S C H W E R P U N K T | Kooperation in der Sozialen Arbeit Zur Relevanz der Kooperation in der Sozialen Arbeit Kooperation als Strukturmerkmal und Handlungsmaxime der Sozialen Arbeit Text: Ueli Merten, Urs Kaegi Bilder: Callista Images/Cultura/F1online Die Soziale Arbeit ist nicht nur durch die komplexen Pro- kann der Zunahme der Querschnitts- und Vernetzungs blem- und Lebenslagen der Klientinnen und Klienten heraus- aufgaben und den strukturellen Anforderungen nachge gefordert, sondern auch von der gewachsenen Zersplitterung, kommen werden. Spezialisierung und Ausdifferenzierung von Dienstleistungs angeboten und Organisationsformen, unterschiedlichen gesellschaftlichen Vorgaben, Finanzierungsmodellen und politischen Abhängigkeiten. Nur durch Kooperation als bewusst gewählte, beabsichtigte und fachlich begründete Zusammenarbeit sowie durch den Prozess gegenseitiger Abstimmung 10 SozialAktuell | Nr. 1_Januar 2016 Professionelles Handeln in komplexen Systemen wie der Sozialen Arbeit zeichnet sich durch kompetente Bearbeitung eines gemeinsamen Gegenstandes in verschiedenen Handlungsfeldern aus. Dabei sind die gegenseitige Abstimmung und Unterstützung ebenso zu beachten wie die Zielvorstellungen und jeweiligen Handlungslogiken der unterschiedliche Beteiligten, Fachkräfte und Professionen. Kooperation in der Sozialen Arbeit | S C H W E R P U N K T Im Zentrum der Kooperation mit Klientinnen und Klienten (Ko-Produktion) sowie der intra-, interprofessionellen und interorganisationalen Kooperation stehen deshalb das Wissen über Interaktions- und Verhandlungsprozesse ebenso wie Methoden der Gestaltung effektiver Teamarbeit, die Grundlagen konstruktiver Konfliktbearbeitung sowie über Projektmanagement. Kooperation zielt in ihrer Wirkungsabsicht immer auf die Verbesserung der Lebenslage der Klientinnen und Klienten und wird im Interesse gesellschaftlicher Leistungssysteme erbracht. Damit wird Kooperation zu einem Strukturmerkmal und zugleich zur Handlungsmaxime für Professionelle der Sozialen Arbeit. Weshalb kooperieren? Merkmale von Kooperationen sind mindestens zwei Kooperationspartner, ein intendiertes Handeln, Abstimmungs- und Aushandlungsprozesse, Zielinterdependenz, Gewinnorientierung und Wirkungsabsicht sowie die Zusammenlegung von Ressourcen und Kompetenzen, die als notwendig erachtet werden, um die Ganzheitlichkeit der Hilfen zu gewährleisten und der Komplexität der Problemlagen Rechnung zu tragen (vgl. Balz/Spiess 2009: 25). Dabei kann zwischen strategischer und empathischer Kooperation unterschieden werden. Erstere wird als ein Handeln verstanden, das rational und zielgerichtet seinen Gewinn und die Wirkung kalkuliert und damit der Zweckrationali- Kooperation zielt in ihrer Wirkungsabsicht immer auf die Verbesserung der Lebenslage der Klientinnen und Klienten tät in Organisationen entspricht. Empathische Kooperation betont die kommunikativen und psychosozialen emotionalen Aspekte der Verständigung, die Reziprozität, die Fähigkeit des Perspektivenwechsels und die Anerkennung und Akzeptanz des fachlichen Gegenübers. (ebenda: 35) Kooperationen stellen hohe Anforderungen an die Beteiligten und scheinen nur dann dauerhaft möglich zu sein, wenn für alle positive Effekte zu erwarten sind. Daraus lassen sich folgende Anlässe zur Gestaltung von kooperativen Prozessen unterscheiden: –– Fachlich begründete Absichten: Kooperation als intendierte Zusammenarbeit, die aus der Einsicht und Nachvollziehbarkeit der handlungs- oder leistungssystembezogenen Zielinterdependenz entsteht. –– Gesellschaftliche und sozialpolitische Sachzwänge: Politische, institutionelle und organisationale Vorgaben und die Verknappung der finanziellen Ressourcen fordern und fördern definierte Fachpartnerschaften. –– Aufgabenkomplexität: Klientelbezogener Handlungsbedarf; die komplexen Problemstellungen verlangen nach mehreren Spezialistinnen und Spezialisten sowie fachspezifischen Kompetenzen. –– Zuständigkeitsprobleme und Abgrenzungsprobleme: Der oft mehrschichtige Handlungsbedarf und die statusund auftragsbezogenen Positionen/Funktionen/Rollen der beteiligten Fachkräfte erfordern Aushandlungs- und Abstimmungsprozesse zur Koordination der Fallsteuerung und Aufgabenteilung. –– Effektivitätsforderungen: Sozial- und finanzpolitische Vorgaben erfordern Partnerschaften, die durch Zusammenlegung der Ressourcen und durch klares Kostenbe- Zum Thema Christoph Mattes arbeitet am Institut für Sozialplanung und Stadtentwicklung der FHNW in Basel und ist Mitglied der Redaktionsgruppe. Benjamin Shuler, dipl. Sozialarbeiter FH und MA in Sozialer Arbeit, arbeitet bei einer kantonalen Verwaltung als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und ist Mitglied der Redaktionsgruppe von S ozialAktuell. Liebe Leserinnen und Leser Es war eigentlich naheliegend, für uns aber trotzdem überraschend und erfreulich zugleich, dass wir im Vorfeld dieser Ausgabe zahlreiche Angebote aus Ihren Reihen erhielten, zum Thema «Kooperation in der Sozialen Arbeit» einen Beitrag zu schreiben. Denn auf verschiedensten Ebenen und mit unterschiedlichsten Akteurinnen und Akteuren in der Sozialen Arbeit zu kooperieren, scheint nicht nur eine akademische Frage zu sein, sondern ist Bestandteil unseres beruflichen Handelns. Mit dieser Ausgabe möchten wir aufzeigen, welche Möglichkeiten und Chancen Kooperation in der Sozialen Arbeit bietet. Und so freut es uns sehr, Ihnen auf den folgenden Seiten einen Einblick in den derzeitigen Fachdiskurs zu diesem Thema geben zu können. Als Einstieg beschreiben Ueli Merten und Urs Kaegi die Relevanz von Kooperation für die Soziale Arbeit. Martin Schröder und Marc Schmid werfen in der Folge einen aufmerksamen Blick auf die Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Am Beispiel Jugendarbeit zeigt dann Marco Mettler Chancen der Kooperation mit Jugendlichen auf, gefolgt vom Beitrag von Claudia Michel, T homas Friedli und Matthias Riedel, in dem die interinstitutionelle Kooperation in der Palliative Care beleuchtet wird. Mit dem Fokus auf intraprofessionelle Kooperation berichten Emanuela Chiapparini, Esther Bussmann, Stefan Eberitzsch und Renate Stohler über Kooperation im Kontext von Ganztagesbildung. Die Ergebnisse eines Nationalfondsprojektes zur erschwerten Kooperation im Kontext der Sozialhilfe werden von Fabienne Rotzetter, Miryam Eser Davolio und Jutta Guhl präsentiert, bevor Michelle Beyeler auf Kooperationen im Bereich der sozialen Grundversorgung eingeht. Ausserdem berichten Rahel El-Maawi und Sabine Schenk vom Verlauf eines gemeinsamen Projekts der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit und eines Zürcher Quartierzentrums, und Karin Werner und Esther Bussmann stellen ein E-Didaktik-Experiment vor, welches von der ZHAW Soziale Arbeit und einer Partnerhochschule in Indien durchgeführt wurde. Kooperation kennt keine Grenzen! Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre, verbunden mit den besten Wünschen für das Jahr 2016 – das Ihnen viele und hoffentlich auch für Sie erfreuliche Kooperationen bescheren möge. wusstsein grössere Effizienz und Effektivität der Handlungen ermöglichen. –– Qualitätsansprüche: Qualitätsarbeit kann nur durch ein vereinbartes Zusammenwirken (Zusammenlegen von strukturellen, kompetenzorientierten und personellen Ressourcen und Strukturen sowie durch institutionalisierte Austauschbeziehungen) erzielt werden. Dabei werden folgende Wirkungsziele unterscheiden: –– Vermehrung und Optimierung der klientelbezogenen Handlungsoptionen und Verbesserung der Problemlösungskompetenz der beteiligten Fachkräfte. Nr. 1_Januar 2016 | SozialAktuell 11 S C H W E R P U N K T | Kooperation in der Sozialen Arbeit –– Koordination der fachlichen, strukturellen und personalen Ressourcen und Vermeiden von Doppelspurigkeiten im Behandlungsprozess. –– Verbesserung des gegenseitigen Informationsflusses und Wissenstransfers sowie Steigerung des Wissens über die anderen Kooperationspartner. –– Verbesserung der Zielerreichung und Ergebnisqualität und Verminderung von Folgekosten. –– Verbesserung der organisationalen und fachlichen Kompetenzen als lernende Organisation. –– Steigerung der gemeinsamen Wettbewerbsfähigkeit und Förderung des solidarischen Handelns. –– Verbesserung der wirtschaftlichen Situation (KostenNutzen-Bewusstsein) und Sicherung der eigenen Zukunft durch gezielte Zusammenarbeit. Kooperation als intendierte Zusammenarbeit Bezugnehmend auf und in Erweiterung von Eppel/Hamer (1997), Van Kardorf (1998), Schweitzer (1998), Van Santen/ Seckinger (2003), Balz/Spiess (2009) und Féraud/Bolliger (2013) soll unter Kooperation und ihren Leitprinzipien verstanden werden: –– Eine problembezogene, zeitlich und sachlich abgegrenzte Form der gleichberechtigten, arbeitsteilig or ganisierten und intendierten Zusammenarbeit am gleichen Gegenstand beziehungsweise an der gleichen sozialen Problemstellung, die bewusst gewählt sowie fachlich und professionsethisch begründet ist, deren Zielkriterien, Ziele und Strukturen der Arbeitsteilung in Prozessen gegenseitiger Abstimmung, Aushandlung und Einigung bestimmt werden, und bei der die Haltungen und Handlungen der Kooperationspartner nach den Prinzipien der Gleichwertigkeit, der Reziprozität, der Partizipation und der Multiperspektivität ausgerichtet sind und in den Zielerarbeitungsprozessen aktiv thematisiert werden. –– Kooperationen zielen in ihrer Wirkungsabsicht immer auf die Verbesserung der Lebenslage und das Wohlergehen der Klientinnen und Klienten, auf die Optimierung von Handlungsabläufen und auf eine Erhöhung von Handlungsfähigkeit beziehungsweise Problemlösungskompetenz der Professionellen ab und werden im Interesse gesellschaftlicher Leistungssysteme (Profession und Organisation) erbracht. Sie werden oft durch vertragliche Verpflichtungen, gemeinsame Rahmenbedin- Ueli Merten, lic. phil. I, Sozialpädagoge, Prof. an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, Studienzentrum Fachstelle für Zulassung und Studierendenberatung. Arbeitsschwerpunkte: Professionelle Kooperation in der Sozialen Arbeit, Teamarbeit und Teamentwicklung, Praxisausbildung. Urs Kaegi, Dr. phil., Psychologe und Soziologe, Prof. an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, Institut S ozialplanung und Stadtentwicklung. Arbeitsschwerpunkte: organisationaler Wandel, professionelle Kooperation, Führung im NPO-Bereich. 12 SozialAktuell | Nr. 1_Januar 2016 gungen, formale Kontrollstrukturen, Hierarchien und Regeln strukturiert und geregelt. –– Die Anliegen und Informationen in der Kooperation müssen von der Herkunftsorganisation durch eine Person kompetent transferiert, repräsentiert und vertreten werden. Die Ergebnisse müssen von der gleichen Person in die Herkunftsorganisation zurückgetragen werden und in die dortigen Sichtweise und Sprache übersetzt werden. (vgl. Merten 2015: 61) Daraus ergibt sich für die Soziale Arbeit folgendes Rahmenmodell für kooperatives Handeln: Abb 1: Kooperation als intendierte Zusammenarbeiten und ihre Leitprinzipien (Merten/Kaegi 2015: 42) Auftrag Problemstellung Professionsorientierung Organisationsorientierung Werteorientierung «Professionelle Währung» «Institutionelle Grammatik» «Sozialethische Normierung» Kooperation als intendierte Zusammenarbeit Kompetenzorientierung Multiperspektivität «Verhandlung Konfliktlösung» «Ganzheitliche Sichtweise» Partizipationsorientierung «Koproduktion» Kooperationspartner und -partnerinnen haben in ihrer professionellen Haltung, im gewählten Verhalten und bei ihrem methodischen Handeln folgende Leitprinzipien und Aspekte zu beachten: –– Professionsorientierung: Kooperation wird immer aus der Sichtweise, Zielperspektive und ethischen Richtlinien der eigenen Profession erbracht. –– Organisationsorientierung: Kooperation ist auf den Kontext der eigenen Organisation bezogen. Vertreterinnen und Vertreter einer sozialen Organisation sind zur Einhaltung der organisationalen und institutionellen Grammatik verpflichtet. –– Wirkungsorientierung: Kooperation muss lohnenswert sein, sie muss die klientelbezogenen Behandlungsprozesse optimieren, die Problemlösungsfähigkeit der Beteiligten sowie die Entwicklung wirksamer Versorgungsleistungen verbessern. –– Werteorientierung: Kooperation basiert auf professionsspezifischen, organisationsbezogenen und persönlichen Werten und Normen der Kooperationspartner. –– Partizipation: Kooperation bezieht die Sichtweise aller Problembeteiligten gleichwertig mit in die Analyse der Ausgangssituationen ein und garantiert umfängliche Teilhabe in Abstimmungs-, Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen. –– Koproduktion: Die personenbezogenen Interventionsleistungen können nur in geklärten Arbeitsbeziehungen durch einen dialogischen Verständigungs-, Abstimmungs- und Aushandlungsprozess von Fachkräften der Sozialen Arbeit und ihren Klientinnen und Klienten realisiert werden. –– Multiperspektivität: Die Sichtweisen und Handlungslogiken der vielfältigen Funktionssysteme und Dienstleistungsangebote müssen bei der Analyse sozialer Probleme, den Lösungsansätzen, der Umsetzung der Lösungen und bei der Evaluation integriert werden. –– Kompetenzorientierung: Kooperation erfordert die Bereitschaft und Fähigkeit zur Kooperation. Dazu gehören Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Verhandlungskompetenz, strategisches Denken, Offenheit, em- Wirkungsorientierung Bewusste Zielinterdependenz Kooperation in der Sozialen Arbeit | S C H W E R P U N K T pathisches Vermögen und die dienstrechtliche Kompetenz der Organisation. –– Freiwilligkeit: Kooperation ist ethisch begründet, zeitlich begrenzt sowie aus dem professionellen Handeln freiwillig entschiedene Koproduktion. –– Reziprozität: Kooperation baut auf das Prinzip der Wechselseitigkeit, der Annahme eines gegenseitigen Ausrichtens der Handlungen mit dem Anreiz einer erwarteten, aber nicht verpflichtenden Gegenleistung. –– Autonomie: Wichtig in der Kooperationsbeziehung ist, dass weitgehende Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der Kooperationspartner auch während der Kooperation erhalten bleibt. –– Akzeptanz: Kooperation benötigt die gegenseitige Anerkennung der berufsfeldspezifischen Kompetenzen und Sichtweisen sowie der Gleichwertigkeit der Koopera tionspartner. Einige Voraussetzungen gelingender Kooperation Erfolgreiche interprofessionelle und interorganisationale Kooperationsbeziehungen bedürfen der Klärung der unterschiedlichen Erwartungshaltungen und des geplanten Ressourceneinsatzes. Die Kooperationspartner selbst –– erstellen eine zeitlich realistische Arbeitsplanung und orientieren sich gegenseitig über Modelle der eigenen Problemlösungssystematik; –– regeln miteinander die adressatengerechte Ergebnissicherung und sichern den vollständigen Informationsfluss; –– garantieren das Wissen übereinander (Aufträge, Zielperspektiven, Arbeitsweisen, Zuständigkeitsbereiche, ethische Prinzipien u.a.m.) und organisieren den entsprechenden Austausch; –– bereiten aus der Haltung eines notwendigen Vorschusses an Vertrauen Massnahmen zur Vertrauensbildung und Beziehungsklärung vor; Kooperative Prozesse entstehen oft erst aufgrund von Konflikten, wenn Adres satInnen bei der Nutzung von Ressourcen eingeschränkt werden –– einigen sich über eine angestrebte Laufzeit der Kooperation und helfen über die Sicherung personeller Kontinuität, Kooperationsbeziehungen stabil zu halten; –– garantieren systematische Rückkoppelungsprozesse, in denen die Ergebnisse der Zusammenarbeit in die Organisationen hineingetragen werden; –– klären die unterschiedlichen Zielperspektiven, fassen die Zielinterdependenz und stellen daraus die doppelte Zielkongruenz her; –– greifen die durch möglicherweise auftretende Loyalitätskonflikt entstehenden Spannungen aktiv auf und reflektieren mögliche Konsequenzen; –– entwickeln ein von aussen erkennbares Kooperationsprofil und erhöhen dadurch Identifikation und Legitimation; –– übernehmen Verantwortung, um mögliche negative Konsequenzen der Kooperationsbeziehungen für Dritte zu erkennen und die entsprechenden Zuständigkeiten zu regeln (vgl. Seckinger 2008: 9ff.). Die Konflikthaftigkeit von Kooperationen Beim kooperativen Handeln können sich auch Konflikte entwickeln. Kooperative Prozesse entstehen oft erst aufgrund von Konflikten, wenn Adressatinnen und Adres saten bei der Nutzung von Ressourcen eingeschränkt werden. Sie entstehen aber auch durch unterschiedliche professionelle Hintergründe der an der Kooperation Beteiligten. Konflikte sind meist Ausdruck gegensätzlicher Interessen, Bedürfnisse, unterschiedlicher Werte, Ziele, Bedeutungen und Interpretationen. Sie sind ein konstitutives Element individueller und gesellschaftlicher Entwicklung und bilden die Antriebskraft für Entwicklung und Veränderung. Zugleich sind jedoch Konflikte auch Faktoren, die sich störend auf ein gutes Zusammenleben und soziales und individuelles Wachstum auswirken. Konflikte sind alltäglich. Sie können anstrengend sein, fördern aber auch tragfähige Lösungen in Kooperationsprojekten. Mit einer sorgfältigen Analyse des Konfliktes, wohlwollenden und klaren Interventionen lassen sich die vorhandenen Widersprüche erkennen, ausbalancieren und konstruktiv bearbeiten. Eine konstruktive Konfliktbearbeitung hilft in Kooperationen Unterschiede zu verdeutlichen, Vielfalt transparent zu machen und Veränderungen und Entwicklungen einzuleiten. Dabei unterstützt ein rechtzeitiges Erkennen und Aufgreifen von Konfliktsymptomen einen konstruktiven (d. h. offenen, fairen) Umgang mit Konflikten. Es gilt dabei, eigene Beiträge zu Konflikten zu verstehen, Empathie für die anderen Konfliktparteien auszudrücken und die Bereitschaft, ihre Sicht der Situation zu verstehen. Ebenso müssen Beteiligte sich angemessen selbstbehaupten und bemüht sein, die eigenen Interessen gewaltfrei durchsetzen. Erfolgsfaktoren von Kooperation Kooperationen stellen an die Involvierten hohe Anforderungen (methodische und soziale Kompetenzen; Wissen über Strukturen und Kulturen der an der Kooperation beteiligten Organisationen; diplomatisches unpolitisches Verhandlungsgeschick) und sind nur dann dauerhaft möglich, wenn damit für alle Beteiligten positive Effekte verbunden sind – berechtigte Gewinnerwartungen, die auch eingelöst werden. Zur Anbahnung erfolgreicher Koopera tionsbeziehungen bedarf es folgender Grundschritte: (1) Bestimmen der eigenen Problemdefinition, der Zielsetzung und der erwünschten Kooperationspartner; (2) Abklärung der professionellen Eigenwährung, der eigenen kontextbezogenen Handlungsspielräume und des möglichen handlungsbezogenen Gewinns (lohnenswerte Kooperation); (3) Sich-Hineinversetzen in die gewünschten Kooperationspartner, ihre möglichen Arbeitsweisen (Konzepte, Verfahren, Methoden) und Zielperspektiven, Interessen und Widerstände; und (4) Entwicklung einer Handlungsstrategie, die ressourcen- und lösungsorientiert auch an den Zielen und Interessen der Kooperationspartner ansetzt und die Attraktivität einer Kooperation für alle Beteiligten in den Vordergrund stellt (vgl. Rabeneck 2001: 3). In Anlehnung an den Schlussbericht zur Untersuchung von Kooperationsmodellen in den Bereichen Prävention, Intervention, Repression im Rahmen des nationalen Programms zu Jugend und Gewalt (vgl. Féraud & Bolliger 2013: vii) lassen sich folgende Faktoren ableiten, die für das Bestehen und den Erfolg von Kooperationen eine Rolle spielen: Nr. 1_Januar 2016 | SozialAktuell 13 S C H W E R P U N K T | Kooperation in der Sozialen Arbeit 1. Klärung von Zweck und Inhalt der Kooperation: Die vorgängige Klärung des Kooperationszwecks und die Festlegung der inhaltlichen Ausrichtung sind entscheidend bei der Beantwortung der Frage, welche Akteure in den Prozess miteinbezogen werden und welche Regelungen in Bezug auf Informationsaustausch und Datenschutz getroffen werden müssen. 2. Festlegung von Zuständigkeiten, Verantwortungsbereichen, Prozess- und Ablaufmodellen: Vor allem hinsichtlich der Wirksamkeit ist die gemeinsame Vereinbarung von Zuständigkeiten und Abläufen eine entscheidende Voraussetzung. 3. Beteiligte Akteure: Kooperationen können dann als wirksam angesehen werden, wenn möglichst diejenigen Akteure zusammenarbeiten, die für die vorliegende Problemstellung einen substanziellen Lösungsbeitrag leisten können. 4. Gegenseitiges Kennen, Vertrauen: Für eine wirksame Kooperation besteht ein entscheidender und insgesamt wohl der wichtigste Erfolgsfaktor darin, dass sich die an der Kooperation beteiligten Akteure kennen, und zwar sowohl auf der persönlichen Ebene als auch bezüglich der unterschiedlichen Aufträge, Rollen, Zielperspektiven, Arbeitsweisen und Grenzen. 5. Feste Strukturen und Kontinuität: Kooperationen brauchen feste, vom Einzelfall unabhängige Strukturen. Institutionalisierte Meetings bieten die Möglichkeit zu einem Dialog über innere und äussere Perspektiven und sind eine Voraussetzung für die Vertrauensbildung. 6. Nutzen der Kooperation: Die Teilnahme wird im Wesentlichen durch den erwarteten Nutzen bestimmt, den die Kooperation einer Organisation und deren Mitarbeitenden für ihren Kernauftrag stiftet. 7. Ressourcen: Ausreichende und längerfristig gesicherte zeitliche Ressourcen der an der Kooperation beteiligten Personen sind ein zentraler Erfolgsfaktor. 8. Personenbezogene Faktoren: Förderlich ist eine hohe Kooperationsfähigkeit und Kontinuität seitens der involvierten Personen. Grundvoraussetzung für eine gelingende Kooperation sind die fachliche und personenbezogene Anerkennung, Akzeptanz und Vertrauensbasis des Kooperationspartners. Ohne die Bereitschaft, voneinander zu lernen, sich gegenseitig zu unterstützen und in einen respektvollen, reflektierten Austausch zu treten, können Vorurteile und statusbedingte Grabenkämpfe nicht abgebaut werden: So kann Zu den Bildern Kleine Kooperationskünstler Kooperation ist ein Grundgesetz menschlichen Lebens und wird auch von Mikroorganismen gepflegt. Eine soziale Ader findet sich sogar bei winzigsten Lebewesen. Bakterien etwa – ob für uns nützlich oder schädlich – kooperieren miteinander, um ihre Überlebenschancen zu vergrössern. Sei es im menschlichen Körper, wo sie zusammen darauf hinarbeiten, Antibiotika zu widerstehen, oder in Gewässern, wo sie ständig gemeinsam Strategien entwickeln, um ihre Chancen im Kampf um Nahrung zu erhöhen. Die Fotos in unserem Themenschwerpunkt «Kooperation» zeigen deshalb Mikroskopaufnahmen von Bakterien. Bei den abgebildeten Mikroorganismen handelt es sich nicht zwingend um die s ozialsten unter ihnen. Die Auswahl erfolgte vielmehr nach rein ästhetischen Kriterien. ubi 14 SozialAktuell | Nr. 1_Januar 2016 Kooperation nicht funktionieren. Massnahmen, die das gegenseitige Vertrauen und Verständnis fördern und reflektieren, optimieren jegliche Form der Kooperation. Literatur Balz, Hans-Jürgen; Spiess, Erika (2009): Kooperation in sozialen Organisationen. G rundlagen und Instrumente der Teamarbeit. Stuttgart: Kohlhammer. Eppel, Heidi; Hamer, Beate (1997): Runter vom Ross – Raus aus dem Laufrad. Partnerschaftliche Kooperation in der Handlungsforschung. In: Neue Praxis, 27. Jahrgang, Heft 2, S. 182–189. Féraud, Marius; Bolliger, Christian (2013): Kooperationsmodelle in den Bereichen Prävention, Intervention, Repression. Forschungsbericht 13/13, Schlussbericht. Bundesamt für Sozialversicherungen: Bern (Beiträge zur Sozialen Sicherheit. Nationales Programm Jugend und Gewalt). Kardorff, Ernst von (1998): Kooperation, Koordination und Vernetzung. Anmerkungen zur Schnittstellenproblematik in der psychosozialen Versorgung. In: Bernd Röhrle, Gert Sommer & Frank Nestmann (Hrsg.), Netzwerkinterventionen (S. 203–222). Tübingen: DGTV. Lüssi, Peter (1995): Systemische Sozialarbeit. Praktisches Lehrbuch der Sozialberatung (3., ergänzte Auflage). Bern: Haupt. Merten, Ueli; Kaegi, Urs (Hrsg.) (2015): Kooperation kompakt. Kooperation als Strukturmerkmal und Handlungsprinzip der Sozialen Arbeit. Opladen: Barbara Budrich. Rabeneck, Jörn (2001): Kooperation in der Jugendhilfe unter dem Fokus der Neuen Steuerungsmodelle. Stuttgart: Ibidem. Santen, Eric van; Seckinger, Mike (2003): Kooperation: Mythos und Realität einer Praxis. Leverkusen: DJI. Schweitzer, Jochen (1998): Gelingende Kooperation. Systemische Weiterbildung in G esundheits- und Sozialberufen. Weinheim: Juventa. Seckinger, Mike (2008): Strukturelle Voraussetzungen für Kooperation – Kinderschutz als kooperative Aufgabe. www.suchtfragen.de/fileadmin/content/suchtfragen/docs/Landesstellenbrief/2008/pdf/Seckinger_Vortrag_koop.pdf.
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