Inside TTIP – Einführung und Rollenspiel

TTIP / CETA / TiSA –
Alle Macht den Konzernen?
Anna Ilchmann und Barbara Glattauer,
Attac Österreich
ÜBERSICHT
1) TTIP / CETA / TiSA – wofür steht das?
2) Warum Handels- und Investitionsabkommen?
3) Wer verhandelt?
4) Was wird da verhandelt?
5) Was tun dagegen?
www.attac.at
1) TTIP, CETA, TISA – wofür steht das?
TTIP = Transatlantic Trade and Investment
Partnership
EU-US Handels- und Investitionsabkommen
CETA = Comprehensive Economic and Trade
Agreement
EU-Kanada Handels- und Investitionsabkommen
TiSA = Trade in Services Agreement
Plurilaterales Dienstleistungsabkommen
2) Warum Handels- und Investitionsabkommen?
Über Freihandels- und Investitionsabkommen wird
versucht, die Welt für Unternehmen zu „vereinfachen“.
Es geht um:
- Beseitigung von Handelshemmnissen für Güter
(Zölle, Standards)
- Marktzugang für DienstleistungsanbieterInnen
(Investitionsbeschränkungen)
- Vereinheitlichung von Standards, um Kosten
zu senken und Wachstum zu befördern
- „Schutz“ von ausländischen Investitionen
2) Warum Handels- und Investitionsabkommen?
● Argumente der BefürworterInnen:
Wachstum und Beschäftigung
EU-Studien z.B. für TTIP:
 Wirtschaftswachstum von rund 0,5% in den nächsten 10
Jahren = 0,05% pro Jahr
 zw. 400.000 bis 1 Mio neuer Jobs in den ersten 15
Jahren – aktuell: 27 Mio Arbeitslose in der EU
● Aber…
 fragwürdige Annahmen, Interpretationen und Wirkungen
 Alternative Berechnungen zeigen negative Folgen
(ÖFSE, Tufts University)
3) Wer verhandelt TTIP/CETA/TiSA?
● Handels- und Investitionspolitik – EU Kompetenz
(Maastrichtvertrag/Lissabonvertrag)
● Europäische Kommission verhandelt im Auftrag der EUMitgliedsstaaten
● Laufende Information bzw. Abstimmung mit dem
Europäischen Rat (= EU Regierungen)
● Europäisches Parlament – wird nur informiert, keine
Mitsprache während Verhandlungen
● Nach Abschluss: Ratifzierung im EU-Parlament und
wahrscheinlich auch in nationalen Parlamenten
3) Wer verhandelt TTIP/CETA/TISA?
EU-Handelskommissarin
Cecilia Malmström
(seit 1. November 2014)
Wirtschaftsminister
Reinhold Mitterlehner
3) Wie sieht der Verhandlungsprozess aus?
● Die Verhandlungen und die meisten
Verhandlungsdokumente sind geheim
 Abgeordnete des EP:
- nur Einsicht in Unterlagen in sog. “Leseräumen”
- Verbot der Veröffentlichung
 Großteil der bisher veröffentlichten Dokumente –
Leaks
 Öffentlicher Druck/Kritik wirkt: seit Oktober 2014
wenige Dokumente offiziell veröffentlicht (TTIP Mandat,
CETA Text etc.) – Erfolg der Zivilgesellschaft!!!
3) Wie sieht der Verhandlungsprozess aus?
● Öffentlichkeit von Verhandlungen ausgeschlossen
 Infoveranstaltungen der EK für Zivilgesellschaft
aber keine Mitsprache, kein Zugang zu Dokumenten
 “Beteiligungsprozesse” = Farce:
Befragung über Klagerechte für Konzerne: mehr als
150.000 Teilnehmende, klare Ablehnung - Ergebnis wird
ignoriert.
 Europäische BürgerInnen Initiative:
von EK abgelehnt – seit Okt. 2014 selbstorganisierte
EBI (sEBI) und Klage vor EuGH
3) Wie sieht der Verhandlungsprozess aus?
Aber:
Quelle: Corporate Europe Oberservatory
EU- und US-Konzerne auch jetzt enge Kontakte
zu VerhandlerInnen (Empfänge etc.)
4) TTIP/CETA/TiSA – was wird da verhandelt?
Kernelemente:
● Abbau von Zöllen
● Gegenseitige Anerkennung von Gesetzen und
Regulierungen
● Liberalisierung von Dienstleistungen
● Klagerechte für InvestorInnen
● Regulatorische Kooperation/Konvergenz
4) TTIP/CETA – Abbau von Zöllen
● in den meisten Bereichen kaum noch Zölle
● Ausnahme: Landwirtschaft
– z.B. Milchpulver mehr als 1000€/t, Schweinefleisch
530€/t...
● hohes Risiko für europäische Landwirtschaft
– EU-Agrarbetriebe: ca. 12,6 ha; 13,4 Mio. Höfe
– US-Agrarbetriebe: ca. 169 ha; sechsmal weniger Höfe
als in EU
● TTIP/CETA = Deregulierungsabkommen
4) TTIP/CETA – Regulatorische
Harmonisierung bzw. Äquivalenz
● Gegenseitige Anerkennung der jeweils geltenden
Regeln, Gesetze, Standards
Erzeugung von Gütern oder die Bereitstellung von
Dienstleistungen des anderen Handelspartners
● Umfasst alle Bereiche
Lebensmittel, Chemikalien, Datenschutz,
Sicherheitsvorgaben z.B. bei technischen Geräten
(Autos), Kennzeichnungsvorgaben für Produkte etc.
4) TTIP/CETA – Regulatorische
Harmonisierung bzw. Äquivalenz
Auswirkungen? Bsp. Landwirtschaft/Chemikalien
● EU-Gesetze basieren auf Vorsorgeprinzip:
– vorab Nachweis der Unschädlichkeit
– Beiweislast bei UnternehmerInnen
– Beschränkung von Produktimporten
● USA: alles, was nicht nachweislich gefährlich
ist, darf produziert, importiert und exportiert
werden
– Industrie liefert Daten für “Nichtgefährlichkeit”
– Beiweislast für Gefährlichkeit bei Staat
4) TTIP/CETA – Regulatorische
Harmonisierung bzw. Äquivalenz
Auswirkungen? Bsp. Landwirtschaft/Chemikalien
● Konsequenz von TTIP:
– Import von Produkten, die mit niedrigeren Standards
erzeugt werden wird möglich (oft billiger!)
– Druck in Richtung Absenkung höherer Standards
4) TTIP/CETA/TiSA – (Öffentliche)
Dienstleistungen
Ziel: Liberalisierung des Dienstleistungssektors
● Festschreiben bereits bestehender Liberalisierungen
im Dienstleistungssektor
– Rekommunalisierung (=Rückführung in öffentl. Hand)
erschwert/verunmöglicht: Beispiel Wasser
● Marktöffnung: nur explizit genannte Sektoren
ausgenommen (Negativlistenprinzip)
– Öffnung heißt: Gleichbehandlung von in- und
ausländischen DL-AnbieterInnen
– Zulassen/Gleichbehandlung von ausländischen
AnbieterInnen auch bei öffentlicher Auftragsvergabe
4) TTIP/CETA/TiSA – (Öffentliche)
Dienstleistungen
● keine ausreichende Ausnahme von öffentlichen
Dienstleistungen
– unklare Formulierungen > Spielraum f. Interpretationen
● Konsequenz für öffentliche Dienstleistungen,
Subventionen, öffentliche Auftragsvergabe?
– kein Zurück bei derzeit liberalisierten Sektoren
(Ratchet Klausel)
– keine freie Auftragsvergabe, keine ökologischen &
sozialen Kriterien mehr möglich
– Aushebeln von Förderstrukturen
z.B. im Gesundheits-, Bildungs- und Kulturbereich
4) TTIP/CETA/TiSA – Klagerechte für
InvestorInnen – Investor to State Dispute
Settlement (ISDS)
Ziel: Schaffung eines eigenen Rechtssystems für
Konzerne
● InvestorInnen sollen Staaten klagen können
– wenn neue Gesetze/Regeln sie aus ihrer Sicht “unfair
behandeln“ oder „indirekt enteignen“
● Klage wird bei internationalen Schiedsgerichten bzw.
„Schlichtungskammern“ (z.B. Weltbank) verhandelt
● Schiedsgericht:
– drei ExpertInnen für Handels-/Investitionsrecht
– Ausschluss der Öffentlichkeit, keine Parteistellung von
anderen, keine Berufungsmöglichkeit
4) TTIP/CETA/TiSA – Klagerechte für
InvestorInnen – Investor to State Dispute
Settlement (ISDS)
Bisherige Erfahrungen mit ISDS
● bis inkl. 2014: 608 bekannte Klagen (Zahl steigt
exponentiell, z.B. 42 Klagen in 2014)
● 2014: am häufigsten wurden Staaten aus der EU von
Konzernen aus der EU verklagt (14 mal)
=> d.h. EU-Konzerne klagen am häufigsten!
● in 58% der bekannten Fälle Konzerne erfolgreich (31 %
im Sinne der Konzerne, 27% Einigung)
● Anwaltskosten pro Fall – im Schnitt 8 Mio USD
4) TTIP/CETA/TiSA – Klagerechte für
InvestorInnen – Investor to State Dispute
Settlement (ISDS)
Bisherige Erfahrungen mit ISDS
 Vattenfall klagt DE: Atomausstieg – über 3,7 Mrd. Euro
 Veolia klagt ägyptische Regierung wegen Anhebung des
Mindestlohns
 Meinl verklagt Republik Österreich, weil
Gerichtsverfahren Wert von Meinl Bank mindert
● Möglichkeit für EU-Konzerne via TTIP EU-Gesetze durch
ihre US-Töchter auszuhebeln (und umgekehrt):
 Bsp.: Lone Pine in Nordamerika – Klage wegen
Moratorium gegen Fracking in Kanada
 3.300 EU-Konzerne haben ca. 24.200 US-Tochterfirmen
4) TTIP/CETA/TiSA – Klagerechte für
InvestorInnen – Investor to State Dispute
Settlement (ISDS)
● Konsequenzen?
 Konzerne plündern öffentliche Haushalte
 Chilling Effekt: Regierungen überlegen gut, ob und welche
Gesetze sie in Zukunft beschließen
 Einfrieren von Standards/Gesetzen auf aktuellem Niveau
Verbesserung von Standards für Menschen und Umwelt
eher unwahrscheinlich
sondern: Nivellierung nach unten
● Instrument NICHT notwendig
 Rechtssysteme in EU, USA, Kanada funktionieren
4) TTIP/CETA – Regulatorische Kooperation
Ziel: “unnötig belastende, duplizierende oder
unterschiedliche Regulierung, die Handel, Investitionen
beeinträchtigen zu reduzieren” (Zitat aus Leak, Feb. 2015)
● Wie erreichen?
 Einrichtung eines ständigen Rates für die
Regulatorische Kooperation (EU- & US-Beamte)
 Aufgaben:
• Bewertung von Gesetzen und Regeln auf EU- und
nationalstaatlicher Ebene (bestehende und
zukünftige) v.a. auf ihre Auswirkungen auf
internationalen Handel
• Förderung der permanenten Harmonisierung von
Gesetzen und Regeln (bestehende und zukünftige)
4) TTIP/CETA – Regulatorische Kooperation
● Frühwarnsystem und umfassende Informationsverpflichtungen bzgl. zukünftiger Gesetze
 geplante Gesetze müssen einmal pro Jahr bekannt
gegeben werden
 Durchführung von “Impact Assessments”:
diverse Betroffene eines neuen Gesetzes erhalten
Möglichkeit Stellung zu beziehen
 Auswirkungen auf Handel/Investitionen =
Profit(möglichkeiten) über andere gesellschaftliche
Interessen gestellt
● Ansprechpersonen/-stellen für Stakeholder
(Recht zu lobbyieren)
●Machtverschiebung hin zu ungewählten BeamtInnen
4) TTIP, CETA, TiSA – Konsequenzen für
Menschen in EU, USA, Kanada etc?
● Aushöhlung bzw. Privatisierung der Demokratie
 ISDS & Regulatorischer Rat = Selbstentmachtung der
Regierungen/Parlamente
● Abbau von Sozial- und Umweltstandards,
Privatisierungen
● Umwelt-/Klimaproblem wird verschärft
● höhere Profite für EU- und US-Konzerne durch geringere
Sozial-, Umwelt- etc. Standards
5) Alternativen und Widerstand
● TTIP als Möglichkeit “Freihandelsabkommen” zum
Thema zu machen
● Aufzeigen von Alternativen: Alternatives Handelsmandat,
Attac Deklaration 2010...
● Chance, Allianzen zu schließen und einen
europäischen/globalen Widerstand aufzubauen
5) Bisher erreicht...
 TTIP STOPPEN - Initiative von Attac, Via Campesina,
GLOBAL 2000, Südwind, PROGE & vielen UnterstützerInnen
 CETA und TiSA werden mitkampagnisiert
 europaweite Vernetzung & Vernetzung mit Widerstand gegen
TTIP und CETA in USA/Kanada
5) Bisher erreicht...
● Globaler Aktionstag: 12.000 Menschen in Wien, 22.000 in
Österreich – Aktionen in ca. 60 Ländern
5) Bisher erreicht...
 über 250 Gemeinden TTIP/CETA/TiSA-frei!
5) Bisher erreicht…
KMU gegen TTIP
über 18.000 Unterschriften für BürgerInnenpetition >
Hearing zu TTIP im Petitionsausschuss (Juni)
Österreichisches Parlament: Entschließungsantrag
(24.9.2014) gegen Abschluss von CETA und ISDS
Bundesländerbeschluss: kein ISDS, Verhandlungen
transparent führen etc.
5) Bisher erreicht – EU-weit...
Kampagnen gegen TTIP/CETA in bereits 23 der 28 EU
Mitgliedsstaaten
Selbstorganisierte EBI: bereits 2.3 Mio Unterschriften
seit Oktober 2014
Dennoch: Regierungen, EP und EK ignorieren
Kritik!!
5) Deswegen:
als Attac-Gruppe Veranstaltungen / Infotische
organisieren (ggf. ReferentInnen einladen)
TTIP-Aktiv-Liste: [email protected]
 https://stop-ttip.org
KMUs ansprechen
TTIP zum Wahlkampfthema machen
 Konferenz: “Anders handeln”, 21.+22.09.2015
5) Deswegen:
● Initiativrecht nutzen, um Diskussion über
TTIP/CETA/TiSA im Gemeinderat zu ermöglichen
● Für Wien: TTIP/CETA/TiSA-freier Bezirk
Herzlichen Dank!
www.ttip-stoppen.at
bilaterals.org
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