An den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Dr. Günter Winands Ministerialdirektor Staatssekretär a.D. Willy-Brandt-Straße 1 10557 Berlin Per E-Mail: [email protected] Bonn, 05.10.2015 Stellungnahme des Verbandes der Restauratoren e.V. (VDR) zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts Sehr geehrter Herr Dr. Winands, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 15.9.2015, in dem Sie die Verbände und Fachkreise um Stellungnahme zur geplanten Novelle des Gesetzes zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts bitten. Gerne kommen wir dieser Aufforderung nach. Der VDR vertritt als der zentrale deutsche Berufs- und Fachverband rund 3.000 Restauratorinnen und Restauratoren. Seine Hauptanliegen sind der Schutz und die sachgerechte Bewahrung von Kunst und Kulturgut unter Respektierung der materiellen, kunsthistorischen und ästhetischen Bedeutung. Die Berufsangehörigen sind von gesetzlichen Regelungen zum Kulturgutschutz in ihrer Berufsausübung unmittelbar betroffen. Zum „Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts“ vom 15.09.2015 positioniert sich der VDR daher wie folgt: Der VDR begrüßt die Gesetzesnovelle und die geplante Zusammenführung bisher in unterschiedlichen Normen fixierter Regeln ebenso wie die Übersetzung der EU-Richtlinie zum Kulturgutschutz vom Mai 2014 in nationales Recht. Begrüßenswert ist auch, dass die Regeln zur Einfuhr von Kulturgut sowie die Rückgabe von Kulturgut erkennbarer werden. Demgegenüber sei aber aus Sicht der Restauratoren auf zwei wesentliche Kritikpunkte am Entwurf vom 15.9.2015 hingewiesen. Erstens: Dem Verband der Restauratoren liegt naturgemäß in besonderem Maße der im Namen des Gesetzes implizierte Gedanke des Erhalts und Schutzes von Kulturgut am Herzen. Insofern hat es der VDR besonders begrüßt, dass im Referentenentwurf vom 14.7.2015 (ehem. §19) explizit „Erhaltungspflichten" aufgeführt waren. Es drängt sich die Frage auf, warum die spezifischen Regelungen zu diesem Erhaltungsgedanken im Entwurf vom 15.9.2015 getilgt bzw. nunmehr in §18 zu einem „Beschädigungsverbot“ verkürzt wurden. Ein Kulturgutschutzgesetz, in dem der „physische Erhalt“ der Substanz nur peripher aufscheint, kann nicht umfassend seinen eigenen Intentionen gerecht werden. Ohne einen sach- und fachgerechten Erhalt von Kunstgut könnte auch eine etwaige Restitution von Raubkunst unter Umständen sinnlos werden. Oder wäre es eine erträgliche Vorstellung, dass ein unrechtmäßig in die Verfügungshoheit -2- eines deutschen Museums oder privaten Besitzers gelangtes Kunstwerk nach Jahren unterlassener Substanzerhaltung den rechtmäßigen Eigentümern als ein Häufchen Schutt zurückerstattet wird? Der VDR meint, das wäre dem Anspruch und dem Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland nicht adäquat. Wir regen dringend an, an dieser Stelle des neuen Gesetzes zu den klugen und durchweg positiven Intentionen des ersten Referentenentwurfs zurückzufinden. Damit im Zusammenhang steht ein zweiter grundsätzlicher Punkt, der aus Sicht der Restauratoren von großer Bedeutung ist: Der VDR anerkennt grundsätzlich die wohlmeinende Absicht des im §18 formulierten „Beschädigungsverbots“, gibt aber zu bedenken, dass bei einer strikten Auslegung dieser Bestimmung eine fachgerechte Konservierung und Restaurierung unter Umständen nicht mehr durchführbar sein könnte, da dadurch ggf. „das Erscheinungsbild nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert“ wird. Es liegt in der Natur der Restaurierung, dass sie die Erscheinung eines Kunstwerks verändern kann, ja dies gelegentlich zum Zweck der Erhaltung sogar muss.1 – Die jetzige Formulierung (§18) wendet sich also gegen sich selbst, denn de facto kommt sie einem Praktizierungsverbot für Restauratoren an eingetragenem – paradoxerweise ja besonders erhaltens- und schützenswertem! – Kunstgut gleich. Die wörtliche Befolgung der aktuell vorgeschlagenen Regelung könnte zur Verhinderung dringend notwendiger Restaurierungsmaßnahmen führen; das Kulturgut müsste im Extremfall wissentlich dem Zerfall ausgesetzt werden. Entscheidend erscheint uns in diesem Zusammenhang, dass unvermeidliche Eingriffe an der Substanz von Kulturgut zum Zwecke der Erhaltung ausschließlich von qualifizierten Fachleuten vorgenommen werden. Unser Vorschlag für eine tragfähige Formulierung lautet daher: „Es ist verboten, eingetragenes Kulturgut zu beschädigen, zu zerstören oder dessen Erscheinungsbild nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend zu verändern, sofern dieses nicht zum Zweck der Konservierung und Restaurierung mit dem Ziel der Erhaltung der Substanz und der Authentizität des Objekts erfolgt. Die Erhaltung des nationalen Kulturerbes darf nur durch einschlägig fachlich ausgebildete Personen im Benehmen mit der eintragenden Behörde bzw. ggf. mit der als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft erfolgen.“ Im Übrigen äußert sich der VDR zu weiteren ausgewählten Sachverhalten des Gesetzentwurfs wie folgt - 1 Der VDR befürwortet das Einsetzen eines fünfköpfigen Expertengremiums nach „(§14) Eintragungsverfahren“ und empfiehlt, bei der Berufung der Sachverständigen mindestens eine Person zu berücksichtigen, die sich wissenschaftlich mit Kunsttechnologie und Kulturguterhalt beschäftigt, also einen an einer Hochschule für Restaurierung und Konservierung ausgebildeten Restaurator. Nur kunsttechnologische Untersuchungen können Aufschluss über die materielle Zusammensetzung von Kunstwerken liefern. So können im Bedarfsfall wichtige Fragen bezüglich der Interpretation, Einordnung und Authentizität wissenschaftlich fundiert geklärt werden. Als Beispiel wäre etwa eine beschädigte Skulptur zu nennen, deren Standsicherheit nicht ohne eine stabilisierende Ergänzung gegeben wäre. Weiter wäre an die notwendige Abnahme entstellender Übermalungen durch Freilegung auf die ursprüngliche bzw. kulturhistorisch wertvollste Malschichtebene zu denken und generell an das Stoppen von Verfallsprozessen durch Herausnahme schädigender Substanzen und jüngerer Zutaten. -3- - Der VDR begrüßt, dass bei der „(§32) Unrechtmäßige[n] Einfuhr von Kulturgut“ die strengste Rechtsvorschrift des möglichen Herkunftslandes zugrunde gelegt werden soll, gibt aber in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, das archäologisches Kulturgut zumeist ganz bewusst in einem schwer erkennbaren fundfrischen Zustand ins Land kommt, um dann hier in Schwarzarbeit durch illegale, ethisch verwerfliche und oft fachlich inkompetente "Restaurierung“ für den grauen Markt attraktiv gemacht zu werden. Es wird daher angeregt, ausschließlich öffentlichen Institutionen oder einschlägig ausgebildeten Personen im Benehmen mit dem Zoll eine umfassend dokumentierte Bearbeitung von archäologischem Kulturgut zu gestatten. - Der VDR empfiehlt zu überprüfen, ob folgende Formulierung in „(§33) Sicherstellen von Kulturgut“, Gültigkeit hat: „Es ist verboten, sichergestelltes Kulturgut zu zerstören, zu beschädigen oder dessen Erscheinungsbild nicht nur erheblich und nicht nur vorübergehend zu verändern.“ Sichergestelltes Kulturgut darf nach Meinung des VDR gar nicht bearbeitet werden. Insofern müsste der Satz verschärft werden. Unser Vorschlag hierzu lautet: „Es ist verboten, sichergestelltes Kulturgut zu zerstören, zu beschädigen oder dessen Erscheinungsbild bzw. seinen Erhaltungszustand zu verändern.“ Sollte die aktuelle Formulierung aus dem Referentenentwurf Bestand haben, möchten wir anregen, auch hier – kongruent zu unseren Forderungen zu (§18), s.o., - zu einem „Erhaltungsgebot“ zurückzukehren. - Der VDR stellt fest, dass mit folgender Formulierung aus „(§73) Rechtsverbindliche Rückgabezusage: „Wird Kulturgut aus dem Ausland […] für eine Restaurierung […] an einem Museum oder eine andere kulturelle oder wissenschaftliche Einrichtung ausgeliehen,[…]“ der gesamte Privatsektor restauratorisch tätiger Unternehmen ausgeschlossen ist. In der Realität sind diese an den betreffenden Maßnahmen aber sehr wohl beteiligt. Der VDR drängt darauf, die Formulierung dahingehend zu erweitern. Unser Vorschlag für eine tragfähige Formulierung lautet daher: „Wird Kulturgut aus dem Ausland für eine öffentliche Ausstellung oder für eine andere Form der öffentlichen Präsentation, für eine Restaurierung oder für Forschungszwecke an ein Museum, eine andere kulturelle oder wissenschaftliche Einrichtung oder ein qualifiziertes restauratorisch tätiges Unternehmen im Bundesgebiet vorübergehend ausgeliehen, so kann die oberste Landesbehörde eine rechtsverbindliche Rückgabezusage für die Aufenthaltsdauer des Kulturgutes im Bundesgebiet erteilen.“ Wir danken Ihnen für die Beteiligung bei der Gesetzesnovellierung und die Möglichkeit der Stellungnahme. Bei Rückfragen stehen wir selbstverständlich gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Christian Leonhardt Präsident des VDR
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