«Das Kantonsspital hat ein Mobilitätspaket eingeführt, das sich

Das unabhängige Online-Magazin der Zentralschweiz
Wirtschaft
Umsteigen auf ÖV
Tschau Stau: Diese drei
Firmen meinen es ernst
Verstopfte Strassen zur Stosszeit? Auch
Unternehmen können sich etwas einfallen
lassen, um dem täglichen Verkehrschaos
entgegenzuwirken. zentral+ präsentiert die
Top-drei-Firmen, die mit gutem Beispiel
vorangehen. Auf Platz 1: das Kantonsspital
Luzern – mit rigorosen Massnahmen. In der Luzerner Stadtregion tut sich was. Firmen steigen auf den ÖV um. (Bild: tellpass.ch)
12.06.2015, 16:14
Es wird eng auf Luzerns Strassen. Die Mobilität nimmt stetig zu, der Platz aber nicht. Alleine in der
Agglomeration Luzern wird die Bevölkerung bis ins Jahr 2030 um 16 Prozent von heute 200'000
Personen auf 232'000 Personen zunehmen, so die Prognose. Die Nachfrage beim motorisierten
Individualverkehr wird voraussichtlich bis ins Jahr 2030 um 20 Prozent zunehmen, beim ÖV um 40
Prozent.
Deshalb sind sinnvolle Lösungen gefragt, nicht zuletzt von den grossen Arbeitgebern der Region. Ihre
Ideen sind erwünscht, um dem drohenden Verkehrskollaps entgegenzuwirken. zentral+ hat bei
Verkehrsexperten und Firmen nachgefragt und präsentiert drei Unternehmen der Stadtregion, die mit gutem Beispiel vorangehen.
Unterstützen Sie zentral+
«Job-Abo» auf dem Vormarsch
Für das Ranking waren Firmengrösse nach Anzahl Mitarbeiter sowie Veränderungswille entscheidend. Die folgenden Arbeitgeber haben die wirksamsten
Massnahmen für die Verkehrsentlastung der Stadtregion eingeführt. Treibend in diesem Bereich wirkt dabei vor allem das Konzept «Job-Abo» des
Verkehrsverbundes Luzern, welches letztes Jahr neu lanciert wurde. Das System funktioniert so: Ein Unternehmen bezieht bei Passepartout das Job-Abo und gibt anschliessend den Mitarbeitenden einen Gutschein für den Bezug
eines ÖV-Abonnements aus. Die Mitarbeitenden können diesen innerhalb eines Jahres bei den Verkaufsstellen einlösen und das effektive Abo mit den
gewünschten Zonen beziehen. Die Unternehmen zahlen dabei einen Beitrag von mindestens 200 Franken, den Restbetrag übernehmen die Mitarbeitenden.
Wie stark sich die Firmen schliesslich an den Beiträgen für die Mitarbeiter beteiligen, ist deren Sache. Zudem beteiligt sich Passepartout mit einem Bonus am
Job-Abo und offeriert eine gratis Multi-Tageskarte für alle Zonen.
«Das Job-Abo trägt wesentlich dazu bei, die Mitarbeitenden zum Umsteigen zu motivieren und so beispielsweise den Parkplatzmangel zu beheben», sagt
Christoph Zurflüh, Sprecher des Verkehrsverbundes Luzern. Das Job-Abo wurde 70 Unternehmen vorgestellt. Bis jetzt machen 10 Unternehmen mit. «Für die
Mitarbeiter ist es ein Anreizsystem. Sie steigen auf den ÖV um, wenn die Beiträge für sie genug hoch sind.» «Das Kantonsspital hat ein Mobilitätspaket eingeführt, das sich
sehen lassen kann.»
Christoph Zurflüh, Verkehrsverbund Luzern
Platz 1: Luzerner Kantonsspital
In unserer Rangliste ist das erste Vorzeige-Unternehmen, das von Experten häufig genannt wird, das
Luzerner Kantonsspital (LUKS). Notgedrungen waren beim LUKS rund um die Spitalstrasse verschiedene
Bemühungen zwingend. Dennoch: «Das LUKS hat ein sehr umfassendes Mobilitätspaket eingeführt, das
sich sehen lassen kann», sagt Zurflüh.
Am Standort Luzern sind 4’500 Mitarbeiter beschäftigt und täglich gehen dort bis zu 1’000 Patienten,
Angehörige, Lieferanten und Partner ein und aus. Der überlastete Berufsverkehr und die begrenzten
Parkplätze auf dem Areal sind real.
Das LUKS beteiligt sich neu mit bis zu 500 Franken an den ÖV-Abos der Mitarbeitenden, je nach
Arbeitspensum. Gleichzeitig wurden die Parktarife für Mitarbeitende auf einen Schlag verdoppelt,
von 2.90 auf 5.80 Franken. «Bis Ende Mai wurden 700 Job-Abos eingelöst», sagt Ramona Helfenberger,
Sprecherin des LUKS. Geplant sind zusätzlich rund 200 Veloparkplätze. «Diese Massnahmen sollen schrittweise entscheidende
Verbesserungen für die Verkehrssituation rund um das LUKS am Standort Luzern bringen», sagt
Helfenberger. Bald wird wohl auch ein Nachttaxi für die Mitarbeitenden eingeführt und vom LUKS
finanziert. «Mit dem Taxi kommen die Mitarbeitenden nach der Arbeit nach Hause, auch wenn kein Bus
oder kein Zug mehr fährt.» Ein entsprechender Pilotversuch läuft. 28 Prozent Arbeitsverkehr
Im Kanton Luzern fallen 13 Kilometer oder
umgerechnet 36 Prozent aller Tagesdistanzen
auf Freizeitaktivitäten. An zweiter Stelle steht
der Arbeiterverkehr mit einem Anteil von 28
Prozent, an dritter der Einkaufsverkehr mit
13 Prozent.
Von Luzern bis fast zum Südpol – diese
Luftliniendistanz legen die Luzernerinnen
und Luzerner durchschnittlich pro Jahr
zurück. Pro Tag entspricht dies einer Strecke
von 37,5 Kilometer und einer Zeitdauer von
86,4 Minuten.
Der Grad der Motorisierung ist in den
ländlichen Räumen bedeutend höher als in
der Stadt Luzern. Knapp 80 Prozent aller
Haushalte verfügen mindestens über ein
Auto.
«Seit Oktober 2014 wurden 350 Job-Abos an Mitarbeitende
ausgestellt» Florian Meier, Schindler
Platz 2: Schindler
Auch beim Industriekonzern Schindler steckt man regelmässig die Köpfe zusammen, um Lösungen für die Mitarbeitenden zu finden. Die Ebikoner Firma
landet auf Platz 2. 1'800 Mitarbeitende fahren im Raum Luzern für den Liftbauer täglich zur Arbeit. «Seit Oktober 2014 wurden 350 Job-Abos an
Mitarbeitende ausgestellt», sagt Sprecher Florian Meier. Für den ÖV bedeutet das ein Sprung nach vorne. Vor dem Angebot des Job-Abos wurden jeweils um
die 100 Mitarbeitende mit einem kleineren Beitrag unterstützt.
Zudem stehen bei Schindler Sportlergarderoben für Mitarbeitende zur Verfügung, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen, so Meier. Insgesamt fahre rund die
Hälfte der Belegschaft mit dem Auto, der Rest kommt mit ÖV, zu Fuss oder mit dem Fahrrad. Platz 3: Kantonalbank
Die dritte Erfolgsstory liefert die Luzerner Kantonalbank. Sie hat den ÖV-Zustupf mit dem Job-Abo von 150 Franken auf 200 Franken erhöht. «Bei einem
Mitarbeiterbestand von rund 1'100 Personen im Raum Luzern hat fast die Hälfte vom Angebot Job-Abo profitiert», freut sich Sprecher Daniel von Arx.
Die Kantonalbank hat von Anfang Januar bis Ende Mai 2015 total 432 Gutscheine für Job-Abos an die Mitarbeitenden ausgegeben, davon wurden bisher 167
eingelöst. «Die restlichen werden durch die Mitarbeitenden eingeholt, wenn die jeweiligen Abos im Laufe des Jahres noch zu erneuern sind», sagt von Arx.
«Wir ermöglichen unseren Mitarbeitenden, die Arbeitszeit flexibel
zu gestalten.»
Patrick Eigenmann, Mobility
Ehrenpreis: Mobility
Neben der ÖV-Förderung gelten auch flexible Arbeitszeiten als wirksame Massnahme gegen zunehmenden Arbeitsverkehr. Ein Vorzeige-Beispiel für diese
Modelle ist das Luzerner Carsharing-Unternehmen Mobility mit seinen 120 Mitarbeitern. «Wir ermöglichen allen Mitarbeitern, die Arbeitszeit flexibel zu
gestalten. Damit können sie sinnvoller den ÖV nutzen oder Aus- und Weiterbildungen absolvieren», sagt der Medienverantwortliche Patrick Eigenmann. «Fixe
Arbeitszeiten gelten einzig für unsere rund 25 Mitarbeitenden im Dienstleistungscenter.»
Jede und jeder Mitarbeitende bei Mobilty hat eine 40-Stunden-Woche. Diese Stunden kann er oder sie flexibel auf die fünf Arbeitstage verteilen, solange
sichergestellt ist, dass sein/ihr Stellvertreter oder andere Mitglieder des Teams zu Servicezeiten (8 bis 12, 13 bis 17 Uhr) vor Ort sind. Zudem gebe es in vielen
Arbeitsbereichen die Möglichkeit für Home-Office. Mit dieser Flexibilisierung der Arbeitszeit befindet sich Mobility in bester Gesellschaft. Kürzlich haben sieben grosse Schweizer Unternehmen, darunter die
Schweizerische Post, die SBB und die Swisscom, die «Work Smart Initiative» unterschrieben. Die Ziele: bessere Rahmenbedingungen für die Mitarbeitenden
schaffen, den Arbeitsmarkt zur Rekrutierung von Fachkräften besser erschliessen sowie Energie, Gebäude und Verkehrsinfrastrukturen «smarter» nutzen und
diese gleichmässiger im Tagesverlauf auslasten.
Mobilitys Kerngeschäft trägt nicht zuletzt dazu bei, dass viele Unternehmen den Einsatz ihrer Fahrzeuge hinterfragen und anpassen. «In der Stadt Luzern
nutzen inzwischen 150 Unternehmen den Dienst von Mobility», sagt Eigenmann. «Die Nachfrage von Firmen nach intelligenter und nachhaltiger Mobilität
steigt laufend, weil sie erkennen, dass Carsharing transparent, effizient und kostengünstiger ist als ein eigener Fuhrpark.» Gemeinsam gegen Stau
Zusammen haben die Stadt Luzern, der Kanton Luzern, der Verkehrsverbund Luzern und der Gemeindeverband LuzernPlus das «Gesamtverkehrskonzept
Agglomerationszentrum Luzern» erarbeitet (zentral+ berichtete). Die Ziele: Durch eine Reduktion des Autoverkehrs zu den Hauptverkehrszeiten um fünf Prozent soll der Verkehr flüssiger gemacht werden. Dank des
Ausbaus und der Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs soll die zu erwartende Zunahme der Mobilität bewältigt werden.
Am Montag wird der Luzerner Regierungsrat über den neuen Richtplan informieren. Auch dort spielen die veränderten Mobilitätsbedingungen eine tragende
Rolle.
Kennen Sie noch mehr Vorzeige-Firmen in der Stadtregion? Als Community-Mitglied können Sie diese mit der Kommentarfunktion mitteilen.