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BMZ – Afrikapolitik:
Neue Herausforderungen
und Akzente
BMZ-PAPIER 4 | 2016
STRATEGIEPAPIER
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BMZ-PAPIER 4 | 2016
BMZ – AFRIKAPOLITIK: NEUE HERAUSFORDERUNGEN UND AKZENTE
Inhalt
ZUSAMMENFASSUNG
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NEUE HERAUSFORDERUNGEN UND AKZENTE
4
1.
KRISENLÄNDER IN SUBSAHARA-AFRIKA UND DIE AFRIKANISCHE UNION
GEZIELT UNTERSTÜTZEN
7
2.
WIRTSCHAFT STÄRKEN – WIRTSCHAFTSRAUM NORDAFRIKA
8
3.
FOKUS AUF BERUFSAUSBILDUNG UND BESCHÄFTIGUNG
(‚SKILLS INITIATIVE FOR AFRICA‘)
9
4.
PARTNERSCHAFT FÜR ERNEUERBARE ENERGIEN, KLIMARISIKOVERSICHERUNG
UND WALDSCHUTZ
10
5.
INTENSIVIERUNG UNSERER ZUSAMMENARBEIT MIT DER
DEUTSCHEN WIRTSCHAFT
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BMZ-PAPIER 4 | 2016
BMZ – AFRIKAPOLITIK: NEUE HERAUSFORDERUNGEN UND AKZENTE
Zusammenfassung
„Afrika auf dem Weg vom Krisen- zum Chancenkontinent“ – der Titel des ersten Afrikapapiers von
Anfang 2014 bleibt aktuell. Eine Welt ohne Hunger ist
möglich, weil auch Afrika sich selbst ernähren kann.
Auch dass wir die Schaffung neuer Perspektiven für
Afrikas Jugend, die Vorbeugung von Flucht und Vertreibung und eine bessere Gesundheitsversorgung
in den Mittelpunkt unserer Arbeit gestellt haben, hat
sich als richtig und vorausschauend erwiesen.
Wir wollen unsere Afrikapolitik jetzt noch
weiter schärfen und an aktuelle Entwicklungen
anpassen – insbesondere mit Blick auf Flucht
und Migration, die die neuen weltweiten
Nachhaltigkeitsziele (SDG) und internationalen
Klimabeschlüsse sowie eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. In folgenden
Bereichen werden wir daher neue Maßnahmen
ergreifen:
1.
Krisenländer in Subsahara-Afrika und die Afrikanische Union gezielt unterstützen
Durch eine regionale Schwerpunktsetzung auf 6 wichtige Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländer in Subsahara-Afrika wollen wir die Situation dort stabilisieren und neue Perspektiven für die
Flüchtlinge und für die vor Ort ansässige Bevölkerung schaffen.
2.
Wirtschaft stärken – Wirtschaftsraum Nordafrika
Nordafrika kommt eine Schlüsselrolle bei der Schaffung wirtschaftlicher Perspektiven vor den
Toren Europas zu. Wir werden unser Engagement weiter verstärken, um die Bedingungen für mehr
Investitionen und Arbeitsplätze zu verbessern.
3.
Fokus auf Berufsausbildung und Beschäftigung: „Skills Initiative for Africa“
Mit der Ausbildungsinitiative für Afrika wollen wir mit der Afrikanischen Union (AU) und der
Privatwirtschaft die Voraussetzungen für Beschäftigung und Einkommen für junge Menschen in
Afrika verbessern und damit auch möglichen Ursachen von Flucht und Migration vorbeugen.
4.
Partnerschaft für erneuerbare Energien, Klimarisikoversicherung und Waldschutz
Energie ist Schlüsselfaktor für eine tragfähige Entwicklung. Im Rahmen der Initiative für Erneuerbare Energien in Afrika werden wir unser Engagement maßgeblich erhöhen, u. a. bei der grenzüberschreitenden Stromüber tragung und der Hebelung privater Investitionen. Versicherungen sollen
helfen, Menschen gegenüber Klimarisiken abzusichern.
5.
Intensivierung unserer Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft
Wir werden u. a. neue Beratungsnetzwerke etablieren, Entwicklungspartnerschaften ausbauen
und die Strategische Partnerschaft Digitales Afrika umsetzen.
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BMZ – AFRIKAPOLITIK: NEUE HERAUSFORDERUNGEN UND AKZENTE
Neue Herausforderungen und Akzente
„Afrika auf dem Weg vom Krisen- zum Chancenkontinent“ – der Titel des ersten Afrikapapiers von
Anfang 2014 bleibt aktuell. Eine Welt ohne Hunger
ist möglich, weil auch Afrika sich selbst ernähren
kann. Aber Entwicklungszusammenarbeit muss noch
stärker als schon vor zwei Jahren formuliert dazu
beitragen, die Ursachen von Flucht und Vertreibung
dauerhaft zu beseitigen, damit die Chancen genutzt
und die Krisen weniger werden. Vor allem die vielen
jungen Menschen müssen für sich selbst Perspektiven in ihren Heimatländern erkennen und ergreifen
können.
Es liegt im Interesse Deutschlands und Europas,
dass es Afrika gut geht. Viel mehr und viel größere
Wachstumszonen und Prosperität müssen dafür
sorgen, damit der Ausweg aus der Perspektivlosigkeit nicht in Europa sondern auf dem afrikanischen
Nachbarkontinent gesehen wird.
Die Voraussetzungen dazu können die Afrikanerinnen
und Afrikaner nur selbst schaffen. Ohne verantwortungsvolle und transparente Regierungsführung und
echtes Interesse für das Wohlergehen der eigenen
Bevölkerung und den Schutz elementarer Menschenrechte werden Fluchtursachen nicht geringer werden.
Wir wollen echte Partnerschaften leben – von der
höchsten Ebene bis zu ganz normalen Kontakten von
einzelnen Menschen aus Europa und afrikanischen
Ländern. Sich besser verstehen zu lernen kommt entscheidende Bedeutung zu. Dazu gehört, das Lebensumfeld von Menschen zu kennen, um nicht mit den
eigenen Konzepten die falschen Anreize zu setzen,
sondern um zu einem breitenwirksamen Wachstum
für viele beizutragen. Geprägt wird das Umfeld der
Menschen durch ihre Kultur, Religion und Weltanschauung. Diese Tatsache wollen wir auch in unserer
Zusammenarbeit mit Afrika stärker berücksichtigen.
Um sich gegenseitig nicht zu überfordern braucht es
Geduld und Ehrlichkeit auf beiden Seiten.
Dazu gehört auch deutlich zu sagen, wofür man einsteht. Bei aller Berücksichtigung kultureller Vielfalt
und traditioneller Besonderheiten sind elementare
Menschenrechte universell gültig und mit uns nicht
verhandelbar. Die Würde jedes einzelnen Menschen
zu achten und zu schützen ist in Europa wie in Afrika
Aufgabe aller staatlichen Gewalt und muss für alle
gelten, gleich wo sie sich aufhalten, woher sie kommen
oder wohin sie gehen.
Wir werden die vielfältigen Partnerschaften in den
Bereichen von Wirtschaft, Schulen, Universitäten,
Kultur und Kommunen, des Sports und der Religionsgemeinschaften fortführen. Wir werden weiter Ausund Weiterbildung fördern und neben der staatlichen
Entwicklungszusammenarbeit direkt mit Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und politischen
Stiftungen Angebote für ein besseres Leben in Afrika
unterbreiten.
Europa und Afrika haben bei der Verabschiedung
der weltweiten Ziele für nachhaltige Entwicklung
(SDG) im September 2015 bei den Vereinten Nationen
in New York gut zusammengearbeitet. Diese SDGs
konnten im sog. Weltzukunftsvertrag (Agenda 2030)
zur nachhaltigen Entwicklung festgeschrieben werden. Der Weltzukunftsvertrag ist seit Anfang 2016
unser gemeinsamer Orientierungsrahmen mit weltweiter Geltung und leitet uns wie ein Kompass. Wir
wollen afrikanische Staaten, die bei der Umsetzung
vorangehen, besonders fördern. Auch auf der Klimakonferenz COP21 in Paris sind verbindliche Grundlagen für eine klimafreundliche und klimasichere
nachhaltige Entwicklung weltweit beschlossen worden. Die Umsetzung der SDGs und der Klimaschutzbeiträge der Länder zum neuen Klima-Abkommen
hat schon begonnen und muss verstärkt in der Entwicklungsagenda in Deutschland und in Afrika und
damit auch in der Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Afrika berücksichtigt
werden. Eine Versorgung der Bevölkerung mit
Strom aus erneuerbaren Quellen hatte schon durch
die Beschlüsse beim G7 Gipfel auf Schloss Elmau im
Rahmen der Initiative für Erneuerbare Energien
in Afrika neue Unterstützung erfahren, wie auch
der weitere Ausbau des afrikanischen Klimarisikoversicherungspools „African Risk Capacity“.
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Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist in
allen hier genannten Punkten gut aufgestellt. Sie
kann aber auch noch besser werden, das heißt, wirksamer, kostengünstiger und partnerorientierter.
Hierbei setzen wir nicht zuletzt auf die Nutzung der
neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und eine Strategische Partnerschaft mit
der Wirtschaft für ein Digitales Afrika. Damit leisten
wir einen wesentlichen Beitrag zur Digitalen Agenda
der Bundesregierung.
Eng verbunden damit ist der Schwerpunkt Gute
Regierungsführung, der im Zentrum deutscher Entwicklungszusammenarbeit bleibt. Hierbei geht es
um die Stärkung demokratischer Strukturen, der
Informations- und Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, die Stärkung öffentlicher Finanzsysteme
und Korruptionsbekämpfung. Hinzu kommt die
verstärkte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft.
Neue Initiativen zusammen mit dem Privatsektor in
Afrika und in Deutschland sollen für mehr Arbeitsplätze und selbsttragendes Wirtschaftswachstum
sorgen. Berufsbildung soll in Zusammenarbeit mit
der Afrikanischen Union und NEPAD und in enger
Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft
einen Markenkern deutscher Entwicklungszusammenarbeit bilden. Wir verbinden damit ein in weiten
Teilen der Welt traditionelles Deutschlandbild mit
den aktuellen Herausforderungen und bereichern
unsere eigene Kommunikation im Ausland um eine
wesentliche Facette.
Die Ebola-Epidemie in Teilen Westafrikas hat gezeigt,
wie wichtig die Stärkung der Gesundheitssysteme
ist. Armutsbedingte Krankheiten, Mangelernährung
und fehlende Schulbildung sind schon im ersten
Lebensjahrzehnt ursächlich für eingeschränkte
Lebensperspektiven im späteren Leben. Erfolgreiche
Entwicklungszusammenarbeit darf diesen Zusammenhang nicht aus den Augen verlieren.
Kriege und Bürgerkriege zu verhindern und zu beenden, keine korrupten und verantwortungslosen
Regierungen zu unterstützen, die Folgen von
Naturkatastrophen und Klimawandel zu lindern
und Krisen, wo immer möglich, vorzubeugen hilft,
die akuten Ursachen von Flucht und Vertreibung
zu beseitigen. All das bewirkt aber wenig bezogen auf
die Verringerung des Migrationsdrucks durch die
Menschen, die sich auf den Weg nach Europa machen
in ein vermeintlich besseres Leben. Das hohe Bevölkerungswachstum wird den Migrationsdruck in
Zukunft voraussichtlich noch verstärken. Erforderlich ist vor allem die Schaffung dauerhafter Einkommensmöglichkeiten für die vielen jungen Menschen
in Afrika. Deshalb muss massiv in die Schaffung
ökonomischer Entwicklungsperspektiven investiert
und Bevölkerungspolitik in unseren Dialog mit unseren afrikanischen Partnern aufgenommen werden.
Wirtschaftswachstum, Industriearbeitsplätze und
vor allem arbeitsintensive Infrastrukturmaßnahmen und Wiederaufforstungsprojekte werden zu
Kernanliegen der Entwicklungszusammenarbeit.
Den nordafrikanischen Staaten kommt hierbei eine
Schlüsselrolle zu. Wachstum für Nordafrika muss
als ein im europäischen Wirtschaftsinteresse liegendes Programm der EU verstanden werden.
Der Valletta-Gipfel zu Migration im November 2015
war der Beginn eines dauerhaften Prozesses zur
Umsetzung des beschlossenen Aktionsplans. Der neu
eingerichtete EU-Trust Fund zur Fluchtursachenbekämpfung zielt auf wirtschaftliche Entwicklung
und die Schaffung von Arbeitsplätzen, auf Ernährungssicherung, verbessertes Migrationsmanagement und eine Verbesserung der Regierungsführung
in afrikanischen Herkunfts- und Transitländern ab.
Wir werden die Umsetzung des Fonds aktiv mitgestalten, insbesondere in den Bereichen Migrationsmanagement, berufliche Bildung, Beschäftigungsförderung.
Derzeit kommen aus afrikanischen Ländern im
Vergleich zu anderen Regionen relativ wenige
Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland und
in die EU. In Deutschland wurden 2015 rund 12 %
aller Asylanträge von Menschen aus afrikanischen
Ländern gestellt. Doch diese Zahlen sagen wenig
von den zu erwartenden Wanderungsbewegungen
von Afrika nach Europa, weil selbst ein vorbildliches
Wirtschaftswachstum nur zum Teil Schritt halten
kann mit dem prognostizierten Bevölkerungswachstum. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Bevölkerung
Afrikas voraussichtlich von derzeit 1,2 Milliarden auf
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2,5 Milliarden Menschen mehr als verdoppeln. Auch
der Klimawandel wird den Druck auf natürliche
Ressourcen und damit auf die Lebensgrundlagen in
Subsahara-Afrika weiter erhöhen.
Aktuell lebt die große Mehrheit der 15 Millionen
afrikanischen Flüchtlinge – etwa 12 Millionen –
vertrieben im eigenen Land („Binnenvertriebene“)
und in angrenzenden Ländern des Herkunftslandes.
Afrikanische Staaten sind dementsprechend nicht
nur Herkunfts-, sondern auch Transit- und Aufnahmeländer, was enorme Belastungen für diese
oft sehr armen Länder darstellt. Allein in Nigeria
leben heute über zwei Millionen Binnenflüchtlinge,
die vor dem Terror von Boko Haram geflohen sind,
und knapp 180.000 nigerianische Flüchtlinge in
den angrenzenden Ländern Kamerun, Tschad und
Niger. Der Klimawandel verstärkt diesen Druck noch
weiter. Um Flüchtlingen in Afrika zu helfen und
Fluchtursachen zu bekämpfen sind nicht nur von
der Entwicklungspolitik, sondern von der gesamten
Bundesregierung sowie von der internationalen
Gemeinschaft neue Antworten nötig. Wir brauchen
einen vernetzten Ansatz, indem wir unsere Entwicklungspolitik besser mit Innen-, Außen-, Außenwirtschafts-, Agar- und Sicherheitspolitik verzahnen.
Vor allem in fragilen Staaten muss sich die Entwicklungszusammenarbeit auf sicherheitsrelevante
Themen ausrichten: Minderung von Konfliktursachen, Förderung friedlicher Konfliktbeilegung
sowie Konfliktprävention. Die Afrikanische Union
und die regionalen Wirtschaftsgemeinschaften übernehmen hier – mit Unterstützung unserer Entwicklungspolitik für die zivilen Komponenten – große
Verantwortung. Im Rahmen der sog. Afrikanischen
Friedens- und Sicherheitsarchitektur entwickeln
sie Instrumente der Krisenprävention und ergreifen
konkrete Maßnahmen zur Stabilisierung, Friedenssicherung und zum Wiederaufbau nach Konflikten.
In den letzten Jahren haben die AU und die Regionalorganisationen bereits auf die Hälfte aller neuen
Konflikte mit Mitteln der Diplomatie, Mediation
und durch Friedensmissionen reagiert, was auch im
Vergleich zu anderen Regionen Anerkennung verdient.
Mit unserer Unterstützung der afrikanischen Sicherheitskonferenz (Tana High-Level Forum on Security
in Africa) werden wir den Austausch zwischen politischen Entscheidungsträgern weiter fördern.
Die Anfang 2014 vom BMZ definierten Schwerpunktbereiche für die entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit Afrika sind auch heute aktuell:
→
„Gewalt, Flucht und Vertreibung vorbeugen“
→
„Neue Perspektiven für Afrikas Jugend
schaffen: Ausbildung, Wirtschafts- und
Beschäftigungsförderung“
→
„Verbesserung der Gesundheit“
→
„Afrika kann sich selbst ernähren“
→
„Vielfältige Partnerschaften auf einem
vielfältigen Kontinent“
In diesen Schlüsselbereichen haben wir mit unseren
afrikanischen Partnern inzwischen über 50 neue,
teilweise sehr groß angelegte Initiativen begonnen.
Dazu gehören die zehn Grünen Innovationszentren in Afrika und die neue Deutsch-Afrikanische
Jugendinitiative. Das erklärte Ziel, mindestens
100 Mio. Euro zusätzlich für Afrika als Schwerpunktkontinent zuzusagen, konnte weit übertroffen
werden. Allein die Länder-Zusagen betrugen 2015
ca. 1.660 Mio. Euro im Vergleich zu 1.250 Mio. Euro
im Jahr 2013 und 1.500 Mio. Euro 2014. Aus den neuen
Sonderinitiativen EINEWELT ohne Hunger, Flucht
und Migration, Stabilisierung und Entwicklung in
Nordafrika/Nahost sowie aus der Klimatechnologieinitiative DKTI kamen zusätzliche 414 Mio. Euro.
In den kommenden zwei Jahren werden wir unsere
Afrikapolitik weiter akzentuieren und um konkrete
Maßnahmen in folgenden Bereichen ergänzen.
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1. Krisenländer in Subsahara-Afrika und die AU
gezielt unterstützen
Durch eine regionale Schwerpunktsetzung auf
sechs wichtige Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländer in Subsahara-Afrika wollen wir die Situation dort stabilisieren und neue Perspektiven für
die Flüchtlinge, aber auch für die vor Ort ansässige
Bevölkerung schaffen. Diese Fokusländer sind
Äthiopien, Somalia, Eritrea, Kenia, der Sudan und
Nigeria. Je nach Problemlage werden wir in den
Fokusländern Unterstützung leisten bei der Versorgung und Integration von Flüchtlingen und
Binnenvertriebenen (kurzfristig), bei beruflicher
Bildung und Beschäftigungsschaffung (mittelfristig), beim Aufbau der wirtschaftlichen und
sozialen Infrastruktur und bei der Stärkung demokratischer Strukturen, der Menschenrechte und
guter Regierungsführung (langfristig). Um Konflikte zwischen Flüchtlingen und aufnehmenden
Gemeinden zu mindern, kommen unsere Maßnahmen immer beiden Bevölkerungsgruppen zugute.
Der grenzüberschreitende Charakter von Flucht
und Migration macht zudem regionale Politikansätze erforderlich. Die Afrikanische Union (AU)
als panafrikanische Institution ist hier neben den
Regionalorganisationen wichtiger politischer Akteur.
Wir unterstützen die AU in den Bereich Frieden und
Sicherheit, Regionale Wirtschaftliche Integration
und Gute Regierungsführung. Künftig werden wir
die Zusammenarbeit zusätzlich auf Flucht und Migration ausweiten.
Basisinfrastruktur und mit Maßnahmen im
Bereich beruflicher Bildung unterstützen.
→
In Kenia und Äthiopien planen wir eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft
zu beruflicher Bildung und Beschäftigungsförderung. In Kenia stärken wir den Staat durch
eine Zusammenarbeit in der Korruptionsbekämpfung.
→
In Eritrea prüfen wir u. a., wie wir mit den Kirchen und zivilgesellschaftlichen Organisationen die Lebenssituation der Menschen verbessern können. Ansatzpunkt in Eritrea ist u. a.
die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für aus
dem Nationalen Dienst entlassene junge Menschen. Wir fordern von Eritrea Fortschritte im
Bereich der Menschenrechte als Basis für unsere
Zusammenarbeit ein.
→
Im Sudan werden wir eritreische Flüchtlinge
und Aufnahmegemeinden im Osten des Landes
mit Maßnahmen der beruflichen Bildung und
Dürreresilienz unterstützen. Dadurch wollen
wir den Flüchtlingen neue Perspektiven für ein
Leben in Sudan eröffnen.
→
In Somalia werden wir Möglichkeiten zur freiwilligen Rückkehr von in Nachbarstaaten lebenden somalischen Flüchtlingen unterstützen und
in den Aufbau städtischer Wasserversorgung
und des Gesundheitswesens sowie in die Verbesserung der Ernährungssituation investieren.
→
In Nigeria werden wir ein Neuvorhaben zur
Unterstützung Binnenvertriebener und von
Aufnahmegemeinden fördern. Wir werden
gleichzeitig die Förderung nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung, beruflicher Bildung und
Beschäftigung sowie nachhaltiger Energien
als Basis der wirtschaftlichen Entwicklung
fortsetzen.
WAS HEISST DAS KONKRET?
→
Kurzfristig werden wir UNICEF stärker bei
Ernährungssicherung, beruflicher Bildung und
Beschäftigungsförderung am Horn von Afrika
unterstützen.
→
In Äthiopien werden wir verstärkt bei der
Versorgung von Flüchtlingen und aufnehmenden Gemeinden mit dringend erforderlicher
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→
AU-Beratungsfonds Flucht und Migration: Zur
Beratung der AU in Flucht- und Migrationsfragen stellt das BMZ Mittel für einen speziellen
Beratungsfonds bereit. Die AU soll dabei unterstützt werden, ihr Mandat im Bereich Migration
und Flucht wahrzunehmen – insb. bei der Umsetzung des Aktionsplans Flucht und Migration,
den EU und AU beim Valletta-Gipfel 2015 vereinbart haben. Auch die anderen regionalen
Organisationen (u. a. EAC und ECOWAS) sollen
einbezogen werden.
→
In unserer Zusammenarbeit mit fragilen
Staaten müssen zukünftig ausnahmslos alle
Vorhaben und Länderstrategien von der Planung bis zur Umsetzung gezielt zu Konfliktprävention, Konfliktbearbeitung und Friedensförderung beitragen.
2. Wirtschaftsraum Nordafrika stärken
Nordafrika liegt direkt vor unserer Haustür. Als Teil
unseres Nachbarkontinents entwickeln sich die nordafrikanischen Staaten zunehmend von Herkunftszu Transit- und Aufnahmeländern im Kontext von
Flucht und Migration. Gleichzeitig steht die Region
in enger Verbindung zum Nahen Osten, mit dem
sie gemeinsame Herausforderungen teilt: niedriges
Wirtschaftswachstum, eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, Menschenrechtsverletzungen und vielerorts
auch eine instabile Sicherheitslage.
Im Kontext von Flucht und Migration muss eine
Verstärkung der politischen und wirtschaftlichen
Beziehungen zu Nordafrika politisch im Zusammenhang mit Nahost und als Teil des Mittelmeerraums
europäisch gedacht werden. Zentral ist dabei auch
eine erhebliche Verbesserung der regionalen Integration Nordafrikas durch die nordafrikanischen Staaten selbst.
Entwicklungspolitik trägt zum wirtschaftlichen
und politischen Strukturwandel Nordafrikas,
zur Stabilisierung und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in der Region bei. Ziel des BMZEngagements ist es, die Bedingungen für mehr
Investitionen und Arbeitsplätze zu verbessern.
Dies verfolgt das BMZ im Rahmen einer eigenen
Strategie für die Region Nordafrika/Nahost
(MENA).
WAS HEISST DAS KONKRET?
→
Wir haben 2015 ein Infrastrukturprogramm
für Nordafrika aufgelegt, in dessen Rahmen
wir z. B. Investitions- und Ausbildungsprogramme zur Beschäftigungsförderung durchführen.
Wir haben den G7-MENA Transition Fund zur
Förderung wirtschaftlicher Reformen und guter
Regierungsführung unter deutschem Vorsitz
im G7-Präsidentschaftsjahr ausgebaut, und auch
auf die Unterstützung kleiner und mittlerer
Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen
ausgerichtet.
→
Wir setzen seit 2014 die BMZ-Sonderinitiative Stabilisierung und Entwicklung in Nordafrika/Nahost um. Kernthemen sind u. a.
Beschäftigungsförderung, berufliche Bildung
und Wirtschaftsentwicklung.
→
Wir stocken den sog. SANAD-Fonds (arabisch:
„Hilfe“) zur Finanzierung von Investitionen
kleinster, kleiner und mittlerer Unternehmen
kontinuierlich auf.
→
Wir bauen die Programme zur nachhaltigen
Wirtschaftsentwicklung in Tunesien, Marokko
und Ägypten aus. Z. B. Bündnis für Arbeit in
Tunesien zur Beschäftigungs- und Ausbildungs-
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offensive in Zusammenarbeit mit Regierung,
Unternehmen und Zivilgesellschaft.
→
→
Wir werden im Rahmen des EU Trust Funds zur
Fluchtursachenbekämpfung Maßnahmen zum
Migrationsmanagement durchführen.
Wir unterstützen die Reintegration aus
Deutschland zurückkehrender Migrantinnen
und Migranten in Tunesien durch Maßnahmen
zur Qualifizierung und Existenzgründungsberatung.
3. Fokus auf Berufsausbildung und Beschäftigung
(‚Skills Initiative for Africa‘)
Die Ausbildungsinitiative für Afrika (Skills Initiative
for Africa) soll einen effektiven Beitrag zur Schaffung
neuer Perspektiven durch mehr Beschäftigung und
Einkommen für junge Menschen in Afrika leisten
und damit auch möglichen Ursachen von Flucht und
Migration vorbeugen. Sie setzt auf regionaler Ebene
bzw. länderübergreifend und parallel in einzelnen
Partnerländern an. Der Zusammenarbeit mit dem
Privatsektor kommt eine besonders wichtige Rolle
zu, auch weil so die Verbindung mit tatsächlichen
Beschäftigungsmöglichkeiten sichergestellt werden
kann.
→
Wir werden die berufliche Bildung in der
Landwirtschaft mit NEPAD von sechs auf
12 Länder ausweiten und ein neues Berufsbildungsprogramm mit Fokus auf Frauen und
Unternehmensgründerinnen in der Landwirtschaft beginnen.
→
Wir werden unsere bilaterale Zusammenarbeit
im Bereich der beruflichen Bildung (derzeit
Aktivitäten in über 18 afrikanischen Ländern)
aufstocken, u. a. über die Grünen Innovationszentren sowie die Berufsbildungspartnerschaften mit der Wirtschaft (zehn weitere Partnerschaften).
→
Das Vorhaben „Employment for Development“
zur Schaffung von Anreizen zur Beschäftigungsschaffung im Privatsektor wird auf weitere
Länder ausgeweitet.
WAS HEISST DAS KONKRET?
→
Kern der Ausbildungsinitiative ist ein überregionales Neuvorhaben zu beruflicher Bildung
mit der Afrikanischen Union (AU/NEPAD).
Öffentliche und private Stellen in ausgewählten
Ländern können sich um die Finanzierung von
Berufsbildungs- und beschäftigungsfördernden Maßnahmen bewerben. Gefördert werden
sollen u. a. der Ausbau von Ausbildungszentren,
Leistungen zur Arbeitsvermittlung und konkrete Lernmöglichkeiten in Unternehmen. Auf
Frauen zugeschnittene Angebote sollen besonders gefördert werden. Andere Geber, wie z. B.
EU Mitgliedstaaten bzw. die EU (z. B. über den
EU Trust-Fund) oder die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) können sich beteiligen.
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4. Partnerschaft erneuerbare Energien,
Klimarisikoversicherung und Waldschutz
Die Afrikanische Union und die G7-Staaten haben
beim G7-Gipfel in Elmau 2015 eine neue Initiative
für Erneuerbare Energien in Afrika vereinbart
(Africa Renewable Energy Initiative). Die Initiative
zielt auf die massive Erhöhung des Zugangs zu
Energie und eine kohlenstoffarme Entwicklungsstrategie ab (Ausbauziele: 10 Gigawatt Erneuerbare
bis 2020 und perspektivisch 300 Gigawatt bis 2030).
Dies ist ein wesentlicher Beitrag zur Erfüllung der
Klimabeschlüsse von Paris. Hierzu gehört auch
das Engagement bei der Klimarisikoversicherung
sowie bei einer Afrika-weiten Initiative zur Wiederherstellung von 100 Mio. Hektar Waldlandschaften
bis 2030.
Energie ist Schlüsselfaktor für eine tragfähige wirtschaftliche und soziale Entwicklung und schafft
Beschäftigung und Einkommen. Eine grenzüberschreitende, regionale Zusammenarbeit im Bereich
Energie ist auch ein wirksames Instrument, das zu
Frieden und Sicherheit beitragen kann. Durch Investitionen in Energieversorgung werden so auch
Fluchtursachen und Migration direkt und indirekt
eingedämmt.
→
Hebelung privater Investitionen/Süd-SüdKooperation: Gemeinsam mit anderen Gebern
werden wir Modelle zur Unterstützung privater
Investitionen in erneuerbare Energien durch
Verbesserung der regulatorischen Rahmenbedingungen und Risikogarantien auf weitere
Partnerländer ausweiten (Partner u. a. Südafrika,
Sambia, Uganda).
→
Unsere Unterstützung der Energiewende in
Marokko werden wir gemeinsam mit anderen
Gebern fortsetzen (u. a. weltweit größtes Solarkraftwerk in Ouarzazate).
→
Ausbau der Partnerschaft Energie für Entwicklung (Energising Development): Über diesen
multi-Geber-Ansatz fördern wir ländliche
Elektrifizierung, die Effizienz von Kochtechniken, Energieversorgung sozialer Infrastruktur
und die produktive Nutzung von Energie durch
kleine/mittelständische Betriebe.
→
Klimarisikoversicherung (G7-Initiative): Bis
2020 sollen in Afrika mindestens 200 Millionen
Menschen versichert werden – damit werden
direkt Fluchtursachen bekämpft. Unser Beitrag
zur African Risk Capacity beträgt rd. 100 Mio.
Euro. Zudem sollen Agrarversicherungen Ernteausfallrisiken abdecken.
→
Schutz und Wiederherstellung von Waldlandschaften: Mit der Initiative AFR100 sollen in
Partnerschaft u. a. mit der AU und NEPAD bis
2030 100 Mio. Hektar degradierter Flächen
mit Wald und baumreichen produktiven Landschaften wiederhergestellt werden. Die afrikanischen Länder werden so bei der Umsetzung
Ihrer nationalen Beiträge zum Pariser Klimaabkommen unterstützt, produktivere Landschaften vermindern gleichzeitig den Abwanderungsdruck.
Das BMZ leistet mit 3 Mrd. USD bis 2020 einen wesentlichen Beitrag zu den insgesamt in Paris zugesagten
10 Mrd. USD für die Initiative für Erneuerbare Energien in Afrika.
WAS HEISST DAS KONKRET?
→
Grenzüberschreitende Stromübertragung:
Wir werden den Ausbau der westafrikanischen
und südafrikanischen Stromverbundnetze
in großem Ausmaß fördern, wie auch die Verbindung nationaler Elektrizitätssysteme zu
regionalen Stromverbünden beim grenzüberschreitenden Fluss Ruzizi/Burundi, Rwanda,
DR Kongo.
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5. Intensivierung unserer Zusammenarbeit mit
der deutschen Wirtschaft
Ohne wirtschaftliche Entwicklung scheitert die
Entwicklung Afrikas. Nachhaltige Investitionen
durch Unternehmen in Afrika, von denen insbesondere die Menschen in Armut profitieren, sind
nötig. Sie sollen stärker und in vielfältiger Weise
unterstützt und begleitet werden. Durch neue
Arbeitsplätze und Einkommensmöglichkeiten
entstehen neue Lebensperspektiven für die Menschen in Afrika. Wir werden unsere Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft in Afrika
intensivieren.
WAS HEISST DAS KONKRET?
→
Wir werden das Beratungsnetzwerk für die
Wirtschaft in Afrika ausbauen (Unterstützung
von Auslandshandelskammern durch CIMExperten, Aufbau eines Service-Netzwerkes).
→
Wir werden mit der Wirtschaft branchenspezifische Lösungen entwickeln, z. B. in der Umwelttechnologie, unterstützt durch Mittel aus
dem Green Climate Fund.
→
Wir werden neue Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft im Rahmen des
Forums Nachhaltiger Kakao und des Bündnisses für nachhaltige Textilien auflegen und
Partnerschaften im Bereich weiterer nachhaltiger Lieferketten beginnen (z. B. Gründung
des Aktionsbündnisses für nachhaltige
Bananen).
→
Im Rahmen der Strategischen Partnerschaft
Digitales Afrika werden wir Unternehmen zu
sechs Ideenwettbewerben („Lab of Tomorrow“)
einladen, bei denen wir gemeinsam mit unseren
Partnerländern digitale Lösungen für konkrete
Entwicklungsprobleme entwickeln und in der
Folge umsetzen wollen.
→
Nordafrika – Wirtschaftspartnerschaften:
Wir werden die entwicklungspolitische Flankierung der Investitionen deutscher Unternehmen in Nordafrika verstärken. Derzeit laufen
18 develoPPP.de-Projekte in Ägypten, Tunesien
und Marokko.
→
Mehr Hermes für Afrika: Wir werden uns für
eine Erweiterung der Deckungsmöglichkeiten
für deutsche Exporte (Hermes-Deckungen)
auf weitere afrikanische Länder und für verbesserte Deckungskonditionen für Unternehmen
einsetzen.
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Impressum
HERAUSGEBER
Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ),
Referat Öffentlichkeitsarbeit, digitale
Kommunikation und Besucherdienst
REDAKTION
BMZ, Referat 200, Grundsatzfragen der
entwicklungspolitischen Zusammenarbeit
mit Afrika; Afrikanische Union
GESTALTUNG
MediaCompany - Agentur für Kommunikation GmbH
STAND
April 2016
DIENSTSITZE
→ BMZ Bonn
Dahlmannstraße 4
53113 Bonn
Tel. +49 (0) 228 99 535 - 0
Fax +49 (0) 228 99 535 - 3500
→ BMZ Berlin im Europahaus
Stresemannstraße 94
10963 Berlin
Tel. +49 (0) 30 18 535 - 0
Fax +49 (0) 30 18 535 - 2501
KONTAKT
[email protected]
www.bmz.de