DRAMATURGEN DES STAATSTHEATERS MAINZ ERLÄUTERN RIGOLETTO von Giuseppe Verdi BESETZUNG Musikalische Leitung: Clemens Schuldt Bühne: Paul Zoller Dramaturgie: Lars Gebhardt Licht: Alexander Dölling Herzog von Mantua: Paul O’Neill Gilda: Marie-Christine Haase Maddalena: Tamta Tarieli Graf Monterone: Georg Lickleder Borsa: Ks. Jürgen Rust Ein Gerichtsdiener: Ion Dimieru / Milen Stradalski Page: Alin Deleanu Inszenierung: Lorenzo Fioroni Kostüme: Katharina Gault Chor: Sebastian Hernandez-Laverny Rigoletto: Werner Van Mechelen Sparafucile: Ks. Hans-Otto Weiß Giovanna: Ruth Katharina Peeck* Marullo: Kyung Jae Moon* Graf Ceprano: Stefan Keylwerth* Gräfin Ceprano: Alexandra Samouilidou *Junges Ensemble Herrenchor des Staatstheater Mainz / Philharmonisches Staatsorchester Mainz /Statisterie des Staatstheater Mainz Einführung La maledizione / Der Fluch sollte Giuseppe Verdis 17. Oper zunächst heißen – denn die später titelgebende Hauptfigur, der Hofnarr Rigoletto, sieht sich als von einem Fluch Verfolgter. Als Vorlage hatte sich der Komponist, der das Werk zunächst dem Teatro San Carlo in Neapel, später dann dem Teatro La Fenice in Venedig anbot, Victor Hugos Drama Le roi s’amuse ausgesucht. 1832 in Paris direkt nach der Uraufführung verboten, haftete dem Stück auch 20 Jahre später noch das Skandalöse an: Hugo hatte Franz I. – Gallionsfigur der französischen Renaissance, blutiger Schlächter, Lebemann und Verführer – als historische Figur neben den buckligen Hofnarren Triboulet gestellt und übte damit für die französischen Behörden zu eindeutig Kritik an der neuerstarkten Monarchie im Rahmen der post-napoleonischen Restauration. Mit einer direkten Sprache, starken Theatercharakteren und blutig-brutalen Handlungsmomenten findet sich hier bei Hugo der Beginn eines Volkstheaters, das später zum „Grand Guignol“ – dem grotesk-trivialen „Großen Kasperle“-Theater Frankreichs – führen sollte. Auch Verdi hatte noch mit der Zensur zu kämpfen: Er musste die Handlung nach Mantua verlegen und zahlreiche allzu herrschaftskritische Passagen streichen, hielt aber am Sujet fest. Nicht La maledizione, auch nicht Il Duca di Vendôme, wie die Oper dann heißen sollte, sondern Rigoletto nannte Verdi sein Werk letztlich – nach dem Protagonisten, der eine der spannendsten und widersprüchlichsten Figuren der Operngeschichte bis dato werden sollte. Verdi gelang damit sein großer Durchbruch: Nach seinen „Galeerenjahren“ – immer neue Opernaufträge, Umarbeitungen und Gelegenheitswerke ließen den Komponisten kaum Zeit zum Luft holen, so dass 12 Opern in 16 Jahren entstanden waren – sollte Rigoletto den Beginn von Verdis Siegeszug durch Italien und Europa markieren Rigoletto, der bucklige Hofnarr, der am Hof des Grafen von Mantua mit scharfer Zunge die erotischen Eskapaden seines Dienstherrn kommentiert und die gehörnten Ehemänner verspottet, führt ein Doppelleben: Seine Tochter Gilda will er vor der chauvinistischdestruktiven Gesellschaft beschützen; sie wächst weggeschlossen und isoliert auf. Doch sie verliebt sich ausgerechnet in den frauenverschlingenden Duca – und dieser sich in sie. Rigoletto muss realisieren, dass er sich nicht einer Gesellschaft entziehen kann, zu deren Antreibern er gehört. Er will sich an seinem Widersacher rächen, reißt am Ende aber seine Tochter in den Tod und steht letztlich vor den Scherben seines Lebens. Regisseur Lorenzo Fioroni ist in Mainz kein Unbekannter – schon seine Inszenierungen von Ligetis Le Grand Macabre und Boitos Mefistofele bewiesen sein Gespür für einen bildstarken Zugriff und überraschende, theatrale Effekte. Für ihn ist Rigoletto ein Getriebener, Zerrissener, der den Fluch des Grafen Monterone nicht abschütteln kann und mit all seinen Handlungen die Katastrophe ungewollt herbeiführt. Es ist ein dunkler Rigoletto, der uns hier begegnet – ganz im Sinne Verdis, der Rigoletto als Nachtstück anlegte und mit dem Orchester nach einer dunklen „tinta“/ „Farbe“ suchte, die nur von den fast engelsgleich-reinen Sopranhöhen der Gilda aufgehellt wird. Das Bühnenbild von Paul Zoller und die Kostüme von Katharina Gault spielen auf die Zeit Franz I. und die überzeichnete Puppenwelt des Grand Guignol an: Wir sehen ein Labyrinth von Straßen und Häusern, Renaissance-Söldner spielen Krieg und brandschatzen – um danach ihre Kostüme abzulegen und ihr kleinbürgerliches Selbst zu offenbaren. Rigoletto ist der Einpeitscher dieser bösen Kaspertruppe, der am Schluss, im wahrsten Sinn des Wortes, zum Brandstifter wird. Lars Gebhardt Staatstheater Mainz Januar 2016
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