Kanton bezahlte viel zu viel

26 BASELLAND
BASEL | BASELLANDSCHAFTLICHE
SAMSTAG, 16. APRIL 2016
Gewerbebetriebe, Parkplätze, Zollamt, Speditionsfirmen: So präsentierte sich das Muttenzer Feldrebenareal 2010, als der Kanton dort 3,2 Hektare kaufte.
ARCHIV BZ, MARTIN TÖNGI
Kanton bezahlte viel zu viel
Feldreben Der bz neu vorliegende Unterlagen bestätigen, dass die Regierung beim Kauf eine unglückliche Hand hatte
VON DANIEL HALLER
Die Baselbieter Regierung habe zu einem überhöhten Preis 3,2 Hektare des
Muttenzer Feldrebenareals gekauft. Damit habe sich der Kanton zusätzliche
Kosten in mehrstelliger Millionenhöhe
aufgeladen. Und nach der Teilsanierung sei er Eigentümer eines weitgehend wertlosen Grundstücks: So lässt
sich die jüngst im Landrat vor dem Hintergrund einschneidender Sparmassnahmen vorgebrachte Kritik am 2010
erfolgten Kauf des Areals zusammenfassen. Was ist dran an der Kritik?
Mit welcher Begründung hat der
Kanton Baselland das Feldrebenareal gekauft?
Die damalige Eigentümerin des Areals –
die Camion Transport AG aus Wil SG –
wäre mit der Sanierung sowohl fachlich
als auch finanziell überfordert gewesen
und hätte «mit höchster Wahrscheinlichkeit in einem Konkurs geendet»,
schrieb die Regierung in der Antwort
auf die Interpellation von Landrätin Sara Fritz (EVP). Dann hätte der Kanton
die Kosten so oder so übernehmen
müssen. «Mit dem Kauf dieses Grundstückes wollte der Kanton die Altlastensanierung der Deponie Feldreben (...)
erleichtern.»
Fraglich ist der mit 2010 angegebene
Zeitpunkt des Kaufs. Dies geht aus einem der bz vorliegenden handschriftlichen Protokoll vom 31. August 2009
hervor. Damals notierte ein Mitglied
des von Chemie- und Pharmafirmen finanzierten Abstimmungskomitees gegen die Totalsanierungsinitiative der
Grünen nach einem Treffen mit dem
damaligen Leiter des Amtes für Liegenschaftsverkehr (ALV), Gerhard Läuchli:
«ALV ist ‹Grossgrundbesitzer› im Poly-
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feld. Ländereien gekauft zur Ermöglichung der Sanierung.»
War ein Quadratmeterpreis von
708 Franken gerechtfertigt?
In der Interpellationsantwort nennt die
Regierung einen Quadratmeterpreis
von 708 Franken. «Dieser Preis für das
Grundstück inklusive aller Gebäude lag
unter dem Verkehrswert für vergleichbare Grundstücke in Muttenz», erklärt
Kantonsarchitekt Marco Frigerio.
Gegenprobe: Das Statistische Amt Baselland weist zwar keine GewerbelandPreise für einzelne Gemeinden aus. Im
Bezirk Arlesheim wechselte aber im
Zeitraum 2009 bis 2011 Gewerbeland
im Schnitt für 681 Franken die Hand.
Der Muttenzer Gemeinderat Thomi
Jourdan sprach 2014 in einem Blog
rückblickend von einem Quadratmeterpreis von 500 Franken im Bereich des
Muttenzer Polyfelds, zu dem das Feldrebenareal gehört. Nun pendle sich der
Preis bei 750 Franken ein.
Zwar sind diese Zahlen entweder
schlecht belegt oder als Durchschnittswert nur beschränkt aussagekräftig.
Doch legen sie in der Tendenz die Vermutung nahe, die vom Kanton bezahlten 708 Franken hätten sich zumindest
in der Grössenordnung der damals üblichen Gewerbelandpreise bewegt.
Da man die Gebäude voraussichtlich
bei der Sanierung abreissen muss,
kann man deren Wert bei einem Deponiegrundstück nicht positiv berücksichtigen. Im Gegenteil: «Auf jeden Fall
müssen bei der Ermittlung des Kaufpreises für Grundstücke mit Abbruchobjekten allfällige Abbruchkosten abgezogen werden», erklärt Jessika Baccetti.
Sie ist Geschäftsführerin von Sirea,
dem Weiterbildungsinstitut des Schweizer Immobilienschätzer-Verbands.
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Da sie den Fall Feldreben nicht
kennt, äussert sie sich nicht dazu, gibt
aber allgemein Auskunft: Sie empfiehlt,
ein Grundstück zuerst so zu bewerten,
wie wenn keine Altlast vorhanden wäre. Davon ziehe man anschliessend die
geschätzten Sanierungskosten ab, um
den Kaufpreis zu bestimmen, sofern
«Je nachdem, in welcher
Kategorie das Grundstück
im Kataster der belasteten
Standorte eingetragen
wurde, kann dies zur Folge
haben, dass nur noch ein
Preis wie für Nicht-Bauland
gezahlt wird.»
Jessika Baccetti, Geschäftsführerin Sirea
die Sanierungskosten nicht der Verursacher trägt. «Es kann passieren, dass
die Sanierungskosten noch höher sind
als der Landwert des unbelasteten
Grundstückes. Je nachdem, in welcher
Kategorie das Grundstück im Kataster
der belasteten Standorte eingetragen
wurde, kann dies unter Umständen zur
Folge haben, dass nur noch ein Preis
wie für Nicht-Bauland gezahlt wird.»
Nicht-Bauland-Preise liegen zwischen 5
und 50 Franken pro Quadratmeter.
Was wäre das Areal ohne Sanierungskosten wert gewesen?
Einen Teil der Sanierungskosten muss
der Kanton in jedem Fall bezahlen: Mit
diesen sogenannten Ausfallkosten trägt
das Gemeinwesen den Kostenanteil der
Verursacher, die nicht ermittelt werden
können oder zahlungsunfähig sind.
Den Kostenanteil, den der Kanton
nun als Grundeigentümer zusätzlich
übernehmen muss, beziffert die Regie-
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rung auf 10,25 Millionen Franken, wobei es auch 30 Prozent mehr oder weniger sein könnten. So sah es das Sanierungsprojekt vor, das die Gemeindeversammlung Muttenz im Herbst 2014 abgelehnt hat. Der Kostenteiler des neuen
Projekts ist noch nicht bekannt.
Falls der Kanton den Preis der
32 000 Quadratmeter in der Feldreben
gemäss der von Baccetti beschriebenen
Methode ermittelte, zog er vom Liegenschaftswert die Sanierungskosten von
10,25 Millionen plus 30 Prozent als Risikoabsicherung ab. Addiert man nun
diese 13,33 Millionen wieder zum Kaufpreis von 22,66 Millionen, kommt man
auf einen «sanierungsfreien» Grundstückswert von 36 Millionen Franken.
Dies entspricht einem Quadratmeterpreis von 1125 Franken. Zum Vergleich:
Wohnbauland wurde 2010 gemäss Statistischem Amt in Muttenz im Schnitt
mit für 1127 Franken gehandelt. Die Regierung hat also bei der Bewertung entweder für Gewerbeland den Preis für
Wohnbauland eingesetzt. Oder sie hat
nicht berücksichtigt, dass die Gebäude
für die Sanierung weg müssen, und hat
dafür Geld ausgegeben.
Was ist das Grundstück nach der
Teilsanierung wert?
Nach der Sanierung sollen gemäss vorliegendem Projekt 90 Prozent der
Schadstoffe entfernt sein. Erst 50 Jahre
später soll dann gesichert sein, dass
keine weiteren Sanierungsmassnahmen
nötig sind. Dies formulierte 2011 das
Baselbieter Amt für Umwelt und Energie als Sanierungsziel. Das Grundstück
bleibt also weiterhin belastet und somit
im Altlastenkataster.
Damit liegt nach der Teilsanierung eine sogenannte Bauherren-Altlast vor:
Wer dort bauen will, muss gemäss Um-
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weltschutzgesetz für die Entsorgung
des belasteten Aushubs aufkommen. Es
kann aber noch teurer werden: «Je
nach Kategorie des Eintrags in den Altlastenkataser löst jegliche Bautätigkeit
für den Eigentümer eine kostenintensive Sanierungspflicht aus, welche in diesem Fall nicht dem Verursacher überwälzt werden kann», erläutert Jessika
Baccetti.
Dieses Risiko besteht: «Der Kataster
ist ein dynamisches Instrument und
wird regelmässig aktualisiert», heisst es
auf der Website des Kantons Baselland.
Es ist gut möglich, dass neue Erkenntnisse für bestimmte Schadstoffe auftauchen und deshalb der Bund die Grenzwerte verschärft. So fordert das Umweltgesetz Anpassungen bei den Rückstellungen für allfällige Sanierungen,
«wenn dies aufgrund eines verbesserten Kenntnisstands gerechtfertigt ist».
Fazit: Die finanziellen Risiken infolge
der Unwägbarkeiten bei weiterhin bestehenden Altlasten werden den Landwert in den Feldreben mindern – in einem noch nicht bekannten Ausmass.
Hinzu kommt, dass das Umweltschutzgesetz sogar eine Bewilligung zur Veräusserung von Grundstücken verlangt,
die im Kataster der belasteten Standorte eingetragen ist – nicht gerade attraktiv für Investoren.
Allerdings war offenbar zum Zeitpunkt des Kaufs noch nicht bekannt,
dass nur eine Teilsanierung beabsichtigt ist: «Ziel Läuchli, dass Polyfeld aus
dem Kataster raus ist, keine Bauherren-Altlasten», heisst es im oben zitierten handschriftlichen Protokoll vom
31. August 2009. «Kanton hat viel Land
gekauft, um Sanierung überhaupt zu
ermöglichen. Gebiet ist sehr interessant für Nachnutzung: Gewerbe und
‹intelligentes Wohnen›.»
Massiv tieferer Lohn für Kaderfrau war berechtigt
Bundesgericht Ehemalige
Leiterin im Baselbieter Personalamt klagte wegen Lohndiskriminierung – vergeblich.
VON URS-PETER INDERBITZIN
Eine ehemalige Dienststellenleiterin
des Baselbieter Personalamts ist korrekt entlöhnt worden, obschon sie massiv weniger verdiente als ihr Vorgänger
und ihr Nachfolger. Laut Bundesgericht
liegt keine Diskriminierung vor, da sie
schlechter als ihre männlichen Kollegen qualifiziert war. Auf den ersten
Blick erscheinen die Unterschiede in
der Entlöhnung tatsächlich krass und
man ist geneigt, auf eine Lohndiskriminierung zu schliessen.
Vorgänger hat bessere Ausbildung
Die Frau verdiente bei Amtsantritt
rund 40 Prozent weniger als ihr Amtsvorgänger. Und auch die Lohndifferenz
zum Nachfolger betrug 15 Prozent. Eine
Klage der heute 56-jährigen Frau auf
Nachzahlung blieb erfolglos. Sie hatte
ihre Stelle Ende Februar 2011 verlassen.
Der Regierungsrat entschied, dass der
Kanton Baselland die Frau lohnmässig
nicht diskriminiert hat und daher auch
keine Lohnnachzahlung geschuldet ist.
Nach dem kantonalen Verwaltungsgericht hat nun auch das Bundesgericht
eine Beschwerde der Frau abgewiesen.
Für die Richter in Lausanne war zwar
eine Lohndiskriminierung glaubhaft gemacht, doch hatte der Kanton die Möglichkeit, den Beweis dafür zu erbringen, dass die ungleiche Entlöhnung auf
sachlich begründeten Motiven beruht.
Und dieser Beweis ist vollumfänglich
gelungen. Anders als die Beschwerdeführerin, die eine Berufslehre und ein
Nachdiplomstudium an einer Fachhochschule absolviert hatte, verfügt ihr
Vorgänger über einen juristischen Studienabschluss und das Anwaltspatent.
Dieses Fachwissen war ein grosser
Zugewinn für die Stelle, zumal der Vorgänger neben der operativen Leitung
der Dienststelle auch die Aufgabe hatte,
als Projektleiter das im April 1998 in
Kraft getretene Personalrecht und das
im Januar 2001 in Kraft getretene Lohnwesen des Kantons zu revidieren. Um
den Juristen für die Projektdauer zu
halten und um die laufenden Arbeiten
nicht zu gefährden, wurden ihm Zulagen ausgerichtet. Für das Bundesgericht war deshalb die finanzielle
Schlechterstellung der Beschwerdeführerin nicht zu beanstanden.
Abgangsentschädigung erhalten
Auch hinsichtlich des Nachfolgers
konnte der Kanton den Beweis erbringen, dass der Lohnunterschied gerechtfertigt war. Der Mann hatte im Laufe
seiner Berufskarriere während rund 18
Jahren bei vier verschiedenen Arbeitgebern Führungspositionen im Personalbereich bekleidet und so spezifische
Berufs- und Führungserfahrung angesammelt. Auch hier rechtfertigte es
sich laut Bundesgericht, ihm eine persönliche Zulage auszurichten, da er
«für die betreffende Stelle unbestreitbar beste, durch langjährige Berufsund Führungserfahrung gefestigte,
fachliche Qualifikationen» mitbrachte.
Von einer Lohndiskriminierung kann
deshalb nach Meinung des Bundesgerichts keine Rede sein, zumal der Frau
nach ihrem Weggang beim Personalamt eine Abgangsentschädigung sowie
eine Leistungsprämie ausgerichtet worden waren.