General-Anzeiger • Nr. 17 23. April 2015 29 Oper Schenkenberg Brugg/Windisch: Neuigkeiten von der Oper Schenkenberg Wechsel von Madama Butterfly zu Rigoletto gemeint; alle Beteiligten, von der Lichtregie bis zum Regisseur, vom Tonmeister bis zum Dirigenten, vom Requisiteur bis zu jedem einzelnen Chorsänger, sie alle sollen und werden auch diesmal Herausragendes leisten. Dafür stehen sowohl bewährte Kräfte (Karel Spanhak als Bühnenbildner, Ulli Kremer als Kostümbildnerin, Valentin Vassilev als Chorleiter u. a.) als auch hoch qualifizierte Neuverpflichtungen wie Giuliano Betta (musikalische Leitung) und Jan Michael Horstmann (Regie). Trotz der Kurzfristigkeit des Stückwechsels – bereits im August 2016 wird gespielt! – ist die Produktion auf guten Wegen. Peter Belart Z uerst das Wesentlichste: Im August 2016 wird die Oper Schenkenberg mit ihrer dritten Produktion in Erscheinung treten. Als neuer Spielort steht die Mülimatt fest, nämlich das Gelände zwischen dem Sportzentrum Mülimatt und der Aare. Brugg/Windisch erhält damit eine nachhaltige Chance, schweizweit und im nahen Ausland in Erscheinung zu treten, ein Steilpass in Sachen Standort-Marketing. Nun steht auch fest, welches Werk zur Aufführung kommt. Es ist Giuseppe Verdis «Rigoletto», eine der meistgespielten und bekanntesten italienischen Opern, deren Arie «La donna è mobile» geradezu Kultcharakter hat. Beste Voraussetzungen Nach Bizets «Carmen» und Verdis «Trovatore» hatten die Verantwortlichen der Oper Schenkenberg für die dritte Produktion zunächst «Madama Butterfly» von Puccini ins Auge gefasst, dies nicht zuletzt wegen des Spielorts, der inhaltlich hervorragend zu jenem Libretto gepasst hätte. Trotz sorgfältigen Recherchen und mehrmaligen Nachfragen war aber erst später bekannt geworden, dass diese Oper zum gleichen Zeitpunkt bereits in Avenches auf den Spielplan gesetzt worden war. Das Risiko einer gegenseitigen Konkurrenzierung wollte man nicht einge- Zahlen Die «Mülimatt»-Fassade bildet die Kulisse für den «Rigoletto» hen, zumal nach dem in finanzieller Hinsicht getrübten Abschluss des «Trovatore» die klare Vorgabe besteht, mit dieser Produktion deutlich schwarze Zahlen zu schreiben. Eine Neubeurteilung des Spielgeländes offenbarte dessen Möglichkeiten auch für den nun gewählten Titel. In gewisser Hinsicht eignet er sich sogar noch besser, etwa was die Abschirmung von störenden Lärmquellen betrifft (Eisenbahnlinie!). Komplett geschützt durch die Turnhalle, die des Weiteren mit ihrer fantastischen Architektur eine unverwechselbare Kulisse bildet, werden beste akustische Voraussetzungen herrschen. Die übrigen, extrem günstigen Rahmenbedingungen bleiben bestehen: optimale Verkehrsanbin- Bild: pbe dung, grosses Angebot an Parkplätzen, ideale Möglichkeiten etwa für Catering an idyllischer Lage, Nähe des Campus für etwaige Rahmenveranstaltungen. Menschen Nochmals: Die Einhaltung des Budgetrahmens ist für die Oper Schenkenberg eine der beiden obersten Maximen. Ebenso klar ist jedoch, dass an der künstlerischen Qualität keinerlei Abstriche gemacht werden, auch nicht unter dem Druck der verfügbaren Finanzen. Bereits jetzt hat sich die Oper Schenkenberg einen hervorragenden Namen gemacht, der auf dem künstlerischen Niveau basiert. Damit ist nicht nur das Können der Solisten und des Orchesters Mit einem Budget von 2,5 Millionen Franken wird der Aufwand für die neue Produktion demjenigen der «Carmen» im Jahr 2010 entsprechen. Maximal können ca. 17000 Zuschauer die Vorführungen besuchen, wobei eine Auslastung von 66% bereits ausreicht, um auf schwarze Zahlen zu kommen. In Sachen Sponsoring will man 800000 Franken generieren. Dass zum jetzigen Zeitpunkt bereits drei Viertel dieser Summe fest zugesichert sind, ist eine beruhigende Tatsache. Übrigens wurde der Wechsel zu «Rigoletto» von sämtlichen Sponsoren ausserordentlich positiv zur Kenntnis genommen. Erwähnenswert ist ferner, dass 20 bis 25 Unternehmen aus der Region in irgendeiner Weise an der Produktion beteiligt werden. Die Premiere wird am 11. August 2016 zu erleben sein. Acht weitere Vorstellungen sind in der zweiten Augusthälfte terminiert. www.operschenkenberg.ch Chorsänger gesucht Mit dem Wechsel der Oper haben sich auch die Bedürfnisse des Chors verändert. Für den «Rigoletto» hat Giuseppe Verdi einen reinen Männerchor vorgesehen. Für die neun Aufführungen werden darum weitere Chorsänger gesucht. Interessenten melden sich bei Valery Braun: [email protected] oder [email protected]. «Rigoletto» – die Oper «Rigoletto», das erste Werk der «trilogia popolare» Verdis («Rigoletto», «Trovatore», «Traviata»), war von Beginn an ein durchschlagender Erfolg: 1851 in Venedig uraufgeführt, bringt es die grossen Themen des Komponisten in den Vordergrund: ein zentrales Verhältnis von Vater und Tochter, die Unerbittlichkeit des Schicksals, Liebe, Rache und Aufopferung sowie einen fokussierten Blick auf das Leid der gesellschaftlichen Aussenseiter. Eine buckelige, von allen verlachte Randfigur der Gesellschaft versucht sich mit seiner scharfen Zunge Anerkennung zu verschaffen, vergisst dabei jegliches menschliche Mitgefühl und besiegelt damit sein eigenes Schicksal. Verdi ist es in der Person des Rigoletto (Hofnarr) gelungen, Licht und Schatten des menschlichen Wesens auf eindrucksvolle Weise musikalisch umzusetzen. schinznach-dorf: Vorsingen für die Solistenrollen des «Rigoletto» «Ich bin ein Idiot, ich bin ein Idiot!» Im «Rigoletto» gibt es ein Dutzend Rollen zu besetzen, einige davon wegen der hohen Beanspruchung doppelt. Die Suche nach geeigneten Solisten ist in vollem Gange. Peter Belart O rt des Geschehens: die Aula bei der Bezirksschule Schinznach-Dorf. Das ist bemerkenswert: Wir sind nicht in Wien, Paris, Mailand oder New York, sondern im kleinen Dorf im Schenkenbergertal. An einem langen Tisch haben einige wenige Personen aus dem inneren Zirkel der Oper Schenkenberg Platz genommen: Intendant Peter Bernhard, Chorleiter Valentin Vassilev, Hans Peter Brunner als kaufmännischer Direktor sowie in unterstützender Funktion Valery Braun und Brigitte Hediger. Ergänzt wird das Team durch die aus der Ukraine stammende Pianistin Irina Krasnovska. Als stellvertretende Studienleiterin am Stadttheater Basel unterstützt sie Peter Bernhard und Valentin Vassilev mit ihrer musikalischen Sachkompetenz und ihrer Kenntnis des Opernfachs. Die drei Letztgenannten sind es, denen die schwere Aufgabe zufällt, geeignete Solisten zu finden und zu verpflichten. Peter Bernhard erklärt: «Unsere bisherigen Produktionen wurden in der Fachwelt mit grosser Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen. Heute ist es so, dass die Agenturen unaufgefordert auf uns zukommen und uns ihre Sängerbesetzungen vorschlagen. Wir müssen nicht mehr selber auf die Suche gehen.» Und so sind Bewerbungen aus Athen, Berlin, Wien, Paris, Padua und Köln eingetroffen, um nur die wichtigsten Valentin Vassilev (links) und Peter Bernhard zu nennen. Eben: nach Schinznach! Die Oper Schenkenberg hat sich unter Kennern einen Namen geschaffen. Der «Herzog» hat geraucht Bei den Kandidaten, die sich heute Nachmittag präsentieren, handelt es sich durchwegs um renommierte Künstler mit reicher Erfahrung. Die in ihrer Vita aufgeführten Spielorte sprechen eine deutliche Sprache: Teatro dell’Opera di Roma, Teatro Massimo Palermo, Arena di Verona, Covent Garden in London, Opernhaus Zürich, Deutsche Oper Berlin, Staatsoper Wien, Staatsoper München, Staatstheater Saarbrücken usw. Sie stammen aus verschiedenen Weltgegenden: Ein Mann aus Ungarn ist dabei, ein Rumäne, ein Grieche, eine Japanerin, ein Italiener und ein Russe. Sie alle huldigen der Gesangskunst und möchten mithelfen, den «Rigoletto» zu inszenieren – nicht in einer Metropole, sondern hier, bei uns. Irina Krasnovska Der erste Sänger tritt ein, ein schlanker, nicht eben gross gewachsener Mann. Er möchte seine Tenorstimme dem Herzog von Mantua verleihen. Er stellt sich neben den Flügel in dieser schmucklosen Aula, schliesst die Augen und interpretiert mit ausladender Gestik einen Auszug aus dem Notenwerk. Auch für den Laien wird eine gewisse Unsicherheit spürbar. Unversehens bricht der Sänger ab, und wie ein Wasserfall bricht es aus ihm heraus. Er war an einer Gesangsproduktion beteiligt und hatte anschliessend Ferien. Dabei hat er sich offenbar bezüglich Lebensführung, insbesondere mit dem Rauchen, gehen lassen, sodass er selber findet, seine Stimme klinge nicht so, wie er sich das selber vorgestellt hätte. «Ich bin ein Idiot», ruft er sich selber zu, «mein Hals ist völlig verschleimt, ich bin ein Idiot.» «Danke, Sie hören von uns» Der Nächste. Ein sympathisch wirkender Mann mit warmer Bass- Ein Kandidat in Aktion stimme. Als Laie bleibt einem nur das Staunen, doch die Juroren mit ihrer erfahrenen und geschulten Art des Hinhörens und Hinschauens orten gewisse Schwächen, beim einen Kandidaten bezüglich des Ausdrucks, beim andern muss die Wirkung seines Auftritts bemängelt werden, und beim Dritten vermag der Charakter der Stimme nicht zu überzeugen. Das Forte erscheint herausgepresst, das Vibrato dem Stück zu wenig angepasst, die Erzeugung des Tons zu wenig ganzkörperlich. Dann die Japanerin mit einem unerhörten Klangvolumen. Sie möchte die Gilda verkörpern. «Danke, vielen Dank, wir melden uns.» Der nächste. Er nimmt schon ganz die Haltung des «Rigoletto» an, nach vorne gebeugt, bucklig. Er singt nicht nur, er spielt die Rolle auch gleich. «Ja, vielleicht, aber ...» Jetzt der Ungar, ebenfalls ein Sänger mit einem sehr schönen Tenor. «Aber passt er rein äusserlich in diese Rolle? Hat er die hier Bilder: pbe verlangte Ausstrahlung?» Nun der Russe, ein gross gewachsener Sänger, der schon in der letzten Produktion präsent war, indem er den Chor namhaft verstärkte. Er singt gewaltig, doch die Expertenrunde ist sich auch hier einig, dass er nicht dem entspricht, was sie eigentlich suchen. So viele Talente, so viele Erwartungen. Jahre und Jahre der Ausbildung, der Entbehrung, des Übens und Probens. Und dann zwei Stücke vorsingen, um danach mit einem Danke heimgeschickt zu werden. Morgen kommen die nächsten Kandidaten, und vor drei Wochen waren auch schon welche hier. Alle singen sie ihre Stimme des «Rigoletto» auswendig, mit Inbrunst, beseelt von Hoffnungen, von der Begeisterung für ihre Kunst und vom Wunsch, hier auftreten zu dürfen. «Danke, Sie hören von uns.» Und danach spazieren sie zur Bushaltestelle in Schinznach, fahren nach Brugg, nehmen den Zug, reisen heim … ●
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