Kinder_und_Jugendgynaekologie

F. Fischl
Hormonell Aktuell 2009 Belek - Fis
Kinder- und Jugendsprechstunde
Mehrzeitiges Vorgehen nötig, um Kontakt
aufzubauen
Kennenlernen, Vertrauensaufbau,
Gespräch, Grund des Arztbesuchs
I.
II.
III.
Infogespräch
Beratung
Untersuchung
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Gesprächsführung mit Jugendlichen
 Zeit nehmen, ruhig zuhören
(idealerweise eigene Sprechstunde, hoher Zeitaufwand)
 Zeit geben um Vertrauen zu fassen und sich mitzuteilen
 Unausgesprochene Fragen erahnen, vorsichtig hinterfragen
 Dialog suchen, Frage zurückgeben, mit Gegenfragen
argumentieren
 Diskussion zulassen
 Bestärken seinen eigenen Gefühlen zu trauen
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Gesprächsführung mit Jugendlichen
 Schamgefühle akzeptieren
 Grenzen und Schranken akzeptieren
 Erklären und Begründen
 Schuldgefühle nehmen oder falsche Vorstellungen
korrigieren
 Nicht Bloßstellen oder „Aufmachen“
 Falsche Vorstellungen sanft korrigieren, zurechtrücken
 Auffälligkeiten vorsichtig aber direkt ansprechen
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Materalien, Hilfsmittel als Unterstützung
für die Teenager-Sprechstunde
z.B. Fragebögen für
 Persönliche Angaben
 Familien und persönliche Anamnese
 Gynäkologische Anamnese
 Grund des Besuches
 Besondere Fragen
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Materalien, Hilfsmittel, Unterstützung für
die Teenager-Sprechstunde
Graphiken und Bilder, Broschüren z.B. über
 Pubertät und Zyklusproblemen
 Verhütung
 Adressen für spezielle Anlauf- und Beratungsstellen
 Literaturempfehlungen für junge Mädchen
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Rechtliche Aspekte
 Zustandekommen eines Behandlungsvertrags
 Einwilligungsfähigkeit der Patientin
 Schweigepflicht/Mitteilungspflicht gegenüber den Eltern
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Rechtliche Aspekte
 Behandlungsvertrag - Minderjährige sind ab dem
7. Lebensjahr beschränkt geschäftsfähig
 Einwilligungsfähigkeit – ist gesetzlich nicht eindeutig
definiert, da der Reifungsprozess Jungendlicher sehr
unterschiedlich verlaufen kann  daher
der Arzt muss sich ein eigenes Bild davon schaffen und
dies gut dokumentieren
BGHZ 29,33,36 … kommt es darauf an ob eine Jugendliche
„nach ihrer geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung
und Tragweite des Eingriffs und seine Gestaltung ermessen
vermag.“ …
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Rechtliche Aspekte
Allgemeine Richtlinien, dass im Alter von
≥ 18 Jahren: Volljährigkeit und damit unter normalen
Bedingungen auch Einwilligungsfähigkeit besteht.
≥ 16 Jahren: die Einwilligungsfähigkeit einer gesunden
Jugendlichen in aller Regel anzunehmen ist.
Die Verordnung von Kontrazeptiva ist hier in
der Regel nicht bedenklich.
Dokumentation sollte dennoch erfolgen!
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Rechtliche Aspekte
14 -16 Jahre: hier ist sorgfältig zu prüfen ob die Jugendliche
entsprechend reif und aufgeklärt erscheint, ein
Kontrazeptivum oder ein anderes Medikament
ohne Wissen und Einwilligung der Eltern zu
nehmen.
Hier ist gute Dokumentation zwingend!
< 14 Jahre: nach herrschender juristischer Meinung kann
hier nur selten von der notwendigen
Einsichtsfähigkeit ausgegangen werden
Ausnahmen sind hier zwingend besonders
gut und genau zu dokumentieren!
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Rechtliche Aspekte
Ärztliche Schweigepflicht gilt auch bei Minderjährigen!
Eltern einer einwilligungsfähigen Jugendlichen dürfen
nicht über die Krankheit oder die geplanten Maßnahme
informiert werden, außer das Kindeswohl ist gefährdet!!
Ist die Minderjährige nicht einwilligungsfähig, sind die
Fragen der Behandlung mit den Eltern zu besprechen.
Wenn bei einzelnen Maßnahmen Zweifel besteht, dass
die Minderjährige in diesem Fall einwilligungsfähig ist,
empfiehlt es sich den Kontakt mit den Eltern zu suchen.
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Kindergynäkologie
vom Babyalter über Kleinkind bis zur Vorpubertät
Häufigste Aufsuchungsgründe:
 Labiensynechien
 Verdacht auf genitale Fehlbildungen
 Fremdkörper in der Vagina
 Entzündliche Genitalveränderungen
 Endokrine Störungen (z.B. pubertas präcox)
 Genitalverletzungen
 Missbrauch
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Die gynäkologische Untersuchung
Allgemeine Anamnese
 INSPEKTION: Habitus
Sekundäre Geschlechtsmerkmale
äußeres Genitale
Brust
 Vaginoskopie/ Spekulumuntersuchung
 Rektale Untersuchung
 Ultraschalluntersuchung
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Stadien der Pubertätsentwicklung
nach Tanner
B1: präpubertär
1
2
B2: Knospenbrust
4
3
B3: Drüsenkörper und
Areola ohne Trennung
der Konturen
B4: Papille erhoben
über Areola
B5: Areola flach
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P1 keine Schamhaare
P2 wenig Schamhaare an
Labia majora
P3 Schambehaarung bis zur
Symphyse
P4 adulter Typ
P5 Schambehaarung bis zu
Oberschenkeln
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Spezielle Einrichtung und Instrumentarium
 Ultraschall Gerät abdominaler/vag. Schallkopf
 Phasenkontrastmikroskop
 Kolposkop und/oder Lupenbrille
 Vaginoskope in verschiedenen Größen mit Lichtquelle
 Fasszange (Fremdkörperentfernung)
 Kindereinmalkatheter
 Ev. Fotodokumentation
 Lokalanasthetika (Spray, Creme, s.c.)
 Set für Abstrichentnahme
 Handspiegel
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Wann ist eine Vaginoskopie notwendig?
Atypische genitale Blutungen
 Verdacht auf Fremdkörper oder Tumoren
 Fehlbildungen
 Entwicklungsstörungen
 Rezidivierende genitale Infektionen
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Verletzungen
z.B. Sturz mit Dreirädern oder
Fahrrädern, etc.
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Labiensynechien
Therapie der Labiensynechie
Entzündungsbehandlung!
Ovestin Creme 1-2x tgl für ca. 4 Wochen
ev. alternierend mit Bepanthen Creme
2 Wochen nach Applikation
östrogenhaltiger Creme
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Behandlung: Vulvovaginitis
 Erstuntersuchung: Abstriche, unspez. Behandlung (Dequadec lokal,
Eichenrindensitzbäder,..) Hygieneanleitung, Ko in 1-2 Wochen
 Kontrolluntersuchung und Befundbesprechung
 spez. Therapie nach Keimspektrum:
Enterokokken: Augmentin, Josalid
E. coli: Ceclor, Augmentin, Erythrocin
ß- häm. Streptokokken: Augmentin
Oxyuren: Panthelmin, Molevac
Soor: Canesten, Mycopol-Sitzbäder
Bakterielle Vaginose: Metronidazol, Dalacin
 Nachbehandlung mit Pflegecreme
(Bepanthen , Ultrasicc/Ultrabas, Vita-Wund, ggf. Inotyol, Mirfulan,
Lavagin Sitzbäder)
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Vaginale Blutungen im Kindesalter

Blutungen ohne Reifezeichen 
Entzündungen, Verletzungen, Fremdkörper,Tumore

Pubertas präcox (Menarche vor 8. Lj)
Pseudopubertas präcox
Extragenitale Blutungen

Diagnostik: Anamnese
Inspektion
Ultraschall
Hormonanalyse
GnRH-Test
CT, MR
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Therapie vaginaler Blutungen
 Entzündungsbehandlung spezifisch
 Fremdkörperentfernung
 Operative Sanierung von lokalen Tumoren
 Pubertas praecox: GnRH-Analoga
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Zusammenfassung Blutungen
 Vaginale Blutungen bei kleinen Mädchen während
hormoneller Ruheperiode immer pathologisch
 Diagnostik immer umfassend
 Blutungen mit und ohne Pubertätsentwicklung
unterscheiden
 Häufigste Ursache ist die unspezifische Vulvovaginitis
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Sexueller Missbrauch
Definition NCCAN –
National Center on Child Abuse and Neglect
Aktiver oder passiver Einbezug von Kindern oder
abhängigen Jugendlichen in sexuelle Handlungen
zum Zweck der sexuellen Stimulierung des Erwachsenen
oder einer anderen Person




Missbrauch von Macht
Täter in den meisten Fällen bekannt
meist chronischer sexueller Missbrauch
erhöhtes Risiko bei
präverbalen Kindern
Geschwistern von Missbrauchsopfern
behinderten Kindern
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Sexueller Missbrauch
Anamnese
 möglichst wörtliche Wiedergabe
 keine Interpretationen
 keine Suggestivfragen
Ein unauffälliger Befund bei der körperlichen Untersuchung
schließt sexuellen Missbrauch NICHT aus !
Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist erwünscht
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Int. Klassifikation der Untersuchungsbefunde
praepubertärer Mädchen bei Verdacht auf
sexuellen Missbrauch
1.
2.
3.
4.
normaler Untersuchungsbefund: keine
Abnormalitäten, physiologische Varietäten
unspezifische Abnormalitäten: Rötung, Irritation,
Abschürfung, Verletzlichkeit der hinteren Kommissur,
Labialsynechie, Hymenalpolypen, Hymenalfurchen/einkerbungen
spezifische Abnormalitäten: hymenal-vaginaler Riss,
hymenal-analer Riss, STD
definitive Hinweiszeichen: Nachweis von Sperma,
Schwangerschaft einer Jugendlichen.
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Jugendgynäkologie
Vorpubertät aufwärts
 Störungen der Pubertät (pubertas präcox oder tarda)
 Blutungsstörungen
 Hymenalverschluß
 Störungen der Brustentwicklung
 Entzündliche Genitalveränderungen
 Unklare Unterbauchschmerzen
 Antikonzeptionsberatung
Wichtige und häufige Themengebiete aus und in einer
Mädchensprechstunde, neben gynäkolog. Erkrankungen
 Körperliche Entwicklung & Körperselbstbild
 Allgemeine Hygiene - Fluor albus
 Menstruation / Menstruationshygiene
 Liebe und Sexualität
 Verhütung und Schwangerschaft
 Gewichtsprobleme und Essstörungen
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Weitere wichtige und häufige Themengebiete
aus und in einer Mädchensprechstunde
 Genuss-(Sucht-)mittel – Rauchen, Alkohol, Drogen
 Sexuell übertragbare Krankheiten (STD)
 Modetrends - Piercing, Tätowierungen, Intimrasur
 Impfungen (HPV)
 Gewalterfahrung, sexuelle Übergriffe
 Probleme mit dem Umfeld Eltern/Schule/Arbeitplatz/Freunden
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Blutungsanomalien
und juvenile Zyklusanomalien
 Tempoanomalien:
primäre und sekundäre Amenorrhoe
Oligomenorrhoe
Polymenorrhoe
 Typusanomalien:
Hyper- und Hypomenorrhoe
 Schmerzhafte Menstruation
Dysmenorrhoe
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Primäre Amenorrhoe
Definition: Ausbleiben der Menarche bis zum vollendeten
15. Lebensjahr
Mögliche Ursachen:
hypothalamisch-hypophysär (50%):
z.B: Anorexie, Hypopyseninsuffizienz,
Hypophysenadenome,
Traumata
 Ovarialinsuffizienz (12-15%)
z.B: Turner, Chemotherapie
 Anatomische Defekte (10% )
z.B: Hymenalatresie, MRK
 Metabolisch-endokrine Amenorrhoe (13%)
z.B: Hypothyreose, Adipositas
 Hyperandrogenämie (7%)
z.B: PCO, AGS
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Entwicklung der Brust und ihre Störungen
z.B. Polythelie
ausgeprägte Hypoplasie
Rüsselbrust
ausgeprägte Asymmetrie
Diese Störungen der Brustentwicklung sollen
schon im frühen Alter mittels plastischer
Chirurgie behoben werden.
Ansonsten sollen korrigierende Massnahmen an
der Brust erst nach dem 18. Lebensjahr operativ
korrigiert werden.
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Labienhypertrophie – was ist normal?
Grundsätzlich: Innere Labien durch die äußeren verdeckt
Robert L. Dickinson: Atlas of Human Sex Anatomy. Krieger Pub Co., 1971
Länge
Anzahl untersuchter Frauen
2613
Prozentsatz
2 cm
146
4,9 %
3 cm
170
5,7 %
4-5 cm
32
1,1 %
5-6 cm
20
0,7 %
0-2 cm
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87,7 %
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Teenagerschwangerschaft
Weltbevölkerungsbericht 2007
Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern ist in Österreich die Rate
an Geburten von 15- bis 19-jährigen Mädchen mit elf von 1000 am höchsten.
Viele Teenagerschwangerschaften Seitens der UNFPA (United Nations Population
Fund) gilt der Wert der Teenagerschwangerschaften berechnet auf Geburten pro 1000
Frauen als offizieller Gesundheitsindikator im Sinne von sexueller Gesundheit.
Im Vergleich zu elf Teenager-Geburten pro 1000 Frauen in Österreich liegt Deutschland
mit Platz zwei bei neun Geburten auf 1000, die Schweiz bei vier und Frankreich sogar
nur bei einer. Gleichauf mit Österreich liegt die Tschechische Republik. Bulgarien führt
in Europa mit dem zweifelhaften Rekord von 41.
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Medizinische Universität Wien
Universitätsklinik für Frauenheilkunde - AKH
Abt. für gynäkologische Endokrinologie & Reproduktionsmedizin
[email protected]
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