Was sich hier abspielt, ist ein Putsch. - klaerwerk

Gesellschaft
Interview
„Was sich hier abspielt,
ist ein Putsch.“
r
Angela Dorothea
Merkel (*1954),
seit 2005
Bundeskanzlerin
(CDU)
Hermann
Ploppa
aum&zeit: Laut einer Befragung von 150 000
EU-Bürgern sind 97 Prozent gegen TTIP oder zumindest gegen die Schiedsgerichte. Dennoch halten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel eisern
am Freihandelsabkommen fest. Wieder einmal zeigt
sich, dass unsere Politiker, sobald sie gewählt sind,
nicht mehr das Volk vertreten, sondern völlig andere
Interessen.
Sie haben intensiv zum Freihandelsabkommen zwischen
Europa und den USA recherchiert. Wer würde Ihrer Meinung nach durch TTIP profitieren?
Hermann Ploppa, Jahrgang 1953, ist Politologe und
Publizist. Er hat zahlreiche Artikel über die Eliten der
USA veröffentlicht, u. a. über den einflussreichen Council on Foreign Relations. 2009 veröffentlichte Ploppa
das Buch „Hitlers Amerikanische Lehrer“, in dem er
bislang nicht beachtete Einflüsse US-amerikanischer
Stiftungen und Autoren auf den Nationalsozialismus
offen gelegt hat. Daneben produzierte Ploppa Features
über Sri Lanka und Burma für den Deutschlandfunk.
Aktuell sorgt sein Bestseller „Die Macher hinter den Kulissen – Wie
raum&zeit
201/2016
transatlantische66
Netzwerke
heimlich
die Demokratie unterwandern“ für
angeregte öffentliche Diskussionen.
Hermann Ploppa: Nach meiner Ansicht wäre TTIP eine
Frischzellenkur für die US-Wirtschaft, die ja in massiven
strukturellen Problemen steckt. US-Firmen könnten sich
damit an die relativ intakte Wirtschaft in Europa ankoppeln,
sich selbst wieder ein bisschen aufmöbeln und endgültig
auch auf ökonomischem Gebiet die Hegemonie gewinnen.
Europa würde dabei eine enthauptete verlängerte Werkbank der USA werden. Das kann man an dem Beispiel
NAFTA sehen. Dieses Freihandelsabkommen zwischen
den USA, Kanada und Mexiko wurde 1994 eingeführt und,
wie Analysen zeigen, profitierten bisher in erster Linie
US-Konzerne, während die mexikanische Wirtschaft und
auch die kanadische Wirtschaft ziemlich hinten runterfallen. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die Agroindustrie. In
Mexiko konnten sich die Bauern selbst versorgen, bis der
Markt aufgemacht und Mexiko überschwemmt wurde mit
US-amerikanischen agroindustriellen Produkten. Seitdem
konnten die mexikanischen Bauern nicht mehr konkurrieren, wurden arbeitslos, flüchteten in die USA, arbeiten
jetzt dort illegal in der Agroindustrie und überweisen von
dort aus einen Teil ihres Lohns an ihre Familie zuhause. Die ganze mexikanische Landwirtschaft wurde so ver-
Wer regiert eigentlich in Europa und in Deutschland?
Ein Freihandelsabkommen mit den USA wird im Geheimen ausgetüftelt.
Der Wunsch der Bürger hierzu wird nicht gehört. Was geopolitische
Leitlinien anbelangt, sind die großen Medien immer auf der Seite
der USA. Kein Wunder – schließlich arbeiten seit Anfang des
20. Jahrhunderts transatlantische Organisationen beständig daran,
marktradikale US-Richtlinien auf unserem Kontinent zu verankern.
© 1xpert – Fotolia.com; Collage raum&zeit
raum&zeit-Interview mit Hermann Ploppa, von Angelika Fischer, Wolfratshausen
nichtet und die mexikanische Bevölkerung ist zu Kostgängern oder Konsumenten der US-Industrie geworden.
TTIP – ein Produkt der Transatlantiker
r&z: Sie haben sich auch eingehend mit der Entstehung und
Ausbreitung transatlantischer Netzwerke beschäftigt. Spielten
diese auch bei der Entwicklung von TTIP eine Rolle?
H. P.: Absolut. Dieses Freihandelsabkommen ist von ihnen angeregt worden. Verschiedene transatlantische Organisationen stehen dahinter. Der Transatlantic Business
Council (TABC), dessen Leitmotiv es ist, zur Optimierung
transatlantischer Handelspolitik Unternehmer gleich
schon bei der Planung miteinzubeziehen.
Auf US-Seite gibt es unter anderem den Business Round
Table, der seit 1972 sämtliche vernünftigen Ideen im weißen
Haus und im Kongress zu Fall gebracht hat. Das ist ein aggressiver Verein von CEOs, Chief Executive Officers. CEOs
sind die Strategiegötter der Konzerne, die freigestellt von der
Tagespolitik die langfristigen Ziele festlegen. Auf europäischer Seite gibt es, nach amerikanischem Muster strukturiert, den European Round Table of Industrialists (ERT). Er
ist sehr mächtig und setzt sich aus den CEOs ausgewählter
Konzerne zusammen. 50 Ausgewählte sitzen in dieser Artusrunde und treffen sich viermal im Jahr immer in dem
Land, das gerade die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Bezeichnender Weise. Sie betonen auf ihrer eigenen Webseite,
dass sie die Lissabon Agenda, eine Strategie zur Steigerung
der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union, entwor-
fen haben, die im Jahr 2000 eins zu eins übernommen worden ist. Die Lissabon-Agenda ist nur eines von vielen Strategiepapieren, die der ERT der EU-Regierung zukommen ließ
mit der Bitte um baldmöglichste Berücksichtigung. Immer
geht es dabei um eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
im globalen Wirtschaftsleben. Und fast immer werden die
Empfehlungen eins zu eins übernommen. TTIP entspricht
fast hundertprozentig den Forderungen des ERT. Dann gibt
es noch das Transatlantic Policy Network (TPN), ein Zusammenschluss von Mitgliedern des Europa-Parlamentes
in Straßburg, die ihre Abgeordnetenkollegen auf TTIP einschwören. Das TPN vertritt seit 20 Jahren die Idee von TTIP.
r&z: Und solche Empfehlungen von transatlantischen Organisationen werden wirklich von unseren Politikern umgesetzt?
H. P.: Ja, es gibt noch ein anderes, besonders anschauliches Beispiel. Im März 2013 zitierte Frau Merkel den
französischen Staatspräsidenten François Hollande und
den damaligen EU-Ratspräsidenten José Manuel Barroso ins Kanzleramt. Da saßen 15 Herren vom European
Round Table of Industrialists und hatten einen Wunschkatalog mitgebracht. Wie durch ein Pfingstwunder wurde
dann sofort eine deutsch-französische Arbeitsgruppe eröffnet, die eine Verlautbarung herausgegeben hat, die eins
zu eins eine Vorgabe des European Round Table of Industrialists umgesetzt hat.
Damit solche Übernahmen transatlantischer Ideen in die
politische Praxis möglichst geschmeidig erfolgen, wurde der
TTIP entspricht fast hundertprozentig den Forderungen des
European Round Table of Industrialists.
raum&zeit 201/2016
67
© A.Savin, Wikimedia Comm.
Gefangen in transatlantischen
Netzwerken
Sigmar Gabriel
(*1959),
SPD-Politiker,
seit 2009 Parteivorsitzender,
seit 2013 Stellvertreter der Bundeskanzlerin sowie
Bundesminister
für Wirtschaft und
Energie
François
Gérard Georges
Nicolas Hollande
(*1954), frz. Politiker der Sozialistischen Partei (PS)
und seit 2012 der
24. Staatspräsident
der Französischen
Republik
José Manuel
Durão Barroso
(*1956), portug.
Politiker und
Mitglied der Europäischen Volkspartei, 2002–2004
Ministerpräsident
Portugals
Gesellschaft
Æ
Gerichtsverfahren finden an
privaten Gerichten statt, jenseits
unseres sorgsam entwickelten
öffentlichen Rechtssystems.
Æ
Vattenfall hat Deutschland
wegen des Atomausstiegs auf
4,7 Milliarden Euro verklagt.
Das Verfahren läuft noch.
Kritik an TTIP in Kürze
Æ
Verhandlungen im Geheimen
Æ
Verbraucherschützer und Umweltorganisationen ausgeschlossen
Æ
Die Rechte der Unternehmen
werden gegenüber den Rechten der
Politik gestärkt
Æ
Unternehmer können klagen, wenn
ein Verbraucher- oder Umweltschutzgesetz ihre Gewinne bedroht.
Buchtipp
Æ
Seit das Freihandelsabkommen
NAFTA 1994 zwischen den USA,
Kanada und Mexiko eingeführt
wurde, gab es auch hier einige
Klagen, die bislang alle zugunsten
der USA entschieden wurden.
Transatlantic Policy Network eingerichtet. Dort findet man
als deutsche Vertreter, nicht überraschend, den Europa-Abgeordneten Elmar Brok, der gleichzeitig Lobbyist für Bertelsmann ist, Rainer Bütikofer von den Grünen und Jo Leinen
von der SPD, was einige überraschen wird, weil letzterer in
den 1980er Jahren ein Protagonist der Friedensbewegung war.
Jenseits der Demokratie
Hermann Ploppa:
„Die Macher hinter
den Kulissen;
Wie transatlantische Netzwerke
heimlich die
Demokratie
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r&z: Die Transatlantiker infiltrieren also die Exekutive mit
ihren Ideen. Theoretisch gäbe es aber noch die Legislative,
das Parlament und die Medien, die diesen Einflüssen etwas
entgegensetzen und sie abblocken könnten. Wie sieht es damit aus? Bei TTIP wurden Politiker und Parlamentarier ja
durch die extreme Geheimhaltung lange übergangen.
H. P.: Ja, nur einige handverlesene Abgeordnete bekamen
überhaupt Einsicht in den Vertragsentwurf. Sie mussten
dann zum Lesen in einen Giftschrankraum gehen, durften aber nichts aufschreiben und den gruseligen Fund nicht
an die Öffentlichkeit weitergeben. Das ist natürlich ein flagranter Verstoß gegen jede Demokratie, gegen jedes Transparenz- und Öffentlichkeitsgebot, das der Demokratie zugrunde liegt. Was sich hier völlig ungeniert abspielt, ist ein
Putsch. Damit so etwas möglichst geräuschlos über die
Bühne geht, hat man eben in allen Bereichen, in der Legislative, in der Exekutive und wahrscheinlich auch in der Judikative seine Gewährsleute platziert. Das hat nichts mit
Verschwörungstheorie zu tun. Heutzutage funktionieren
solche Machtmaschinen grundsätzlich in dieser Art. Ob
es Parteitage sind oder Parlamentsdiskussionen - immer
sind Abläufe und Ergebnisse vorstrukturiert. Immer wird
dafür gesorgt, dass die Generallinie entsprechend bevorteilt ist und die anderen sich nur als Kandidaten verwirklichen können. Das ist in etlichen soziologischen und politologischen Untersuchungen ausführlich dargelegt worden.
r&z: Kann man ein Hauptmotiv ausmachen, das hinter diesen transatlantischen Netzwerkern steckt?
Elmar Heinrich
Brok (* 1946),
CDU-Politiker,
seit 2013 Präsident der Union
der Europ.
Föderalisten
(UEF)
Josef „Jo“ Leinen
(*1948), seit 1999
Europaabgeordneter für die SPD in
der Sozialdemokratischen Fraktion
im Europäischen
Parlament (EP)
H. P.: Eindeutig. Und das schon seit 1907. Der amerikanische
Denker Archibald Coolidge hatte schon damals in einem
Buch folgende Ziele formuliert: die Auflösung von Staaten
und ein weltweit ungehemmter Warenfluss, der nicht durch
Staatsgrenzen beeinträchtigt sein darf. Das ist seitdem die
Agenda, die auch nach dem Zweiten Weltkrieg in der Weltordnung von Bretton Woods festgelegt wurde. Nach dem
Tod des damaligen US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt wurde diese Entwicklung noch verschärft. Seitdem soll
der Staat nur noch auf gewisse Grundfunktionen beschränkt
werden, er soll noch das Eigentum schützen, Verkehrswege
und Verträge. Ansonsten soll alles der Privatwirtschaft überlassen werden. Wie dies aussieht, wurde uns exemplarisch
vor Augen geführt, als nach der Staatspleite Griechenlands
dort alles auf dem Ladentisch verhökert wurde
Die Geburt transatlantischer
Netzwerke
r&z: Können Sie uns erläutern, wie sich der Anfang der
transatlantischen Organisationen vollzog?
H. P.: Die Mutter der transatlantischen Organisationen ist
der Council on Foreign Relations, der 1921 in New York gegründet wurde. Banker, Industriekapitäne und Politikberater schufen hier ein Elitenetzwerk, das sich auserwählt
sah, die Zügel für die komplizierte Weltpolitik in die Hand
zu nehmen. An runden Tischen saßen superreiche Konzernchefs zusammen mit Medienvertretern und Superintellektuellen wie Henry Kissinger, Walter Lippmann oder
Zbigniew Brezinski. In lockerer Runde diskutierten sie regelmäßig die politische Agenda der nächsten Jahre. Ihnen
beigeordnet waren Thinktanks, Expertengruppen, die dem
Netzwerk mit Gutachten zur Seite standen. Zur Zeit des
Zweiten Weltkriegs fertigten über hundert Mitarbeiter 682
Hintergrundanalysen an, die von der Rockefeller-Stiftung
finanziert wurden. Sie sahen darin genau die Weltordnung
vor, die nach dem Krieg Wirklichkeit wurde: eine starke
USA, ein entfesselter Freihandel und ein Netz von Weltor-
Die Auflösung von Staaten und ein weltweit ungehemmter
Warenfluss ... das ist seitdem die Agenda ...
68
raum&zeit 200/2016
201/2016
Henry Alfred
Kissinger (*1923),
US-am. Politikwissenschaftler,
ehem. Politiker der
Republikanischen
Partei. Von 1973
bis 1977 US-Außenminister
Franklin Delano
Roosevelt
(1882–1945),
von 1933–1945
32. Präsident der
Vereinigten Staaten
(Demokratische
Partei)
Archibald Cary
Coolidge
(1866–1928),
US-am. Diplomat
und Historiker
ganisationen, allen voran die UNO, die Weltbank, der Internationale Währungsfond und die Welthandelsorganisation.
r&z: Und wie wurden diese Ideen nach Europa getragen?
H. P.: Das geschah auch zu der Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Europa lag völlig am Boden, chaotisiert und destabilisiert. Die USA hatten nun die Sorge, auch Westeuropa
könnte leichte Beute der Softpower der Sowjetunion werden. Dass es friedlich vereinnahmt werden könnte durch
intellektuelle Netzwerke, sozialistische Organisationen
usw. Daraufhin hat die US-Regierung über den CIA Geld
zu einer Tarnorganisation gebracht, dem American Committee for a United Europe. Diese hat simulierte Massenbewegungen und diskrete Netzwerke aufgebaut.
r&z: Was meinen Sie mit simulierten Massenbewegungen?
H. P.: Für die Menschen stand es nach dem Krieg überhaupt nicht auf der Agenda, ein geeintes Europa zu installieren. Sie hatten erst mal handfeste Interessen wie zum
Beispiel die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, ihre Wohnungen zu beheizen und so weiter. Das heißt, den Weg zu
einer europäischen Vereinigung zu ebnen, war kein Projekt von unten nach oben, sondern ein Top down-Projekt.
Zur Umsetzung in die Praxis erwiesen sich die Bilderberger als hilfreich. Diese sind also nicht, wie manche Leute behaupten, die heimliche Weltregierung. Die Aufgabe
der Bilderberger ist es lediglich, einmal im Jahr die Eliten der USA und Europas zusammenzuführen, damit diese sich persönlich kennenlernen und informell Grundlinien absprechen.
Richten wir mal den Fokus auf Deutschland: Gleich nach dem
Krieg wurde die Vorform der Atlantikbrücke gegründet. Protagonist war unter anderem Erich Warburg, ein Hamburger
Bankier. Weil er als Jude in Deutschland gefährdet war, emi-
Eric Moritz
Warburg
(1900–1990),
dt.-am.
Bankier
jüdischer
Herkunft
John Jay McCloy
(1895–1989), US-am.
Banker und Jurist,
Präsident der Welt Bank,
U.S.-Oberkomissar für
Deutschland
Walter
Lippmann
(1889–1974),
US-amerikanischer
Journalist,
Schriftsteller und
Medienkritiker
Zbigniew Kazimierz Brzezinski
(*1928), poln.-US-am.
Politikwissenschaftler.
Berater Lyndon B. Johnsons und
Sicherheitsberater von
US-Präsident Jimmy Carter.
Professor für US-am.
Außenpolitik und Autor
polit. Analysen.
grierte er während des Krieges in die USA und baute dort viele
Kontakte auf. Diese waren ihm sehr dienlich, als er nach dem
Krieg nach Hamburg zurückkehrte und die Warburg-Bank
wieder aufbauen wollte. Er gründete dann zusammen mit
John McCloy, dem damaligen Hochkommissar in Deutschland, also dem Statthalter der amerikanischen Besatzungsmacht, die Atlantikbrücke. Auf jeder Seite des Atlantiks, in
Hamburg und in New York, richteten sie einen noblen Club
zur Pflege der deutsch-amerikanischen Freundschaft ein. In
Hamburg waren zudem zwei Vertreter der Zeitung „Die Zeit“,
Ernst Friedländer und Marion Gräfin Dönhoff, mit dabei.
Nach dem Vorbild des Council on Foreign Affairs richtete
die Atlantikbrücke in Deutschland im Sinne des Socializings ebenfalls diese runden Tische ein.
Auf deutschem Boden
r&z: Wie haben diese Eliteorganisationen es in Deutschland
geschafft, dieses Gedankengut in die Realität zu übersetzen?
H. P.: Die amerikanische Machtausübung ist traditionell unter anderem durch den revolving door effect, den
Drehtüreffekt vollzogen worden, sodass in den USA wenige Elitemenschen 320 Millionen US-Bürger kontrollieren.
Drehtür-Effekt heißt, ein Mensch aus der Elite wechselt
zwischen verschiedenen Leitungspositionen hin und her.
Ist mal Dekan an der Uni, dann Chef eines Geheimdienstes,
dann Minister, dann womöglich noch Konzernvorstand. So
wird die Vorstellung des Elitekreises auf die Gesellschaft
übertragen. Denn diesen Menschen steht noch eine Schicht
von Untergebenen zur Verfügung, reiche Leute, Herausgeber von Zeitungen, Politiker, Regierungsmitglieder, Militärs,
die wiederum die Vorgaben von oben nach unten weitergeben, die sich davon Vorteile für sich persönlich versprechen.
Das Prinzip des Drehtür-Effektes wird zunehmend auch in
Deutschland ebenfalls wirksam.
Marion Hedda Ilse
Gräfin Dönhoff
(1909–2002),
Chefredakteurin
und Mitherausgeberin der deutschen
Wochenzeitung
„Die Zeit“
Helmut Heinrich
Waldemar Schmidt
(1918–2015), dt. Politiker der SPD, 1974–1982
Regierungschef einer
sozialliberalen Koalition
und fünfter Bundeskanzler der BRD
Helmut Josef Michael Kohl
(*1930), ehem. CDU-Politiker,
1969-1976 Ministerpräsident des
Landes Rheinland-Pfalz,
1982–1998 sechster Bundeskanzler der
BRD, 1973–1998 Bundesvorsitzender
raum&zeit
201/2016
seiner Partei,
danach69
bis 2000 deren
Ehrenvorsitzender
Gesellschaft
Kurt Hans Biedenkopf (*1930), dt.
Jurist, Hochschullehrer und CDU-Politiker,
1990–2002 Ministerpräsident des
Freistaates Sachsen
Dr. Beate
Lindemann, ehem.
Geschäftsführerin,
heute im
Vorstand der
Atlantik-Brücke
e.V.
Cem Özdemir
(*1965), Bundesvorsitzender der Partei
Bündnis 90/Die
Grünen
Prof. Dr. Michael
Martin Stürmer
(*1938), dt. Historiker
und Journalist, von
1973 bis 2003 als
Professor für Mittlere
und Neuere Geschichte an der Universität
Erlangen-Nürnberg
Kai Diekmann (*1964),
1998–2000 Chefredakteur der Welt am
Sonntag, 2001–2015
Chefredakteur der Bild
und Gesamtherausgeber der Bild-Gruppe
Milton Friedman (1912–
2006), US-am. Wirtschaftswissenschaftler
auf den Gebieten der
Makro-, Mikroökonomie,
der Wirtschaftsgeschichte und Statistik, 1976
Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften
Josef Joffe
(*1944), dt. Publizist, Verleger
und Dozent, seit
2000 Herausgeber
der deutschen
Wochenzeitung
„Die Zeit“
Stefan Kornelius (*1965), dt.
Journalist und Publizist, Leiter des
außenpolitischen
Ressorts der
Süddeutschen
Zeitung
r&z: Können Sie hierfür Beispiele nennen?
H. P.: In der Atlantik-Brücke waren beispielsweise Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Kurt Biedenkopf, Cem Özdemir, Kai Diekmann vom Springer Verlag, Josef Joffe von
der Zeit. Sie alle konnten durch ihre berufliche Position
transatlantisches Gedankengut in die Gesellschaft bringen.
Die Rolle der Medien
r&z: Inwieweit sind die Medien, die ja eine wichtige Kontrollinstanz im Staat sein sollten, von den Transatlantikern
unterwandert?
H. P.: In der Sendung „Die Anstalt“ vom 29.4.2014 wurden
zwei Beispiele aufgezeigt. Sehr eindrücklich wurde dort klar,
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Jochen Bittner
(*1973), dt.
promovierter
Jurist,
Journalist und
Publizist
Joschka (Joseph
Martin) Fischer
(*1948), 1998-2005
Außenminister und
Vizekanzler (Bündnis 90/Die Grünen) ,
seit 2005 Lobbyist
für Siemens, BMW,
RWE, NabuccoPipeline
Uwe Krüger
(*1978), dt. promovierter DiplomJournalist und
Medienforscher
Gerhard Fritz Kurt
Schröder (*1944),
dt. Rechtsanwalt,
Lobbyist und ehem.
SPD-Politiker,
1990-1998 nieders.
Ministerpräsident,
1998–2005
siebter Bundeskanzler
dass Josef Joffe, Herausgeber der Zeit, in ungeheuer vielen
Pressure Groups Mitglied ist und als Scharniernetzwerker
fungiert, der diese diskreten Gruppen miteinander verbindet. Im Falle von Jochen Bittner, ebenfalls Redakteur bei der
Zeit, wurden Verbindungen zur Rüstungslobby aufgezeigt.
Bei der Bild-Zeitung ist es besonders augenfällig. Wer
dort einen Arbeitsvertrag unterschreibt, unterschreibt dabei gleichzeitig einen Passus, dass er positiv eingestellt ist
gegenüber der deutsch-amerikanischen Freundschaft und
gegenüber Israel. Ohne diese Erklärung ist ein Arbeitsverhältnis bei Springer nicht möglich.
Und auch die Süddeutsche Zeitung ist betroffen. Wie Uwe
Krüger in seiner Doktorarbeit dargelegt hat, hat diese Zeitung
ein exklusives Kooperationsabkommen mit der Münchner
Sicherheitskonferenz. Das ist zunächst einmal überraschend,
weil diese Zeitung vielen Mitbürgern als linksliberal gilt und
in vielen Bereichen auch in diesem Sinne in Erscheinung
tritt. Das ist aber auch genau das Erfolgsrezept. Man lässt eine gewisse Vielfalt zu, aber wenn es um bestimmte zentrale Dinge geht, blasen die Meinungsmacher alle in das gleiche Horn. Dann ist Stefan Kornelius von der Süddeutschen
Zeitung noch forscher in seinen Forderungen an die NATO
als Michael Stürmer von der Welt oder Jochen Bittner von
der Zeit. Alle drei Herren sind in denselben diskret-elitären
Gruppierungen. Entweder sind sie Mitglieder in der Deutschen Atlantischen Gesellschaft. Hierbei handelt es sich um
einen Verein mit NATO-freundlicher Ausrichtung. Weiterhin
findet man diese Herrschaften dann auch alle in der Atlantik-Brücke oder in der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik oder Stiftung Wissenschaft Politik.
r&z: Denken Sie, diese Redakteure verbreiten dieses Gedankengut aus Überzeugung oder aus gewissen Abhängigkeiten heraus?
H. P.: Diese transatlantischen Organisationen haben eine Art
von Talentscout-System. Berlin Polis, die Bertelsmann Stiftung oder die Körber Stiftung machen Schüler-Wettbewerbe,
um Talente zu entdecken. Da gibt es Preise für Foto-Arbeiten,
für Aufsätze etc.; Cem Özdemir betätigt sich dort als Juror.
Man kann nicht von sich aus bei diesen Organisationen Mitglied werden, sondern man wird von Talent-Scouts kooptiert,
angesprochen, ob man ein tolles Stipendium in der USA haben will oder Ähnliches. Dann wird der eine oder andere
erkennen, dass seine Karriere schneller geht mit dem Rückenwind dieser transatlantischen Organisationen. So sind
die späteren Mitglieder sowohl ideologisch geimpft als auch
materiell belohnt. Das kommt zusammen.
Subtile Macht
r&z: Sie schreiben in Ihrem Buch über die Gymnicher Formel, die 1974 eingeführt wurde und von der auch kaum jemand etwas weiß. Sie besagt, dass die USA bei allen Entscheidungen der EU-Staaten mit einbezogen werden muss.
Wird diese Formel denn bis heute wirklich verfolgt?
H. P.: Genau in der Zeit, in der Willy Brandt zurückgetreten ist, aus nicht plausiblen Gründen, verlangten die USA,
dass alle europäischen Staaten grundsätzlich bei allen Entscheidungen, die die Interessen der USA berühren könnten
– das sind ja so ziemlich alle – konsultiert werden müssen.
Das wurde dann in der Brüsseler Erklärung von den europäischen Regierungen unterschrieben, in einem Kotau
sozusagen. Es war allerdings nicht bindend, sondern ein
Letter of Intent, eine Absichtserklärung. Die Umsetzung
wurde dann aber durch die Soft-Power dieser Netzwerke
gewährleistet. Denn jetzt war Helmut Schmidt Bundeskanzler und nicht mehr Willy Brandt, der Nixon verärgert
hatte mit seinem Konzept der emanzipierten Partnerschaft.
Helmut Schmidt war ein strammer Transatlantiker.
r&z: Wie sieht diese Soft Power denn aus? Was würde passieren, wenn diese Formel nicht befolgt wird?
H. P.: Man arbeitet hier sehr subtil auf Seiten der USA.
Es könnte schon geschehen, dass ein Politiker demontiert
wird. Wenn also plötzlich nur noch Fotos von Frau Merkel
erscheinen, die sie aus einer Perspektive von unten zeigen,
sodass das Doppelkinn zu sehen ist, oder wenn sie im verknitterten Hosenanzug gezeigt wird, dann weiß man, jetzt
ist sie langsam zum Abschuss freigegeben.
Das spektakuläre Beispiel war ja Strauß-Kahn. Eine äußerst merkwürdige Veranstaltung. Aber auch das Ende
von Olof Palme war sehr dubios.
r&z: Würden Sie sagen, Deutschland wird von Transatlantikern regiert?
H. P.: Hundertprozentig. Wichtig dabei ist, diese Leute machen nicht das politische Klein-Klein, sondern die Paradigmen. Sie entscheiden, ob der Staat eine keynesianische
Wirtschaftspolitik macht, also Gestalter in der Wirtschaft
ist oder ob er einem Marktradikalismus im Sinne Milton
Friedmanns das Revier überlässt. Oder sie überlegen: Ma-
chen wir eine unabhängige Politik, die sich fernhält von
den Machtblöcken China, Russland und USA und zu allen
aber gleich freundliche Beziehungen unterhält oder werden wir zum abhängigen Juniorpartner der USA?
Diese Fragen werden nicht öffentlich diskutiert, aber es
werden Beschlüsse in diese Richtung schon seit Jahrzehnten getroffen. Was wir dann in Talkshows sehen oder
im Parlament, sind eigentlich nur Diskussionen über graduelle Abstufungen innerhalb dieses Rahmens. So wird
auch oftmals TTIP diskutiert. Selbst von Leuten wie Thilo
Bode, der in einem Interview mit Phönix gesagt hat, grundsätzlich hätte er nichts gegen ein Freihandelsabkommen,
aber es gebe halt ein paar Details, die er nicht gut fände.
Destabilisierung durch Flüchtlinge
r&z: Ist die Flüchtlingskrise auch im Sinne der Transatlantiker?
H. P.: Ursprünglich nicht, aber innerhalb des transatlantischen Netzwerkes hat eine Verrohung stattgefunden. Die
erste Generation der Transatlantiker waren intelligente
und integre Menschen, die Angst hatten vor dem Kommunismus und sich deshalb mit den USA arrangiert haben.
Leute wie Willy Brandt, der Hamburger Oberbürgermeister Max Brauer oder der Wissenschaftler Arnold Bergstraesser. Die Transatlantiker heute sind ein anderer Menschenschlag, hemmungslose, unmoralische Existenzen,
das muss man eindeutig sagen.
Im Moment kommt eine Studie von Kelly Greenhill von
der Yale Universität „Waffen der Masseneinwanderung“
immer mehr ins Gespräch. Greenhill zeigt hier an 48 Fallbeispielen seit der Flüchtlingskonvention von 1951 auf, wie
Staaten durch den Strom von Flüchtlingen politisch in die
Knie gezwungen wurden.
Jahrelang hat man sich den Flüchtlingen gegenüber äußerst
mies verhalten, hat sie in Container gesteckt wie Verbrecher
und hat sie oft zurückgeschickt in die Folterländer. Auf einmal haben wir eine Kehrtwende um 180 Grad. Flüchtlinge in
Nickelsdorf haben selbst gewarnt: Passt auf, ein bis fünf Prozent der Leute, die hier sind, sind Verbrecher, die zuhause
was angestellt haben und die nun vor den Folgen ihrer Verbrechen flüchten, auf eine sehr elegante Weise. Diese Probleme kommen zu den in dieser Gesellschaft bereits bestehenden hinzu. In einem solchen Chaos ist die Öffentlichkeit
abgelenkt von gewissen Bestrebungen, die auf einen Krieg
gegen Russland hindeuten. Der scheint wirklich beschlossene Sache zu sein. Es ist seit Napoleon ja immer die Agenda gewesen, die eurasische Kontinentalplatte unter die eigene Kontrolle zu bekommen. Wenn der Permafrost schmilzt,
kommt man dann auch leichter an die Bodenschätze heran.
r&z: Gibt es auch einen transatlantischen Hintergrund für
die Entscheidung Deutschlands, die Bundeswehr nach Syrien zu schicken?
H. P.: Der Einsatz Deutschlands ist aus militärischer Sicht
völlig sinnlos. Dies haben der ehemalige Oberstleutnant
Ulrich Scholz und der ehemalige General der Bundeswehr
Harald Kujat attestiert. Ohne eine Koordination mit Bodentruppen bringen Bombardements aus der Luft nichts,
außerdem sind die Tornadoflieger veraltet und dysfunk-
raum&zeit 201/2016
71
Die Autorin
Gesellschaft

raum&zeit
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Weitere Artikel
zu transatlantischen Netzwerken
und TTIP finden Sie
unter
www.raum-undzeit.com/r-z-online/
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tional. Das Ganze ist völliger Irrsinn. Erstens: Dieses Syrien-Mandat ist gar nicht auf Syrien beschränkt, sondern
es erstreckt sich auf alle Länder, in denen der IS tätig ist.
Das heißt, das ist ein Freibrief, Deutschland in einen größeren Konflikt hineinzuzerren. Deutschland ist mitgefangen, mitgehangen. Attentate und Massaker des IS sind
nun auch für Deutschland programmiert. Was Frankreich
sich mit seinem Engagement eingehandelt hat, sehen wir
an Charly Hebdo und dem Anschlag im Herbst in Paris.
Demnächst könnte es dann in Berlin oder in einer anderen deutschen Stadt brennen. Das Ganze dient auf jeden
Fall der Destabilisierung.
r&z: Warum weiß kaum jemand etwas über die transatlantischen Netzwerke, die unsere demokratischen Strukturen
unterwandern?
H. P.: Die langjährige Geschäftsführerin der Atlantik-Brücke, Frau Beate Lindemann, hat mal als Erfolgsrezept der
Atlantik-Brücke verraten:
„Man kann mehr erreichen, wenn man nicht in der Öffentlichkeit arbeitet.“
Das ist in der Tat das Konzept. Die Öffentlichkeit weiß natürlich bis heute nichts davon. Wenn die Öffentlichkeit
nicht weiß, wer eigentlich ganz entscheidend das Bild unserer Gesellschaft prägt, wie soll sie dann Einfluss nehmen? Die Leute werden halt dann immer wieder kalt überrascht. Sie wählten zum Beispiel 1998 Gerhard Schröder
und Joschka Fischer mit der Vorstellung, jetzt gäbe es eine
Friedenspolitik und soziale Gerechtigkeit. In Wirklichkeit
ging dann das ganze Programm, das vorher unter Kohl angelegt war, jetzt erst richtig los, und zwar verschärft in einer noch schnelleren Gangart. Spätestens da haben sich
viele Leute gefragt, was hier eigentlich los ist. Joschka Fischer hat dann da weitergemacht, wo Hitler aufhören musste, bei der Bombardierung Belgrads nämlich.
Zurück zu unseren
humanistischen Wurzeln
r&z: Denken Sie, es gibt eine Möglichkeit, aus diesem Fahrwasser auszusteigen?
H. P.: Das habe ich in meinem Buch deutlich gemacht: Wir
in Deutschland haben eine ganz andere Wirtschaftsverfassung, -philosophie und -praxis mit dieser Dreiteilung der
Wirtschaft in: Genossenschaften, öffentlich-rechtlich-staatlich und privatwirtschaftliche Aktivitäten. In der Schweiz
sind diese Merkmale noch viel stärker ausgeprägt. Das ist
eine Eidgenossenschaft, eine direkte Demokratie. Ich denke,
das sind unsere Traditionen. Wir haben die humanistische
Bildung aus Preußen, wir haben die Versorgungspflicht der
Mächtigen, die Regierenden sind eigentlich die Diener des
Volkes, das sind alles gute Traditionen, es wäre gut, das wieder bewusst zu machen, denn die Leute werden ja so aufgezogen, als hätte es nie etwas anderes als den American Way
of Life gegeben. Das ist die Soft Power.
Wir aber müssten nur unsere Grundlagen reaktivieren und
ausbauen. Das kann man verknüpfen mit weltweiten alternativen Bewegungen. Es sind schon jetzt 800 Millionen Menschen, die sich aus dem marktradikalen Hamsterrad heraus-
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raum&zeit 201/2016
Angelika Fischer (M. A.), geb. 1969,
Redakteurin bei raum&zeit, hat in
München Neuere Deutsche Literaturwissenschaft studiert, ist Physiotherapeutin und Heilpraktikerin
(Psychotherapie).
gearbeitet haben und in Genossenschaften arbeiten. Wir
können Kleingruppen bilden, um uns dieser MainstreamGehirnwäsche zu widersetzen – die Nachdenkseiten haben
ja zum Beispiel dazu aufgerufen, Gesprächsgruppen zu bilden. Alleine das wäre ja in dieser heutigen gleichgeschalteten
Welt ein subversiver Akt, wenn sich fünf Leute regelmäßig
treffen, über Politik diskutieren und sich vernetzen. Ich sag‘
mal, die Transatlantiker haben uns ein bisschen was vorgemacht, wie man das mit der Vernetzung macht. Wir bräuchten im Prinzip auch Stiftungen, in denen Journalisten den
Menschen „draußen im Lande“ die wirklich wichtigen Nachrichten vermitteln.
Zum anderen gibt es in Deutschland viele Wissenschaftler,
die mit geballten Fäusten in den Taschen die Alleinherrschaft
des marktradikalen Wahnsinns beobachten müssen und die
gerne irgendwo mitmachen würden und die müsste man
jetzt vernetzen.
Weiterhin hat man ja heutzutage die Computertechnik.
Wenn zum Beispiel der Ort Jühnde bei Göttingen es geschafft
hat, sich energieautark zu machen, dann muss doch eine andere Gemeinde in Schleswig Holstein oder im Allgäu nicht
erst bei Adam und Eva anfangen, sondern kann von diesen
Erfahrungen lernen. Wir brauchen etwas, wo solche Erkenntnisse der humanen Ökonomie professionell vermittelt werden können. Man kann sich auch vorstellen, dass Bürgerkonferenzen per Skype auf einer Großbildleinwand zusammen
geschaltet werden, sodass die Bürger an verschiedenen Orten miteinander diskutieren können. Es ist im Prinzip alles
möglich, man muss nur den Kopf frei machen. Man kann
auch friedfertige Flashmobs machen, ein positives Gegenstück zu Köln, wo sich ein übler kriegerischer Flashmob versammelt hat.
Wir brauchen den Ausbau der Fantasie, dass die Menschen
miteinander reden, sich vernetzen, das was sie haben, als
Vorteil erkennen, sich nicht gemäß der antideutschen Propaganda für Deutschland schämen, sondern die positiven Ansätze energisch und konsequent umsetzen.
r&z: Aber denken Sie denn, solche positiven Strömungen
würden die Regierenden interessieren? Man sieht doch an
den Demonstrationen gegen TTIP und den Meinungsumfragen zu TTIP, dass die Elite dem Volk nicht dient.
H. P.: Die jetzige Regierung muss natürlich ausgetauscht
werden. Da kommen wir nicht drum herum. Das darf keine gewalttätige Revolution sein, man muss die Regierung
und die transatlantischen Netzwerke nur ablösen.
TTIP sollte eigentlich 2015 durchgehen. TTIP wurde jedoch offensichtlich vertagt, aber keineswegs abgepfiffen.
In derselben Zeit ist bereits das Pendant zu TTIP, nämlich
die Transpazifische Partnerschaft, von dessen Teilnehmerländern unterschrieben worden. Die Leute sollen mürbe
gemacht werden und die Agenda dann endlich schlucken.
Es liegt an uns, ob wir aus dem Zeitgewinn durch die Verzögerung des Vertragsabschlusses von TTIP etwas machen
können.
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