Unzulässige Anhörungsrüge - nicht erfüllte

OLG München, Beschluss v. 24.02.2016 – 34 Wx 394/15
Titel:
Unzulässige Anhörungsrüge - Nicht erfüllte Begründungsanforderung
Normenketten:
FamFG § 44 II 4
GBO § 81 III
§ 775 ZPO
§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG
FamFG § 44 II 4
GBO § 81 III
Leitsatz:
1. Eine Anhörungsrüge ist nicht formgerecht eingelegt, wenn der Rügeschrift mit Blick auf die
rechtliche Begründung der Beschwerdeentscheidung nichts für eine Entscheidungserheblichkeit
des als übergangen gerügten tatsächlichen Vorbringens entnommen werden kann. (amtlicher
Leitsatz)
Schlagworte:
Anhörungsrüge, Begründung, Entscheidungserheblichkeit, Sachvortrag
Gründe
Oberlandesgericht München
Az.: 34 Wx 394/15
Beschluss
vom 24.2.2016
AG Kempten (Allgäu) - Grundbuchamt
34. Zivilsenat
Leitsatz:
In der Grundbuchsache
Beteiligte:
1) W.
- Antragsgegner, Beschwerdeführer und Rügeführer 2) W.
- Antragstellerin und Beschwerdegegnerin Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin ...
wegen Eintragung einer Zwangshypothek,
hier: Gehörsrüge,
erlässt das Oberlandesgericht München - 34. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht Lorbacher, den Richter am Oberlandesgericht Kramer und die Richterin am
Oberlandesgericht Dr. Schwegler am 24. Februar 2016 folgenden Beschluss
Die Gehörsrüge des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss vom 18. Dezember 2015 wird verworfen.
Gründe:
1
I. Der Beteiligte zu 1 ist als Miteigentümer zu ½ eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Gegen die
am 3.11.2015 zugunsten der Beteiligten zu 2 eingetragene Zwangssicherungshypothek in Höhe von 830,56
€ zzgl. Zinsen hat er Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Eintragung zur Sicherung
einer Forderung im Betrag von weniger als 1.000 € sei unüblich und unangemessen. Sie würde zudem die
geplante Übertragung seines Miteigentumsanteils behindern. Der titulierten Forderung halte er
Gegenforderungen „aufgrund von Schlechtleistung und Störung“ entgegen. Mit Beschluss vom 18.12.2015,
der Geschäftsstelle übergeben am 21.12.2015 und unter demselben Datum formlos an den Beteiligten zu 1
hinausgegeben, hat der Senat das Rechtsmittel zurückgewiesen und dem Beteiligten zu 1 die Kosten des
Beschwerdeverfahrens einschließlich der der Beteiligten zu 2 erwachsenen außergerichtlichen Kosten
auferlegt.
2
Gleichfalls am 21.12.2015 gelangte das Schreiben des Beteiligten zu 1 vom 17.12.2015 zur Geschäftsstelle,
mit dem dieser sich gegen den Nichtabhilfebeschluss des Grundbuchamts mit
„Widerspruch/Einspruch/Beschwerde“ wendet und die „sofortige Zurückweisung der Eintragung dieser
Zwangssicherungshypothek“ sowie die „umgehende Löschung dieses erfolgten Eintrags“ beantragt. Er habe
der Beteiligten zu 2 einen legitimen Vorschlag zur Tilgung der titulierten Forderung unterbreitet, den die
Beteiligte zu 2 in Kenntnis der Veräußerungsabsicht des Beteiligten zu 1 und der daraus zu erwartenden
Liquidität ignoriert habe. Mit deren Antragstellung vom 23.10.2015 habe sie sich in Widerspruch gesetzt zu
ihrer mit Schreiben vom 21.10.2015 gegebenen Zusicherung einer Zahlungsfrist bis 30.10.2015. Die
eingetragene Zwangshypothek blockiere nun den Verkauf der Immobilie. Damit drohe auch die Fortsetzung
des Zwangsversteigerungsverfahrens. Der Beteiligten zu 2 seien die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Beteiligten zu 1 bekannt. Ihr Verhalten lasse den Verdacht entstehen, dass sie
die Interessen des Beteiligten zu 1 bereits bei Durchführung des der Titelforderung zugrunde liegenden
Mandats nicht neutral wahrgenommen habe. Zudem drohten durch das Vorgehen der Beteiligten zu 2
diverse weitere Schädigungen sowohl des Beteiligten zu 1 als auch dessen geschiedener Ehefrau. Die
Eintragung der Sicherungshypothek sei aus diesen Gründen unverhältnismäßig.
3
Unter Bezugnahme auf diese bei der Entscheidung nicht berücksichtigte Stellungnahme beantragt der
Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 28.12.2015, der Beschwerde unter Beachtung dieser „Nachtragungen
und Klarstellungen“ unter Zurückweisung von Kosten stattzugeben.
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II. Der als Anhörungsrüge zu behandelnde Rechtsbehelf ist zwar nach § 81 Abs. 3 GBO i. V. m. § 44 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft und fristgerecht erhoben (§ 44 Abs. 2 Satz 1 FamFG), erweist sich aber
dennoch als unzulässig. Eine Fortsetzung des Verfahrens (§ 44 Abs. 5 FamFG) und eine erneute
Entscheidung über die Beschwerde kommen daher nicht in Betracht.
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1. Die Anhörungsrüge ist als unzulässig zu verwerfen, weil der gesetzlichen Begründungsanforderung
gemäß § 44 Abs. 2 Satz 4 FamFG nicht genügt ist. Nach dieser Vorschrift muss sich nicht nur der
übergangene Sachvortrag, sondern auch dessen Entscheidungserheblichkeit aus der Rügebegründung
ergeben (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG).
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a) Ob das Schreiben vom 17.12.2015 zeitlich vor dem Erlass der Beschwerdeentscheidung, das heißt vor
dem Zeitpunkt der Übergabe des unterschriebenen Beschlusses an die Geschäftsstelle am 21.12.2015 (§
69 Abs. 3 i. V. m. § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG), bei Gericht eingegangen war und daher bei der Entscheidung
hätte berücksichtigt werden müssen (vgl. BGH FGPrax 2015, 286/287), kann dahinstehen und bedarf daher
keiner Aufklärung. Die Anhörungsrüge ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil der Rügeschrift mit Blick auf
die rechtliche Begründung der Beschwerdeentscheidung nichts für eine Entscheidungserheblichkeit des als
übergangen gerügten tatsächlichen Vorbringens entnommen werden kann (vgl. BGH NJW 2008, 378/379;
Gottwald in Bassenge/Roth FamFG 12. Aufl. § 44 Rn. 10; Zöller/Festkorn ZPO 31. Aufl. § 44 FamFG Rn. 4;
HK-Familienverfahrensrecht/Simon 3. Aufl. § 44 FamFG Rn. 13).
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b) Entscheidungserheblichkeit ist bereits dann, aber auch erst dann zu bejahen, wenn die Entscheidung bei
Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens möglicherweise anders ausgefallen wäre, mithin wenn
nicht auszuschließen ist, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders
entschieden hätte (BGH NJW-RR 2011, 1556/1557; NJW 2003, 3205; Gottwald in Bassenge/Roth § 44 Rn.
6; Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 44 Rn. 30, 34 und 40; Elzer in Bork/Jacoby FamFG 2. Aufl. § 44
Rn. 10 und 15; HK-Familienverfahrensrecht/Simon § 44 FamFG Rn. 20). Eine Entscheidungserheblichkeit
des unberücksichtigt gebliebenen, ergänzenden Tatsachenvorbringens (§ 74 GBO) ist hier angesichts der
rechtlichen Begründung der Beschwerdezurückweisung allerdings auszuschließen.
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aa) Der Senat hat die Entscheidung vom 18.12.2015 damit begründet, dass die Voraussetzungen einer
Amtslöschung nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO nicht vorlägen, weil die Eintragung ihrem Inhalt nach zulässig
sei, und die Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO ausscheide, weil das
Grundbuchamt bei der Eintragung keine gesetzliche Vorschriften verletzt habe. Vollstreckungshindernisse
im Sinne von § 775 ZPO, die der Eintragung entgegenstünden und die das Grundbuchamt zu beachten
gehabt hätte, habe der Beteiligte zu 1 nicht vorgetragen. Insbesondere habe er keine Entscheidung des
Vollstreckungsgerichts über eine Einstellung der Zwangsvollstreckung wegen Unverhältnismäßigkeit erwirkt.
In dieser Situation habe das Grundbuchamt weder das Recht noch gar die Pflicht gehabt, die
Angemessenheit der Grundstücksbelastung zu überprüfen. Mit dem Einwand von Gegenforderungen könne
der Beteiligte zu 1 im Grundbuchbeschwerdeverfahren nicht durchdringen.
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bb) Indem der Beteiligte zu 1 die Unverhältnismäßigkeit der von der Beteiligten zu 2 initiierten
Vollstreckungsmaßnahme zwar nicht mehr (allein) mit der Höhe der Titelforderung begründet, sondern mit
dem Ausmaß des Schadens und dem angeblich treuwidrigen und vereinbarungswidrigen Vorgehen der
Beteiligten zu 2, ändert er zwar die Begründung für die angenommene Unverhältnismäßigkeit und
Unangemessenheit der Vollstreckungsmaßnahme. Eine Entscheidungserheblichkeit des tatsächlichen
Vorbringens ist aber aus Rechtsgründen ausgeschlossen, weil das Grundbuchamt - wie im Beschluss vom
18.12.2015 ausgeführt - als Vollstreckungsorgan die Verhältnismäßigkeit nicht zu prüfen hatte.
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Dass das Vollstreckungsgericht - das ist weder das als Vollstreckungsorgan tätige Grundbuchamt noch das
ihm in der Beschwerdeinstanz übergeordnete Oberlandesgericht - wegen der vorgetragenen Umstände eine
Entscheidung nach § 775 ZPO über eine (endgültige oder einstweilige) Einstellung der Zwangsvollstreckung
gegebenenfalls nebst Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme getroffen habe, ist auch im Schriftsatz vom
18.12.2015 nicht vorgetragen.
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cc) Das Vorliegen eines vom Grundbuchamt bei dessen Eintragungstätigkeit am 3.11.2015 zu beachtenden
sonstigen Vollstreckungshindernisses im Sinne von § 775 ZPO kann auch mit einer von der Gläubigerin
eingeräumten, zu diesem Zeitpunkt im Übrigen abgelaufenen Zahlungsfrist nicht dargetan werden.
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dd) Die übrigen Ausführungen über das aus Sicht des Beteiligten zu 1 schadensverursachende und
rechtswidrige Verhalten der Beteiligten zu 2 können aus Rechtsgründen gleichfalls nicht
entscheidungserheblich sein, weil - wie im Beschluss vom 18.12.2015 ausgeführt - dem Titel im
Zwangsvollstreckungsverfahren vor dem Grundbuchamt strittige Schadensersatzansprüche nicht mit Erfolg
entgegen gehalten werden können.
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2. Eine Kostenentscheidung für das Rügeverfahren ist nicht veranlasst. Der Rügeführer ist kraft Gesetzes
dazu verpflichtet, die hier angefallenen gerichtlichen Kosten zu tragen (§ 22 Abs. 1 GNotKG). Die Beteiligte
zu 2 hat sich im Rügeverfahren nicht eingelassen. Es entspricht daher billigem Ermessen, von einer
Kostenauferlegung insoweit abzusehen (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG).
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Eine Geschäftswertfestsetzung ist nicht veranlasst, weil für das gerichtliche Verfahren eine Festgebühr
anfällt (Nr. 19200 KV GNotKG).
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Diese Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, § 44 Abs. 4 Satz 3 FamFG.
16
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
17
Übergabe an die Geschäftsstelle am 24.02.2016.
18
34 Wx 394/15