bgh entscheidet darüber, wie § 81 FamFg auszulegen ist

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ERBSCHEINSVERFAHREN
BGH entscheidet darüber,
wie § 81 FamFG auszulegen ist
von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm
| In Erbscheinsverfahren sind bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung gem. § 81 Abs. 1 FamFG sämtliche in Betracht
kommenden Umstände des Einzelfalls heranzuziehen. Hierzu zählen neben
dem Maß des Obsiegens und Unterliegens etwa die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen
oder rechtlichen Verhältnisse, die familiäre und persönliche Nähe zwischen
Erblasser und Verfahrensbeteiligten etc. Der Anwalt sollte dementsprechend vortragen. |
Sachverhalt
Die Parteien stritten um die Erbfolge nach der verstorbenen Erblasserin (E).
Die Beteiligte zu 1 ist deren Tochter (T), die übrigen Beteiligten sind die Kinder
des vorverstorbenen Sohns (S) der E. Mit notariellem Testament setzte die E
die Kinder des S zu Universalerben ein. Die T hielt dieses Testament wegen
Verstoßes gegen die Höfeordnung für unwirksam. Sie beantragte ­einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, der sie als Miterbin zu 1/2 sowie die
Kinder des S als Miterben zu je 1/8 ausweisen sollte. Das Nachlassgericht hat
den Antrag auf Kosten der T zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat ihre
Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass bezüglich des erstinstanzlichen Verfahrens die T und der Beteiligte zu 2 die Gerichtskosten zu je 1/2
tragen. Außergerichtliche Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens seien nicht
zu erstatten. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 war erfolglos.
Beschwerdegericht
legt die Gerichtskosten der T und dem
Beteiligten zu 2 auf
Sachverhalt
E
T
S
K1
K2
K3
K4
PDF erstellt für Gast am 22.04.2016
Grafik: IWW Institut
◼◼Leitsatz: BGH 18.11.15, IV ZB 35/15
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Abruf-Nr. 182291
Bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung in Erbscheinsverfahren gemäß § 81 Abs. 1 FamFG sind sämtliche in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Hierbei kann – ohne Anwendung
eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses – neben anderen Umständen auch das
­Obsiegen und Unterliegen berücksichtigt werden (Abruf-Nr. 182291).
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Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet nach billigem Ermessen über die Gerichtskosten
und die notwendigen Aufwendungen, um das Verfahren durchzuführen, § 80
FamFG. Es kann anordnen, dass davon abzusehen ist, Gerichtskosten zu
­erheben, § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG. In § 81 Abs. 2 FamFG hat der Gesetzgeber
verschiedene Tatbestände geregelt, die vorsehen, dass das Gericht die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen soll:
Gericht entscheidet
nach billigem
Ermessen über
die Gerichtskosten
„„ Dies ist etwa der Fall, wenn der Antrag des Beteiligten von vornherein aussichtslos war und der Beteiligte dies erkennen musste, § 81 Abs. 2 Nr. 2
FamFG.
„„ Ferner soll das Gericht die Kosten eines erfolglos eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat, § 84 FamFG.
Auch in Nachlasssachen entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen
darüber, ob es den Beteiligten Kosten auferlegt. Das G
­ ericht kann Kosten
zwischen den Beteiligten aufteilen, sie gegeneinander aufheben, Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten unterschiedlich verteilen oder gänzlich
davon absehen, Kosten zu erheben. Die Kostenverteilung richtet sich damit
nicht i. S. eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses des Inhalts danach, dass sie
regelmäßig nach dem Maß des Obsiegens und Unterliegens erfolgen muss.
Auch umgekehrt gilt aber, dass der Erfolg bedeutsam ist, sofern nicht besondere Umstände vorliegen.
Auch in Nachlasssachen entscheidet
das Gericht nach
billigem Ermessen
Das Maß des Obsiegens oder Unterliegens stellt nur einen von mehreren
­Gesichtspunkten dar, der bei der Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1
S. 1 FamFG zu berücksichtigen ist (BGH FK 14, 91, Abruf-Nr. 141025 = FamRZ
14, 744 dazu, wer die Kosten bei einer Vaterschaftsanfechtung tragen muss).
Dem Sinn und Zweck des § 81 Abs. 1 FamFG entspricht es, wenn man Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte berücksichtigt, dass das Gericht
in seine Ermessensentscheidung sämtliche in Betracht kommenden
­Umstände einbezieht. Hierzu zählen (vgl. hierzu etwa Keidel/Zimmermann,
FamFG, 18. Aufl., § 81 Rn. 48; Prütting/Helms/ Feskorn, FamFG, 3. Aufl., § 81
Rn. 11, 13), z. B.:
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„„ neben dem Maß des Obsiegens und Unterliegens
„„ die Art der Verfahrensführung,
„„ die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder
rechtlichen Verhältnisse,
„„ die familiäre und persönliche Nähe zwischen Erblasser und Verfahrensbeteiligten etc.
MERKE | Unzulässig ist aber ein Umkehrschluss, nach dem, wenn die Regelbeispiele des § 81 Abs. 2 FamFG nicht einschlägig sind, in allen übrigen Fällen anzuordnen ist, dass die Kosten aufzuheben sind. Durch die Regelbeispiele des § 81
Abs. 2 FamFG soll es dem Gericht nur ermöglicht werden, pflichtwidrig eingeleitete Verfahren sowie Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten der Beteiligten
negativ zu sanktionieren (vgl. BT-Drucksache 16/6308 S. 215). Wenn die Regel­
beispiele des § 81 Abs. 2 FamFG nicht greifen, ist nach § 81 Abs. 1 FamFG umfassend abzuwägen.
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Umkehrschluss
ist unzulässig
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Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann die Entscheidung des Tatrichters nur
darauf überprüft werden, ob das Gericht
„„ die gesetzlichen Grenzen überschritten oder
„„ sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (BGH FamRZ 14, 744 Rn. 14).
Beschwerdegericht
kann nur Ermessensfehler prüfen
Dieser beschränkten Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung stand.
Das Beschwerdegericht hat neben dem Obsiegen auch auf die wesentlichen
Unterschiede zwischen den Streitverfahren nach der ZPO und Nachlassverfahren, bei denen von Amts wegen (§ 26 FamFG) ermittelt wird, abgestellt. Es
ist auch die fehlende Rechtskraft von Entscheidungen im Erbscheinverfahren
zu berücksichtigen.
Relevanz für die Praxis
Die in § 13a Abs. 1 S. 1 FGG enthaltene Regel, dass in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jeder Beteiligte grundsätzlich seine außergerichtlichen
Kosten selbst tragen musste, wurde aufgegeben (vgl. BGH FamRZ 14, 744
Rn. 12; BT-Drucks. 16/6308 S. 215).
Das Beschwerdegericht kann die erstinstanzliche Kostenentscheidung nur
beschränkt dahin gehend überprüfen, ob das erstinstanzliche Gericht das
ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei g
­ ebraucht hat. Denn der Sinn des eingeräumten Ermessens würde verfehlt, wenn das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet wäre, ein vom erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen.
Das erstinstanzliche Gericht hat sein E
­ rmessen z. B. ungesetzlich gebraucht,
wenn es für die Ermessensentscheidung maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht ermittelt oder sonst unberücksichtigt gelassen hat (BGH
FamRZ 07, 893 Rn. 15).
SIEHE AUCH
↘↘ WEITERFÜHRENDE HINWEISE
zum Streitstand
•OLG Schleswig ErbR 15, 44 = ZEV 15, 635 als Vorinstanz
•OLG Schleswig FamRZ 14, 1217, 1218; ZEV 13, 445, 446; FamRZ 11, 923; so auch Kroiß, ZEV
15, 635, 639 f.; ähnlich OLG Rostock ErbR 15, 326, 328; KG FGPrax 2012, 115, 116 f., dazu,
dass dem unterlegenen Antragsteller die Kosten nur auferlegt werden dürfen, wenn
zusätzliche Umstände hinzutreten
•A. A.: OLG Düsseldorf ErbR 14, 391, 392, dazu, dass das Maß des Obsiegens und
Unterliegens auch im Rahmen von § 81 Abs. 1 FamFG besonders bedeutsam ist,
­
­namentlich in streitigen Nachlasssachen mit vermögensrechtlichem Schwerpunkt; das
OLG Düsseldorf will von diesem Grundsatz nur abweichen, wenn der Standpunkt eines
Beteiligten auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht (ZEV 12, 662, 664);
•wie OLG Düsseldorf: OLG Köln ErbR 15, 266, 268; OLG Frankfurt am Main ZEV 15, 158, 160
•einschränkend OLG München ZEV 12, 661 f.
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•wie OLG Düsseldorf: Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 81 Rn. 46, 49
•wie OLG Düsseldorf: MüKo/Schindler, FamFG, 2. Aufl., § 81 Rn. 12 f.
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