Mehr – magis - Sozialpädagogische Impulse

Ausbildungsprofil
Karin Erhart-Auner & Margret Hofmann
Mehr – magis
D
as Kolleg für Sozialpädagogik
wurde 1990 in enger Kooperation mit der damaligen Pädagogischen Akademie der Diözese
Graz-Seckau in privater Trägerschaft
errichtet. Die Ausbildung richtet sich
an MaturantInnen und endet mit einer Diplomprüfung. In Österreich
können an Kollegs die berufsspezifischen Kompetenzen berufsbildender
höherer Schulen erworben werden,
während an fünfjährigen Langformen
auch die allgemein bildenden Inhalte
unterrichtet werden.
Ausbildungsprofil
In einem vom Bundesministerium initiierten Qualitätsentwicklungsprozess
werden Schulen darin unterstützt, ein
Ausbildungsprofil zu entwickeln. Das
Ausbildungsprofil der Sozialpädagogik ist gekennzeichnet durch:
• den Erwerb sozialpädagogischer
Handlungskompetenzen,
• die Entwicklung einer ganzheitlichen Persönlichkeit,
• den Ausbau der musisch-kreativen
Fertigkeiten,
• und die Vernetzung von Theorie
und Praxis.
Die Ausbildung fördert gezielt die
Übernahme der Verantwortung für
den eigenen Bildungsprozess und legt
damit die Grundlage für den Einstieg
ins Berufsleben und für ein lebenslanges Lernen. Dieses für alle sozialpädagogischen Bildungsanstalten und
Kollegs in Österreich formulierte Profil
wird in Graz standortspezifisch ausdifferenziert.
Vom Profil-Entwurf zur lernenden Institution –
vom Allgemeinen zum „magis“
Wie leben wir das vorliegende Ausbildungsprofil? – Wir begreifen Schule
als lernende Institution, die angehenden SozialpädagogInnen ermöglicht, ein individualisiertes Handlungsrepertoire aufzubauen, welches
ein eigenständiges Leben in einer
komplexer werdenden Gesellschaft
ermöglicht und verabschieden uns
von der Vorstellung linearer Wirkungsweisen und streng hierarchischer Funktionsstrukturen. Unsere
pädagogische Arbeit ist ressourcenorientiert und getragen von christlichen Werten und Visionen für ein gelingenderes Leben.
Im Ausbildungskonzept sind gruppendynamische Elemente wesentlicher
Bestandteil persönlichen Lernens
und Umsetzens in sozialpädagogische Handlungskompetenzen. Einführungstage zur Orientierung, Schneetage zum Kennenlernen, Sport- und
Kreativtage zur Einleitung der Differenzierungsphase, ein fächerübergreifendes Großprojekt in der Differenzierungs- und Arbeitsphase sowie
erlebnispädagogische Tage in der Abschlussphase sind ein Beispiel, wie
pädagogische Erfahrungen in einem
Drei-Schritt nutzbar gemacht werden:
1.für das eigene Erleben im Rahmen
gruppendynamischer Prozesse,
2.für konkrete didaktische Umsetzungen im sozialpädagogischen Handlungsfeld und
3.für die evaluierende Reflexion.
Dieser Drei-Schritt wird begleitet von einer intensiven theoretischen Auseinandersetzung in allen Fachbereichen. Diese Schritte
geben Orientierung im Schulalltag, können von AkteurInnen nur
integriert werden, wenn sie diese
auf dem Hintergrund einer identitätsstiftenden Schulkultur erleben.
Ausdruck finden sie, indem Initiativen von Studierenden bzw. Lehrenden aufgenommen, Studierende im
Spannungsgefüge von Beziehungskonstellationen begleitet und diese
beim Erwerb von Lebens- und Berufskohärenz unterstützt werden.
Format: Projekt
Konkretisiert werden diese Ansprüche in einem verpflichtenden, fächerund klassenübergreifenden Großprojekt am Übergang zwischen zweitem
und drittem Semester, das nunmehr
seit 25 Jahren zum fixen Bestandteil der Ausbildung gehört. Seit mehr
als fünf Jahren unterziehen wir dieses Projekt einer regelmäßigen Evaluierung, die gegenwärtig durch einen Forschungsauftrag des Instituts
für Forschung, Entwicklung und Internationales der KPH Graz unterstützt wird. Die Ergebnisse dieses
Forschungsvorhabens fließen in die
folgenden Ausführungen ein: Das
Format „Projekt“ stellt einen unverzichtbaren Beitrag zur sozialpäda-
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Ausbildungsprofil
gogischen Professionalisierung, beruflichen Profilbildung dar und trägt
darüber hinaus zum bio-psycho-sozialen Wohlbefinden der AkteurInnen bei.
Geheimnis:
Ressourcenorientierung
Was über anfängliche Suchbewegungen bei der Projektimplementierung
und -umsetzung über Anwendung
von Projektmanagement-Kenntnissen hinaus intuitiv getan wurde,
kann mit wenigen Worten zusammengefasst werden: Von Anfang an
war klar, dass Projekte dieser Größenordnung nur im Wechselspiel von
• Interesse (Stärken) wecken,
• Zutrauen,
• Begleitung und Freiraum geben,
• Grenzen abstecken,
• Kompetenzen austesten,
• Prozessergebnisse schöpferisch
umsetzen,
• präsentieren und Lust daran erfahren
kraftvolle Wachstumsimpulse vermitteln können. Das Geheimnis dieser Passung zwischen dieser Dynamik und der jährlich erfahrenen
Qualität sozialpädagogischer Projektarbeit liegt im wachsamen Wahrnehmen der Bedürfnisse der AkteurInnen.
Ressourcenorientierte
Pädagogik
ist nicht nur Thema im PädagogikUnterricht. Eben diese ist der Schlüssel zur individuellen, aber auch zur
Erfolgsbilanz des Kollegs für Sozialpädagogik. Wir gehen von den Bedürfnissen der Studierenden aus:
Welche Themen brennen ihnen unter den Nägeln? Wo liegen ihre Wünsche, Sehnsüchte, Entwicklungs- und
Handlungsimpulse, wo liegt ihre Be-
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Mag. Karin Erhart-Auner
Prof. Mag. Margarete Hofmann
Jg. 1963; Ausbildung zur Hauptschul-
Jg. 1955; Ausbildung zur Sozialpä-
lehrerin, Studium der Pädagogik
dagogin, Studium der Pädagogik;
mit Schwerpunkt Sozialpädagogik,
Schulleiterin am Kolleg für Sozialpä-
Rhythmikerin, Gestaltpädagogin;
dagogik Graz; Forschungstätigkeit
Lehrende und Qualitätsbeauftragte
an der KPH Graz in den Bereichen
am Kolleg für Sozialpädagogik Graz,
Forschungstätigkeit an der KPH
Sozialpädagogik, Mehrsprachigkeit und Projektevaluation.
Graz in den Bereichen Mehrsprachigkeit und Projektevaluation.
Eckpunkte im Prozess
geisterung, liegen ihre Stärken? Da
will etwas werden. Ein Thema, auf
das sich die Gruppe einigen kann.
Der spannende Weg dorthin. Erste
Schritte, Schwierigkeiten, Bewältigungsstrategien, kreative, schöpferische Wege. Ein verlässlicher Bezugsund Beziehungsrahmen, der diese
eigenständigen Suchbewegungen unterstützt: PädagogInnen als BegleiterInnen, als Fragende, Antwortende,
als Resonanzräume, regelmäßige Projektpleni als Orientierungs-, Strukturierungs-Hilfen, als High-SpeedAustausch- und Frage-Foren, als
„Ideenbrutkästen“, als psychohygienische Nischen zum Frust-Ablassen, als
Ermutigungsinseln, als Marktplätze
der Begegnung zwischen Lehrenden
und Studierenden mit Theorie- und
Praxisvernetzung und Lernimpulsen
für alle Beteiligten. Allein im Duktus
dieser Beschreibung ist etwas vom
Skript dieses geglückten Lernprozesses zu lesen, den Studierende jährlich
durchlaufen, die wissen, dass wir es
ihnen zutrauen, in ihrer individuellen Unverwechselbarkeit, mit den in
ihnen schlummernden persönlichen
Stärken und Kompetenzen Großes zu
schaffen.
Ein klarer Zeitrahmen, intensive
Prozessbegleitung bis zur Themenfindung, Projektpleni als Austauschforen und „think tanks“, Zutrauen
in persönliche Stärken, Freiräume
(aufgelöster Stundenplan), ein klarer
Projektrahmen mit Bezugslehrenden, Reflexionen, Coachings stellen
die Eckpunkte der Projektarbeit dar.
Hohes Wertebewusstsein in Bezug
auf diese Erfahrung von Selbstwirksamkeit, wertvolle Ergebnisse, geglückte Präsentationen und steigendes Interesse von Seiten des
Hauses Augustinum, des bischöflichen Schulamtes, von VernetzungspartnerInnen, sozialpädagogischen
Einrichtungen und der Trägerorganisationen. Steigende BesucherInnenzahlen, was sich sowohl an gut- bis
überfüllten Vor- und Premieren zeigt.
Jenseits von Lampenfieber, aller Highlights und Hoppalas ist in jedem Fall
das „etwas Mehr – magis“ – die Hochachtung des Publikums und der Betroffenen für diese Kraft der Beiträge
zu spüren, die Markierungspunkte für
ein von Visionen getragenes sozialpädagogisches Handeln sind.