6 Der Kalte Krieg

Der Kalte Krieg
Begriff
• Bernard Baruch April 1947
• Walter Lippmann (September 1947)
Hypothesen zum Kalten Krieg
• bipolar v. multipolar
• Wenn Macht Militärpotential meint: bipolar
• Handlungsautonomie von Akteuren
(Beispiel: Kolonialmächte v. USA; China v. Sowjetunion)
Charakter der Einflusssphären
• Sowjetunion: Machtbereich, der durch militärische Besetzung
entsteht und der durch Militärpotential und Unterdrückung
zusammen gehalten wird.
• Vereinigte Staaten: “empire by invitation” (Geir Lundestad),
zusammengehalten durch gemeinsame Bedrohung, Werte,
Kultur und Interessen
Democratic empire v. Unterdrückung
• Amerikanisches ‘Imperium’: demokratisch, im alliierten
Interesse – joint venture
• Sowjetisches ‘Imperium’: Einheit durch Gewalt und
Zentralisierung; Bevölkerungen haben kein Interesse an
Kooperation – kein joint venture
Ideologie
• Bedeutung von Ideologie für das Sowjetsystem:
– Globale Klassenfrage
– Staatswirtschft
Die Bombe
• Szenario des atomaren Krieges in Europa sichert Frieden
Gründe
Phasen des Kalten Krieges
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1945-1953: Spannungen und Konflikte
1953-1962: Konsolidierung und Höhepunkt
1962-1975: Détente
1975-1984: Spannungen
• 1985-1990: Überwindung
1945: Stunde Null?
• Ausprägung der Nachkriegsordnung 1943
• Teilung des Kontinents bis 1948
• Stalin: “Dieser Krieg ist anders als frühere. Wer immer ein Territorium
besetzt, wird auch sein System auferlegen. Jeder errichtet sein System, so
weit seine Armeen reichen. Es kann nicht anders sein.”
Sozialer Kontext
• Millionen entwurzelter Männer, Frauen und Kinder
(1945: 46 Millionen in Zentraleuropa)
• Regierungen ordnen Zwangsmigrationen an
• Deutschenhaß
• Verbindung von Deutschen und Juden
Politische Konsequenzen
• Erzwungene Anpassung an kommunistische
Herrschaft in Osteuropa
• Sozialer Konsens über Sozialstaat,
Konsumgesellschaft, Familie in Westeuropa
Umgang mit Kollaborateuren und Dissent
• Westeuropäische Koalitionsregierungen:
rechtstaatliche Verfahren zur Feststellung
individueller Schuld. Relativ früh Rückgriff
auf Kontinuität (insb. Verwaltung) und
Amnestien. Keine Verknüpfung mit sozioökonomischen Reformen.
• Osteuropa: Säuberungsaktionen gegen
“Faschisten” und Kriegsverbrecher bilden
zentrales Element beim Aufbau eines
kommunistischen Staates
Sozialer Kontext: Fazit
• Anders als nach dem Ersten Weltkrieg stellen Minderheiten kein
signifikantes Problem mehr für die Nationalstaaten und für die
Internationale Ordnung dar. Nach 1945 sind fast alle Staaten
Nationalstaaten (Einheit von Kulturraum und Territorium)
• Anders als nach dem Ersten Weltkrieg gibt es nach dem Zweiten Weltkrieg
keine revisionistischen Gruppen mehr, die die Uhr zurückdrehen wollen.
Rechte autoritäre Regime (bis auf Ausnahmen) und Faschismus sind
gründlich diskreditiert.
Der Kalte Krieg: Wie und Warum?
• Ausgangslage: Konsens, dass es besser ist, wenn die Sowjetunion
Osteuropa kontrolliert, als wenn Deutschland Westeuropa
beherrscht. Ziel: Fortführung der Kriegsallianz.
• Sowjets haben kein uneingeschränktes Vertrauen in Westmächte;
fürchten, dass sie ausgeschlossen werden von wichtigen Beratungsund Entscheidungsprozessen.
• Westliche Kritik am sowjetischen Vorgehen in Polen: Warum
schauen die Russen zu, wie die Deutschen den Aufstand der Polen
in Warschau brutal zerschlagen?
• Stalin in der Wahrnehmung vieler Amerikaner: von “Uncle Joe” zum
paranoiden Diktator
• Sowjetische Besetzung Osteuropas allmählich als Bedrohung
amerikanischer Werte und langfristiger Ziele wahrgenommen
(Demokratie und Frieden)
• Entscheidende Frage: Zukunft Deutschlands
Die Teilung Deutschlands – Erster Akt
• Zunächst: Frankreich ist strikt gegen ein
vereintes Deutschland (1945/46)
• Stalins Politik ist widersprüchlich:
– Vernichtung des reaktionären deutschen
Kapitalismus und Etablierung eines prosowjetischen Deutschland
– Hohe Reparationsforderungen
Die Teilung Deutschlands – Zweiter Akt
• Lebensmittelengpässe in Großbritannien zwingen westliche Alliierte zur
Neubestimmung der Reparationsfrage
• Lösung: Schaffung eines anglo-amerikanischen Bizonesien zur Lösung der
wirtschaftlichen Probleme und zur Rekonstruktion
• Sept. 1946: Rede des amerikanischen Außenministers Byrnes in Stuttgart:
Deutsche sind nicht länger besetzte Feinde, sondern Partner beim
Wiederaufbau Europas
• Frühjahr 1948: drei westliche Zonen schließen sich zusammen und
erhalten Gelder aus dem Marshall-Plan
• Stalins Antwort: Blockade Berlins (4/1948 – 5/1949)
Die Teilung Deutschlands – Dritter Akt
• Stalin verfügt Zusammenschluss von kleiner kommunistischer
Partei mit großer sozialdemokratischer Partei; Landreform;
Kommunisten übernehmen Regierung
• Mai 1949: Westl. Alliierten stimmen dem “Grundgesetz” in
den drei westlichen Zonen zu; Bildung der Bundesrepublik
Deutschland unter Kanzler Konrad Adenauer
• Oktober 1949: Bildung der Deutschen Demokratischen
Republik
Teilung Deutschlands reflektiert fundamental unterschiedliche
Politikentwürfe für Europa
• Sowjetische Politik
– Erwzungene Konformität
– Ausbeutung von Ressourcen der ‘Verbündeten‘
– Geringe Integration (Sicherheit, Wirtschaft)
• Amerikanische Politik
– Verführung der Deutschen
– Bereitstellung von Ressourcen an die Verbündeten:
Marshall Plan (14 Mrd. damals, umgerechnet zwischen 60
und 100 Mrd. in aktuellen USD)
– NATO: Bündnis im Konsens. Ziele (Lord Ismay): “to keep
the Americans in, the Russians out, and the Germans
down”.
Amerikanische Verführung Europas
Bruttosozialprodukt ausgewählter Staaten 1950
400
350
300
USA
UdSSR
GB
F
BRD
250
200
150
100
50
0
in Mrd. US Dollar
Kalter Krieg: Konsolidierung und Höhepunkt
(1953-1962)
• Anhaltende und (vor allem im Westen) sich
beschleunigende Integration der Blöcke
• Innerhalb Westeuropas:
– Gemeinsame Bedrohung
– Steigende US-Investitionen in Westeuropa
– Aktive U.S.-Unterstützung der europäischen Integration
Integration im Osten
• Rote Armee, Unterdrückung, Zwang, Gewalt
Symbol des Eisernen Vorhangs: Bau der Berliner Mauer,
13.8.1961
Der Westen und der Rest
• Frieden im Westen
• Unterdrückung im Osten
• Heiße Kriege im Rest
– Lokale Ursachen
– Stellvertreterkriege
Korea Krieg 1950-1953
Indochina Krieg 1945-1954
Der amerikanische Krieg in Vietnam 1961-1973/5
Die Kuba Krise 1962
Der sowjetische Krieg in Afghanistan 1979-1989
Bewertung
• Kalter Krieg schafft Stabilität in Europa und heizt außerhalb
Europas Konflikte an.
• Frieden zwischen europäischen Staaten (nicht
notwendigerweise: Frieden innerhalb von Staaten).
Mißachtung der Menschenrechte in Osteuropa (ähnlich wie
vor 1939)
Verteidigungsausgaben der Supermächte, 1948-1970
(in 1985 USD)
90
80
70
60
50
USA
UdSSR
40
30
20
10
0
1948
1954
1960
1966
Feuerkraft: 2. Weltkrieg und 1960er
(1 Punkt = Feuerkraft in WW2
Détente (1962-1975)
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MAD und andauernder Rüstungswettlauf
Rüstungsbegrenzungsverträge (euphemistisch: Abrüstungsverträge)
Verdichtung von Kontakten zwischen Westen und Osten
Prager Frühling 1968
Rückkehr zur Konfrontation (1975-1984)
• KSZE 1973-75: Höhepunkt der Détente. Aber: Sowjets legen
Lippenbekenntnisse zu Menschenrechten ab, Amerikaner sind enttäuscht
• Leonid Breschnew: “Détente kann nicht im Entferntesten die Gesetze des
Klassenkampfes aufheben oder verändern. Wir verbergen auch nicht die
Tatsache, dass wir Détente als eine Möglichkeit begreifen, günstigere
Bedingungen für eine friedliche sozialistische und kommunistische
Entwicklung zu schaffen.”
Ronald Reagan
Die Implosion
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Gorbatschow löst friedliche Koexistenz von der Frage des Klassenkampfes –
Kooperation wird zu einer Viriabel, die auf Dauer angelegt ist.
Kosten des Wettrüstens übersteigen 20% des sowjetischen BSP. Wachstumsraten,
ohnehin seit den 70er Jahren schwach, tendieren gegen Null.
Realisierung, dass System total erstarrt ist.
Freedom at Last
Mentaler Eiserner Vorhang
• Indoktrination und anti-westliche Propaganda
• Sozialisierende Funktion nicht-westlicher
Institutionen und Praktiken
• Anpassung an Bedingungen
Idealtypen von westlichen und östlichen Mentalitäten
• Kollektivismus versus Individualismus
• Pochen auf Sicherheit versus unterschiedliche Grade der Bereitschaft,
Risiken einzugehen
• Betonung von Status-Stabilität versus Interesse an individueller
Karriere und Erfolg
• Wunsch nach Konformität versus Notwendigkeit zur Innovation
• Erwartung, dass Staat Probleme löst versus Betonung von
Selbstverantwortung (weniger ausgeprägt in Deutschland oder
Frankreich)
• Neigung, individuelles Versagen dem System anzulasten versus
Neigung, individuelles Versagen sich selbst zuzuschreiben
• Rückzug ins Private versus aktive Partizipation im öffentlichen Raum
und in der Zivilgesellschaft
• Forderung nach gleicher Verteilung von Einkommen und Reichtum
versus Anerkennung einer Meritokratie
• Dogmatismus im Denken und Intoleranz versus Pluralismus im Denken
und Toleranz
Entstehende Zivilgesellschaft in Osteuropa
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Mutige Aktivitäten von Dissidenten
Kirche in Polen
Solidarnocz (Polen) oder Charta 77 (Tschechoslowakei)
Aufschwung durch Glasnost
Friedliche Revolutionen
• Politik von Gorbatschow besteht nicht mehr auf einem
sowjetischen Imperium in Osteuropa. G. will Kommunismus in
der Sowjetunion retten. Weltrevolution ist nicht mehr das Ziel
des Kreml.
• Rapide sinkende wirtschaftliche Performanz in der
Sowjetunion und im kommunistischen System insgesamt.
Satelliten waren insgesamt wirtschaftlich erfolglos, die Kosten
für Truppenstationierungen zu hoch.
• Mutige Akteure der Zivilgesellschaft setzen sich für
Bürgerrechte, Menschenrechte und Demokratisierung ein.