Präsentation zur Besprechung

Besprechung Klausur im Zivilrecht für
Fortgeschrittene im Wintersemester 2015/2016
Besprechung Klausur im Zivilrecht
für Fortgeschrittene im
Wintersemester 2015/2016
Prof. Dr. Martina Benecke
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht,
Handels-, Arbeits- und Wirtschaftsrecht
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Besprechung Klausur im Zivilrecht für Fortgeschrittene
im Wintersemester 2015/1016
Frage 1: Ansprüche der V-GmbH
gegen S wegen der Fahrt ohne Ticket
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Klausurbesprechung vom 22.12.2015
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im Wintersemester 2015/1016
A) Anspruch aus Zahlung der 40,- € aus dem Beförderungsvertrag
gem. § 631 I Hs. 2 BGB iVm Nr. 1 der Beförderungsbedingungen
I. Zustandekommen des Vertrags
• Vertragstyp = Werkvertrag, da Beförderungserfolg geschuldet
• Lehre vom sozialtypischen Verhalten abzulehnen, Vertragsschluss durch zwei
korrespondierende Willenserklärungen
1. Antrag der V-GmbH?
• Rechtsfähigkeit und Vertretung der GmbH, §§ 13 I, 35 I 1 GmbHG
• Konkludent (+) nach § 145 BGB: „offerte ad incertas personas“
2. Annahme durch S?
• Konkludent (+) nach§§ 147, 151 S. 1 Alt. 2 BGB
(P) Objektiver Tatbestand: Rechtsbindungswille
(P) Subjektiver Tatbestand: fehlender Erklärungswille  § 116 S. 1 BGB analog
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Klausurbesprechung vom 22.12.2015
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II. Wirksamkeitshindernisse gem. §§ 107, 108 I BGB?
•
S = 17 Jahre alt  minderjährig nach §§ 106 BGB iVm 2 BGB
•
Erforderlichkeit der Einwilligung, §§ 107, 183 S. 1 iVm 1626 I, 1629 I BGB,
wenn Rechtsgeschäft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft
– Pflicht zur Vergütungszahlung aus Beförderungsvertrag gem. § 631 I HS. 2 BGB
 damit nicht lediglich rechtlich vorteilhaft
 Einwilligung erforderlich
– Gesetzliche Vertreter = Eltern des S gemeinschaftlich gem. §§ 1626 I, 1629 I 2 BGB
– Hier: Einwilligung für Fahrt ins Fitnessstudio (-)
•
(P) Generaleinwilligung, § 110 BGB: nur für Schulfahrten, i.Ü.: bewirkt (-)
•
Auch keine Genehmigung, §§ 108 I, 184 I BGB
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Ergebnis zu A):
Der Beförderungsvertrag zwischen der V-GmbH und S ist unwirksam.
Mangels wirksamen Vertrages besteht kein Anspruch der V-GmbH
gegen S.
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B) Anspruch auf Zahlung der 40,- € aus §§ 280 I, 241 II, 311 II
Nr. 3 BGB (c.i.c.)
• Anwendbarkeit bei Nichtzustandekommen von Verträgen
I.
•
•
Vorliegen eines Schuldverhältnisses, §§ 280 I 1, 241 II, 311 II Nr. 3
BGB?
Bei c.i.c.  Schutz des Minderjährigen analog §§ 106 ff. BGB, d.h.:
Zustimmung der Eltern zum geschäftlichen Kontakt erforderlich
Entscheidend aber nach h.M.: grundsätzliches Einverständnis der gesetzlichen
Vertreter mit Aufnahme vorvertraglicher Kontakte
 hier: grundsätzliches Einverständnis mit Busfahrten (+) – a.A. vertretbar
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II. Pflichtverletzung, §§ 280 I 1, 241 II BGB
= Inanspruchnahme der Beförderungsleistung durch S ohne das hierfür
geschuldete Entgelt bezahlen zu wollen und ohne es tatsächlich zu bezahlen
III. Vertreten müssen, § 280 I 2 BGB
• Vermutung nach § 280 I 2 BGB
• Hier: Vorsatz (+)
• Verschuldensfähigkeit nach§§ 276 I 2, 828 III BGB (+)
IV. (P) Schaden, §§ 249 ff. BGB
 (P) Schadenshöhe: 40,- € (-) mangels Kausalität;
 vertretbar: Benzin-/Stromverbrauch, Fahrpreis
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Ergebnis zu B):
Ein Anspruch aus c.i.c. besteht dem Grunde nach, ob ein Schaden
eingetreten ist, bleibt Tatfrage.
A.A. vertretbar
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C) Anspruch auf Zahlung der 40,- € aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB
•
Anwendbarkeit bei minderjährigem Geschäftsherrn (+)
Schutz des Minderjährigen wird dadurch gewährleistet, dass i.R.d. § 683 S. 1 BGB
auf den Willen des gesetzlichen Vertreters analog § 166 I BGB abgestellt wird.
I.
Geschäftsbesorgung, § 677 BGB: Beförderung
II. Fremdes Geschäft, § 677 BGB: auch-fremdes Geschäft, da gleichzeitig in
Erfüllung der Beförderungsleistung
III. Fremdgeschäftsführungswille als ungeschriebenes TBM (+)
IV. Im Interesse des Geschäftsherrn, § 683 S. 1 BGB
•
•
Schutz des Minderjährigen  analog § 166 I iVm §§ 1626 I, 1629 I BGB auf den
Willen der gesetzlichen Vertreter abstellen
Schwarzfahrt weder im ausdrücklichen noch im mutmaßlichen Willen der Eltern
Ergebnis zu C): Kein Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB
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D) Anspruch auf Zahlung der 40,- € aus §§ 684 S. 1, 818ff. BGB
I. Liegen die Voraussetzungen des § 683 BGB nicht vor = Geschäftsbesorgung
entspricht nicht dem Interesse und/oder dem Willen des Geschäftsherrn  (+)
II. (P): Verweis auf Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung = Rechtsgrundverweis oder Rechtsfolgenverweis?  str.
•
Teil d. Lit.: Rechtsgrundverweis
Streit nur bedeutend im Hinblick auf die
•
Rspr./h.L.: Rechtsfolgenverweis
Anwendbarkeit von §§814, 815, 817 S. 2 BGB
 Rpsr./h.L folgen!  Rechtsfolge, §§ 818 ff. BGB
– § 818 I BGB: Herausgabe des Erlangten nicht möglich
– § 818 II BGB: Wertersatz möglich  Höhe: Fahrpreis
– § 818 III BGB: Entreicherung? (-) a.A. vertretbar
Ergebnis zu D): Die V-GmbH hat gegen S einen Anspruch auf Zahlung
von 2,80 €.
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Lösung über Rechtsgrundverweis§§684 S. 1, 812 I 1 Alt. 1, 818f. BGB
I.
II.
III.
IV.
Etwas erlangt: Beförderungsleistung ist ein vermögenswerter Vorteil
Durch Leistung der V-GmbH
Ohne Rechtsgrund
Rechtsfolge, §§ 818 ff. BGB
– Herausgabe des Erlangten nicht möglich
– Wertersatz, § 818 II BGB (+), Höhe: Fahrpreis
– Entreicherung, § 818 III BGB? (-); a.A. vertretbar
– Verschärfte Haftung, §§ 819 I, 818 IV, 292 II, 987 BGB
(P) Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes
 Grds.: Kenntnis der gesetzlichen Vertreter analog § 166 I Alt. 2 iVm §§1626 I, 1629 I BGB maßgeblich
BGH: hier wegen deliktischer Erlangung
Kenntnis des S selbst analog § 828 III
BGB maßgeblich
a.A. (Lit.): trotz Delikt bleibt es
beim Grundsatz wegen Schutz
des Minderjährigen
BGH folgen  Haftung nach den allgemeinen Vorschriften, §§ 292 II, 987 BGB (a.A. vertretbar)
Ergebnis: Die V-GmbH hat gegen S einen Anspruch auf Zahlung von 2,80 € (a.A. vertretbar).
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E) Anspruch auf Zahlung der 40,- € aus § 823 I BGB
• (-), reines Vermögen kein geschütztes „sonstiges Recht“
F) Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 II BGB iVm.
§ 265a StGB
• Vorliegen eines Schutzgesetzes, Art. 2 EGBGB: § 265a StGB
• Tatbestand des § 265a StGB (+)  Strafmündigkeit, § 19 StGB (+)
• (P) Schaden, §§ 249 ff. BGB
 (P) Schadenshöhe vgl. B)
Ergebnis zu E) u. F): Ein Anspruch der V-GmbH gegen S aus § 823
II BGB iVm. § 265a StGB besteht dem Grunde nach, der Umfang des
Schadens ist Tatfrage. Ein Anspruch aus § 823 I BGB besteht nicht.
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Gesamtergebnis zu Frage 1:
Die V-GmbH hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz
gegen S aus §§ 823 II BGB, 265a StGB und §§ 280 I, 311 II Nr. 3,
241 II BGB (a.A. vertretbar).
Sie hat auch einen Anspruch auf Zahlung von 2,80 € aus §§ 819 I,
818 IV, 292 II, 987 BGB (a.A. vertretbar), nicht aber auf Zahlung der
40,- €.
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Frage 2: Schadensersatzanspruch
des G gegen S
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A) Anspruch auf Schadensersatz aus Vertrag
 Rechtsbindungswille (-), da Freizeit mit Freunden = sozial-gesellschaftlich
B) Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 823 I, 249 ff. BGB
I.
Rechtsgutverletzung: Körper und Gesundheit des G
II. Verletzungshandlung: Angreifen mit Schläger
III. Haftungsbegründende Kausalität
IV. Widerrechtlichkeit  Keine Einwilligung des G
V. Verschulden  Deliktsfähigkeit des S, § 828 III BGB

Kausaler Schaden, §§ 249 ff. BGB
 Heilbehandlungskosten nach § 249 II 1 Alt. 1 BGB; Schmerzensgeld nach § 253 II, I BGB
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C) Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 823 II, 249 ff. BGB iVm.
§ 229 StGB
•
•
Vorliegen eines Schutzgesetzes, Art. 2 EGBGB: § 229 StGB (§§ 223 I, 224 I
Nr. 2 StGB bei Bejahung des Vorsatzes genauso vertretbar)
Schaden, §§ 249 ff. BGB (+) vgl. oben B)
Gesamtergebnis zu Frage 2:
G hat gegen S einen Anspruch auf Ersatz der Heilbehandlungskosten
und ein angemessenes Schmerzensgeld gem. §§ 823 I, 249 I 1 Alt. 1,
253 II, I BGB und gem. § 823 II BGB iVm § 229 StGB, §§ 249 II
Alt. 1, 253 II, I BGB.
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Frage 3: Ansprüche des G gegen S auf
Herausgabe der Karte
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A) Anspruch auf Herausgabe der Karte aus Vertrag
 § 516 BGB oder § 667 BGB  Vertragsschluss (-), mangels Kenntnis des G
B) Anspruch auf Herausgabe der Karte aus §§ 677, 681 S. 2, 667
Alt. 2 BGB
I. Geschäftsbesorgung, § 677 BGB: Kauf der Karte
II. Fremdes Geschäft, § 677 BGB
III. (P) Fremdgeschäftsführungswille als ungeschriebenes TBM
– Nachträglicher Wegfall des Fremdgeschäftsführungswillen unbeachtlich
– Maßgeblich für Vorliegen der GoA = Vornahme der Geschäftsbesorgung
IV. Im Interesse des Geschäftsherrn, § 683 S. 1 BGB
V. Rechtsfolge, §§ 681 S. 2, 667 Alt. 2 BGB: Herausgabe des Erlangten = Karte
– § 685 I BGB (+), daher Zug-um-Zug gegen Ersatz der Aufwendungen, §§ 683 S. 1,
670, 273, 274 BGB
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C) Anspruch auf Herausgabe der Karte aus § 985 BGB
• Anspruchsteller G = Eigentümer
 Vertretung des G durch S i.R.d. § 929 S. 1 BGB gem. § 164 I BGB
 Eigene Willenserklärung des S
 Handeln im fremden Namen (-)
 da Eigengeschäft des S nach § 164 II BGB
 Vertretungsmacht, § 167 I BGB (-)
 I.Ü.: Übergabe nach § 929 S. 1 BGB an G (-)
Gesamtergebnis Frage 3:
G kann von S die Karte gem. §§ 681 S. 2, 667 Alt. 2 BGB
herausverlangen.
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