Päpstliche Bevormundungsaktion gewürdigt

Päpstliche
Bevormundungsaktion gewürdigt
Der Papst ist zweimal am
selben Tag Thema eines
wissenbloggt-Artikels.
Hoffentlich wird er da nicht
übermütig. Überkandidelt ist
er ja schon, wie der
Kommentar von Dennis Riehle,
dem
Sprecher
der
Humanistischen Alternative
Bodensee
(Web,
Blog),
nahelegt.
"Da soll ein
Fortschritt verkauft werden,
der in Wahrheit noch mehr bevormundet als es die Zementierung
der jahrhundertealten Traditionen ohnehin schon tut," schreibt
Riehle.
Wenn
Hochwürden
Schlafzimmer steht…
bald
schon
im
Nach der Veröffentlichung des Lehrschreibens von Papst
Franziskus gab es viel Aufschrei: Manche Kircheninitiative war
begeistert von den „Reformen“, die der Pontifex angestoßen
haben soll. Viele Kritiker sahen dagegen eher eine riesige
Enttäuschung über die minimalen Zugeständnisse an die
Ortskirchen, die nun im Einzelfall darüber entscheiden sollen,
wie mit Christen in angeblicher Sünde umgegangen werden darf.
Dazu gehören die Homosexuellen, die die katholische Kirche im
Jahr 2016 nun tatsächlich bereits als Menschen ansieht, denen
man Respekt und Würde zuzugestehen habe. Es sind aber
gleichermaßen auch die Wiederverheirateten, die durch ihre
Scheidung eigentlich jedes Recht verwirkt haben, am Sakrament
der Kommunion teilzunehmen, die im Mittelpunkt von „Amoris
Laetitia“ stehen.
Während sich gerade bei Schwulen und Lesben abzeichnete, dass
Franziskus keine revolutionären Änderungen in der katholischen
Lehre einleiten würde, wird von den deutschen Bischöfen aber
die Ermächtigung, wonach der Priester der Gemeinde künftig
selbst abwägen kann, ob er wiederverheiratete Geschiedene zur
Eucharistie zulässt, als großer Fortschritt bewertet. Man gehe
nun auf die Menschen zu, beschäftige sich mit ihren
Lebensgeschichten, wird argumentiert. Dass die Entscheidung
dagegen einen weiteren, massiven Einschnitt in die
Privatsphäre der Gläubigen bedeutet, blieb in allem
Freudentaumel der Theologen völlig unbeachtet. Bischöfe und
Kardinäle legten die Wegweisung des Papstes ganz im Sinne des
Machtbestrebens der Kirche aus, die schon bald ganz besonderes
Interesse an den alltäglichen Gewohnheiten ihrer Schäfchen
entwickeln dürfte.
Denn der Ortspfarrer möchte künftig wissen, warum eine Ehe zu
Bruch gegangen, wer der neue Liebhaber und welche Buße das
Gemeindemitglied zu tun bereit ist. Denn erst dann kann der
Abtrünnige wieder in den Kreis der Teilnahmeberechtigten am
„Leib Christi“ aufgenommen werden. Die Schuldfrage für eine
Scheidung solle geklärt werden, führte ein ranghoher
Geistlicher in seinen kommentierenden Worten aus. In
Deutschland dachte man früher auch so. Da suchten Richter
danach, wer verantwortlich für das Ehe-Aus ist, um dem
„Angeklagten“ die Scheidungskosten aufbrummen zu können. Die
Kirche macht dieses Prinzip wieder hoffähig – und untermauert
einmal mehr ihre Rückwärtsgewandtheit. Viel schlimmer aber:
Was geht sie es an, mit wem ich es im Bett treibe? Warum ich
mich getrennt habe? Und ob meine Kinder vielleicht einen
bleibenden Schaden von dem Entzweien unserer Elternschaft
davon tragen?
Um
eine
Hostie
zu
bekommen,
soll
man
sein
Intimstes
offenlegen? Das ist Erpressung – auch wenn ich mir nur schwer
vorstellen will, wie solch eine Oblate derart verlockend sein
kann, dass ich dafür einem unbekannten Mann in Gewändern mein
Herz ausschütte. Und mit der biblischen Lehre hat es schon gar
nichts zu tun. Bei Jesus musste sich niemand rechtfertigen, um
am Abendmahl teilnehmen zu können, im Gegenteil. Abseits der
Frage, wer nun Sünder ist oder nicht, waren alle eingeladen –
und gerade deshalb sind sie willkommen gewesen, weil sie alle
nicht unfehlbar waren. Gnade und Barmherzigkeit versteht sich
da nicht als das bemitleidende Herabbücken zu dem
Schuldiggewordenen, sondern Annahme eines Jeden, unabhängig
seiner Vorgeschichte. Reumütig müsse sich der Gläubige zeigen,
seine Verfehlungen aufarbeiten. Wenn meine Ehe gescheitert
ist, rede ich vielleicht mit einem Therapeuten darüber, aber
nicht mit dem Pfarrer von nebenan!
Woher nimmt
Offenlegung
sich die Kirche das
meiner Beweggründe
Recht, von mir eine
über Scheidung und
Wiederverheiratung zu verlangen? Nur, damit ich an diesem
„Heil“ aus der Verheißung eines „Auferstandenen“ teilhaben
darf? Anmaßung, das konnte Rom schon immer. Und nein, es hat
nichts mit Zugewandtheit zu den Menschen zu tun, wenn
Franziskus nun den Freifahrtsschein erteilt, wonach gerade der
im Zölibat lebende Priester den Coach für zerbrochene
Liebesbeziehungen spielen darf. Viel eher ist es der Versuch,
die Kirche noch tiefer in das Innerste der Persönlichkeit der
Mitglieder vordringen zu lassen. Da wird mit Gefühlen
gespielt, es wird mit der Rückkehr in die Gemeinschaft
gelockt, während die Bedingung gestellt bleibt, sich emotional
zu entblößen. Für mich hat das bereits sektenhafte Züge. Was
ist das für ein Menschenbild, jemanden in einer
gesellschaftlich leider noch immer oftmals verpönten Situation
noch damit zu gängeln, sozialen Halt nur im Gegenzug zur
moralischen Selbstbestrafung zu gewähren?
Früher zahlte man seine Taler, um die Sünden loszuwerden.
Heute verkauft man seine ganze Seele an die Kirche, um wieder
dazugehören zu dürfen. Da will sie wissen, ob wir auch keinen
Geschlechtsverkehr vor der Ehe haben, ob wir unzulässigerweise
verhüten, ob wir auch ausreichend Kinder in die Welt setzen,
nach dem Versprechen auf ewige Treue auch bis zum Lebensende
zusammenbleiben – und wenn nicht, wer von beiden den Partner
und die Kinder sitzen ließ, in wen man sich neuerlich verguckt
hat und ob man in der zweiten Ehe auch weiterhin bereut und
Selbstgeißelung dafür verübt, die erste Beziehung leichtfertig
aufs Spiel gesetzt zu haben. Denn dass es tatsächlich Gründe
geben mag, eine Zweisamkeit zu beenden, ist für die Kirche
eigentlich unvorstellbar. Einmal versprochen, nie mehr
gebrochen. Denn ob bei Enthaltsamkeit, Familienführung und JaWort – die Erwartungen der selbsternannten Instanz in Sachen
Lebensfragen sind idealisiert, haben mit dem Menschsein aber
nichts zu tun. Wie fernab ihr normatives Mahnen vom Lebemann
aus der „Heiligen Schrift“ ist, gesteht sie natürlich nicht
ein.
Rom macht es eigentlich alles noch schlimmer: Da soll ein
Fortschritt verkauft werden, der in Wahrheit noch mehr
bevormundet als es die Zementierung der jahrhundertealten
Traditionen ohnehin schon tut. Nein, auch Franziskus will
keinen Wandel. Die Abgabe von Kompetenzen an die Kirchen vor
Ort ist ein Ausdruck seiner Hilflosigkeit, umwandert zu sein
von einer erzkonservativen Lobby, die es selbst dem Oberhaupt
der Katholiken nicht erlaubt, eigenmächtig zu handeln und
vielleicht tatsächlich einmal aufzuräumen mit beweihräucherten
Dogmen früher Zeiten. Dass die Entfremdung von den Gläubigen
wächst, ist hierbei keine wirkliche Neuigkeit. Vielleicht
eher, dass nun auch diejenigen Gläubigen ins Grübeln kommen
könnten, die bisher noch aus schlechtem Gewissen in den Reihen
des Hirten verblieben – weil „man“ eben schon seit Urzeiten
zur Kirche gehört. Denn wer möchte tatsächlich, dass
irgendwann Hochwürden höchstpersönlich zu „Big Brother“ im
heimischen Schlafzimmer mutiert?
Dennis Riehle, Sprecher
Humanistische Alternative Bodensee
humanistischer Zusammenschluss
(HABO)
Säkular-