1905 Beginn der drahtlosen Nachrichtenübermittlung in der Schweizerischen Armee. Quelle Die Festschrift «100 Jahre Funkwesen (1898- 1998)» Die Festschrift der Übermittlungstruppen, gestaltet von Rudolf R. Ritter enthält einen Rückblick über die Funkertruppe 1902-1925. Hier beschreibt Otto Hilfiker als Oberst i. Gst und späterer Divisionär (Foto) der Schweizer Armee, den Ankauf und die Erprobung der ersten Funkenstationen von der «Gesellschaft für drahtlose Telegraphie Berlin» (TELEFUNKEN). Dank diesen Tagebuch-ähnlichen Aufzeichnungen ist der Verein IG-Uem in der Lage, gesammeltes historisches Material aus dieser Pionierzeit der elektrischen drahtlosen Telegraphie 1905-1919 einzuordnen und erweitert zu dokumentieren. Das Funkmaterial im Versuchskurs 1905 Basierend auf einer Lieferanten-Offerte von TELEFUNKEN im März 1905 wurde im Oktober 1905 unter anderem folgendes Material nach Bern geliefert: (Extrakt aus Festschrift) Foto 01: Begutachtung des beschafften Funk-Materials. Diskussion am Apparatekarren* mit Ingenieuren von TELEFUNKEN und Zuständigen aus der EMD Beschaffungsstelle. www.hamfu.ch 1 HAMFU History Foto 02: Begutachtung des beschafften Funk-Materials. Diskussion am Kraftkarren** mit Ingenieuren von TELEFUNKEN und Zuständigen aus der EMD Beschaffungsstelle. Foto 03: Thun 1905, erste Versuche mit Ballonantenne. Links: Apparatekarren* (Gewicht 629 kg) , rechts: Kraftkarren** für die Stromversorgung. (Gewicht: 812 kg) Zur Unterbringung der Ballon-Antennen, Gasflaschen, Gegengewichte (Drahtnetze) usw. wurde ein Gerätschafts-Karren ca. 725 kg geliefert. Für die Verschiebung pro Karren waren zwei Zugpferde vorgesehen. www.hamfu.ch 2 HAMFU History Das Funksystem von 1905: Erprobungsziele und Merkmale Die um die Jahrhundertwende gemachten Erfahrungen mit der sogenannten Funkentelegraphie der Lieferfirma TELEFUNKEN veranlasste den damaligen Waffenchef der Genietruppen drahtlose Verbindungen für militärische Zwecke zu erproben. Da man damals mit der Ausbreitung von elektrischen Wellen noch wenig Erfahrung hatte, war eine Erprobung von solchen Systemen in hügeligem und bergigem Gelände der Schweiz von grossem Interesse. Man erwartete erfolgreiche drahtlose Verbindungen ab einigen 10 km bis zu 100 km. Unter Funkentelegraphie verstand man damals eine drahtlose Verbindung zwischen zwei Morseschreibern über ein Funkensystem. Die einst von MARCONI begonnene Technik war damals soweit, dass mit sogenannten Knallfunken-Sendern auf der Empfänger-Seite ein Morseschreiber die Nachricht auf einem Papierstreifen in Morseschrift aufzeichnete. Gleichzeitig mit der Aufzeichnung konnten die Morsezeichen mittels einer Höreinrichtung über Kopfhörer als leicht knackendes Geräusch wahrgenommen werden. (In Foto 01, ist neben dem erklärenden Adjutanten der ankommende Morsestreifen erkennbar!) Beschreibung der Knallfunkenstation Dank einem TELFUNKEN Dokument M 2900 von der ETH Zürich (erwähnt in Folge 6. der RitterDokumente) ist es erstmals möglich, die «Innereien» der mit Kabinen geschützten Karren (Protzen) von 1905 näher zu erfassen. a) Der Apparatekarren: * Das schlagempfindliche Empfangssystem (Fritter, Klopfer) ist federnd gelagert. Als Stromversorgung für den Morseschreiber diente eine Batterie (5 V) b) Der Kraftkarren:** Ein Einzylinder 4-Takt BenzinMotor (4 PS) treibt einen Wechselstromgenerator mit angekoppeltem GleichstromDynamo für die Erregung des Wechselstromgenerators für die Zündbatterie-Ladung, Funkensender Hör-Detektor Funkenstrecke, Leydener –Flaschen Induktor Morseschreiber Morsetaste Zylinder, Ventile Auspuffrohr Benzin- und Kühlwasserpumpe Umformer und Erregermaschine Stromkabel zu Apparatekarren www.hamfu.ch 3 HAMFU History Elektrische Daten Link zu HAMFU Datenblatt Die TELEFUNKEN Versuchsstation von 1905 trägt in der Ritter Folge 6. die Bezeichnung: «Fahrbare Militärstation für drahtlose Telegraphie» Der nebenstehende Extrakt aus Ritter Folge 6. nennt die wesentlichen technischen Daten der Karrenstation. Die dabei aufgeführte Reichweite der Funkübertragung wird mit: bis 150 km angegeben. Eine interessante Angabe zur Reichweite findet sich in der Stations- Beschreibung von TELEFUNKEN: «Mit dem Morseschreibapparat arbeitet die Station noch sicher bis auf zwei Tagesmärsche, mit dem Hörapparat auf 3 bis 4 Tagesmärsche» Versuchsergebnisse Mit der fahrbaren Versuchsstation von TELEFUNKEN wurden im Dezember 1905 gesamthaft neun Verbindungs-Versuche durchgeführt. Der damalige Versuchsleiter rapportierte die Versuche wie folgt: (Extrakt aus Festschrift) Mit diesen zwei fahrbaren Stationen wurden zahlreiche weitere Verbindungen, auch über grössere Distanzen zu festen Stationen erprobt (Rigi). Dabei wurden auch erste Erfahrungen über den Einfluss der gewählten Wellenlänge (Lang/ Mittelwelle) und gesammelt. Gesamthaft zeigte es sich, dass der Schreibempfang wesentlich unzuverlässiger war gegenüber dem Hörempfang. An dieser Tatsache änderten auch die anschliessenden Versuche mit Marconi-Stationen nichts. Ein entscheidender Durchbruch erfolgte um 1908 als man feststellte, dass eine Erhöhung der Funkenzahl und einer Speisespannungs-Frequenz um 500 Hz mit einer verbesserten EmpfangsDetektorschaltung (Gleichrichtung) einen sauberen Ton im Hörer erzeugte («tönende Funken»). Damit wurde der Schreibempfang mit Morseschreibern in Funkverbindungen aufgegeben. Die beiden Versuchsstationen wurden angekauft und 1914 mit eigenen Mitteln auf das System «tönende Funken» umgebaut. (Ritter Folge 6, Seit 4) www.hamfu.ch 4 HAMFU History Objekte in der Historische Sammlung HAMFU Die technischen Einrichtungen der Apparatekarren 1905 wurden beim Umbau auf das System «Löschfunken» entfernt. Die Apparate Protzen mit Kabinen wurden zu Schulstationen umgebaut. Die Original-Hardware des Apparatekarrens ist kaum mehr vorhanden. Schaltschema Empfänger: Das nebenstehende Schaltbild ist ein Ausschnitt aus den Schemas in der Telefunken Beschreibung für den sogenannten Empfangsapparat mit Morseschreiber. Vereinfacht erklärt, arbeitet der Schreibempfänger wie folgt: Das Eintreffen eines Hochfrequenz-Signals (Morsezeichen) über die Antenne (genannt Luftdraht) backt mit der HF Energie einer Spule die metallenen Körner im Fritter so zusammen, dass das Element stromleitend wird. Dadurch spricht das Telegraphen-Relais an und bewirkt damit die Aufzeichnung des Signals am Morseschreiber. Stoppt das HFSignal und das Telegraphenrelais fällt zurück, so wird durch den Klopfer der Fritter kurz mechanisch angeklickt um die «Körnerbackung» zu lösen. Damit ist der Morseschreiber bereit zum Empfang des nächsten Zeichens (Strich oder Punkt). Der Hörempfänger: Empfangs-Systeme Die HF-Signale werden über den Schloemilch-Detektor gleichgerichtet. Dadurch kann im Hörer, im Takt der Morsezeichen ein knackendes Geräusch erzeugt werden. Die hier gezeigten Bilder sind als Beispiel zu betrachten. Von den original verwendeten Komponenten sind keine Bilder verfügbar. Der Sende-Empfangsumschaltung wurde eine spezielle Sorgfalt zugewiesen. Mittels kräftigen Messerkontakten wurden jeweils für den Sendebertrieb Antenneneingang und Gegengewicht vom Empfangsapparat getrennt, um jegliche HF- Einstreuung zum empfindlichen Fritter und der Detektor Zelle zu vermeiden. www.hamfu.ch 5 HAMFU History Schaltschema Knallfunkensender: Das TELEFUNKEN Dokument zeigt folgende Schaltschemas der Station 1905: Vom Kraftkarren wird die Speisespannung über Kabel zum Niederspannungskreis des Apparatekarrens geführt. Die Speisespannung (möglicherweise ca. 100 V/500 Hz) wird direkt mit der Morsetaste getastet und zum Induktor (Hochspannungstransformator) geführt. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Sende-Empfangsumschaltung um die Elemente des Empfängers nicht zu beschädigen. Im Hochspannungskreis speist der Induktor-Output (einige kV) den sogenannten Stosskreis, bestehend aus dem Kondensator L.F. (Leydener Flaschen) und der 3-stufige Funkenstrecke, gekoppelt an die HF-Induktivität p (X-Y). Über Stöpsel und Schalter sind Antenne (Luftdraht) und Gegengewicht angeschlossen. Wechselstrom Generator. Funkensender Funkenstrecke, Leydener –Flaschen Induktor Morsetaste Mit dem Umbau der Karrenfunkstationen 1914 in «Löschfunken» -Systeme wurden die Schreibfunkempfänger entfernt und durch den Hörfunkempfänger E 4 von Telefunken ersetzt. Der Umbau der beiden Kabinen in Löschfunkensender verlangte eine neue, mehrstufige Funkenstrecke und vor allem auch neue Abstimmkreise für Empfangs-, Antennen- und Stosskreis. Die Induktoren) und die Stosskapazität (Leydenerflaschen) sind allenfalls wieder verwendet worden (kleine Fotos), ebenso die Morsetaste. Im Tresor der HAMFU Uster ist die umgebaute Kabine in gutem Zustand gelagert. Leider findet sich keine Stromversorgungs-Protze (Kraftkarren). In einigen Foto der Ausbildung an Schulstationen lässt sich erkennen, dass sehr wahrscheinlich der Kraftkarren nahezu unverändert weiter benutzt wurden. ***************** Bericht: Werner Gebauer Mitglied IG-Uem, unterstützt von den Mitgliedern: Göpf Irminger und Hermann Waldvogel www.hamfu.ch 6
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