung ohne Quellen, Senken und Wirbel. Diesen beiden Vektorfeldern kommt in Bezug auf die Stahlbetonplatten eine besondere Bedeutung zu, da sie gemäss (3.4) und (3.5) die homogene Lösung der Gleichgewichtsdifferentialgleichung darstellen und somit zur Beschreibung eines möglichen Eigenspannungszustands verwendet werden können. Ein solcher lässt sich für eine konkrete Problemstellung der elastischen Lösung überlagern und führt in seiner optimalsten Ausgestaltung zur vollständigen Lösung samt Traglast nach der Plastizitätstheorie (siehe Kapitel 2.1.5 und 2.1.6). Aus mathematischer Sicht ist festzuhalten, dass in den Gleichungen (3.3) und (3.4) die Reihenfolge der partiellen Ableitungen nach dem Satz von Schwarz [3] keinen Einfluss auf das Resultat ausübt, sofern mit den beiden Potentialen stetige und p-mal differenzierbare Funktionen vorliegen. Diesen Forderungen genügen die hier verwendeten verallgemeinerten Funktionen wie die DiracDelta-Funktion sowie deren Stammfunktion, die Heaviside-Funktion [40, 21, 15, 16]. Die oben vorgenommene Auftrennung des Querkraftfeldes v lässt sich mit der Gleichgewichtsbedingung (2.81) verknüpfen. Der auf die Querkraft angewendete Gradient führt unter Berücksichtigung von (3.3) und (3.4) zu den beiden Identitäten vx , x grad v v y , x vx , y , xx , yx v y , y , xy , xx mxx , xx mxy , xy grad v mxy , xx m yy , xy , xy , yy , yy , xy mxx , xy mxy , yy mxy , xy m yy , yy (3.6) (3.7) Durch Gleichsetzen von (3.6) mit (3.7) erhält man einerseits aus der Addition der Hauptdiagonalelemente die auf das Querkraftfeld angewendete Divergenz , xx , yy mxx , xx 2 mxy , xy m yy , yy qz (3.8) beziehungsweise die bereits beschriebene Gleichgewichtsbedingung (2.79) und anderseits aus der Differenz der Nebendiagonalelemente die auf das Querkraftfeld angewendete Rotation , xx , yy mxx m yy , xy mxy , yy mxy , xx (3.9) als neue Beziehung. Die beiden Gleichungen (3.8) und (3.9) lassen sich weiter in Funktion der Potentiale als elliptische Differentialgleichungen mit dem Laplace-Operator in Symbolschreibweise darstellen qz (3.10) (3.11) was im ersten Fall mit (3.8) zur Gleichsetzung mit der negativen Kraftdichte qz führt. Dagegen existiert aus (3.9) für die zweite Beziehung noch keine zur Kraftdichte äquivalente Grösse; physikalisch 40 Gleichgewichtslösung muss das Pendant einer Wirbeldichte entsprechen, welche fortan mit dem griechischen Zeichen bezeichnet werden soll. Somit lässt sich aus (3.9) und (3.11) eine zur Gleichgewichtsbedingung (2.79) beziehungsweise (3.8) ähnliche Beziehung gewinnen m xx m yy , xy mxy , yy mxy , xx (3.12) die als Gleichgewichtsbedingung des wirbelbehafteten Eigenspannungszustandes bezeichnet werden kann. Das heisst: die Plattenmomente müssen für einen statisch zulässigen, wirbelbehafteten Eigenspannungszustand infolge des Einprägens einer Wirbeldichte die Gleichung (3.12) erfüllen. Umgekehrt lässt sich eruieren, ob vorgegebene Momentenfelder einen wirbelbehafteten Kraftfluss beinhalten, wie dies in Kapitel 4.2.1 am Beispiel der statischen Diskontinuitätslinien aufgezeigt werden kann. Aus (3.6) und (3.7) lässt sich noch eine weitere Beziehung ableiten, welche dem Verständnis, insbesondere im Vergleich mit der elastischen Lösung, dienen wird. Setzt man die Summe der Nebendiagonalelemente in den beiden Identitäten einander gleich und bildet darauffolgend das unbestimmte Integral sowohl in x- als auch in y-Richtung, so erhält man das Potential in Funktion der Plattenmomente, des Potentials sowie zweier Integrationsfunktionen 1 mI x mxy , y y mxy , x x , y y , x g x h y 2 (3.13) Dabei wird die auszuführende Integration in Anlehnung an die Indexschreibweise der partiellen Differentiation mit dem jeweiligen Index vor der Funktion angezeigt; die Biegemomente werden zur ersten Invariante des Momententensors mI = mxx + myy zusammengefasst. Die Gleichung (3.13) ist so zu interpretieren, dass das zur Kraftdichte assoziierte Potential die angegebenen Teile der Plattenmomente unter Abzug der Eigenspannungsanteile darstellt. Die bis hierhin aufgestellte, analytisch klare Auftrennung des Kraftflusses mag an dieser Stelle als abstrakt erscheinen; sie stellt allerdings für die angestrebte Steuerung des Kraftflusses einen weiteren Schlüssel dar. Die momentan dazu fehlende mechanische Interpretation folgt mit den Ausführungen in den Kapiteln 4 und 5. An dieser Stelle soll stattdessen nach einer bildlichen Darstellung gesucht werden, die zu einem besseren Verständnis bezüglich des Kraftflusses der Gleichgewichtslösung führen soll. Dies wird mit der Analogie zwischen den Gleichgewichtsdifferentialgleichungen von der Platte und der Membranschale erreicht, womit die Grundlage für den bereits bekannten Spezialfall der elastisch verträglichen Platte sowie der dazugehörigen analogen Membranhaut geschaffen wird. Dies ermöglicht letztendlich, den Unterschied zwischen der rein statischen und der elastisch verträglichen Lösung aufzuzeigen. Hierzu wird im folgenden Exkurs die Gleichgewichtsdifferentialgleichung der flachen Membranschale hergeleitet, welche sich dadurch auszeichnet, dass wegen der schlanken Ausführung die Biegesteifigkeit vernachlässigbar ist und daher die Belastungen nur über Membranspannungen abgetragen werden. Zudem lassen sich die Membranspannungen mit ihren in Bild 3.1 (a) auf die xyEbene projizierten Spannungen gleichsetzen. Die projizierten Grössen beschreiben dabei einen ebenen Spannungszustand einer Scheibe und können für eine nur vertikal beanspruchte Membranschale zur Airyschen Spannungsfunktion zusammengefasst werden. Für eine verständlichere Darstellung werden die in den Bildern 3.1 (a) - (d) dargestellten Schnittgrössen n, v und m am positiven Schnittufer in negativer Richtung zeigend eingeführt (Membrane entspricht dem auf Druck beanspruchten Beton). Somit lassen sich am infinitesimalen Schalenelement in Bild 3.1 (a) die vertika41 Querkraftfeld in Platten Bild 3.1: Analogie Schale - Platte: (a) Schnittkörper des infinitesimalen Schalenelements; (b) analoger Gleichgewichtszustand am Schnittkörper des infinitesimalen Plattenelements (reiner Gleichgewichtszustand); (c) Schnittkörper des infinitesimalen Membranelements; (d) analoger Gleichgewichtszustand am Schnittkörper des infinitesimalen Plattenelementes (elastisch kinematisch verträglich). len Komponenten der Membranspannungen mit Hilfe der Ableitungen der Formfunktion z als Querkraft auffassen nxx z, x nxy z, y vx (3.14) n yy z, y nxy z, x v y (3.15) und mit der Tensor- respektive Symbolschreibweise wie folgt ausdrücken z, x nxx z n , y xy nxy v n yy z n v (3.16) Das vertikale Gleichgewicht über das ganze infinitesimale Schalenelement lässt sich darauffolgend bis auf die unterschiedliche Vorzeichenkonvention zu demjenigen der Platte (2.80) in Funk- 42 Gleichgewichtslösung tion des Querkraftfeldes und somit des Kraftflusses in den verschiedenen Schreibweisen formulieren vx , x v y , y q z , v qz (3.17) Durch Einsetzen von (3.16) in (3.17) erhält man in der Indexschreibweise z,ij nij z, j n ji ,i qz (3.18) wobei der zweite Term wegen der nicht vorhandenen horizontalen Beanspruchungen mit n 0 (3.19) verschwinden muss. Daraus folgt in ausformulierter Form die bis auf den Vorzeichenwechsel bekannte Gleichgewichtsdifferentialgleichung der flachen Membranschale z, xx nxx 2 z, xy nxy z, yy n yy qz (3.20) welche erstmals von Pucher aufgestellt wurde [72, 73]. Die Tragwirkung der Membranschale kann sich dabei erst durch die horizontal unverschieblichen Widerlager aufbauen, wobei deren Funktion genauso durch ein flächiges Zugband unter der Schale wahrgenommen werden kann. Trennt man weiter die Membranspannungen nach ihren Komponenten auf und fasst die Vertikalkomponenten wie mit (3.14) und (3.15) gezeigt zur Querkraft v zusammen, so erhält man das in Bild 3.1 (b) dargestellte infinitesimale Schalenelement. Dabei sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nur die neu hinzukommenden Querkräfte beschriftet; die Bezeichnungen der horizontalen Komponenten können aufgrund der Eigenschaft der flachen Schale weiterhin aus Bild 3.1 (a) entnommen werden. Die horizontalen Membranspannungen aus der Schale und dem Zugband müssen miteinander im Gleichgewicht stehen und lassen sich durch Multiplikation mit dem Hebelarm z zu einem Momententensor zusammenfassen zn m (3.21) welcher als Pendant zu demjenigen der Platte postuliert werden könnte. Diese Behauptung lässt sich einfach durch Einsetzen von (3.21) in der Gleichgewichtsgleichung (2.81) der Platte überprüfen z n z n z n v (3.22) woraus unter der bestehenden Bedingung (3.19) die oben hergeleitete Gleichung (3.16) resultiert. Mittels der Gegenüberstellung div v qz div v qz (3.23) div m v div z n z n v (3.24) m qz z n qz (3.25) der Gleichgewichtsbedingungen der Platte und der Membranschale wird offensichtlich, dass jeder statisch zulässige Spannungszustand der Stahlbetonplatte nach (2.80) - (2.82) ebenso als statisch zulässiger Membranspannungszustand einer flachen Membranschale interpretiert werden kann, wobei die Bewehrung die Funktion des Zugbandes übernimmt. Das heisst, dass sich in der Stahlbetonplatte eine dem zulässigen Spannungszustand entsprechende Membranschale finden lässt, welche als Druckgewölbe mit der Bewehrung in Bild 3.1 (b) im Gleichgewicht steht. Der darüber liegende Beton muss lediglich die vertikale Beanspruchung auf die Membranschale übertragen. Hingegen wird vom darunter liegenden Beton der die Bewehrung als Sandwichdeckel umfassende 43 Querkraftfeld in Platten Teil in analoger Weise zum Scheibenmodell für die Abtragung der Schubspannungen benötigt. Dieser Deckel wird dabei nur an den Rändern durch die horizontalen Komponenten des Gewölbes beansprucht und erfüllt im Inneren die mit der Airyschen Spannungsfunktion einhergehende Bedingung (3.21). Die Spannungen entsprechen den negativen, auf die xy-Ebene projizierten Membranspannungen des Gewölbes und stellen dabei durch die nicht vorhandenen horizontal angreifenden Beanspruchungen eine innere Umlagerung der Kräfte dar. Die aufgezeigte Analogie zwischen den beiden Gleichgewichtsdifferentialgleichungen der Platte und der Membranschale ist die Basis für die im nächsten Kapitel beschriebene Herleitung der bekannten Analogie zwischen der elastisch verträglichen Platte und der elastischen Haut, was das eigentliche Ziel vom Aufzeigen des Unterschieds zwischen den beiden Lösungen erst ermöglichen wird. Das ganze Potential der oben beschriebenen Analogie kann indes an dieser Stelle nicht vollständig ausgeschöpft werden. Einerseits liessen sich zum Beispiel die von Tarnai angestellten Überlegungen über die Existenz und Eindeutigkeitsbedingungen von Membranschalen nun auf die Platten übertragen [89, 90, 91]. Anderseits könnten für vollständige Lösungen von Stahlbetonplatten die dazugehörigen Membranschalen ermittelt werden, durch welche eventuell weitere Erkenntnisse über den Kraftfluss im Traglastzustand offenbar würden. 44 Elastische Lösung 3.2 Elastische Lösung Ausgehend von der Membranschale lässt sich die elastische Haut als Spezialfall davon betrachten. Die beiden Modellvorstellungen unterscheiden sich durch die im zweiten Fall fehlende horizontale Schubsteifigkeit, was eine Abtragung von Schubspannungen verunmöglicht und dadurch den Mohrschen Kreis der Membranspannungen auf einen Punkt reduziert. Mit dieser Eigenschaft vereinfachen sie die mit (3.14) und (3.15) hergeleiteten vertikalen Gleichgewichtsbedingungen an den beiden positiven Schnittufern in Bild 3.1 (c) zu vx n z, x el. Haut , x (3.26) v y n z, y el. Haut , y (3.27) was die Beschreibung der Querkraft als Gradient eines Potentials ermöglicht. Die Anwendung der zweiten Gleichgewichtsgleichung (3.17) führt zu der bis auf den Vorzeichenwechsel zu (3.10) analogen elliptischen Differentialgleichung der elastischen Haut el. Haut el. Haut , xx el. Haut , yy n z, xx z, yy qz (3.28) Bei der Platte beinhaltet die Menge aller statisch zulässigen Spannungszustände auch jenen, welcher neben der statischen auch die kinematischen Bedingungen gemäss (2.95) beziehungsweise (2.102) erfüllt und somit elastisch verträglich ist. Daraus folgt, dass die Querkraft ebenfalls als Gradient eines Potentials beschrieben werden kann v D grad w (3.29) und sich mit Hilfe des Momententensors in (3.21) als Funktion der 1. Invariante ausdrücken lässt el mI 2 nz 1 1 (3.30) Die über den Plattenbereich veränderliche 1. Invariante kann dabei als doppelter Betrag eines mittleren Moments interpretiert werden, welches zusammen mit dem Skalierungsfaktor 2 / 1 und der Division durch den veränderlichen Hebelarm z zur konstanten Normalspannungskomponente 2 n / 1 in Bild 3.1 (d) führt. Somit ist die Formfunktion z affin zum Potential in Funktion der 1. Invariante des Momententensors. Die Querkraft (3.29) stellt in Bezug auf (3.1) den partikulären Anteil dar; die anderen Anteile sind bei der elastisch verträglichen Lösung nicht vorhanden. Daraus folgt aus (3.30) und (3.10) die zur elastischen Haut (3.28) analoge elliptische Differentialgleichung el 2 n z, xx z, yy qz 1 (3.31) mit dem Unterschied einer skalierten Normalspannungskomponente. Diese rührt daher, dass die durch Schubspannungen injizierten Drillmomente in Bild 3.1 (b) infolge der elastischen Verträglichkeit nicht verschwinden, wie man aus Bild 3.1 (d) auf den ersten Blick entnehmen könnte, sondern in das Potential eingearbeitet werden. Die Analogie zwischen den beiden elastischen Lösungen (3.28) und (3.31) besteht darin, dass für eine vorgegebene Beanspruchung qz der identische Kraftfluss resultiert, sofern die konkreten Problemstellungen gleiche Grundrisse und zueinander analoge Randbedingungen aufweisen. Der Kraftfluss einer elastischen Platte lässt sich somit von der dazu analogen elastischen Haut ablesen, was insbesondere in Bezug auf die Ordnung der Differentialgleichung den Vorteil offenbart. Anstelle der Bipotentialgleichung (2.105) lässt sich die Problemstellung auf die elliptische Dif45 Querkraftfeld in Platten ferentialgleichung (3.31) reduzieren und mit der Analogie zur elastischen Haut auch mechanisch erklären. Die Form des Potentials lässt sich für jede einfach gelagerte Problemstellung problemlos durch räumliches Vorstellungsvermögen qualitativ finden, indem eine Membran über eine in der Form des Grundrisses entsprechende Öffnung gespannt und diese mit der Beanspruchung qz belastet wird. Der auf die so erhaltene Formfunktion z angewendete Gradient entspricht der skalierten Querkraft. Die Hauptquerkraft nach (2.88) zeigt dabei aufgrund der möglichen Beschreibung mit einem Potential in Richtung des Fallliniengefälles der Formfunktion z, was zu einer weiteren Analogie führt. Lässt man am jeweiligen Ort die Beanspruchung qz in Form von Wasser mit der entsprechenden Intensität in z-Richtung auf die gefundene Formfunktion z fallen, so zeigt einerseits der Abfluss auf der Oberfläche in Hauptquerkraftrichtung, und anderseits verhält sich die Abflussmenge proportional zum Betrag der Hauptquerkraft. Diese beiden Analogien sind am Beispiel der gleichförmig belasteten und allseitig aufgelegten elastischen Quadratplatte in Bild 3.2 illustriert, wobei die entsprechende Membran aus Gründen der Übersichtlichkeit nur für einen Viertel der Platte dargestellt ist. Die Analogie zwischen der elastischen Platte und der elastischen Haut wurde erstmals von Marcus [41, 42] aufgezeigt und ist in den Arbeiten von Timoshenko [92], Saether [76, 77, 78] sowie Fonseca [11] erneut aufgegriffen und weiterverfolgt worden. Sie ist zudem zur weitaus bekannteren Membrananalogie von Prandtl ähnlich [71], welche einen Zusammenhang zwischen der St. Venant Torsion von beliebigen Stabquerschnitten und der elastischen Haut aufstellt. Der Unterschied ist dabei im Ansatz des Potentials zu finden, welcher die Schubspannungskomponenten aus der St. Venant Torsion anstelle von (3.3) in der Form von (3.4) zusammenfasst. Dadurch zeigen die Hauptschubspannungen anstatt in Richtung des Fallliniengefälles entlang der Höhenlinien des Potentials in den Bildern 3.2 (d) und (e). Weiter existiert mit der Sandhügelanalogie nach Nadai [61] für die St. Venant-Torsion ein plastisches Pendant zur elastischen Membrananalogie nach Prandtl; die Schubspannungsverläufe der vollständigen Lösung nach der Plastizitätstheorie können damit einfach ermittelt werden. Man wäre auf den ersten Blick durch die bestehende elastische Analogie zwischen Platte-Haut-Torsion versucht, die Sandhügelanalogie auf plastische Plattenprobleme zu übertragen, was aus folgenden Gründen nicht gelingen kann. Erstens liegt der elastischen Analogie eine elliptische Differentialgleichung zu Grunde, was im Fall der Platte erst mit der Beschreibung durch die angesprochene Reduktion möglich ist. Zweitens sind im plastischen Zustand unterschiedliche Spannungskomponenten in Bezug auf die Fliessbedingung massgebend. Für das angestrebte Ziel des Steuerns des Kraftflusses in Stahlbetonplatten kann eine solche eindeutige Analogie in Anbetracht der frei wählbaren Bewehrungsanordnung sowieso nicht dienlich sein. Die Sachlage zeigt sich zudem durch den Umstand verwickelter, als einerseits der Querkraftfluss gesteuert werden sollte und anderseits die Plattenmomente die von der Bewehrung abhängigen Biegewiderstände gemäss der Normalmomenten-Fliessbedingung nicht überschreiten dürfen. Darum wird die in diesem Kapitel begonnene Untersuchung des Kraftflusses sukzessive weitergeführt, was im nächsten Schritt zum Vergleich der reinen Gleichgewichtslösung mit der elastischen Lösung führt. 46 Vergleich der Lösungen Bild 3.2: 3.3 Elastische Platte und Membrananalogie: (a) einfach gelagerte Quadratplatte; (b) zugehöriges Membranmodell; (c) Funktionsweise der Membrananalogie; (d) Hauptquerkraftlinien der elastischen Platte; (e) Membran unter Druck. Vergleich der Lösungen Das Querkraftfeld einer elastischen Platte kann nach (3.29) als Gradient des Potentials (3.30) beschrieben werden, was den Kraftfluss mit der Analogie zur elastischen Haut für beliebige Plattengrundrisse mit einfacher Lagerung gedanklich konstruieren lässt. Die so gewonnene Lösung hat insbesondere bis zum Erreichen des Rissmomentes auch für Platten aus Stahlbeton Bestand, da für die ungerissene Biegesteifigkeit der Anteil des Betons als homogen isotroper Werkstoff denjenigen der Bewehrung deutlich übertrifft. Wird die Beanspruchung über das Rissmoment monoton gesteigert, durchläuft die Platte bis zum Erreichen der Traglast infolge elastischer und plastischer Schnittkraftumlagerungen verschiedene Spannungszustände, welche nur mit einer aufwendigen nichtlinearen Berechnung zu quantifizieren sind und aus baupraktischer Sicht eine untergeordnete Rolle einnehmen. Hingegen ist für den konstruktiv tätigen Ingenieur eine zuverlässige Aussage über die Traglast von eminenter Wichtigkeit, welche direkt mit Hilfe der vollständigen Lösung der Plastizitätstheorie 47 Querkraftfeld in Platten ermittelt werden kann. Diese besteht nach dem Verträglichkeitssatz aus einem statisch zulässigen Spannungszustand gemäss (2.82) und einem damit plastisch verträglichen, kinematisch zulässigen Verschiebungszustand. Wird vorausgesetzt, dass die Platte einen initial eigenspannungsfreien Zustand aufweist und zum Erreichen der Traglast nur die dazugehörige Belastungsgruppe monoton gesteigert wird, so ist der statisch zulässige Spannungszustand der vollständigen Lösung ebenfalls für die ganze Platte eindeutig. Andernfalls beschränkt sich diese Aussage gemäss (2.7) auf die Bereiche der auftretenden plastischen Krümmungsinkremente. Für diesen so gefundenen statisch zulässigen Spannungszustand liesse sich nun mit der Analogie zwischen den beiden Gleichgewichtslösungen eine dazu mögliche Membranschale konstruieren, welche jedoch nicht eindeutigen Charakter aufweist. Letztendlich liegen mit der elastischen Lösung beziehungsweise der vollständigen Lösung nach der Plastizitätstheorie zwei eindeutige, statisch zulässige Spannungszustände vor, welche in jeder Platte zu Beginn und am Schluss der monotonen Laststeigerung bis zur Traglast eintreten werden. Auf der einen Seite lässt sich dabei der Kraftfluss als Gradient eines Potentials (3.30) beschreiben el mI 1 (3.32) welches sich zur gleichwertigen Identität 1 1 2 1 2 el mI x mxy , y y mxy , x g x h y 2 1 1 (3.33) umformen lässt und mit der Querdehnungszahl = 0 zu folgendem Ausdruck führt el 1 mI x mxy , y y mxy , x g x h y 2 mit 0 (3.34) Die Legitimität des letzten Schritts lässt sich dabei folgendermassen begründen. Denkt man sich eine Platte mit zwei verschiedenen Materialisierungen (insbesondere unterschiedlichen Querdehnungszahlen 1 und 2), so unterscheiden sich bei gleicher Beanspruchung qz die beiden daraus folgenden Kraftflüsse gemäss el.1 mI.1 m el.2 I.2 qz 1 1 1 2 (3.35) nur durch einen Eigenspannungszustand v h2 nach (2.82). Die Gleichung (3.34) lässt sich somit als Superposition eines elastischen Potentials mit einem entsprechenden Eigenspannungszustand v h2 auffassen, wobei die mögliche Beschreibung durch ein Potential weiterhin gegeben ist. Der Grund ist hierfür in der Zulässigkeit der Funktion v h2 zu finden, welche sowohl divergenz- als auch wirbelfrei sein muss. Auf der anderen Seite steht der statisch zulässige Spannungszustand der vollständigen Lösung, welcher in seiner allgemeinsten Form sowohl rotationsfreie als auch wirbelbehaftete Eigenspannungszustände aufweisen wird und dadurch eine Beschreibung des Kraftflusses als Gradient eines Potentials verunmöglicht, wie dies die Anteile in (3.13) im Vergleich zu (3.34) offensichtlich machen. Das heisst, dass insbesondere der wirbelbehaftete Eigenspannungszustand in den erwähnten Schnittkraftumlagerungen während der monotonen Laststeigerung seinen Ursprung haben muss und damit zur Frage führt, wodurch Wirbel im Querkraftfeld entstehen können. Die Relevanz dieser Fragestellung wird noch dahingehend bestärkt, dass für das Beispiel der gleichmässig belasteten, zentrisch punktgestützten Quadratplatte ein statisch zulässiger Spannungszustand der vollständigen Lösung nach Marti [44] vorliegt, welcher in der ganzen Platte bis auf den Bereich der Fliessgelenklinien Wirbel aufweist. Dabei ist einerseits festzuhalten, dass zum Ausbilden der vollständigen Lösung während der monotonen Laststeigerung plastische Krümmungsinkremente auftreten können, welche nicht zur endgültigen Fliessgelenklinienkonfiguration gehören müssen und damit den 48 Vergleich der Lösungen Bereich der plastischen Krümmungsinkremente erweitern. Andererseits sind Wirbelfelder in den während der monotonen Laststeigerung elastisch bleibenden Teilbereichen der Platte nach (3.29) kinematisch vermeintlich nicht möglich. Man wäre nun versucht, eine Abhängigkeit zwischen den plastischen Krümmungsinkrementen und den Wirbeln im Querkraftfeld herzustellen, was jedoch im Widerspruch zum angesprochenen Beispiel steht, wo gerade die Fliessgelenklinien und somit die Bereiche der endgültigen plastischen Krümmungsinkremente wirbelfrei sind. Die nun ausformulierte Fragestellung bezüglich der Wirbelbildung führt in einem ersten Schritt zur Untersuchung des Querkraftflusses an Diskontinuitätslinien, welche in Kapitel 4 vorgenommen wird. 49 50 4 Querkraftfluss an Diskontinuitätslinien 4.1 Einleitung Das Auffinden von vollständigen Lösungen nach der Plastizitätstheorie ist das übergeordnete Ziel dieser Arbeit. Das heisst, dass die Lösung sowohl statisch als auch kinematisch zulässig und plastisch verträglich sein muss. Bei der Diskussion des Querkraftflusses an den in Kapitel 2.4 erörterten Diskontinuitätslinien, welche entweder auf statischen oder kinematischen Grundlagen beruhen, muss deren allgemeiner Lösungsbereich durch die plastische Verträglichkeit im Sinne des Verträglichkeitssatzes eingeschränkt werden, um als Teil der Platte die oben formulierte Forderung erfüllen zu können. Ausgehend von der in Kapitel 2.3 vorgenommenen Unterteilung der Normalmomenten-Fliessbedingung wird die Diskussion im vorliegenden Kapitel aus folgenden Gründen auf das Fliessregime III fokussiert: Erstens müssen danach kinematisch zulässige Mechanismen abwickelbaren Flächen entsprechen, womit kinematische Diskontinuitäten Geraden darstellen und damit den Lösungsraum stark einschränken. Zweitens stellt das Fliessregime III in Bild 2.8 (c) im Vergleich zu Fliessregime I und II die meisten Spannungspunkte dar, womit deren Auftreten von grosser Wahrscheinlichkeit ist. Die zum Fliessregime III gehörende Eigenschaft gerader kinematischer Diskontinuitätslinien wird dabei für die statische Diskontinuitätslinie übernommen, was einen Vergleich zwischen den Diskontinuitätslinien möglich macht. 4.2 Statische Diskontinuitätslinien 4.2.1 Darstellung mit Wirbelschichten Statische Diskontinuitäten können wie plastische Krümmungsinkremente nach (3.29) in initial eigenspannungsfreien, elastischen, homogen isotropen und schubstarren Platten nicht vorkommen, womit sie durch deren Einprägen beim Umlagerungsprozess ebenfalls als potentielle Auslöser von Wirbelfeldern in Frage kommen. Mit der Beziehung (3.12) mnn mtt , nt mnt ,tt mnt , nn (4.1) steht ein Werkzeug zur Verfügung, um Wirbelfelder im Querkraftfeld auf der Basis von vorgegebenen Momentenfeldern identifizieren zu können. Hierzu ist die statische Diskontinuitätslinie als infinitesimales Plattenelement inmitten des Kontinuums aufzufassen (Bild 4.1 (a)), wobei sie mit den aus den Bildern 2.9 (a) - (c) gewohnten Abmessungen dargestellt werden soll. Weiter ist zu beachten, dass das Gleichgewicht nach (2.120) - (2.123) wie bis anhin nur mit der Grenzwertbildung dn 0 erfüllt wird. Wendet man die Beziehung (4.1) auf dieses infinitesimale Plattenelement an, so lassen sich die vier Terme rechterhand wie folgt interpretieren: Der erste Term beschreibt die 51 Querkraftfluss an Diskontinuitätslinien zweifache Änderung des zur Diskontinuitätslinie tangential verlaufenden Biegemoments mnn, welcher mit Hilfe von (2.123) mnn ,nt lim dn 0 II I mnn ,t mnn ,t dn 0 (4.2) als Änderung der beiden diskreten Biegemomente aufgefasst werden kann und mit dem Grenzwertdurchgang verschwinden muss. Der zweite und dritte Term verschwinden infolge der fehlenden konzentrierten Balkenmomente beziehungsweise der fehlenden konzentrierten Drillmomente entlang der Diskontinuitätslinie ebenfalls: mtt ,nt 0 (4.3) mnt ,tt 0 (4.4) Erst im letzten Term kommt der durch die Diskontinuität hervorgerufene Drillmomentensprung in Bild 4.1 (b) zum Tragen, welcher sich mit einer räumlichen Ausdehnung in n-Richtung als lineare Funktion mit der Steigung mnt / dn abbilden lässt. Die schrittweise partielle Differentiation führt zunächst an den Grenzen der Diskontinuitätslinie zu den in Bild 4.1 (c) dargestellten Sprüngen, welche sich als skalierte Heaviside-Funktionen h x beschreiben lassen. Die Sprungfunktion stellt ihrerseits die Stammfunktion der Dirac-Delta-Funktion x dar, welche in der Physik je nach Anwendungsfall auch unter der Bezeichnung „Impulsfunktion“ beziehungsweise „Stossfunk- Bild 4.1: 52 Statische Diskontinuitätslinie: (a) Schnittkörper aus Kontinuum; (b) Verlauf des Drillmoments quer zur Diskontinuitätslinie; (c) einfache Ableitung des Drillmomentes nach n; (d) zweifache Ableitung des Drillmomentes nach n. Statische Diskontinuitätslinien Bild 4.2: Versteckter Unterzug: (a) Schnittkörper aus Kontinuum; (b) Verlauf des Drillmoments quer und längs zur Diskontinuitätslinie; (c) einfache Ableitung des Drillmomentes nach n; (d) Ableitung des Drillmomentes nach n und t. tion“ bekannt ist. Sie ist dadurch charakterisiert, dass einerseits ihr Funktionswert für alle x mit Ausnahme von x = 0 verschwindet x , x 0 0, x 0 (4.5) und anderseits das Integral unter ihrer Kurve den Betrag von eins aufweisen muss. x dx 1 (4.6) Damit strebt der Funktionswert in (4.5) an der Stelle x = 0 gegen unendlich. Die erneute Differentiation der beiden Sprungfunktionen ergibt die im Vorzeichen verschiedenen, im Betrag identischen, skalierten Dirac-Delta-Funktionen in Bild 4.1 (d), die nun mit der Wirbeldichte (4.1) gleichzusetzen sind. mnt ,nn (4.7) Bevor eine mechanische Interpretation von (4.7) vorgenommen wird, soll das vorgezeigte Vorgehen auch auf die zweite statische Diskontinuitätslinie, den versteckten Unterzug, übertragen werden, siehe Bild 4.2 (a). Durch Anwenden der Beziehung (4.1) auf das infinitesimale Plattenelement verschwinden gleich wie bei der ersten statischen Diskontinuitätslinie der erste und der dritte Term. Der Unterschied macht sich beim zweiten und vierten Term bemerkbar, wobei der Letztere wegen des nun nicht vorhandenen Drillmomentensprungs verschwindet. Das konzentrierte Balkenbiegemoment Mtt lässt sich mittels Division durch die Breite des versteckten Unterzuges als verteiltes 53 Querkraftfluss an Diskontinuitätslinien Plattenbiegemoment mtt auffassen und in Bild 4.2 (b) mit der Änderung in t-Richtung darstellen. Leitet man dieses partiell nach beiden Richtungen ab, was in den Bildern 4.2 (c) und (d) schrittweise vollzogen wird, erhält man den übrig gebliebenen zweiten Term mtt ,nt (4.8) mit den bereits bekannten Dirac-Delta-Funktionen. Die beiden statischen Diskontinuitäten weisen demnach entlang ihrer Linie zwei im Vorzeichen verschiedene, seitlich versetzte diskrete Wirbelschichten auf, welche nur bei einem vorhandenen Querkraftfluss in Richtung der Diskontinuität erzeugt werden. Der Umkehrschluss, dass Diskontinuitäten nur bei vorhandenen Wirbelschichten existieren, ist dabei nur im Fall der statischen Diskontinuität mit dem Drillmomentensprung korrekt. Beim versteckten Unterzug ist der Spezialfall eines konstanten Balkenbiegemoments möglich, welcher wegen des verschwindenden Querkraftflusses keine Wirbel aufweist. Weiter ist aus den Darstellungen in den Bildern 4.1 (d) und 4.2 (d) ersichtlich, dass die gefundenen Wirbel diskreten Charakter aufweisen und auf die angrenzenden Plattenelemente keine kontinuierlichen Wirbelfelder übertragen. Dies lässt sich ebenfalls in der integralen Form mit dem Satz von Stokes zeigen, wonach sich die Zirkulation von einem Gebiet berechnen lässt. Für den vorliegenden Fall der infinitesimalen Diskontinuitätslinien in den Bildern 4.1 (a) und 4.2 (a) resultiert v dS rot v dA dA 0 S A (4.9) A sofern der Schnittkörper nicht schräg geschnitten wird. 4.2.2 Analogie zur Fluidmechanik Das abstrakte Resultat der beiden diskreten Wirbelschichten bedarf einer mechanischen Interpretation. Ein Analogieschluss zur Fluidmechanik soll erstens die gewonnenen Erkenntnisse sowie die Richtigkeit der mit (4.1) bis (4.9) ausgeführten Rechenschritte untermauern und zweitens eine mechanische Erklärung für den Kraftfluss an den statischen Diskontinuitätslinien liefern. Das Querkraftfeld v einer Platte kann, wie in Kapitel 2.2 bei der Herleitung von (2.80) angedeutet, als Geschwindigkeitsfeld v einer ebenen stationären Strömung aufgefasst werden. Strömungen sind grundsätzlich in Potential- und Wirbelströmungen zu unterteilen, wobei sich die erste Gruppe in die mit den Bildern 4.3 (a) - (c) dargestellten Elementarströmungen der Parallelströmung (a), der Quellen- beziehungsweise Senkenströmung (b) sowie des Potentialwirbels (c) auftrennen lässt [83, 68]. Diese drei Grundtypen haben gemeinsam, dass die auf das Geschwindigkeitsfeld v angewendete Rotation bis auf die Diskontinuitätsstelle in den Fällen (b) und (c) verschwindet und dadurch deren Beschreibung mit einem Potential vollzogen werden kann. Die Fälle (a) und (b) haben ferner sowohl für reibungsbehaftete als auch reibungsfreie Fluide Bestand, womit die Unterscheidung bezüglich des vorhandenen Fluides hinfällig ist. Bei der Charakterisierung der Wirbel ist die vorhandene Fluidreibung entscheidend. Im Fall eines reibungsfreien (idealen) Fluides, kann am infinitesimalen Fluidelement wegen der fehlenden Schubspannungen kein Moment wirken und damit auch kein Wirbel vorhanden sein. Die Modellvorstellung des Potentialwirbels weist einen in der räumlichen Ausdehnung (r0 0) verschwindenden starren Wirbelkern auf, welcher auf das umgebende Fluid das in Bild 4.3 (c) aufgetragene Geschwindigkeits- beziehungsweise Wirbelstärkeprofil erzeugt. Eine ausgerichtete Korkscheibe würde sich in dieser Strömung auf einem konzentrischen Kreis rein translatorisch bewegen, also wegen der angesprochenen Eigenschaft des idealen Fluides keine Rotation um die eigene Achse vollführen. Dies ist in Bild 4.3 (c) mit kleinen Kreisen angedeutet. 54 Statische Diskontinuitätslinien !" # Bild 4.3: Strömungsarten: (a) Parallelströmung; (b) Quell- oder Senkenströmung; (c) Potentialwirbel; (d) starrer Wirbel; (e) idealer Freistrahl; (f) Modellvorstellung für Freistrahl; (g) (h) Superposition eines Freistrahls mit einer Parallelströmung; (i) vektorielle Addition der beiden Strömungen. 55 Querkraftfluss an Diskontinuitätslinien Demgegenüber führt eine unendliche Schubsteifigkeit mittels Grenzwertbetrachtung zum schubstarren Fluid und somit zum starren Körper, welcher in Bild 4.3 (d) dargestellt ist. Die Korkscheiben bewegen sich wiederum auf konzentrischen Kreisen mit dem entsprechenden Geschwindigkeitsprofil, weisen dabei aber über das ganze Gebiet eine konstante Eigenrotation auf. Die beiden vorgestellten Modellvorstellungen stellen hinsichtlich der Schubsteifigkeit Grenzbetrachtungen dar und sind im Bereich der Fluidmechanik aus physikalischer Sicht theoretischer Natur, da einerseits der Potentialwirbel durch die vorhandene Diskontinuität eine unendlich grosse Winkelgeschwindigkeit aufweisen muss und andererseits die Schubsteifigkeit bei Fluiden nicht unendlich gross sein kann. Die erste Schwierigkeit wird hierbei durch den Rankine-Wirbel behoben, welcher im Gegensatz zum Potentialwirbel eine räumliche Ausdehnung erfährt, sonst jedoch wie in Bild 4.3 (c) dargestellt werden kann. Der zweite Punkt führt zur erweiterten Modellvorstellung des Hamel-Oseen Wirbels, welcher in reibungsbehafteten (Newtonschen) Fluiden die NavierStokes-Gleichung exakt erfüllt. Dieses Wirbelmodell beinhaltet die zwei vorgestellten Wirbel als Spezialfälle und ist im Unterschied zu diesen in der Lage, kontinuierliche Wirbelfelder erzeugen zu können. Dank dem Exkurs zu den verschiedenen Strömungsarten ist es nun möglich, eine mechanische Interpretation der mit den Bildern 4.1 (d) und 4.2 (d) dargestellten Wirbelschichten vornehmen zu können. Diese lassen sich wegen ihres diskreten Charakters als kontinuierliche Reihe von Potentialwirbeln auffassen, welche zusammengefasst eine diskrete Grenzschicht im idealen Fluid bilden. Diese Grenzschicht als einfache Diskontinuitätsfläche bewirkt einen Geschwindigkeitssprung zwischen den angrenzenden Kontinua und ist im Allgemeinen für den Anwendungsbereich der Fluidmechanik labil. Bei einer kleinen Störung eines einzigen Wirbelfadens würde sich die kontinuierliche Wirbelschicht zu diskreten Wirbeln aufrollen [82, 84]. Kombiniert man zwei solcher Grenzschichten mit im Betrag identischer und im Drehsinn unterschiedlicher Wirbelstärke zu zueinander parallel verlaufenden Linien, so erhält man den in Bild 4.3 (e) dargestellten Freistrahl. Dieser entsteht, wenn durch eine Öffnung ein Strahl mit der Geschwindigkeit v in ein ideales ruhendes Fluid eingelassen wird. Dabei lösen sich bei der Öffnung beidseitig an der Berandung kontinuierlich an der Materie haftende Potentialwirbel ab, welche den Geschwindigkeitssprung v im Freistrahl zu den angrenzenden Kontinua aufrechterhalten. Dieser Vorgang kann auch durch die Modellvorstellung zweier Rollenlager in Bild 4.3 (f) erklärt werden. Die an der Berandung sich ablösenden Wirbel müssen für ein ideales Fluid nach dem zweiten und dritten Helmholtzschen Wirbelsatz konstant über die Zeit an der Materie haften bleiben, was den rotierenden schwarzen Rollen entspricht. Diese bewegen sich dabei nur mit der halben Geschwindigkeit in Richtung des Freistrahls, wie dies anhand der drei Zeitaufnahmen in Bild 4.3 (f) illustriert ist. Der Freistrahl ist somit durch zwei Wirbelschichten begrenzt, welche ihrerseits aus aneinander gereihten Potentialwirbeln zusammengesetzt sind und sich deshalb weiterhin als Potentialströmungen beschreiben lassen. Solche Strömungen dürfen nach dem Superpositionsprinzip einander beliebig überlagert werden, was in den Bildern 4.3 (g) und (h) an zwei Beispielen demonstriert werden soll. Der Freistrahl weist nun die Besonderheit einer gegen Null tendierenden Breite auf, womit die Geschwindigkeit unendlich gross wird und dadurch bei einer Überlagerung mit einer Parallelströmung keine Drift senkrecht zur Ausrichtung nach Bild 4.3 (a) erhält. Im ersten Beispiel sind die beiden Geschwindigkeiten vt und vn konstant, was in Analogie zur statischen Diskontinuitätslinie mit 56 Statische Diskontinuitätslinien einem konstanten Drillmomentensprung beziehungsweise nach (4.7) mit konstanter Wirbelstärke entlang des Freistrahls einhergehen muss: Vt ,t 0 , Vt const mntII mntI (4.10) Die beiden Strömungen fliessen somit durcheinander hindurch. Beim zweiten Beispiel ist die Freistrahlgeschwindigkeit bei der Öffnung Null, Vt t 0 0 , und wird in t-Richtung stetig aufgebaut, Vt ,t const , Vt t c t mntII mntI (4.11) was in Analogie zur statischen Diskontinuitätslinie mit einem entlang des Freistrahls zunehmenden Drillmomentensprung beziehungsweise einer stetig zunehmenden Wirbelstärke vereinbar ist. Dies bewirkt aus Kontinuitätsüberlegungen in der Parallelströmung einen Geschwindigkeitssprung von vnI zu vnII, welcher nun als Abfluss in Richtung des Freistrahls in Erscheinung tritt. Das im zweiten Beispiel enthaltene Gedankenspiel wäre im Anwendungsbereich der Fluidmechanik auch für den Spezialfall von idealen Fluiden undenkbar; dort werden die Potentialwirbel einer Grenzschicht nur mittels eines Geschwindigkeitssprungs induziert, nicht umgekehrt. Demgegenüber können bei der statischen Diskontinuitätslinie Wirbel durch Drillmomentensprünge erzeugt und angetrieben werden, was letztendlich zu einem Querkraftfluss inmitten der Diskontinuität führt. Der Querkraftfluss gemäss Bild 4.3 (h) lässt sich auch auf anschauliche Weise aus den in Bild 4.3 (i) dargestellten Teilströmungen superponieren. Dabei wird klar ersichtlich, dass ein stetiger Zuwachs der diskreten Querkraft durch die angrenzenden Querkraftfelder genährt werden muss. Dabei spielt nur der Betrag des Drillmomentensprungs als Antrieb für die Wirbel eine Rolle; der Funktionsverlauf innerhalb dn in Bild 4.1 (b) ist dabei nicht von Relevanz. Abschliessend ist festzuhalten: Der Querkraftfluss an den beiden statischen Diskontinuitätslinien einer Stahlbetonplatte verhält sich analog zum Geschwindigkeitsfeld des Freistrahls in einem idealen Fluid. An statischen Diskoninuitätslinien werden zwei diskrete Wirbelschichten erzeugt, welche in der Fluidmechanik zwei Grenzschichten entsprechen, die wiederum aus aneinander gereihten Potentialwirbeln zusammengesetzt sind. Von statischen Diskontinuitätslinien ausgehende kontinuierliche Wirbelfelder können somit ausgeschlossen werden. Ferner können im Innern einer initial eigenspannungsfreien elastischen, homogenen und isotropen Platte gemäss (3.29) keine Potentialwirbel und darausfolgend gemäss (4.7) beziehungsweise (4.8) keine statischen Diskontinuitätslinien existieren. 4.2.3 Plastische Verträglichkeit Die Diskussion über den Querkraftfluss an statischen Diskontinuitätslinien fusst bis anhin auf einer rein statischen Betrachtungsweise. Zum Erreichen des übergeordneten Ziels, dem Auffinden von vollständigen Lösungen nach der Plastizitätstheorie, muss der lokale Lösungsraum ebenso wie bei der globalen Betrachtung einer Platte mittels kinematischer Bedingungen eingeschränkt werden, damit die statische Diskontinuitätslinie für sich einzeln sowohl statisch als auch kinematisch zulässigen Charakter aufweist. Für den vorliegenden Fall der statischen Diskontinuitätslinie mit dem Drillmomentensprung gestaltet sich dieses Unterfangen dahingehend schwieriger, als die Definition der plastischen Verträglichkeit auf den ersten Blick nicht erkennbar ist. Einerseits ist in Bezug auf die verallgemeinerten Grössen der Plattenbiegemomente mit der in Kapitel 2.4.2 hergeleiteten kinematischen Diskontinuität das einzig mögliche, plastische Verzerrungsinkrement gegeben, welches mit einem Fliessgelenk einhergehen muss. Anderseits sind im Innern einer initial eigenspannungsfreien, elastischen, homogen isotropen und schubstarren Platte Drillmomentensprünge mit der vorangegangen 57 Querkraftfluss an Diskontinuitätslinien Bild 4.4: Elastische Quadratplatten: (a) reiner Drillmomentenzustand; (b) kinematische Unverträglichkeit beim gedanklichen Zusammenführen beider Platten. Bestätigung der Potentialwirbel elastisch kinematisch nicht verträglich, womit diese dem Querkraftfeld nur während dem monotonen Laststeigerungsprozess eingeprägt werden können. Dies lässt sich anhand des Beispiels in Bild 4.4 (a) in anderer Form nochmals erläutern. Zwei identische Quadratplatten I und II werden durch entgegengesetzt gleiche vertikale Kräfte an den Ecken beansprucht. Sie erfahren dadurch eine konstante Drillmomentenbeanspruchung von mxy F , welche unter Voraussetzung eines elastischen Verhaltens nach (2.102) zur Durchbiegung w x, y F xy D 1 (4.12) führt. Hierbei steht das obere Vorzeichen für die erste, das untere für die zweite Platte. Verbindet man die Platten gedanklich bei x = 0, so erhält man aus statischer Sicht den anvisierten Drillmomentensprung von mxy 2 F , welcher jedoch, wie aus Bild 4.4 (b) ersichtlich, mit einem Knick in der Durchbiegung einhergehen muss und damit elastisch nicht verträglich sein kann. Die für die Einzelplatten gefundene elastische Lösung (4.12) kann somit nicht derjenigen der gekoppelten Platte entsprechen. Die vorgebrachten Fakten führen damit zur folgenden Hypothese bezüglich der plastischen Verträglichkeit der statischen Diskontinuitätslinie: Erfüllt die Platte während des monotonen Laststeigerungsprozesses die einzig mögliche Fliessbedingung nach (2.113) respektive nach (2.114), so treten beim Fortführen der Laststeigerung entweder dem Fliessgesetz entsprechende plastische Krümmungsinkremente in Form eines Fliessgelenks auf, oder, falls dies kinematisch nicht möglich ist, wird dem Querkraftfeld ein Zwängungszustand in Form eines Wirbelfeldes eingeprägt. Wie anhand der Versuchsauswertungen in [52] ersichtlich wird, weiten sich die plastischen Bereiche in den zur statischen Diskontinuitätslinie angrenzenden Plattenteilen bei der monotonen Laststeige58 Statische Diskontinuitätslinien rung aus und engen damit den dazwischen liegenden Kraftfluss fortlaufend ein, bis sich im Traglastzustand die statische Diskontinuitätslinie und die, wie hier gezeigt, damit einhergehenden diskreten Wirbelschichten ausgebildet haben. Dies lässt auf folgende Annahmen schliessen: In einer gleichmässig orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte ist eine statische Diskontinuitätslinie mit einem Drillmomentensprung infolge eines Zwängungszustandes plastisch verträglich, wenn die Platte auf mindestens einer Seite die Normalmomenten-Fliessbedingung erfüllt; dabei treten in Richtung der statischen Diskontinuitätslinie keine plastischen Krümmungsinkremente auf. Diese Annahmen sollen nun anhand des Mohrschen Momentenkreises in Bild 4.5 (a) für eine gleichmässig orthotrop bewehrte Stahlbetonplatte überprüft und dabei für den anvisierten Vergleich mit der kinematischen Diskontinuitätslinie dahingehend verschärft werden, dass auf beiden Seiten der statischen Diskontinuitätslinie die Normalmomenten-Fliessbedingung erfüllt sein muss. Die beiden Biegewiderstände mxu =140 kN und myu = 40 kN sind aus darstellerischen Gründen mit einem grossen Betragsunterschied und mit ganzzahligen Werten gewählt worden; sie stellen mit Hilfe von (2.106) und (2.107) als Mohrscher Kreis die Grundlage für die folgende Herleitung der geometrischen Konstruktion dar. Weiter wird angenommen, dass die Richtungen der möglichen Fliessgelenklinien der beiden Seiten mit kI kII voneinander verschieden sind und im vorliegenden Fall die Winkel von kI = 71.6 Grad beziehungsweise kII = 45 Grad aufweisen. Da, wie gefordert, beidseitig alle Spannungszustände die Fliessbedingung erfüllen, lassen sich für die gewählten Richtungen der Fliessgelenklinien die Beziehungen mxy tan m yu m yy (4.13) mxy cot mxu mxx (4.14) gemäss (2.112) als Geraden im Diagramm eintragen; diese werden in der Folge als „Fliessgeraden“ bezeichnet. Der Schnittpunkt zweier zusammengehörender Fliessgeraden kommt auf dem Mohrschen Kreis der Biegewiderstände zu liegen und bildet mit den beiden Hauptbiegewiderständen auf der Abszisse ein pythagoräisches Dreieck. Die Spannungspunkte eines zulässigen Spannungszustandes, welche die Fliessbedingung unter der geforderten Richtung der Fliessgelenklinie erfüllen, müssen sich auf den zusammengehörenden Geraden befinden. Damit ist mit Angabe eines Plattenmoments der dazugehörige Spannungszustand durch (4.13) und (4.14) eindeutig definiert. Im vorliegenden Beispiel sind dies die beiden Biegemomente um die y-Achse mit den Beträgen von mxxI = 110 kN sowie mxxII = 115 kN, womit sich die beiden Mohrschen Momentenkreise konstruieren lassen. Die Spannungspunkte können zur Kontrolle nach (2.90) - (2.92) in die Richtungen der beiden Fliessgelenklinien transformiert werden; sie müssen ebenfalls auf dem Mohrschen Kreis der Biegewiderstände mit mnuI und mnuII liegen. Für die beidseitig gewählten Spannungszustände lassen sich die Richtungen s der möglichen statischen Diskontinuitätslinien gemäss (2.123) aus der Beziehung mnnI mnnII (4.15) ermitteln, wobei gemäss (2.90) mnnI mxxI cos 2 s m yyI sin 2 s 2 mxyI sin s cos s (4.16) mnnII mxxII cos 2 s m yyII sin 2 s 2 mxyII sin s cos s (4.17) gilt. Durch Subtraktion und Nullsetzen folgt mxxI mxxII myyI myyII tan 2 s 2 mxyI mxyII tan s 0 (4.18) 59 Querkraftfluss an Diskontinuitätslinien Die Klammerausdrücke in (4.18) stellen die Differenzen der beidseitigen Spannungskomponenten dar und werden in der Folge mit dem griechischen Zeichen zusammengefasst, wodurch die quadratische Gleichung mxx m yy tan 2 s 2 mxy tan s 0 (4.19) in Funktion des Tangens von s mit der Lösung 1 s1,2 atan mxy myy mxy 2 mxx m yy (4.20) für die beiden Winkel s1 und s2 resultiert. Die beiderseits vorhandenen Spannungszustände lassen sich nun in die gefundene Richtung mit dem Winkel s1,2 transformieren, womit einerseits die mit (4.15) eingangs aufgestellte Forderung erfüllt wird und anderseits sich der mögliche Drillmomentensprung mit mnt mntI mntII (4.21) respektive in Funktion der oben eingeführten Differenzen zwischen den beiden Spannungspunkten mit mnt1,2 m yy mxx sin s1,2 cos s1,2 mxy cos 2 s1,2 sin 2 s1,2 (4.22) ausdrücken lässt. Weiter kann durch Einsetzen von (4.20) in (4.22) gezeigt werden, dass der Drillmomentensprung der beiden gefundenen Richtungen s1 und s2 mit mnt1 mnt 2 mxy 2 mxx m yy (4.23) im Betrag identisch ausfällt und nur im Vorzeichen verschieden ist. Für das vorliegende Beispiel ergeben sich die numerischen Werte der beiden Richtungen mit s1 = 56.9 Grad beziehungsweise s2 = -8.5 Grad sowie der Betrag des Drillmomentensprunges mit mnt = 18.3 kN. Weiter ist daraus klar ersichtlich, dass die Richtungen der beiden Fliessgelenklinien mit keiner der beiden gefundenen Richtungen der statischen Diskontinuitätslinie übereinstimmen. Diese Feststellungen lassen sich, wie im folgenden Kapitel abschliessend gezeigt wird, zur folgenden Fallunterscheidung verallgemeinern: Ein Drillmomentensprung einer statischen Diskontinuitätslinie muss im Innern einer orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte und unter der Bedingung der beidseitig erfüllten Normalmomenten-Fliessbedingung mit unterschiedlichen Richtungen sowohl der kinematischen als auch der statischen Diskontinuitätslinien einhergehen. Fallen hingegen alle diese Richtungen mit s1 = s1 = kI = kII zusammen, so kann zwischen den angrenzenden Platten kein Drillmomentensprung existieren, womit eine verträgliche kinematische Diskontinuitätslinie vorliegen muss. Die Auflösung der eingangs vorgenommenen Verschärfung mit dem beidseitigen Erfüllen der Normalmomenten-Fliessbedingung führt dazu, dass nur auf einer Seite ein plastisches Krümmungsinkrement (wenn überhaupt) in Richtung der statischen Diskontinuitätslinie auftreten könnte; ein Zusammenfallen einer statischen mit einer kinematischen Diskontinuitätslinie ist somit ausgeschlossen. Diese Erkenntnisse sollen nun an drei ausgewählten Beispielen in Bild 4.6 diskutiert werden. Die isotrop bewehrte Rechteckplatte in Bild 4.6 (a) weist ein Seitenverhältnis von 2:1 auf und ist in den drei Punkten A, B und C in vertikaler Richtung starr gelagert. Am freien Ende greifen in den Ecken zwei im Betrag gleich grosse, in Angriffsrichtung einander entgegengesetzte, vertikale Kräfte F an. Im Traglastzustand wird die Querkraft mu mit Hilfe des Drillmoments entlang den Rändern zu den beiden Auflagern B und C getragen, wo sie mit den Reaktionskräften dieser Auflager 60 Statische Diskontinuitätslinien 012 3 012 3 4 012 4 012 ! " &'()( &'()( ,(" $*%* #$%$ % - .%# * %$+ + $%/+ !.%$+ Bild 4.5: Statische Diskontinuitätslinie: (a) geometrische Konstruktion mit Mohrschen Kreisen; (b) verwendete Parameter. im Gleichgewicht steht. In den beiden Eckbereichen der Auflager B und C ist damit einerseits die Fliessbedingung nur im Plattenteil II erfüllt und anderseits ein Drillmomentensprung von mu vorhanden, wie dies aus den dazugehörigen Mohrschen Momentenkreisen in Bild 4.6 (b) ersichtlich ist. Die statische Diskontinuitätslinie muss sich somit in den beiden Eckbereichen ausbilden. Ferner weisen für die gleichmässig isotrope Bewehrung die statische und die kinematische Diskontinui- 61 Querkraftfluss an Diskontinuitätslinien tätslinie wie gefordert unterschiedliche Richtungen auf, womit sich alle eingangs aufgestellten Annahmen bestätigen. Im zweiten Beispiel wird der Versuch A3 in Bild 4.6 (c) diskutiert, welchen Meyboom im Rahmen der Versuchsreihe zur Untersuchung statischer Diskontinuitätslinien in Stahlbetonplatten durchführte [51, 52]. Die Platte mit den Gesamtabmessungen von 3800 mm 1580 mm 150 mm ist im Längenverhältnis 1/3 zu 2/3 in zwei Plattenbereiche mit unterschiedlicher isotroper Bewehrung aufgeteilt und weist überdies im Bereich der anvisierten statischen Diskontinuitätslinie keine Querkraftbewehrung auf. Sie wird an den Ecken der Plattenbereiche durch die in Bild 4.6 (c) angegebene Belastungsgruppe beansprucht, wobei das der monotonen Laststeigerung entsprechende Kräfteverhältnis bewusst nicht demjenigen des Traglastzustandes entspricht. Dies verdeutlichen die beiden Mohrschen Momentenkreise in Bild 4.6 (d), wobei für den Bereich II der kleinere Kreis zur monotonen Laststeigerung beim Erreichen des Grenzzustandes im Bereich I und der grössere Kreis zum endgültigen Traglastzustand gehört. Die statische Diskontinuitätslinie bildet sich im Traglastzustand zwischen den Punkten A und B unter dem Winkel von 0 ° vollständig aus und weist wiederum eine unterschiedliche Richtung zu den beiderseits möglichen kinematischen Diskontinuitätslinien auf. Beim letzten Beispiel handelt es sich ebenfalls um einen Versuch aus der oben angegeben Versuchsreihe von Meyboom [51, 52]. Die Quadratplatte mit der Versuchsbezeichnung A4 wird in der Mitte durch eine vertikale Einzelkraft beansprucht, welche direkt über die Diagonalen in Form von statischen Diskontinuitätslinien zu den starren Auflagern abgetragen werden soll. Dies wird mit einer speziellen Bewehrungsführung bewerkstelligt, indem durch die Diagonalen getrennte Plattenbereiche I und II nur eine Bewehrung in y- beziehungsweise in x-Richtung aufweisen; diese ist jedoch im Bereich der Diagonalen mit Bügeln vollständig verankert. Mit dieser Bewehrungsanordnung wird der Abtrag des Kraftflusses im Traglastzustand über die nun ausgebildeten statischen Diskontinuitätslinien erzwungen. Der zulässige Drillmomentensprung ist nach den Mohrschen Momentenkreisen in Bild 4.6 (f) nur unter dem Winkel von 45 ° möglich und entspricht dem einachsigen Biegewiderstand von mu = 84 kN, woraus eine Traglast von Fu = 336 kN resultiert. Dagegen können sich die kinematischen Diskontinuitätslinien in beliebigen Richtungen, insbesondere auch in Richtung der statischen Diskontinuitätslinien, ausbilden. Dies scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zu den gewonnenen Erkenntnissen bezüglich der statischen Diskontinuitätslinie zu stehen, wonach ein Aufeinanderliegen statischer und kinematischer Diskontinuitätslinien kategorisch ausgeschlossen ist. Das vorliegende Beispiel stellt diesbezüglich allerdings einen Spezialfall dar: Erstens fällt in Bild 4.6 (e) die statische Diskontinuitätslinie gerade mit der Unstetigkeit der Biegewiderstände zusammen, und zweitens entsprechen die Mohrschen Kreise der Beanspruchung in Bild 4.6 (f) beiderseits der statischen Diskontinuitätslinie gerade denjenigen der Biegewiderstände, wodurch sich Fliessgelenklinien in jeder beliebigen Richtung ausbilden könnten. Die mit (4.13) bis (4.23) dargestellten Erkenntnisse basieren auf der Annahme einer gleichmässig orthotropen Bewehrung. Die Mohrschen Kreise des Biegewiderstandes in Bild 4.6 (f) sind zwar geometrisch deckungsgleich, die Richtungen der Hauptbiegewiderstände sind aber wegen der Unstetigkeit der Bewehrung gerade vertauscht. Erst diese Gegebenheit lässt die angegebene Lage der beiden Pole zu, wodurch unter der gleichgerichteten Drehung um diese Punkte mit dem Winkel s letztendlich der Drillmomentensprung mnt resultiert, welcher mit einer kinematischen Diskontinuitätslinie verträglich wäre. Der entscheidende Faktor für diesen Spezialfall ist in der Unstetigkeit der Bewehrung zu identifizieren, was in den allgemeinen Erkenntnissen durch die getroffenen Annahmen ausgeschlossen wurde. Somit ist das letzte Beispiel ausserhalb der mit (4.13) bis (4.23) untermauerten Erkenntnisse als separater Spezialfall zu klassifizieren. 62 Statische Diskontinuitätslinien 0 / !" # $%# & !" # $%# & #+ *& ,*& 1 / !" # $%# & !" # $%# & #+ - *& ,*& ,*& !" # $%# & !" # $%# & #+ ,*& '()*& '()*& .. Bild 4.6: Beispiele für statische Diskontinuitätslinien: (a) Platte mit isotropem Biegewiderstand; (b) Darstellung des Spannungszustandes mittels Mohrschen Kreisen; (c) Platte mit bereichsweise unterschiedlichem Biegewiderstand; (d) Darstellung des Spannungszustandes mittels Mohrschen Kreisen; (e) Quadratplatte mit einachsigem Biegewiderstand pro Region; (f) Darstellung des Spannungszustandes mittels Mohrschen Kreisen. 63 Querkraftfluss an Diskontinuitätslinien 4.3 Kinematische Diskontinuitätslinie Die folgende Diskussion des Kraftflusses an der kinematischen Diskontinuitätslinie stellt auf den mit (4.13) bis (4.23) aufgestellten Grundlagen ab. Dabei gilt es wiederholt festzuhalten, dass der Fokus auf den Kraftfluss im Traglastzustand gerichtet ist und somit nur vollständige Lösungen nach der Plastizitätstheorie untersucht werden. Diese Lösungen haben generell sowohl für die ganze Platte als auch Teile davon plastisch verträglichen Charakter gemäss (2.70) aufzuweisen, was erst ermöglicht, dass statische Gleichgewichtsbedingungen mit der von Kapitel 2.4.2 auf einer kinematischen Herleitung basierenden Fliessgelenklinie verknüpft werden dürfen. In allen anderen Fällen ist dies nicht zulässig und führt zu falschen Resultaten und damit zu irreführenden Schlussfolgerungen, wie sich dies anhand eines Beispiels in Kapitel 5.2.2 aufzeigen lässt. Die Ausgangslage stellt somit die Darstellung der plastisch verträglichen statischen Diskontinuitätslinie mit den Mohrschen Momentenkreisen in Bild 4.5 (a) dar, für welche eine gleichmässig orthotrope Bewehrung vorausgesetzt wurde. Weiterhin sollen, wie bereits in Kapitel 4.2 ausgeführt, nur Spannungszustände des Fliessregimes III untersucht werden. Dies, weil nach (2.117) kinematisch verträgliche Mechanismen nur ein Hauptkrümmungsinkrement aufweisen dürfen und somit abwickelbare Flächen darstellen müssen. Die dazugehörigen Fliessgelenklinien müssen gerade sein, was in der Folge der bestimmende Faktor für den Kraftfluss sein wird. Als Erstes ist die in Kapitel 4.2.3 angestossene Fallunterscheidung zwischen den beiden Diskontinuitätslinien analytisch abzuschliessen. Für den zweiten Fall wird dazu vorausgesetzt, dass die möglichen kinematischen Diskontinuitätslinien beiderseits der statischen Diskontinuitätslinie in Bild 4.5 (a) gemäss kI kII k (4.24) dieselbe Richtung aufweisen, wobei diese noch nicht zwingend derjenigen der statischen Diskontinuitätslinie s entsprechen muss. Damit lassen sich die beiden Differenzbeträge m yy und mxy durch Umformungen von (4.13) und (4.14) mit den folgenden Beziehungen darstellen 1 mxx tan 2 k (4.25) 1 mxx tan k (4.26) m yy mxy Durch Einsetzen von (4.25) und (4.26) folgt aus (4.20), dass die beiden Richtungen s der statischen Diskontinuitätslinien in Richtung der einzig verbleibenden kinematischen Diskontinuitätslinie zeigen: tan 2 k s1,2 atan m xx 2 m mxx mxx xx mxx 2 tan k tan k tan 2 k k (4.27) Es kann dabei gemäss (4.22) kein Drillmomentensprung existieren: mnt1,2 64 0 (4.28) Kinematische Diskontinuitätslinie "#$#% & 1 "#$#% "#$#% "#$#% 1 1 2 2 2 ! ' Bild 4.7: 0+,-/ -,./ +',+ ( )* Kinematische Diskontinuitätslinie: (a) geometrische Konstruktion mit Mohrschen Kreisen; (b) transformierte Grössen in Abhängigkeit des Richtungswinkels; (c) Darstellung eines Teils der Normalmomenten-Fliessbedingung in verschiedenen Axonometrien; (d) planare Darstellung. 65 Querkraftfluss an Diskontinuitätslinien Mit den Rechenschritten (4.13) bis (4.23) ist unter den angegebenen Voraussetzungen, insbesondere des plastisch verträglichen Charakters, eine klare Auftrennung zwischen der statischen und der kinematischen Diskontinuitätslinie letztendlich bewiesen. Das heisst, dass im Innern der Platte ein verträglicher Drillmomentensprung einerseits Potentialwirbel im Querkraftfeld auslöst und anderseits mit unterschiedlichen Richtungen der möglichen Diskontinuitätslinien einhergeht, womit sich kein plastisches Krümmungsinkrement ausbilden kann. Eine kinematische Diskontinuitätslinie als Ansammlung von gleichgerichteten plastischen Krümmungsinkrementen kann dagegen keine Drillmomentensprünge aufweisen. Der letztgenannte Fall lässt sich gemäss der grafischen Darstellung in Bild 4.5 (a) mit den Beziehungen (4.24) bis (4.29) auf denjenigen in Bild 4.7 (a) reduzieren. Neben der Richtung der Fliessgelenklinie kI wird der Spannungszustand I beibehalten und neu als Spannungszustand A bezeichnet. Weitere zur kinematischen Diskontinuitätslinie verträgliche, zulässige Spannungszustände respektive deren dazugehörigen Mohrschen Momentenkreise lassen sich unter der Vorgabe eines einzelnen Plattenmomentes finden, wie dies anhand der Beispiele B und C mit den Biegemomenten mxxB = 95 kN und mxxC = 39.3 kN aufgezeigt ist. Die dazugehörigen Spannungspunkte müssen sich auf den entsprechenden Fliessgeraden nach (4.13) und (4.14) befinden, womit die Mohrschen Momentenkreise konstruiert werden können. Dabei ist augenfällig, dass sich alle Kreise in sogenannten „Angelpunkten“ schneiden, welche mit den Koordinaten mnu und mntu auf dem Mohrschen Kreis des Biegewiderstandes liegen. Der untere Angelpunkt stellt für alle Mohrschen Momentenkreise den gemeinsamen Spannungspunkt nach der Transformation in Richtung der Fliessgelenklinie u dar; diese Eigenschaft ist unabhängig bereits in [57] festgestellt worden. Die Darstellung der Spannungszustände kann anstatt im Momentendiagramm in Bild 4.7 (a) auch in Abhängigkeit des Richtungswinkels vollzogen werden, wie dies in Bild 4.7 (b) aufgetragen ist. Dabei schmiegen sich die drei richtungsabhängigen Momentenverläufe mnn wie durch (2.110) gefordert tangential an den transformierten Biegewiderstand und berühren einander unter dem Richtungswinkel u der vorliegenden kinematischen Diskontinuitätslinie im Punkt mit dem Wert mnu. Die dazugehörigen richtungsabhängigen Drillmomente schneiden sich dagegen unter dem gleichen Richtungswinkel mit dem transformierten Drillmomentenwiderstand mntu. Aus den Bildern 4.7 (a) und (b) ist ersichtlich, dass sich alle weiteren zur kinematischen Diskontinuitätslinie mit dem vorgegebenen Richtungswinkel u gehörenden Spannungszustände ebenfalls in diesen Punkten anschmiegen beziehungsweise schneiden. Trägt man die drei ausgewählten Spannungszustände A, B und C im dreidimensionalen Momentenraum auf, so kommen diese durch Erfüllen der Normalmomenten-Fliessbedingung auf der Kegelfläche des Fliessregimes III zu liegen und bilden darauf eine Gerade, welche aus geometrischen Gründen durch die Kegelspitze gehen muss. Dies ist in Bild 4.7 (c) mit einem Teil der Fliessbedingung in zwei zueinander verschiedenen axonometrischen Darstellungen aufgezeigt. Das der Fliessbedingung assoziierte Fliessgesetz bewirkt, dass das plastische Krümmungsinkrement nach (2.115) als auf die Fliessfigur Y angewendeter Gradient gradY aufzufassen ist und somit auf dieser senkrecht steht. Die zu den verschiedenen Spannungszuständen gehörenden plastischen Krümmungsinkremente fallen identisch aus, was wiederum verträglich mit der Richtung der kinematischen Diskontinuitätslinie ist. Das heisst, die mit einer kinematischen Diskontinuitätslinie verträglichen Spannungszustände kommen auf der Normalmomenten-Fliessbedingung auf einer Geraden zu liegen, welche ihrerseits in jedem Punkt das identische plastische Krümmungsinkrement aufweisen. Somit lässt sich im dreidimensionalen Momentenraum die Richtung der Projektion dieser Geraden auf die mxx-myy-Ebene mit der Lage der kinematischen Diskontinuitätslinie in der Platte durch die Beziehung tan u tan u 2 (4.29) in Verbindung bringen; die für eine vorgegebene Richtung verträglichen Spannungszustände sind auf den Bereich dieser Geraden beschränkt. 66 Kinematische Diskontinuitätslinie Mit den oben aufbereiteten Grundlagen lässt sich ein wichtiger Grundsatz bezüglich des Kraftflusses in Stahlbetonplatten ableiten. Rekapitulierend sollen daher die bereits aufbereiteten, grundlegenden Voraussetzungen in Erinnerung gerufen werden: Es wird eine gleichmässig orthotrope beziehungsweise schiefe Bewehrung gemäss den Ausführungen in Kapitel 2.3 vorausgesetzt, was zur Normalmomenten-Fliessbedingung (2.113) beziehungsweise (2.114) führt. Die so gewonnene Fliessfigur lässt sich gemäss Bild 2.8 (c) respektive Bild 4.7 (c) in der Form zweier Kegel darstellen, welche sich gegenseitig in Form einer Ellipse schneiden. Dabei kann die ganze Figur in die drei beschriebenen Fliessregimes der Kegelspitzen (I), der Schnittellipse (II) sowie der Kegelflächen (III) unterteilt werden. Für das zum Fliessregime III gehörende plastische Krümmungsinkrement muss die Gausssche Krümmung gemäss (2.117) verschwinden, womit kinematisch zulässige Mechanismen abwickelbaren Flächen entsprechen und die Fliessgelenklinien gerade sein müssen. Die richtungsabhängigen Biege- und Drillmomentenwiderstände mnu beziehungsweise mntu können für eine in der Platte vorgegebene Lage der Fliessgelenklinie aus dem Diagramm in Bild 4.7 (b) herausgelesen werden. Diese sind für die folgende Untersuchung als konstante Werte zu betrachten, sofern die eingangs angenommene Richtung u keine Änderung erfährt. Dabei weisen parallel zur kinematischen Diskontinuitätslinie verlaufende Linien in Bild 4.8 (a) die exakt identischen Widerstände auf, woraus sich für das nun definierte Koordinatensystem n-t in Bild 4.8 (b) eine Fliessbedingung mit dem konstanten Wert von mnu ergibt. Das verteilte Plattenbiegemoment mnn darf in dieser neuen Betrachtung die Fliessbedingung in Bild 4.8 (b) analog zur Herleitung der Normalmomenten-Fliessbedingung nicht überschreiten. Es hat diese jedoch für alle Funktionsargumente t im Bereich der kinematischen Diskontinuitätslinie gerade zu erfüllen, womit es in n-Richtung tangential zu dieser verlaufen muss. Dagegen hat das verteilte Drillmoment mnt zum Erfüllen der Normalmomenten-Fliessbedingung im vordefinierten Koordinatensystem n-t nur den Wert des Drillmomentenwiderstandes mntu im Bereich der kinematischen Diskontinuitätslinie aufzuweisen, wie dies aus Bild 4.8 (c) ersichtlich ist. Aus den Darstellungen der Bilder 4.8 (a) - (c) sind die Grundlagen für die folgende Untersuchung des Kraftflusses an der kinematischen Diskontinuitätslinie aufbereitet, welche wie jeder andere Teil der Platte die bereits beschriebene Gleichgewichtsgleichung (2.76) mnn ,n mnt ,t vn (4.30) im Koordinatensystem n-t zu erfüllen hat. Verknüpft man (4.30) mit den oben beschriebenen Fliessbedingungen, so verschwindet der erste Term infolge der globalen Extremalstelle in Bild 4.8 (b). Im zweiten Term lässt sich wegen der Differentiation nach t das Drillmoment durch den konstanten Drillmomentenwiderstand mntu substituieren, welcher durch Ausführen des Rechenschrittes ebenfalls Null ergeben muss. Damit resultiert letztendlich aus (4.30) der entscheidende Grundsatz für die Steuerung des Kraftflusses mnn ,n mntu ,t vn 0 (4.31) dass über gerade kinematische Diskontinuitätslinien in einer gleichmässig orthotrop beziehungsweise schief bewehrten Stahlbetonplatte mit vn = 0 kein transversaler Querkraftfluss existieren kann, wie dies ebenfalls aus Bild 4.8 (d) ablesbar ist. Das heisst, dass eine gerade Fliessgelenklinie eine Lastscheidelinie darstellt und dadurch die dazugehörige Richtung gemäss (2.89) der Hauptrichtung der Querkraft gleichzusetzen ist: u 0 (4.32) 67 Querkraftfluss an Diskontinuitätslinien Bild 4.8: 68 Kinematische Diskontinuitätslinie: (a) Fliessgelenklinie; (b) Verlauf des Biegemoments und des Biegewiderstands rechtwinklig zur Fliessgelenklinie; (c) Verlauf des Drillmoments und Drillmomentenwiderstands in Richtung der Fliessgelenklinie; (d) Verlauf der Querkraft rechtwinklig zur Fliessgelenklinie; (e) schematische Darstellung des Kraftflusses an der Fliessgelenklinie; (f) Fliessgelenklinie im Feld; (g) Fliessgelenklinie beim Auflager respektive bei der Einspannung. Kinematische Diskontinuitätslinie Die mit (4.31) gefundene Eigenschaft bezüglich des Kraftflusses an kinematischen Diskontinuitätslinien stellt einen wichtigen Grundsatz dar, wonach in einer gleichmässig orthotrop beziehungsweise schief bewehrten Stahlbetonplatte ein zur kinematischen Diskontinuitätslinie transversal verlaufender Querkraftfluss unter allen Umständen ausgeschlossen ist. (4.31) und (4.32) ermöglichen, den Querkraftfluss gesondert in den Plattensegmenten zu betrachten, welche im Traglastzustand durch kinematische Diskontinuitätslinien in der Platte begrenzt werden. Das lässt auf das folgende Vorgehen schliessen: Setzt man den zur vollständigen Lösung gehörenden Mechanismus voraus, so kann der Kraftfluss an den sich daraus ergebenden Plattensegmenten einzeln untersucht werden, wie dies in Bild 4.8 (e) schematisch dargestellt ist. Weiter sind auch die Plattenmomente beiderseits der kinematischen Diskontinuitätslinie entkoppelt zu betrachten. Diese haben lediglich die Fliessbedingung unter der Richtung t der kinematischen Diskontinuitätslinie zu erfüllen und können bezogen auf das kartesische Koordinatensystem x-y sogar Sprünge aufweisen, wie man sich leicht anhand der drei Spannungszustände A, B und C in Bild 4.7 (a) überzeugen kann. Der aufgestellte Grundsatz bezüglich des Querkraftflusses transversal zur kinematischen Diskontinuitätslinie erfordert hinsichtlich mehrerer Anwendungsfälle einer Diskussion, die hier angestossen und in Kapitel 5 an den Plattensegmenten weitergeführt werden soll. Beim Ausbilden einer Fliessgelenklinie innerhalb einer Platte ist aus Bild 4.8 (f) ersichtlich, dass die Querkraft von der kinematischen Diskontinuitätslinie weg fliesst und damit die oben aufgestellte Forderung ohne Probleme erfüllt. Dagegen ist der Querkraftfluss bei einer mit einem Linienauflager respektive einer Einspannung zusammenfallenden kinematischen Diskontinuitätslinie in Bild 4.8 (g) auf den ersten Blick nicht offensichtlich. Stellt man den Auflagerbereich mit einer räumlichen Ausdehnung dar, so bildet sich im Schnitt die Fliessgelenklinie in einem Punkt aus, welcher wiederum mit dem Berührungspunkt zwischen dem konstanten Biegewiderstand und der Beanspruchung des Biegemoments mnn zusammenfällt. Die zufliessende Querkraft muss dabei in n-Richtung vor dem Fliessgelenk im Bereich des Auflagers respektive der Einspannung auf Null abgebaut werden, was mit einer Gegenkrümmung im Verlauf des Biegemoments mnn einhergehen muss. Das heisst, die Gegenkrümmung im Momentenverlauf mnn weist einen Extremalpunkt auf, welcher mit (2.76) zu einem Nulldurchgang im Querkraftverlauf führt und dadurch mit dem oben formulierten Grundsatz vereinbar ist. Somit kann unmittelbar neben der Fliessgelenklinie höchstens ein tangential verlaufender Querkraftfluss existieren. Mit diesen Ausführungen ist der Kraftfluss an der kinematischen Diskontinuitätslinie bis auf die noch offenstehende Diskussion bezüglich der Wirbel im Querkraftfeld abgeschlossen. Dabei soll analog zur statischen Diskontinuitätslinie vorgegangen werden, um allfällige Wirbel sichtbar machen zu können. Löst man ein zur kinematischen Diskontinuitätslinie gehörendes infinitesimales Plattenelement aus dem Kontinuum in Bild 4.9 (a) heraus, und fügt man gemäss dem Reaktionsprinzip die Schnittmomente hinzu, so sind diese für eine vorgegebene Richtung u nach Bild 4.7 (b) bis auf das Plattenbiegemoment mtt klar definiert. Das Plattenbiegemoment mtt kann hingegen nach Bild 4.7 (a) beliebige Werte annehmen. Da nach (4.31) kein Querkraftzu- beziehungsweise -abfluss zur kinematischen Diskontinuitätslinie existieren kann, ist mtt mit den vorangegangen Überlegungen zum angrenzenden Kontinuum ebenfalls als entkoppelt zu betrachten und weist einen beliebig wählbaren, in t-Richtung konstanten Betrag auf. 69 Querkraftfluss an Diskontinuitätslinien Bild 4.9: Kinematische Diskontinuitätslinie: (a) Schnittkörper aus Kontinuum; (b) Verlauf des Biegemoments- sowie des Biegewiderstands quer zur kinematischen Diskontinuitätslinie; (c) Verlauf des Drillmomentes quer zur kinematischen Diskontinuitätslinie; (d) einfache Ableitung des Drillmomentes nach n. Mit diesen Erläuterungen kann nun ein mögliches Wirbelfeld der kinematischen Diskontinuitätslinie mit der Beziehung (3.12) eruiert werden mnn mtt ,nt mnt ,tt mnt , nn (4.33) wobei alle beteiligten Plattenmomente durch die dazugehörenden Widerstandsmomente zu ersetzen sind. Dabei ist offensichtlich, dass die ersten drei Terme mnu , nt lim II I mnu ,t mnu ,t dn 0 dn 0 (4.34) mtt , nt mtu , nt 0 (4.35) mnt ,tt mntu ,tt 0 (4.36) wegen der Ableitung nach t verschwinden; der letzte Term bedarf mit der zweifachen Differentiation nach n einer separaten Diskussion. Betrachtet man das Drillmoment mnt in der räumlichen Ausdehnung der kinematischen Diskontinuitätslinie in Bild 4.9 (c), so muss dieses mit dem Erfüllen der 70 Kinematische Diskontinuitätslinie Fliessbedingung einen konstanten Funktionsverlauf mit dem Wert mntu aufweisen. Die zweifach darauf angewendete Differentation nach n ergibt Null mnt ,nn mntu , nn 0 (4.37) sofern nur der Bereich innerhalb der kinematischen Diskontinuitätslinie untersucht wird und das Kontinuum dabei keine Berücksichtigung findet. Daraus lässt sich letztendlich schliessen, dass eine kinematische Diskontinuitätslinie mit 0 (4.38) keine Wirbel aufweisen kann beziehungsweise solche nicht auslösen wird. Damit ist die Fallunterscheidung zwischen der statischen und kinematischen Diskontinuitätslinie ebenfalls vollumfänglich abgeschlossen. 71 72 5 Querkraftfluss in Plattensegmenten 5.1 Segmentlinien Die vorangegangene Untersuchung des Kraftflusses an den infinitesimalen Plattenelementen der Diskontinuitätslinien hat einerseits zur klar formulierten Unterscheidung statischer und kinematischer Diskontinuitätslinien geführt und andererseits gezeigt, dass transversal zu geraden Fliessgelenklinien kein Querkraftfluss existieren kann. Diese Erkenntnisse bilden im Folgenden die Basis, um den Kraftfluss an Kombinationen von Linien beziehungsweise an den daraus resultierenden Schnittpunkten verfolgen zu können. Für die folgende Diskussion des Kraftflusses ist die Betrachtung der Fliessgelenklinie als Lastscheide hilfreich. Hierzu wird in Bild 5.1 (a) in einer gleichmässig orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte eine gerade Diskontinuitätslinie schräg geschnitten. Die Fliessgelenklinie weist eine räumliche Ausdehnung mit der Breite dn und den Richtungswinkel u = 53.1 Grad auf. Somit lassen sich mit den bisher verwendeten Bewehrungsgrössen mxu = 140 kN und myu = 40 kN in Bild 5.1 (b) der Mohrsche Kreis des Biegewiderstands sowie mit (4.13) und (4.14) die dazugehörigen Fliessgeraden auftragen. Der daraus resultierende untere Schnittpunkt als Angelpunkt stellt die transformierten Schnittmomente mnu und mntu entlang der Fliessgelenklinie dar. Mit der Angabe eines weiteren Plattenmomentes lassen sich dazu verträgliche Spannungszustände respektive die dazugehörigen Mohrschen Momentenkreise konstruieren, was an zwei Beispielen mit den Biegemomenten mxxA = 100 kN und mxxB = 120 kN demonstriert ist. Schneidet man in Bild 5.1 (a) die zwei zum untersuchten Schnitt benachbarten infinitesimalen Plattenelemente als Schnittkörper heraus, und fügt man gemäss dem Reaktionsprinzip die fehlenden Schnittmomente in Bild 5.1 (c) hinzu, könnten hypothetisch an den beiden Plattenelementen infolge der frei wählbaren Grösse unterschiedliche Schnittmomente bezüglich der Schnittkante resultieren, welche in der transformierten Lage zu den identischen Widerständen mnu und mntu führen. Aus statischer Sicht müssen jedoch die beiden Biegemomente myy miteinander im Gleichgewicht stehen, was in Bild 5.1 (b) zu einem eindeutigen Mohrschen Momentenkreis und dadurch beiderseits zum gleichen Drillmoment mxy führt. Im vorliegenden Fall ist in Bild 5.1 (c) beidseitig der Schnittkante der Spannungszustand A zur Illustration gewählt. Damit entfällt aus statischer Sicht auch die einzig übrig gebliebene Option, durch das Einbetten einer statischen Diskontinuitätslinie doch noch einen Querkraftübertrag erzwingen zu können. Nach den Ausführungen in den Kapiteln 4.2 und 4.3 wäre dies auch kinematisch nicht zulässig. Durch die aufgestellte Fallunterscheidung ist ein plastisch kinematisch verträglicher Drillmomentensprung nur mit unterschiedlichen Richtungen der beiderseits möglichen kinematischen Diskontinuitätslinien vereinbar, womit kein plastisches Krümmungsinkrement auftreten kann. Im vorliegenden Fall müsste jeder Punkt der beiden infinitesimalen Plattenelemente (inklusive der dazwischenliegende Schnittbereich) zum Ausbilden der Fliessgelenklinie eine kinematische Diskontinuität in der angegebenen Richtung aufweisen, was nicht möglich ist. Somit ist nochmals 73 Querkraftfluss in Plattensegmenten % " #$ ! % & & 8+ / 9 " #' () #))* +" #' (, -.* 9 ) #' (/0 $* (* ' !. !. ) #' 1 + 26" 1 2" +4"4 12"7 3 3" 5 3"5 3" 5 Bild 5.1: 74 Kinematische Diskontinuitätslinie im Feld: (a) Plattenausschnitt mit untersuchtem Schrägschnitt; (b) Darstellung der verträglichen Spannungszustände mit Hilfe von Mohrschen Kreisen; (c) zum untersuchten Schnitt angrenzende Schnittkörper; (d) Priorisierung der Diskontinuitätslinien (Schematische Darstellung); (e) Querkraftfluss des versteckten Unterzuges. Segmentecken bestätigt, dass über eine gerade Fliessgelenklinie, insbesondere in einem dazu schräg verlaufenden Schnitt, kein Querkraftfluss erfolgen kann. Diese Gegebenheit führt bezüglich des Kraftflusses innerhalb einer Stahlbetonplatte zu der in Bild 5.1 (d) schematisch dargestellten Priorisierung der Diskontinuitätslinien: Die gerade Fliessgelenklinie stellt mit (4.31) und den obigen Ausführungen für jeglichen Kraftfluss die Lastscheide dar, womit der Kraftfluss an statischen Diskontinuitätslinien dieser unterzuordnen ist. Das heisst, dass statische Diskontinuitätslinien die Fliessgelenklinie schneiden dürfen, der Schnittpunkt jedoch mit dem Querkraftnullpunkt des dazugehörigen konzentrierten Kraftflusses zusammenfallen muss. Weiter muss sich im Fall des versteckten Unterzugs gleichzeitig beim Schnittpunkt ein einzelnes Fliessgelenk ausbilden, damit die kinematische Verträglichkeit gewahrt bleibt. Der versteckte Unterzug kann somit gesondert als konzentrierter Balken mit den üblichen Methoden behandelt werden, wie dies in Bild 5.1 (e) dargestellt ist. 5.2 Segmentecken Der Grundsatz, wonach transversal zu geraden kinematischen Diskontinuitätslinien keine Querkraft übertragen werden kann, scheint mit der sogenannten „Nodal-Force“-Theorie im Widerspruch zu stehen. Aus dem Bereich dieser Theorie sind drei Fälle bekannt, in welchen Knotenkräfte über gerade kinematischen Diskontinuitätslinien übertragen werden [26, 29, 58, 65, 97, 27, 5]. Dies bedarf der Klärung. 5.2.1 Erster Fall; Fliessregime III Der erste Fall betrifft gemäss Bild 5.2 (a) den Schnittpunkt eines freien Plattenrandes mit einer geraden kinematischen Diskontinuitätslinie. Dabei werden alle Parameter vom vorausgegangenen Beispiel in Bild 5.1 (a) übernommen. Der Unterschied macht sich erst beim möglichen Spannungszustand bemerkbar, welcher infolge des freien Plattenrandes wegen des damit verschwindenden Biegemoments myy mit dem Mohrschen Momentenkreis in Bild 5.2 (b) eindeutig gegeben ist. Dieser muss neben den beiden Angelpunkten ebenfalls durch den Schnittpunkt der Fliessgeraden mit der Ordinate gehen. Die Transformation des Momententensors in Richtung der kinematischen Diskontinuitätslinie führt wiederum auf den Spannungszustand, der gleichzeitig auf dem Mohrschen Kreis des Biegewiderstandes zu liegen kommen muss und dadurch mit den plastischen Krümmungsinkrementen in der besagten Richtung verträglich ist. Das heisst, dass jeder Punkt des aus der Platte in Bild 5.2 (a) herausgeschnittenen infinitesimalen Plattenelements in Bild 5.2 (c) sowohl die statischen als auch die kinematischen Voraussetzungen der Fliessgelenklinie erfüllt und somit einer vollständigen Lösung entspricht. Das am Rand resultierende Drillmoment mxy in Bild 5.2 (c) und (d) kann im Unterschied zum vorangegangenen Beispiel nur mit einem Kräftepaar und somit mit einem Querkraftübertrag ins Gleichgewicht gebracht werden, was eine Prüfung hinsichtlich der kinematischen Zulässigkeit nach sich zieht. Der Plattenrand lässt sich hierzu als Kontinuum mit beiderseits unterschiedlichen Biegewiderständen auffassen, wobei derjenige ausserhalb der Platte verschwinden muss. Mit dieser Betrachtung lassen sich die in den Kapiteln 4.2 und 4.3 angestellten Überlegungen für eine gleichmässig orthrotrop bewehrte Stahlbetonplatte auf den vorliegenden Fall mit unterschiedlichen Biegewiderständen adaptieren. Der Schnittkörper aus Bild 5.2 (d) kann dafür in die mit den Bildern 5.2 (e) und (f) dargestellten infinitesimalen Plattenelemente unterteilt werden, wobei im Letztgenannten das angrenzende widerstandslose Kontinuum aufgetragen ist. 75 Querkraftfluss in Plattensegmenten # $% " ! &' ) " ( Bild 5.2: " " ! Kinematische Diskontinuitätslinie am freien Plattenrand: (a) Plattenausschnitt am freien Plattenrand; (b) Darstellung des verträglichen Spannungszustandes mit Hilfe von Mohrschen Kreisen; (c) Schnittkörper des infinitesimalen Diskontinuitätselementes; (d) (e) Schnittkörper des freien Plattenrandes; (f) Schnittkörper des widerstandslosen Kontinuums; (g) Vergrösserung des Mohrschen Kreises des Nullwiderstandes. Damit sich die Fliessgelenklinie vollständig ausbilden kann, muss auf beiden Seiten der statischen Diskontinuitätslinie einerseits die dazugehörige Fliessbedingung erfüllt sein und anderseits die identische Richtung der kinematischen Diskontinuität vorliegen. Die zum Rand gehörenden infinitesimalen Plattenelemente in Bild 5.2 (e) erfüllen analog zum Plattenelement in Bild 5.2 (c) die aufgestellte Forderung. Beim widerstandslosen Kontinuum reduzieren sich sowohl der Mohrsche Kreis für den Widerstand als auch jener für die Beanspruchung auf den Ursprung im Momentendiagramm (Bild 5.2 (b)). Stellt man diese beiden deckungsgleichen Kreise mit starker Vergrösserung in Bild 5.2 (g) dar, so erkennt man, dass sich in jeder Richtung eine Fliessgelenklinie ausbilden kann, insbesondere auch in derjenigen der mechanisch vorhandenen Fliessgelenklinie, wie dies in Bild 5.2 (b) und (f) dargestellt ist. Somit ist gezeigt, dass der Rand zum Ausbilden der Fliessgelenklinie keine Blockierung darstellt; es können alle statischen und kinematischen Forderungen erfüllt werden. Der Querkraftübertrag findet auf dem Plattenrand zwischen den infinitesimalen Plattenelementen der Bilder 5.2 (e) 76 Segmentecken ! ' &' !" ! $ % # Bild 5.3: Kinematische Diskontinuitätslinie am freien Plattenrand für reinen Drillmomentenzustand: (a) Plattenausschnitt am freien Plattenrand; (b) Darstellung des verträglichen Spannungszustandes mit Hilfe von Mohrschen Kreisen; (c) Schnittkörper des infinitesimalen Diskontinuitätselementes. und (f) statt. Der dazugehörige Betrag lässt sich mit (2.120) aus dem Drillmomentensprung Bild 5.2 (b) gewinnen. Für einen Rand in x-Richtung resultiert: F mxy m yu tan u mnt in (5.1) Für einen Rand in y-Richtung kann gleichermassen vorgegangen werden: F mxy mxu cot u (5.2) Interessant ist, dass in die Berechnung des Querkraftübertrags neben der Richtung der Fliessgelenklinie u nur der zum jeweiligen Rand gehörende Biegewiderstand einfliesst. Diese Aussage hat jedoch nur für eine orthotrope Bewehrung mit in gleicher Richtung dazu orthogonal verlaufenden Rändern ihre Gültigkeit. Eine allgemeinere Formulierung insbesondere für schief bewehrte Stahlbetonplatten lässt sich ohne grösseren Aufwand herleiten. Weiter gilt es zu beachten, dass für gewisse Bereiche der Fliessgelenklinienrichtung negative Schnittmomente resultieren und damit unweigerlich negative Biegewiderstände erforderlich sind. Die Grenze dieser Richtung lässt sich dabei für beide Ränder gleichzeitig mit dem Ausdruck tan u ,Grenze mxu m yu (5.3) finden, welche die Fliessgelenklinie für einen reinen Drillmomentenzustand in Bild 5.3 (a) mit dem dazugehörenden Mohrschen Kreis in Bild 5.3 (b) darstellt. 77 Querkraftfluss in Plattensegmenten Diese Erläuterungen lassen sich auch auf eine Bewehrungsunstetigkeit wie diejenige in Bild 5.4 (a) übertragen. Das Beispiel weist in den zwei Bereichen A und B unterschiedliche Biegewiderstände auf, welche in Bild 5.4 (b) mit den beiden Mohrschen Kreisen wiedergegeben sind. Durch Auftragen der Fliessgeraden unter der gegebenen Richtung u der kinematischen Diskontinuitätslinie in Bild 5.4 (a) lassen sich die möglichen zulässigen Spannnungszustände finden. Werden hierzu die zur Bewehrungsunstetigkeit benachbarten infinitesimalen Plattenelemente in Bild 5.4 (a) herausgetrennt und die fehlenden Schnittmomente mit dem Reaktionsprinzip hinzugefügt, so müssen in Bild 5.4 (c) aufgrund der nun vorliegenden statischen Diskontinuitätslinie nur die beiden Biegemomente nach (2.123) im Gleichgewicht sein. Das heisst, die Spannungspunkte Y der beiderseits möglichen Spannungszustände sind einerseits durch diese Bedingung in Bild 5.4 (b) miteinander verknüpft und müssen sich anderseits auf den jeweiligen Fliessgeraden befinden, woraus sich die Beziehung F mxy m yuA m yuB tan u (5.4) für den Querkraftübertrag geometrisch ableiten lässt. Die kinematische Verträglichkeit ist dabei für alle Punkte der beiden infinitesimalen Plattenelemente in Bild 5.4 (c) mit den in Bild 5.4 (b) dargestellten Transformationen in die entsprechende Richtung u gegeben. Mit dieser Vorgehensweise lässt sich weiter der in Bild 5.1 (d) dargestellte Kraftfluss beim Schnittpunkt einer kinematischen Diskontinuitätslinie mit einem versteckten Unterzug zu Ende diskutieren. Dazu kann der versteckte Unterzug in Bild 5.4 (d) in Bezug auf den Biegewiderstand als zweifache Unstetigkeit aufgefasst werden, indem die Verstärkung mit der verschwindenden Breite dn in einer gleichmässig orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte zu liegen kommt. Die Zerlegung des Schnittbereichs gemäss Bild 5.4 (e) zeigt, dass nach (5.4) lokal an den Rändern ein Querkraftübertrag existiert, der jedoch beiderseits im Betrag identisch ausfallen und zueinander entgegengesetzt sein muss. Dies führt in der globalen Betrachtung zu dem mit Bild 5.1 (d) bereits proklamierten Querkraftnullpunkt und der damit einhergehenden Priorisierung der Diskontinuitätslinien. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Querkraftübertrag im vorliegenden ersten Fall dank des beiderseits unterschiedlichen Biegewiderstandes möglich ist und keinen Widerspruch zum aufgestellten Grundsatz bezüglich des Kraftflusses in einer gleichmässig orthotrop beziehungsweise schief bewehrten Stahlbetonplatte darstellt. Die aus der Literatur für isotrop bewehrte Stahlbetonplatten bekannte Knotenkraft ist damit bestätigt und für den Fall orthotrop beziehungsweise schief bewehrter Stahlbetonplatten verallgemeinert. Nielsen ordnet diese „Nodal-Force“ im Rahmen der „Nodal-Force“-“Theorie dem Typ I zu und impliziert damit eine Unterscheidung zwischen angeblich verschiedenen Knotenkräften [64, 66]. Auf die vorgeschlagene Unterteilung soll erst nach der Behandlung der beiden anderen, eingangs erwähnten Fälle eingegangen werden. 78 Segmentecken *+ &'() , # . &'() . % / -', # , # / # -', 0! !! "" ! #"$ #"$ 1(2 3' 45 Bild 5.4: Kinematische Diskontinuitätslinie mit Bewehrungsunstetigkeit: (a) Plattenausschnitt mit Bewehrungsunstetigkeit; (b) Darstellung des verträglichen Spannungszustandes mit Hilfe von Mohrschen Kreisen; (c) Schnittkörper der angrenzenden infinitesimalen Diskontinuitätselementen; (d) versteckter Unterzug; (e) Schnittkörper der angrenzenden infinitesimalen Diskontinuitätselementen sowie des versteckten Unterzugs. 79 Querkraftfluss in Plattensegmenten 5.2.2 Zweiter Fall; Fliessregime I Im zweiten Fall wird der mögliche Kraftfluss am Schnittpunkt in Bild 5.5 (a) untersucht, in welchem mehrere Fliessgelenklinien mit bezüglich ihres plastischen Krümmungsinkrements gleichem Vorzeichen zusammentreffen. Der Spannungszustand des infinitesimalen Schnittelements entspricht in Bezug auf die Fliessfigur der zugeordneten Kegelspitze (Fliessregime I). Die Hauptmomente des Spannungszustands fallen mit den Hauptwiderstandsmomenten zusammen, was in Bild 5.5 (b) zu deckungsgleichen Mohrschen Kreisen führt. Somit kann sich in jeder beliebigen Richtung eine Fliessgelenklinie ausbilden, wie dies an den beiden Beispielen der Linien A und B in den Bildern 5.5 (a) und (b) demonstriert wird. Für die genauere Untersuchung des Kraftflusses werden die Fliessgelenklinien in den Bildern 5.5 (a) - (e) mit der identischen Breite dn dargestellt. Eine Variation der Breite würde sich auf die folgenden Resultate nicht auswirken; sie könnte jedoch im Rahmen der vollständigen Lösung mit dem Fokus auf die ganze Platte weiter verfolgt werden. Damit die kinematische Zulässigkeit gewahrt bleibt, müssen die Fliessgelenklinien (Fliessregime I) zwei Forderungen erfüllen: Erstens müssen sich ihre in den Bildern 5.5 (a) und (c) dargestellten Achsen in einem Punkt treffen. Zweitens muss jeder Punkt des Fliessbereichs in Bild 5.5 (a) in der dazugehörigen Richtung ein verträgliches plastisches Krümmungsinkrement aufweisen, was die in Kapitel 2.3 erwähnte Reduktion des Mohrschen Verzerrungskreises auf einen Punkt möglich macht, siehe hierzu Bild 5.5 (f). Die Forderung nach plastischer Verträglichkeit lässt sich nur erfüllen, wenn alle Punkte im Fliessbereich den mit dem Mohrschen Kreis in Bild 5.5 (b) eindeutig bestimmten Spannungszustand aufweisen. Löst man das infinitesimale Schnittelement in Bild 5.5 (a) heraus, so lässt sich dieses mit ergänzenden Plattenelementen und den Hauptwiderstandsmomenten der orthotropen Bewehrung gemäss den Bildern 5.5 (c) und (d) grafisch leicht ins Gleichgewicht bringen. Dabei wird offensichtlich, dass eine superponierte Variation einer beliebigen Konfiguration von an den Ecken angreifenden Knotenkräften zu keinem anderen Gleichgewichtszustand führt, welcher gleichzeitig die Fliessbedingung in jedem Punkt erfüllt. Somit kann über das infinitesimale Schnittelement keine Querkraft übertragen werden. Weiter ist mit den vorangegangenen Überlegungen ebenfalls kein Querkraftfluss an den Schnittkanten zwischen den Fliessgelenklinien und dem Schnittelement möglich. Durch diese zwei Feststellungen ist letztendlich bewiesen, dass im Schnittpunkt von im Vorzeichen gleichen Fliessgelenklinien kein Querkraftübertrag existieren kann; er tritt damit ebenso wie die Fliessgelenklinien als Lastscheide in Erscheinung. Von dieser Argumentationskette lässt sich noch eine weitere wichtige Eigenschaft für die zwischen den Fliessgelenklinien zu liegen kommenden Plattenelementen ableiten. Trennt man den den Schnittpunkt umfassenden Bereich in die mit Bild 5.5 (e) dargestellten Schnittkörper auf, und fügt man mit dem Reaktionsprinzip die Schnittmomente hinzu, so muss nach dem oben aufgestellten Grundsatz und mit dem Anschreiben des Gleichgewichts die Knotenkraft an der Ecke des dazwischen liegenden Plattenelements ebenfalls verschwinden. Hierbei ist festzuhalten, dass die am Plattenelement angreifenden Drillmomente mit den Drillmomenten der beiderseits vorhandenen Fliessgelenklinien im Gleichgewicht stehen und nicht wie bei einem freien Plattenrand mit (2.120) (2.122) zu einer Eckkraft aufsummiert werden dürfen. Die Tatsache, dass im Schnittpunkt von im Vorzeichen gleichen Fliessgelenklinien kein Querkraftübertrag existieren kann, steht im Widerspruch zu den aus der Nodal-Force Theorie bekannten Fällen, welche mit dem englischen Ausdruck „Breakdown cases“ bezeichnet und zusammengefasst werden [29, 58, 65, 97, 27]. Hierbei wird die Notwendigkeit von Knotenkräften insbesondere in symmetrischen Plattenbeispielen dadurch begründet, dass sich der Fliessgelenkmechanismus infolge der Symmetrieachsen nicht frei ausbilden kann und durch diese Zwängung Knotenkräfte 80 Segmentecken " # ! &+ ! + &' ()* &' ()* $ % , - . /./ 01 Bild 5.5: Schnittpunkt von im Vorzeichen gleichen kinematischen Diskontinuitätslinien: (a) Plattenausschnitt mit Schnittpunkt; (b) Darstellung des verträglichen Spannungszustandes mit Hilfe von Mohrschen Kreisen; (c) Schnittkörper des infinitesimalen Schnitt-elements sowie den angrenzenden, virtuellen Plattenelementen; (d) Grafisches Gleichgewicht aus den Biegewiderständen; (e) Schnittkörper der angrenzenden infinitesimalen Diskontinuitätselemente; (f) Mohrscher Kreis der plastischen Krümmungsinkremente, normale und vergrösserte Darstellung. entstehen [52]. Nylander [67] und Wood [96] demonstrieren dies am Beispiel der allseitig einfach gelagerten, gleichmässig belasteten und isotrop bewehrten Quadratplatte in Bild 5.6 (a), womit sie ihrerseits den Widerspruch zu dem von Johansen aufgestellten dritten Theorem ansprechen, welches beim Schnittpunkt von Fliessgelenklinien gleichen Vorzeichens keinen Querkraftfluss vorsieht [26]. Diese Konfusion soll in der Folge gerade am genannten Beispiel abschliessend geklärt werden. 81 Querkraftfluss in Plattensegmenten Als Grundlage für die Diskussion dient der von Nylander [67] untersuchte Mechanismus in Bild 5.6 (b), obschon das nicht orthogonale Zusammentreffen einer negativen mit einer positiven Fliessgelenklinie in den vier Ecken für eine isotrop bewehrte Platte aus statischer Sicht nicht verträglich ist und somit der vorgeschlagene Mechanismus nicht weiterverfolgt werden sollte. Wie anhand des nächsten Beispiels in Bild 5.7 (a) und (b) gezeigt werden kann, beeinflusst diese Verletzung der Verträglichkeit die vorliegende Fragestellung jedoch nicht. Die Geometrie des Fliessgelenklinienmechanismus in Bild 5.6 (b) ist durch die Länge a eindeutig definiert, woraus sich mit (2.131) und (2.132) der obere Grenzwert qk a 24mu l2 2l 2 l 2 2 la l 2a (5.5) für die Traglast in Abhängigkeit von a in Bild 5.6 (d) auftragen und mit a0 l 1 2 3 3 0.159l 2 (5.6) das Minimum qk,min = 22.019 mu/l2 finden lässt. Abgesehen von der eingangs erwähnten Verletzung der Verträglichkeit ist der beschrittene Weg korrekt und deckungsgleich mit den Resultaten aus der Literatur [67]. Der von Nylander und Wood begangene Fehler liegt aus plastizitätstheoretischer Sicht im Formulieren des Gleichgewichts an den aus dem Mechanismus sich in Bild 5.6 (e) ergebenden Schnittkörpern AI und AII. Die aus dem Biegewiderstand mu (ausgezogene Linie) beziehungsweise der Beanspruchung qk (gestrichelte Linie) resultierenden Momentenanteile um die jeweilige Rotationsachse sind in Bild 5.6 (g) aufgetragen und zeigen den fehlenden Differenzbetrag auf, welcher in Bild 5.6 (e) nur mit einer Knotenkraft ins Gleichgewicht gebracht werden kann. Für die beiden Schnittkörper ist die erforderliche Vertikalkraft VkI sowie VkII in Bild 5.6 (j) in Abhängigkeit von der Länge a dargestellt. Obschon die Verknüpfung eines instabilen Mechanismus mit dem Gleichgewicht aus plastizitätstheoretischer Sicht einen Irrweg darstellt, verschwindet die Summe dieser beiden Kräfte für alle Längen a und somit auch für den in der Literatur angegebenen Fall. Dieser Umstand sowie die zur damaligen Zeit noch nicht in voller Klarheit etablierte Plastizitätstheorie beziehungsweise deren Anwendung im vorliegenden Gebiet muss Wood und Nylander von der Existenz dieser Knotenkraft überzeugt haben. Verfolgt man für den vorliegenden Fall den Kraftfluss mit dem in dieser Arbeit aufbereiteten Wissen von Bild 5.5, so kann in einem ersten Schritt der Schnittpunkt der kinematischen Diskontinuitätslinien mit einer räumlichen Ausdehnung in Bild 5.6 (h) dargestellt werden, von welchem sich wiederum die einzelnen Schnittkörper in Bild 5.6 (k) herauslösen lassen. Der prognostizierte Querkraftübertrag müsste in den beiden äusseren Schnittkörpern erfolgen, welche sich jedoch durch die allseitige Momentenbeanspruchung bereits im Gleichgewicht befinden; eine zusätzliche Variation von Knotenkräften würde das notwendige Erfüllen der Fliessbedingung verunmöglichen. Die Knotenkräfte können somit nicht existieren. Würde man trotzdem davon ausgehen, dass der vorgeschlagene Mechanismus zur vollständigen Lösung gehört, so würde weiterhin eine Diskrepanz über die Existenz dieser Knotenkräfte bestehen. In diesem Fall wäre es nämlich zulässig, das Gleichgewicht an den vom Mechanismus herausgetrennten Schnittkörpern zu formulieren. Dieser letzte Zweifel lässt sich aus dem Weg räumen, indem sich ein tieferer oberer Grenzwert finden und damit aufzeigen lässt, dass der der Begründung der Knotenkräfte zugrundeliegende Mechanismus in Bild 5.6 (b) nicht zur vollständigen Lösung gehört. Erweitert man den Mechanismus A in Bild 5.6 (b) mit der zusätzlichen Variation des Ortes, an dem sich die beiden ins Zentrum verlaufenden Fliessgelenklinien treffen, so resultiert der in 82 Segmentecken !"#$%%&"# !"#$%%&"# Bild 5.6: ' ' Untersuchung der Quadratplatte mit kinematischer Methode: (a) einfach gelagerte Quadratplatte mit gleichmässiger Beanspruchung; (b) Mechanismus A nach Nylander und Wood; (c) erweiterter Mechanismus B; (d) Darstellung der beiden oberen Grenzwerte in Abhängigkeit der Länge a; (e) von Mechanismus A abgeleitete Schnittkörper; (f) von Mechanismus B abgeleitete Schnittkörper; (g) von Schnittkörper abgeleitete Momentenanteile für beide Mechanismen; (h) (i) vergrösserte Darstellung des Schnittpunkts in Plattenmitte für beide Mechanismen; (j) Ermittlung der Knotenkraft in Abhängigkeit der Länge a; (k) (l) vollständige Lösungen der herausgetrennten Schnittkörper. 83 Querkraftfluss in Plattensegmenten Bild 5.6 (c) dargestellte Mechanismus B. Die nun vorliegende zweifache Variation in den Variablen a und b kann schrittweise analysiert werden; für b0 a 8a 4 4a 3l 2al 3 2l 4 2a l 2a 4 l a (5.7) erhält man in Abhängigkeit von a ein Minimum von qk, wodurch sich die beiden Mechanismen A und B vergleichen lassen. Trägt man qk a, b 24mu 2ab 2a 2 al 2bl a 2b l 3 4a 2b (5.8) in Bild 5.6 (d) auf, so lässt sich für a = a0 und mit der gemäss (5.7) zugehörigen Länge b = 0.449 l ein gegenüber dem Mechanismus A tieferes Optimum von qk,min = 22.004 mu/l2 finden. Weiter lässt sich mit dem Differenzbetrag qk =qA - qB zeigen, dass der Mechanismus B für alle a im Vergleich zu Mechanismus A kritischer ist. Das heisst, mit der zusätzlichen Variation in b lässt sich ein tiefer liegender oberer Grenzwert der Traglast finden, womit Mechanismus A nicht zur vollständigen Lösung gehören kann. Mit dieser Feststellung entfällt auch die oben beschriebene Möglichkeit, an den aus dem Mechanismus herausgelösten Schnittkörpern das Gleichgewicht zu formulieren, wodurch die von Wood und Nylander aufgestellte Herleitung der Knotenkräfte in sich zusammenfällt. Mit dem Mechanismus B lässt sich lediglich aufzeigen, dass im Vergleich zum Mechanismus A für alle Längen a ein tieferer oberer Grenzwert existiert. Die Zugehörigkeit des erweiterten Mechanismus zur vollständigen Lösung ist indes weiterhin nicht gewährt und liesse sich erst durch den entsprechenden verträglichen Spannungszustand bestätigen. Dieser Schritt wird an dieser Stelle nicht vollzogen. Stattdessen sollen trotz der Unsicherheit über die Zugehörigkeit zur vollständigen Lösung die Knotenkräfte berechnet werden. Die in Bild 5.6 (f) um die Rotationsachsen resultierenden Momentenanteile sind in Bild 5.6 (g) mit den Werten Mm und Mq für die beiden Schnittkörper I und II aufgetragen. Dabei ist offensichtlich, dass für den ganzen Variationsbereich der Länge a die Momente sich im Gleichgewicht halten und somit kein Differenzbetrag resultiert, der mit einer Knotenkraft ins Gleichgewicht gebracht werden muss. Die Knotenkräfte verschwinden demnach an den spitzen Ecken der beiden Schnittkörper in Bild 5.6 (f), was mit dem hier aufbereiteten Wissen über den verschwindenden Querkraftübertrag am Schnittpunkt von im Vorzeichen gleichen kinematischen Diskontinuitätslinien im Einklang steht. Die hierzu gehörende vollständige Lösung des Fliessregimes I ist mit den Bildern 5.6 (i) und (l) wiedergegeben. Die Gleichgewichtsbetrachtung aus der „Nodal-Force“-Theorie lässt sich somit in umgekehrter Weise in eine neue Anwendung überführen, indem gegebene Mechanismen auf notwendige Knotenkräfte überprüft werden; falls solche vorhanden sein sollten, ist der jeweilige Mechanismus als Teil der vollständigen Lösung ausschliessbar. Umgekehrt stellen verschwindende Knotenkräfte ein mögliches Indiz dafür dar, dass der vorliegende Mechanismus im anvisierten Teilbereich zur vollständigen Lösung gehören könnte. Diese Feststellung lässt sich am oben diskutierten Beispiel weiterführen. Die angesprochene Verletzung der statischen Verträglichkeit an den in Bild 5.6 dargestellten Mechanismen A und B kann dahingehend korrigiert werden, dass die Plattenecken nun gegen das Abheben nicht behindert 84 Segmentecken Bild 5.7: Untersuchung der Quadratplatte mit kinematischer Methode: (a) einfach gelagerte Quadratplatte mit gleichmässiger Beanspruchung; (b) Mechanismus A; (c) erweiterter Mechanismus B; (d) Darstellung der beiden oberen Grenzwerte in Abhängigkeit der Länge a; (e) von Mechanismus A abgeleitete Schnittkörper; (f) von Mechanismus B abgeleitete Schnittkörper; (g) von Schnittkörper abgeleitete Momentenanteile für beide Mechanismen; (h) (i) vergrösserte Darstellung des Schnittpunktes in Plattenmitte für beide Mechanismen; (j) Ermittlung der Knotenkraft in Abhängigkeit der Länge a; (k) (l) vollständige Lösungen der herausgetrennten Schnittkörper. 85 Querkraftfluss in Plattensegmenten sind. Für diesen Fall ergeben sich die beiden analogen, mit den Bildern 5.7 (b) und (c) dargestellten Mechanismen A und B. Für den ersten Mechanismus lässt sich der obere Grenzwert qk a 24mu 2a 2 2al l 2 l 2 l 2a l a (5.9) der Traglast berechnen, welcher an der Stelle 10 1 l a0 1 0.140l 2 3 (5.10) das Minimum qk,min = 22.199 mu/l2 aufweist. Die an den Schnittkörpern in Bild 5.7 (e) um die jeweilige Rotationsachse formulierten Momentenanteile sind in Bild 5.7 (g) aufgetragen und zeigen wiederum beim Aufstellen des Gleichgewichts einen Fehlbetrag auf, welcher sich in Funktion der Knotenkraft VkI beziehungsweise VkII in Bild 5.7 (j) decken lässt. Die Eigenschaft der in der Summe verschwindenden Knotenkräfte liegt auch für das vorliegende Beispiel für den ganzen Variationsbereich von a vor, obschon deren Ermittlung durch das Aufstellen des Gleichgewichts an den vom instabilen Mechanismus abgeleiteten Schnittkörpern grundsätzlich unzulässig ist. Die Knotenkräfte können nach dem in dieser Arbeit aufgestellten Grundsatz wie beim vorhergehenden Beispiel in Bild 5.6 nicht existieren. Zur Vollständigkeit sind die vollständigen Lösungen der aus dem Zentrum der Platte von Bild 5.7 (h) herausgetrennten Schnittkörper in Bild 5.7 (k) wiedergegeben; sie zeigen nochmals die Unmöglichkeit eines Querkraftübertrags exemplarisch auf. Mit einer zusätzlichen Variation in b lässt sich der vorhergehende Mechanismus zu dem in Bild 5.7 (c) dargestellten Mechanismus B erweitern. Die Variationsrechnung lässt sich zum Auffinden des kleinsten oberen Grenzwerts der Traglast ebenfalls schrittweise durchführen; man findet für die Länge b0 a 16a 4 16a 3l 4a 2l 2 2al 3 2l 4 2a l 2a 4l a (5.11) das Minimum qk a, b 24mu 2ab 2a 2 al 2bl 8 ab al 3 2bl 3 2 (5.12) für den ganzen Variationsbereich der Länge a. Daraus ergibt sich der in Bild 5.7 (d) dargestellte kleinste obere Grenzwert der Traglast qk,min = 22.186 mu/l2 an derselben Stelle a0 = 0.14 l. Da für den ganzen Variationsbereich von a bis auf zwei Orte qk,B < qk,A gilt, kann die Zugehörigkeit des ersten Mechanismus zur vollständigen Lösung vollständig ausgeschlossen werden. Das Gleichgewicht an den vom Mechanismus B sich ergebenden Schnittkörpern in Bild 5.7 (f) ist durch die dazugehörigen Momentenanteile in Bild 5.7 (g) ohne zusätzliche, durch Knotenkräfte induzierte Differenzmomente erfüllt, was im Zentrum der Platte mit der vollständigen Lösung des Fliessregimes I in den Bildern 5.7 (i) und (l) übereinstimmt. Dieses Indiz sowie die behobene Verletzung der statischen Verträglichkeit lassen die Möglichkeit zu, dass der vorliegende Mechanismus zur vollständigen Lösung gehören könnte. Die abschliessende Sicherheit erhält man jedoch auch im vorliegenden Beispiel nur durch den entsprechenden, plastisch verträglichen Spannungszustand. Abschliessend kann festgehalten werden, dass mit den Ausführungen zu Bild 5.5 die Inexistenz eines Querkraftübertrags in Schnittpunkten von im Vorzeichen gleichen kinematischen Diskontinuitätslinien bewiesen ist. Die durch Nylander und Wood postulierten Knotenkräfte können in vollständigen Lösungen nicht vorkommen. 86 Segmentecken 5.2.3 Dritter Fall; Fliessregime II Der dritte Fall behandelt den Schnittpunkt von im Vorzeichen ungleichen geraden kinematischen Diskontinuitätslinien in Bild 5.8 (a). Da alle Punkte des infinitesimalen Schnittelements sowohl der positiven als auch der negativen kinematischen Diskontinuitätslinie angehören müssen, kommen in Bezug auf den möglichen statisch zulässigen Spannungszustand in der Darstellung der Normalmomenten-Fliessbedingung nur die Spannungspunkte auf der Schnittellipse der beiden Kegelflächen (Fliessregime II) in Bild 5.8 (b) in Frage. Für das vorliegende Beispiel sind die bis anhin verwendeten positiven Biegewiderstände übernommen und durch einen quasi-isotropen, negativen Biegewiderstand mu = 40 kN erweitert worden. Diese lassen sich wie der gegebene Spannungszustand aus Bild 5.8 (b) mit Mohrschen Kreisen in Bild 5.8 (d) darstellen. Die Spannungspunkte müssen dabei sowohl auf den positiven als auch auf den negativen Fliessgeraden liegen, woraus sich bei "# $% "% &'( ! &'( .$/ .$/ ,- ! ,- * + ) Bild 5.8: Schnittpunkt von im Vorzeichen ungleichen kinematischen Diskontinuitätslinien: (a) Plattenausschnitt mit Schnittpunkt; (b) Normalmomenten-Fliessbedingung in planarer Darstellung; (c) Schnittkörper des infinitesimalen Schnittelements; (d) Darstellung des verträglichen Spannungszustandes mit Hilfe von Mohrschen Kreisen; (e) Schnittkörper der angrenzenden infinitesimalen Diskontinuitätselementen. 87 Querkraftfluss in Plattensegmenten angenommener erster die zweite Richtung der kinematischen Diskontinuitätslinie eindeutig und in Übereinstimmung mit (4.29) ergibt. Für die schrittweise Konstruktion eines zulässigen Spannungszustandes des Fliessregimes II wird auf das Beispiel des Fächers in Kapitel 5.3 in einer allgemein orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte verwiesen. Zunächst wird der Fokus auf den Querkraftfluss im Schnittpunkt von im Vorzeichen ungleichen Diskontinuitätslinien gelegt. Mit der erarbeiteten Systematik lässt sich auch für den vorliegenden Fall der mögliche Querkraftfluss eruieren. Dazu werden die beiden kinematischen Diskontinuitätslinien in Bild 5.8 (a) mit einer räumlichen Ausdehnung dn dargestellt, woraus sich das ergebende infinitesimale Schnittelement in Bild 5.8 (c) als Schnittkörper heraustrennen lässt. Die geometrische Form ist dabei wegen der Geradheit der Fliessgelenklinien als Parallelogramm mit den dazugehörenden Winkeln gegeben. Mit dem Reaktionsprinzip lassen sich die Schnittmomente hinzufügen, welche durch den eindeutigen Spannungszustand festgelegt sind. Eine Variation der Schnittmomente an den jeweils parallel zueinander verlaufenden Schnittkanten ist nicht möglich, weil diese miteinander im Gleichgewicht stehen müssen. Weiter lässt die in jedem Punkt des Schnittelements notwendigerweise erfüllte Fliessbedingung keine Variation von an den Ecken angreifenden Knotenkräften zu, womit ein Querkraftübertrag über das Element vollends ausgeschlossen werden kann. Ebenso ist gemäss den Erläuterungen zu Bild 5.1 ein Querkraftfluss entlang den schräg verlaufenden Schnittkanten nicht möglich. Erweitert man den Fokus auf die angrenzenden Schnittkörper in Bild 5.8 (e), und verknüpft man diese mit den Gleichgewichtsbedingungen, so müssen die Drillmomente der zwischen den Diskontinuitätslinien zu liegen kommenden Plattenelemente mit denjenigen der kinematischen Diskontinuitätslinien im Gleichgewicht sein; sie lassen sich daher nicht wie bei einem freien Rand zu einer Knotenkraft aufsummieren. Dies führt dazu, dass die Knotenkraft am Zwischenelement ebenfalls verschwinden muss. Somit ist bewiesen, dass im Schnittpunkt von im Vorzeichen ungleichen kinematischen Diskontinuitätslinien kein Querkraftübertrag existieren kann und dieser daher wie die benachbarten geraden Diskontinuitätslinien als Lastscheide in Erscheinung tritt. Dieser Grundsatz widerspricht in zwei Punkten dem von Johansen aufgestellten Theorem Nummer IV [25, 26]. Seine Begründung zum Querkraftübertrag stellt Johansen auf der für eine freie Ecke aus den Drillmomenten resultierenden Knotenkraft ab und führt diese inmitten von Platten an Schnittpunkten von Fliessgelenklinien ein. Davon leitet Johansen ab, dass sich nicht mehr als drei Fliessgelenklinien mit unterschiedlichem Vorzeichen in einem Punkt schneiden dürfen. Sein erstes Postulat fällt mit dem oben aufgestellten Grundsatz in sich zusammen. Zudem können sich für den vorliegenden Fall infolge der gegebenen Vorzeichenvariation nur zwei im Vorzeichen ungleiche kinematische Diskontinuitätslinien in einem Punkt schneiden. Bei drei Fliessgelenklinien hätten zwei dasselbe Vorzeichen aufzuweisen, wodurch aus statischer Sicht die eindeutige Zuordnung zwischen dem Fliessregime I und II nicht mehr gegeben wäre. Damit ist der zweite Punkt des Theorems ebenfalls widerlegt. 5.2.4 Schlussbetrachtung Die ausführliche Diskussion zum Kraftfluss löst die verworrene Situation um die drei aus der „Nodal-Force“-Theorie stammenden Fälle auf der Basis von klaren mechanischen Beweisen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass dem in Kapitel 4.3 in Bezug auf den Kraftfluss in einer gleichmässig orthotrop beziehungsweise schief bewehrten Stahlbetonplatte formulierten Grundsatz fundamentale Bedeutung zukommt. Nur unterschiedliche Bewehrungswiderstände vermögen einen Kraftfluss transversal zur kinematischen Diskontinuitätslinie in Form einer Knotenkraft zu erzwingen. Als Spezialfall einer solchen Unstetigkeit ist der freie Plattenrand einzuordnen, bei welchem der Bereich ausserhalb der Platte als widerstandsloses Kontinuum aufzufassen ist. Die so ermittelten Knotenkräfte sind die einzigen, welche auftreten können. Die Existenz der übrigen Knotenkräfte ist mittels der aufgeführten mechanischen Begründungen widerlegt. 88 Segmentecken )* & ! " & '( Bild 5.9: ) &'( ! "!#$$"% ! &'( Vergleich der verschiedenen Theorien: (a) Mengendarstellung der zulässigen Zustände, Schnittpunkt stellt vollständige Lösung dar; (b) Statisch zulässiger Spannungszustand unter Verwendung einer Knotenkraft; (c) kinematisch zulässiger Verformungszustand; Berechnung der Knotenkraft gemäss „Nodal-Force“-Theorie. Damit treten in einer gleichmässig orthotrop beziehungsweise schief bewehrten Stahlbetonplatte neben den kinematischen Fliessgelenklinien (stellvertretend für das Fliessregime III) sowohl die dem Fliessregime I beziehungsweise II zugeordneten Schnittpunkte von Fliessgelenklinien als Querkraftnullpunkte und somit als Lastscheiden in Erscheinung. Beim Fliessregime II ist dies jedoch nur für Schnittpunkte von geraden Linien gültig. Die schrittweise Befreiung dieser geometrischen Einschränkung führt zu dem in den Kapiteln 5.3 und 5.4 diskutierten Kraftfluss in Fächern beziehungsweise in Fliessregionen, womit in Bezug auf die unterschiedlichen Fliessregime der Normalmomenten-Fliessbedingung alle möglichen Kraftflüsse abschliessend behandelt sind. Die vorgelegte, in sich widerspruchsfreie mechanische Herleitung des möglichen Kraftflusses unter den verschiedenen Fliessregimes ermöglicht eine Neueinordnung der vorangegangenen wissenschaftlichen Arbeiten. Die von Johansen [25, 26] ins Leben gerufene „Nodal-Force“-Theorie fand in den Arbeiten von Kemp, Morley, Nielsen, Wood, Jones und Clyde Fortführung [29, 58, 65, 97, 27] und führte im hier diskutierten zweiten Fall in den Arbeiten von Nylander und Wood [67, 96] zu einem Widerspruch mit der Arbeit von Johansen [26]. Clyde revidierte darauffolgend diesen Fall und wies gleichzeitig auf die Inexistenz des dritten Falls hin, ohne jedoch für einen der beiden Fälle eine abschliessende Beweisführung vorzulegen [5]. Sowohl die „Nodal-Force“-Theorie als auch die „Equilibrium“-Methode basieren auf der Formulierung von Gleichgewichtsbedingungen an den, von einem beliebigen Mechanismus herausgetrennten, starren Plattensegmenten. Diese unzulässige Vermischung der kinematischen Methode mit den Gleichgewichtsbedingungen hat das Ziel, bessere obere Grenzwertlösungen ausfindig machen zu können. Die damit einhergehenden Knotenkräfte suggerieren das Erfüllen von bestimmten Gleichgewichtsbetrachtungen, obschon die Gleichgewichtsbedingungen an einem Mechanismus, bis auf die Ausnahme des zur vollständigen Lösung gehörenden Mechanismus, per Definition nicht erfüllt sein können und damit auch nicht darauf angewendet werden dürfen, siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.1. Der zur vollständigen Lösung gehörende, zulässige Kraftfluss ist auf der Basis des Verträglichkeitssatzes der Plastizitätstheorie mit der vorliegenden Abhandlung abschliessend geklärt; der zur vollständigen Lösung gehörende Mechanismus (kinematisch zulässiger Verformungszustand) stellt den Punkt in Bild 5.9 (a) dar. Der vermeintliche Informationsgewinn sowohl durch die „Nodal-Force“-Theorie als auch durch die „Equilibrium“-Methode in Form von Knotenkräften ist damit nichtig; die beiden Theorien können nicht zielführend sein und sind damit widerlegt, siehe die Bilder 5.9 (a) und (c). 89 Querkraftfluss in Plattensegmenten Bei der statischen Betrachtung ist die Verwendung von Knotenkräften vom Typ II in einem Spannungszustand statisch zwar zulässig; die Zugehörigkeit dieses Spannungszustandes zur vollständigen Lösung ist damit jedoch kategorisch ausgeschlossen, siehe dazu die Bilder 5.9 (a) und (b). Mit diesen Ausführungen kann auch die bis anhin bestehende Konfusion verstanden werden, wo in den Arbeiten [52, 57, 66] weiterhin Knotenkräfte Berücksichtigung fanden. Erst die vorliegende Abhandlung vermag hier Klarheit zu schaffen. 5.3 Fächer Die vorangegangene Untersuchung des Kraftflusses am Schnittpunkt von im Vorzeichen ungleichen, geraden kinematischen Diskontinuitätslinien hat gezeigt, dass dieser wie die benachbarten Diskontinuitätslinien als Lastscheide in Erscheinung tritt. Die verträglichen Spannungszustände sind dabei in Bezug auf die Normalmomenten-Fliessbedingung der Schnittellipse und somit dem Fliessregime II zuzuordnen. Die in Kapitel 2.3 vorgenommene Unterteilung in die einzelnen Fliessregimes und die damit einhergehende Diskussion der dazugehörenden Gaussschen Krümmung hat weiter hervorgebracht, dass diese im Fall des Fliessregimes II nicht positiv sein kann. In Bezug auf verträgliche Mechanismen sind die einschränkenden Bedingungen abwickelbarer Flächen und gerader kinematischer Diskontinuitätslinien nicht zwingend. Der mit Bild 5.8 behandelte Schnittpunkt von geraden Diskontinuitätslinien ist wegen der verschwindenden Gaussschen Krümmung als restriktivster Fall einzuordnen. Die stufenweise Befreiung dieser geometrischen Einschränkung führt im ersten Schritt zum Fächer und in einem weiteren Schritt zur Fliessregion; der dazugehörige Kraftfluss soll in Kapitel 5.3 beziehungsweise 5.4 untersucht werden. Hierzu ist vorerst die in Kapitel 5.2 angesprochene Konstruktion eines für das Fliessregime II zulässigen Spannungszustandes mit der Darstellung von Mohrschen Kreisen vorzunehmen. In Bild 5.10 (a) muss der Spannungsbildpunkt auf der Schnittellipse liegen, welche sich für eine orthotrope Bewehrung in der mxx myy-Ebene auf die Diagonale reduzieren und in Funktion der beiden Grössen a c m yu m ' yu d mxu m 'xu b m yu a m 'xu (5.13) (5.14) darstellen lässt. Der untersuchte Spannungszustand kommt in der angegebenen Projektionsebene im Schnittpunkt dieser Diagonalen mit den beiden Geraden zu liegen, welche von den Ecken der zweiten Diagonale unter den Winkeln u und u wegführen. Die mit (4.29) hergeleitete Beziehung 90 Fächer () () * *+ ($) &$ #$ '$ ! #$ .' .' ,-*,- % " Bild 5.10: Konstruktion eines dem Fliessregime II entsprechenden Spannungszustandes: (a) Normalmomenten-Fliessbedingung in der planaren Darstellung; (b) Beziehung zwischen den Richtungen der beiden im Vorzeichen ungleichen kinematischen Diskontinuitätslinien; (c) Vorzeichenkonvention; (d) Konstruktion mit Hilfe von Mohrschen Kreisen. 91 Querkraftfluss in Plattensegmenten zwischen dem Winkel u und der Richtung der positiven kinematischen Diskontinuitätslinie u kann unter Berücksichtigung der mit Bild 5.10 (c) dargestellten Vorzeichenkonvention mit tan 'u tan 'u 2 (5.15) auf die negative kinematische Diskontinuitätslinie u übertragen werden. Die nun anvisierte Verknüpfung der beiden Winkel u und u ist aus der vorhandenen geometrischen Konstruktion mit der Beziehung 2 2 d 1 mxu m 'xu tan u tan 'u c a m yu m ' yu 2 (5.16) zu gewinnen, welche sich weiter mit Hilfe von (4.29) und (5.15) gemäss tan u tan 'u 1 mxu m 'xu a myu m ' yu (5.17) in Funktion der Richtungen der beiden kinematischen Diskontinuitätslinien ausdrücken lässt. Die mit (5.17) gefundene Gleichung lässt sich unter Vorgabe aller Biegewiderstände nach der Richtung u auflösen; sie ist nur noch von der im Vorzeichen entgegengesetzten Richtung u abhängig. Der daraus sich ergebende Funktionsverlauf ist in Bild 5.10 (b) für zwei verschiedene a aufgetragen und zeigt, dass nur für den Wert a = 1 die beiden Diskontinuitäten in allen Richtungen im rechten Winkel zueinander stehen. Für alle Werte a 1 ist dies nur in Richtung der orthogonalen Bewehrung der Fall. Ferner sind für die in Bild 5.10 (d) angegebenen Biegewiderstände sowie für den untersuchten Spannungszustand die dazugehörigen Richtungen der kinematischen Diskontinuitätslinien als Punkt in Bild 5.10 (b) gekennzeichnet. Mit (5.17) lässt sich der zulässige Spannungszustand in der Darstellung mit Mohrschen Kreisen in Bild 5.10 (d) konstruieren. Ausgangslage stellen dabei die beiden Mohrschen Kreise der Biegewiderstände und damit einhergehend die gleichzeitig gegebenen Gesamtbiegewiderstände als Strecken dar. Durch Vorgabe der Richtung u lässt sich mit dem Gesamtbiegewiderstand in x-Richtung die gegenüberliegende Kathete des rechtwinkligen Dreiecks konstruieren, welche durch Umformungen von (5.17) mit der Kathete resultierend aus dem Gesamtbiegewiderstand in y-Richtung und der Richtung u gleichzusetzen ist. Somit kann unter der Vorgabe einer Richtung sowie aller Biegewiderstände die Beziehung (5.17) grafisch gelöst werden. Die Spannungspunkte des verträglichen Spannungszustandes sind durch die Schnittpunkte aus den positiven und negativen Fliessgeraden eindeutig gegeben; der Pol und die transformierten Spannungsgrössen lassen sich damit konstruieren. Dieser dem Fliessregime II zugeordnete allgemeine Spannungszustand lässt sich auch in analytischer Weise auf der Basis der in Bild 5.10 (a) dargestellten Normalmomenten-Fliessbedingung gewinnen. In einem ersten Schritt soll hierzu die Beschreibung in Abhängigkeit des Biegemoments mxx erfolgen, wodurch sich mit Hilfe von (5.13) und (5.14) die Koeffizienten des Momententensors wie folgt finden lassen: 92 mxx mxx mxx (5.18) m yy mxx a mxx b (5.19) mxy mxx tan u a m 'xu mxx (5.20) Fächer Mit der ebenfalls aus Bild 5.10 (a) ableitbaren Beziehung m yu m yy tan u mxu mxx (5.21) können die Koeffizienten (5.18) - (5.20) in Abhängigkeit der Richtung u ausgegeben werden mxx u 1 mxu m 'xu a tan 2 u a tan u 1 (5.22) m yy u 1 myu a tan 2u m ' yu a tan u 1 (5.23) mxy u 1 tan u m yu m ' yu a tan u 1 (5.24) 2 2 2 Der gemäss (5.18) - (5.20) respektive (5.22) - (5.24) dem Fliessregime II entsprechende, allgemeine Spannungszustand stellt für spezielle Lösungen wie zum Beispiel für Fächer die Grundlage dar. Im Folgenden wird der Fächer bezüglich des möglichen Kraftflusses untersucht. In einem ersten Schritt wird hierzu die Bedingung von geraden, negativen kinematischen Diskontinuitätslinien aufgehoben. Dies führt im Fall einer isotrop bewehrten Stahlbetonplatte und der Beanspruchung durch eine Einzelkraft zu dem in Bild 5.11 (a) dargestellten Fächer, für welchen die vollständige Lösung bekannt ist. Die Lastabtragung bei diesem rotationssymmetrischen Fall ist in radialer Richtung nur gleichmässig verteilt möglich. Beim Ausbilden des Mechanismus ist der Durchmesser nicht eindeutig definiert; er kann einen beliebigen Wert annehmen. Das heisst, dass sich der erforderliche Spannungszustand in der Platte theoretisch in alle Richtungen bis ins Unendliche ausbilden muss und damit einhergehend alle zum Kraftangriffspunkt konzentrisch verlaufenden Kreise mögliche negative Diskontinuitätslinien darstellen, welche nun zwingend einen Querkraftübertrag aufweisen. Der vorliegende, transversal zur kinematischen Diskontinuitätslinie verlaufende Querkraftfluss kann nur dank deren Krümmung im Grundriss möglich sein, was sich anhand der in Bild 5.11 (c) dargestellten infinitesimalen Diskontinuitätslinie in polarer Darstellung überprüfen lässt. Die hierzu mit (2.84) hergeleitete Gleichgewichtsgleichung vereinfacht sich wegen des dem Fliessregime II zugeordneten Spannungszustands zu vr r 2 mu (5.25) was beweist, dass bei im Grundriss gekrümmten kinematischen Diskontinuitätslinien zwingend ein Querkraftübertrag existieren muss. Dies lässt sich für eine isotrop bewehrte Stahlbetonplatte mit gleich ausfallenden positiven und negativen Biegewiderständen mittels grafischer Statik in Bild 5.11 (e) überprüfen, indem die entlang ihrer Wirkungslinie aufsummierten, verteilten Biegemomente als Vektorgrössen addiert werden. Der Restbetrag muss dem querkraftinduzierten Momentenanteil entsprechen. Der so festgelegte radial verlaufende Querkraftfluss ist mit den positiven, radial verlaufenden kinematischen Diskontinuitätslinien verträglich, welche ihrerseits alle gekrümmten negativen Diskontinuitätslinien gemäss der Vorgabe nach Bild 5.10 (b) respektive Bild 5.11 (f) orthogonal schneiden. Obschon die oben beschriebene Herleitung am Beispiel des durch eine Einzelkraft beanspruchten Fächers aufgezeigt ist, liegt mit der allgemeinen Beschreibung des Kraftflusses am gekrümmten infinitesimalen Plattenelement in Bild 5.11 (c) die vollständige Lösung vor, welche sich unter den vorausgesetzten geometrischen Einschränkungen auf beliebige Problemstellungen übertragen lässt. Mit (5.25) lässt sich der Kraftfluss am entsprechenden, aus der Platte herausgelösten infinitesimalen Element für eine isotrop bewehrte Stahlbetonplatte in Abhängigkeit des Radius r bestimmen. 93 Querkraftfluss in Plattensegmenten Die vollständige Lösung soll nun auch für den Fächer einer orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte gefunden werden. Der dazugehörige Mechanismus in Bild 5.11 (b) und der entsprechende obere Grenzwert der Traglast sind bekannt [96]. Eine vollständige Lösung liegt indes nicht vor; der verträgliche Spannungszustand sowie der dazugehörige Querkraftverlauf fehlen. Wird angenommen, dass der angesprochene instabile Mechanismus zur vollständigen Lösung gehört, so muss wegen der geraden positiven kinematischen Diskontinuitätslinien der Kraftfluss wie beim isotropen Fall radial verlaufen. Diese Hypothese lässt sich von zwei unterschiedlichen Seiten statisch weiterverfolgen, was zusammen mit der kinematischen Betrachtung zur anvisierten vollständigen Lösung führen wird. Der erste Weg führt über die Vorgabe des radialen Kraftflusses, welcher sich allgemein durch tan vy vx y x (5.26) ausdrücken lässt und mit der Richtung der positiven kinematischen Fliessgelenklinie durch cot u y x , mit u 2 (5.27) in Verbindung gebracht werden kann. Die mit (5.18) - (5.20) beziehungsweise (5.22) - (5.24) gegebene Beschreibung eines dem Fliessregime II entsprechenden Spannungszustandes lässt sich durch (5.26) und (5.27) in kartesische Koordinaten zur speziellen Lösung mxx x, y 1 mxu y 2 m 'xu a x2 a x y2 (5.28) m yy x, y 1 myu a x2 m ' yu y 2 a x y2 (5.29) mxy x, y 1 xy m yu m ' yu a x y2 (5.30) 2 2 2 reduzieren, welcher gemäss (2.81) die Querkraftkomponenten vx x, y mxx , x mxy , y x myu m ' yu a x y2 (5.31) v y x, y mxy , x m yy , y y myu m ' yu a x y2 (5.32) entsprechen. 94 2 2 Fächer ! # $ % # $ % " &' &% " % ' ' # $ # $ % Bild 5.11: Fächer: (a) Fächer einer isotrop bewehrten Stahlbetonplatte; (b) Fächer einer orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte; (c) (d) Schnittkörper des infinitesimalen Plattenelements in polaren Koordinaten; (e) grafisches Momentengleichgewicht für den isotropen Fall (f) (g) transformierte Grössen in Abhängigkeit des Richtungswinkels. 95 Querkraftfluss in Plattensegmenten Die Überprüfung des Querkraftfeldes führt auf den eingangs angenommenen radialen Kraftfluss gemäss (5.26). Dieser ist identisch mit der Hauptquerkraft (2.88) v0 x, y vr x, y vx 2 v y 2 x2 y 2 myu m ' yu a x2 y 2 (5.33) was mit Hilfe von x r cos , y r sin (5.34) 1 myu m ' yu r a cos sin 2 (5.35) zur polaren Beschreibung vr r , vx 2 v y 2 2 führt. Aus dieser Beziehung wird ersichtlich, dass die Intensität des radial verlaufenden Kraftflusses von der Richtung abhängt. Dies wird in Bild 5.11 (b) mit den variierenden Winkeln der einzelnen Fächersegmente illustriert, welche durch geeignete Wahl den identischen aufsummierten Kraftfluss aufweisen. Neben diesem, über den radialen Kraftfluss führenden Weg stellen in der zweiten Herleitung die bereits mit (2.83) bis (2.85) hergeleiteten Gleichgewichtsbedingungen mrr r ,r m mr , vr r (5.36) m r (5.37) r ,r m, mr v r v, vr r , r qz r (5.38) in polarer Darstellung die Ausgangslage dar. Mit Hilfe von (5.27) lässt sich der für das zweite Fliessregime allgemeingültige Spannungszustand mit (5.18) - (5.20) respektive (5.22) - (5.24) zu den in Bild 5.11 (d) dargestellten Grössen transformieren mr myu mxu sin cos (5.39) m mxu sin 2 m yu cos 2 (5.40) mrr mxu m 'xu sin 2 cos 2 a 1 cos 2 m 'xu cos 2 m yu sin 2 2 2 a cos sin (5.41) Setzt man (5.39) und (5.40) in (5.37) ein 2mr m, 2 m yu mxu sin cos 2 mxu m yu sin cos v r 0 (5.42) so sieht man, dass die tangential verlaufende Querkraft v verschwindet, was mit dem Grundsatz bezüglich des Kraftflusses über gerade kinematische Diskontinuitätslinien vereinbar ist. Der radial verlaufende Kraftfluss wird durch Einsetzen von (5.39), (5.40) und (5.41) in (5.36) gemäss vr r a mxu m 'xu a cos sin 2 2 (5.43) bestätigt und ist mit den radial verlaufenden, geraden kinematischen Diskontinuitätslinien verträglich. 96 Fächer Die beiden Durchmesser des elliptischen Fächermechanismus sind nur in Relation zueinander gegeben, da wegen des Spannungszustands jede zum gegebenen Mechanismus affine Ellipse eine mögliche, im Grundriss gekrümmte negative kinematische Diskontinuitätslinie darstellen kann. Der Kraftfluss in Bild 5.11 (d), flankiert von den beiden geraden kinematischen Diskontinuitätslinien, erfolgt im Unterschied zum isotropen Fall schräg über eine dieser, im Grundriss gekrümmten negativen Diskontinuitätslinien. Dabei muss der sich ergebende Schnittwinkel aus den beiden kinematischen Diskontinuitäten mit den Konstruktionen aus Bild 5.10 respektive aus Bild 5.11 (g) übereinstimmen, womit die kinematische Verträglichkeit ebenfalls gewahrt ist. Das heisst, dass die gesonderte Betrachtung des infinitesimalen Plattenelements in Bild 5.11 (d) mit dem dazugehörigen Spannungszustand aus (5.39), (5.40) und (5.41) sowie dem Querkraftfluss aus (5.43) der vollständigen Lösung für das Fliessregime II mit der vorgegebenen geometrischen Einschränkung entspricht. Diese lässt sich wiederum auf beliebige Problemstellungen übertragen, womit der Kraftfluss eindeutig definiert ist. Dabei ist mit den Bildern 5.11 (c) - (g) augenfällig, dass im isotropen Fall die Hauptrichtungen der Biegemomente und der Querkraft mit den Fliessgelenklinien zusammenfallen, was die Beschreibung wesentlich vereinfacht. Bei der orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte ist dies im Allgemeinen nicht der Fall. Dies erschwert die Ermittlung des Kraftflusses zusätzlich, insbesondere bei der in Kapitel 5.4 zur Diskussion stehenden Fliessregion, welche als Verallgemeinerung aus dem vorliegenden Fächer hervorgeht. Mit der am infinitesimalen Plattenelement in Bild 5.11 (d) hergeleiteten vollständigen Lösung kann die Diskussion am Fächer in Bild 5.11 (b) fortgesetzt und zum Abschluss gebracht werden. Das Produkt aus der Querkraft vr und dem Radius r in (5.43) ist nur von der Richtung abhängig, womit sich in einem ersten Schritt das Integral zwischen den zwei Grenzen A und E bilden lässt: E E tan V A , E vr r d a atan mxu m 'xu a A A (5.44) Dabei ist zu beachten, dass sich an den Stellen /2 und 3/2 aufgrund der trigonometrischen Funktion jeweils ein Versatz von ergibt, welcher mittels Heaviside-Funktion in (5.44) eliminiert werden kann E 3 tan V A , E a atan h 2 h 2 mxu m 'xu a A (5.45) Für den in Bild 5.11 (b) dargestellten, voll ausgebildeten Fächer einer orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte resultiert die aufsummierte Querkraft V 0, 2 2 a mxu m 'xu (5.46) was sich im Spezialfall der isotrop bewehrten Stahlbetonplatte auf 2 V vr r d 4 mu (5.47) 0 reduziert. Das mit (5.47) gewonnene Resultat entspricht im isotropen Fall der bekannten vollständigen Lösung [64]. Somit ist nur noch die Bestätigung der vollständigen Lösung für den allgemeinen orthotropen Fall ausstehend, welche mittels der kinematischen Methode aufgrund des in Bild 5.11 (b) vorliegenden Fächermechanismus vollzogen werden kann. Mit der Beziehung (5.17) lässt sich dafür zunächst überprüfen, ob gemäss der Normalmomentenfliessbedingung die negative Diskontinuitätslinie in Form einer Ellipse mit den positiven Diskontinuitätslinien in Form von Geraden über97 Querkraftfluss in Plattensegmenten haupt zueinander verträglichen Charakter aufweisen. Ausgangslage bildet hierbei die Beschreibung einer Ellipse mit den beiden Halbachsen a und b in allgemeiner Form x2 y2 1 a2 b2 (5.48) welche sich nach y als Funktion von x auflösen lässt y x b a2 x 2 a (5.49) und nach x abgeleitet werden kann y ' x b a x 2 a x2 (5.50) Die beiden Richtungswinkel der kinematischen Diskontinuitätslinien lassen sich folglich mit den Grössen der Ellipse beschreiben tan u x y x (5.51) tan 'u a a2 x 2 b x (5.52) Die miteinander multiplizierten Tangensfunktionen führen zur eingangs erwähnten Beziehung (5.17) 2 m yu m ' yu a tan u tan 'u a mxu m 'xu b (5.53) Die mit (5.53) zusätzlich gewonnene Verknüpfung mit der geometrischen Skalierung führt auf das von Johansen erstmals aufgestellte Affinitätstheorem [26] und bestätigt gleichzeitig die eingangs angenommene Form der Ellipse. Die kinematischen Diskontinuitätslinien sind somit zueinander verträglich, falls die die Ellipse beschreibenden Halbachsen gemäss (5.53) auf die Biegewiderstände abgestimmt sind. Interessant ist dabei, dass die Aufteilung zwischen positivem und negativem Biegewiderstand keinen Einfluss auf die geometrische Form hat. 98 Fächer Der definierte Mechanismus lässt sich in Form einer Ellipse mit dem Radius rx r0 a sin cos 2 2 (5.54) in polarer Darstellung beschreiben. Daraus ergibt sich mit der Durchbiegung w in der Mitte des Fächers der ebenfalls vom Richtungswinkel abhängige Rotationswinkel am Ellipsenrand w r0 (5.55) welcher zum radialen plastischen Krümmungsinkrement 1 R r (5.56) führt. Somit liegen für die Ermittlung des oberen Grenzwertes nach (2.131) und (2.132) alle benötigten Grössen vor. Die mechanische Leistung ergibt sich nach (2.132) aus der Multiplikation der Einzelkraft mit der zeitlichen Ableitung der Verformung w W Fk w (5.57) Dagegen ist die Berechnung der totalen Dissipation mit etwas grösserem Aufwand verbunden. Diese setzt sich aus den Anteilen der positiven und negativen kinematischen Diskontinuitätslinien zusammen r0 2 2 0 0 0 D m r d dr mrr r0 d (5.58) welche sich mit Hilfe der entsprechenden Widerstandsmomenten (5.40) und (5.41) sowie den hergeleiteten geometrischen Beziehungen (5.54) - (5.56) zu folgendem Ausdruck zusammenfassen lässt: D 2 mxu m 'xu myu m ' yu w (5.59) Aus dem Gleichsetzen von (5.57) mit (5.59) resultiert letztendlich ein oberer Grenzwert für die Traglast des Fächers Fk 2 mxu m 'xu myu m ' yu Fs Fu (5.60) welcher dem auf einem zulässigen Spannungszustand basierenden unteren Grenzwert von (5.46) gleich ist. Somit sind der untersuchte Fächermechanismus und der neu ermittelte Spannungszustand miteinander verträglich und konstituieren damit die vollständige Lösung. Abschliessend lässt sich festhalten, dass für das Fliessregime II mit der geometrischen Befreiung einer Geraden gemäss dem in Bild 5.11 (d) dargestellten infinitesimalen Plattenelement sowie den dazugehörenden Schnittgrössen die vollständige Lösung für eine orthotrop bewehrte Stahlbetonplatte vorliegt. Mit dem eindeutig definierten Kraftfluss nach (5.35) respektive (5.43) wird gezeigt, dass im Grundriss gekrümmte kinematische Diskontinuitätslinien transversal einen Querkraftübertrag aufweisen müssen. Die vollständige Lösung für das infinitesimale Plattenelement lässt sich auch für den allgemeinen Fall qz 0 für das Konstruieren von vollständigen Lösungen auf der Ebene von ganzen Platten verwenden. Dabei müssen in Bild 5.11 (d) die kinematischen Diskontinuitätslinien für einen gegeben Richtungswinkel die miteinander verträglichen Richtungen aufweisen. 99 Querkraftfluss in Plattensegmenten 5.4 Fliessregionen Die schrittweise geometrische Befreiung hat ausgehend vom Schnittpunkt von geraden, im Vorzeichen ungleichen kinematischen Diskontinuitätslinien in Bild 5.8 zunächst zu dem im vorangegangen Kapitel in Bild 5.11 behandelten Fächer geführt, bei welchem noch eine kinematische Diskontinuitätslinie gerade ist. In beiden Fällen konnte die vollständige Lösung am infinitesimalen Plattenelement hergeleitet und damit einhergehend der mögliche Kraftfluss eindeutig bestimmt werden. Die Befreiung von der zweiten Geraden (unter Einhaltung der negativen Gaussschen Krümmung) ermöglicht, dass beide kinematischen Diskontinuitäten im Grundriss gekrümmt sein können. Dabei müssen sie weiterhin (5.17) erfüllen, wie dies aus Bild 5.10 (b) ablesbar ist. Die so gewonnene Freiheit wird einzig durch den zulässigen Spannungszustand begrenzt, welcher weiterhin dem Fliessregime II zugeordnet und in seiner allgemeinen Form mit (5.18) - (5.20) respektive mit (5.22) - (5.24) gegeben ist. Für eine konkrete Problemstellung lässt sich dieser mit den Gleichgewichtsgleichungen (2.76) - (2.78) vereinen, was ermöglicht, dass eine ganze Region der Stahlbetonplatte dem Fliessregime II zugeordnet werden kann. Das heisst, dass der Spannungszustand jedes Plattenpunktes sowohl die hergeleitete, allgemeine Lösung nach (5.18) - (5.20) respektive (5.22) - (5.24) als auch die Gleichgewichtsgleichungen (2.76) - (2.78) erfüllt. Zur Illustration dient die allseitig eingespannte, isotrop bewehrte Quadratplatte mit gleichmässiger Beanspruchung in Bild 5.12 (a), für welche Fox die vollständige Lösung gefunden hat [13]. Die in Bild 5.12 (a) dunkel schattierte Fläche stellt eine solche dem Fliessregime II zugeordnete Fliessregion dar. Ebenfalls sind die Hauptmomentenrichtungen als Trajektorien eingetragen, welche im vorliegenden, isotropen Fall nach Bild 5.11 (f) mit den Richtungen der beiden kinematischen Diskontinuitätslinien zusammenfallen. Die vergrösserte Darstellung in Bild 5.12 (b) macht den im Grundriss gekrümmten Charakter der beiden innerhalb der Fliessregion liegenden Fliessgelenklinien deutlich. Die Schwierigkeit beim Auffinden von vollständigen Lösungen einer solchen Fliessregion lässt sich bereits am Beispiel des isotropen Falls feststellen. Zwar sind einerseits die Gleichgewichtsgleichungen sowie deren Einschränkung gemäss (5.18) - (5.20) respektive (5.22) - (5.24) auf das Fliessregime II gegeben. Die mögliche, nicht positive Gaussche Krümmung ermöglicht jedoch geometrische Freiheiten, welche schwer erfassbar sind. Fox löst dieses Problem für den isotropen Fall durch geeignete Wahl des Koordinatensystems, indem er die Gleichgewichtsbedingungen für gekrümmte Koordinaten in Richtung der Hauptmomentenachsen formuliert. Wegen des isotropen Charakters fallen diese Richtungen gemäss Bild 5.11 (f) mit den Richtungen der kinematischen Diskontinuitätslinien zusammen und führen zu der in Bild 5.12 (c) illustrierten Fliessregion. Für den orthotropen Fall gestaltet sich die Suche nach vollständigen Lösungen aus folgenden Gründen verwickelter. Erstens entfällt wegen a 1 die Orthogonalitätsbedingung bezüglich der Richtungen der beiden kinematischen Diskontinuitätslinien. Zweitens stimmen in Bild 5.11 (g) die Hauptmomente aus der Beanspruchung nicht mehr mit den Biegewiderständen überein. Damit stellt sich die Frage nach der geeigneten Beschreibungsart beziehungsweise dem geeigneten Koordinatensystem. Es wird an dieser Stelle daher vorgeschlagen, die zu den Fliesspunkten in Bild 5.11 (g) gehörenden Richtungen der kinematischen Diskontinuitätslinien als tangentiale Richtungen des Koordinatensystems zu definieren. Erstens sind dabei die Fliesspunkte dem jeweilig transformierten Biegewiderstand gleichzusetzen, wodurch für vorgegebene Richtungen der Spannungszustand nicht 100 Fliessregionen !" # $$$ !" # $$$ %" !" !" # $$ !" !" # $$ & & Bild 5.12: Fliessregion: (a) vollständige Lösung der allseitig eingespannten Quadratplatte; (b) vergrösserte Darstellung der Fliessregion; (c) schematische Darstellung der Fliessregion einer isotrop bewehrten Stahlbetonplatte; (d) schematische Darstellung der Fliessregion einer orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte; (e) Darstellung des Schnittwinkels aus den beiden kinematischen Diskontinuitätslinien. zwingend erforderlich ist. Zweitens ermöglicht das in Bild 5.12 (d) schematisch dargestellte Netz von kinematischen Diskontinuitätslinien den dazugehörigen Mechanismus zu finden. Die beiden Richtungen der kinematischen Diskontinuitätslinien sind weiterhin durch (5.17) verknüpft. Die dafür geeigneten Koordinaten müssten somit nach Bild 5.12 (d) ein krummliniges Koordinatensystem darstellen, bei welchem die Koordinatenachsen schiefwinklig zueinanderstehen. Dabei ist der Schnittwinkel zwischen den beiden Achsen durch (5.17) gegeben und lässt sich beispielsweise für a = 0.3 in Bild 5.12 (e) auftragen. Auf dieser Grundlage liessen sich nun analog zu (2.76) - (2.78) respektive (2.83) - (2.85) die Gleichgewichtsgleichungen der Platte anschreiben, um damit vollständige Lösungen suchen zu können. Dieser mögliche Lösungsansatz soll an dieser Stelle jedoch nicht weiterverfolgt werden. 101 Querkraftfluss in Plattensegmenten 5.5 Plattensegmente 5.5.1 Aufteilung der Eigenspannungszustände Der Kraftfluss ist mit der vorangegangenen Diskussion für die Fliessregime I bis III klar aufgezeigt. In Bezug auf die Platte als statisches System sind noch die zwischen den Fliessgelenklinien liegenden Plattensegmente hinsichtlich des Kraftflusses zu untersuchen. Die Plattensegmente entsprechen bei Vorliegen der vollständigen Lösung der Plastizitätstheorie den starren Plattenteilen des Mechanismus, welche durch die Fliessgelenklinien begrenzt werden. Gelingt eine von der Platte losgelöste Beschreibung des Kraftflusses eines einzelnen Plattensegments, kann das Problem entsprechend vereinfacht werden. Die angestrebte Entkopplung wird mit der Vorstellung von Lastscheiden der Fliessregime I und III erleichtert, was die Bedeutung der entsprechenden Diskussion nochmals verdeutlicht. Das vorliegende Unterkapitel behandelt einen in die vollständige Lösung eingehenden, statisch zulässigen Spannungszustand solcher Plattensegmente. Ein solcher statisch zulässiger Spannungszustand ist einer unter vielen möglichen Zuständen, die zusammengefasst den allgemeinen Lösungsraum bilden. Die grosse Herausforderung besteht darin, diesen Lösungsraum hinsichtlich des Rechenaufwands möglichst einzuschränken, ohne zur vollständigen Lösung gehörige Spannungszustände auszugrenzen. Solche Einschränkungen stellen neben den erwähnten Lastscheiden der Fliessregime I und III die mit den Fliessgelenklinien einhergehenden Randbedingungen dar. Die Suche beschränkt sich somit auf das Finden der verschiedenen Eigenspannungszustände, welche superponiert in ihrer optimalsten Ausgestaltung und unter Einhalten der Normalmomenten-Fliessbedingung eine Maximierung der Belastung qz ermöglichen und im besten Fall auf die Traglast qu führen. Dazu ist zunächst vom allgemeinsten Lösungsraum des Querkraftfeldes auszugehen, welches sich nach (3.1) aus drei Anteilen zusammensetzt. Das Vektorfeld v p widerspiegelt dabei die eingeprägte Belastung qz; die Vektorfelder v h1 und v h2 entsprechen den Eigenspannungszuständen, welche nach Belieben, jedoch unter Einhaltung der Randbedingungen gewählt und v p überlagert werden können. Das so formierte Querkraftfeld v muss mit den dazugehörigen Plattenmomenten lediglich die Gleichgewichtsbedingungen (2.80) und (2.81) erfüllen. In der Folge werden die verschiedenen Eigenspannungszustände einzeln betreffend ihrer mechanischen Bedeutung sowie bezüglich ihrer elastischen Verträglichkeit diskutiert, was jeweils in einer Anleitung zur Generierung solcher Zustände und letztendlich durch Zusammenführen in der Entwicklung von vollständigen Lösungen ausgewählter Plattensegmente münden wird. Zur Übersicht werden dazu nochmals alle möglichen Eigenspannungszustände kurz eingeführt. Zu mit (3.1) beschriebenen Eigenspannungszuständen des Querkraftfeldes kommt aus der Betrachtung der Gleichgewichtsbedingung (2.81) ein Eigenspannungszustand hinzu, welcher div m v 0 (5.61) genügt, als homogene Lösung von (2.81) aufzufassen ist und im Querkraftfeld nicht erscheint. Die elastische Verträglichkeit kann durch Gleichsetzen von (5.61) mit (3.29) gemäss grad w 0 , w const (5.62) bestätigt werden. Das heisst, dass dieser erste Eigenspannungszustand nur aus induzierten Plattenbiegemomenten zustande kommt und nach (5.61) einen verschwindenden Querkraftfluss aufweisen muss. Weiter folgt aus (5.62), dass die induzierten Plattenbiegemomente mit rein elastischen Verformungen verträglich sind. 102 Plattensegmente Die beiden anderen Eigenspannungszustände sind bereits in Kapitel 3.1 eingeführt worden und nach (3.1) anteilig im Querkraftfeld mit den Bezeichnungen v h1 und v h2 wiederzufinden. Der Eigenspannungszustand v h2 ist durch das Verschwinden sowohl der Divergenz als auch der Rotation geprägt div v 0 , rot v 0 (5.63) was zusammen mit (2.105) die elastische Verträglichkeit belegt: w 0 (5.64) Demgegenüber weist der Eigenspannungszustand v h1 keine verschwindende Rotation auf, woraus gemäss div v 0 , rot v (5.65) die Wirbeldichte resultiert. Einerseits hat die Diskussion in Kapitel 3 gezeigt, dass solche Wirbel in der initial eigenspannungsfreien isotropen Stahlbetonplatte nicht existieren und damit elastisch nicht verträglich sein können. Andererseits muss ein wirbelbehafteter Eigenspannungszustand v h1 zum Lösungsraum von vollständigen Lösungen gehören, wie dies mit den Ausführungen in Kapitel 3.3 am Beispiel der gleichmässig beanspruchten, zentrisch punktgestützten Quadratplatte gezeigt werden kann. Dies lässt sich ebenfalls mit der statischen Diskontinuitätslinie belegen, deren Ausbildung in experimentellen Versuchen an Quadratplatten mit spezieller Bewehrungsanordnung erzwungen werden konnte [52]. Nach den Ausführungen in Kapitel 4.2 muss eine derartige statische Diskontinuitätslinie entlang ihrer Grenze mit diskreten Wirbelschichten einhergehen, womit die genannten Versuche implizit auch die Existenz solcher Wirbel im Querkraftfeld bestätigen. Noch offen ist die in Kapitel 4.2.3 gestellte Frage, wie solche Wirbelfelder bei der monotonen Laststeigerung dem Querkraftfeld eingeprägt werden können. Hierzu wird in Kapitel 5.5.4 auf der Basis der Theorie schubsteifer Platten eine kinematische Beschreibung der Wirbel nachgeliefert. 5.5.2 Eigenspannungszustand Typ „div m = 0“ Die Diskussion des Eigenspannungszustands mit verschwindendem Querkraftfluss kann von der in Kapitel 3.1 hergeleiteten Analogie zwischen den Gleichgewichtsbedingungen der Schale und der Platte ausgehen. Den Ausgangspunkt stellt (3.21) dar zn m (5.66) wonach der Tensor der Plattenmomente gleich dem Produkt des Tensors der Membrankräfte und des Hebelarms z ist. Durch Anwenden der Divergenz auf (5.66) erhält man die bereits mit (3.22) hergeleitete Beziehung z n z n z n v (5.67) von welcher sich mittels Fallunterscheidung zwei Modellvorstellungen ableiten lassen. Für den ersten Fall eines in der xy-Ebene beliebig variierenden Hebelarms z sowie der verschwindenden, auf n angewendeten Divergenz entfällt in (5.67) der zweite Summand, womit der Querkraftvektor z n v (5.68) der flachen Membranschale (3.20) übrig bleibt. Dabei stellt der Hebelarm z die Formfunktion der Membranschale dar. 103 Querkraftfluss in Plattensegmenten Setzt man dagegen den Hebelarm z = const, so folgt mit dem Verschwinden des ersten Summanden in (5.67) die Gleichgewichtsbedingung zn v (5.69) welche man durch Substitution mit (5.66) auf die zweite Gleichgewichtsbedingung (2.81) der Platte zurückführen kann. Die Beziehung (5.69) ist somit dem Sandwichmodell zuzuordnen und kann damit auch von den in Bild 5.13 (a) respektive (b) dargestellten Schnittgrössen des zugehörigen, infinitesimalen Plattenelements abgeleitet werden. Mit dem Sandwichmodell ist es möglich, eine mechanische Interpretation des ersten Eigenspannungszustandes anzugeben. Wegen des verschwindenden Querkraftflusses (5.61) folgt aus (5.69) mit z = const, dass die auf den Tensor der Membrankräfte angewendete Divergenz verschwinden muss: div m 0 , z n v 0 (5.70) (5.70) beschreibt einen ebenen Spannungszustand, für welchen mit der Airyschen Spannungsfunktion F ein elegantes mathematisches Instrument zur Lösung bereitsteht. Die Komponenten des symmetrischen Tensors n lassen sich wie folgt anschreiben nxx F, yy (5.71) nyy F, xx (5.72) nxy F, xy (5.73) womit (5.70) in beiden Richtungen gemäss nxx , x nxy , y F, yyx F, xyy 0 (5.74) nxy , x n yy , y F, xyx F, xxy 0 (5.75) erfüllt ist. Wegen (5.66) und z = const kann die Airysche Spannungsfunktion F auch direkt für die Komponenten von m verwendet werden: mxx F, yy (5.76) myy F, xx (5.77) mxy F, xy (5.78) Damit wird die eingangs definierte Bedingung div m 0 erfüllt. 104 Plattensegmente Bild 5.13: Sandwichmodell: (a) infinitesimales Plattenelement des Sandwichmodells; (b) eindimensionaler Schnittkörper des Sandwichmodells; (c) (d) Eigenspannungszustand ohne Querkraftfluss in axonometrischer und planarer Darstellung (nur Normalspannungen in x-Richtung dargestellt). Das Generieren eines derartigen Eigenspanungszustandes soll abschliessend an einem Beispiel demonstriert werden, welches nachfolgend bei der Entwicklung von vollständigen Lösungen ausgewählter Plattensegmente weitere Verwendung findet. Zur Illustration dient das in Bild 5.13 (c) dargestellte trapezförmige Plattensegment, welches in den Sandwichdeckeln einen ebenen, radialen Eigenspannungszustand aufweisen soll. Die beiden unter beliebigen Winkeln zu liegen kommenden Flanken sollen dabei spannungsfrei bleiben. Ein möglicher Ansatz für die Airysche Spannungsfunktion, welcher alle die geforderten Bedingungen erfüllt, lässt sich für eine beliebige natürliche Zahl n wie folgt angeben: F C y n2 x n 1 n 1 n 2 (5.79) 105 Querkraftfluss in Plattensegmenten Daraus resultieren nach (5.76) - (5.78) die Komponenten mxx C yn x n 1 (5.80) myy C y n2 x n 3 (5.81) mxy C y n 1 xn2 (5.82) des Momententensors, welche (5.61) erfüllen. Wählt man n = 0, so vereinfacht sich die Ansatzfunktion (5.79) zu F C y2 2x (5.83) mit den Komponenten mxx C 1 x (5.84) myy C y2 x3 (5.85) mxy C y x2 (5.86) des Momententensors. Dieser Spezialfall n = 0 ist bereits in [52] aufgeführt und dadurch gekennzeichnet, dass das Biegemoment mxx beziehungsweise die verteilte Normalkraft nxx für eine feste xKoordinate in y-Richtung einen konstanten Betrag aufweist, wie dies aus den Bildern 5.13 (c) und (d) schematisch zu entnehmen ist. 5.5.3 Eigenspannungszustand Typ v h 2 Der Eigenspannungszustand vom Typ v h2 lässt sich in analoger Weise zum partikulären Fall in (3.3) mit einem Potential v h2 grad h2 (5.87) beschreiben, wodurch die Bedingung rot v h2 ,hyx2 ,hxy2 0 (5.88) erfüllt ist. Durch Anwenden von (2.80) auf (5.87) resultiert mit dem Laplace-Operator eine zu (3.10) und (3.11) analoge elliptische Differentialgleichung h2 0 (5.89) für deren Lösung nur harmonische Funktionen in Frage kommen. Die Schwierigkeit beim Generieren eines solchen Eigenspannungszustandes besteht darin, dass sich im Gegensatz zum Querkraftfeld die Momente infolge des Integrationsschritts in (2.81) nicht mehr eindeutig bestimmen lassen. Dies wird zusätzlich erschwert, indem die beiden Beziehungen (2.76) und (2.77) eine Kopplung durch das Drillmoment erfahren. 106 Plattensegmente Um dennoch eine Anleitung für das Generieren eines Eigenspannungszustandes geben zu können, sind folgende Hilfsgleichungen nützlich. Ausgangspunkt stellt dabei die Gleichsetzung des Querkraftfeldes (5.87) mit der Gleichgewichtsbedingung (2.81) und der darauffolgenden Ableitung nach x beziehungsweise y dar, womit sich die gemischte Ableitung des Drillmoments mxy , xy ,hxx2 mxx , xx ,hyy2 myy , yy (5.90) ergibt. Aus der doppelten Integration von (5.90) in x- beziehungsweise y-Richtung folgt h2 mxx x mxy , y h y (5.91) h2 m yy y mxy , x g x (5.92) woraus durch Addition die bereits mit (3.34) angegebene Beziehung h2 1 mI x mxy , y y mxy , x g x h y 2 (5.93) resultiert. Auf der Basis von (5.90) - (5.93) lässt sich nun ein mögliches Vorgehen skizzieren: Ausgangspunkt ist eine beliebige Funktion mxy,xy, wobei die Funktionsterme mit vorderhand nicht bestimmten Koeffizienten skaliert sind. Zweifache Integration in x- beziehungsweise y-Richtung führt auf den Term xmxy,y in (5.91) beziehungsweise auf den Term ymxy,x in (5.92). Durch geschickte Wahl sind die restlichen Terme dieser beiden Hilfsgleichungen so zu bestimmen, dass daraus das identische Potential h2 resultiert. Dieses lässt sich mit (5.89) auf rein harmonische Funktionen überprüfen, woraus sich letztendlich Bestimmungsgleichungen für die Koeffizienten ableiten lassen. In einem letzten Schritt ist zu kontrollieren, ob Teile der gewählten Momentenansätze zusätzlich die Bedingung (5.61) erfüllen und damit streng genommen dem Eigenspannungszustand Typ div m 0 zuzuordnen sind. Diese Ausführungen lassen sich anhand des Beispiels von Potenzreihen illustrieren, womit im Anschluss ein möglicher Eigenspannungszustand abgeleitet werden soll. Dazu werden die gemäss Bild 5.14 (a) gebildeten Produkte verwendet. Durch Drehung um 45° entsteht die Pyramidendarstellung in Bild 5.14 (b), deren Zeilen konstante Exponentensummen aufweisen. Alle Funktionsansätze einer Zeile können gemäss (5.91) sowohl in h2 als auch in mxx eingesetzt werden, woraus sich die in Bild 5.14 (c) dargestellten Ansätze für mxy ergeben. Analog kann man mit (5.92) und myy umgehen. Als Beispiel davon wird der Eigenspannungszustand mit der Exponentensumme vier angegeben. Mit den Funktionsansätzen der zweiten Zeile in Bild 5.14 (b) respektive der ersten beiden Spalten in Bild 5.14 (c) ergeben sich die Momente C C mxx mu 1 x 4 2 x 2 y 2 2 4 (5.94) C C myy mu 1 y 4 2 x 2 y 2 2 4 (5.95) mxy mu C3 3 x y xy 3 2 (5.96) sowie das dazugehörige Potential C C C 3C mu 1 3 x 4 y 4 2 3 x 2 y 2 8 4 2 4 (5.97) 107 Querkraftfluss in Plattensegmenten Bild 5.14: Potenzreihen: (a) Generieren der Potenzreihen; (b) um 45° gedrehte Darstellung; (c) Exponenten der Ansatzfunktionen. Die Forderung nach harmonischen Funktionen lässt sich mit Hilfe von (5.89) gemäss h2 mu 3C1 C2 3C3 x 2 y 2 0 (5.98) befriedigen, indem die Bestimmungsgleichung 3C1 C2 3C3 0 (5.99) der Koeffizienten erfüllt wird. Analog liessen sich aus den anderen Zeilen in Bild 5.14 (b) weitere Eigenspannungszustände generieren, welche einander beliebig überlagert werden dürfen. Abschliessend ist zu bemerken, dass die verwendeten Potenzreihen nicht die einzig möglichen Ansätze darstellen, um harmonische Funktionen als Lösung der elliptischen Differentialgleichung zu erhalten. Weitere Ansätze sind der Literatur zu entnehmen [3]. 108 Plattensegmente 5.5.4 Eigenspannungszustand Typ v h 1 Wie bereits in Kapitel 5.5.1 ausgeführt, unterscheidet sich der dritte Eigenspannungszustand durch eine nicht verschwindende Wirbeldichte und die damit in schubstarren Platten einhergehende elastische Unverträglichkeit grundlegend von den zwei vorangegangenen Eigenspannungszuständen, welche beide elastisch verträglichen Charakter aufweisen. Die Frage, wie dem Querkraftfeld Wirbelfelder im monotonen Laststeigerungsprozess eingeprägt werden können, soll im zweiten Teil des vorliegenden Kapitels beantwortet werden. Zuerst wird aufbauend auf der bereits in Kapitel 3.1 hergeleiteten Definition ein mögliches Vorgehen zum Generieren eines Eigenspannungszustandes mit nicht verschwindendem Wirbelfeld aufgezeigt. Die alle Eigenspannungszustände verbindende Bedingung der verschwindenden, auf das Querkraftfeld angewendeten Divergenz sowie die nun vorhandene Wirbeldichte ermöglichen die Beschreibung der beiden Vektorkomponenten vxh1 , y (5.100) v yh1 , x (5.101) in Funktion eines Potentials, wobei die Ansätze von (5.100) und (5.101) in ähnlicher Weise zu der im Kapitel 5.5.2 verwendeten Airyschen Spannungsfunktion gewählt sind. Die Kontrolle der Ansatzfunktion führt einerseits mit der auf die Querkraft angewendeten Divergenz auf die eingangs aufgestellte Bedingung div v h1 , yx , xy 0 (5.102) und anderseits mit der Anwendung der Rotation auf die elliptische Differentialgleichung rot v h1 , xx , yy (5.103) mit der Wirbeldichte als Störfunktion, welche dem Ausdruck linkerhand in (3.12) gleichgesetzt werden kann. Im Gegensatz zu den Querkraftkomponenten in (5.100) und (5.101) können wiederum die Momente durch den Integrationsschritt in (3.12) nicht eindeutig bestimmt werden. Weiter lassen sich im Gegensatz zum vorangegangenen Eigenspannungszustand keine Hilfsgleichungen herleiten, welche dem Generieren eines Eigenspannungszustands dienlich wären. Der einzige gangbare Weg besteht in der Wahl einer geeigneten Ansatzfunktion für das Potential , von welchem mit (5.100) und (5.101) die dazugehörigen Querkraftkomponenten eindeutig abgeleitet werden können. Für das nachfolgende Finden der dazugehörigen Momente bleibt letztendlich nur der Weg über Versuch und Irrtum. 109 Querkraftfluss in Plattensegmenten Die angesprochene Problematik soll am folgenden Beispiel [52] verdeutlicht werden. Die Ansatzfunktion C y x (5.104) führt mit (5.100) und (5.101) auf die Querkraftkomponenten vx C 1 x (5.105) vy C y x2 (5.106) die wegen v y vx y x einem radialen Querkraftfluss entsprechen. Die Integration sowie eine geschickte Aufteilung führt beispielsweise zu den Momenten mxx 0 (5.107) m yy C y2 x2 (5.108) mxy C y x (5.109) welche bei der Entwicklung von vollständigen Lösungen ausgewählter Plattensegmente in Kapitel 5.5.5 und 5.5.6 weitere Verwendung finden. Nach diesen Ausführungen zum Generieren des Eigenspannungszustands sowie dem Aufzeigen eines Beispiels soll nun der Fokus auf die in Kapitel 5.5.1 formulierte Fragestellung betreffend der plastischen Verträglichkeit von Wirbeln in schubstarren Platten gerichtet werden. Dazu ist der Exkurs zur Theorie schubsteifer Platten nach Reissner/Mindlin notwendig [75, 53], bei welcher im Unterschied zu schubstarren Platten Querkraftverformungen Berücksichtigung finden. Bei der in Bild 5.15 (a) dargestellten Sandwichplatte treten die in Bild 5.15 (b) dargestellten Verformungsgrössen w und auf. Dabei ist festzuhalten, dass von der nach Bernoulli und Navier benannten Hypothese nur das Ebenbleiben der Querschnitte weiterhin seine Gültigkeit behält; die Berücksichtigung der Querkraftverformungen löst die Restriktion des Senkrechtbleibens bezogen auf die verformte Achse. Damit lassen sich die kinematischen Relationen in x-Richtung x x w, x (5.110) und in y-Richtung y y w, y (5.111) aus Bild 5.15 (b) ableiten. Mit der zum Balken analogen Schubsteifigkeit von 5G h 6 resultieren unter der Annahme eines homogenen und isotropen, linear elastischen Verhaltens die Stoffgleichungen x 6 vx 5G h , y 6 vy 5G h (5.112) Nebenbei sei bemerkt, dass eine Schubsteifigkeit von G av 1G h dem Verformungsverhalten des hier behandelten Sandwichmodells gerechter würde. Auf das Ziel, eine mechanische Interpretation der Wirbel zu finden, hat dies jedoch keinen Einfluss. 110 Plattensegmente ( "! % &'&( ! ! ! % &'&( ! "! ! "! "! ) * $# $# $# $# ) * ) * ) * Bild 5.15: Schubsteife Platte: (a) Sandwichmodell; (b) Verformungen; (c) Darstellung der Verzerrungen aus den Schubwinkeln im Plattenkern; (d) Darstellung der Schubwinkeländerungen mit Hilfe des Mohrschen Kreises; (e) Schubwinkeländerungen separiert in die verschiedenen Verformungsanteile. 111 Querkraftfluss in Plattensegmenten Aus Bild 5.15 (b) lässt sich über die infinitesimale Differenz der beiden Rotationswinkel x und y der elastische Krümmungstensor 1 2 grad grad T (5.113) in Symbolschreibweise ableiten und mit Hilfe der kinematischen Relationen (5.110) und (5.111) gemäss xx yx xy x , x w, xx yy sym. 1 2 y , x 2 w, xy y , y w, yy x, y (5.114) in Indexschreibweise darstellen. Der in Kapitel 2.2 verwendete Krümmungstensor schubstarrer Platten ergibt sich mit = 0 als Spezialfall aus (5.114). Dagegen haben die Gleichgewichtsbedingungen gemäss (2.80) und (2.81) nach wie vor Bestand, womit alle Teile für die Herleitung der partiellen Differentialgleichung bereitstehen. Aus der Verknüpfung des Krümmungstensors mit den verallgemeinerten Stoffgesetzen der Momente gemäss (2.102) und der Querkräfte (5.112) folgen die Plattenmomente mxx D w, xx w, yy 6D 1 vx, x qz 5G h m xx (5.115) myy D w, yy w, xx 6D 1 vy , y qz 5G h m (5.116) myy D 1 w, xy 6 D 1 10G h v x, y yy vy, x (5.117) von welchen sich mit der Gleichgewichtsbedingung (2.81) die Querkraftkomponenten vx D w , x 6D 1 vx 1 qz , x 10G h m (5.118) v y D w , y 6D 1 vy 1 qz , y 10G h m (5.119) xx , x yy , y ableiten lassen. Das Querkraftfeld lässt sich in divergente und wirbelbehaftete Anteile aufspalten, woraus sich durch Gleichsetzen mit der negativen Kraftdichte qz respektive der Wirbeldichte die beiden gekoppelten partiellen Differentialgleichungen div v Dw rot v 6 D 1 10G h 6D qz 5G h v x, y m xx , xx m yy , yy qz v y , x (5.120) (5.121) ergeben; diese beschreiben das Verhalten schubsteifer Platten vollumfänglich. Weiter lässt sich (5.121) mit (5.112) und unter der Beachtung von rot rot in Funktion der Schubwinkel gemäss rot v D 1 ausdrücken. 112 2 rot D 1 2 rot (5.122) Plattensegmente Es sind dabei folgende Bemerkungen anzubringen: Die in den Beziehungen (5.115) - (5.120) auftretenden Momentenbeiträge m xx m xx qz h 2 10 1 resultieren aus der Krafteinleitung in vertikaler Richtung. Sie sind der Vollständigkeit halber aufgeführt, nehmen jedoch bei der hier zu behandelnden Fragestellung eine untergeordnete Rolle ein. Wichtiger ist, dass mit einer konstanten Belastung qz = const die beiden partiellen Differentialgleichungen (5.120) und (5.122) entkoppelt betrachtet werden können; nur die dazugehörigen Lösungen sind in den Randbedingungen miteinander verknüpft, sofern man die Wirbeldichte als äussere Belastung auffasst. Somit lassen sich mit den damit einhergehenden, verschwindenden Momentenbeiträgen m xx und m yy in (5.120) die bekannten Lösungen der schubstarren Platte bis auf die Randbedingungen auf (5.120) übertragen. Ferner ist der wirbelbehaftete Anteil der Querkraft einzig der Schubtragwirkung und somit dem Plattenkern zuzuordnen, was nachfolgend den Ausgangspunkt zur Beantwortung der noch offen stehenden Frage nach der plastischen Verträglichkeit von Wirbeln im Querkraftfeld schubstarrer Platten markiert. Die Momente in (5.115) - (5.117) lassen sich ohne Verknüpfung mit der verallgemeinerten Stoffgleichung der Querkraft zunächst auch in Funktion der Verformung w sowie der Schubwinkel x respektive y gemäss mxx D w, xx w, yy D x , x y , y m xx (5.123) m yy D w, yy w, xx D y , y x , x m (5.124) mxy D 1 w, xy D 1 2 x, y y,x yy (5.125) ausdrücken. In dieser Formulierung fällt die auf den Schubwinkel x respektive y angewendete Ableitung ins Auge, welche zusammenfassend den Komponenten des auf den Schubwinkelvektors angewendeten Gradienten entsprechen und am Plattenelement in Bild 5.15 (c) die infinitesimale Änderungen dieser Winkel darstellen. Der aus diesen Komponenten resultierende Tensor zweiter Stufe ist im Allgemeinen nicht symmetrisch, was jedoch die Darstellung mit einem Mohrschen Kreis nicht beeinträchtigt. Dieser bildet die Transformation beliebiger Tensoren zweiter Stufe ab, auch von solchen mit nicht symmetrischem Charakter, wie sich dies anhand von Bild 5.15 (d) aufzeigen lässt. Dabei stellen die Koordinaten des Kreismittelpunkts die skalierte, auf die Querkraft angewendete Divergenz respektive Rotation dar. Die Eigenwerte des Tensors sind weiterhin durch die Schnittpunkte des Kreises mit der Abszisse gegeben, wobei sie im Unterschied zum symmetrischen Fall nun auch imaginäre Werte annehmen können. Ebenso sind die dazugehörigen Eigenvektoren in den entsprechenden Drehungen um den Pol zu den Eigenwerten wiederzufinden. Der in Bild 5.15 (d) dargestellte Verformungszustand lässt sich mit den vier in Bild 5.15 (e) separierten Verformungsanteilen an der Plattenscheibe z = +h/2 erklären. Die ersten beiden Anteile beschreiben die möglichen Starrkörperverformungen (Translation und Rotation), wobei in der Darstellung mit dem Mohrschen Kreis nur die Rotation durch eine Verschiebung in Ordinatenrichtung sichtbar wird. Demgegenüber stehen die gesamten Verzerrungen der Scheibe, welche sich mittels Volumen- und Gestaltänderungsanteilen aufspalten lassen. Wegen des symmetrischen Charakters muss der Mittelpunkt des Mohrschen Kreises in beiden Fällen auf der Abszisse liegen; bei reiner Gestaltänderung fällt er mit dem Ursprung des Koordinatensystems zusammen. Für die angestrebte kinematische Interpretation der Wirbeldichte ist aus den gesamten Verzerrungen der Rotationsanteil einzeln auszusondern, was sich im Fall von infinitesimalen Verformun113 Querkraftfluss in Plattensegmenten gen mit der additiven Dekomposition bewerkstelligen lässt. Hierfür sind die in Bild 5.15 (c) dargestellten Schubwinkeländerungen als Winkel x y,x 1 2 h , y x, y 1 2 h (5.126) in der Scheibe z = +h/2 zu definieren und in Bild 5.16 (a) darzustellen. Gleichermassen kann für eine Scheibe z = -h/2 vorgegangen werden. Mit der angesprochenen Dekomposition lässt sich der isochore Anteil (reine Gestaltänderung) von der reinen Rotation gemäss rot 1 2 x y 1 2 y , x x , y 1 2 h (5.127) Schub 1 2 x y 1 2 y , x x , y 1 2 h (5.128) trennen, welcher üblicherweise für die Bestimmung der Schubspannungen einer Scheibe von Interesse ist. Dagegen wird der Rotation normalerweise wenig Bedeutung zugemessen, da diese als Starrkörperverformung keine Spannungen verursachen soll. Im vorliegenden Fall mit der Modellvorstellung einer aus Scheiben zusammengesetzten Platte resultieren jedoch aus der, über die Plattendicke linear veränderlichen Rotation trotzdem Schubspannungen, was anhand der in den Bildern 5.16 (a) und (b) dargestellten Verformung der beiden Scheiben z = +/- h/2 einleuchten muss. Das gleiche Vorgehen kann auf die Verformung w übertragen werden, woraus die Darstellungen der beiden Scheiben in den Bildern 5.16 (c) und (d) resultieren. Die Rotation einer Scheibe muss dabei gemäss rot 1 2 w, yx w, xy 0 (5.129) immer verschwinden, sofern nach dem Satz von Schwartz die Reihenfolge der partiellen Ableitungen keine Rolle spielt. Dieses Resultat führt unter Vernachlässigung der Schubverformungen zu der bereits in Kapitel 3.2 gemachten Feststellung, dass das Querkraftfeld der schubstarren, elastischen Platte wirbelfrei ist. Im Fall der schubsteifen Platte sind dagegen die Verformungsanteile für die Scheiben z = +h/2 aus den Bildern 5.16 (a) und (c) respektive für z = -h/2 aus (b) und (d) zu überlagern. Obschon der Rotationsanteil einer Scheibe eine reine Starrkörperverformung darstellt, resultieren daraus mit der Betrachtung über die Plattendicke Verzerrungen, welche sich aus den einzelnen Rotationsanteilen der Scheiben zu dem in Bild 5.16 (e) dargestellten Verformungsbild formieren. Aus den Stoffgleichungen der verallgemeinerten Querkraft sowie der auf die Querkraft angewendeten Rotation folgt die Beziehung rot v 5G h rot 0, 0, 6 (5.130) welche zusammen mit der Darstellung in Bild 5.16 (e) als verallgemeinertes Stoffgesetz der Wirbeldichte bezeichnet werden kann. Dieses lässt sich folgendermassen interpretieren: Die Wirbeldichte greift paarweise als verteiltes Moment um die z-Achse in entgegengesetzter Richtung an und verursacht dabei eine Verdrillung des Plattenkerns, welche zum dargestellten Verformungsbild führt. Bei der Theorie der schubsteifen Platte ist eine solche Verdrillung des Plattenkerns nur unter Einhaltung der zweiten partiellen Differentialgleichung gemäss (5.121) respektive (5.122) elastisch verträglich. Aus der Grenzwertbetrachtung Gav reduziert sich das Differentialgleichungssystem bestehend aus (5.120) und (5.121) auf den Spezialfall der schubstarren Platte in Form einer partiel114 Plattensegmente Bild 5.16: Plattenkern des Sandwichmodells: (a) Schubwinkeländerungen der Scheiben z = +h/2; (b) Schubwinkeländerungen der Scheiben z = -h/2; (c) Änderungen der Rotationswinkel infolge der Verformung w der Scheiben z = +h/2; (d) Änderungen der Rotationswinkel infolge der Verformung w der Scheibe z = -h/2; (e) der Wirbeldichte entsprechendes Verformungsbild; (f) Stoffgleichung der Querkraft nach der Theorie schubsteifer respektive schubstarrer Platten. 115 Querkraftfluss in Plattensegmenten len Differentialgleichung gemäss (2.105), welche die in Bild 5.16 (e) dargestellte Verformung wie auch die damit einhergehenden, elastisch verträglichen Wirbel im Querkraftfeld nicht mehr zulässt. Die Querkraft kann dabei nur noch über die Gleichgewichtsbedingung (5.69) bestimmt werden; der übliche Weg über die verallgemeinerten Stoffgleichungen ist mit der Grenzwertbetrachtung in (5.112) gemäss lim G av 1 v0 G av (5.131) nicht mehr zielführend, wie dies die beiden Darstellungen in Bild 5.16 (f) verdeutlichen. Die initial eigenspannungsfreie, schubstarre Platte muss somit wirbelfrei sein. Dies lässt sich ebenfalls mit der auf (5.130) angewendeten Grenzwertbetrachtung von (5.131) gemäss lim G av rot v rot 0 G av (5.132) zeigen. Die Beziehung (5.132) lässt sich nun auch zum Aufzeigen der Existenz plastisch verträglicher Wirbel zu Nutze machen. Durch die Grenzwertbildung in (5.132) muss nämlich lediglich die auf den Schubwinkelvektor angewendete Rotation verschwinden; die auf die Querkraft angewendete Rotation kann dabei ähnlich zu (5.131) einen beliebigen Wert annehmen. Ein Eigenspannungszustand v h1 lässt sich somit in einer schubstarren Platte wie folgt einprägen: Die schubstarre Platte weist im initial eigenspannungsfreien Zustand keine Wirbel auf. Infolge des monotonen Laststeigerungsprozesses werden fortlaufend an verschiedenen geometrischen Orten in der Platte die Momente durch die Normalmomenten-Fliessbedingung begrenzt, was beim Fortsetzen der Laststeigerung zwingend zum Einprägen eines Eigenspannungszustandes führt. Ein Eigenspannungszustand des Typs v h1 entsteht dabei durch Momente, welche gemäss (2.81) dem Querkraftfeld Wirbel aufzwingen. Diese Wirbelfelder entstehen somit durch Kombination der Plattenmomente mit der vorhandenen Begrenzung in Form der Normalmomenten-Fliessbedingung und weisen deshalb mit (5.132) plastisch verträglichen Charakter auf, womit die in Kapitel 4.2 aufgestellte Hypothese bestätigt ist. 5.5.5 Orthotrop bzw. schief bewehrtes Trapezsegment Die Entkopplung des Kraftflusses in Form von Lastscheiden der Fliessregime I bis III (ohne Fächer und Fliessregionen) und die Separierung der verschiedenen Eigenspannungszustände sowie deren Beschreibung in der allgemeinsten Form bilden zusammen mit den in Kapitel 2 aufbereiteten Grundlagen die Basis, um eine vollständige Lösung für das in Bild 5.17 (a) dargestellte orthotrop beziehungsweise schief bewehrte Trapezsegment zu entwickeln. Hierzu ist folgende Bemerkung für die Steuerung des Kraftflusses hilfreich. Ein radial verlaufender Kraftfluss lässt sich mit Hilfe der Hauptquerkraftrichtung (2.89) sowie der polaren Darstellung durch die Bedingung tan 0 vy vx y x (5.133) definieren. Aus (5.133) lassen sich beliebige, radial verlaufende Querkraftfelder generieren und mit der darauf angewendeten Divergenz respektive Rotation dem entsprechenden Eigenspannungszustand oder der partikulären Lösung zuordnen. Dies ist für eine Auswahl von Querkraftfeldern in Tabelle 5.1 aufgezeigt. Als Ausgangsfunktionen stellen die in Spalte 1 dargestellten Funktionsargumente x und y Querkraftkomponenten dar, welche wegen der nicht verschwindenden Divergenz der partikulären Lösung zugehörig sind. Mittels Multiplikation beziehungsweise Division mit 116 Plattensegmente einem Funktionsargument lassen sich daraus die Spalten 2 bis 6 generieren, wovon mit Ausnahme von Spalte 2 alle dem Eigenspannungszustand Typ v h1 angehören. Dieser Schritt kann auch mit einem beliebigen Term vollzogen werden, wie zum Beispiel mit dem Term 1 x 2 y 2 in Spalte 7. Bei dem so generierten Querkraftfeld verschwindet sowohl die Divergenz als auch die Rotation, womit der Eigenspannungszustand dem Typ v h2 entspricht; zudem besteht mit der Quellen- respektive Senkenströmung aus Bild 4.3 (b) eine Analogie zur Fluidmechanik. 4 6 2 3 vx x 1 1 x x y2 yn x n 1 x n 1 y n2 x x y2 vy y y x y x2 1 y y n 1 xn2 xn y n 1 y x y2 div v 2 1 x 0 rot v 0 y 2 x 2 y 2x 3 x y3 0 5 7 1 2 0 0 2 y n 1 n x 2 y 2 2 y 2 x n3 0 x n 1 n x 2 y 2 2 x 2 y n3 0 Tabelle 5.1: Beispiele für Querkraftfelder mit radial verlaufendem Kraftfluss. Die Ausführungen zum radial verlaufenden Kraftfluss sind als weitere Konstruktionshilfe zu sehen, womit in der Folge für das Trapezsegment ein statisch zulässiger Spannungszustand kreiert werden soll; dieser soll wenn möglich zur vollständigen Lösung gehören. Hierzu sind durch geschickte Wahl Ansatzfunktionen für die Momente zu wählen, welche den möglichen Kraftfluss sowie die übrigen Randbedingungen nicht von vornherein offensichtlich verletzen und der nachfolgenden Prüfung aller Bedingungen standhalten. Im besten Fall führt dies auf den zur vollständigen Lösung gehörenden, statisch zulässigen Spannungszustand. Das in Bild 5.17 (a) und (b) dargestellte Trapezsegment weist eine gleichmässig orthotrope beziehungsweise schiefe Bewehrung auf und ist an der grösseren Grundlinie einfach gelagert. Die übrigen Kanten stellen Fliessgelenklinien und demzufolge Lastscheiden dar, womit die aus der gleichmässigen Belastung qu resultierende Querkraft v nur zum Linienauflager fliessen kann. Der Kraftfluss muss dabei nicht zwingend radial verlaufen; im vorliegenden Fall weist er jedoch radialen Charakter auf. Das Koordinatensystem hat den Ursprung im Schnittpunkt der beiden Flanken, und die x-Richtung ist senkrecht zu den Grundlinien. Daraus leiten sich die in den Bildern 5.17 (a) und (b) dargestellten Abmessungen ab. 117 Querkraftfluss in Plattensegmenten Die Ansatzfunktionen 1 mxx qu x 2 0 6 C5 1 C1 x (5.134) 1 1 y2 m yy qu y 2 qu C4 a 2 2 6 2 x C5 y2 C2 x3 (5.135) 1 1 y m xy qu xy qu C4 a 2 6 2 x C5 y C3 x2 (5.136) setzen sich aufgrund des Kraftflusses aus einem partikulären Anteil und den in Kapitel 5.5.2 und 5.5.4 eingeführten Eigenspannungszuständen sowie einer Konstanten zusammen. Sie stellen eine vereinfachte Form der in [52] verwendeten Ansatzfunktionen dar, welche dort lediglich als statisch zulässiger Spannungszustand Verwendung finden. Zudem weisen sie Ähnlichkeit zu den Ansatzfunktionen in [64] auf, welche die vollständige Lösung für das isotrop bewehrte Trapezsegment beschreiben. Anwenden der Gleichgewichtsbedingungen (2.80) und (2.81) auf (5.134) bis (5.136) führt auf die Querkraftkomponenten 1 1 1 vx qu x qu C4 a 2 2 2 x 0 1 1 y v y qu y qu C4 a 2 2 x 2 2 0 vp v h1 m (5.137) (5.138) h welche den eingangs angenommen radialen Charakter gemäss (5.133) aufweisen, sowie auf die Belastung div v qz qu (5.139) Mit diesen Schritten ist gezeigt, dass mit den gewählten Ansatzfunktionen für die Momente (5.134) - (5.136) ein statisch zulässiger Spannungszustand im Platteninnern vorliegt und der dazugehörige Querkraftfluss gemäss (5.137) und (5.138) mit den dreiseitigen Lastscheiden des Trapezsegments verträglich ist; die Randbedingungen sind bezüglich der Querkraft in allen Punkten erfüllt. An den Rändern des Schnittkörpers in Bild 5.17 (b) müssen sich neben der Querkraft auch die Schnittmomente im Gleichgewicht befinden. Dafür muss an den drei Seiten durch die ausgebildeten Fliessgelenklinien zwingend die Fliessbedingung erfüllt sein, und die damit verträgliche kinematische Diskontinuitätslinie muss in Richtung der Schnittkante zeigen. Beim Linienauflager hat dagegen nur das gleichgerichtete Biegemoment mxx zu verschwinden. Die Überprüfung erfolgt zweckmässigerweise in polarer Darstellung, wofür die folgenden Grössen hilfreich sind: sin 2 sin 2 atan y y2 x x2 y 2 (5.140) cos 2 cos 2 atan y x2 x x2 y2 (5.141) sin cos 118 xy x y2 2 (5.142) Plattensegmente Bild 5.17: Entwicklung der vollständigen Lösung für ausgewählte Plattensegmente: (a) (b) Trapezsegment in axonometrischer und planarer Darstellung; (c) Mohrscher Kreis des Biegewiderstandes; (d) (e) Dreiecksegment in axonometrischer und planarer Darstellung. 119 Querkraftfluss in Plattensegmenten An den Flanken resultiert aus den Ansatzfunktionen (5.134) - (5.136) mit Hilfe der Transformationsregeln (2.90) und (2.91) sowie den Hilfsgrössen (5.140) - (5.142) das zur Schnittkante gleichgerichtete Biegemoment 1 mtt C1 qu C4 a 2 sin 2 C2 cos 2 2C3 sin cos 2 (5.143) sowie das Drillmoment 1 mnt C2 C1 qu C4 a 2 sin cos C3 cos 2 sin 2 2 (5.144) Wegen der Wahl der Ansatzfunktionen hängen die beiden Schnittmomente nur vom Richtungswinkel ab und weisen zu den Transformationsgleichungen (2.90) und (2.91) ähnlichen Charakter auf. Erweitert man das infinitesimale Plattenelement der orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte in Bild 2.8 (b) mit einem Drillmomentenwiderstand mxyu, so ergeben sich die Widerstände mttu mxu sin 2 m yu cos 2 2mxyu sin cos (5.145) mntu m yu mxu sin cos mxyu cos 2 sin 2 (5.146) in Abhängigkeit des Richtungswinkels , was eine Beschreibung der Biegewiderstände resultierend aus orthotroper Bewehrung mit beliebiger Ausrichtung respektive ganz allgemein aus schiefer Bewehrung ermöglicht, siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.3. Der Vergleich mit (5.143) und (5.144) führt auf die Bestimmungsgleichungen 1 mxu C1 qu C4 a 2 2 (5.147) m yu C2 (5.148) mxyu C3 (5.149) welche sich mit dem Mohrschen Kreis in Bild 5.17 (c) darstellen lassen. Die Schnittmomente (5.143) und (5.144) erfüllen neben den Schnittkanten die Gleichgewichtsbedingungen in jedem Punkt des Trapezsegments, was in Kombination mit den drei Identitäten (5.147) - (5.149) vermuten lässt, dass die Normalmomenten-Fliessbedingung in jedem Punkt erfüllt wird. Dazu ist die mit (2.113) für orthotrope Biegewiderstände hergeleitete Normalmomenten-Fliessbedingung durch den Drillmomentwiderstand mxyu zu erweitern: m mxy mxu mxx m yu m yy 2 xyu (5.150) Setzt man die zum statisch zulässigen Spannungszustand gehörenden Ansatzfunktionen (5.143) und (5.144) sowie die Identitäten für die Biegewiderstände gemäss (5.147) - (5.149) in (5.150) ein, wird ersichtlich, dass jeder Punkt des Trapezsegments die erweiterte Normalmomenten-Fliessbedingung erfüllt. Das heisst, dass in Bezug auf das Trapezsegment in Bild 5.17 (b) die orthotrope beziehungsweise schiefe Bewehrung eine beliebige Ausrichtung aufweisen kann, was sich nur in den Koeffizienten der drei Bestimmungsgleichungen niederschlägt; die Normalmomenten-Fliessbedingung bleibt für alle Punkte immer erfüllt. Mit den Bestimmungsgleichungen (5.148) und (5.149) sind C2 und C3 gegeben. Somit sind neben der Traglast qu noch die Koeffizienten C1, C4 und C5 zu bestimmen, was unter Berücksichti120 Plattensegmente gung von (5.147) drei weitere Bedingungen erfordert. Zusätzliche Bedingungen lassen sich hierfür an den beiden Grundlinien aufstellen. Für x = a und alle y gilt mxx a, y mxu (5.151) mxy a, y mxyu (5.152) Diese Beziehungen sind linear abhängig und reduzieren sich auf 1 1 1 qu a 2 qu C4 a 2 C5 0 6 2 a (5.153) Entlang von x = l ist mxx 0 , was auf eine weitere Bestimmungsgleichung 1 1 1 mxx l qu l 2 C5 mxu qu C4 a 2 0 6 l 2 (5.154) führt. Die Koeffizienten C1, C4 und C5 lassen sich mit den drei Bestimmungsgleichungen (5.147), (5.153) und (5.154) in Funktion der Traglast qu auflösen und wie folgt darstellen: 1 a C1 qu l 2 al a 2 mxu 6 l a (5.155) C4 m 1 2 2l l al a 2 xu2 2 3a qu a l a (5.156) C5 al 1 2 2 mxu qu l a l a 6 (5.157) Die Traglast qu lässt sich mit der Momentenbedingung um das Linienlager in Bild 5.17 (b) bestimmen. Mit der Trapezfläche b 2 l a2 2a A (5.158) und dem dazugehörigen Schwerpunktsabstand s l a l 2a la 3 (5.159) von x = l resultiert M qu qu A s qu b 2 l a l 2a 6a (5.160) Die Schnittmomente lassen sich zu 1 l l M m C1 qu C4 a 2 b mxu b a 2 a (5.161) zusammenfassen. Gleichsetzen der Ausdrücke (5.160) und (5.161) liefert die Traglast qu 6l l a l 2a 2 mxu (5.162) 121 Querkraftfluss in Plattensegmenten Bemerkenswert ist, dass neben den Abmessungen l und a nur der Biegewiderstand mxu in die Berechnung der Traglast qu eingeht, obschon eine orthotrope beziehungsweise schiefe Bewehrung mit beliebiger Ausrichtung vorliegt. Mit der nun vorliegenden Traglast qu lassen sich abschliessend alle Koeffizienten (insbesondere C1, C4 und C5) entkoppelt in Funktion der Abmessungen l und a sowie des Biegewiderstands mxu gemäss C1 2a 3 l 3 l a l 2a 2 (5.163) mxu C2 m yu (5.164) C3 mxyu (5.165) C4 1 (5.166) C5 2a 3l l a l 2a 2 (5.167) mxu angeben und auf die eingangs aufgestellten Ansatzfunktionen der Momente gemäss mxx x 2a 3 l 3 l 2a 3 x 3 x l a l 2a 2 (5.168) mxu y 2 l x a x 2a m yy m yu 3 mxu x l a 2 l 2a (5.169) y l x a x 2a mxu 2 x l a 2 l 2a (5.170) 2 2 mxy mxyu übertragen. Die mit (5.168) - (5.170) gewonnenen Komponenten des Momententensors entsprechen der vollständigen Lösung für ein gleichmässig belastetes Trapezsegment mit orthotroper beziehungsweise schiefer Bewehrung unter beliebiger Ausrichtung, vorausgesetzt, dass die negativen Biegewiderstände nicht limitierend wirken. Das heisst, dass im vorliegenden Fall von positiven Fliessgelenklinien vor allem in den Eckbereichen eine obere Bewehrung notwendig ist. Der benötigte negative Biegewiderstand lässt sich mit den Ansatzfunktionen (5.168) - (5.170) sowie der negativen Normalmomenten-Fliessbedingung ermitteln, welche sich aus (2.114) durch Erweitern mit dem negativen Drillmomentenwiderstand mxyu gemäss m xyu mxy m 2 xu mxx m yu m yy (5.171) ableiten lässt. Um die maximal benötigten negativen Biegewiderstände zu erhalten, ist nur der Schnittpunkt der längeren Flanke mit dem Linienauflager zu untersuchen. Durch Zusammenführen von (5.168) - (5.170) und (5.171) folgt 2 y y2 mxyu ,tot mxu mxu m yu ,tot mxu 2 l l 122 (5.172) Plattensegmente Mit tan y l erhält man daraus die Bedingung tan mxu mxyu ,tot mxu mxu mxu ,tot m yu ,tot mxyu ,tot 2 mxu mxu ,tot (5.173) für die Winkel der Flanken. Weiter müssen die Biegemomente die zugeordneten Bedingungen mxu mxx 0 beziehungsweise myu m yy 0 erfüllen. (5.173) reduziert sich im isotropen Fall auf die bereits in [64] wiedergegebene Bedingung tan mxu mxu (5.174) Falls die negativen Biegewiderstände die Lösung begrenzen sollten, ist der vorliegende Mechanismus mit geraden kinematischen Diskontinuitätslinien nicht zielführend. In diesem Fall tritt wahrscheinlich eine Kombination aus Fächer und Fliessregion auf, was die Komplexität insbesondere bei orthotrop bewehrten Stahlbetonplatten erheblich steigert. Hierzu wären auf der Basis der Ausführungen in Kapitel 5.4 die Grundlagen zu erweitern, um für derartige Fälle vollständige Lösungen generieren zu können. Für den isotropen Fall reduziert sich der Mohrsche Kreis in Bild 5.17 (c) zu einem Punkt, was dazu führt, dass in den Ansatzfunktionen der Drillmomentenwiderstand mxyu verschwindet und die beiden Biegewiderstände durch mu substituiert werden können. Dieser Fall ist bereits in [64] aufgeführt und findet in [57] Verwendung. 5.5.6 Orthotrop bzw. schief bewehrtes Dreiecksegment Die vollständige Lösung für das Dreiecksegment in den Bildern 5.17 (d) und (e) mit orthotroper beziehungsweise schiefer Bewehrung unter beliebiger Ausrichtung lässt sich als Spezialfall der Lösung für das Trapezsegment ableiten. Mit der Grenzwertbetrachtung a 0 folgen aus (5.168) (5.170) die Komponenten des Momententensors 1 mxx mxu qu x 2 6 (5.175) 1 m yy m yu qu y 2 6 (5.176) 1 mxy mxyu qu xy 6 (5.177) sowie aus (5.162) die Traglast qu 6mxu l2 (5.178) Die Problematik des erforderlichen negativen Biegewiderstands bleibt bestehen und kann wie oben diskutiert behandelt werden. Die Transformation in Bild 5.17 (c) der orthtropen beziehungsweise schiefen Bewehrung unter beliebiger Ausrichtung kann dabei weiterhin verwendet werden; für den isotropen Fall reduziert sich der Mohrsche Kreis wiederum auf einen Punkt. Die sich daraus ergebende Lösung ist ebenfalls in [64] aufgeführt und findet in [57] Verwendung. 123 124 6 Anwendungsbeispiele 6.1 Einleitung Mit den Ausführungen der Kapitel 2 bis 5 ist es möglich, vollständige Lösungen ausgewählter Plattenbeispiele zu generieren, die eine gleichmässig orthotrope beziehungsweise schiefe Bewehrung aufweisen. Hierzu sind rekapitulierend die gewonnenen Erkenntnisse nochmals in Erinnerung zu rufen. In Kapitel 4.2 und 4.3 wurde gezeigt, dass dem Fliessregime III zugeordnete kinematische Diskontinuitätslinien keine Drillmomentensprünge zulassen und keinen transversalen Querkraftfluss aufweisen. Treffen sich bezüglich des plastischen Krümmungsinkrements im Vorzeichen gleiche kinematische Diskontinuitätslinien in einem Punkt, so muss nach den Ausführungen in Kapitel 5.2.2 der Querkraftübertrag ebenfalls verschwinden. Die den Fliessregimes I und III zugeordneten plastischen Krümmungsinkremente treten somit als Lastscheiden in Erscheinung. Die kinematischen Diskontinuitätslinien lassen sich mit Blick auf den zur vollständigen Lösung gehörenden Mechanismus als Begrenzung des Kraftflusses auffassen, was sich bei den in Kapitel 5.5.5 und 5.5.6 entwickelten vollständigen Lösungen in den entsprechenden Randbedingungen niederschlug. Die bezüglich der Fliessregionen in Kapitel 5.4 nicht zu Ende geführte Diskussion des Kraftflusses erfordert bei der Definition der Beispiele die folgende Einschränkung: Damit die vollständige Lösung gefunden werden kann, kommen lediglich Beispiele infrage, welche ausschliesslich plastische Krümmungsinkremente des Fliessregimes I und III aufweisen; solche der Fliessregionen (Fliessregime II) dürfen nicht vorkommen. Wie später gezeigt werden kann, erfordert dies in den Eckbereichen einfach gelagerter Platten negative Biegewiderstände. Die dafür erforderliche obere Bewehrung hat auf die Bestimmung der positiven Biegewiderstände minimalen Einfluss und wird bei der Ermittlung der Traglast vernachlässigt. Das heisst, dass bezüglich des vorliegenden Mechanismus nur positive oder negative Fliessgelenklinien auftreten; die aus dem statisch zulässigen Spannungszustand erforderlichen negativen beziehungsweise positiven Biegewiderstände wirken nicht limitierend. Weitere Einschränkungen hinsichtlich der behandelbaren Plattenprobleme leiten sich aus den in Kapitel 5.5.5 und 5.5.6 behandelten Plattensegmenten ab. Die aus dem Mechanismus sich ergebenden starren Plattenteile müssen den beschriebenen Grundformen des Trapezes respektive des Dreiecks mit den dazugehörigen Randbedingungen entsprechen. Dabei kann die Bewehrung beliebig gewählt werden; sie muss lediglich gleichmässigen Charakter aufweisen. Sind alle oben aufgeführten Voraussetzungen erfüllt, lässt sich für das Finden der vollständigen Lösung das vom Balken etablierte Vorgehen auf die Platte übertragen, indem ausgehend von einer Mechanismuskonfiguration in einem ersten Schritt der dazugehörige obere Grenzwert der Traglast minimiert wird. Die sich daraus ergebenden starren Plattenteile müssen mit den beiden Grundformen abgedeckt werden können. Im zweiten Schritt erfolgt mittels der in den Kapiteln 5.5.5 und 5.5.6 hergeleiteten vollständigen Lösungen der beiden Plattensegmente die Plastizitätskontrolle, 125 Anwendungsbeispiele wonach die daraus sich ergebenden Traglasten dem Minimum des oberen Grenzwertes entsprechen müssen. Ist dies der Fall, so liegt nach dem Verträglichkeitssatz der Plastizitätstheorie die vollständige Lösung vor. Mit dem dazugehörigen Spannungszustand lassen sich abschliessend die erforderlichen negativen Biegewiderstände ermitteln. Druckfestigkeit des Betons (Bemessungswert) fcd = 20 N/mm2 Fliessspannung des Betonstahls (Bemessungswert) fsd = 435 N/mm2 Untere Bewehrungslage in x-Richtung (Verteilbewehrung) 12, e = 200 mm; as = 565 mm2/m Untere Bewehrungslage in y-Richtung (Hauptbewehrung) 14/16, e = 150 mm; as = 1183 mm2/m Plattenbreite b = 7.0 m Plattendicke h = 250 mm Tabelle 6.1: Gleichbleibende Parameter der drei Beispiele. Die drei in der Folge behandelten Beispiele unterscheiden sich lediglich durch leichte Modifikationen in der Form des Grundrisses beziehungsweise in der Ausrichtung der Bewehrungsanordnung. Die Gemeinsamkeiten bilden die Wahl der Bemessungswerte der Festigkeitsgrenzen, die Bewehrungsmengen sowie die Abmessungen der Plattendicke h und der Breite b, welche zusammengefasst der Tabelle 6.1 zu entnehmen sind. Daraus ergeben sich mit den üblichen Überdeckungen die Biegewiderstände mxud = 50 kN und myud = 100 kN, bei welchen nachfolgend auf den Index d verzichtet wird. Weiter sind alle drei Platten entlang ihrer Kanten einfach gelagert und weisen eine gleichmässige Belastung qz auf, welche durch monotone Laststeigerung zur gesuchten Traglast qu führt. 126 Rechteckplatte mit orthotroper Bewehrung 6.2 Rechteckplatte mit orthotroper Bewehrung Das erste Beispiel behandelt die in Bild 6.1 (a) dargestellte Reckteckplatte mit der Länge l = 10.5 m und der Breite b = 7.0 m. Aus der vorgegebenen Bewehrung leiten sich die Biegewiderstände mxu = 50 kN und myu = 100 kN ab, welche wegen ihrer Orthogonalität den Hauptbiegewiderständen des in den Bildern 6.1 (d) und (f) dargestellten Mohrschen Kreises entsprechen. Für den in Bild 6.1 (b) dargestellten Mechanismus mit der noch zu bestimmenden Länge a lässt sich mit Hilfe der beiden plastischen Rotationswinkel w , a 2w b (6.1) gemäss (2.131) die totale Dissipationsleistung b 2l D 2w mxu m yu a b (6.2) bestimmen, was durch Gleichsetzen mit der gesamten mechanischen Leistung 1 1 W qkin w bl ab 3 2 (6.3) auf den oberen Grenzwert der Traglast qkin ( a) 12 b 2l m yu a b 3bl 2ab mxu (6.4) führt. Für den so vorliegenden oberen Grenzwert stellt sich in Abhängigkeit des Quotienten aus den beiden Biegewiderständen m yu mxu sowie der Abmessungen ein Minimum für die Länge a b b2 3 l 2 b 2l (6.5) ein. Für das in Bild 6.1 (a) dargestellte Beispiel ergibt sich aus (6.5) mit den konkreten Werten die Länge a = 3.276 m, was mit (6.4) auf den minimalen oberen Grenzwert qkin,min = 27.96 kN/m2 führt. Mit der kinematischen Methode und der ausgeführten Minimierung liegt eine Mechanismuskonfiguration vor, deren Zugehörigkeit zur vollständigen Lösung zu überprüfen ist. Hierzu sind die starren Plattensegmente vom Mechanismus herauszutrennen und einzeln zu untersuchen, siehe dazu die Bilder 6.1 (c) und (e). Liegt die vollständige Lösung vor, müssen die Schnittgrössen an den einzelnen Plattensegmenten die Normalmomenten-Fliessbedingung erfüllen und die Richtungen der kinematischen Diskontinuitätslinie mit denjenigen der Schnittkanten übereinstimmen. Weiter stellen die kinematischen Diskontinuitätslinien Lastscheiden dar, womit alle Schnittgrössen gegeben sind. Die Schnittmomente lassen sich hierbei als transformierte Grössen aus dem jeweiligen Mohrschen Kreis der Biegewiderstände in Bild 6.1 (d) respektive (f) entnehmen. Mit den in Kapitel 5.5.5 und 5.5.6 entwickelten vollständigen Lösungen für das Trapez- respektive das Dreiecksegment lässt sich die dazugehörige Traglast bestimmen und mit dem minimalen oberen Grenzwert der Traglast qkin vergleichen. Für das in Bild 6.1 (c) dargestellte Dreiecksegment folgt mit den konkreten Werten a =3.276 m sowie dem Biegewiderstand mxu = 50 kN gemäss (5.178) die Traglast qu = 27.96 kN/m2. Gleichermassen kann für das in Bild 6.1 (e) dargestellte Trapezsegment vorgegangen werden; mit den Abmessungen ymax = 5.60 m und ymax-b/2 = 2.10 m sowie dem Biegewiderstand myu = 100 kN ergibt sich gemäss (5.162) eine Traglast von qu = 27.96 kN/m2. Dabei ist bei 127 Anwendungsbeispiele der Bestimmung der Traglasten gemäss (5.162) und (5.178) auf das Koordinatensystem zu achten, damit in Bezug auf den Index der korrekte Biegewiderstand verwendet wird. Der abschliessende Vergleich des minimierten oberen Grenzwertes der Traglast qkin mit den Traglasten der beiden Plattensegmente führt gemäss dem Verträglichkeitssatz der Plastizitätstheorie dazu, dass die vollständige Lösung vorliegt. Das heisst, dass der in Bild 6.1 (b) dargestellte Mechanismus mit dem aus den dazugehörenden Grössen sich ergebenden Spannungszustand des Trapezsegments gemäss (5.168) - (5.170) respektive mit demjenigen des Dreiecksegments gemäss (5.175) - (5.177) verträglich ist. Somit können abschliessend die erforderlichen negativen Biegewiderstände ermittelt werden. Für die Bestimmung des Maximalwerts ist hierzu die entfernteste Ecke mit den aus (5.168) (5.170) respektive aus (5.175) - (5.177) folgenden Momenten mxx x l , y 0 (6.6) m yy x l , y m yu y2 mxu l2 (6.7) mxy x l , y mxyu y mxu l (6.8) zu untersuchen, welche für beide Plattensegmente ihre Gültigkeit haben. Für das Dreiecksegment ist dieser Spannungszustand mit der Bezeichnung P1 als Mohrscher Kreis in Bild 6.1 (d) wiedergegeben. Es bietet sich an, in einem ersten Schritt die erforderlichen negativen Biegewiderstände mit den üblicherweise verwendeten Bemessungsmomenten mxu mxx k mxy (6.9) myu m yy k mxy (6.10) zu ermitteln, welche sich für die negative Normalmomenten-Fliessbedingung aus der zu (2.112) analogen Beziehung mit k tan u ergeben. Für das vorliegende Beispiel des Dreiecksegments folgen daraus die negativen Biegewiderstände mxu 53.42 kN (6.11) myu 10.52 kN (6.12) welche in Bild 6.1 (d) die Schnittpunkte der beiden Fliessgeraden mit der Abszisse und damit die Hauptwerte des Mohrschen Kreises des negativen Biegewiderstandes bilden. Anstelle von ' = 45° für k' = 1 könnte auch ein beliebiger Winkel gewählt werden, zum Beispiel derjenige, bei welchem die beiden negativen Biegewiderstände den gleichen Betrag aufweisen. Damit reduziert sich der dazugehörige Mohrsche Kreis des Widerstandes auf einen Punkt, welcher in Bild 6.1 (d) gleichzeitig auf dem Mohrschen Kreis des Spannungszustandes liegen muss und sich mit dem kleineren 128 Rechteckplatte mit orthotroper Bewehrung '()&*)!+!&$1 ! "#!$%$ #&& '()&*)!+!&$1 !$ ( !$ !$ ( ( '()&*)!+!&!& !,!-!&%.!& / / / ! "#!$%$ #&& '()&*)!+!&!& !,!-!&%.!& ( 0 Bild 6.1: Rechteckplatte mit orthotroper Bewehrung: (a) statisches System mit Abmessungen und vorgegebener Bewehrung; (b) Mechanismuskonfiguration; (c) Schnittkörper des Dreiecksegments mit dazugehörendem Kraftfluss; (d) Mohrsche Kreise für den Biegewiderstand sowie für ausgewählte Spannungszustände; (e) Schnittkörper des Trapezsegments mit dazugehörendem Kraftfluss; (f) Mohrscher Kreis für den Biegewiderstand. 129 Anwendungsbeispiele Hauptmoment eindeutig definieren lässt. Der isotrope, negative Biegewiderstand lässt sich aus (2.93) durch Einsetzen des vorhandenen Spannungszustandes gemäss 2 1 1 y2 y2 y mu m yu 2 mxu m mxu 4 mxyu mxu yu 2 2 l l l 2 2 (6.13) gewinnen. Am Beispiel des Dreiecksegments ergibt sich aus (6.13) der isotrope, negative Biegewiderstand von mu 36.1kN (6.14) der in Bild 6.1 (d) als auf einen Punkt reduzierter Mohrscher Kreis abgebildet ist. Das Vorgehen zur Ermittlung der maximal erforderlichen negativen Biegewiderstände lässt sich auf das Trapezsegment in Bild 6.1 (e) übertragen, woraus sich gemäss (6.11) und (6.12) mit k' = 1 die negativen Biegewiderstände mxu = 131.65 kN und myu = 93.75 kN ergeben; mit (6.13) erhält man den äquivalenten isotropen, negativen Biegewiderstand mu = 114.6 kN. Abschliessend sind zwei Bemerkungen anzubringen: Die für beide Plattensegmente sowohl orthtrop als auch isotrop maximal erforderlichen, negativen Biegewiderstände erfüllen mit den übrigen Widerstandsmomenten für die äusserste Ecke gerade die Beziehung (5.173), womit erstens der Begriff Äquivalenz erklärt ist. Zweitens stellen die ermittelten negativen Biegewiderstände die erforderlichen Maximalwerte dar, welche mit zur Ecke zunehmender Entfernung rasch abnehmen, wie dies der Punkt P2 am Beispiel des Dreiecksegments in Bild 6.1 (c) und (d) verdeutlicht. Das heisst, dass die beträchtlichen, teils im Betrag grösser als die positiven Biegewiderstände ausfallenden, negativen Maximalwerte nur im Eckbereich benötigt werden. Diesem Problem lässt sich mit einer dem Spannungszustand entsprechenden Abstufung der oberen Bewehrung begegnen. 6.3 Trapezplatte mit orthotroper Bewehrung Das in Bild 6.2 (a) dargestellte Beispiel unterscheidet sich von der in Kapitel 6.2 behandelten Rechteckplatte lediglich in der modifizierten Grundrissform, welche als Trapezplatte durch die entsprechenden Abmessungen definiert ist. Die orthogonalen Biegewiderstände von mxu = 50 kN sowie myu = 100 kN bleiben erhalten, womit sich der dazugehörige Mohrsche Kreis in den Bildern 6.2 (d) und (f) sowie in den Bildern 6.3 (b) und (c) auftragen lässt. Für die Ermittlung der zur vollständigen Lösung gehörenden Traglast ist das in Kapitel 6.1 skizzierte und am Beispiel der Reckteckplatte in Kapitel 6.2 angewendete Vorgehen auf die vorliegende Problemstellung zu übertragen. Hierfür ist zuerst nach der kinematischen Methode für den in Bild 6.2 (b) dargestellten Mechanismus der obere Grenzwert für die Traglast zu ermitteln. Für die Beschreibung der Mechanismuskonfiguration sind drei voneinander unabhängige Variablen notwendig. Neben den x-Koordinaten der beiden Schnittpunkte der positiven kinematischen Diskontinuitätslinien ist wegen der notwendigen Parallelität der in der Plattenmitte liegenden kinemati- 130 Trapezplatte mit orthotroper Bewehrung !" #$"%&%$'' ( *+',+"-"!' "' !"."/! "'&0 "' !" #$"%&%$'' ) ) 2( ( ( ) *+',+"-"!' "' !"."/! "'&0 "' ) 1 ( ( ( Bild 6.2: ) Trapezplatte mit orthotroper Bewehrung: (a) statisches System mit Abmessungen und vorgegebener Bewehrung; (b) Mechanismuskonfiguration; (c) Schnittkörper des Dreiecksegments mit dazugehörendem Kraftfluss; (d) Mohrscher Kreis für den Biegewiderstand; (e) Schnittkörper des Trapezsegments mit dazugehörendem Kraftfluss; (f) Mohrscher Kreis für den Biegewiderstand. 131 Anwendungsbeispiele schen Diskontinuitätslinie zu den beiden parallelen Kanten der dazugehörige senkrechte Abstand b1 als Unbekannte zu betrachten. Die übrigen Abmessungen c1 l2 l1 b1 l1 a1 a2 b c2 b b2 w1 w (6.15) l2 l1 l2 a1 a2 (6.16) l2 l1 l2 a1 a2 (6.17) sowie die plastischen Rotationswinkel 1 w , a1 2 w , c1 w 1 , b1 w 2 , b2 w1 c2 (6.18) lassen sich in Funktion dieser drei Variablen beschreiben. Durch Integration der spezifischen Dissipationsleistung gemäss (2.131) über die ganze Platte folgt die totale Dissipationsleistung 1 b D mxu wb a1 b1 l2 l1 b l1 a1 a2 2 l l2 l1 l m yu w 1 2 b1 b2 b1 l2 l1 b l1 a1 a2 (6.19) welche durch Gleichsetzen mit der totalen mechanischen Leistung q wb W kin l1 l2 a2 6 (6.20) auf den oberen Grenzwert der Traglast qkin a1 , a2 , b1 führt. 132 6 D a1 , a2 , b1 l1 l2 a2 wb (6.21) Trapezplatte mit orthotroper Bewehrung Das sich daraus ergebende Minimierungsproblem lässt sich durch Nullsetzen der nach den drei Variablen ausgeführten partiellen Ableitungen gemäss qkin , a1 a1 , a2 , b1 0 qkin ,a2 a1 , a2 , b1 0 0 qkin ,b1 a1 , a2 , b1 (6.22) in einem Gleichungssystem lösen. Für das vorliegende Beispiel lässt sich jedoch keine analytische Lösung finden, womit nur der Ausweg über die numerische Auswertung auf der Basis von konkreten Werten bleibt. Das Minimum qkin ,min 30.21 kN m 2 (6.23) des oberen Grenzwerts der Traglast stellt sich bei den Abmessungen a1 3.152 m (6.24) a2 2.929 m (6.25) b1 3.429 m (6.26) ein. Der Mechanismus ist mit (6.24) - (6.26) eindeutig definiert, womit sich die damit einhergehenden starren Plattensegmente herauslösen und einzeln in den Bildern 6.2 (c), (d) sowie 6.3 (a) und (c) darstellen und untersuchen lassen. Mit den Abmessungen und den entsprechenden Biegewiderständen folgt gemäss (5.162) für die beiden Trapezsegmente respektive gemäss (5.178) für die beiden Dreiecksegmente die zum minimierten oberen Grenzwert identische Traglast qu 30.21 kN m 2 (6.27) womit nach dem Verträglichkeitssatz wiederum die vollständige Lösung vorliegt. Hervorzuheben ist hierbei die Ermittlung der zum zweiten Dreiecksegment in Bild 6.3 (a) gehörenden Traglast qu, wozu der lokale Biegewiderstand mxu benötigt wird. Die dafür erforderliche Bestimmung bedarf einer Erläuterung, da das lokale Koordinatensystem infolge der schiefen Grundlinie um einen Winkel ungleich von ±90° gedreht ist und damit im Unterschied zu den übrigen Plattensegmenten in den Bildern 6.2 (c), (e) und 6.3 (c) keiner der beiden Hauptbiegewiderstände verwendet werden kann. Die Bestimmung des korrekten Biegewiderstands lässt sich jedoch einfach bewerkstelligen, indem sich die zum Spannungszustand (5.175) - (5.177) gehörenden Koeffizienten C1 bis C3 direkt vom Mohrschen Kreis des Biegewiderstands in Bild 6.3 (b) mit der dazugehörenden Richtung als transformierte Widerstandsgrössen ablesen lassen. Für das vorliegende Dreiecksegment in Bild 6.3 (a) folgt aus der Transformation in Bild 6.3 (b) der Biegewiderstand mnu = 53.8 kN. Mit dem zur vollständigen Lösung gehörenden Spannungszustand lassen sich wiederum die maximal erforderlichen negativen Biegewiderstände bestimmen, entweder solche mit orthotropem Charakter mittels den Bemessungsmomenten gemäss (6.9) und (6.10) oder der dazu äquivalente isotrope negative Biegewiderstand gemäss (6.13). Dies ist für alle vier in den Bildern 6.2 (c), (e) sowie 6.3 (a) und (c) dargestellten Plattensegmenten vollführt; die Resultate sind der Tabelle 6.2 zu entnehmen. Erwähnenswert sind dabei die erforderlichen negativen Biegewiderstände für das in Bild 6.3 (c) dargestellte Trapezsegment, da der Maximalwert im Vergleich mit dem grösseren der beiden gegebenen positiven Biegewiderstände mehr als doppelt so gross ausfällt. Dieses Beispiel einer enormen negativen Kapazitätsanforderung lässt sich auf zwei Merkmale zurückführen. Für die Ermittlung der erforderlichen, negativen Biegewiderstände mit den Bemessungsmomenten wird der Spannungszustand (6.6) - (6.8) verwendet. Im Betrag grosse negative Biegewiderstände entste133 Anwendungsbeispiele $ $ #$ '&( )( * +,- . " ! %& # $ 0 $ + '&( )( * +,- . ! %& # " / + #+ + 0 + Bild 6.3: 134 Trapezplatte mit orthotroper Bewehrung: (a) Schnittkörper des zweiten Dreiecksegments mit dazugehörendem Kraftfluss; (b) Mohrscher Kreis für den Biegewiderstand; (c) Schnittkörper des zweiten Trapezsegments mit dazugehörendem Kraftfluss; (d) Mohrscher Kreis für den Biegewiderstand. Schiefe Platte mit schiefer Bewehrung hen dabei erstens durch eine ausgeprägt orthotrope, unten liegende Bewehrung, wobei der daraus im lokalen Koordinatensystem in x-Richtung resultierende Biegewiderstand grösser sein muss. Zweitens wird mit zunehmendem Winkel der massgebenden Flanke des Plattensegments der erforderliche negative Biegewiderstand erhöht. Diese Erkenntnisse zeigen das Zusammenspiel der positiven und negativen Biegewiderstände auf und könnten insbesondere für die Wahl der unten liegenden Bewehrungsanordnung genutzt werden. Dreiecksegment in Bild 6.2 (c) n = 3.152 m myy = +35.8 kN mxu = 56.7 kN t = 3.571 m mxy = -56.7 kN myu = 20.9 kN mu = 41.5 kN Trapezsegment in Bild 6.2 (e) n = 5.232 m mxx = -34.2 kN mxu = 125.9 kN t = 4.80 m mxy = -91.7 kN myu = 91.7 kN mu = 91.7 kN Dreiecksegment in Bild 6.3 (a) n = 3.268 m mtt = -14.3 kN mnu = 90.3 kN t = -4.684 m mnt = +90.3 kN mtu = 104.6 kN mu = 97.8 kN Trapezsegment in Bild 6.3 (c) n = 4.953 m mxx = -103.1 kN mxu = 226.8 kN t = 6.129 m mxy = -123.7 kN myu = 123.7 kN mu = 185.6 kN Tabelle 6.2: Trapezplatte: Zusammenstellung der erforderlichen negativen Biegewiderstände. 6.4 Schiefe Platte mit schiefer Bewehrung Das dritte Beispiel behandelt die in Bild 6.4 (a) dargestellte Parallelogramm-förmige Platte mit zu den Kanten parallel verlaufender, unten liegender Bewehrung. Damit soll gezeigt werden, dass die auf der Vorgabe einer orthotrop bewehrten Stahlbetonplatte in den Kapiteln 2 bis 5 geführte Diskussion ebenso für schiefe Bewehrungsführungen gültig bleibt. Der Grund dafür liegt in der geometrischen Form der Normalmomenten-Fliessbedingung, welche bei schief zueinander wirkenden Biegewiderständen nach wie vor aus zwei Kegeln besteht, welche sich wiederum in einer Schnittellipse schneiden. Daraus folgen analog zu Kapitel 2.3 drei Fliessregimes I bis III, womit sich die in den Kapiteln 4 und 5 aufgezeigten Eigenschaften bezüglich des Kraftflusses auf schiefe Bewehrungsanordnungen übertragen lassen. Die schief zueinander wirkenden Biegewiderstände sind dabei zum dazugehörigen Mohrschen Kreis zusammenzufassen, wie dies beispielsweise in Bild 5.17 (c) illustriert ist. Das Vorgehen für die Bestimmung der vollständigen Lösung ändert sich gegenüber Kapitel 6.2 und 6.3 nicht. Zuerst wird mit der kinematischen Methode aufgrund des in Bild 6.4 (b) dargestellten Mechanismus der obere Grenzwert der Traglast qkin minimiert. Der Mechanismus lässt sich wegen 135 Anwendungsbeispiele der vorhandenen Symmetrien mit einer einzigen Variablen a beschreiben. Mit den daraus sich ergebenden plastischen Rotationswinkeln w a (6.28) 2w e (6.29) sowie mit der zur Hauptbewehrungslage orthogonalen Vermassung gemäss e b2 c2 (6.30) d l sin (6.31) erhält man mittels Integration von (2.131) über die ganze Platte die totale Dissipationsleistung b l D 2w mu 2mu sin 2 a b (6.32) Durch Gleichsetzen mit der mechanischen Leistung q wb W kin 3l 2a 6 (6.33) folgt durch Auflösen der obere Grenzwert der Traglast qkin 12 mu b l 2mu sin 2 a b b 3l 2a (6.34) Für die Minimierung in Abhängigkeit der Länge a lohnt sich der Vergleich von (6.34) mit (6.4). Die dazugehörige Lösung (6.5) lässt sich nämlich mittels Substitutionen von mxu mu , m yu mu sin 2 sowie m yu mxu auf das anstehende Minimierungsproblem übertragen. Damit stellt sich unter Verwendung der konkreten Werte mit der Länge a 3.164 m (6.35) gemäss (6.34) das Minimum qkin,min 29.97 kN m 2 (6.36) des oberen Grenzwertes der Traglast ein. Mit (6.35) sind der Mechanismus und die daraus sich ergebenden starren Plattenteile geometrisch definiert, welche nachfolgend die Grundlage für die Bestimmung der Traglast der vollständigen Lösung bilden und dafür in den Bildern 6.4 (c) und (e) einzeln dargestellt sind. Hierfür ist aus den schief aufeinander wirkenden Biegewiderständen mu = 50 kN sowie mu = 100 kN der dazugehörige Mohrsche Kreis zu ermitteln, was sich durch Superposition der einzelnen nach (2.90) 136 Schiefe Platte mit schiefer Bewehrung )$#)! +,!)-(-, % % 1 / !"!#$! %#!&!'#$!()*$! . % % % % % )$#)! +,!)-(-, 0 % 1 Bild 6.4: / !"!#$! %#!&!'#$!()*$! . % % Schiefe Platte mit schiefer Bewehrung: (a) statisches System mit Abmessungen und vorgegebener Bewehrung; (b) Mechanismuskonfiguration; (c) Schnittkörper des Dreiecksegments mit dazugehörendem Kraftfluss; (d) Mohrscher Kreis für den Biegewiderstand; (e) Schnittkörper des Trapezsegments mit dazugehörendem Kraftfluss; (f) Mohrscher Kreis für den Biegewiderstand. 137 Anwendungsbeispiele (2.92) ins globale Koordinatensystem rücktransformierten Widerstände bewerkstelligen lässt. Daraus folgt mxu 57.55kN (6.37) m yu 92.45kN (6.38) mxyu 26.42 kN (6.39) mit den dazugehörenden Hauptbiegewiderständen mu1 = 106.66 kN und mu2 = 43.33 kN, womit der Mohrsche Kreis des Biegewiderstandes in den Bildern 6.4 (d) und (f) konstruiert werden kann. Für die Bestimmung der Traglast des in Bild 6.4 (c) dargestellten Dreiecksegments wird der in Richtung der Auflagerlinie wirkende Biegewiderstand benötigt, welcher sich durch Transformation am Mohrschen Kreis in Bild 6.4 (d) mit dem Wert C1 = 46.2 kN direkt ablesen lässt. Daraus ergibt sich gemäss (5.178) die Traglast qu = 29.97 kN/m2 der vollständigen Lösung. Für das Trapezsegment lässt sich gleichermassen vorgehen, wobei hier die beim Dreiecksegment notwendige Transformation entfällt, da der benötigte Biegewiderstand mit myu = 92.45 kN mit dem Mohrschen Kreis in Bild 6.4 (f) bereits vorhanden ist. Damit folgt für das Trapezsegment gemäss (5.162) die sowohl zum Dreiecksegment als auch zum minimierten oberen Grenzwert identische Traglast von qu = 29.97 kN/m2, womit gemäss dem Verträglichkeitssatz für die ganze Platte in Bild 6.4 (a) die vollständige Lösung vorliegt. Abschliessend lassen sich auf der Basis des zur vollständigen Lösung gehörenden Spannungszustandes die maximal erforderlichen negativen Biegewiderstände ermitteln, was sich wie in den Kapiteln 6.2 und 6.3 entweder über die Bemessungsmomente nach (6.9) und (6.10) oder den dazu äquivalenten isotropen negativen Biegewiderstand gemäss (6.13) bewerkstelligen lässt. Für die in den Bildern 6.4 (c) und (e) dargestellten Plattensegmente resultieren daraus die in Tabelle 6.3 zusammengestellten Maximalwerte des erforderlichen negativen Biegewiderstands. Hervorzuheben ist dabei der bereits in Kapitel 6.3 auftretende Effekt des beträchtlichen Betrags des erforderlichen Maximalwerts bei der entferntesten Ecke am Trapezsegment. Die in Kapitel 6.3 gefundenen Merkmale für das Auftreten dieser enormen Kapazitätsanforderung (ausgeprägte Orthotropie mit grösserem Biegewiderstand mxu sowie grosser Winkel der massgebenden Flanke) lassen sich auf das vorliegende Beispiel übertragen. In Kombination mit dem zur vollständigen Lösung gehörenden Mechanismus lässt sich daraus ableiten, dass einfach gelagerte schiefe Platten vor allem in den spitzen Ecken einen beträchtlichen negativen Biegewiderstand benötigen. Abschliessend sei noch anzumerken, dass sich durch Aufsummieren der entsprechenden Drillmomente in Tabelle 6.3 die erforderliche Eckkraft ausgeben lässt. Dreiecksegment in Bild 6.4 (c) n = 3.042 m mtt = 2.70 kN mnu = 81.54 kN t =-4.50 m mnt = -81.54 kN mtu = 78.84 kN mu = 80.2 kN Trapezsegment in Bild 6.4 (e) n = 4.70 m mxx = -73.23 kN mxu = 209.6 kN t = 5.59 m mxy = -136.4 kN myu = 136.4 kN Tabelle 6.3: 138 mu = 177.8 kN Schiefe Platte: Zusammenstellung der erforderlichen negativen Biegewiderstände. Schiefe Platte mit schiefer Bewehrung Bei der vorliegenden vollständigen Lösung der schiefen Platte mit schiefer Bewehrung gilt es zuletzt noch eine Besonderheit zu beachten. Die infolge der schief aufeinander wirkenden Biegewiderstände ebenfalls schief aufeinander treffenden Druckspannungen der beiden Druckzonen erfordern nach der Ermittlung der Traglast streng genommen eine Kontrolle der Druckzonenhöhe x. Da mit der eingangs gewählten Bewehrung im Bruchzustand ein ausgeprägt duktiles Verhalten zu erwarten ist, wird an dieser Stelle auf den angesprochenen Nachweis verzichtet. 139 140 7 Zusammenfassung und Folgerungen 7.1 Zusammenfassung In der vorliegenden Abhandlung wird der zum Traglastzustand gehörende Kraftfluss in orthogonal beziehungsweise schiefwinklig bewehrten Stahlbetonplatten ins Zentrum gestellt. Hierzu ermöglicht erstens eine mit sogenannten Fliessgeraden erweiterte Darstellung von Mohrschen Kreisen unter Einbezug des Biegewiderstandes die Konstruktion von verträglichen Spannungszuständen auf der Basis der Normalmomenten-Fliessbedingung; die mit der kinematischen Diskontinuitätslinie verträglichen Mohrschen Kreise müssen sich dabei in sogenannten Angelpunkten schneiden. Zweitens lassen sich von den infinitesimalen Diskontinuitäten mittels räumlicher Ausdehnung Schnittkörperdiagramme erzeugen, an welchen sich die Gleichgewichtsbedingungen von Platten formulieren lassen. Diese beiden Darstellungen stellen den zentralen Punkt der vorliegenden Abhandlung dar; damit gelingt auf Basis des Verträglichkeitssatzes der Plastizitätstheorie eine abschliessende Diskussion des Kraftflusses an Diskontinuitätslinien sowie deren Schnittpunkten, in Fächern, Fliessregionen und in Plattensegmenten. Die daraus sich ergebenden Folgerungen sind als Verallgemeinerung der von Nielsen bezüglich des Kraftflusses in isotropen Stahlbetonplatten geführten Diskussion einzuordnen [64, 66]. Ebenso gelingt damit eine abschliessende Klärung über die in der vollständigen Lösung mögliche Existenz von den aus der sogenannten „Nodal-Force“-Theorie bekannten Knotenkräften. Knotenkräfte des Typs I können auftreten; hingegen wird die Existenz von Knotenkräften des Typs II widerlegt. Daraus lässt sich weiter folgern, dass der vermeintliche Informationsgewinn sowohl durch die „NodalForce“-Theorie als auch durch die „Equilibrium“-Methode in Form von Knotenkräften nichtig ist; die beiden Theorien können nicht zielführend sein und sind damit widerlegt. Die Gleichgewichtsbetrachtung der „Nodal-Force“-Theorie ist trotzdem in eine neue Anwendung überführbar, indem sich gegebene Mechanismen auf allfällige Knotenkräfte des Typs II überprüfen lassen. Sind solche Knotenkräfte erforderlich, kann der entsprechende Mechanismus nicht zur vollständigen Lösung gehören; die daraus folgende Last entspricht lediglich einem oberen Grenzwert der Traglast. Auf der Basis der in den Kapiteln 4 und 5 gewonnenen Erkenntnisse gelingt die Entwicklung der vollständigen Lösung für gleichförmig belastete, dreieck- oder trapezförmige Plattensegmente. Die Segmente sind an der längsten Kante einfach gelagert und weisen eine beliebig wählbare orthogonale beziehungsweise schiefwinklige Bewehrung auf. Die entwickelten Lösungen ermöglichen mittels einfacher Handrechnung das Auffinden der vollständigen Lösung für ausgewählte Plattenbeispiele; die in Kapitel 1.2 definierte Zielsetzung einer direkten Verknüpfung zwischen Lastabtragung (Steuerung des Kraftflusses) sowie Anordnung und Menge der Bewehrung ist damit erreicht. Die vorliegende Methodik ermöglicht dem konstruktiv tätigen Ingenieur das ihm ureigene und von Balkenkonstruktionen vertraute Konstruieren auch bei Stahlbetonplatten. 141 Zusammenfassung und Folgerungen 7.2 Folgerungen Aus den Erkenntnissen der vorliegenden Abhandlung leiten sich bezüglich des Kraftflusses in Stahlbetonplatten die nachfolgend aufgeführten Folgerungen ab. Diese sind aus Gründen der Übersichtlichkeit in der Reihenfolge der Kapitel aufgelistet. Folgerungen aus Kapitel 2 • Unter Ausschluss von viskosen Vorgängen ist das plastische Potential mit Hilfe der LegendreTransformation thermodynamisch begründbar und damit direkt vom zweiten thermodynamischen Hauptsatz ableitbar, siehe hierzu die Beziehung (2.44). • Das von Mohr postulierte plastische Potential in Form einer Hüllkurve folgt durch Verwenden der entsprechenden Dissipationsleistung (2.36) direkt aus dem zweiten thermodynamischen Hauptsatz; es ist damit thermodynamisch begründet. • Die beiden Orthogonalitätsbeziehungen nach Ziegler sind unter Ausschluss von viskosen Vorgängen in der Legendre-Transformation vereint. Die Einführung der integralen Dissipation führt auf eine zusätzliche Orthogonalitätsbeziehung, was eine thermodynamische Interpretation des irreversiblen Entropievorgangs ermöglicht. Das nach Ziegler benannte Orthogonalitätsprinzip ist damit um eine Identität zu erweitern, siehe hierzu die Beziehung (2.43). • Der Einspielsatz gilt auch für eine einzelne Belastungsgruppe. Dabei entspricht die Einspiellast der Traglast; der entsprechende, optimal eingeprägte Eigenspannungszustand ermöglicht das Erreichen der Traglast ohne zusätzliche plastische Verformungen auf Basis rein elastischer Formänderungen. Dementsprechend stellt der zur vollständigen Lösung gehörende Spannungszustand eine Superposition aus der mit der Traglast skalierten elastischen Lösung und des entsprechenden Eigenspannungszustands dar. Folgerungen aus Kapitel 3 • Das Querkraftfeld lässt sich in allgemeinster Form als Vektorfeld in divergenz- und rotationsfreie Anteile aufspalten, womit eine Beschreibung in Funktion von Potentialen gelingt. Der rotationsfreie Anteil stellt die Quellen und Senken dar, welche sich im Fall der Platte in der Beanspruchung beziehungsweise in den Auflagerreaktionen widerspiegeln. Der divergenzfreie Anteil entspricht dem wirbelbehafteten Eigenspannungszustand. • Die Anwendung des Laplace-Operators auf beide Potentialfunktionen führt durch Gleichsetzen mit der negativen Kraftdichte beziehungsweise mit der negativen Wirbeldichte auf zwei elliptische Differentialgleichungen. Im ersten Fall entspricht die gewonnene Beziehung der Gleichgewichtsdifferentialgleichung der Platte; im zweiten Fall beschreibt die neue Beziehung (3.11) das Gleichgewicht des wirbelbehafteten Eigenspannungszustandes (3.12), was die Identifizierung von Wirbelfeldern in Gleichgewichtslösungen zulässt. • Aus der Gegenüberstellung der Gleichgewichtsbedingungen der Platte und der Membranschale folgt, dass jeder statisch zulässige Spannungszustand der Stahlbetonplatte als statisch zulässiger Membranspannungszustand einer flachen Membranschale interpretiert werden kann, siehe hierzu die Beziehungen (3.23) - (3.25). Es lässt sich demzufolge eine dem zulässigen Spannungszustand in der Stahlbetonplatte entsprechende Membranschale finden, welche als Druckgewölbe mit der Bewehrung im Gleichgewicht steht. • Der Querkraftfluss einer initial eigenspannungsfreien elastischen, homogen isotropen, schubstarren Platte entspricht dem auf eine Potentialfunktion angewendeten Gradienten; das heisst, er ist rotationsfrei. 142 Folgerungen Folgerungen aus Kapitel 4 • Der Querkraftfluss an statischen Diskontinuitätslinien in einer Stahlbetonplatte verhält sich analog zum Geschwindigkeitsfeld des Freistrahls in einem idealen Fluid. An statischen Diskontinuitätslinien werden zwei diskrete Wirbelschichten erzeugt, welche in der Fluidmechanik zwei Grenzschichten entsprechen, die wiederum aus aneinander gereihten Potentialwirbeln zusammengesetzt sind. Von statischen Diskontinuitätslinien ausgehende kontinuierliche Wirbelfelder können somit ausgeschlossen werden. • Das Ausbilden von statischen Diskontinuitätslinien ist an Rechteckplatten mit spezieller Bewehrungsanordnung experimentell erzwungen worden [51]. Nach den Ausführungen in Kapitel 4.2 muss eine derartige statische Diskontinuitätslinie entlang ihrer Grenze mit diskreten Wirbelschichten einhergehen, womit die genannten Versuche implizit auch die Existenz solcher Potentialwirbel im Querkraftfeld bestätigen. • Die mit Fliessgeraden erweiterte Darstellung von Mohrschen Kreisen ermöglicht die Konstruktion von verträglichen Spannungszuständen. Hierzu müssen die die NormalmomentenFliessbedingung erfüllenden Spannungspunkte auf den entsprechenden Fliessgeraden liegen. Die Darstellung ist in der vorliegenden Abhandlung als zentraler Punkt zu verstehen. • Ein Drillmomentensprung an einer statischen Diskontinuitätslinie im Innern einer orthogonal beziehungsweise schiefwinklig bewehrten Stahlbetonplatte muss unter der Bedingung der beidseitig erfüllten Normalmomenten-Fliessbedingung mit unterschiedlichen Richtungen der kinematischen Diskontinuitätslinien einhergehen. • Fallen die Richtungen der kinematischen und der statischen Diskontinuitätslinien zusammen, existiert zwischen den angrenzenden Platten kein Drillmomentensprung; es liegt eine verträgliche kinematische Diskontinuitätslinie vor. Die zugehörigen Mohrschen Kreise schneiden sich in sogenannten Angelpunkten. • Mit einer vorgegebenen Richtung der kinematischen Diskontinuitätslinie verträgliche Spannungszustände werden in der mxx-myy-Ebene auf eine Gerade projiziert, siehe hierzu die Beziehung (4.29). • Gerade kinematische Diskontinuitätslinien treten sowohl in orthogonal als auch schiefwinklig bewehrten Stahlbetonplatten als Lastscheiden in Erscheinung (4.31). Der beidseitig transversal dazu verlaufende Kraftfluss wie auch die angrenzenden Plattenmomente mtt sind voneinander unabhängig. Folgerungen aus Kapitel 5 • Statische Diskontinuitätslinien sind bezüglich des Kraftflusses geraden Fliessgelenklinien unterzuordnen. Das heisst, dass statische Diskontinuitätslinien die Fliessgelenklinie schneiden dürfen, der Schnittpunkt muss jedoch mit dem Querkraftnullpunkt des dazugehörigen konzentrierten Kraftflusses zusammenfallen. Weiter muss sich im Fall des versteckten Unterzugs gleichzeitig beim Schnittpunkt ein einzelnes Fliessgelenk ausbilden, damit die kinematische Verträglichkeit gewahrt bleibt. • Der am Schnittpunkt einer kinematischen Diskontinuitätslinie mit einem Plattenrand postulierte Querkraftübertrag in Form einer Knotenkraft ist mittels Verträglichkeit bestätigt; die in der „Nodal-Force“-Theorie mit Typ I bezeichnete Knotenkraft existiert, siehe hierzu die Beziehungen (5.1) und (5.2). • Der am Schnittpunkt einer kinematischen Diskontinuitätslinie und einer Bewehrungsunstetigkeit auftretende Querkraftübertrag in Form einer Knotenkraft ist mittels Verträglichkeit bestätigt, siehe hierzu die Beziehung (5.4). • Im Schnittpunkt von im Vorzeichen gleichen kinematischen Diskontinuitätslinien existiert kein Querkraftübertrag; die Existenz von in der „Nodal-Force“-Theorie mit Typ II bezeichneten Knotenkräften ist damit widerlegt. Der verträgliche Spannungszustand ist bezüglich der 143 Zusammenfassung und Folgerungen Fliessfigur durch eine der beiden Kegelspitzen definiert. • Im Schnittpunkt von im Vorzeichen ungleichen geraden kinematischen Diskontinuitätslinien existiert kein Querkraftübertrag (Knotenkräfte vom Typ II) und das Theorem IV von Johansen wird widerlegt. • Die Diskussion bezüglich der Knotenkräfte ist abschliessend geführt. Die Existenz von Knotenkräften (Nodal-Forces) vom Typ II ist wegen der Verträglichkeit in vollständigen Lösungen nicht möglich. • Der vermeintliche Informationsgewinn sowohl durch die „Nodal-Force“-Theorie als auch durch die „Equilibrium“-Methode in Form von Knotenkräften ist nichtig; die beiden Theorien können nicht zielführend sein und sind damit widerlegt. • Die Gleichgewichtsbetrachtung der „Nodal-Force“-Theorie ist in umgekehrter Weise in eine neue Anwendung überführbar, indem sich gegebene Mechanismen auf notwendige Knotenkräfte des Typs II überprüfen lassen. Sind solche Knotenkräfte erforderlich, kann der entsprechende Mechanismus nicht zur vollständigen Lösung gehören; die daraus folgende Last entspricht lediglich einem oberen Grenzwert der Traglast. • Die mit einem Fächermechanismus verträglichen Spannungszustände liegen bezüglich der Normalmomenten-Fliessbedingung auf der Schnittellipse (Fliessregime II). Mit Hilfe der in Kapitel 4 eingeführten, um die Fliessgeraden erweiterten Darstellung von Mohrschen Kreisen und unter Berücksichtigung des positiven wie auch des negativen Biegewiderstandes gelingt die Beschreibung des verträglichen Spannungszustandes, woraus sich die vollständige Lösung für einen Fächermechanismus in othogonal oder schiefwinklig bewehrten Stahlbetonplatten allgemein ableiten lässt. • Das von Johansen aufgestellte Affinitätstheorem lässt sich gemäss (5.53) erweitern. • Die mit dem Spannungszustand in Fliessregionen verträglichen Richtungen der beiden kinematischen Diskontinuitätslinien sind durch (5.53) gegeben. • Der Eigenspannungszustand setzt sich allgemein aus drei Anteilen zusammen: Der erste Anteil ist allein durch Membrankräfte definiert, welche sich infolge des verschwindenden Querkraftflusses in Funktion einer Airyschen Spannungsfunktion beschreiben lassen. Beim zweiten Anteil verschwindet sowohl die darauf angewendete Divergenz als auch die Rotation; induzierte Plattenbiegemomente sind demzufolge mit rein elastischen Verformungen verträglich. Der dritte Anteil entspricht dem wirbelbehafteten Eigenspannungszustand. • In schubsteifen Platten können elastisch verträgliche Wirbel existieren, welche durch folgende Modellvorstellung definiert sind: Die Wirbeldichte greift paarweise als verteiltes Moment um die z-Achse in entgegengesetzter Richtung an und verursacht eine Verdrillung des Plattenkerns. Bei der Theorie der schubsteifen Platte ist eine solche Verdrillung des Plattenkerns nur unter Einhaltung der entsprechenden partiellen Differentialgleichung elastisch verträglich. • Ein wirbelbehafteter Eigenspannungszustand lässt sich in einer schubstarren Platte trotz initial eigenspannungsfreiem Zustand wie folgt einprägen: Infolge des monotonen Laststeigerungsprozesses werden fortlaufend an verschiedenen Orten in der Platte die Momente durch die Normalmomenten-Fliessbedingung begrenzt, was beim Fortsetzen der Laststeigerung zwingend zum Einprägen eines Eigenspannungszustands führt. Ein Eigenspannungszustand des Typs v h1 entsteht dabei durch Plattenmomente, welche gemäss (2.81) dem Querkraftfeld Wirbel aufzwingen. Diese Wirbelfelder entstehen somit durch die Plattenmomente in Kombination mit der vorhandenen Begrenzung in Form der Normalmomenten-Fliessbedingung und weisen deshalb gemäss (5.132) plastisch verträglichen Charakter auf. Damit ist die in Kapitel 4.2 aufgestellte Hypothese bestätigt. • Vollständige Lösungen sind für gleichförmig belastete, dreiecks- und trapezförmige Plattensegmente erarbeitet. Die Segmente sind an der längsten Kante einfach gelagert und weisen eine beliebig wählbare orthogonale oder schiefwinklige Bewehrung auf. Die entwickelten Lösungen 144 Ausblick ermöglichen mittels einfacher Handrechnung das Auffinden der vollständigen Lösung für ausgewählte in Kapitel 6 aufgeführte Plattenbeispiele. Der mit der vollständigen Lösung in beiden Segmenten einhergehende Kraftfluss weist radialen Charakter auf. • Die von Nielsen bezüglich des Kraftflusses, in isotropen Stahlbetonplatten geführte Diskussion wird mit den Ausführungen in den Kapiteln 4 und 5 auf orthogonal beziehungsweise schiefwinklig bewehrte Stahlbetonplatten verallgemeinert. Mit Ausnahme der Fliessregionen ist der Querkraftfluss abschliessend geklärt. 7.3 Ausblick Anhand der in dieser Abhandlung bezüglich des Kraftflusses in Stahlbetonplatten vorgestellten Erkenntnisse sowie der in Kapitel 7.2 zusammengestellten Folgerungen sind abschliessend einige Anregungen für weiterführende Arbeiten vorzubringen: • Die an zwei Plattensegmenten aufgezeigte Entwicklung der vollständigen Lösung ist auf weitere Plattensegmente auszuweiten, welche sich in Grundrissform, Lagerungs- und Belastungsart unterscheiden. Es kann dabei hilfreich sein, als Zwischenschritt zunächst die Lösung für eine isotrope Bewehrung zu suchen; das Ziel muss hinsichtlich der angestrebten Steuerung des Kraftflusses jedoch im Auffinden der vollständigen Lösung von orthogonal beziehungsweise schiefwinklig bewehrten Stahlbetonplatten liegen. • Insbesondere die Fliessregionen beinhaltende Plattensegmente sind zu untersuchen. Die Schwierigkeit beim Auffinden von vollständigen Lösungen solcher Fliessregionen lässt sich am Beispiel der gleichmässig belasteten, allseitig eingespannten isotrop bewehrten Quadratplatte erahnen. Fox löste das Problem durch geeignete Wahl des Koordinatensystems [13], indem er die Gleichgewichtsbedingungen in gekrümmten, jedoch orthogonal zueinander gerichteten Koordinaten formulierte; dabei fallen die Richtungen der Hauptmomenten mit denjenigen der kinematischen Diskontinuitätslinien zusammen. Bei orthtroper Bewehrung sind die Richtungen zueinander verschieden, und die Hauptmomente entsprechen nicht mehr den Biegewiderständen. Eine geeignete Formulierung hätte dementsprechend in krummlinigen, schiefwinkligen Koordinaten zu erfolgen. • Der Aufbau einer Bibliothek von Plattensegmenten wird es ermöglichen, auf der Basis einfacher Handrechnungen vollständige Lösungen für Plattenbeispiele mit unterschiedlichen Randbedingungen zu generieren. Damit lässt sich das Wissen betreffend des Kraftflusses in Stahlbetonplatten stetig ausbauen, mit dem Ziel, ein tieferes Verständnis der Tragwirkung zu erlangen. • Die in der vorliegenden Abhandlung anhand der Normalmomenten-Fliessbedingung durchgeführte Diskussion des verträglichen Kraftflusses lässt sich auf andere Fliessbedingungen übertragen; dabei kann die Diskussion auf beliebige Strukturelemente mit entsprechender Fliessbedingung ausgedehnt werden. • Weiter zu untersuchen ist der Effekt des mit der Normalmomenten-Fliessbedingung überschätzten Widerstands bei reiner Drillmomentenbeanspruchung und hohen Bewehrungsgehalten. Hierzu wäre zunächst eine auf Basis der Sandwichmodellvorstellung verfeinerte Fliessbedingung zu entwickeln, worauf entweder eine zur Normalmomenten-Fliessbedingung analoge Diskussion bezüglich des Kraftflusses geführt oder die auf Basis der Normalmomenten-Fliessbedingung entwickelten vollständigen Lösungen ausgewählter Plattenbeispiele auf Bereiche mit Verletzungen der Fliessbedingung untersucht werden könnten. • Mit der in der vorliegenden Abhandlung bis auf die Fliessregionen abschliessend geführten Diskussion des Kraftflusses ist es möglich, für ein vorgegebenes statisches System die aus unterschiedlichen Bewehrungsführungen resultierenden vollständigen Lösungen miteinander 145 Zusammenfassung und Folgerungen zu vergleichen. Beispielsweise wird bei der Problemstellung des Durchstanzens von Platten versucht, genauere Modellvorstellungen zu entwickeln. In Anbetracht des spröden Versagens in Kombination mit immer vorhandenen, jedoch nicht quantifizierbaren Eigenspannungszuständen stellt sich allerdings die Frage nach der geforderten Genauigkeit der Modellvorstellung. Das angestrebte duktile Verhalten durch Ausbilden der entsprechenden plastischen Lösung kann auch bei ausreichender Querkraftbewehrung in der Regel nicht erreicht werden [20]. Es wird daher vorgeschlagen, diese Problemstellung auf der Basis der vorliegenden Abhandlung mittels geschickter Bewehrungsführung zu lösen. 146 Literaturverzeichnis [1] Bernoulli, J., Veritable Hypothese de la Resistance des Solides avec la Démonstration de la Courbure des Corps qui font ressort, Operia Omnia, Basel, 1705. [2] Bleich, H., „Über die Bemessung statisch unbestimmter Stahltragwerke unter Berücksichtigung des elastisch-plastischen Verhaltens des Baustoffes“, der Bauingenieur, Jg. 13, Heft 19/20, 1932, pp. 261-267. 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Stufe) Koeffizienten Plattensteifigkeit Dissipationsleistung in globaler Form Dissipationsleistung in lokaler Form integrale Dissipation in lokaler Form Elastizitätsmodul angreifende Kraft Airysche Spannungsfunktion Helmholzsche freie Energie (thermodynamisches Potential) Gibbssche freie Energie (thermodynamisches Potential) Schubmodul Enthalpie (thermodynamisches Potential) Einzelmoment konzentriertes Balkenmoment um die t-Achse Leistung resultierend aus der inneren Arbeit Leistung der äusseren Kräfte thermische Leistung Transformationstensor (reine Rotation) Gesamte Oberfläche eines Körpers Bereich der Oberfläche von eingeprägten Spannungen Bereich der Oberfläche von eingeprägten Verformungen totale Entropie in globaler Form reversible Entropie in globaler Form innere Energie (thermodynamisches Potential) kinetische Energie konzentrierte Querkraft in t-Richtung Volumen eines Körpers Inkrementelle äussere Arbeit allgemeine Fliessbedingung Fliessfläche der positiven plastischen Krümmungsinkremente Fliessfläche der negativen plastischen Krümmungsinkremente Lateinische Kleinbuchstaben a, b a0 , b0 a, b, c, d a , b av dn d fc fcd fct fsd Abmessungen der Definitionspunkte von den kinematischen Diskontinuitätslinien Abmessungen zum Erreichen des minimalen oberen Grenzwertes Hilfsgrössen zur Beschreibung der Normalmomenten-Fliessbedingung Halbachsen des Ellipsen-Mechanismus Schubfläche (reduzierte Querschnittsfläche) infinitesimale Breite der Diskontinuitätslinie (räumliche Ausdehnung) statische Höhe zulässige Betondruckspannung zulässige Betondruckspannung (Bemessungswert) Betonzugspannung Fliessspannung des Betonsstahls (Bemessungswert) 153 fy h h l m mxx , myy mxy mxu , myu mxyu mu mxu , myu mxyu mu mnn , mtt I II mnn , mnn mnt mntI , mntII mnu , mtu mntu mrr , m mr m1 , m2 mI n n n nxx , nyy nxy q qt qz qu qkin r r r t t u v vp v h1 v h2 vx vy vn vnI , vnII vt vr v v0 v v w 154 Fliessspannung des Betonsstahls Plattendicke Cauchy-Entropiefluss Länge der Platte Tensor der Plattenmomente (Spannungszustand) Plattenbiegemoment um die x-Achse beziehungsweise y-Achse Drillmoment positiver Biegewiderstand um die x-Achse beziehungsweise y-Achse positiver Drillmomentenwiderstand positiver Biegewiderstand der isotrop bewehrten Stahlbetonplatte negativer Biegewiderstand um die x-Achse beziehungsweise y-Achse negativer Drillmomentenwiderstand negativer Biegewiderstand der isotrop bewehrten Stahlbetonplatte transformiertes Plattenbiegemoment um die n-Achse beziehungsweise t-Achse Biegemomente beiderseits der statischen Diskontinuitätslinie transformiertes Drillmoment Drillmomente beiderseits der statischen Diskontinuitätslinie transformierter Biegewiderstand um die n-Achse beziehungsweise t-Achse transformierter Drillmomentenwiderstand Plattenbiegemomente in Polarkoordinaten Drillmoment in Polarkoordinaten Hauptmomente in Richtung 1 beziehungsweise in Richtung 2 1. Invariante des Momententensorsm natürliche Zahl Normalenvektor (Tensor 1. Stufe) Normalspannungstensor der Schale beziehungsweise der Platte (Tensor 2. Stufe) Komponente des Normalspannungstensors n in x- beziehungsweise y-Richtung Schubspannungskomponente des Normalspannungstensors n Volumenkraftdichte Cauchy-Wärmefluss verteilte Beanspruchung der Platte Traglast der vollständigen Lösung gemäss Plastizitätstheorie Oberer Grenzwert der Traglast räumliche Wärmequelle räumliche Entropiequelle Radius Zeit Spannungsvektor Verformungsvektor eines materiellen Punktes Querkraftvektor (Tensor 1. Stufe) Querkraftvektor der partikulären Lösung Querkraftvektor der homogenen Lösung (wirbelbehafteter Anteil) Querkraftvektor der homogenen Lösung (wirbelfreier Anteil) Querkraftkomponente in Richtung der x-Achse Querkraftkomponente in Richtung der y-Achse transformierte Querkraftkomponente in n-Richtung Querkraftkomponenten senkrecht zur statischen Diskontinuitätslinie transformierte Querkraftkomponente in t-Richtung radiale Querkraftkomponente in Polarkoordinaten tangentiale Querkraftkomponente in Polarkoordinaten Hauptquerkraft Geschwindigkeitsvektor eines materiellen Punktes eindimensionale Geschwindigkeit eines materiellen Punktes Verformung der Platte in z-Richtung w n, t x, y, z x zx zy z Inkrementelle Verformung der Platte transformierte Koordinatenachsen des rechtwinkligen Koordinatensystems Koordinatenachsen des rechtwinkligen Koordinatensystems Höhe der Druckzone innerer Hebelarm des Biegewiderstandes um die x-Achse innerer Hebelarm des Biegewiderstandes um die y-Achse Formfunktion der Schale beziehungsweise der Membranschale Griechische Grossbuchstaben Wirbeldichte des Querkraftfeldes v Zirkulation einer Strömung Griechische Kleinbuchstaben u u x y el pl pl el el. Haut h2 0 1 kI, kII u u sI, sII x, y s k u Verallgemeinerter, plastischer Verzerrungstensor Verallgemeinertes, plastisches Verzerrungsinkrement projizierter Winkel in der positiven Normalmomenten-Fliessbedingung projizierter Winkel in der negativen Normalmomenten-Fliessbedingung Schubwinkelvektor Schubwinkel um die y-Achse Schubwinkel um die x-Achse Cauchy Verzerrungstensor (kleine Deformationen, kleine Verzerrungen) elastischer Anteil des Cauchy Verzerrungstensors plastischer Anteil des Cauchy Verzerrungstensors zeitliche Ableitung des Cauchy Verzerrungstensor plastisches Verzerrungsinkrement Potentialfunktion zur Beschreibung des Querkraftfeldes v p Potentialfunktion der isotropen elastischen Platte Potentialfunktion der elastischen Haut respektive der Membranschale zum Querkraftfeld v h2 zugehörige Potentialfunktion Reibungswinkel Richtungswinkel Richtung der Hauptquerkraft v0 Richtung des Hauptmoments m1 Richtungen der kinematischen Diskontinuitätslinien I und II Richtung der positiven Fliessgelenklinie Richtung der negativen Fliessgelenklinie Richtungen der statischen Diskontinuitätslinien I und II Rotationswinkel des infinitesimalen Plattenelements bei schubsteifer Platten totale Entropie in lokaler Form Skalierungsfaktor des Fliessgesetzes; Einheit Geschwindigkeit Skalierungsfaktor der statischen Methode; unterer Grenzwert Skalierungsfaktor der kinematischen Methode; oberer Grenzwert Skalierungsfaktor der vollständigen Lösung 1. Lamé-Konstante 2. Lamé-Konstante Querkontraktionszahl (auch Poisson-Zahl genannt) Verformungsenergie komplementäre Verformungsenergie absolute Temperatur Cauchy Spannungstensor nach Theorie 1. Ordnung 155 g xx , yy xy xx , yy xy x , y Generalisierter Spannungstensor eindimensionale Normalspannung eindimensionale Schubspannung Tensor der elastischen Krümmungen Tensor der plastischen Krümmungsinkremente Komponenten des elastischen Krümmungstensors in x- und y-Richtung Komponente des elastischen Krümmungstensors in xy-Richtung plastisches Krümmungsinkrement in x-Richtung beziehungsweise y-Richtung plastisches Krümmungsinkrement in xy-Richtung plastischer Rotationswinkel um die x-Achse beziehungsweise y-Achse Potentialfunktion zur Beschreibung des Querkraftfeldes v h1 Operatoren / Differentialoperatoren der Tensoranalysis (in Symbolschreibweise) div , rot , grad , Naplaoperator Laplaceoperator skalarer Multiplikator doppelter skalarer Multiplikator vektorieller Multiplikator tensorieller Multiplikator Divergenz (Differentialoperator) Rotation (Differentialoperator) Gradient (Differentialoperator) Verallgemeinerte Funktionen (Distributionen) h(x) (x) Heaviside-Funktion Dirac-Delta-Funktion Sonderbezeichnungen und Zeiger i k s 0 u 156 Zugehörigkeit zu einem kinematisch zulässigen Verformungszustand Zugehörigkeit zu einem statisch zulässigen Spannungszustand spezifische Grösse (auf infinitesimales Volumenelement bezogen, lokale Form) Zugehörigkeit zu einem kinematisch zulässigen Verformungszustand (nach der kinematischen Methode gemäss Plastizitätstheorie) Zugehörigkeit zu einem statisch zulässigen Spannungszustand des aplastischen Bereichs (nach der statischen Methode gemäss Plastizitätstheorie) eingeprägte Grössen (Belastungen, Spannungen oder Verschiebungen) Zugehörigkeit zur vollständigen Lösung gemäss Plastizitätstheorie Differenz zwischen zwei Beträgen (nicht zu verwechseln mit Laplaceoperator
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