Biologische Breite an Implantaten

Continuing Dental Education
Biologische Breite an Implantaten
Implantation im Frontzahnbereich – Die Königsklasse
Die Summe der Breite von Bindegewebsattachment und Epithelansatz beträgt bei einem natürlichen Zahn im
Durchschnitt 3 mm und wird als „Biologische Breite” definiert. Um eine langfristig ästhetisch ansprechende
Restauration zu erhalten, muss die Biologische Breite auch bei Implantatrekonstruktionen
berücksichtigt werden. Die die Biologische Breite beeinflussenden Parameter sind der
Interaktive
Mikrospalt mit seiner bakteriellen Besiedlung, die Krafteinleitung beziehungsweise KraftLerneinheit mit zwei
Fortbildungspunkten
übertragung vom Abutment auf das Implantat und dessen Außenwand sowie das Makronach den Richtlinien der
design des Implantates. In nachfolgender Veröffentlichung zeigt der Autor, dass mit der
BZÄK-DGZMK unter
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entsprechenden Implantatpositionierung die knöchernen Umbauvorgänge gesteuert werden können. Inwieweit diese Positionierung kosmetisch sinnvoll umgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten.
Ein Beitrag von Dr. Wolfgang Dinkelacker, Sindelfingen
H
Hermann beschreibt in zwei Studien den Einfluss
des Mikrospalts (interface, microgap) bei zweiteiligen Implantaten auf die Biologische Breite [7, 8].
Einteilige Implantatsysteme weisen geringere ossäre Resorptionen auf als zweiteilige. Die Biologische
Breite liegt bei 3 mm. Im Gegensatz dazu ist bei
zweiteiligen Implantatsystemen die ossäre Resorption stärker ausgeprägt. Der Gingivarand läuft meist
apikal. Andere Untersuchungen ergaben, dass Rauigkeiten und Rillenstrukturen auf der Implantatoberfläche einen positiven Einfluss auf die krestale
Knochenstabilität haben können [1]. Unterschiede
in der krestalen Knochenqualität bei Verwendung
von Implantaten mit maschinierter Oberfläche und
Implantaten mit einer modifizierten Tio-Blast-Oberfläche konnten dabei nicht festgestellt werden. Rillenstrukturen an Implantaten sind nach drei Monaten komplett oder teilweise mit Knochen gefüllt [1].
Umbauvorgänge im Bereich des krestalen
Knochens finden innerhalb des ersten Monats statt.
Diese erfolgen bei einer transgingivalen Einheilung
unmittelbar nach der Implantat-Insertion und bei
geschlossen einheilenden Implantat-Systemen nach
ihrer Freilegung. Erst nachdem die Suprakonstruktion eingesetzt worden ist, beginnt eine
Umstrukturierung im Bereich der marginalen Gin388
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giva und die Ausbildung der Biologischen Breite.
Diese Phase nach Inkorporierung des Zahnersatzes
bis zur Ausbildung stabiler Weichgewebsverhältnisse dauert zirka sechs bis zwölf Monate [3, 6, 7].
In den beiden Studien von Hermann et al. stellten
die Autoren einen Zusammenhang zwischen dem
Microgap bei zweiteiligen Implantatsystemen und
der Resorption krestalen Knochens des Typs C fest,
die bis zu 2 mm betrug [7, 8]. Der Knochenabbau
konnte dabei nicht allein auf den Microgap und
seine Besiedlung durch Mikroorganismen, sondern
auch auf das Spiel zwischen Implantat und Abutment zurückgeführt werden. Die Mikrobewegung
zwischen den beiden Kompartimenten führt zu
einer Mobilität an der Implantataußenhaut sowie
zu einem Flüssigkeitsshift zwischen Implantat und
Abutment. Aus diesen beiden Effekten resultiert
ein reaktiver Knochenrückgang. Hier kann sich ein
platform switch positiv auswirken. Aus den oben
aufgeführten Gründen ergeben sich je nach Insertionstiefe der einzelnen Implantatsysteme unterschiedliche Implantat-Positionierungen. Grundsätzlich sollte der horizontale Abstand der Implantate zu den Nachbarzähnen mindestens 1,5 mm
und zwischen Implantaten 3 bis 5 mm betragen, um
die Ausbildung einer Biologischen Breite zu ermög-
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lichen. Handelt es sich um transgingivale Systeme,
bei denen die Biologische Breite im Implantatdesign
berücksichtigt ist (Astra Tech, Straumann), kann die
Distanz zwischen den Implantaten auf 2 mm minimiert werden. In vertikaler Richtung sollte bei der
Insertion der systembedingte Remodelingprozess
berücksichtigt werden.
Außensechskantverbindungen
Abb. 1 Durchmesserreduzierte Implantate (3,75 mm) in der korrekten Position für die
kosmetische Rekonstruktion. Der Abstand vom Knochen zum anatomischen Kontaktpunkt beträgt 8,5 mm
Abb. 2 Die Positionierung der 3,75 mm Durchmesser Implantate für approximalen
Knochenerhalt
Aus kosmetischer Sicht sollte das Implantat zirka 1
bis 2 mm unter der Schmelz-Zement-Grenze der
Nachbarzähne positioniert werden. Nach Grunder
[4, 5, 6] sind weitere 1 bis 2 mm Insertionstiefe
erforderlich, damit sich eine Biologische Breite
etablieren kann. Daraus folgt, dass in der Front
Implantatdurchmesser von maximal 3.75 mm oder
schmaler zur Anwendung kommen sollten, da diese
3 bis 4 mm unter der Schmelz-Zement-Grenze der
Nachbarzähne inseriert werden können. Somit
beträgt die Distanz der Knochen-Kontaktpunktlinie
8,5 mm (Abb. 1). Zum Erhalt der Papille muss der
Kontaktpunkt der Restaurationen flächig nach apikal verlagert werden. Wird die Implantation unter
Berücksichtigung des systemspezifischen knöchernen Remodelings durchgeführt, müsste das Implantat nur bis zum zweiten coronalen Gewindegang in
den Knochen eingebracht werden (Abb. 2). Dies
würde jedoch zu einer Verkürzung der klinischen
Krone, zu einer bukkalen Exposition der Implantatschulter und einem ungünstigen Emergenzprofil
führen. Implantate mit 4,1 bis 5 mm Durchmesser
müssen 2 mm unter der Schmelz- Zement-Grenze
der Nachbarzähne positioniert werden. Der daraus
resultierende, zu geringe Abstand zwischen den
Implantaten führt dazu, dass der approximale
Knochen-Peak nicht erhalten werden kann (Abb. 3).
Daraus folgt wiederum, dass der Kontaktpunkt zwischen den Restaurationen 4 mm flächig nach apikal
verlagert werden muss, damit auch hier die Papillen
erhalten bleiben. Wie bereits erwähnt, sollten durchmesserreduzierte Implantate (3,75 mm) 3 bis 4 mm
unter der bukkalen Schmelz-Zement-Grenze inseriert werden. Auf diese Weise wird eine Kompression des bukkalen Weichgewebes vermieden und ein
natürliches Emergenzprofil nachempfunden. Bei
einer Kompression des Weichgewebes könnte es zu
Dehiszenzen der bukkalen Scheimhaut kommen.
Der Abstand Knochen-Kontaktpunkt beträgt 8,5 mm
bei Erhalt des Knochenpeaks (Abb. 4).
Innenverbindung mit maschiniertem Kopfteil
Abb. 3 Der Knochenverlauf nach Implantation von 4,1 mm und 5,0 mm Implantaten.
Der Abstand vom Knochen zum natürlichen Kontaktpunkt beträgt 8,5 mm
Positionierung aus kosmetischer Sicht
Da sich der Knochen bei diesem Implantat-Typ
nach Einsetzen des Implantats bis zum Bereich
abbaut, der eine Oberflächenstruktur aufweist,
sollte eine Implantat-Positionierung aus ästheti-
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schen Erwägungen 1 bis 2 mm unterhalb der
bukkalen Schmelz-Zement-Grenze stattfinden [7,
8]. Die Knochen-Kontaktpunkt-Distanz erhöht sich
bei Implantaten mit normalem Durchmesser auf bis
zu 8,5 mm. Fehlendes Gewebe kann hier mittels
Bindegewebstransplantaten ersetzt werden (Abb.
5). Die Positionierung zum optimalen Knochenerhalt birgt die Gefahr der bukkalen Exposition der
Implantatschulter (Abb.6).
Abb. 4
Ein 3,75 mm
Implantat projiziert auf
einem 5 mm Implantat
Konische Innenverbindungen mit Rotationsschutz und Rillenstrukturen im Halsbereich
Die Positionierung dieser Implantate entspricht hinsichtlich systemspezifischer Remodeling-Prozesse
und ästhetischer Aspekte dem gleichen Vorgehen.
Um ein gutes Emergenzprofil zu erhalten, sollten
durchmesserreduzierte Implantate (3,75 mm) etwa 3
bis 4 mm unterhalb der Schmelz-Zement-Grenze
positioniert werden. Der Nachteil ist, dass die
Implantate dabei zu tief zum liegen kommen. Die
Positionierung der Implantate mit dem Durchmesser
4,1 bis 5 mm erfolgt 2 mm unterhalb der SchmelzZement-Grenze. Hierbei ergeben sich sehr gute
Ergebnisse in Bezug auf die Knochenstabilität und
die rot-weiße Ästhetik. Diese Positionierung
erscheint sowohl im Hinblick auf systemspezifische
Aspekte, als auch in ästhetischer Hinsicht sinnvoll
zu sein, um ansprechende Ergebnisse zu erhalten.
Der Abstand zwischen dem Knochen und dem
Kontaktpunkt beträgt 6,5 mm (Abb. 7). Bei zu
kleinen Implantatdurchmessern kann dieser aber
auf 8,5 mm ausgedehnt werden. Dabei darf der
Abstand zwischen den Implantaten nicht größer als
3 mm sein. Der Peak an den Implantaten ist nicht,
wie bei Außensechskantverbindung oder „Tube in
Tube“-Verbindungen, zwingend erforderlich.
Abb. 5 Eine kosmetische Positionierung von internen Verbindungen mit maschiniertem
Kopfteil
Giebelkonstruktion mit externer
Rotationssicherung
Die Giebelkonstruktion mit externer Rotationssicherung sollte aus kosmetischer Sicht 1 bis 2 mm
unter der Schmelz-Zement-Grenze platziert werden. Bei Implantaten mit einem Durchmesser von
3,75 mm bleibt der natürliche Knochenpeak erhalten. Das bedeutet, dass der Abstand zwischen dem
marginalen Knochen und dem Kontaktpunkt 4,5
mm beträgt. Bei Implantaten mit einem Durchmesser von 4,1mm, beziehungsweise 5 mm sollte ein
platform switch durchgeführt werden, um den
natürlichen Knochenpeak zu erhalten. In den Fällen ohne platform switch resorbiert der Knochen bis
auf Höhe des ersten Gewindeganges. Somit beträgt
der Abstand Knochen-Kontaktpunkt im approximalen Bereich im Maximum nur 6,5 mm. Die Positionierung aus systembedingter und ästhetischer
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Abb. 6 Eine optimale Positionierung der maschinierten Kopfteile zum approximalen
Knochenerhalt. Der Abstand zum Knochen-Kontaktpunkt liegt bei 7,0 mm
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Abb. 7
Die identische Position aus kosmetischer Sicht zur
Schonung des interimplantären bukkalen
Knochens. Der Abstand Knochen-Kontaktpunkt
beträgt 6,5 mm
Abb. 8
Die Positionierung von
scalloped Implantaten mit
externer Rotationssicherung.
Dargestellt ist ein Scallop
Design mit interner
Verankerung
Sicht ist gleich. Die Prothetik entscheidet über den
Knochenerhalt im approximalen Bereich. (Abb. 8).
Scallopdesgin mit interner Verbindung und
aufgetulpter Form
Dieses System sollte aus kosmetischer Sicht 2 mm
unter der Schmelz-Zement-Grenze positioniert
werden. Der Scallop beträgt 2,8 mm. Die Außenform hat einen zu großen Durchmesser, so dass in
diesem Bereich der Knochen bis zum ersten Gewindegang schrumpfen kann. Die Positionierung
auf Höhe der Schmelz-Zement-Grenze birgt die
Gefahr, dass es zur Exposition der Implantatschulter kommen kann. Diese kann auf Grund der
systembedingten Auftulpung nicht durch die
Kronen verdeckt werden.
Diskussion
Literatur beim Verfasser!
Produktliste
Implantatsysteme
Astra Tech GmbH
Biomet 3i
BPI Biologisch Physikalische
Implantate GmbH & Co. KG
Nobel Biocare
Straumann GmbH
Über den Autor
Die Biologische Breite ist von verschiedenen Parametern abhängig. Der Remodeling-Prozess der Biologischen Breite ist abhängig von der mechanischen Stabilität des Implantats und seines Verbundsystems. In den Untersuchungen von Zipprich
wurden die Implantatsysteme auf Standfestigkeiten und Mikrobeweglichkeiten getestet [10]. Alle
Abutments wurden mit einer Kraft bis zu 200 N
belastet. Bei Implantat-Abutment-Stoßverbindungen konnten Mikrobewegungen ab 50 N ermittelt
Kontaktadresse
werden. Bei konischen Verbindungen erhöhten
Dr. Wolfgang Dinkelacker sich die Werte bis auf 200 N. Bei externen anatoTilsiter Straße 8
misch profilierten Implantat-Abutment-Verbindun71065 Sindelfingen
www.bpi-implants.com
gen konnten die Mikrobewegungen bei 150 N
nachgewiesen werden. Trotzdem kann man mit
allen Systemen kosmetisch sehr gute Ergebnisse
erreichen. Dazu müssen unter Umständen bei einzelnen Systemen mehrfach Bindegewebstransplantationen durchgeführt werden. Ebenso sind aber
auch mit einfachen Mitteln sehr schöne Ergebnisse
auf anatomisch profilierten Systemen möglich. K
Dr. Wolfgang Dinkelacker ist zertifizierter Implantologe der DGI und
BDIZ EDI. Wissenschaftliche Beiträge in nationaler und internationaler
Fachpresse sowie seine internationale Referententätigkeit belegen
sein Können und Wissen. Dr. Dinkelacker ist Entwickler des bpisystemsImplantatsystem und seit 1996 an
der Forschung beteiligt. Dr. Dinkelacker ist Mitglied der
Advanced International Studies in Clinical Periodontics
and Implant Dentistry (University of California), des universitären Forschungskreis und ernanntes Mitglied der
“Akademie Praxis und Wissenschaft”. Seit 2008 ist Dr.
Wolfgang Dinkelacker Master of Science of oral Implantologie DGI/Steinbeiss Universität.
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