© 2004-2015 E. Söchting
für SeminarInstitut
nach dem Curriculum der GSIÖ e.V.
1
PFLICHTLEKTÜRE
Dieser Kurs basiert primär auf folgender Literatur:
Bundy, A; Lane, S, Murray, E (2003). Sensorische Integrationstherapie. Theorie
und Praxis. Springer Verlag
Smith Roley, S; Blanche, E.I.; Schaaf R. (2002). Sensorische Integration.
Grundlagen und Therapie bei Entwicklungsstörungen. Springer Verlag
Bei Abbildungen und Zitaten geben wir die Quelle als B/L/M oder SR/B/S an!
2
SELF-ASSESSMENT: WAS IST SENSORISCHE
INTEGRATION?
1. Aus welchen 3 Teilen besteht die SI-Theorie?
2. Was sind die wesentlichen Aussagen der SI Theorie?
 Sensorisch-integrative Funktionen tragen bei zu…
 Sensorisch-integrative Funktionsstörungen führen zu…
 Sensorische Integrationstherapie…
Einzelarbeit 3 Min.
3
GRUPPENARBEIT “NEUROPHYSIOLOGISCHE BASIS
SENSORISCH-INTEGRATIVER FUNKTIONEN”
Präsentation Mittw NM
10 min pro Gruppe
Gruppen:
1. Hirnstamm mit
Vestibulariskernen & Formatio
reticularis
2. Cerebellum & Basalganglien
3. Limbisches System & Thalamus
4. Kortex (Parietal- und
Frontallappen)
Was wird erwartet:
•
Professionelle PowerPoint
Präsentation
•
eigene Literatur- und
Internetrecherchen (gute
Abbildungen, evtl. 3D Modelle,
neueste Studien) zu den
Basisinformationen im
Ressourcenfolder
•
Information filtern unter dem Aspekt
SI
4
5
“The term Sensory Integration...
... holds special meaning for occupational therapists.”
“… originated in the work of A. Jean Ayres, an occupational
therapist and educational psychologist whose brilliant clinical
insights and original research revolutionized occupational
therapy practice with children.“
(Parham & Mailloux 1996,
S.307)
6
1. EIN PROZESS IM GEHIRN
Der neurologische Prozess, der Sinneseindrücke aus
dem eigenen Körper und aus der Umwelt organisiert (verarbeitet)
und es uns so ermöglicht, unseren Körper effektiv
in der Umwelt einzusetzen”
(Ayres, 1972 in: B/L/M S.4/5)
7
2. EINE THEORIE, DIE MENSCHLICHES VERHALTEN
ERKLÄRT
1. Angewandte Neurowissenschaft – erklärt beobachtbares
Verhalten
2. Dynamische und systemische Theorie
3. Interpretiert Verhalten aus einer entwicklungsorientierten
Perspektive
4. Zeigt Entwicklung sensorisch-integrativer Faehigkeiten und
ihre Bedeutung für die Alltagsbewältigung auf:
8
SI Theorie
Störungen
Befunderhebung
Behandlung
9
10
3. EIN BEHANDLUNGSANSATZ
Ayres Sensory Integration® (ASI)
• Sinnessysteme beeinflussen Entwicklung, Handlungsfähigkeit,
Beschäftigungsverhalten, Alltagsbewältigung
• Bedeutung der Nahsinne für Verhalten, Lernen und Emotionen
• Beruht auf Plastizität des ZNS
11
12
Die Beziehung zwischen
Klient und Therapeutin in
der SI-Therapie nannte
Ayres Art of Therapy, die
Kunst des Ayres
Therapierens.
begründete mit dem
Konzept der Sensorischen
Integration (SI) eine Sichtweise
der kindlichen
Entwicklung
, die
Dr. Ayres
ist der Prototyp
vor ihrer Zeit nicht üblich war.
des „verletzten Heilers“.
(Kovalenko, 1994)
13
LEBEN & KARRIERE
•
•
•
•
•
Kalifornien, 1920 - 1988
Ergotherapeutin und päd. Psychologin
Post Doc am Hirnforschungsinstitut der UCLA
Begründete eine neue Sichtweise der kindlichen Entwicklung
Zeigte, dass komplexe neurologische Prozesse die Grundlage für
zweckmäßiges Handeln und Beschäftigung sind
In the clinic with Dr. Ayres (Lucy Miller)
 Video „Ayres – the pioneer behind SI“
14
ORIGINAL LITERATUR
Über 50 Artikel in peer-reviewten Fachjournalen
Bücher:
1972: SI and Learning Disorders
1979: SI and the Child (new ed. 2005) – Bausteine der kindlichen
Entwicklung, neue Ausgabe 2013
1985: Developmental Dyspraxia and Adult-Onset Apraxia (neu
Ausgabe 2011 „Ayres Dyspraxia Monograph“)
1989: SIPT-Manual
15
16
WIE ENTWICKELTE AYRES DIE SI-THEORIE?
Fragestellung aus der Praxis
Hypothese  Test  Annahme/Zurückweisung
Entwicklung einer Theorie
Anwendung in der Praxis
17
AYRES ALS WISSENSCHAFTERIN
• Ayres war eine rigorose Wissenschafterin
• Ihr war klar, dass die Forschung rund um SI weitergeht:
“Exactly how SI occurs in the brain remains elusive, but that
fact is not an excuse for avoiding an issue basic to all
learning.“
„any conceptual framework is in some respects erroneous.
It will require constant revision as new knowledge unfolds.”
Ayres 1968/1974b, S. 96-97
18
WAS IST DIE SI-THEORIE
• erklärt den beobachteten Zusammenhang zwischen der
Interpretation von sensorischen Informationen und Verhalten,
Lernen und Emotionen
3 Teile:
1. normale Funktion
2. gestörte Funktion
3. Behandlungsansatz
Siehe B/L/M S.5!
19
TEIL 1: NORMALE FUNKTION
20
SI ALS BASIS DER ALLTAGSBEWÄLTIGUNG
Aus:
SR/B/S S.6
21
WELCHEN BEITRAG LEISTEN SI-FÄHIGKEITEN ZUR
ALLTAGSBEWÄLTIGUNG VON KINDERN?
Anforderungen des kindlichen
Alltags:
1. Aktivitäten des täglichen
Lebens, Selbstständigkeit
2. Freizeitgestaltung,
Exploration und Spiel, sich
selbst beschäftigen
3. „Arbeit“ – Kindergarten,
Schule, Hausaufgaben
4. Soziale Interaktionen
Näheres zu SI & Spiel im
Anhang!
22
WELCHEN BEITRAG LEISTEN SI-FÄHIGKEITEN ZUR
ALLTAGSBEWÄLTIGUNG VON KINDERN?
SI liefert einen Beitrag für:
• Innerer Antrieb, Wachheit, Interesse und Motivation
• Sensorische, motorische, kognitive, sprachliche, sozioemotionale Fähigkeiten
• Reaktion auf Ereignisse und Antizipation von Ereignissen
• Verhaltensorganisation, Planungsfähigkeiten, in die Zukunft
planen
• sinnvolle und zweckmäßige Beschäftigung
23
TEIL 2: SI-STÖRUNGEN
• Ayres entwickelte Tests (SCSIT, dann SIPT), um Störungen
objektiv erheben zu können
• Ayres‘ Faktorenanalytische Studien:
• Faktorenanalyse = statistisches Verfahren, um zugrunde
liegende gemeinsame Faktoren bzw. unterscheidbare
Störungsbilder (Typologien) zu finden
• Serien von Studien mit SCSIT und SIPT
24
AYRES‘ FAKTORENANALYTISCHE STUDIEN
Aus: B/L/M, S.21!
25
KRITIK AN AYRES STUDIEN
1. Wechselnde Designs – nicht repliziert
2. kleine Stichproben
Generelle Kritik an SI-Forschung:
• „Keine oder wenig Forschung“ – unberechtigte Kritik,
wesentlich mehr Forschung als jede andere Therapiemethode
• Methodische Probleme – berechtigte Kritik, trifft aber auf alle
Forschung zu. SI-Forschung hat durch Fidelity Measure sehr
gewonnen
26
WISSENSCHAFTLICHE BELEGE FÜR DIE EXISTENZ VON
SI-STÖRUNGEN
Spezifisch für SI-Störungen:
1. Bestätigende Faktorenanalysen 1998 und 2011
27
BESTÄTIGENDE FAKTORENANALYSEN
Mulligans Faktorenanalyse (1998)
anhand von 10.000 SIPTErgebnissen:
bestätigte Ayres‘ Konstrukte
weitgehend, zusätzlich genereller
Praxie-Faktor
28
BESTÄTIGENDE FAKTORENANALYSEN
Mailloux et al. (2011):
4 Faktoren
Siehe Artikel im Ressourcenfolder!
29
WISSENSCHAFTLICHE BELEGE FÜR DIE EXISTENZ VON
SI-STÖRUNGEN
Weitere spezifisch für SI:
2. Forschung zu Modulationsstörungen von Lucy Miller (z.B. 2007)
3. Primatenforschung von Mary Schneider
4. AOTA CAT zu SI-Störungen von Schaaf & Lane (2008) – siehe
Ressourcenfolder!
5. Owen & Marco (2013): SI-Störung ist eine spezifische Störung der weißen
Hirnsubstanz – siehe Ressourcenfolder!
30
WISSENSCHAFTLICHE BELEGE FÜR DIE EXISTENZ VON
SI-STÖRUNGEN
Mehr allgemeine:
6. Lehrbücher der Neuro– und Biopsychologie Prozesse, die ident mit den von
Ayres angenommenen ZNS-Mechanismen und Funktionskreisen sind, z.B.
Koziol (2007)
7. Autismusforschung – zahlreiche Studien, die den Zusammenhang von
sensorischen Verarbeitungsstörungen und Verhalten belegen (z.B. Lane
2010)
31
3. TEIL: SI-THERAPIE
32
WAS SAGT DIE SI-THEORIE AUS?
Vorhersage über die Beziehungen zwischen
• neuronalen Funktionen
• sensomotorischem Verhalten und
• kognitiven Funktionen.
Erklärt Zusammenhang zwischen Interpretation von Sinnesinformationen im
ZNS und sichtbarem Verhalten (Lernen i.w.S.)
33
AUSSAGEN DER SI-THEORIE
TEIL 1 
Menschen mit normalen sensorisch-integrativen Funktionen
verarbeiten Sinnesinformationen und nutzen sie für anpassendes
Handeln.
34
AUSSAGEN DER SI-THEORIE
TEIL 2 
Mangelhafte Integration von Sinnesinformationen führt zu
Defiziten im Lernen i.w.S. (Verhaltensregulation, Motorik, kognitiv)
35
AUSSAGEN DER SI-THEORIE
TEIL 3 
Anpassende Reaktionen, die durch kontrollierte sensorische Reize
im Rahmen von sinnvollen Aktivitäten ausgelöst werden, können
die sensorische Verarbeitung und die Lernfähigkeit des Gehirns
verbessern.
36
ANNAHMEN DER SI-THEORIE
Die SI-Theorie baut auf ein paar Annahmen auf:
1. Das Gehirn ist formbar (Neuroplastizität)
2. Sensorische Integration entwickelt sich in einer bestimmten Abfolge
(Entwicklungsabfolge)
3. Das Gehirn arbeitet als integrierte Einheit (Heterarchische Struktur des
ZNS)
4. Anpassendes Verhalten ist entscheidend für die sensorische Integration
(Anpassendes Verhalten)
5. Jeder Mensch hat einen inneren Antrieb, seine sensorisch-integrativen
Fähigkeiten zu entwickeln (innerer Antrieb)
B/L/M S.11
37
38
AYRES SENSORY INTEGRATION® FIDELITY MEASURE
(ASIFM):
1. Qualifizierte Therapeutin
2. Umfassende Befunderhebung der sensorisch-integrativen
Leistungen und der Praxie
3. Sichere Umgebung mit spezieller Ausstattung
4. Kommunikation mit Eltern
5. Kindgesteuerte Behandlung nach den Prinzipien von
Eigenaktivität, Spiel, sensorischen Gelegenheiten,
anpassenden Reaktionen und therapeutischer Allianz
6. Dokumentation der Ergebnisse
Parham et al. (2007)
39
1. NEUROPLASTIZITÄT
= das Potenzial einer
neurologischen Struktur
oder Funktion, sich als
Folge von Erfahrung zu
verändern
40
1. NEUROPLASTIZITÄT
Neuroplastizität ist die
Voraussetzung dafür, dass
SI-Therapie funktionieren
kann
41
1. NEUROPLASTIZITÄT
• Am stärksten im jungen Organismus, aber das Gehirn ist
lebenslang formbar! Ayres: 3.-7. Lebensjahr entscheidend
• Biologische Grundlage der Entwicklung, des Lernens und der
Rehabilitation nach Hirnverletzungen
• Aktive Exploration und Erfahrung ist notwendig
42
1. NEUROPLASTIZITÄT
• Anpassende Reaktionen nutzen Neuroplastizität aus, um die
Integration von Sinnesinformationen zu verbessern strukturelles und funktionelles Wachstum des ZNS durch
optimale sensorische Umwelt mit Aufforderungscharakter
• Experimente mit Affen (Klavierspielen), Ratten in anregender Umgebung
43
2. ENTWICKLUNGSABFOLGE
• Sensorische Integration ist ein lebenslanger Vorgang
• Reifung und Entwicklung durch Interaktion der genetischen
Anlage mit der Umwelt
• Entwicklung der sensorischen Integration entfaltet sich in
einem Spiralprozess
• Jede AR ist die Grundlage fuer komplexere ARs  fuehrt zu
komplexeren sensorisch-integrativen Prozessen  Entwicklung
• Angetrieben durch den “inner drive”
44
3. HETERARCHISCHE STRUKTUR DES ZNS
Zeitgemäßes Verständnis der ZNS Struktur: hierarchische
Organisation und parallele Prozesse und Netzwerke =
heterarchisch (vgl. Birbaumer & Schmidt 2003)
• In Evolution wurden elementare Hirnstrukturen, die das
Überleben sichern, mit leistungsfähigen Steuersystemen für
komplexere Aufgaben überbaut
• Zugleich Spezialisierung parellel arbeitender und vernetzter
Zentren
45
3. HETERARCHISCHE STRUKTUR DES ZNS
• Ayres vertrat eine ganzheitliche Sichtweise des ZNS (Fisher,
Murray & Bundy, 1998)
• „The brain works as a whole“ (Ayres 1979)
• Dennoch wird SI wegen eines hierarchischen Verstandnisses
des ZNS kritisiert (Ottenbacher & Short, 1985; Short-DeGraff,
1988; Neuropädiatrische Gesellschaft, 2002)
46
4. ANPASSENDES VERHALTEN
Definition:
• „Eine anpassende Interaktion ist ein gebender und nehmender
Austausch mit der Umwelt, bei dem eine Person eine
Herausforderung bewältigt oder etwas Neues lernt und die eine
Veränderung in der Umwelt bewirkt.“ (Ayres, 1972)
B/L/M S.13
Siehe auch: SR/B/S, S.9
47
4. ANPASSENDES VERHALTEN
• Erfolgreiche Reaktion auf
eine Anforderung seitens
der Umwelt (Ayres 1979)
• Ist der eigentliche Zweck
der Verarbeitung von
Sinnesinformationen
B/L/M S.13
Siehe auch: SR/B/S, S.9
48
4. ANPASSENDES VERHALTEN
• Motorisch, z.B. Haltungsreaktionen
• Vegetativ, z.B. besser regulierte vegetative Reaktionen
• Affektiv, z.B. bessere emotionale Stabilität unter
Stressbedingungen
• Kognitiv
• Sprachlich
• sozial…
49
4. ANPASSENDES VERHALTEN
Trägt zu Wohlbefinden, Gesundheit und Resilienz bei (Yerxa
1998)
Zahlreiche Belege für Ayres‘ Annahme, dass sensorischintegrative Leistungen mit Lernfähigkeit und Wohlbefinden
zusammenhängen:
 Parham (1998): SIPT und Schulleistung
 Fanchiang (1990): SI-Störung und Kriminalität
 Kinnealey (1995): taktile Abwehr – negative Emotionen
50
4. ANPASSENDES VERHALTEN
• Muss vom Kind selbst
kommen – Drang nach
Kompetenz
• Das Kind wirkt auf die
Umwelt ein
Siehe: SR/B/S, S.9
51
4. ANPASSENDES VERHALTEN
Eine anpassende Reaktion ist
einerseits der sichtbare Ausdruck der gelungenen Integration von
Sinneseindrücken und
andererseits fördert sie die Entwicklung der sensorischen
Integration.
Siehe: SR/B/S, S.9
52
4. ANPASSENDES VERHALTEN
abhängig von
• Entwicklungsstand
• Niveau vorheriger Interaktionen (beeinflusst durch Deprivation,
Stress u.a.)
• Erfahrungsmöglichkeiten
• Interaktionen innerhalb von Subsystemen (z.B. emotional
sensitive Kinder in einer überstimulierenden Umgebung)
Siehe: SR/B/S, S.9
53
5. INNERER ANTRIEB
= Motivation, sie sensorische Integration durch sensomotorische
Aktivitäten zu entwickeln
• Annahme, dass jedes Kind einen angeborenen inneren Drang
nach Kompetenz hat - presumed competence
• Ayres stellte einen Zusammenhang her zwischen
 Innerem Antrieb
 Intrinsischer Motivation
 Fähigkeit zur Selbstaktualisierung
54
55
PERSPEKTIVEN
SI-Theorie stellt die Verbindung zwischen sichtbarem Verhalten
und unsichtbaren Hirnprozessen her
Miller (2000): wir sollen die neurologische und Verhaltensebene
nicht vermischen
z.B. Terminologie: Empfindlichkeit  Responsivität
56
PERSPEKTIVEN
Der Prozess der sensorischen Integration kann aus verschiedenen
Perspektiven betrachtet werden (Dahl Reeves 1998, Miller 2001):
neurologische Perspektive:
• Auf der zellulären Ebene
• Ebene neurologischer Systeme
Verhaltensperspektive:
• Verhaltensperspektive
• Perspektive der Entwicklung
• Klinische Perspektive
57
NEUROLOGISCHE PERSPEKTIVE DER SI
• Medizinische Studien zur Neurophysiologie und multisensorischen
Integration auf der neurologischen Ebene – zelluläre Ebene oder
Systemebene
• Auf zellulärer Ebene sind v.a. zwei Prozesse entscheidend:
Erregung/Bahnung (Exzitation) und Hemmung (Inhibition)
• Viele Ergebnisse stammen von Tierstudien
58
POSTSYNAPTISCHE INTEGRATION
Exzitation und Inhibition:
• Zentrale Neurone empfangen sowohl
hemmende als auch erregende
Impulse.
• Im postsynaptischen Neuron werden
die exzitatorischen und
inhibitorischen Impulse zu einer
Antwort verrechnet - zeitliche und
räumliche Summation
• entscheidet, ob das postsynaptische
Neuron feuert
59
BEISPIEL: WIRKUNG VON ALKOHOL AUF LERNEN &
GEDÄCHTNIS
Alkohol verstärkt die Aktivität eines bestimmten GABAergen Rezeptors, der
inhibitorische postsynaptische Potentiale vermittelt.
 Dieser hemmt also die Nervenzellaktivität und unterdrückt damit die
Langzeitpotenzierung
Da diese GABA-Rezeptoren auch in Strukturen des limbischen Systems (hier
vor allem Gyrus cinguli und Amygdala) vorkommen, werden auch dort
Speicherung und der Abruf beeinträchtigt.
Lern- und Gedächtnisminderung
60
MULTISENSORISCHE INTEGRATION (MSI)
• Erforscht die gegenseitige Beeinflussung von Sinnesinformationen
• Auch die SI-Forschung hat sich damit beschäftigt:
Studien lesen und verstehen:
Verarbeiten Kinder multisensorische Informationen wie Erwachsene? (BrettGreen et al. 2010)
 Artikel im Ressourcenfolder!
61
PROZESS DER SENSORISCHEN INTEGRATION
STIMULUS
Ausführen
der AR
Registrieren
Weckreaktion
Modulieren
Evtl. Orientieren
Aufmerksamkeit
Planen der AR
Diskriminieren
Integrieren
Interpretieren
62
REGISTRIEREN
• ZNS nimmt einlangende sensorische Information auf verschiedenen Ebenen
auf: Rezeptor (Detektion), ZNS
• Voraussetzung dafür, dass der Reiz weiter verarbeitet wird
• Abhängig von Arousal/Reizschwelle, Intensität und Neuigkeitsgrad
• Komplexes Zusammenspiel von Prozessen des limbischen Systems, der
Formatio reticularis und sensorischen Zentren im Hirnstamm und Mittelhirn
(Miller & Lane, 2000)
63
REGISTEREN & AROUSAL
Der innere Erregungszustand (Kandel 1995) oder Aktivierungszustand des
Gehirns ergibt sich aus der Erregbarkeit der Neurone (Dahl Reeves 1998).
Ein erhöhter Erregungszustand des ZNS erlaubt uns, Sinnesinformationen
besser wahrzunehmen. Das kann überlebenswichtig sein (z.B.
Alarmzustand)!
entscheidende Struktur: Formatio reticularis (retikuläres Aktivierungssystem)
64
REGISTRIEREN - WECKREAKTION
• “Weckreaktion”: Erregungsanstieg nach dem Ereignis, ereigniskorreliertes
Potenzial (event-related potential ERP) im EEG nachweisbar
• ERP sieht anders aus, wenn wir Reiz bewusst wahrnehmen, mglw. weil wir
ihn sofort interpretieren
• Gehirn beschäftigt sich mit der Information
• Komplexes Zusammenspiel von Prozessen des Thalamus, primären
sensorischen Kortex und präfrontalem Kortex
65
SENSORISCHE MODULATION
Hängt zusammen mit
1. Erregungsniveau/Aktivierungszustand des ZNS (Arousal) und
2. Erregbarkeit der Neurone (Dahl Reeves 1998)
• Balance zwischen exzitatorischen und inhibitorischen Prozessen im ZNS,
z.B. Habituation (Miller & Lane, 2000)
• Erkennen relevanter Informationen, Ausfiltern irrelevanter Reize
66
UNBEWUSSTE REAKTIONEN
Manche Reize werden automatisch auf Hirnstammniveau verarbeitet ohne
überhaupt bewusst zu werden (z.B. vestibuläre für die Haltungsanpassung).
Auch Reize, die sofort als bekannt, ungefährlich, uninteressant, unwichtig
erkannt werden, werden unterdrückt, bevor sie unser Bewusstsein erreichen
und weiter analysiert und verarbeitet würden.
Involvierte Systeme: v.a. limbisches System und F.R., sensorische Zentren im
Hirnstamm und Mittelhirn (vestibuläre Kerne, Colliculi des Tectum für
auditive und visuelle Reize)
67
SELBSTREGULATION
= erlernte Fähigkeit, Emotionen und Verhalten zu regulieren und kontrollieren
Welche Strategien nutzen Kinder dafür?
68
SENSORISCHE DISKRIMINATION & INTEGRATION
• = Analyse (Reize unterscheiden, zeitliche und räumliche Qualitäten
erkennen), intersensorische Integration  Interpretation und emotionale
Färbung  Perzeption
• Kognitiver Prozess, der auf subkortikaler Modulation und Verarbeitung
sowie auf Erfahrung und Lernen beruht
• Liefert entscheidende Informationen zum Planen von Handlungen
• Involvierte Zentren: Thalamus, limbisches System, Kortex
69
SENSORISCHE INTEGRATION – PERZEPTION
...the world is not perceived as a series of independent sensory experiences
in which the integrity of each modality's "snapshot" view is preserved
intact in its own location in the brain; rather, there is an interweaving of
different sensory impressions through which sensory components are
subtly altered by, and integrated with, one another. The product of these
integrative processes is perception.
(Stein and Meredith, 1993)
70
PLANUNG & AUSFÜHRUNG ANPASSENDER
REAKTIONEN
• Viele Anpassungsreaktionen laufen völlig automatisch und unbewusst ab –
Finde Beispiele!
• Grundlage für komplexere motorische Anpassungsreaktionen ist die
Bewegungsplanung
• Bewegungsplanung erfordert ein gutes Körperschema und praktische
Fähigkeiten (Praxie
71
KÖRPERSCHEMA
• Sensorische mentale Repräsentation (interne Landkarte) des eigenen
Körpers
• Erfordert die Integration v.a. von taktilen und propriozeptiven Informationen
(Studien von Ayres, Hirnforschung)
• Wichtige Grundlage der Bewegungsplanung und Praxie
• Die wichtigsten Hirnstrukturen sind Thalamus und Parietallappen
72
PRAXIE
“Die Intelligenz des Tuns” (Ayres, 1985)
Schliesst kognitive Prozesse ein:
• Ideation: Fähigkeit, sich eine neue Handlung auszudenken, eine Idee zu
entwickeln, WAS man tun kann
• Bewegungsplanung: Fähigkeit, eine neue Handlung zu organisieren, zu
wissen, WIE man das gesetzte Ziel erreicht – Handlungsschritte in Zeit
(Ablauf) und Raum organisieren
• Durch Feedback kann die Ausführung angepasst werden
• Alle Teile des Gehirns tragen zu dieser komplexen Faehigkeit bei; spezielle
Rolle des Frontallappens, Parietallappens, Thalamus, Cerebellum
73
VERHALTENSEBENE
• Sichtbares Verhalten ist Ausdruck unsichtbarer Prozesse im Gehirn
• Nur technische Verfahren wie EEG oder bildgebende Verfahren können die
Vorgänge im Gehirn unmittelbar und objektiv aufzeigen.
74
VERHALTENSEBENE: ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE
• Multiprofessionelles Thema
• Ayres‘ Beitrag: Bedeutung der
Nahsinne für die Entwicklung
 Siehe Flowchart in „Bausteine“,
S.75
75
VERHALTENSEBENE: KLINISCHE PERSPEKTIVE
• Der neurologische Prozess der sensorischen Integration wird auch von
anderen Berufsgruppen studiert
• Erforschung der sensorischen Integration aus einer klinischen Perspektive:
Pionierarbeit von Ayres. Wird bis heute vorwiegend von ETs betrieben.
• Auf Basis der SI-Theorie interpretieren wir objektive
Verhaltensbeobachtungen als Indikatoren für neurologische Prozesse oder
Dysfunktionen
76
SI-STÖRUNG ALS DIAGNOSE?
Sensorische Verarbeitungs- oder -integrationsstörungen kommen in der
medizinischen Diagnostik nicht vor – wurden auch ins DSM V (2013) nicht
aufgenommen.
Scheinen in zwei Klassifikationen für Kleinkinder auf:
• Zero-To-Three
• Free Medical Dictionary http://medicaldictionary.thefreedictionary.com/Sensory+Integration+Disorder
77
ÜBUNG
Typische Verhaltensweisen, die aus sensorisch-integrativer Perspektive als
Überempfindlichkeit interpretiert werden:
...
Überlege mögliche Interpretationen aus Sicht
• einer Lehrerin
• eines Psychoanalytiker
• eines Verhaltenstherapeuten
78
VERHALTENSEBENE: KLINISCHE PERSPEKTIVE
WICHTIG:
Objektive Beobachtung von Interpretation trennen!
TIPP:
In Befunden und Berichten immer erst die objektiv beobachtbaren
Verhaltensweisen beschreiben und danach die Interpretation.
79
VERHALTENSEBENE: KLINISCHE PERSPEKTIVE
Ayres hat
1. Verfahren entwickelt, um Störungen der sensorischen Integration zu
erfassen
2. Störungsbilder beschrieben (Ayres 1972, 1979/2005, 1985/2011).
3. sich auf die Körperwahrnehmung konzentriert, während andere (Mediziner,
Psychologen) fast ausschliesslich die Wahrnehmung von
Umweltinformationen untersuchen.
80
VERHALTENSEBENE: KLINISCHE PERSPEKTIVE
Ausnahme: Psychologen Leonard Koziol
und Debora Budding
Buch über die Bedeutung der
subkortikalen Strukturen zum
besseren Verständnis von
sensorischen Verarbeitungs- und
Integrationsstörungen
Koziol L., Budding D. (2007). Subcortical
Structures and Cognition: Implications for
Neuropsychological Assessment. Springer
Verlag
81
DISKUSSION
Gruppen von 3-5 TN:
Findet Argumente auf die Fragen:
1. Ist SI noch zeitgemäß?
2. Fehlen der SI Alltagsorientierung und Klientenzentrierung?
82
83
SI & OCCUPATIONAL SCIENCE
Sensorische Präferenzen und sensorische Bedürfnisse
 Was sind Deine sensorischen Vorlieben?
 Welche sensorischen Strategien nützt Du, wenn Du Dich
 a) konzentrieren musst
 b) beruhigen willst?
Wir alle nützen sensorische Strategien, um unser Verhalten zu organisieren!
Manche machen ihre sensorischen Bedürfnisse zum Hobby oder zum Beruf
84
OT IS THE PROFESSION, SI IS THE TOOL
• Pädiatrische ET ist nicht 100% SI, aber SI ist 100% ET!
• SI Prinzipien werden in vielen Bereichen der ET eingesetzt
• Die SI-typische empathische, klientenzentrierte Haltung gegenüber dem
Kind (Allianz) kann auch anderen Klienten gut tun - „art of therapy“
• SI-Prinzipien können von anderen Berufsgruppen in ihrem beruflichen
Setting angewandt werden
85
OT PRACTICE FRAMEWORK
AOTA, 2008
86
SENSORISCH-INTEGRATIVE ET (SI-ET)
Sensorische Erfahrung + anpassende Reaktion
spielerischer Rahmen mit sozialer Interaktion
• Die Intervention wird von den Interessen des Kindes, den Anliegen der
Familie und dem Wissen der Therapeutin geleitet
• “Be clear in your head but eclectic with your hands” – Therapieansätze
kombinieren
87
ART & SCIENCE
Art: Beziehung, Intuition, „Use of
therapeutic self“
Science: Theorie empirischwissenschaftlich entwickelt;
evidenzbasierte Praxis
(Ayres, 1972)
88
IST ES WIRKLICH SI-THERAPIE?
KERNMERKMALE LAUT FIDELITY MEASURE FÜR SI
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Gewährleistung der physischen Sicherheit
Anbieten sensorischer Gelegenheiten
Sicherstellen der genau richtigen Herausforderung
Zusammenarbeit bei der Wahl der Aktivitäten
Unterstützung des optimalen Arousal
Anforderungen an Koordination (postural, okulär, mund, bilateral)
Anforderungen an die Praxie
Schaffung eines spielerischen Rahmens
Maximieren der Erfolgserlebnisse
Herstellen einer therapeutischen Allianz
Parham et al. (2007). Fidelity in sensory integration
intervention research. AJOT, 61(2), 216–227
89
ZIELGRUPPE DER SI-THERAPIE
• Kinder mit leichten bis mäßigen Problemen des Lernens und Verhaltens
ohne eindeutige Hirnschädigung
• SI wurde speziell zur Erklärung und Behandlung von Störungen der
sensorischen Verarbeitung entwickelt
• Schwerpunkt auf Kindern, kann aber lebenslang eingesetzt werden
• Wird auch bei anderen Entwicklungsbehinderungen eingesetzt: CP, Hör- und
Sehbehinderung, Autismusspektrum, geistige Behinderung
90
ET-SI BEI ANDEREN ENTWICKLUNGSBEHINDERUNGEN
Das Buch von Smith Roley, Blanche & Schaaf befasst sich schwerpunktmäßig
mit diesem Thema!!
Kinder mit primären anderen Behinderungen (geistige, CP) haben oft zusätzlich
eine SI–Dysfunktion (Dyspraxie, Modulationsstörung). Zu manchen
Störungsbildern wie Fragiles X Syndrom oder Autismus gehören sensorische
Modulationsstörungen dazu.
91
HÖRBEHINDERTE KINDER
zeigen oft
 herabgesetzten Nystagmus
 Hypotonie
 schlechte Kokontraktion und mangelhafte proximale Gelenksstabilität
 Schwierigkeiten in der Balance
 schlechte Aufrichtung gegen die Schwerkraft
Aus SI-Perspektive Hinweise auf Verarbeitungsschwierigkeiten
vestibulär-propriozeptiver Reize
Können auch durch eine periphere Schädigung des Hirnnerv VIII
verursacht sein!
92
AUTISTISCHE KINDER
Positive Ergebnisse der ET-SI:
Ayres AJ & Tickle L (1980)
Pfeiffer, B.A. et al. (2011). Research Scholars Initiative—Effectiveness of sensory
integration interventions in children with autism spectrum disorders: 37 Kinder,
6-12J
Schaaf, RC, Benevides, T, Mailloux, Z. et al. (2013). An Intervention for Sensory
Difficulties in Children with Autism: 32 Kinder, 4-8J
Smith, S. A., Press, B., Koenig, K. P., & Kinnealey, M. (2005). Effects of sensory
integration intervention on self-stimulating and self-injurious behaviors. 7
Kinder, 8-19J
Iwanaga, R. et al. (2013). Pilot Study: Efficacy of Sensory Integration Therapy for
Japanese Children with High‐Functioning Autism Spectrum Disorder. 20 Kinder,
5-6J
93
THERAPIEERFOLGE BEI AUTSTISCHEN KINDERN
weniger Angst  weniger Anspannung, niedrigerer Muskeltonus
 weniger Stereotypien
 Zunahme an sozialer Interaktion
 Zuwendung zu neuen Aktivitäten
 sichtbare Reaktion auf Berührung bzw. Bewegung
94
EINDRÜCKE AUS DER SI-THERAPIE
95
UMSETZUNG VON SI-PRINZIPIEN
IN ANDEREN SETTINGS
•
Umweltmodifikation – sensorische
Strategien, “sensorische Diät”
•
Gruppenangebote
•
Beratung
Setzen alle SI-Prinzipien ein, aber sind nicht
“SI-Therapie nach Ayres”!
96
VERGLEICH MIT ANDEREN ANSÄTZEN
97
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