Welf-Gerrit Otto Tänze aus aller Welt: Interkultureller Tanznachmittag in Kiel-Mettenhof Gemeinsam mit dem Forum für Migrantinnen und Migranten der Landeshauptstadt Kiel veranstaltete der Landestrachten- und Volkstanzverband Schleswig-Holstein am 15. November 2015 einen interkulturellen Tanznachmittag. Ein bunt-wogendes Bild bot sich den Gästen an diesem herbstlichen Sonntagnachmittag im Bürgerhaus Kiel-Mettenhof. Tänzerinnen und Tänzer aus aller Welt tanzten und feierten gemeinsam und ausgelassen. Das Spektrum reichte dabei von philippinischen Darbietungen bis hin zu schleswigholsteinischen Volkstänzen aus den unterschiedlichen Gegenden des Landes. Oberstes Anliegen der Veranstaltung war – neben der allgemeinen Freude am Tanzen – die kulturelle Vielfalt unseres Bundeslandes erlebbar zu machen und Kontakt miteinander aufzunehmen. Angesichts der schrecklichen Selbstmordattentate von Paris am Veranstaltungswochenende setzte der Tanznachmittag ein Zeichen des Miteinanders und der Völkerverständigung. Dr. Hussein Anaisi, ehemaliger Vorsitzender des Migrationsforums, begrüßte gemeinsam mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden des Landestrachten- und Volkstanzverbandes Schleswig-Holstein, Thorsten Johannsen, die zahlreich erschienenen Tänzerinnen und Tänzer. Betont wurde dabei die Freude über das gemeinsame Tanzfest, das einen Gegenpol zum menschenverachtenden Terrorismus setze. Es folgte eine Schweigeminute für die Opfer von Paris. Im Anschluss stellte sich das Moderatorenteam Dursiye Aytekin und Sönke Thede den Gästen vor. Aytekin ist Vorstandsvorsitzende des Migrationsforums, Thede wurde am 8. November diesen Jahres zum zweiten Vorsitzenden des LTVVorstandes ernannt. Es folgte ein Grußwort von Serpil Midyatli, der stellvertretenden Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes. Midyatli ist in Mettenhof aufgewachsen, weshalb sie viele persönliche Erinnerungen mit dem Veranstaltungsort verbindet. Sie dankte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihr Engagement und zeigte sich sichtlich erfreut über die neue interkulturelle Ausrichtung des SHHB. Tanzgruppe der Deutsch-Philippinischen Gesellschaft (Foto: Karl-Heinz Timm) Damit konnte der Hauptteil des Nachmittags beginnen – die gemeinsame Tanzdarbietung. Sönke Thede führte kompetent und charmant durch die gesamte Veranstaltung. Im Wechsel mit den Gruppen des Migrationsforums schwangen die Tänzerinnen und Tänzer des LTV das geübte Tanzbein. Den Anfang machte die Deutsch-Philippinische Gesellschaft, deren anmutige Tänze den spanischen Einfluss erkennen ließen, der auf dem Archipel lange Zeit herrschte. Kraftvoll und rhythmisch waren die libanesischen Volkstänze des Deutsch-Arabischen Kulturvereins. Man wurde förmlich zum Mittanzen angeregt. Die Tänzerinnen der Gruppe Simcha, was in hebräischer Sprache übrigens „Freude“ bedeutet, machten ihrem Namen alle Ehre. Simcha gehört zur Jüdischen Gemeinde Kiel und Region. Der Anblick der verschiedenen Volkstrachten erfreute das Auge. Musik, Tracht und Tanz gingen an diesem Nachmittag eine sinnliche Verbindung miteinander ein. Bei allen Unterschieden machte sich bald eine große Gemeinsamkeit aller Gruppen unabhängig von ihrer ursprünglichen Herkunft bemerkbar – nämlich die Freude an Musik, Bewegung und Tradition. Einen Höhepunkt des Miteinanders erlebte der Nachmittag, als der Landestrachten- und Volkstanzverband Schleswig-Holstein zu Gemeinschaftstänzen mit den Gruppen des Migrationsforums aufrief. Tanzgruppe des Deutsch-Arabischen Kulturvereins (Foto: Karl-Heinz Timm) Bei einem gemeinsamen Büfett ließ man das gelungene Tanzfest im wahrsten Sinne des Wortes ausklingen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten selber für Speis und Trank gesorgt. Mitgebracht werden konnte alles, was nicht mit Besteck gegessen werden musste – Fingerfood eben. Das war zugegebenermaßen nicht wenig. Und so bot sich auf dem Tresen des Bürgerhauses ein beachtliches Angebot an internationalen kulinarischen Köstlichkeiten, denen rege zugesprochen wurde. Tanzen macht eben hungrig. Die Veranstaltung im Bürgerhaus Kiel-Mettenhof war ein voller Erfolg. Gerade für den LTV bieten sich in der interkulturellen Arbeit ungeahnte Möglichkeiten und neue Perspektiven. Denn Schleswig-Holstein ist ein Land kultureller Vielfalt und es ist ein Einwanderungsland. Diese Tatsache gilt nicht allein für die unmittelbare Gegenwart, sondern ist historisch gewachsen und reicht weit in die Geschichte zurück. Unser Bundesland ist seit jeher das Zuhause verschiedener Sprach- und Bevölkerungsgruppen und kann aus diesem Grund und bildlich gesprochen als ein buntes und vielseitiges Mosaik betrachtet werden. Denken wir beispielsweise an das jahrhundertelange Miteinander von Friesen, Dänen und Slawen – um hier nur eine willkürlich getroffene und unvollständige Auswahl der Volksgruppen zu nennen, die eng mit der Geschichte unserer Region verbunden sind. Tanzgruppe Simcha der Jüdischen Gemeinde Kiel und Region (Foto: Karl Heinz Timm) Gegenwärtig gilt das mehr denn je. Vor dem Hintergrund umfassender gesellschaftlicher und demografischer Transformationsprozesse sind die Begriffe Migration und Heimat heute in unmittelbare Nähe gerückt. Aktuell ist im Zuge der Flüchtlingsströme eine anwachsende Zuwanderung zu verzeichnen, die unser Land vor große Aufgaben stellt. Abgesehen von den damit verbundenen Herausforderungen ist zu konstatieren, dass Heimat sich in den postmodernen Gesellschaften der Gegenwart zunehmend von einem Singular zu einem Plural entwickelt – das heißt, die Menschen oft mehrere Heimaten haben. Geschuldet ist dies – neben dem Unbill von Flucht, Vertreibung und Kriegswirren – nicht zuletzt der im Allgemeinen ansteigenden Mobilität auf dem Arbeitsmarkt und der damit verbundenen allgegenwärtigen Erwartung von Flexibilität. Familien leben heute häufig nicht mehr gemeinsam an einem Ort, sondern an verschiedenen. Aufgrund der veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen halten sich die Menschen im Laufe ihres Lebens zunehmend an mitunter weit voneinander entfernten Orten auf. Die in früheren Zeiten übliche Bindung an den Geburtsort gilt heute schon deshalb nicht mehr, weil sich die wirtschaftliche Situation in unserer Gesellschaft verändert hat. Die Menschen wohnen und wirken nicht mehr Zeit ihres Lebens am Ort ihrer Geburt, wie es früher überwiegend der Fall gewesen ist, sondern erleben nahweltlichen Bezug oft an sehr unterschiedlichen Stätten. Groß war das Interesse an der Veranstaltung (Foto: Karl-Heinz Timm) Der Prozess der Pluralisierung von Heimat vollzieht sich gleichermaßen auf regionaler wie auch auf globaler Ebene und verlangt nach einer Modernisierung des traditionellen Heimatbegriffs. Durch die raumgreifende Mobilität mehren sich die persönlichen Bezugsorte. Menschen ziehen von einer Stadt in eine andere, vom Land ihrer Geburt in ein anderes, sind auf der Reise, unterwegs – „on the road“. Bisweilen geschieht dies auf Zeit – etwa als Berufspendler – nicht selten aber auch dauerhaft und unter drastischem Zwang. Denken wir nur an die syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge der Gegenwart – verfolgte Menschen, die voller Zuversicht in unser Land kommen, die unsere Hilfe und Unterstützung benötigen und die wir willkommen heißen sollten. Sönke Thede (rechts im Bild) führte charmant und professionell durch den Nachmittag (Foto: Karl-Heinz Timm) Kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten bereichern unser Leben in vielfältiger Weise. Allerdings ist dafür ein gegenseitiges Kennenlernen unbedingt erforderlich. Der interkulturelle Tanznachmittag – dem hoffentlich viele weitere Kooperationsveranstaltungen dieser Art folgen werden – bot dafür eine gute Gelegenheit. Wir danken allen Beteiligten für die gelungene Veranstaltung. Dr. Welf-Gerrit Otto ist Bildungsreferent des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes: www.heimatbund.de [email protected]
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