Powerpoint-Vortrag 2015

Ehemaligen-Treffen 2015
Luisenklinik Bad Dürrheim
26.09.2015
Seelisch gesund,
was heißt das eigentlich?
Karlemann Timm
Chefarzt der Akut-Abteilung für Psychosomatik
und Psychotherapie
Luisenklinik Bad Dürrheim
Definition Gesundheit WHO 1948
„ Gesundheit ist ein Zustand völligen
psychischen, physischen und sozialen
Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von
Krankheit und Gebrechen.
Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes
zu erfreuen ist ein Grundrecht jedes
Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der
Religion, der politischen Überzeugung, der
wirtschaftlichen oder sozialen Situation.“
Seelisch gesund, was heißt das
eigentlich?
Karlemann Timm
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Definition Gesundheit WHO 1986
„ Grundlegende Bedingungen und
konstituierende Momente von Gesundheit
sind Frieden, angemessene
Wohnbedingungen, Bildung, Ernährung,
Einkommen, ein stabiles Öko-System, eine
sorgfältige Verwendung vorhandener
Naturressourcen, soziale Gerechtigkeit und
Chancengleichheit.“
Seelisch gesund, was heißt das
eigentlich?
Karlemann Timm
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Gesundheit
• Ist kein einmal erreichter und dann unveränderlicher
„Zustand“, sondern eine lebensgeschichtlich und
alltäglich immer wieder neu und aktiv herzustellende
„Balance“.
• Ist nicht durch den Arzt „machbar“.
• Kann jedoch durch Arzt und Patient gefördert bzw.
wieder hergestellt werden.
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eigentlich?
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Psychische Gesundheit
• In einer Studie („Gesundheit in Deutschland aktuell
2010; GEDA) berichteten 56% der Frauen und 68%
der Männer eine durchschnittliche oder
überdurchschnittliche psychische Gesundheit.
• In ihrer psychischen Gesundheit beeinträchtigt
empfanden sich knapp 14% der Frauen und 7% der
Männer.
• Bei Betrachtung der Einflussfaktoren zeigt sich, dass
Alter, Bildung, soziale Unterstützung und subjektive
Gesundheit unabhängig voneinander mit psychischer
Gesundheit in Zusammenhang stehen.
Seelisch gesund, was heißt das
eigentlich?
Karlemann Timm
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Definition „Psychische Gesundheit“ WHO
• „Psychische Gesundheit ist nicht nur die
Abwesenheit psychischer Krankheiten. Sie ist
definiert als ein Zustand des Wohlbefindens,
in dem jeder sein eigenes Potential
entwickeln, mit dem normalen Stress des
Lebens umgehen, produktiv und fruchtbar
arbeiten und einen Beitrag zu der
Gesellschaft, in der er lebt, leisten kann.“
Seelisch gesund, was heißt das
eigentlich?
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Salutogenese
Entwicklung von Gesundheit:
• Wieso gelingt es einigen, trotz massiver
Belastungen durch krankmachende Einflüsse, sich
zu stabilisieren und gesund zu erhalten?
• Wie entsteht Gesundheit?
• Wie wird Gesundheit bewahrt?
• Welche Faktoren fördern Gesundheit?
• Wie wird ein Mensch mehr gesund oder weniger
krank?
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Salutogenese
Risikofaktoren
Schutzfaktoren
ICH
vulnerabel
resilient
Stressoren
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Resilienz: Psychische Widerstandsfähigkeit
1. Fähigkeit, Krisen durch persönliche und soziale
Ressourcen zu meistern und als Anlass für
Entwicklung zu nutzen.
2. Prozess und Fähigkeit, trotz herausfordernder
oder belastender Bedingungen eine erfolgreiche
Anpassung zu bewirken.
3. Kohärenz-Gefühl: Ist das, was gegen Stressoren
gesund hält:
•
•
•
Verstehbarkeit (kognitive Komponente)
Handhabbarkeit (pragmatische Komponente)
Sinnhaftigkeit
(emotionale Komponente)
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Schutzfaktor Kohärenzgefühl
(sense of coherence)
• „sense“ (engl.) – „Sinn, Empfindung, Gefühl,
Verstand, Bedeutung“; „coherence“ (engl.) =
„Zusammenhang, Stimmigkeit“
• Kein Gefühl im engeren Sinn: Neben der
gefühlsmäßig – affektiven Seite eher ein
Wahrnehmungs- und Beurteilungsmuster, ein
kognitives Raster
• Eine globale Orientierung, sich dem Leben und
seinen Herausforderungen gewachsen zu fühlen und
einen Sinn darin zu sehen, die Anforderungen zu
bewältigen
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Schutzfaktor: Kohärenzgefühl
(sense of coherence)
Verstehbarkeit
soc
Machbarkeit
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eigentlich?
Bedeutsamkeit
• Verstehbarkeit: Erfahrungen
werden als kognitiv sinnhaft,
vorhersehbar, durchschaubar
und erklärbar
wahrgenommen.
• Machbarkeit:
Herausforderungen werden als
bewältigbar bzw. lösbar
wahrgenommen, man glaubt
an die Verfügbarkeit
geeigneter Ressourcen.
• Bedeutsamkeit:
Herausforderungen werden
derart bewertet, dass sie es
der Anstrengung und
Engagements wert seien.
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Schutzfaktor: Resilienz
• „resilience“ (engl.) = „Spannkraft, Elastizität,
Strapazierbarkeit“; lat. Resilere = abprallen
• Resilienz meint die psychische Widerstandsfähigkeit
gegenüber



Psychosozialen,
Psychologischen und
Biologischen Entwicklungsrisiken.
• Die Fähigkeit, erfolgreich mit belastenden
Lebensumständen umzugehen. Die Fähigkeit, sich
von einer schwierigen Lebenssituation nicht
„unterkriegen zu lassen“ bzw. „nicht daran zu
zerbrechen“.
• „Das Immunsystem der Seele.“
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Schutzfaktor: Resilienz
• Kein angeborenes, stabiles und generell einsetzbares
Persönlichkeitsmerkmal.
• Entwickelt sich in der Auseinandersetzung mit
Herausforderungen.
• Bezieht sich auf einen Interaktionsprozess zwischen
Kind und Umwelt. Das heißt, ein Kind erzeugt
Resilienz nicht primär aus sich heraus, sondern aus
Interaktion.
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Schutzfaktoren
1. Soziale und wirtschaftliche Faktoren,
•
z. B. Bedingungen am Arbeitsplatz.
2. Umweltfaktoren,
•
z. B. Wohnbedingungen, soziale Netze
3. Faktoren des Lebensstils,
•
z. B. Bewegung, Ernährung, Stressbewältigung
4. Psychologische Faktoren,
•
z. B. Eigenverantwortung, Motivation
5. Zugang zu gesundheitsrelevanten Leistungen,
•
z. B. Krankenversorgung, Bildungs- und
Sozialeinrichtungen
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Protektive (Schutz-)Faktoren
•
•
•
•
•
•
•
•
Intaktes soziales Netz
Guter Gesundheitszustand
Mobilität, Unabhängigkeit, Autonomie
Keine finanziellen Probleme
Guter körperlicher Zustand
Höherer Bildungsgrad
Erleben von positiven Beziehungen
Erfahrung von Zuwendung in der Kindheit
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Was ist Stress?
• Komplexe Wechselwirkungsprozesse zwischen den
Anforderungen der Situation und der handelnden
Person.
• Nicht nur die Beschaffenheit der Reize oder
Situationen ist für die Stressreaktion von Bedeutung,
sondern auch die individuelle kognitive Verarbeitung
durch den Betroffenen.
• Stress entsteht also weniger durch die Ereignisse
selbst, als vielmehr dadurch, wie diese bewertet
werden.
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Stress-Formen
1.
Eu-Stress („positiver Stress“)
An Situationen gebunden; belebende Wirkung; fördert Kreativität
und Vitalität; Grundlage, Herausforderungen zu meistern; am Ende
meist Freude, Genugtuung, Zufriedenheit, Erfolgsgefühl und
Entspanung.
2.
Dys-Stress (maligner Dauer-Stress)
Dauerhaft, Beginn oft schleichend, Leistungsgrenzen werden
wiederholt überschritten, Erfolgserlebnisse führen nicht zu
Entlastung, Tendenz zu Selbstzweifeln und Schuldgefühlen, Verlust
von Selbstreflexion, eingeschränkte soziale Kompetenz.
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Stress-Ausmaß
Wird bestimmt durch:
• Psychisches Befinden
Stimmungen und Gefühle
• Leistungsfähigkeit und –bereitschaft
körperlich und geistig
• Selbstwertgefühl
was wir uns zutrauen
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Stress-Quellen
External:
Internal:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
• Motive
• Einstellungen (Leistungsstreben,
Ehrgeiz, Konkurrenzdenken,
Perfektionismus)
• Selbstwert
• Konfliktfähigkeit
Lärm
Zeitdruck
Konflikte
Körperliche Belastungen
Überforderungssituationen
Veränderungen
Unverarbeitete Verluste
Soziale Herausforderungen
Schicksalsschläge
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Stress-Bewältigung (Coping)
1. problemorientiert
2. emotionsorientiert
3. bewertungsorientiert
Menschen benutzen unterschiedliche
Strategien, die mit seelischer Gesundheit und
seelischer Krankheit verknüpft sein können, diese
können funktional oder dysfunktional sein
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Stress-Bewältigungsstrategien
• Funktional
– Aktive Beseitigung von
Ursachen
– Sich informieren
– Suchen nach emotionaler
Unterstützung
– Suchen nach praktischer
Unterstützung
– Humor
– Religiöse Coping-Strategien
– Positives Denken
Seelisch gesund,
• Dysfunktional
–
–
–
–
–
Aufgeben
Abreagieren
Ablenken
Verleugnen
Gebrauch von Alkohol und
Drogen
– Selbstvorwürfe
Regenerative Stresskompetenz:
Ausgleich schaffen
•
•
•
•
•
Freizeit als Quelle der Erholung aktiv gestalten
Soziale Kontakte
Genießen im Alltag
Körperlich entspannen und abschalten
Sport treiben und mehr Bewegung in den Alltag
bringen
• Gesunde Ernährung
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Mentale Stresskompetenz:
Förderliche Einstellungen entwickeln
• Annehmen der Realität
• Herausforderungen und Anforderungen neu
bewerten
• Selbstwirksamkeit und eigene Kompetenz
• Entschärfung eigener Stressverstärker
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Instrumentelle Stresskompetenz:
Den Alltag stressfreier gestalten
• Sach- und Fachkompetenzen erweitern

(lebenslanges Lernen)
• Aufbau und Pflege sozialer Netzwerke

(Familie, Freunde)
• Selbstbehauptung, eigene Interessen vertreten

(Nein sagen lernen)
• Eigenständige Ziele und Werte
• Organisation und Zeitmanagement
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Stressbewältigung
Leitsatz:
Unveränderliches akzeptieren, Veränderbares aktiv
verändern und damit die Energie in mehr Lebensfreude
und zielführende Aktivitäten investieren.
Stress-Prophylaxe
Stressanalyse:
• Welches sind die aktuellen Stressoren in meinem
Leben?
• Wie reagiere ich auf Belastungen?
• Was sind meine persönlichen Stressverstärker?
• Welche Möglichkeiten stehen mir zur Verfügung, die
Belastungssituation zu bewältigen?
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Stress-Prophylaxe
1. Ansatzpunkt: Stressoren
• Stressoren reduzieren oder ausschalten
• Alltag entspannter und energiesparender gestalten
• Realistische Zeitplanung
• Arbeitszeiten, Pausen, Freizeit, Alltagszeit fest definieren und
voneinander abgrenzen
• Step by step (kein Multi-Tasking)
• Evtl. Arbeitsort wechseln
• Störquellen ausschalten
• Lerngruppen bilden
• Delegieren
• Konflikte „vertagen“
• „Grübelbuch“ einrichten
• Hilfe holen
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Stress-Prophylaxe
2. Ansatzpunkt: Persönliche Stressverstärker
• Sich die eigenen, Stress erzeugenden Bewertungen
und Einstellungen bewusst machen.
• Sich erlauben, eigene Bewertungen zu verändern.
• Förderliche Gedanken einüben.
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Stress-Prophylaxe
Gedankliche „Stress-Entschärfer“
• Annehmen der Realität oder „shit happens“
• Anforderungen konstruktiv bewerten: Gibt es
Ausnahmen?, Was ist das Gute an dieser Situation?
• Überzeugung in die eigene Kompetenz stärken:
Welche schwierigen Situationen in meinem Leben
habe ich bereits gemeistert?, Welche meiner
Fähigkeiten hat mir dabei geholfen?
• Die eigenen „Gesetze“ entschärfen: Von „Ich muss
immer….“ hin zu „Ich darf auch mal…..“
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Stress-Prophylaxe
3. Ansatzpunkt: Stressreaktionen
• Bestehende innere Anspannung lösen
• Innere Unruhe dämpfen
• Widerstandskraft gegenüber Belastungen langfristig
erhalten
Regenerative und präventive Stresskompetenz
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Stress-Prophylaxe
„Die Kunst des Ausruhens ist Teil
der Kunst des Arbeitens“
(John Steinbeck, amerikanischer Schriftsteller,
Nobelpreisträger, 1902 – 1968)
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Stress-Prophylaxe
Regenerative und präventive Strategien:
• Alltagsgenüsse wieder oder neu aktivieren
• Planlos sein
• 5 Minuten aus dem Fenster sehen
• Ausreichend und regelmäßig schlafen
• (Kurz)-Urlaub
• Freude bringende Freizeitaktivität / Hobby
• Gesunde Ernährung
• Jede Art von körperlicher Aktivität
• Soziale Kontakte
• Anwenden einer Entspannungstechnik
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Stress-Prophylaxe
„Erholung besteht nicht unbedingt
im Nichtstun, sondern in dem, was
wir sonst nicht tun.“
(Paul Hörbiger)
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Stress-Prophylaxe
„Es gibt wichtigeres im Leben, als
beständig dessen Tempo zu
erhöhen.“
(Mahatma Gandhi)
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Gedicht „Seelische Gesundheit“
Ein Mensch frisst viel in sich hinein:
Missachtung, Ärger, Liebespein.
Und jeder fragt mit stillem Graus:
Was kommt da wohl einmal heraus?
Doch sieh! Nur Güte und Erbauung.
Der Mensch hat prächtige Verdauung.
(Eugen Roth)
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit