der ausflug nach polozk - Национальное агентство по туризму

МИНИСТЕРСТВО СПОРТА И ТУРИЗМА РЕСПУБЛИКИ БЕЛАРУСЬ
НАЦИОНАЛЬНОЕ АГЕНТСТВО ПО ТУРИЗМУ
Текст составлен на немецком языке Т.И. ЩАПОВОЙ
на основе контрольного текста экскурсии
«В ГОРОД-ПАТРИАРХ ПОЛОЦК» (автор – С.П. ЦЕЦОХО)
«NACH POLOZK, STADT-PATRIARCH»
(«В ГОРОД-ПАТРИАРХ ПОЛОЦК»)
КОНТРОЛЬНЫЙ ТЕКСТ ЭКСКУРСИИ
Рецензент:
доцент кафедры теории и практики перевода
ЧУО «Институт предпринимательской деятельности»
Е.А. ПАВЛОВА
Минск
2006
МИНИСТЕРСТВО СПОРТА И ТУРИЗМА РЕСПУБЛИКИ БЕЛАРУСЬ
НАЦИОНАЛЬНОЕ АГЕНТСТВО ПО ТУРИЗМУ
«СОГЛАСОВАНО»
«УТВЕРЖДАЮ»
ЗАМЕСТИТЕЛЬ МИНИСТРА СПОРТА И ТУРИЗМА
ДИРЕКТОР УП «НАЦИОНАЛЬНОЕ
РЕСПУБЛИКИ БЕЛАРУСЬ
АГЕНТСТВО ПО ТУРИЗМУ»
Ч.К. ШУЛЬГА
«_____» __________________________________2006 г.
Ю.А. ХОДЬКО
«_____» ___________________________2006 г.
«NACH POLOZK, STADT-PATRIARCH»
(«В ГОРОД-ПАТРИАРХ ПОЛОЦК»)
КОНТРОЛЬНЫЙ ТЕКСТ ЭКСКУРСИИ
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распространена
в
качестве
официального издания без разрешения
УП «Национальное агентство по
туризму».
Минск
2006
Werte Gäste!
Heute unternehmen wir mit Ihnen einen Ausflug nach Polozk. Polozk ist eine
der ältesten belorussischen Städte, die Heimatstadt der Heiligen Jewfrossinja von
Polozk und des ersten belorussischen Buchdruckers Franzysk Skorina. Im Mittelalter
war Polozk das Zentrum des gröβten und des ältesten belorussischen Fürstentums. Das
war die erste staatliche Vereinigung auf dem Territorium vom heutigen Beloruβland.
Das Polozker Land ist die Wiege der belorussischen Nationalität und Kultur. Polozk ist
ein lebendiges Symbol unserer Vergangenheit. Die Stadt ist untrennbar mit der
Geschichte Beloruβlands verbunden, und alte Denkmäler von Polozk sind Zeugen aller
historischen Ereignisse und aller Kriege, die dem belorussischen Volk anheim gefallen
sind. In der Stadt gibt es viele alte und interessante historische Denkmäler, viele von
denen werden wir mit Ihnen heute besichtigen. Die Stadt liegt 220 km von Minsk
entfernt, und unsere Fahrt wird etwa 3 Stunden dauern. Unsere Reise geht durch das
Territorium von zwei Gebieten: des Minsker Gebietes und des Witebsker.
Unsere Reise beginnen wir von der heutigen Hauptstadt Beloruβlands zur
ehemaligen Hauptstadt des Polozker Fürstentums oder, wie man es damals sagte, des
Polozker Landes. Das war eines der mächtigsten frühfeudalen Fürstentümer
Osteuropas.
Ende des X. Jh. berichten alte Chroniken vom Polozker Fürsten Rogwolod (960
– 976), welcher selbständig und unabhängig war. Das Territorium des Polozker
Fürstentums entsprach Ende des XI. Jh. dem Territorium des heutigen Witebsker
Gebiets, dem nördlichen Teil vom Territorium des Minsker Gebiets und dem
westlichen Teil des Gebiets Mogilew. Im Osten grenzte das Land Polozk an Smolensk.
Die Vasallen von Polozk waren die Städte Herzike und Kukenois, die sich in
Baltischen Ländern befanden. Einen Tribut bezahlten dem Polozker Fürstentum die
Stämme von Liten und Laten, die am Unterfluβ der Dwina lebten.
Das Fürstentum hatte alle Merkmale der Staatlichkeit: die souveräne Macht des
Fürsten und der Wetsche (Volksversammlung), eigene Verwaltung, eigene Hauptstadt,
eigenes Heer sowie eigenes Geldsystem usw.
Das Fürstentum führte auch seine Geopolitik durch, und ihm war eine Reihe von
baltischen Stämmen untergeordnet.Unter der Kontrolle des Fürstentums standen alle
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Territorien an der Dwina bis zur Ostsee. Das Fürstentum war damals so reich und
mächtig, dass ein Bündnis mit ihm andere Fürsten suchten. Einer von ihnen war Fürst
Wladimir, der zuerst in Nowgorod regierte und später zum Groβfürsten von Kiew
wurde. Nachdem die Tochter des Polozker Fürsten Rogwolod – Rogneda – den
Heiratsantrag von Wladimir ablehnte, brach er mit seinem Heer unerwartet ins
Fürstentum Polozk ein, ermordete den Fürsten Rogwolod und führte Rogneda
gewaltsam nach Kiew aus.
Später wurde Rogneda nach einem fehlgeschlagenen Attentat auf das Leben von
Wladimir auf sein Befehl ins Land Polozk mit dem Sohn Isjaslaw zusamen
ausgewiesen. Bei Minsk gibt es eine kleine Stadt Saslawl, die mit den obengenannten
Ereignissen verbunden ist. Eben in diesen Ort wurde damals Rogneda verbannt, und
dort ist sie verstorben. Und der Ort wurde zu Ehren des Sohnes von Rogneda und
Wladimir – Isjaslaw – «Saslawl» genannt.
Gerade Isjaslaw wurde zum Stammvater der Dynastie der Polozker Fürsten.
Der Kampf zwischenPolozk und Kiew dauerte insgesamt 100 Jahre.
Im Laufe von über 50 Jahren stand an der Spitze des Polozker Heers der
Polozker Fürst Wsesslaw. Seine Entschlossenheit, seine Energie sowie seine
militärstrategische Erfolge bewunderten seine Zeitgenossen, die ihm den Beinamen
«Zauberer» gaben. Als Wsesslaw doch einmal gefangengenommen und nach Kiew
gebracht wurde, schlug ihm die aufständische Kiewer Bevölkerung vor, den Thron in
Kiew zu besteigen (1068). Wsesslaw kehrte aber nach Polozk zurück.
Aber die Beziehungen zwischen den Polozker und Kiewer Fürsten blieben auch
Anfang des XIII. Jh. noch gespannt. Zu jener Zeit zerfiel schon die Kiewer Rus.
Polozk aber blieb noch mehrere Jahre danach selbständig und unabhängig.
Im Laufe von vielen Jahren führte die Bevölkerung des Polozker Fürstentums
und des benachbarten Baltikums einen hartnäckigen Kampf gegen verschiedene Feinde
durch, unter denen besonders gefährlich Kreuzritter waren.
Im IX.-X. Jh. kam nach Beloruβland das Christentum, das aber eine weite
Verbreitung erst Ende des X.- Anfang des XI. Jh. bekam. Erste christliche Eparchien
bzw. Diözesen auf dem Territorium Beloruβlands wurden in Polozk (992) und später –
in Turow (1005) gebildet, das auch das Zentrum eines Fürstentums damals war. In der
Stadt Druzk wurde eine der ersten orthodoxen Kirchen (1001) errichtet.
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Das erste Denkmal der monumentalen Baukunst ist die Sophienkathedrale in
Polozk. Und diese Kathedrale werden wir mit Ihnen heute besichtigen.
Im XII. Jh. gab es in den Städten Beloruβlands schon 20 orthodoxe Kirchen und
Kathedralen.
Einen besonderen Beitrag zur Entwicklung und Verbreitung des orthodoxen
Glaubens und der belorussischen Kultur hat die Enkelin des Polozker Fürsten
Wsesslaw des Zauberers – die Fürstin Jewfrossinja von Polozk geleistet.
Die belorussischen Gläubigen halten sie für eine Fürsprecherin und Beschützerin
von Polozk und des ganzen Beloruβlands. Jewfrossinja von Polozk war die erste
ostslawische Frau, die von der Orthodoxen Kirche heilig gesprochen wurde.
Auβer dem Fürstentum Polozk befanden sich auf dem Territorium des heutigen
Beloruβlands das Fürstentum Turow-Pinsk und ein Teil des Fürstentums Tschernigow.
Im Mittelalter bildeten sich auf dem Territorium der ehemaligen Kiewer Rus zwei neue
Staaten heraus: im Osten – das Moskauer Fürstentum, im Westen – das Litauische
Fürstentum. Und ein weiteres Leben sowie die Geschichte der belorussischen Städte
und des Fürstentums Polozk war untrennbar eben mit dem Litauischen Groβfürstentum
verbunden.
Das Schicksal der Städte ist veränderlich. Einige Städte, die in alten Chroniken
und Handschriften erwähnt wurden, sind vom Territorium Beloruβlands und von der
Landkarte überhaupt verschwunden. Zu diesen Städten gehören z.B. solche wie
Golotitschesk, Nekolotsch und andere. Solche alte Städte wie Lukoml und Druzk, einst
groβ und mächtig, verwandelten sich mit der Zeit in kleine Siedlungen. Die Städte
Polozk, Witebsk und Minsk sind aber heutzutage wichtige administrative und
wirtschaftliche Zentren der Republik.
Minsk, die früher bloβ nur eine kleine Festung an der südlichen Grenze des
mächtigen Polozker Fürstentums war, verwandelte sich im Laufe dieser Jahrhunderte
in ein groβes Verwaltungszentrum und ist heute die Hauptstadt der Republik Belarus.
Das gesamte Territorium der Republik Belarus beträgt 207600 km,² und die Zahl
der Einwohner macht 9,7 Mill. aus. Verwaltungsmässig ist Belarus in sechs Gebiete
aufgeteilt und demnach gibt es in der Republik 6 Gebietszentren: Minsk, Brest,
Witebsk, Gomel, Grodno und Mogilew. Jedes Gebiet ist entsprechend in Kreise
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aufgeteilt. Die Stadt Polozk, wo wir jetzt mit Ihnen hinfahren, ist eine Kreisstadt auf
dem Territorium des Gebiets Witebsk.
Ausführlicher über das Gebiet Witebsk sowie über das Fürstentum Polozk
erzähle ich Ihnen, wenn wir auf dem Territorium des Gebiets Witebsk sind.
Jetzt sind wir mit Ihnen auf dem Territorium des Minsker Gebiets. Das Gebiet
nimmt das Territorium von 40 800 km² ein. Die Bevölkerungzahl macht 1,2 Mio.
(ohne Minsk) aus.
Das Gebiet Minsk ist der zentrale Teil der Republik Belarus. Es befindet sich in
der Zone eines gemäigt feuchten und gemäßigt kontinentalen Klimas und hat auch
Züge, die für die ganze Republik eigen sind: hügeliges Flachland, weite Wälder,
schiffbare Flüsse sowie zahlreiche Seen.
Auf dem Territorium der Republik Belarus gibt es insgesamt über 20 000 Flüsse
und Bächer und über 10 000 Seen, deren Gesamtlänge über 90 000 km ausmacht. Die
gröβten Flüsse sind der Dnepr, die Westliche Dwina und die Beresina. Minsk liegt am
Ufer des Flusses Swislotsch.
Die Seen sind wie blaue Augen auf dem Territorium unseres Landes. Und oft
nennt man unser Land «das blauäugige Belarus». Alle Flüsse der Republik Belarus
gehören zu den Becken von zwei Meeren: des Schwarzen Meeres und der Ostsee. Die
Flüsse durchfliessen mit wenigen Ausnahmen das Flachland und sind deshalb ruhig. Es
gibt aber auch kleinere Flüsse, die auf den Bergen entspringen und darum einen recht
schnellen Lauf haben. In solchen Flüssen gibt es Forelle. (Beloruβland ist ein hügeliges
Flachland, und die höchste Erhebung auf dem Territorium der Republik ist kaum 300
m höher als die niedrigste). Viele Flüsse sind durch Kanäle mit einander
verbunden,darunter sind folgende bekannt: der Dnepr-Bug-Kanal, der Beresina-Kanal,
der die Beresina mit einem Nebenfluss von der Dwina verbindet, der AwgustowskiKanal und der Oginski-Kanal.
Die Seen, deren Zahl in der Republik über 10 000 ausmacht, sind verschieden:
groβe und kleine, dunkle, sumpfige und helle, wie das Licht selbst. Es gibt solche
schöne Waldseen, wie den Kroman und den Switjas und mit vielen von ihnen sind alte
Legenden und Sagen verbunden. Der gröβte See der Republik ist der Narotsch-See mit
seinem kristallklaren Wasser. Der See ist 13 km lang und an einigen Stellen – über 20
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m tief. Am Ufer des Sees befindet sich ein Sanatorium, das weit über die Grenzen der
Republik hinaus bekannt ist (160 km von Minsk entfernt). Im Narotsch-See, so wie
auch in den anderen Seen und Flüssen des Ostseebeckens gibt es verschiedene
Fischarten: Hechte, Plötzen, Karpfen, Rotfedern, Karauschen, Zander.
Der
interessanteste von ihnen ist sicher der Aal, der immer, wenn die Laichzeit kommt, zur
Ostsee, dann zum Atlantischen Ozean schwimmt, um schlieβlich das Sargasso-Meer zu
erreichen.
Über 30% des Territoriums der Republik nehmen Wälder ein. Vorwiegend sind
es Nadelwälder. Hier gibt es viele Naturschutzgebiete, Wildreservate und
Schonreviere, die 6,1 % des Territoriums einnehmen. Das gröβte Naturschutzgebiet ist
Belowesher Urwald oder der Naturschutzpark “Belowesh” mit einer Fläche von über
80 000 Hektar. Die Grenzen des Urwaldes haben eine Länge von 500 km. Im
Belowesher Urwald gibt es über 200 Vogelarten, über 50 Arten von Säugetieren,
darunter auch Wisente. Der Wisent ist ein Symbol der Macht und Stärke. Seine
Darstellung kann man oft auf Bildern und Panneaus sehen.
Die Ordnung, die der eines Naturschtzgebietes gleich war, wurde im Belowesher
Urwald schon Anfang des XV. Jh. eingeführt. Sie können sich vorstellen, was sich dort
erhalten hat: Eichen, die von 300 bis 700 Jahre alt sind, 450-jährige Eschen, 220jährige Kiefern!
Falls jemand mit eigenen Augen sehen möchte, wie der Wald von Sherwood zu
Zeiten von Robin Hood oder der Ardennenwald zu Zeiten der Ritter des Königs Arthur
und der Märchenriesen ausgesehen hatte, braucht es nicht in England, Frankreich oder
Deutschland zu suchen: er soll nach Belowesh, in diese urzeitliche Waldhochburg
kommen!
Einzigartige malerische Naturschutzparks gibt es sowohl auf dem Territorium
des Gebiets Witebsk, wo wir jetzt mit Ihnen hinfahren, als auch auf dem Territorium
der anderen Gebiete Beloruβlands.
Belarus, wenn wir dieses Wort ins Deutsche übersetzen,
heiβt es
«Weiβruβland». Das Wort «bely – weiβ» bedeutete in der alten slawischen Sprache
nicht nur die Farbe, eshatte auch andere Bedeutung und zwar: «frei, unabhängig».
Es gibt mehrere Auffassungen über den Ursprung des Namens «Beloruβland».
Der bekannte belorussische Schriftsteller Wladimir Korotkewitsch führt in seinem
Buch «Das Land unter weiβen Flügeln» zwei solche Auffassungen an.
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Erstens erklärt sich diese Bezeichnung durch weiβe Kleider der damaligen
Dorfbewohner, durch ihre blonden Haare und helle Hautfarbe.
Die zweite Auffassung ist gerade mit der früheren Bedeutung des Wortes
«weiβ» verbunden. Als die Mongolo-Tataren im XII.-XIII. Jh. ins alte slawische Land
eindrangen, wehrten die Belorussen den Angriff ab, und ein Teil des Territoriums der
heutigen Belarus blieb damals frei oder «weiβ». Später im XIV.-XV.Jh. verbreitete
sich diese Bezeichnung auf das ganze Territorium der heutigen belorussischen
Republik.
Die Geschichte unseres Landes ist aufs engste mit der Geschichte von Ruβland,
Litauen und Polen verbunden.
Das Territorium des heutigen Beloruβlands war schon in den ersten
Jahrhunderten und zwar von ostslawischen Stämmen – Dregowitschi, Kriwitschi und
Radimitschi – besiedelt. Sie haben Handwerk, Ackerbau und Viezucht betrieben.
Im VI.- bis IX. Jh. bildeten sich feudale Klassenverhältnisse heraus, die zur
Bildung der ostslawischen Fürstentümer beitrugen.
Die am Nebenfluss von Dwina – der Polota – lebenden Kriwitschi wurden später
Polotschanen genannt. In der ersten Hälfte des IX. Jh. entstanden auf dem Land von
Dregowitschi und Polotschanen die Fürstentumer Turow und Polozk. Das waren die
ersten Staatsbildungen auf dem Territorium des heutigen Beloruβlands, die Ende des
IX. Jh. in die Kiewer Rus einbezogen wurden.
Im IX. bis XI. Jh. gehörte Beloruβland der Kiewer Rus an. (Die Kiewer Rus war
der erste slawische frühfeudale Staat, der im IX.-XII. Jh. existierte. Im X. Jh., als zum
Kiewer Fürsten Wladimir wurde, haben sich alle ostslawischen Fürstentümer und
Stämme im diesem Staat vereinigt. Der Höhepunkt des Staates war im XI. Jh. zu der
Regierungszeit von Jaroslaw).
Eine wichtige Etappe in der Entwicklung des altrussischen Staates bedeutet die
Annahme der christlichen Religion im Jahr 988. Das war für die damalige Zeit ein
fortschrittliches Ereignis. Die herrschende Staatsreligion befestigte die Einheit von
Ruβland auch ideologisch; sie trug zur Entwicklung des Schrifttums und zur Annahme
von Elementen der byzantinischen Kultur bei. Vor dem Machtantritt des Fürsten
Wladimir, eines klugen und reformierfreudigen Politikers, hatte Ruβland als Staat
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schon etwa 150 Jahre existiert. Polen, Deutschland und slawische Länder auf dem
Balkan waren bereits christianisiert. Eine weitere Isolierung des heidnischen Ruβlands
hätte ihm zur Schaden gebracht. Wladimir kam zu dieser Erkenntnis und entschloβ sich
zur Einführung des Christentums.
In den alten Chroniken heiβt es tatsächlich, dass der Kiewer Fürst Wladimir
seine persönlichen Vertreter in verschiedene Länder ausschickte, um die dortigen
Glaubenskenntnisse zu prüfen. Nach ihrer Rückkehr berichteten die Abgesandten über
das Gute und Schlechte der jeweiligen Religionen. Wladimir entschloβ sich für das
Christentum nach östlichem (orthodoxem) Brauch.
Zugunsten der Einführung des orthodoxen Glaubens spricht ein weiterer
wichtiger Umstand: das westliche Christentum lieβ sich von Regeln leiten, die schon in
den biblischen Schriften festgehalten worden waren. Den Gott durfte man nur in drei
Sprachen anbeten: in der hebräischen, griechischen und der lateinischen. Rom war der
Ansicht, dass nur Latein die Staatssprache sein darf.
Byzanz erkannte aber auch Nationalsprachen an. Jede christliche Sprache muβte
auβerdem ihre eigenen Schriftzeichen haben. Dieser Umstand erklärt die Entstehung
der armenischen und georgischen Schrift, später auch der slawischen Schrift, die von
KYRILL und METHOD geschaffen wurde. Für das alte Ruβland war die Anerkennung
seiner Sprache als Kirchen- und Staatssprache ein Ereignis des ersten Ranges.
Im XII. Jh. zerfiel die Kiewer Rus infolge des Kampfes gegen den Überfall von
Tataro- Mongolen in einzelne Fürstentümer.
In der Zeit der frühfeudalen Zersplitterung bildeten sich das russische,
belorussische und ukrainische Völker heraus und damit auch die Besonderheiten ihrer
Kultur.
Der Kampf gegen Tataro-Mongolen, deutsche Kreuzritter und schwedische
Eroberer haben belorussische Fürstentümer stark geschwächt, was eigentlich
Litauische Fürsten ausnutzten. Im XIV. Jh. geriet Beloruβland unter die Herrschaft von
Litauen. Und so entstand das Litauische Groβfürstentum. Man muβ sagen, dass die
Bildung dieses Fürstentums zu einem erfolgreichen Kampf der Slawen und der Litauer
gegen Kreuzritter beigetragen hat. Im Jahr 1410 wurde während der Schlacht bei
Grunwald der Deutsche Ritterorden völlig zerschlagen.
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Nach der Unterzeichnung der Union von Ljublin (1569 – die Union zwischen
Litauen und Polen) kommt das Land für über 200 Jahre unter die polnische Herrschaft.
Als Ergebnis von drei polnischen Teilungen (1772, 1793, 1795) kommt
Beloruβland Ende des XVIII. Jh. wieder zu Ruβland.
Im Laufe von vielen Jahrhunderten verteidigten die Belorussen standhaft und oft
in erbitterten Kämpfen ihre Unabhängigkeit, Sprache, Kultur und nationale
Lebensweise.
Viele belorussische Städte, solche wie Minsk, Brest und Polozk waren nicht nur
als militärische Befestigungen, sondern auch als bedeutende politische und
wirtschaftliche Zentren bekannt. Sie führten einen regen Handel mit Russen und
Ukrainern, mit den Ländern Westeuropas, des Mittelmeerraums und Byzanz.
Mit der Wirtschaft zusammen entwickelte sich auch die geistige Kultur der
Belorussen. Einen bedeutenden Beitrag leisteten dazu solche groβe belorussische
Humanisten und Afklärer wie Nikolai Gussowski, Georgi Skorina, Simon Budny u.a.
Der erste belorussische Buchdrucker – Georgi (Franzysk) Skorina hat im ersten
Viertel des XVI. Jh. die erste Druckerei in der Stadt Wilno (heute Wilnjus, Litauen)
gegründet. Bald darauf erschienen auch die Druckereien in Neswish, Brest, Losk und
anderen Städten Beloruβlands.
Die belorussische Sprache fand eine breite Anwendung in den diplomatischen
Beziehungen und der Schriftführung des Litauischen Groβfürstentums.
Nach dieser erstaunlichen Blüte im Zeitalter der Renaissance brach über
Beloruβland eine lange Nacht geistiger Stagnation herein. Und das war mit einer
blutigen Niederschlagung des polnisch- belorussischen Aufstandes 1862 – 1863 unter
der Führung von Kastus Kalinowski verbunden. (Kastus Kalinowski – der
revolutionäre Demokrat und Patriot, Publizist und Herausgeber der illegalen
belorussischen Zeitung «Bauernwahrheit», Dichter; geb. im Jahr 1838, hingerichtet am
10.März 1864 in der Stadt Wilno).
Kastus Kalinowski verkündete das Programm der politischen Autonomie für
belorussische Gebiete, die nationale Selbstbestimmung und soziale Gerechtigkeit, eine
Boden- bzw. Agrarreform sowie die Wiederherstellung der belorussischen Sprache.
Der Aufstand wurde von der russischen Zarenregierung blutig niedergeschlagen.
Beloruβland wurde in sechs Gouvernemants aufgeteilt, ein Heer von russischen
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Beamten kam ins Land und sowohl in der Verwaltung als auch in der Erziehung wurde
die russische Sprache eingeführt. Selbst die Wörter «belorussisch » und «
Beloruβland» wurden vom Zarеn Nikolaus I. streng verboten. Und Beloruβland wurde
in den «Nordwestbezirk» umbenannt.
Über diese schwere Zeiten hat der belorussische Volksdichter Janka Kupala in
einem seiner Gedichte so geschrieben:
Unter Acht und Bann gebeugt, ins Ungewisse,
Trugen schweigend wir die Last der Finsternisse.
Und ertrugen es, bis unsre Herzen froren und die Heimat wir
Im Heimatland – verloren.
Aber der polnisch-weiβrussische Aufstand sowie seine blutige Niederlage
lenkten auch die Aufmerksamkeit der progressiven russischen Intelligenz auf die Lage
der Belorussen.
Nahmhafte russische Schriftsteller wählten Sujets aus dem belorussischen
Leben, so, z.B., W. Korolenko in seiner Erzählung «Der Wald rauscht», A. Kuprin in
einigen Erzählungen, darunter auch in der Novelle « Olessja».
Gelehrte, teilweise aus Beloruβland stammend, wandten sich der Forschung
weiβ belorussischen russischen Volkskunst zu und förderten einen unermäβlichen
Schatz an Märchen und Liedern zutage.
Dem belorussischen Volk gelang es, seine urwüchsige Kultur, seine eigenartige
Kunst, seine Sitten und Bräuche sowie auch seine traditionellen Volkskunstarten
aufzubewahren.
Und immer gröβer wird mit jedem Jahr das Interesse für die Vergangenheit und
Lebensweise unserer Vorfahren. Es entstehen verschiedene ethnographische und
Volkskunstmuseen.
So ein Museum befindet sich auf dem Gelände der Sportanlage für Biathlon –
«Raubitschi», die Sie jetzt rechts sehen können.
Diese internationale Sportanlage für Biathlon wurde bei Minsk im Jahr 1974
eröffnet. Mehrmals wurden hier internationale Wettkämpfe in Biathlon ausgetragen.
Hier gibt es zwei Schieβstadien und schöne Loipen, die durch den Wald verlaufen und
sich niergendwo kreuzen. Sie können auch drei Sprungschanzen sehen, die 20, 40 und
60 m hoch sind.
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Ganz oben sind zwei Turmspitzen der ehemaligen katholischen Kirche zu sehen,
wo das Museum der belorussischen Volkskunst untergebracht ist.
Interessant ist die Geschichte dieses Gebäudes. Laut Überlieferung wurde an der
Stelle der Erscheinung von der Gottesmutter eine bescheidene Kapelle errichtet. Ende
des XVIII. – Anfang des XIX. Jh. wurde an dieser Stelle eine katholische Kirche aus
Holz gebaut. Etwas später wurde ein Komitee gegründet, an dessen Spitze Maria
Tyschkewitsch aus dem Stamm Radzivills stand. Im Jahr 1858 begann man auf Kosten
der Gläubigen und Komiteesmitglieder mit der Errichtung einer katholischen Kirche.
Nach 4 Jahren (im Jahr 1866) wurde diese Kirche auf Anordnung der russischen
Behörden geschlossen und später in die orthodoxe Mariä-Himmelfahrtskirche
umgeweiht. Bis auf die 30-er Jahre des XX. Jh. wurden hier Gottesdienste abgehalten.
In den Jahren des Zweiten Weltkrieges wurde die Kirche zerstört.
In den Jahren 1976 – 1979 hat man sie wiederaufgebaut, restauriert und seit der
Zeit befindet sich hier eine Filiale des Kunstmuseums der Republik Belarus.
Im Museum ist eine einzigartige Kleidersammlung unserer Vorfahren vom Ende
des XIX.-Anfang des XX. Jh. sowie auch traditionelle Arten der belorussischen
Volkskunst ausgestellt: Weberei und Stickerei, Holzschnitzen, Strohflechten,
Töpferzeug und Holzfiguren der Apostel, welche aus dem Holz von unbekannten
Volkskünstlern gechnitzt wurden.
Links führt die Straβe zum Ostroschizki Gorodok. Dieser Ort liegt am Ufer des
Flusses Ussjash und hat eine interessante Geschichte. Laut einer Legende wurde hier in
den alten Zeiten «ostrog» gebaut – ein Stützpunkt, d.h., entweder ein Gefängnis oder
ein beweglicher Turm, der bei der Belagerung oder Sturmangriffen verwendet wurde.
Einer anderen Auslegung nach wohnten hier im XV. Jh. die Nachkommen des
Stammes Ostroshski. Dieser Fürstenstamm führte seine Abstammung von den
Lehnsfürsten von Pinsk und Turow, die hohe Staatsposten im Litauischen
Groβfürstentum und in Rzecz Pospolita bekleidet hatten.
Sie waren
als
Groβgrundbesitzer nicht nur in Beloruβland sondern auch in der Ukraine bekannt. Sie
haben gegen die Verbreitung des Katholizismus in den Ländern des Litauischen
Groβfürstentums aufgetreten, den orthodoxen Glauben verteidigt und Schulen eröffnet.
Der Ort hat seinen Namen mehrmals gewechselt: Ostroschitschi, Ostroshitschi,
Ostroshtschizy.
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Später war der Besitzer dieses Ortes Gawriil Gornostai. Im Jahr 1590 hat seine
Witwe Barbara diesen Ort dem Fürsten K. Radzivill verkauft. In den Urkunden aus
dem Jahr 1650 kann man die Beschreibung eines schönen Renaissanceschlosses
finden. Gerade damals kauften diesen Ort die Grafen Tyschkewitsch, die im Laufe von
einigen Jahrhunderten Besitzer dieser Länder waren.
Im Ort wurde ein üppiges Schloβ errichtet. Es gab hier damals drei Straβen,
einen Markt und Häuser der Handwerker. Das Schloβ wurde während des Krieges
1654 – 1667 zerstört. Die Wiederherstellung des Guts und des Schlosses begann im
XVIII. Jh. Der damalige Gutsbesitzer Michail Tyschkewitsch hatte eine wertvolle
Sammlung von Rüstung, Gemälden, Porzellan und Münzen. Der letzte Besitzer des
Schlosses war Alfred Tyschkewitsch.
Nach der Revolution 1917 wurde im Schloβ ein Kinderheim untergebrach, und
vor dem Zweiten Weltkrieg wohnte hier der Befehlshaber des Westlichen
Militärkreises – Timoschenko.
Leider sind hier keine Schlösser und Paläste erhalten geblieben, aber man kann
einige alte Bauten finden: eine alte Kirche (1843) auf dem Friedhof und daneben – eine
kleine Kapelle aus dem XIX.Jh. Im Ort und in der Umgebung kann man Massengräber
aus den Zeiten des Groβen vaterländischen Krieges (1941 – 1945) sehen und im
Museum des Ortes befinden sich Exponate, die über die Heldentaten der Soldaten der
100. Schützendivision berichten.
Eigenartig und abwechslungsreich ist die Natur Beloruβlands. Auf der Landkarte
der Republik sind blaue Fäden der Flüsse und zahlreiche dunkelblaue Teller der Seen
zu sehen. Gerade hier, in dieser Gegend, bewegte sich in der Eiszeit von Skandinawien
ein Gletscher, der hinter sich Flüsse und riesengroβe Rollsteine lieβ.
Vom Süd-Westen zum Nord-Osten erstreckt sich die Belorussische Hügelkette.
Sie besteht aus sechs einzelnen Erhebungen, aber die höchste Erhebung befindet sich
im zentralen Teil von Beloruβland und ist als Minsker Erhebung bekannt. Und der
hügeligste Kreis ist der Kreis Logoisk.
«Beloruβland ist sehr malerisch und hat viele reizende Ort.e Hier befinden sich
auf jeden 10 Wersten (eine Werst = 1,06 km) solche Landschaften, die zehn mal
schöner, als in der berühmten Schweiz sind»,- so begeistert hat in seinen Reiseskizzen
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Faddej Bulgarin im Jahr 1835 geschrieben und diese Beschreibung bezieht sich auf
Logoisk, die Kreisstadt, die Sie, werte Gäste, rechts sehen können und die neben
Lukoml und Druzk in der «Belehrung» von Wladimir Monomach im Jahr 1078
erwähnt wurde.
Die Länder von Logoisk gehörten damals dem Fürstentum Polozk an. Das war
ein Stammgut von Wseslaw Tscharodej.
Logoshsk – so hieβ dieser Ort damals – lag am kürzesten Weg zwischen Polozk
und dem südlichsten Besitztum von Wseslaw – Mensk (Minsk).
Nach dem Tod von Wseslaw (1101) wurde das Land Polozk zwischen seinen
Söhnen geteilt.
Logoshsk wurde zu einem Bestandteil des Besitztums von Gleb Wseslawowitsch
und das Zentrum dieses Besitztums war Mensk. Der Fürst Gleb setzte die Politik seines
Vaters, die auf die Unabhängigkeit von Kiew gerichtet war, weiter fort. Bei einer
Schlacht hat er aber eine Niederlage erlitten, wurde von dem Sohn von Wladimir
Monomach gefangengenommen und nach Kiew gebracht, wo er im Jahr 1119 verstarb.
Das Fürstentum Mensk blieb wie vorher unabhängig.
Logoisk war ein wichtiger Stützpunkt an der südlichen Grenze des Landes
Polozk, das im Laufe des XII.-XIII. Jh. seine Grenzen erfolgreich schützte und ein
hohes Entwicklungsniveau der geistigen Kultur erreichte. Ende des XIII. Jh. trat das
Land Polozk in das Litauische Groβfürstentum ein.
Die Eintrittswege der belorussischen Fürstentumer in das Litauische
Groβfürstentum waren verschieden: friedliche Verhandlungen, dynastische Ehen und
Vereinigungen, militärische Eroberungen, Überfälle usw.
Zu einem Bestandteil des Litauischen Groβfürstentums wurde auch Logoisk. In
der Regierungszeit des Groβfürsten Vitaut (1392 – 1430) wurden viele Städte, darunter
auch Logoisk, wiederaufgebaut.
Der Geschichtsforscher Weiβruβlands Pawel Spilewski hat Logoisk damals so
beschrieben:
«Logoisk
liegt
zwischen
Minsk
und
Borissow,
unter
den
undurchdringlichen Wäldern, am Fluβ Gaina und ist von sieben alten Straβen
umgeben. Seinen Namen hat der Ort vermutlich vom Wort «log» («Hohlweg»,
«Vertiefung») bekommen, weil er in einem Tal zwischen den Bergen liegt».
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Logoisk gehört ohne Zweifel zu einem der ältesten slawischen Siedlungen. Der
Ort war stark befestigt, hatte ein Steinschloβ; ringsum befanden sich kleinere Schlösser
und Befestigungen. Davon zeugen teilweise erhaltengebliebene Überreste von
Schlössern, Wällen, und Wassergruben.
Im Laufe von diesen Jahrhunderten hat die Stadt verschiedene Eroberer gesehen:
Tataren, Schweden, Soldaten von Napoleon… Während des Zweiten Weltkrieges
wurde die Stadt stark zerstört, ist aber erhalten geblieben und für immer in die
Geschichte des Landes eingegangen.
Einen groβen Ruf brachten der Stadt Logoisk die Brüder Tyschkewitschs:
Konstantin (1806 – 1868) und Jewstafi (1814 – 1873) – Begründer der belorussischen
wissenschaftlichen Archeologie.
Einen besonderen Beitrag zur Entwicklung der belorussischen Archeologie und
der Erforschung der belorussischen Altertümer hat Jewstafi Tyschkewitsch geleistet,
der das erste in Beloruβland ethnographische Museum bzw. ein Völkerkundemuseum
zuerst in Ostroschizki Gorodok und später in Logoisk (1842) eröffnet hat. Das
Museum arbeitete bis zum Jahr 1863, danach wurde es geschlossen und alle
Ausstellungsgegenstände führte man nach Moskau aus.
Wie es heute bekannt ist, wurden gegen 800 Museumsexponate nach Lwow
(Lemberg) ausgeführt, die sich dort auch heutzutage befinden. In den Jahren 1919 –
1920 wurde ein Teil von Museumsgegenständen nach Warschau ausgeführt, und einen
beträchtlichen Teil von Exponaten übergab Konstantin dem Rumjanzew-Museum in
Moskau (heute – Historisches Museum).
Der gröβte Teil der Sammlung befindet sich heute im Historischen
Heimatkundemuseum von Litauen.
Die wissenschaftliche Tätigkeit von Jewstafi Tyschkewitsch wurde hoch
geschätzt: er wude zum Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften von
Petersburg gewählt, später – zum Ehrenmitglied der Akademie in Stockholm und zum
Mitglied der Archeologischen Schule in London.
Konstantin Tyschkewitsch ist im Jahr 1868 verstorben und wurde in Logoisk
beigesetzt.
Jewstafi ist am 25.August 1873 verstorben und ist in der Stadt Wilnjus
beigesetzt.
13
In Logoisk arbeitete eine Zeit lang der Verfasser der ersten russischen
Grammatik Milenti Smotrizki (1572 – 1630).
Der Kreis Logoisk ist die Heimat von Smitrok Bjadulja und Nil Gilewitsch.
Im Kreis Logoisk verbrachte seine Kindheit und seine Jugendjahre
belorussischer Volksdichter Janka Kupala. Hier lernte er in den Jahren 1897 – 1898 in
der Volksschule von Belorutschi.
Mit Logoisk sind die Namen solcher prominenten Persönlichkeiten verbunden,
wie Leopold Radzewitsch (Dichter, Dramatiker und Schriftsteller), Anton Lewizki
(Begründer
der
belorussischen
schöngeistigen
Literatur),
Iwan
Ptaschnikow
(belorussischer Schriftsteller), der sich in seinen Werken oft dem Thema des
vergangenen Krieges zuwandte.
Über 2 Millionen Belorussen sind in den Jahren des Zweiten Weltkrieges
gefallen bzw. ums Leben gekommen, d.h. jeder 4. Einwohner. Es ist schwer in
Beloruβland eine Familie zu finden, die keine Verluste zu beklagen hatte. An diese
Verluste erinnern uns zahlreiche Denkmäler, Massengräber und Gedenkstätten.
Rechts von uns in der Fahrrichtung können Sie jetzt einen grauen Wegweiser
«Chatyn» sehen.
5 km von hier aus entfernt befindet sich die Gedenkstätte «Chatyn». Die
Gedenkstätte wurde an der Stelle des gleichnamigen Dorfes errichtet, das am 22. Marz
1943 von den SS-Soldaten niedergebrannt wurde. 149 Einwohner, darunter auch 76
Kinder kamen an jenem Tag ums Leben. Der älteste Einwohner war 70 Jahre alt, der
jüngste - erst 7 Wochen alt.
An die ermordeten Einwohner des Dorfes Chatyn und an die Tragödie der
anderen belorussischen Dörfer (186), die genau auf solche Weise, wie Chatyn, in den
Jahren der Okkupation vernichtet wurden, erinnert uns heute das Glockengeläute von
Chatyn.
(Architekten:
J. Gradow,
W. Sankowitsch,
L. Lewin,
Bildhauer:
S. Selichanow).
Zwischen den Städten und Kreisstädten liegen Dörfer, an denen wir
vorbeigefahren sind und an denen wir noch vorbeifahren werden.
Alle Dörfer gehören einer Kolchose oder einer Sowchose an. Wodurch
unterscheiden sie sich eigentlich?
14
Die Kolchose (eine Abkürzung vom Wort «Kollektivwirtschaft») ist ein
genossenschaftlicher Landwirtschaftsbetrieb. Die Kolchosen entstanden in den Jahren
der Sowjetmacht durch einen freiwilligen Zusammenschluβ der werktätigen Bauern
auf der Grundlage des genossenschaftlichen sozialistischen Eigentums an den
Produktionsmitteln und kollektiver von einer Ausbeutung befreiter Arbeit.
Da der Boden der Kolchosen Eigentum des Staates ist, erfolgt die Verteilung des
für den individuellen Verbrauch bestimmten Teiles des Kolchoseinkommens
ausschlieβlich nach der Arbeitsleistung.
Persöhnliches Eigentum der Kolchosbauern bleiben Wohnhäuser, eine
bestimmte Menge Nutzvieh, Wirtschaftsbauten für die Haltung des Viehs,
landwirtschaftliches Kleininventar, soweit es für die persönliche Nebenwirtschaft
benötigt wird.
Die ersten Kolchosen wurden im Jahr 1919 gebildet. Der massenweise Übergang
zu Kolchosen erfolgte 1929 – 1933 im Zuge der Kollektivierung der Landwirtschft auf
der Grundlage des von Lenin begründeten Genossenschaftsplanes.
Die Kolchose ist heute ein mechanisierter Groβbetrieb.
Neben der Eigenversorgung wird der gröβte Teil der Kolchosproduktion an den
Staat verkauft und nur ein geringer Teil wird auf dem Kolchosmarkt angeboten.
An der Spitze der Kolchose steht ein Vorstand und ein Vorsitzende, die von der
Vollversammlung der Kolchosbauern gewählt werden.
Die Sowchose (eine Abkürzung vom Wort «Sowjetwirtschaft») ist ein
staatlicher landwirtschaftlicher Groβbetrieb, in dem alle Produktionsmittel staatliches
Eigentum sind. Die Sowchosen sind vorbildliche Groβbetriebe. Sie wenden die neuste
Technik und Technologie an und unterstützen die Kolchosen mit Lieferungen von
Saatgut und Zuchtvieh.
Die Sowchosen sind vorwiegend auf den Getreideanbau, die Viehwirtschaft, den
Anbau von Obst, Gemüse, Saatgut und technische Kulturen spezialisiert.
An der Spitze jeder Sowchose steht ein Direktor genauso, wie an der Spitze
jedes Industriebetriebes. Die Sowchosarbeiter bekommen fixierte Löhne und Gehälter.
Die ganze Produktion der Sowchose wird dem Staat abgegeben.
belorussische Dörfer früher und auch heute unterscheiden sich wesentlich von
den z.B. ukrainischen Dörfern. In der Ukraine sind Dörfer mit 200 bis 1000 Höfen
15
keine Seltenheit. Bei uns sind 30 bis 50 Höfe schon ein Dorf. Allerdings gibt es auch
gröβere Dörfer mit etwa 1 000 Höfen, aber solche Dörfer gibt es in Beloruβland nicht
so viel.
Mit einer Ausnahme von einigen Regionen in Polessje wird das belorussische
Haus nicht von auβen, sondern immer von innen geweiβt. Trotzdem macht ein
belorussisches Dorf einen sehr lieblichen, versonnenen und poetischen Eindruck.
In Beloruβland wird das Haus aus dicken harzigen Fichtenbalken gebaut, denn
noch immer haben wir viel Wald. Aus dem gleichen Grunde gibt es in den Dorfhäusern
keine Lehmfuβböden, wie es z.B. in der Ukraine der Fall ist, sondern immer
Dielenfuβböden.
Die Decke ist natürlich ebenfalls aus Holz. Oben wird auf dem Dachboden
Sägemehl aufgeschüttet, damit es im Haus warm wird.
Das Haus wird stets mit Fenstern zur Straβe gebaut. Der Eingang war früher
überwiegend vom Hof aus, und heute ist er immer häufiger von der Straβe aus.
Die Hausfront wird oft mit Schnitzereien verziert. Ein Schnitzwerk verziert auch
Fensterrahmen und Fensterläden. Man kann das nicht überall treffen, aber genug
häufig.
Wenn wir ein belorussisches Haus betreten, geraten wir zuerst in einen Flur hin,
der heutzutage verschiedenen wirtschaftlichen Zwecken dient. Hier stehen Eimer,
Bottiche mit allerleiem Krimskrams, ein Butterfaβ usw. Im Flur gibt es noch eine Tür,
die in eine Vorratskammer führt.
Eine andere Tür führt in den sogenannten «kalten» Raum. Früher stellte in
diesem Raum jede Hausfrau ihren Webstuhl für den ganzen Sommer, weil es im Haus
viel zu warm war. Hier schliefen im Sommer auch die älteren Hausbewohner. (Die
Jüngeren schliefen im Sommer auf dem Heuboden, was sie auch heute noch tun). Im
kalten Raum werden im Winter auch Äpfel auf einer Unterlage vom Haferstroh
aufbewahrt, hier liegen auch aufgeschüttet Eicheln für Schweine und andere Vorräte.
Im XIX. Jh., wenn es noch keine Kleiderschränke gab und nicht alles in eine Truhe
passte, standen hier auch «Kübel» mit den Kleidungsstücken, die z.Z. nicht gebraucht
wurden.
Im eigentlichen Haus gab es von 2 bis 4 Räume. Einen Ehrenplatz nahm in dem
gröβten Raum der Ofen ein. Hinter dem Ofen stand an der Wand eine Schlafbank.
16
Aber auch schon früher standen an Stelle der Schlafbank breite Betten. Breite Bänke
zogen sich auch den übrigen Wänden entlang. Darauf lagen handgewebte Bankdecken.
Vor den Bänken stand ein Tisch, der immer ganz weiβ war, weil er oft mit einem
Messer abgeschabt wurde.
An der Wand standen auch Truhen und im Winter der Webstuhl der Hausfrau.
Der Schrank hat die Truhe in der letzten Zeit fast ganz verdrängt. Doch es gibt in
Beloruβland Gegenden, wo die Truhe auch heute noch im Hause herrscht; hier und da
werden sogar neue Truhen angefertigt. Manchmal wird die Truhe sogar auf Räder
gestellt und nicht nur mit einem Blumenornament, sondern auch mit stilisierten
Figuren von Menschen, Pferden und Tieren bemalt.
Zum Schmuck jedes Hauses gehörten Ikonen in der Heiligen Ecke. Einer
besonderen Beliebtheit erfreute sich der Heilige Georg, der den Drachen tötet, sowie
der Heilige Nikolaus wegen seiner bäuerlichen Herkunft.
Zum Schmuck jedes Hauses gehörten auch handgewebte Decken und schöne
handgewebte Handtücher. In jedem Bauernhaus gab es eine Menge von handgewebten
und bestickten Handtüchern. Früher hingen sie um die Ikonen und Fensterrahmen.
Heute sind mit solchen Handtüchern Gemälde und Fotographien geschmückt.
Die Handtücher sind bei uns in Beloruβland je nach der Gegend unterschiedlich
und sehr vielfältig. Jedes Muster ist anders als bei den Nachbarn, obwohl es auch
ähnliche vorkommen.
Die Ornamente sind vorwiegend geometrisch, die Farben – gelb, rot, blau und
hellblau.
Wie es schon gesagt wurde, nahm in jedem Bauernhaus einen Eherenplatz der
Ofen ein. Der Ofen bedeutet Wärme, Gesundheit für die Erkälteten und warmes
schmackhaftes Essen.
Im Norden sind die Öfen viel gröβer und einfacher, als im Süden Beloruβland.
In den südlichen Regionen Beloruβlands sind die Öfen kleiner und sehen oft wie
ein architektonisches Kunstwerk aus. Die Öfen sind mit Flachs- und Kornblumen
bemalt – einem Lieblingsmotiv der Belorussen. In den Öfen gibt es Dutzende Nischen,
in denen Tontöpfe stehen.
Auf dem Ofen hat man geschlafen, im Ofen hat man gekocht, gebraten und Brot
gebacken.
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Heute werden die Öfen durch Herden bzw. Gasherden verdrängt. Und nicht nur
das gehört zu den Merkmalen des heutigen Dorflebens. Der Hof, das Haus und seine
Einrichtung werden immer moderner. Schon längst sind Autos, Kühlschranke,
Waschmaschinen und Motorräder eine alltägliche Erscheinung. Auf den Dächern kann
man überall Fernsehantennen sehen.
Trotzdem gibt es in manchen belorussischen Bauernhäusern auch heutzutage
schöne belorussische Handtücher und wunderbare handgewebte Decken, mit denen
Küchen und Schlafräume verziert sind. Und das ist gut und erfreulich, dass diese
Traditionen, Kunst und Kultur des belorussischen Volkes nicht in die Vergangenheit
geraten sind. Das ist unser wertvolles kulturelles und geistiges Erbe, das wir von
unseren Vorfahren vererbt haben.
Und gerade von diesem Erbe hat bekannter belorussischer Dichter Janka Kupala,
der auch in einem kleinen belorussischen Dorf geboren wurde, in seinem Gedicht «Das
Erbe» geschrieben:
Von meinen Ahnen wurde mir
Ein teures Erbe zugeteilt.
Es ist für mich, wo ich auch sei,
Wie mütterliche Zärtlichkeit.
Ich denke Tag und Nacht daran,
Stets ist mein Herz der Sorge voll,
Dass ich den Schatz, der mir vererbt,
Nicht leichtsinnig verschwenden soll.
Verbunden sind mit diesem Schatz
Ein jedes Lied, ein jedes Wort
Und alles, was ich denk’ und träum’…
Mein Erbe heiβt – mein Heimatort!
Es gibt bei den Belorussen noch eine Tradition, die auch Sie schon bemerkt
haben. Das ist ein gutes und reichliches Essen. Ich lese jetzt Ihnen das Gedicht eines
anonymen belorussischen Dichters des XIX. Jh. vor, wo eine Mahlzeit beschrieben ist:
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«Sie setzten sich zu Tisch im Kreis,
Mehlkuchen auf der Tafel lag.
Die Oma schenkte Suppe ein,
Und legte Fleisch in die Schüssel hinein.
Dann färbte sie mit Milch es weiβ.
Danach trug sie Suppe mit Grütze herbei,
Und später kam Setzei, Braten und Haferbrei.
Knoblauchgebäck sie nicht vergaβ;
Süβigkeiten und Leckerbissen :
Lebkuchen aus Wjasma, Mus mit Nüssen,
Auch Rosinen nach reichlichem Maβ…»
Am Heiligen Abend wurden auf den Tisch 12, 18 oder auch 24 Speisen gestellt.
Und von jeder Speise muβte gekostet werden. Einige für die belorussische Küche
typische Speisen möchte ich hier erwähnen. Zuerst die Grundlage des Ganzen, ein
internationales Gericht – das Brot.
Die Belorussen essen gerne Schwarzbrot, und zwar Roggenbrot, das sehr
appetitlich duftet. Es wird auf dem Ofenboden gebacken, auf Kohle oder
Ahornblättern. Danach wird es mit Wasser bespritzt und unter einem Handtuch
abgekühlt.
Immer gern aβ man Kuchen (Piroggen), mit Äpfeln oder überhaupt mit Obst, mit
Heidelbeeren usw. gefüllt.
Als «zweites Brot» hat man in Beloruβland immer Kartoffel bezeichnet (180 –
190 kg Kartoffeln kommen jährlich pro Kopf der Bevölkerung in Beloruβland).
Aus Kartoffeln bereiten belorussische Frauen über 200 verschiedene Gerichte
zu.
Das beliebteste Gericht heiβt «Draniki» - Kartoffelpuffer, die aus geriebenen
Kartoffeln mit Mehl, Salz und Ei gemischt, gebraten werden. Sie können mit Fleischoder Pilzfüllung zubereitet werden. Die Draniki werden mit ausgelassenem Speck oder
saurer Sahne gegessen.
Auβerdem gibt es in Beloruβland viele Gerichte aus Pilzen (eingesalzenen,
getrockneten und eingelegten). Sie gehören zu mehreren Gerichten und werden auch
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als Beilage serviert. Zu vielen Gerichten gehören auch Schkwarki – gebratene
Speckstückchen. In Beloruβland wird sehr scharf gewürzt: mit Zwiebeln, Knoblauch
und Kümmel.
Einige Fleisch- und Fischgerichte werden oft mit saurer Milch oder saurer Sahne
angerichtet.
Sehr schmackhaft ist auch die belorussischen Apfelsorte «Antonowka». Diese
Äpfel werden auch sauer eingelegt und im Teig oder ohne Teig, mit oder ohne
Konfitüre gebacken.
Jetzt fahren wir mit Ihnen am Ort Plestschenizy vorbei. Das Wort
«plestscheniza» bedeutete früher «Teich», «Wasserbehälter».
Der Ort Plestschenizy entstand im XI.-XII. Jh. als ein kleiner Stützpunkt, der
Minsk und Polozk, Smolensk und Wilnjus verband, d.h. Ruβland mit Baltikum.Vor der
Oktoberrevolution 1917 gehörte dieser Ort sowie anliegende Orte dem Stamm
Tyschkewitschs an.
Im Jahr 1812 fand in der Nähe von Plestschenizy am Ufer der Dwinossa (beim
Rückzug der Armee von Napoleon) die Schlacht der russischen Armee gegen
Franzosen statt.
Am 18. November kam Napoleon nach Plestschenizy und stieg im Haus der
Gräfin Tyschkewitsch ab. Dieses Quartier hat für ihn Mary-Anri Beil – bekannter
französischer Schriftsteller Stendal – ausgesucht. Er beschäftigte sich in der Armee
von Napoleon mit administrativ-wirtschaftlichen Angelegenheiten und war der
Augenzeuge der Schlacht von Borodino, des Brandes von Moskau und des Rückzugs
von Napoleon aus Ruβland.
Die Schlacht bei Plestschenizy war die letzte bedeutende Schlacht von Napoleon
vor seinem Rückzug aus Ruβland.
Weiter rechts können Sie einen Wegweiser sehen: «Dalwa» – steht es auf dem
Stein geschrieben. Dieses Dorf lag früher 5 km von der Hauptstraβe entfernt. Am 19.
Juni 1944 wurde es, genau so wie das Dorf Chatyn, vernichtet. Alle Einwohner des
Dorfes wurden lebendigen Leibes verbrannt. 44 Einwohner, darunter 29 Kinder. Heute
befindet sich an Stelle des ehemaligen Dorfes eine Gedenkstätte, die am 15.Juni 1973
eröffnet wurde. «Dalwa – die Schwester von Chatyn» heiβt diese Gedenkstätte.
(Bildhauer: W. Terebun).
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Unterwegs haben Sie schon, werte Gäste, mehrere Steine gesehen, die als
Wegweiser verwendet werden. Woher ist eigentlich diese Tradition gekommen: Steine
als Denkmäler und Wegweiser zu verwenden? Aus dem Heidentum, aus den alten
Sitten und Bräuchen der Slawen. Steine-Denkmäler kann man meistens in den
westlichen und nördlichen Gebieten Beloruβlands treffen. Riesengroβe Rollsteine sind
monumentale Denkmäler unserer Geschichte und des Schrifttums. Es besteht auch die
Meinung, dass es solche riesengroβe Rollsteine die Grenzen des Fürstentums Polozk
damals bestimmten. In der Zeit des Heidentums haben unsere Vorfahren solche
Rollsteine angebetet.
Nach der Annahme des Christentums hat der Fürst von Polozk befohlen, an
solchen Rollsteinen Kreuze zu meiβeln.Und heutzutage kann man an den Ufern der
Westlichen Dwina mehrere Rollsteine mit gemeiβelten Kreuzen und Inschriften finden.
Einen solcher Rollsteine werden wir mit Ihnen während der Stadtrundfahrt in Polozk
neben der Sophienkathedrale sehen.
Das Witebsker Gebiet
Wir befinden uns jetzt auf dem Territorium des Witebsker Gebiets.
Das Witebsker Gebiet liegt im Nordosten der Republik und grenzt an Litauen,
Lettland und Ruβland. Das Gebiet nimmt 19,3% des Territoriums der Republik ein.
Hier wohnen 13,8 % der Bevölkerung.
Das Zentrum des Gebiets ist die Stadt Witebsk, gegründet im Jahr 974 (367 000
Einwohner).
Das Gebiet besteht aus 21 Kreisen (es gibt entsprechend 21 Kreisstädte), 249
Dorfsowjets, 19 Städte und 26 Stadtsiedlungen.
Das Witebsker Gebiet hat eine entwickelte Wirtschaft. Vor allem ist es
Elektroenergetik (Wasserkraftwerke von Lukoml und Nowopolozk), Nahrungsmittelund chemische Industrie.
Die Landwirtschaft spezialisiert sich auf den Flachs- und Gemüseanbau, auf die
Produktion von Fleisch- und Milchwaren sowie auf die Geflügelzucht.
Die Natur des Gebiets ist einzigartig.
Vor allem ist es eine Reihe von malerischen Seen, darunter auch von BrasslawSeen mit einer Gesamtfläche von 130 km².
21
Auf dem Territorium des Gebiets gibt es viele seltene Tier- und Vogelarten und
eine reiche Welt von eigenartigen Pflanzen, viele von welchen ins «Rote Buch»
Beloruβlands eingetragen sind.
32% des
Gebietsterritoriums
nehmen
Wälder,
einschlieβlich
die
des
Naturschutzgebiets «Beresinski» ein.
Das Gebiet ist an architektonische und historische Denkmäler reich.
Die Stadt Polozk, wo wir jetzt mit Ihnen hinfahren (gegründet 861), ist eine der
ältesten Städte der Ostslawen. In der Stadt haben sich die alte Sophienkathedrale, die
Kirche der Heiligen Jewfrossinja, das Obere Schloβ und das Jesuitenkollegium
erhalten.
Interessant
ist
auch
das
Nonnenkloster
und
das
Museum
der
Buchdruckerkunst.
Mit dem Witebsker Gebiet sind die Namen der Heiliger Jewfrossinja von
Polozk, von Simeon von Polozk und von Franzisk Skorina verbunden.
Das Gebietszentrum – die Stadt Witebsk – ist durch seine eigene Kunstschule
bekannt, die mit den Namen von Mark Schagal (in der Stadt kann man das Museum
des Malers besuchen), Ijeguda Pen und Kasimir Malewitsch verbunden ist.
Im Gebiet Witebsk schufen auch solche bekannte Schriftsteller, wie Iwan Bunin,
Janka Kupala, Wassil Bykow, Wladimir Korotkewitsch.
Jährlich wird in Witebsk ein sehr populäres Musikfestival «Slawenmarkt»
durchgeführt, zu dem die Gäste aus Ruβland, der Ukraine, aus Polen, Tschechien,
Bulgarien und anderen Ländern kommen.
Die Geschichte dieses Gebiets hat tiefe Wurzeln seit den Zeiten des Polozker
Fürstentums mit dem Zentrum in der Stadt Polozk.Und erst im Jahr 1802 übergab das
Groβe Polozk seine administrativen, finanziellen und wirtschaftlichen Funktionen
endgültig einer neuen Gouvernementsstadt – Witebsk.
Das Fürstentum Witebsk sonderte sich als ein selbständiges Fürstentum vom
Polozker Fürstentum bereits im Jahr 1101 nach dem Tod des Polozker Fürsten
Wsesslaw ab. Damals wurde Witebsk dem Sohn von Wsesslaw – David – übergeben.
Im Jahr 1320 wurde das Fürstentum Witebsk zu einem Bestandteil des Litauischen
Groβfürstentums. 350 Jahre dauerte der Kampf gegen die Moskauer Fürsten und das
Litauische Groβfürstentum, später – gegen Rzecz Pospolita und das Russische Reich.
22
Eine neue historische Etappe im Leben des Fürstentums Witebsk bedeuteten die
Ereignisse des Jahres 1772 – erste Aufteilung von Rzecz Pospolita. Infolge dieser
Aufteilung wurde ein Teil des Fürstentums dem Gouvernement Pskow (Ruβland) und
ein Teil – dem Gouvernement Mogilew einverleibt. Die Stadt Witebsk selbst wurde
seinem historischen Zentrum – Polozk – untergeordnet und befand sich im Bestand des
Polozker Gouvernements bis 1796.
Zu einer Gouvernementsstadt wurde Witebsk am 12. Dezember 1796 (der
russische Kaiser Paul I. hat eienen Erlaβ «Über eine neue Aufteilung des Staates in
Gouvernements» unterzeichnet). Zwei Gouvernements – Polozk und Witebsk –
wurden in ein Gouvernement (Belorussisches Gouvernement) mit dem Zentrum in der
Stadt Witebsk vereinigt.
Eine neue territoriale Aufteilung erfolgte Anfang des XIX. Jh. in der
Regierungszeit von Alexander I. Einem Erlaβ des Senats vom 27. Februar1862 nach
wurde das Belorussische Gouvernement in zwei Gouvernements mit den Zentren in
Witebsk und Mogilew aufgeteilt. Ins Gouvernement Witebsk gingen auch die Gebiete
des ehemaligen Polozker Gouvernements ein. Das Territorium des Gouvernements
betrug 44 000 km².
Im Laufe der Geschichte dieses Gouvernements wurden 32 Gouverneurs
gewechselt. Einer von ihnen war der bekannte russische Schriftsteller Iwan
Lashetschnikow (Romane: «Das Eishaus», «Der letzte Nowik» u.a.).
Mit dem Gouvernement Witebsk sind die Namen von vielen prominenten
Persönlichkeiten verbunden, unter denen folgende zu erwähnen sind.: bekannter
belorussischer Künstler Epimach-Schepila, Historiker Andrej Sapunow, Maler Ilja
Repin («Wolgatreidler»), Mark Schagal (ist in Frankreich verstorben), Kasimir
Malewitsch (Avantgardenkunst: «Der schwarze Quadrat») u.a.
Ab 1919 gehörten die Gebiete Witebsk und Gomel der RSFSR an. Im Jahr 1924
wurden der BSSR belorussische Kreise der Witebsker, Gomeler und Smolensker
Gebiete angeschlossen.
Das Gebiet Witebsk ist eines der schönsten Gebiete der Republik Belarus.Hier
befinden sich die malerischsten Seen, darunter solche wie der Osweja-See – der gröβte
in der Republik (58 km²), der Lukoml-See (36 km²), der tiefste See – Dolgoje (53,7 m
ief), die Maximaltiefe des Sees Saro (Kreis Beschenkowitschi) beträgt 35,6 m.
23
Schön und einzigartig sind die Flüsse des Witebsker Gebiets. Der gröβte davon
ist die Westliche Dwina mit ihren Nebenflüssen: der Obol, der Drissa, der Polota, der
Disna und der Uschatscha.
Ein Drittel des Territoriums nehmen Wälder ein. Vorwiegend sind das
Föhrenwälder.
Die Westliche Dwina und der Dnepr waren im Mittelalter die wichtigsten Wege
des Handels mit solchen Städten wie Kiew und Nowgorod, sowie auch mit Byzanz und
den Ländern Europas.
Gerade hier ging ein Teil des berühmten Handelswegs «von den Warägern zu
den Griechen» durch.
Auf dem alten Wappen von Witebsk ist der Reiter mit Speer und Schild
dargestellt. Mehrmals haben sich unsere Vorfahren erhoben, um diese Erde auch in den
Jahren des letzten Krieges (1941 – 1945) zu verteidigen. Mehr als 120 000 Einwohner
von Witebsk kämpften an den Fronten, 120 von ihnen wurden mit dem Ehrentitel
«Held der Sowjetunjon» ausgezeichet.
Unter ihnen sind solche wie L. Dowator, M. Schmyrew, P. Mascherow,
K. Saslonow, A. Gorowez und viele andere. Auf dem Witebsker Boden gibt es auch
heute zahlreiche Denkmäler, die der Heldentat und dem Heroismus des belorussischen
Volkes gewidmet sind.
Solche Denkmäler gibt es auch auf dem Territorium von Begoml. Direkt vor uns
liegt der Ort Begoml.
Der Ort Begoml gehört zum Kreis Dokschitzy. Jetzt befinden wir uns auf dem
Territorium dieses Kreises.
Bis September 1939 gehörte dieses Territorium Polen an (im März 1921 haben
Ruβland und Polen das Schicksal des belorussischen Volkes und seines Staates
entschieden).
Der Name dieses Ortes ist eher mit den Familiennamen baltischer Herkunft
verbunden. Dem Wörterbuch von W.Dal nach bedeutet das Wort «dokscha» «getauft». Diese Bedeutung ist heute verloren.
Es gibt keine glaubwürdigen Angaben über die Gründung von Dokschitzy. Es ist
aber bekannt, dass es im XVI. Jh. diesen Ort schon gab. Im XVI. Jh. gehörte dieser Ort
24
dem Stamm Kischkas an. Der Bischof von Shmud – Stanislaw Kischka – errichtete
hier eine katholische Kirche. Einer der römischen Päpste (1781) gab seine
Einwilligung zur Gründung der Dreifaltigkeitsgemeinschaft bei dieser Kirche. Damals
gab es viele katholische Gemeinschaften in Beloruβland. Sie halfen den Kranken und
sammelten Almosen für Bettler. Das war ihre offizielle Tätigkeit. Die Besonderheit
bestand darin, dass sie im Wege der Tätigkeit von belorussischen orthodoxen
Gemeinschaften waren.
Die orthodoxe Kirche wurde in Dokschitzy viel früher ale die katholische
errichtet.
Heute gibt es in Dokschitzy eine orthodoxe Kirche (1903) und eine katholische
Franziskaner-Kirche (ein moderner Bau).
Zum Kreis Dokschitzy gehört auch die Stadtsiedlung- früher eine kleine
Ortschaft (ein Marktflecken) – Begoml an. Ein Flecken bedeutete in der alten
belorussischen Sprache – ein kleines Städtchen. Ein Flecken ist vorläufig keine Stadt,
aber schon kein Dorf. Im Litauischen Groβfürstentum entstanden solche Ortschaften
(Flecken) im XVI. Jh. Ihre Blütezeit dauerte von der zweiten Hälfte des XVI. bis in die
Mitte des XVII. Jh. Solche Ortschaften (Flecken) waren von 12 bis 30 km voneinander
entfernt. Das war genau solch eine Strecke, welche ein Dorfbewohner entweder zu Fuβ
oder zu Pferd zurücklegen konnte. Die meisten solcher Flecken befanden sich im
westlichen Teil Beloruβlands.
Im Jahr 1564 (Belsker Soim) haben solche Ortschaften (Flecken) das Recht auf
das Magdeburger Recht bekommen.
Solche Ortschaften entstanden entweder in der Nähe von orthodoxen und
katholischen Kirchen oder an der Kreuzung von Handelswegen. In jeder Ortschaft gab
es Kirchen verschiedener Konfessionen: orthodoxe, katholische und unierte Kirchen,
Synagogen und Moscheen. Das Leben in solchen Flecken war ruhig und gemessen.
Jeder kannte jeden und die Einwohner waren meistens miteinander verwandt…
Dem Erlaβ des Präsidiums des Obersten Sowjets der BSSR nach wurde im Jahr
1938 das Wort «Flecken» durch «Stadtsiedlung», «Kreiszentrum» oder «Stadt» ersetzt.
Einen solchen ehemaligen Flecken – heute die Stadtsiedlung Begoml – können
Sie jetzt vorne sehen. Die erste Erwähnung dieses Ortes finden wir in den historischen
25
Urkunden aus dem Jahr 1606. Rechts an der Kreuzung können Sie ein Denkmal sehen.
Dieses Denkmal wurde zu Ehren der Partisanenbrigade «Shelesnjak» errichtet, die im
Dezember 1942 diesen Ort befreite. Seit jener Zeit wurde Begoml zum Zentrum einer
Partisanenzone. Die Partisanen hatten eine ständige Verbindung mit «der Groβen
Erde». Nicht weit von Begoml befand sich ein Flugplatz, und die Partisanen bekamen
Waffe, Munition und Medikamente. Von hier aus wurden über die Frontlinie Kranke
und Verwundete evakuiert.
Heute steht an der Stelle des ehemaligen Flugplatzes ein Obelisk.
Begoml ist die Heimat des belorussischen Volksdichters Pimen Pantschenko
(1917 – 2002).
Auf dem Territorium des Kreises Dokschitzy entspringt die Beresina – der
Hauptfluss des Naturschutzgebietes «Beresinski». Wir sind jetzt mit Ihnen auf dem
Territorium dieses Naturschutzgebietes.
Die Beresina gehört zum Wassersystem, welches das Becken vom Dnepr und
der Westlichen Dwina verbindet. Die Beresina ist einer von sieben Flüssen, deren
Länge über 500 km beträgt. Der Fluss ist ein 613 km lang und ist der rechte Nebenfluss
vom Dnepr. Nach ihrem Ursprung auf dem Territorium des Gebiets Witebsk
durchfliesst die Beresina auf dem Territorium der Republik Belarus vom Norden nach
den Süden östlich von Minsk. Sie ist windungsreich, hat eine breite, oft
überschwemmte Aue und ist auf der Strecke von 500 km schiffbar. An der Beresina
wurde im Jahr 1812 das Heer Napoleons vom russischen Heer entscheidend
geschlagen. Der Fluss fliesst durch das Territorium von drei belorussischen Gebieten:
Minsk, Witebsk und Gomel. Auf dem Territorium des Gebiets Gomel mündet die
Beresina in den Dnepr.
Anfang des XX. Jh. wurden in der Aue (Niederung) der Beresina einige
Biberkolonien gefunden, und im Januar 1925 wurde dieses Gebiet zum staatlichen
Wildreservat erklärt. Dieses Wildreservat existiert schon seit 80 Jahren. Heute gibt es
in der Republik zwei Schutzgebiete: Biosphärenschutzgebiet «Bersenski» (seit 1979)
und ein radiations-ökologisches Schongebiet in Polessje (seit 1989).
Auβerdem wurde in der Republik ein breites Netz von Nationalparks geschaffen:
«Belowesh» (1991), «Brasslaw-Seen» (1995), am Fluss Pripjat befindet sich ein
26
landschats-hydrologischer Nationalpark (1996); bekannt ist auch der Nationalpark am
Narotsch-See (1999).
Die Hauptfunktionen der Nationalparks bestehen im Naturschutz, in der
Organisation der Erholung und der Entwicklung des Tourismus sowie in der
Durchführung von wissenschaftlichen Forschungen.
Auf dem Territorium des Witebsker Gebiets befindet sich einer der schönsten
und malerischsten Naturschutzparks – «Die Brasslaw-Seen». Dieser Naturschutzpark
hat das Territorium von 71,5 tausend Hektar. 17% des Territoriums nehmen Seen an.
Die gröβten von ihnen sind der Drewjaty-See, der Snudo-See, der Strusto-See und
der See Boginskoje. Auf dem Territorium des Naturschutzparks gibt es über 500
Floraarten, 20 davon sind in Beloruβland ganz selten zu treffen.
Im Jahr 1993 wurde das Naturschutzgebiet «Beresinski» auf Beschluβ des
Europäischen Rates in das Weltnetz von biogenetischen Naturschutzgebieten
eingeschlossen, und im Jahr 1995 wurde das Naturschutzgebiet «Beresinski» mit dem
Europäischen Diplom für eine erfolgreiche Arbeit ausgezeichnet.
Das Zentrum der wissenschaftlichen Arbeit dieses Naturschutzgebiets ist der Ort
Domsherizy. Dort befindet sich auch ein sehr interessantes Naturkundemuseum.
Der Ort Domsherizy wurde in den historischen Urkunden viel früher als die
Stadt Lepel erwähnt, die wir mit Ihnen in einigen Minuten erreichen werden. Gerade
hier befand sich ein Teil des im Mittelalter bekannten Handelsweges «von den
Warägern zu den Griechen».
Das gebiet unterhält enge Verbindungen zu mehreren internationalen
Organisationen,
z.B.
zum
polnischen
Nationalpark
«Kompinowski»,
zum
französischen biosphärischen Naturschutzgebiet «Nordwogesen» und anderen .
Das Naturschutzgebiet erstreckt sich auch auf das Territorium des Kreises Lepel.
Vorne eröffnet sich schon das Panorama der Stadt Lepel – eines der
Kreiszentren des Witebsker Gebiets.
Zum ersten Mal wurde Lepel in historischen Urkunden im Jahr 1439 erwähnt,
als der Sohn des Litauischen Fürsten Sigismund I. – Michail – sein Gut «Lepel» der
katholischen Kirche von Witebsk geschenkt hat.
Was die Herkunft des Namens der Stadt anbetrifft, so gibt es zwei Versionen:
eine ist mit dem Lepene-See verbunden, an dessen Ufer die Stadt liegt.
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Der zweiten Version nach bekam die Stadt ihren Namen vom Wort «lepka», was
auf Deutsch «kneten», «modellieren», «formen» heiβt. In dieser Gegend war damals
das Töpferhandwerk sehr entwickelt.
Im Jahr 1541 entriβ litauischer Fürst Sigismund II. Lepel der Witebsker
katholischen Kirche und übergab sie der römisch-katholischen Katheder in Wilno.
Später erschien in Lepel ein Holzschloβ. Im Jahr 1563 wurde der Schloβ besetzt und
danach vom Heer des russischen Zaren Iwan des Schrecklichen niedergebrannt. Nach
der Befreiung von Lepel wurde in der Stadt auf Befehl von Sigismund II. im Jahr 1568
dieses Schloβ wiederaufgebaut. Später wurde im Schloss eine Truppenbesatzung des
Litauischen Groβfürstentums untergebracht.
Die Stadt, die nach dem Krieg wiederaufgebaut war, wurde Juri Senowitsch
geschenkt und nach seinem Tod wieder der römisch-katholischen Katheder in Wilno
übergeben.
Im Laufe von mehreren Jahren (1586 – 1609) war Lepel im Besitz des Kanzlers
des Litauischen Groβfürstentums – Lew Sapega (1557 – 1633).
In der politischen Geschichte Beloruβlands wird Lew Sapega als «Stern der
ersten Gröβe» bezeichnet. Er wurde auf dem Gut Ostrowno bei Witebsk geboren
(1557) und hat eine glänzende Bildung bekommen: zuerst in der protestantischen
Schule in der Stadt Neswish (er lernte mit den Kindern von Radzivills zusammen) und
später – an der Leipziger Universität. Er kannte fünf Fremdsprachen und konnte in
jeder ganz frei sprechen.
Im Jahr 1584 stand er an der Spitze der Botschaft in Moskau. Dort erlangte er
die Unterzeichnung des sogenannten «ewigen Friedens» und im Jahr 1585 wurde er
zum stellvertretenden Kanzler des Litauischen Groβfürstentums ernannt. 1589 wurde
er schon zum Kanzler. Auf der internationalen Arena trat Sapega im Namen der
ganzen Föderation auf, d.h. im Namen von Rzecz Pospolita, dabei ging er doch immer
in erster Linie von den Interessen des Litauischen Groβfürstentums aus. Lew Sapega
war eine einzigartige Persönlichkeit. Von seinem Patriotismus zeugt z.B. folgende
Tatsache: während des Krieges gegen Schweden (1625 – 1629) opferte er sein ganzes
Vermögen für die Armee und beteiligte sich auch persönlich an den Kriegshandlungen.
Dank der Tätigkeit von Lew Sapega bewahrte unser Land nicht nur seine
Unabhängigkeit auf, sondern auch erlebte eine Periode der wirtschaftlichen und
kulturellen Blüte.
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Im Laufe von 34 Jahren stand Lew Sapega an der Spitze des Litauischen
Groβfürstentums. Nach seinem Tod (1633) wurde er in Wilno in der katholischen
Kirche des Heiligen Michael beigesetzt, in der Kirche, die er auf seine eigenen Kosten
bauen lieβ.
Schon vor seinem Tod schenkte Lew Sapega den Ort Lepel und noch einige Orte
auf dem Territorium der Polozker Wojewodschaft dem Kloster der Bernardinerinnen in
der Stadt Wilno. Auf solche Weise befand sich Lepel fast 200 Jahre lang im Besitz des
Klosters. Auf Erlaβ des russischen Zaren Paul I. wurde Lepel dem Kloster entrissen,
und im Jahr 1852 bekam die Stadt ihr eigenes Wappen.
Ab Ende des XVIII. Jh. befand sich Lepel im Besitz des Gutsbesitzers Tschazki.
Gerade er wandte sich an den russischen Zaren Paul I. mit einem Antrag über die
Notwendigkeit der Verbindung von zwei Flüssen – des Dneprs und der Westlichen
Dwina. Das Memorandum von Tschazki wurde akzeptiert und im Jahr 1797 erschien
ein Erlaβ von Paul I. «über die Errichtung eines Wasserweges zwischen dem Dnepr
und der Westlichen Dwina mittels der Beresina».
Die Gesamtlänge dieses Kanals betrug 159 km. Das ganze Wassersystem wurde
im Laufe von weniger als sieben Jahren erichtet (1797 – 1804). Im Jahr 1805 wurde
dieser Kanal eröffnet.
Weit bekannt sind die Ereignisse des Groβen vaterländischen Krieges bei Lepel.
Am 6. Juli 1941 haben das 5. und das 7. mechanisierte Korps der 20. Armee den Feind
zum Stehen gebracht. An dieser Schlacht beteiligten sich von beiden Seiten 1 500
Panzer, 2000 Geschütze und 250 000 Soldaten und Offiziere. Die Kämpfe bei Lepel
dauerten bis zum 16. Juli. Hier bei Lepel wurde Jakow Dshugaschwili (der Sohn von
Stalin) gefangengenommen.
Das Land Lepel ist auf seine Landsleute stolz. Nicht weit von Lepel befindet
sich das Stammgut von Wassili Tjapinski (1530 – 1604) – eines bekannten
belorussischen Humanisten. W. Tjapinski (Omeljanowitsch) wurde im Dorf Tjapino
bei Lepel geboren. Er beschäftigte sich mit einer kulturell-aufklärerischen Tätigkeit
und rief zur Entwicklung der Wissenschaft, Literatur und Geschichte, aber nur in der
Muttersprache des Landes – in der belorussischen Sprache – auf. Wassili Tjapinski war
der Meinung, dass zum Hauptziel jedes Menschen der Dienst seinem Volk und seinem
Land sein soll.
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W. Tjapinski verneinte die Dreifaltigkeitslehre und betrachtete den Christus als
einen gewöhnlichen Menschen. Er behauptete, dass ein Sterblicher kein Recht habe,
über einen anderen sterblichen Menschen zu herrschen. Er lehnte die Staatsgewalt und
die Teilnahme an einem Krieg ab (eine Ausnahme – ein gerechter Krieg bzw. ein
Verteidigungskrieg).
W. Tjapinski übersetzte und druckte ins Belorussische «Das Evangelium». Er
gab sein ganzes kümmerliches Vermögen dafür hin, um sein Volk aus Unwissenheit,
Aberglauben und Finsternis herauszuholen.
Das Land Lepel ist auch die Heimat des bekannten belorussischen Malers Iwan
Chruzki (1810 – 1885). Er wurde im Ort Ulla in der Familie eines Priesters der
unierten Kirche geboren. Zuerst lernte er im Lizeum der Stadt Polozk und spatter
studierte er an der Akademie der Künste in Petersburg. Im Jahr 1839 bekam er für sein
Stillleben «Obst und Blumen» den Akademikertitel.
Die Gemälde von Chruzki sind im Staatlichen belorussischen Kunstmuseum in
Minsk und im Nationalmuseum in Warschau ausgestellt.
Der Kreis Lepel ist auch als die Heimat von bekannten belorussischen Dichtern
– P. Browka (1905 –1980) und A. Wertinski – bekannt.
Vorne können Sie den Fluss Ulla sehen. Dieser Fluss ist genau so wie Lepel und
seine Umgebung mit den Ereignissen des Livländischen Krieges verbunden, den Iwan
der Schreckliche in den Jahren 1558 – 1583 gegen das Litauische Groβfürstentum
führte. Das Ziel des Krieges – der Ausgang zum Baltischen Meer bzw. – zur Ostsee.
An den Ufern der Ulla gewann Mikolai Radzivill (Rothaariger) die Oberhand über das
Heer des russischen Zaren Iwan des Schrecklichen.
Die russischen Truppen rückten von zwei Seiten vor: von Polozk und von
Smolensk. Zwei Armeen, die 30 000 Mann stark waren, muβten vom Litauischen
Groβfürstentum Polozk, Witebsk und Orscha abschneiden, um sich später zu
vereinigen und den Hauptstoβ nach Wilno zu richten. Aber die Strategie vom Hetman
Mikolai Radzivill verhinderte nicht nur diese Pläne, sondern auch die Okkupation der
meisten belorussischen Regionen und die Eroberung von Wilno.
Diese glänzende Kriegsoperation an der Ulla zeigte eine wunderbare
Kriegskunst der Feldherren und eine ausgezeichnete Gefechtsausbildung sowie einen
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hohen
Kampfgeist
der
belorussischen
Ritterschaft.
Die
Ergebnisse
dieser
Kriegsoperation wurden bald in ganz Europa bekannt.
Ende des XVI. Jh. wurde im Dorf Ostrowno eine katholische Kirche zu Ehren
des Sieges über das Heer von Iwan dem Schrecklichen an der Ulla errichtet.
Rechts können Sie jetzt, werte Gäste, einen Wegweiser sehen, auf dem
«Tschaschniki» geschrieben steht. Tschaschniki ist eines der Kreiszentren des
Witebsker Gebiets. In diesem Kreis gibt es ein altes und interessantes Dorf Tschereja.
Die Geschichte dieses Dorfes kann man mit einem tiefen Wasserbrunnen vergleichen:
die ist genauso dunkel und geheimnisvoll. Die Historiker sind der Meinung, dass
dieses Dorf genauso alt wie Polozk ist.
Die Chronik des Dorfes beginnt mit der Erwähnung eines Bauern, der Iwan hieβ.
Dieser Iwan hatte sechs Söhne und eine Tochter. Besonder bekannt wurden zwei
Söhne: Missail und Michail, die in dieser Gegend ein Kloster gründeten. Missail war
auch Bischof von Smolensk.
Gegen 1475 wurde er zum Mitropoliten von Kiew und vom ganzen Ruβland
ernannt. Seine Residenz befand sich in der Stadt Nowogrudok. Missail trat für die
Vereinigung der Orthodoxen und Katholischen Kirchen auf. Im Jahr 1475 gründeten
beide Brüder ein Dreifaltigkeitskloster. Das Kloster ist nicht erhalten geblieben, aber
die Ruinen der Dreifaltigkeitskirche kann man auch heute sehen.
Im Jahr 1884 befand sich der Ort Tschereja im Besitz der Familie Milosch. Einer
der berühmtesten Vertreter dieses Stammes war Dichter Tscheslaw Milosch
(polnischer Dichter), der im Jahr 1980 mit dem Nobelpreis auf dem Gebiet der
Literatur ausgezeichnet wurde.
Rechts kann man das Panorama des Lepel-Sees sehen. Dieser See entstand Ende
der Eiszeit und gehört zu einer Gruppe von 57 groβen und kleineren Seen, die als
Lepel-Seen bekannt sind. Der Lepel-See gehört zur südlichen Gruppe dieser Seen und
hat eine Fläche von 10 km². Der See ist 8 km lang und 2 km breit. Das ist ein See mit
Abfluss: in den See mündet die Essa und fliesst die Ulla ab – ein Nebenfluss der
Westlichen Dwina. Der See ist reich an Fisch: Barsch, Aland, Hecht, Brasse und
andere. Auβerdem ist der Lepel-See eine schöne Erholungszone: an den Ufern des Sees
befinden sich zwei Sanatorien, ein Erholungsheim und eine Touristenherberge.
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Rechts ist ein Wegweiser – «Kreis Uschatschi».
Diese Region kannte zahlreiche Kriege und Aufstände. Ein besonders
verheerender Krieg für Beloruβland, für das Fürstentum Polozk und für das Land
Uschatschi war der Krieg Ruβlands gegen Rzecz Pospolita (1654 – 1667), der in der
Geschichte oft als eine «blutige Überschwemmung» bezeichet wird.
Nach diesem Krieg verminderte sich die Einwohnerzahl von Beloruβland für
mehr als die Hälfte. Neue Opfer und Zerstörungen brachte auch der Krieg 1812. Im Ort
Uschatschi war der Stab von General P. Wittgenstein untergebracht. In der Nacht vom
22. zum 23. Juli 1812 ist hier Napoleon abgestiegen.
Der Aufstand 1863 – 1864 war auch mit Uschatschi verbunden, weil manche
Einwohner dieses Ortes Teilnehmer dieser Ereignisse waren, darunter auch folgende:
O. Grabnizki, F. Toptschewski, A. Werigo-Darewski und andere.
Eine Widerspiegelung haben in dieser Region auch die Ereignisse gefunden, die
mit der Brester Union verbunden waren, als in der Ukraine und Beloruβland die
Vereinigung der Orthodoxen und der Katholischen Kirche erfolgte. Nach der
Unterzeichnung dieser Union wurde vom König Shigimont III. die unierte
Erzbischofschaft gegründet. Nach der Annahme der Union wurde im XII. Jh. auf dem
Territorium von Rzecz Pospolita der unierte Basilianerorden gebildet. In Beloruβland
gab es 55 basilianische Klöster. Das gröβte von ihnen befand sich in Polozk. In
Uschatschi wurde ein Basilianerkloster im Jahr 1672 gegründet.
Beim Kloster wurde eine der ältesten auf dem Territorium Beloruβlands Schulen
eröffnet. Historische Unterlagen zeugen davon, dass 80% der Dorfbevölkerung auf den
Territorien Beloruβlands, die im Jahr 1772 Ruβland angeschlossen wurden, Unierte
waren.
Die Region Uschatschi ist auch durch ihre Heilquellen bekannt. Im Jahr 1855
wurde hier vom Arzt Nemirowski ein Privatsanatorium eröffnet, wo nicht nur
wohlhabende Leute des Russischen Reiches, sondern auch reiche Ausländer aus
Deutschland, Polen, Frankreich und anderen Ländern behandelt wurden. Zur Zeit
befindet sich an dieser Stelle eine Pension, die «Waldseen» heiβt.
Uschatschi ist auch das Heimatland einiger belorussischen Dichter und
Schriftsteller. Hier wurde Artjom Weriga-Darewski geboren – einer der führenden
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belorussischen Schriftsteller der 50.-60-er Jahre des XIX Jh. Als ein aktiver
Teilnehmer des Aufstandes 1863 wurde er nach Sibirien verbannt, wo er im Jahr 1884
verstarb.
Hier wurde auch Petrus Browka geboren – belorussischer Volksdichter. Im
Zentrum seines Heimatdorfes – Putilkowitschi – erhebt sich ein Obelisk: an dieser
Stelle stand das Haus seiner Mutter. Das Haus wurde in den Jahren der Okkupation
verbrannt, die Mutter kam im KZ Auschwitz ums Leben.
Nicht weit von Putilkowitschi befindet sich die Heimat des belorussischen
Schriftstellers Wassil Bykow. Er ist heutzutage einer der beliebtesten Schriftsteller
Beloruβlands. Seine Werke, vorwiegend den Ereignissen des vergangenen Krieges
gewidmet, wurden in alle westeuropäischen Sprachen übersetzt: «Das Wolfsrudel»,
«Das dritte Leuchtkugel», «Der Obelisk», «Sotnikow» u.a. Viele seiner Romane und
Erzählungen wurden verfilmt.
Der belorussische Dichter Rygor Borodulin, der auch auf diesem Boden geboren
ist, widmete auch manche seiner Gedichte dem schrecklichen vergangenen Krieg, an
den uns heute traurige und erhabene Denkmäler erinnern.
Eines dieser Denkmäler, das sich nicht weit vom Kreiszentrum Uschatschi
befindet, heiβt «Der Durchbruch».
Die erste Erwähnung über Uschatschi bezieht sich auf das XIV. Jh.
Den Polozker Urkunden nach gehörte das freie Dorf Uschatscha (Wschatscha)
zuerst den Söhnen von Andrej Seljawa an, später – dem Magnaten Kljanowski und
noch später – Radziminski-Frankewitsch, der in Uschatschi ein Dominikanerkloster
(1716) bauen lieβen.
Ab 1746 befand sich der Ort Uschatschi im Besitz von Kasimir Shaba.
Ende des XVIII. Jhs. spielte der Ort Uschatschi eine bedeutende Rolle in der
Polozker Wojewodschaft. Uschatschi war einer der letzten Orte, der auf Erlaβ des
Königs August III. das Magdeburger Recht bekam (am 23.Juli 1758). Die Stadt bekam
auch ihr eigenes Stadtwappen.
Nach der ersten polnischen Teilung (1772) wurde das ganze Territorium am
rechten Ufer der Dwina darunter auch Polozk dem Russischen Reich angeschlossen.
Der Ort Uschatschi blieb aber in Rzecz Pospolita und wurde zum Zentrum der
Polozker Wojewodschaft.
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Bis 1863 behielt der Ort Uschatschi den Status einer Stadt.
Die Gedenkstätte «Der Durchbruch» befindet sich 9 km von Uschatshi
entfernt, zwischen den Dörfern Plino und Paperno. Diese Gedenkstätte wurde an der
Stelle eröffnet, wo die Partisanen in der Nacht zum 5.Mai 1944 die Blokade
durchbrochen haben.
Im Herbst 1942 befreiten die Partisanen den Ort Uschatschi, und bald danach
wurde dieser Ort zum Zentrum der Partisanenzone «Polozk-Lepel». Dieser Zone
gehörten 1 200 Orte auf dem Territorium der Kreise Uschatschi, Lepel, Dokschitzy
und Beschenkowitschi an.
Im Herbst 1943 gab es in dieser Zone schon 16 Partisanenbrigaden. Im Winter
und im Herbst 1943 – 1944 wurden hier erbitterte Kämpfe durchgeführt. Am 11. April
1944 ging der Feind zum Angriff über. Gegen 16 Partisanenbrigaden (17 185
Partisanen) kämpften von der deutschen Seite 15 SS-Regimente (60 000 Soldaten), die
von 137 Panzern, 235 Geschützen, 75 Flugzeugen und zwei Panzerzügen unterstützt
wurden.
Das war eine gleichzeitig heroische und tragische Zeit sowohl für die Partisanen
als auch für die Bewohner dieser Zone. Die Kämpfe dauerten 27 Tage und Nächte.
Unter Berücksichtigung von diesen schweren Umständen traf der Kriegsrat der
Ersten Baltischen Front eine Entscheidung, die Blokade durchzubrechen. Diese
Kriegsoperation begann in der Nacht zum 4. Mai…
Heute erhebt sich an der Stelle des Durchbruchs ein Denkmal: eine riesengroβe
schwarze zerrissene Felsenwand. An der Wand sind 16 Schilder mit den
Bezeichnungen der Partisanenbrigaden angebracht. Vorne – eine 7 Meter hohe Gestalt
des Partisanen.
Der obere Teil der Anhöhung ist ein Gedenkfeld, wo 1450 Partisanen beigesetzt
sind. Ihre Namen sind an Gedenktafeln gemeiβelt.
Diese Gedenkstätte wurde am 30. Juni 1974 eröffnet.
Oben kann man 16 Eichen sehen, die 16 Partisanenbrigaden symbolisieren.
(Bildhauer: Volkskünstler der Republik Belarus A. Anikejtschik; Architekten:
Leninpreisträger J. Gradow, L. Lewin).
Die Gesamtfläche der Gedenkstätte beträgt 3 Hektar.
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Weiter führt die Polozker Chaussee zum Dorf Bikulnitschi, das sich auf einer
Halbinsel des Janowo-Sees liegt. Zum ersten Mal wurde dieses Dorf in den Chroniken
im XV. Jh. erwähnt.
In der Nähe des Dorfes befindet sich am See ein Waldstück, das «Steine» heiβt.
Hier kann man eine rätselhafte Einrichtung aus roten Granitsteinen in der Form
des russischen Buchstabens «П» mit der Seite 15 m lang sehen. Mit ihrem offenen Teil
ist diese Einrichtung zum Norden gerichtet – zum Janowo-See. An dem
entgegengesetzten Ufer des Sees befindet sich der Berg Wolotowka mit einer hohen
Spitze (25 m über dem Wasserspiegel). Am Bergfuβ liegt ein Dorf, das den Namen
Swjatiza hat. Das Dorf liegt rechts von der Hauptstraβe.
Die Wissenschaftler sind der Meinung, dass es Spuren eines alten
Götzentempels sind, der hier schon vor der Annahme des Christentums stand und mit
einem heidnischen Götzen «Janka Kupala» verbunden war. Gerade deshalb wurde
vermutlich der See sowie das Dorf «Janowo» genannt.
Das Volksfest «die Kupala-Nacht» wird heutzutage von allen slawischen sowie
baltischen Völkern gefeiert. Die Nacht von Janka (Iwan) Kupala wird in der Ukraine,
in Ruβland, in Polen, in Litauen und in der Tschechai gefeiert.
Laut Überlieferung blüht in dieser Nacht die Farnblume aus… Und derjenige,
der diese Blume im Wald in der Kupala-Nacht findet, wird sein ganzes Leben lang
glücklich sein und bringt auch viel Glück seinen Nächsten sowie allen Menschen, die
er liebt…
Dieses Volksfest wird auch heute sowohl auf dem Lande, als auch in der Stadt
gefeiert. Es wird immer im Wald am Ufer eines Flusses oder eines Sees gefeiert.
Mädchen und Jungen führen Reigen, singen, tanzen und springen über das Feuer…
Gerade in dieser Nacht können die Mädchen ihr weiteres Schicksal erfahren: aus Kornund Kleeblumen flechten sie Blumenkränze und schmeiβen sie ins Wasser. Falls ein
Blumenkranz weiter schwimmt, so wird dieses Mädchen in diesem Jahr heiraten. Falls
er untergeht, muβ man noch ein Jahr bis zur nächsten Kupala-Nacht warten…
Und bis heute machen örtliche Bewohner in der Kupala-Nacht (die Nacht vom 6.
zum 7.Juli) auf dem Berg Feuer an, singen Lieder, tanzen… (In Deutschland –
«Johannesnacht»).
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Rechts liegt ein kleines belorussisches Dorf Gomel, das zum ersten Mal in den
Urkunden im Jahr 1552 als der Hof Gomlja erwähnt wurde. Später wurde Gomel zu
einem Marktflecken. Man vermutet, dass der Name des Dorfes mit dem altslawischen
Wort «gomila» oder «gomola» verbunden ist, was eigentlich «Grab» oder «Grabhügel»
bedeutet.
Rechts erhebt sich ein Denkmal, das uns an die Ereignisse des vergangenen
Krieges erinnert. Das Denkmal wurde hier im Jahr 1977 zu Ehren von Illegalen und
Partisanen errichtet.
Diese Orte waren auch den künftigen Dekabristen bekannt (russisch «dekabr»«Dezember»). Wenn wir das ins Deutsche überstzen, so würden sie in der deutschen
Sprache «Dezembristen» genannt. Die Dekabristen waren eine Gruppe revolutionärer
adligen Offiziere, die im Dezember1825 (daher ist der Name) einen Aufstand gegen
die Selbstherrschft des Zaren sowie gegen die Leibeigenschaft organisierten.
Nach der heldenhaften Verteidigung der Heimat gegen Napoleon hoffte das
Volk auf die Befreiung von der Leibeigenschaft. Nach der Heimkehr vom Kriege
klagten die Soldaten: «Wir haben unser Land vom Tyrannen befreit, doch wir selbst
leiden wieder unter der Tyrannei der Herren».
Die Teilnahme am Vaterländischen Krieg 1812 und die Bekanntschaft mit den
demokratischen Ideen Europas, die dank der Französischen Revolution Verbreitung
gefunden haben, lieβen Ruβlands fortschrittliche Menschen die innere Lage ihrer
Heimat objektiv schätzen.
Im Jahr 1816 gründeten sechs junge Offiziere den ersten politischen
Geheimbund in Ruβland – den «Rettungsbund».
An der Spitze stand der 24-jährige Gardeoberst Alexander Murawjow, ein
Teilnehmer der glorreichen Schlachten von 1812 und der ausländischen Feldzüge.
Im Jahr 1818 wurde der «Rettungsbund» in eine neue geheime Gesellschaft –
den «Wohlfahrtsbund» – umgebildt. Darunter war die Wohlfahrt eines künftigen und
freien Ruβlands gemeint.
Im Jahr 1821 löste sich dieser Bund auf und an seiner Stelle entstanden zwei
neue geheime Gesellschaften – die Nördliche in Petersburg und die Südliche in der
Ukraine.
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Die Nördliche Gesellschaft entstand im Herbst 1822 in Petersburg. Die
Mitglieder dieser Gesellschaft waren Nikita Murawjow, Michail Lunin, Alexander
Bestushew, Alexander Podshio und andere, deren Leben mit Beloruβland und
insbesondere mit dem Gouvernement Witebsk und der Stadt Polozk verbunden war.
Viele von künftigen Dekabristen kamen nach Beloruβland in Zusammenhang
mit einem Aufstand des ältesten russischen Garderegiments – SemjonowskiRegiments. Viele Soldaten und Offiziere dieses Regiments wurden für ihren Mut und
ihre Tapferkeit in den Jahren des Vaterländischen Krieges 1812 mit verschiedenen
Orden und Medaillen und das Regiment mit dem Banner des Heiligen Georg
ausgezeichnet.
Anfang 1821 muβte das Regiment auf Befehl des Zaren Alexander I. aufgelöst
werden. An seiner Stelle war es geplant, ein neues Regiment aufzustellen. Das
Regiment bereitete sich auf einen Feldzug vor und Anfang Mai 1821 trat das Regiment
den Marsch Richtung Witebsk an. Ein trauriges Bild stellte damals Beloruβland dar:
das Land war durch den Krieg 1812 zerstört. Hier sind die Zeilen aus einem Brief des
Oberleutnants, Leibgardisten und künftigen Dekabristen Alexander Bestushew, der
sich damals im Gouvernemt Witebsk befand, an seine Mutter: «Bedauerlich ist es,
diese armen Bauern zu sehen. Alle sind totenbleich, abgehärmt und entkräftet. Viele
bekommen von ihren Herren nur eine Handvoll Gerste pro Person. Ihre elende Lage
können Sie sich kaum vorstellen».
Nach drei Jahren wird sich diese Bitternis im Dezember 1825 in Petersburg auf
dem Senatsplatz ausdrücken.
Iwan Jakuschkin, ein Absolvent der Moskauer Universität, der ebenfalls den
Krieg von 1812 und die Feldzüge nach Westeuropa mitgemacht hat, erinnerte sich
später: «Dieser Feldzug hatte ganz andere Ergebnisse, als Alexander I. von ihm
erwartet hat. Die Offiziere aller Regimente, die während dieses Feldzuges viel mehr
freie Zeit als in Petersburg hatten, trafen sich oft miteinande,r und viele neue
Mitglieder traten unserer geheimen Gesellschaft bei».
In den nördlichen Gouvernements befanden sich damals auch solche künftige
Dekabristen, wie der Fürst Sergej Trubezkoi, Nikita Murawjow – Student der
Moskauer Universität, der fünf Fremdsprachen beherrschte, Jewgeni Obolenski, Iwan
Pustschin, Alexander Odojewski und viele andere.
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Und alle hoben in ihren Erinnerungen Elend und Armut der belorussischen
Bauern hervor.
Die Garde blieb auf dem Territorium Beloruβlands den Winter über. Die
Offiziere, die in Witebsk und Polozk untergebracht waren, besprachen künftige
grundlegende Umgestaltungen des Staates, die Aufhebung der Leibeigenschaft, soziale
Reformen usw. Das alles führte sie am 14. Dezember 1825 zum Senatsplatz.
Zu Beginn des Aufstandes zählte die geheime Gesellschaft 580 Mitglieder.
Nach dem Scheitern des Aufstandes wurde die Bewegung blutig unterdrückt.
Von 580 Angeklagten wurden 5 hingerichtet, 130 nach Sibirien verbannt.
Die Stadt Polozk besuchte auch mehrmals der bekannteste russische
Schriftsteller Denis Fonwisin. Zum ersten Mal war er in Polozk unterwegs ins Ausland
im September 1777. Damals arbeitete er als Sekretär des Kollegiums für auswärtige
Angelegenheiten. Später war er in Polozk in den Jahren 1793, 1794 und 1800 in
Zusammenhang mit Klagen und Beschwerden der belorussischen Bauern.
Er verteidigte die Interessen der Bauern und verlangte, die Ausfuhr des
belorussischen Getreide ins Ausland zu stoppen. In seinen Artikeln und Werken
unterstrich er die nationale Eigenart und Arbeitsamkeit des belorussischen Volkes.
«Obwohl die Belorussen den Russen im Groβen und Ganzen ähnlich sind, haben
sie eine ganz andere Lebensweise sowie Sitten und Bräuche…», - hat er in einem seiner
Werke geschrieben.
Seine Erinnerungen sowie seine Eindrücke von Witebsk und Polozk hat für uns
auch der bekannteste russische Schriftsteller und Nobelpreisträger Iwan Bunin
hinterlassen.
Also, werte Gäste, wir haben mit Ihnen 220 km zurückgelegt, und jetzt eröffnet
sich vor uns das Panorama der alten belorussischen Stadt Polozk.
Die Stadt liegt an der Westlichen Dwina. Die Gesamtlänge des Flusses beträgt
1020 km, innerhalb Beloruβlands – 328 km. Die Westliche Dwina mündet in die
Ostsee und fliesst durch das Territorium von Ruβland, Beloruβlands und Lettland, wo
sie Daugawa heiβt. In die Westliche Dwina münden 12 000 groβe und kleinere Flüsse.
Die erste Erwähnung über Polozk in historischen Urkunden bezieht sich auf das
Jahr 862. Dieses Datum gilt als Gründungsjahr der Stadt. Aber schon vorher gab es an
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dieser Stelle eine Ansiedlung. Der kleine Ort, der im IX. – X. Jh. mehr als 1000
Bewohner zählte, verwandelte sich zum XII. Jh. in eine groβe für damalige Zeiten
Stadt. Das Territorium der Stadt machte im XII. Jh. schon 80 Hektar aus, und in der
Stadt wohnten über 8000 Einwohner. Polozk war das Zentrum des Polozker
Fürstentums.
Ab Ende des XI. Jh. und bis zur Mitte des XIII.Jh. war Polozk das gröβte
Fürstentum der Ostslawen. Nach west-europäischen Maβstäben war das ein
selbständiger mittelalterlicher Staat.
Im XII. Jh. gab es in der Stadt 10 Kirchen, schnell entwickelten sich
verschiedene Handwerke.
Von den alten Zeiten her regierten hier Fürsten, welche in den schwedischen
Urkunden schon im VI. Jh. erwähnt wurden. Die Namen dieser Fürsten sind in der
Geschichte leider nicht erhalten geblieben.
Die Namen der anderen Fürsten von Polozk sind uns aber auch heute bekannt,
und viele alte architektonische Denkmäler, die es in der Stadt gibt, sind mit den Namen
dieses oder jenes Fürsten verbunden. Im XI. Jh. wurde in der Stadt in der
Regierungszeit des Fürsten Wseslaw eine wunderbare Kathedrale errichtet – die
orthodoxe Kathedrale der Heiligen Sophia – ein Symbol des orthodoxen Galubens. Das
war die dritte und die letzte Kathedrale der Heiligen Sophia auf dem Territorium der
Kiewer Rus damals. Diese Kathedrale werden wir mit Ihnen heute besichtigen.
Mit Polozk sind die Namen solcher hervorragenden Belorussen verbunden, wie
z.B. Jewfrossinja von Polozk, belorussischer Buchdrucker und Aufklärer Sranzisk
Skorina, Dichter Simeon von Polozk
In Polozk bildete sich schon damals eine eigene und einzigartige Schule der
Baukunst. Einige Perlen der Baukunst der vergangenen Jahrhunderte werden wir mit
Ihnen während unserer Stadtrundfahrt besichtigen.
Im Laufe des zwanzigjährigen Nordkrieges (1700 – 1721) besuchte die Stadt
auch der russische Zar Peter I. Im Haus, wo er wohnte, ist heute ein Museum
untergebracht.
Viele Orte von Polozk sind mit den Ereignissen verschiedener Kriege
verbunden. So, z.B. die Rote Brücke erinnert uns an die Ereignisse des Krieges 1812.
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In der Stadt gibt es Denkmäler, die den Helden des Krieges 1941 – 1945
gewidmet sind.
Also, wir sind schon in Polozk. Hier ist eine Stadtrundfahrt vorgesehen.
Während dieser Stadtrundfahrt werden wir mit Ihnen das Erlöserkloster, wo die
Überreste der Heiligen Jewfrossinja von Polozk aubewahrt sind, die Sophienkathedrale
und das Museum der belorussischen Buchdruckerkunst besichtigen.
Die Geschichte von Beloruβlands ist reich und mannigfaltig. Sie haben
Möglichkeit, auch andere alte belorussische Städte mit den interessantesten Schlössern,
Palästen und Denkmälern zu besuchen. Ich empfehle Ihnen solche alte belorussische
Städte zu besichtigen, wie Mir und Neswish, die Stadt Slonim sowie das alte
Männerkloster in der Nähe von Slonim in Shirowizy. Vom Interesse sind auch die
Städte Grodno, Krewo, Golschany und andere, die untrennbar mit der Geschichte
unseres Landes verbunden sind, weil «die Liebe zum Heimatland in erster Linie die
Geschichte dieser Heimat erweckt», wie unser belorussischer Schriftsteller Wladimir
Korotkewitsch einmal sagte.
СВЕДЕНИЯ ОБ АВТОРЕ
ЩАПОВА Татьяна Ивановна с 1973 года – гид-переводчик немецкого
языка «Белинтурист».
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