Teil 3. Das Scheidungsverfahren Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 1 I. Anwendbare Vorschriften in Ehesachen 1. Legaldefinition der Ehesachen in § 121 FamFG: Scheidung (§§ 1564 ff. BGB) Eheaufhebung (§§ 1313 ff. BGB) Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Beteiligten (Feststellungsinteresse erforderlich) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 2 2. Anwendbare Verfahrensvorschriften in Ehesachen in allen Ehesachen: §§ 121 – 132, 111 – 120 FamFG: stark abgewandeltes ZPO-Verfahren mit (eingeschränkter) Amtsermittlung §§ 2 bis 37, 40 bis 48 und 76 bis 97 FamFG sind nicht anzuwenden, stattdessen §§ 1 bis 494a ZPO Es gelten aber nicht: § 227 Abs. 3 ZPO (Terminsverlegung in der Sommerzeit) die in § 113 Abs. 4 FamFG beschriebenen Vorschriften In Scheidungssachen und Folgesachen zusätzlich: §§ 133 – 150 FamFG Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 3 II. Örtl. Zuständigkeit des Scheidungsrichters (1) Internationale Zuständigkeit: a) b) Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und von Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 v. 27.11.2003 (Abl. L 338, 1) kurz: Brüssel IIaVO, EuEheVO oder EheVO: Primär gewöhnlicher Aufenthalt beider Eheleute (nachrangig, vgl. § 97 FamFG): § 98 FamFG: Primär deutsche Staatsangehörigkeit eines Ehegatten (2) Ausschließliche örtliche Zuständigkeit, § 122 FamFG: – Gewöhnlicher Aufenthalt eines Ehegatten mit allen gemeinsamen minderjährigen Kindern, – … (3) Abgabe, Verbindung nach §§ 123, 126 Abs. 1 FamFG Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 4 Fall: Örtliche Zuständigkeit des Scheidungsgerichts Von vier gemeinsamen minderjährigen Kindern befindet sich beim Antragsteller ein Kind in Bonn, bei der in Hamburg wohnhaften Mutter kein Kind, die anderen drei Kinder sind im Heim. Welches Gericht ist örtlich zuständig? Wie ist es, wenn alle Kinder im Heim sind und die Eheleute zuletzt gemeinsam in München wohnten? Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 5 Lösung § 122 Nr. 1 FamFG: (-), beim Antragsteller leben nicht alle vier Kinder § 122 Nr. 2 FamFG: (+). Antragsteller hat ein Kind bei sich Variante: § 122 Nr. 3 FamFG: (-) keiner wohnt mehr in München § 122 Nr. 4 FamFG: Hamburg ist zuständig, da die Antragsgegnerin dort lebt. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 6 III. Der Scheidungsantrag Einreichung einer Antragsschrift, §§ 124 FamFG, 253 ZPO • Scheidungsantrag als Voraussetzung der Scheidung nach § 1564 S. 1 BGB • Voraussetzungen des Scheidungsantrags: – Verfahrensfähigkeit – Inhalt der Antragsschrift – Materielle Scheidungsvoraussetzungen Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 7 1. Verfahrensfähigkeit In Ehesachen ist ein in der Geschäftsfähigkeit beschränkter Ehegatte verfahrensfähig (§ 125 Abs. 1 FamFG). Für Scheidungsfolgesachen gilt dies nicht. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 8 2. Inhalt der Antragsschrift §§ 124, 133 FamFG: a. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag, d.h. Antrag, die genau nach Eheschließungsdatum und -ort zu bezeichnende Ehe zu scheiden und Angabe des Scheidungsgrundes (Trennungsdatum) b. Namen und Geburtsdaten der minderjährigen Kinder und deren Aufenthaltsort (Zuständigkeit und Nachricht an JA nach § 17 Abs. 3 SGBVIII) c. Erklärung, ob die Eheleute sich über die wesentlichen Scheidungsfolgen geeinigt haben (vgl. früher § 630 ZPO a.F.) d. Angabe zur Anhängigkeit weiterer Familiensachen (Verbindung) e. Beifügung Heirats- und Geburtsurkunde (Ausn. v. § 131 Abs. 3 ZPO) Bei Mängeln Hinweispflicht des Gerichts, §§ 139 Abs. 3 ZPO, 113 Abs. 1 FamFG) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 63 3. Materielle Scheidungsvoraussetzungen (1) Die Entwicklung des Scheidungsrechts in Deutschland • • • • Bis 1900: Fülle von Gestaltungen BGB: Entscheidung für protestantisches Scheidungsrecht: „Die Ehe [ist] ihrem Begriff und Wesen nach unauflöslich, die Scheidung daher stets etwas Anomales“ (Mot. IV S. 564). Scheidung nur noch zum Schutz des klagenden Ehegatten vor dem anderen zulässig. Scheidungsgründe nach dem BGB bis 1938: Ehebruch, Lebensnachstellung, das „bösliche Verlassen“ (§§ 1565 – 1567) sowie Generalklausel § 1568: durch schwere Verletzung der Ehepflichten oder ehrloses oder unsittliches Verhalten tiefe Zerrüttung verschuldet, dass dem anderen das Festhalten an der Ehe nicht mehr zugemutet werden kann. Ausnahme vom Verschuldensprinzip (später eingefügt) : § 1569 Scheidung wegen Geisteskrankheit Reformversuche in der Weimarer Zeit, 1928 Vorschlag des Rechtsausschusses (Kahl) zur Einführung des Zerrüttungsprinzips scheiterte letztlich am Widerstand des Zentrums. Ehegesetz 1938: § 55 neuer Zerrüttungstatbestand, neue Scheidungsgründe der Verweigerung der Fortpflanzung und der Unfruchtbarkeit Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2012/2013, Gabriele Ey 10 • Ehegesetz 1946 (Kontrollratsgesetz Nr. 16): Scheidungsgründe der Verweigerung der Fortpflanzung und der Unfruchtbarkeit fielen weg. Einfügung einer Kinderschutzklausel für die Zerrüttungsscheidung • DDR: EheVO 1955: Formelle Einführung des Zerrüttungsprinzips, 1965 FamGB. • Reformdruck: Scheidungsverweigernde Rechtsprechung des BGH im Gegensatz zur Praxis der Konventionalscheidung der Landgerichte, bei denen über 90% der Scheidungen ohne Prüfung von Verschulden und Zerrüttung ausgesprochen wurden. Mehrere Versuche zur Änderung des § 48 Abs. 2 EheG. • 1968: Einrichtung einer Eherechtskommission • 1.7.1977: Inkrafttreten des 1. EheRG v. 14.6.1976, Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2012/2013, Gabriele Ey 11 (2) Das geltende Scheidungsrecht §§ 1565 – 1568 BGB § 1565 BGB Abs. 1: Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Abs. 2: Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. § 1566 BGB Abs. 1: Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Abs. 2: Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben. § 1568 BGB Eine Ehe soll nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 12 a. Gesetzliche Scheidungstatbestände 1. § 1565 Abs. 1: Trennungsjahr und streitige Scheidung (Feststellung des Scheiterns) 2. § 1566 Abs. 1: Trennungsjahr und Zustimmung (Feststellung des Scheiterns nicht erforderlich) 3. § 1566 Abs. 2: drei Jahre getrennt 4. § 1565 Abs. 2: Härtefallscheidung vor Ablauf des Trennungsjahrs Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 13 b. Scheidungshindernisse: § 1568: Kinderschutzklausel: Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig Ehegattenschutzklausel: wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, • auf Grund außergewöhnlicher Umstände • eine so schwere Härte darstellen würde, dass die • Aufrechterhaltung der Ehe auch unter • Berücksichtigung der Belange des Antragstellers • ausnahmsweise geboten erscheint Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 14 4. Anwaltszwang • § 114 FamFG: Vor dem FamG und dem OLG müssen sich die Ehegatten in Ehesachen und Folgesachen … durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. • Keine Ausnahmen nach § 114 FamFG für die Stellung des Scheidungsantrags • Erforderlichkeit einer auf das Scheidungsverfahren gerichteten Vollmacht, die sich auch auf die Folgesachen erstreckt (§ 114 Abs. 5 FamFG) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2012/2013, Gabriele Ey 15 5. Zustellung des Scheidungsantrags Wirkungen: 1. § 1579 Nr. 1 BGB: Ehedauer endet, Auswirkungen auf Unterhaltsansprüche 2. § 1361 Abs. 1 S. 2 BGB: Vorsorgeunterhalt geschuldet 3. § 1379 Abs. 1 BGB: Auskunftsanspruch über Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung 4. § 1384 BGB: Zeitpunkt für Berechnung des Endvermögens 5. § 3 VersAusglG: Stichtag Ende des Monats 6. § 1933 S. 1 BGB: einseitiger Erbrechtsausschluss 7. §§ 2077 Abs. 1 S. 2, 2268, 2279 BGB: Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 16 6. Verfahrenskostenhilfe und Scheidungsantrag Abhängigmachen des Scheidungsantrags von der Verfahrenskostenhilfegewährung Zusendung des Scheidungsantrags im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren Ladung zum Termin im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 17 IV. Durchführung des Scheidungsverfahrens Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 18 1. (eingeschränkter) Untersuchungsgrundsatz • Grundsatz der Amtsermittlung, § 127 Abs. 1 FamFG: Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. • Einschränkung der Amtsermittlung, § 127 Abs. 2 FamFG: Im Scheidungsverfahren dürfen von den Beteiligten nicht vorgebrachte Tatsachen nur berücksichtigt werden, wenn sie geeignet sind, der Aufrechterhaltung der Ehe zu dienen oder wenn der Antragsteller einer Berücksichtigung nicht widerspricht. • Ausschluss des Untersuchungsgrundsatzes, § 127 Abs. 3 FamFG In Verfahren auf Scheidung kann das Gericht außergewöhnliche Umstände nach § 1568 BGB (Ehegattenschutzklausel) nur berücksichtigen, wenn sie von dem Ehegatten, der die Scheidung ablehnt, vorgebracht werden. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 19 2. Zustimmung zur Scheidung • Begründung der unwiderlegbaren Vermutung nach § 1566 Abs. 1 BGB • Kein Anwaltszwang (§ 134 Abs. 1 FamG) • Widerruf der Zustimmung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich (§ 134 Abs. 2 FamFG), ebenfalls kein Anwaltszwang Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 20 3. Anordnung des persönliches Erscheinens der Ehegatten, § 128 FamFG • • • • • • • • • • Ergänzung und Modifikation von §§ 141, 448 ZPO Zweck: Verbesserte Aufklärung von Amts wegen Regelermessen: „soll“ Verstoß als wesentlicher Verfahrensmangel Persönliche Anhörung ist keine mündliche Verhandlung Förmliche Vernehmung der Ehegatten als Beteiligte (§ 128 Abs. 1 S. 3) auf Grund Beweisbeschlusses nach § 113 Abs. 1 S. 2 i.V.m. §§ 450 Abs. 1 S. 1, 358, 359 ZPO Keine Äußerungspflicht der Ehegatten Scheidung ohne Anhörung bei unentschuldigtem Ausbleiben möglich, in der Regel aber nicht schon bei einmaligem Ausbleiben Auferlegung der Kosten und eines Ordnungsgeldes bei unentschuldigtem Fernbleiben, keine Ordnungshaft, aber Vorführung bei mehrfachem Ausbleiben (§§ 128 Abs. 4 FamFG, 380, 381 ZPO) Anhörung zur elterlichen Sorge und zum Umgang (§ 128 Abs. 2 FamFG) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 21 4. Säumnis der Ehegatten 1. Säumnis des Antragstellers, § 130 Abs. 1 FamFG: Versäumnisentscheidung: „Der Scheidungsantrag gilt als zurückgenommen.“ Abweichung von § 330 ZPO. Grund: Durch die Rücknahmefiktion wird eine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung über den Scheidungsantrag vermieden. 2. Säumnis des Antragsgegners, § 130 Abs. 2 FamFG: Eine Versäumnisentscheidung sowie eine Entscheidung nach Lage der Akten ist unzulässig. Grund: Bedeutung der Scheidung als Statusentscheidung, Scheidung soll nicht auf einseitigen Vortrag hin erfolgen. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 22 Fall: Säumnis des Antragsgegners Der ordnungsgemäß geladene Ehemann erscheint im Scheidungstermin nicht. Der Richter hört daraufhin die Ehefrau ausführlich zur Frage des Scheiterns der Ehe und der Trennungszeit an. Der Anwalt der Ehefrau beantragt daraufhin, die Ehe zu scheiden. Welche Entscheidung trifft der Richter? Wie kann der Ehemann gegen den Scheidungsbeschluss ggfs. vorgehen? Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 23 Lösung 1. • Der Richter darf keinen Versäumnisbeschluss erlassen, § 130 Abs. 2 FamFG. • Er kann einen neuen Termin bestimmen und nach § 128 Abs. 4 FamFG verfahren. • Das Gericht kann auch auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes streitig mit der antragstellenden Ehefrau verhandeln und ggfs. auch Beweise erheben. Ihr Vorbringen gilt nicht als zugestanden, § 113 Abs. 4 Nr. 5 FamFG. Ist der Richter auch ohne Anhörung des Antragsgegners davon überzeugt, dass die Ehe zu scheiden ist, so kann er auch nach einseitiger mündlicher Verhandlung eine Endentscheidung treffen. 2. Gegen den Scheidungsbeschluss findet die Beschwerde nach den allgemeinen Grundsätzen (§§ 58 – 69 FamFG) statt. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 24 Fortsetzung des Falls: Säumnis des Beschwerdegegners Im Beschwerdeverfahren wird Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, zu dem die Beteiligten ordnungsgemäß geladen werden. Nun erscheint die Ehefrau nicht. Der Ehemann bestreitet die Trennung der Eheleute und das Scheitern der Ehe unter Hinweis auf die von ihm behauptete zwischenzeitliche Versöhnung. Welche Entscheidung trifft das Beschwerdegericht? Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 25 Lösung § 117 Abs. 2 FamFG verweist auf § 539 ZPO. Nach § 539 Abs. 2 ZPO kann der Rechtsmittelführer – hier also der Ehemann – Versäumnisentscheidung beantragen. Dann wäre sein tatsächliches Vorbringen als zugestanden anzunehmen. Folge wäre, dass die Ehefrau mit dem Scheidungsantrag abzuweisen wäre. Bedenken: § 127 FamFG (Amtsermittlungsgrundsatz) und § 113 Abs. 4 Nr. 5 (keine Anwendung der Vorschriften über die Wirksamkeit des Geständnisses) Lösungsvorschlag: teleologische Reduktion von § 117 Abs. 2 FamFG, § 130 Abs. 2 FamFG als lex specialis (Haußleiter/Fest, FamFG, 2011, § 130 Rn. 10, str.) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 26 Fortsetzung des Falls: Säumnis beider Ehegatten in erster Instanz Im zweiten Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht erscheinen beide Ehegatten nicht. Was wird das Familiengericht tun? Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 27 Lösung • Entscheidung nach Lage der Akten, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 251a ZPO oder • Anordnung des Ruhens des Verfahrens, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 251 Abs. 3 ZPO Letzteres ist vorzugswürdig, weil sich die Eheleute versöhnt haben könnten. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 28 5. Ausnahmen vom Anwaltszwang im Scheidungsverfahren • • Grundsatz (§ 114 Abs. 1 FamFG): Vor dem Familiengericht müssen sich die Ehegatten in Ehesachen und Folgesachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ausnahmen (§ 114 Abs. 4 FamFG): Es bedarf der Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht für 1. die Zustimmung zur Scheidung 2. die Zustimmung zur Rücknahme des Scheidungsantrags 3. für den Antrag auf Abtrennung einer Folgesache 4. den Widerruf der Zustimmung zur Scheidung 5. im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe 6. im Verfahren vor dem beauftragten Richter und für Verfahrenshandlungen, die vor einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle aufgenommen werden können, 7. für den Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs bei einer Ehezeit bis zu drei Jahren und für Erklärungen zum Wahlrecht nach § 15 Abs. 1, 3 FamFG Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 29 6. Aussetzung des Scheidungsverfahrens § 136 FamFG dient der Aussöhnung der Ehegatten Abs. 1: von Amts wegen Abs. 2: auf Antrag des Antragstellers Abs. 3 und 4: Verfahren Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 30 7. Der Scheidungsbeschluss • • • • • • • • • • • Im Namen des Volkes? Rubrum (§ 38 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) Beschlusseingang (§ 38 Abs. 2 S. Nr. 2 FamFG) Tenor (§ 38 Abs. 2 Nr. 3 FamFG) Gründe (Ausnahme § 38 Abs. 4 FamFG) Rechtsmittelbelehrung (§ 39 FamFG) Verkündung (§ 40 FamFG nicht anwendbar, 329 Abs. 1 ZPO, § 142 Abs. 3 FamFG) Zustellung (§§ 329 Abs. 3, 166 ff. ZPO) Rechtsmittel (§ 117 FamFG) Rechtsmittelverzicht (§ 144 FamFG) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2015/2016, Gabriele Ey 31
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