Mai 2015 P.B.B. – Zul.-Nr. GZ 022031249 M „Die Presse“ Verlags-Ges.m.b.H. & Co KG Hainburger Strasse 33, 1030 Wien Retouren an PF555, 1008 Wien Postnummer 1 Das Fachmagazin der österreichischen E-Wirtschaft AUF DER KIPPE VON DER MARKT- ZUR PLANWIRTSCHAFT Wie viel Regulierung verträgt die Energiewirtschaft? DER STROMMARKT BRAUCHT INVESTITIONSSIGNALE Foto: Hotel Schachner Gesetzliche Einschränkungen nehmen zu Immer einen Schritt voraus mit vertragsbegleitenden Dienstleistungen Die GasVersorgung Süddeutschland GmbH (GVS) ist seit 1978 in Österreich aktiv. Seit Februar 2015 auch in allen drei Marktgebieten. Darunter versteht die GVS zum Beispiel umfangreiche Reportings. Die Kunden erhalten eine übersichtliche grafische Darstellung über die vereinbarten Mindest- und Höchstabnahmemengen. Der laufende Lastgang wird ebenso aufbereitet wie die noch fehlenden Mengen für die Mindestabnahme. Bei der Tranchenübersicht listet die GVS die offenen und abgeschlossenen Tranchen vor dem Hintergrund der tatsächlichen Preisentwicklung auf. Wer sich operativ entlasten möchte, kann sich des Zielpreissystems bedienen. So kann der Kunde die individuellen Zielpreise für seine Tranchenfixierung oder Beschaffung vorgeben oder diese mittels eines Preiskorridors überwachen lassen. Bei Unteroder Überschreitung erfolgt automatisch der Deal. Die GVS, mit Sitz in Stuttgart, gehört zu den großen deutschen Erdgasgesellschaften und ist seit 1961 Partner von Stadtwerken und Industriebetrieben im In- Foto: GVS Regionale Energieversorger und Stadtwerke in Österreich profitieren von dem leistungsstarken und kundenorientierten Gasanbieter: Neben einer breiten Produktpalette für die Erdgasbeschaffung bietet die GVS ihren Kunden zahlreiche Dienstleistungen. „Getreu dem Motto ‚Ihre Energie. Unsere Leidenschaft‘ gibt es bei uns individuelle, kundenorientierte Services. Das engagierte GVS-Team entwickelt für jeden Kunden maßgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen“, erläutert Helmut Kusterer, GVSVerantwortlicher für Vertrieb-Dienstleistungen. Zur Angebotspalette gehören Bilanzkreis- und Portfoliomanagement, Lastprognosen, Erstellung von Preisprognosen sowie umfassende innovative vertragsbegleitende Dienstleistungen. Helmut Kusterer, Leiter Vertrieb-Dienstleistungen bei der GasVersorgung Süddeutschland und Ausland. 2014 lagen der ErdgasAbsatz bei 57,8 Milliarden Kilowattstunden und der Umsatz bei 1,45 Milliarden Euro. Im Unternehmen arbeiten 89 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gesellschafter ist die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW). Nachhaltig sauberer Strom aus Wasserkraft? Die Wasserkraft hat mit über 60% den größten Anteil an der österreichischen Stromerzeugung. ABB unterstützt aktiv die Entwicklung des Ausbaus von Wasserkraftwerken mit fundiertem Know-How und innovativen Produkten nicht nur im Inland, sondern auch bei ausländischen Projekten und leistet damit einen wichtigen Beitrag für eine saubere Energieerzeugung. Dadurch trägt ABB auch wesentlich zur nachhaltigen Reduktion der CO2-Belastungen für unsere Umwelt bei. www.abb.at Natürlich. 04 INHALT Inhalt _ Coverstory 06 Entlastung von Bürokratie und Bevormundung gefordert Foto: APG _ Inhalt 06 12 Auf der Kippe von der Markt- zur Planwirtschaft 16 »Die Energiewende findet im Verteilnetz statt« 22 Interview: »Menschen informieren und motivieren« 24 Frauenpower für die Elektrotechnik 28 Stromhandel – Marktsignale für Investitionen notwendig Foto: BDEW 34 Power-Gen Europe am Puls der Energiebranche 16 36 Der Wunsch nach Energieautonomie 42 Mehr Puffer als Speicher 46 Serie: Großbritanniens Bekenntnis zur Kernenergie 52 Kleinwasserkraftwerk Mühlhof als Pionier 55 Standardisation Corner 56 Mobilität durch indirekte Nutzung von Strom 28 60 Blitzlichter 62 Termine EDITORIAL Zur Sache: Über.Regulierung Dr. Barbara Schmidt Generalsekretärin Oesterreichs Energie Das Thema Regulierung beschäftigt die E-Wirtschaft nunmehr seit knapp 20 Jahren, als im Vorfeld der Liberalisierung des Strombinnenmarkts die entsprechenden Institutionen und ihre Rechtsgrundlagen geschaffen wurden. Es ist klar, dass es in einer Branche, die mit den Netzen ein natürliches Monopol aufweist und die aus historischen Monopolen hervorging, Regulierung nötig ist. Regulierung durch staatliche Institutionen beruht ja auf dem Anspruch, wohlfahrtmindernde Konsequenzen von Marktversagen zu minimieren – und das ist erforderlich, wenn man Markt und natürliche Monopole zusammenbringen will. Erlaubt ist jedoch die Frage nach dem Ausmaß der Regulierung. Es besteht ja heute weitgehend Einigkeit darüber, dass die Kernaufgabe der Regulierung von leitungsgebundenen Wirtschaftssektoren vorwiegend in einer effizienten Bewirtschaftung des Netzbereiches liegt. Zusätzlich hat sie die Aufgabe, funktionierende Marktmechanismen in den Wettbewerbsbereichen zu sichern. Aber – 2015 ist nicht 1995. Heute haben wir einen funktionierenden Markt, das bestätigt uns sogar die EU. Unsere Branche hat immer neue Aufgaben zu schultern – zum Beispiel das Thema Energieeffizienz – und wird dennoch ständig mit neuen Bürokratievorschriften bedrängt, ausgehorcht und mit Misstrauen behandelt. Österreichs E-Wirtschaft ist so von der ausufernden Anwendung der Befugnisse der Regulierungsbehörde in vielerlei Weise betroffen, während falsch und übermäßig konstruierte Maßnahmen von staatlicher Seite oder seitens der Regulierer auch zu Fehlentwicklungen im liberalisierten Bereich geführt haben. Sie müssen ständig durch immer weiter gehende legistische und regulatorische Maßnahmen nachkorrigiert werden. Zusehends betrachtet sich die Regulierungsbehörde als Preiskontrollor, Margenkontrollor, Anreizgeber für in- und ausländische Konkurrenten, Konsumenteninformationsstelle und Konsumentenschützer mit Befugnis zur Vorschreibung von umfassendsten Statistikaufgaben und Einblick in Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen. Wir sind daher der Ansicht, dass jetzt die Zeit für Reformen reif ist. „More of the same“ bringt mehr Schaden als Nutzen, und wir brauchen eine bürokratische Entlastung. Dieses Thema bildet den Schwerpunkt des Hefts, das Sie in Händen halten. Ihre Generalsekretärin Oesterreichs Energie 05 06 COVERSTORY Foto: Fotolia/Silver n o v g n u t s a d Entl n u e i t a r k o r ü g B n u d n u m r o v Be t r e d r o f e g s Strom e d g n u lisier eg olllibera V r e d erige W h h c is a b n r e e bd rzehnt t es, Frage, o ie halb Jah d in e h Jetzt gil in ic . e s ll t o p ll s p e a t n Kn erde ich s lten. Österre eführ t w g in t r zu erha s o e f t g r k n e u it g e r mar o vers und w e Strom ich war h e c r li lg t f o a f r e irtsch re und w e h ic s die dstetter st Bran Von Ern COVERSTORY 07 E „ rfolgreich.Österreich“ – unter diesem Motto steht das Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung für die Jahre 2013 bis 2018. Auf Seite 16 findet sich das Kapitel „Entbürokratisierung und Entlastung“. Ziel der dort skizzierten Maßnahmen ist es, den durch Bürokratie verursachten Kosten- und Zeitaufwand massiv zu reduzieren. Auch Österreichs E-Wirtschaft ist in vielerlei Hinsicht stark von überbordender Bürokratie betroffen. Anlagengenehmigungen, UVP-Verfahren und Regulierung bis weit in den Wettbewerbsbereich hinein erschweren die Arbeit. Gesetzliche Maßnahmen im In- und Ausland haben zudem das Funktionieren der Strommärkte stark beeinträchtigt und legen der Wirtschaft Ketten an. In dieser Regulierungsperiode will die Bundesregierung gegensteuern: Unter der Überschrift „Sichere Energieversorgung für Österreich“ findet sich im Regierungsprogramm ein Regulierungsthema. Die Bundesregierung hat sich „ein effizientes, leistbares und sozial verträgliches Energiesystem“ zum Ziel gesetzt. Dazu gehört auch eine „stärkere Konzentration der E-Control auf Regulierungstätigkeit“. Drei Kernbotschaften von Oesterreichs Energie Die Forderungen und Hauptbotschaften von Oesterreichs Energie: • Das Regierungsprogramm der Bundesregierung fordert Entbürokratisierung und Entlastung auch bei der StrommarktRegulierung. Oesterreichs Energie schließt sich dieser Forderung vollinhaltlich an. • Der europäische Binnenmarkt für Strom erfordert eine Regulierung der Stromnetze. Österreichs Regulierung geht aber weit über die Vorgaben der EU hinaus, greift tief in den liberalisierten Wettbewerbsbereich ein und enthält überschießende bürokratische Vorschriften. Oesterreichs Energie fordert im Interesse eines funktionierenden Marktes die Rückführung der E-Control und ihrer regulatorischen Vorschriften auf die Kernkompetenzen, nämlich die Regulierung des im natürlichen Monopol stehenden Netzes. Tendenzen zum Aufbau einer Sonderwettbewerbsbehörde werden abgelehnt und sind zu beenden. 08 COVERSTORY • Oesterreichs Energie fordert von Behörden und Regulator die Gleichbehandlung der E-Wirtschaft mit anderen Wirtschaftsbranchen, soweit keine anderslautenden Vorgaben seitens der EU gelten. Das bedeutet eine Reduktion des überschießenden Melde- und Statistikwesens, Abkehr von Generalverdacht und Bespitzelungsmethoden (Whistleblower-Plattform) und offene direkte Kommunikation statt medialer Untergriffe. Österreichs E-Wirtschaft garantiert seit Jahrzehnten eine effiziente, wettbewerbsfähige, leistbare und sozial verträgliche Stromversorgung, basierend zu zwei Drittel auf erneuerbaren Energien. Diese Stromversorgung hat sich auch unter den Rahmenbedingungen des liberalisierten europäischen Binnenmarktes bestens bewährt. „Aus Versorgern mit Monopolcharakter wurden flexible Akteure auf einem wettbewerbsintensiven Strommarkt“, erklärte Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie. Unbundling und Regulierung erforderten eine Aufteilung der traditionellen Wertschöpfungskette der Branche, die nicht nur Vorteile brachte, sondern auch Mehrkosten, hohen Bürokratieaufwand nach sich zogen und bestehende Synergiepotenziale entwerteten. Die alten Vorgaben für die Regulierung gelten daher nicht mehr. Schmidt: „Es gibt keine Monopole mehr, die ‚aufgebrochen’ werden müssten, sondern selbst die EU bescheinigt dem österreichischen Strommarkt, einer der wettbewerbsintensivsten der Union zu sein.“ Verschärfte Reglementierung 2015, eineinhalb Jahrzehnte nach der Liberalisierung des Strommarktes, zeichnen sich zudem neue und noch größere Herausforderungen ab als zum Start der Liberalisierung: Auf Basis gesetzlicher Maßnahmen entwickelte sich im Bereich der Erzeugung ein starkes Marktsegment, das den Rahmen des bisherigen „Energy-only-Marktes“ sprengt. Zudem wurde die Reglementierung, Regulierung und Bürokratisierung der Branche in vielen Schritten ständig weiter verschärft, sodass sie heute weit über das ursprüngliche Ziel hinausgeht und eine Eigendynamik entwickelt hat, die ständig neue, immer tiefer gehende Eingriffe und Reglementierungen erfordert. Schließlich gilt es noch die Aufgaben des Energieeffizienzgesetzes zu meistern. Schmidt: „Die Herausforderung besteht heute darin, die Regulierungsbehörden zwar mit ausreichender Flexibilität, Unabhängigkeit und Mitteln auszustatten, gleichzeitig aber insbesondere eine über das Ziel hinausschießende Überregulierung der Märkte zu verhindern.“ Richtiges Maß der Regulierung In Österreich lagen die Schwerpunkte der Arbeit der E-Control zu Beginn der Regulierung 2001 in der Erarbeitung und Umsetzung der Marktregeln sowie im Bereich der Schlichtungs- und Missbrauchsverfahren. Außerdem überprüfte die E-Control die Netznutzungstarife, veröffentlichte Preisvergleiche für die Konsumenten, installierte ein System für die Behandlung von KleinwasserkraftZertifikaten und informierte alle Marktteilnehmer umfassend über die Marktöffnung. Heute verfügt die E-Control über einen Personalstand von Aufgaben europäischer Regulierungsbehörden Festlegung und Genehmigung von Netztarifen: • Festlegung bestimmter Bedingungen im Netzbereich (Anschlussbedingungen, Ausgleichsleistungen, Netzzugang) • Monitoring der langfristigen Versorgungssicherheit (insb. Investitionspläne der Netzbetreiber, Zuverlässigkeit und Sicherheit der Netze) • Monitoring der Marktöffnung (Wettbewerb) • Monitoring der Umsetzung der europäischen rechtlichen Vorgaben und grenzüberschreitende Zusammenarbeit • Jährliche Berichterstattung an die Kommission • Unterstützung der Wettbewerbsbehörden bei einschlägigen Fällen und Zusammenarbeit mit den zuständigen Institutionen im Bereich des Verbraucherschutzes Befugnisse von Regulierungsbehörden im Binnenmarkt: • Erlass bindender Entscheidungen/Verordnungen • Durchführung von Marktuntersuchungen • Durchführung verhältnismäßiger Maßnahmen zur Förderung des Wettbewerbs • Befugnis zur Zusammenarbeit mit der nationalen Wettbewerbsbehörde und Finanzmarktregulierungsbehörde oder der Kommission in Wettbewerbsfragen sowie Erhebung relevanter Informationen • Vorschlag der Verhängung bzw. eigenständige Verhängung von verhältnismäßigen Sanktionen • Anweisungsbefugnisse zur Streitbeilegung COVERSTORY 09 Kompetenzen der E-Control Die Kompetenzen der E-Control wurden seit ihrem Bestehen kontinuierlich erweitert. Heute führt die E-Control bereits deutlich umfangreichere Arbeitsschwerpunkte in ihren aktuellen Jahresberichten alleine für den Bereich Strom auf: • Öffentlichkeitsarbeit • Anlaufstelle für Konsumenten • Regulierung der Netze: Tarifierung Strom inklusive Tarifverfahren neu • Investitionen österreichischer Strom- und Gasnetzbetreiber • Grenzüberschreitende Lieferungen • Strompreisvergleiche Industrie/Haushalte • Entwicklung Regelenergiemarkt • Aufsicht Regelzonenführer • Aufsicht Verrechnungsstelle • Aufsicht Marktteilnehmer • Monitoring § 88 ElWOG 121 Mitarbeitern und verbucht jährliche Ausgaben von 19,9 Mio. Euro, also ein Vielfaches der Größenordnung von Oesterreichs Energie, die ihr als Interessenvertretung gegenübersteht. Im Vergleich kommen der italienische Regulator AEEG oder der französische Regulator CRE, umgerechnet auf die Marktgröße, gerade einmal mit einem Fünftel bzw. einem Sechstel an Personal aus, um ihre regulatorischen Aufgaben zu erledigen. • Smart-Meter-Monitoring • Genehmigung Allgemeine Verteilernetzbedingungen • Genehmigung Allgemeine Lieferbedingungen • Aufgaben aus der Energielenkung • Ausfalls- und Störungsstatistik für Österreich • Langfristprognose • Streitschlichtungsverfahren ECK – Strom • Marktaufsicht Ökostrom/Ökostromdeckelung • Stromkennzeichnungsbericht • Aufsicht Handelsplätze (EPEX, EXAA) • Neue Überwachungsaufgaben für die E-Control im Strommarkt • Energiegroßhandelsdaten-VO • Internationale Mitarbeit im Strombereich (CEER, zahlreiche Kooperationsprojekte) ihre Kompetenzen durch unterschiedliche weitere Online-Tools laufend ausgebaut (etwa KMU-Energiepreis-Check, Spritpreisrechner, Energiespar-Check). Dazu kommen zahlreiche Informationsveranstaltungen, mediale Aktivitäten (inklusive Social Media), eine Energie-Hotline und der Versand von Informationsschreiben an verschiedene Marktteilnehmer, Bürgermeister und Gemeinden. Die E-Control ist zudem auf praktisch allen energierelevanten Messen – von Energiesparmessen über Hausbaumessen bis hin zu Seniorenmessen – mit hohem Marketing- und Personalaufwand vertreten. Viel Personal, hohe Ausgaben Auch in Bezug auf die Ausgaben liegen andere europäische Regulatoren deutlich unter dem Niveau der E-Control. Ebenfalls auf die Marktgröße bezogen belaufen sich die Ausgaben der dänischen Regulierungsbehörde DERA gerade einmal auf die Hälfte bzw. des italienischen Regulators sogar deutlich weniger als die Hälfte der Kosten, die die E-Control verursacht. Alleine in den Jahren zwischen 2008 und 2012 stiegen die Kosten der heimischen Regulierungsbehörde um durchschnittlich 15 Prozent pro Jahr. Ergänzend zu ihren bereits umfangreichen Arbeitsschwerpunkten betreibt die E-Control selbst noch einen aufwändigen Online-Tarifkalkulator für den Vergleich der Strom- und Gaspreise für Endkunden. Neben dem Tarifkalkulator wird auch ein Spritpreismonitor durch die Regulierungsbehörde für Strom und Gas betrieben, der eigentlich ausschließlich dem Mineralölbereich zuzuordnen ist. Im Bereich der Endkundenaktivitäten hat die E-Control zudem ›Die alten Vorgaben für Regulierung gelten nicht mehr.‹ Daneben werden im Rahmen der jährlichen „Gemeindetour“ mehrere hundert Gemeinden besucht, um Beratungsgespräche für Endkunden anzubieten. Zentrale Themen der Beratungsoffensive sind, Fragen zum Lieferantenwechsel, zur Rechnung und Probleme mit Energieversorgern zu klären. Wettbewerbsverzerrung 2014 war die E-Control auch in den Nachbarländern aktiv, um ausländische Lieferanten im Rahmen von Workshops auf den Markteintritt vorzubereiten und sich über die Wettbewerbsbedingungen in Österreich auszutauschen. Schwerpunkt eines Workshops in Berlin mit hochrangigen 10 COVERSTORY Regulierungsbehörden in Zahlen: Eine Gegenüberstellung von Mitarbeiterzahlen zu Anzahl von Unternehmen ergeben keine Aussagen zur Qualität oder Effektivität der Reg.-Behörden *im Strom-und-Gas-Sektor Vertretern der E-Control war es, die Rahmenbedingungen für einen Markteintritt sowie einen umfangreichen, extra erstellten Leitfaden für einen Markteintritt am österreichischen Strom- und Gasmarkt vorzustellen, obwohl ohnehin die legistischen Vorgaben und Rahmenbedingungen für jeden neuen Marktteilnehmer transparent durch die geltenden gesetzlichen Regelungen nachvollzogen werden können und dies keinesfalls zu den Kernaufgaben des österreichischen Regulators zählt. Heuer richtete die E-Control zudem eine „WhistleblowerPlattform“ ein, deren Ziel es ist, anonym Hinweise über Insiderhandel, Marktmanipulation oder Wettbewerbsverstöße im Strom- oder Gasbereich zu erhalten. Und ganz neu: Verbraucher können seit Anfang April online unter „frag.e-control.at“ Quelle: EY/Ernst & Young GmbH/WPG Fragen zu Strom und Gas an den Regulator stellen. Auch über Twitter und Instagram können mit dem Hashtag #fragecontrol Fragen an die Energieexperten der E-Control gerichtet werden. An Lasten bekommt auch der liberalisierte Bereich der E-Wirtschaft von der E-Control rund 440 Mio. Euro/Jahr aufgebürdet. Viele dieser Kosten fallen bei ausländischen Konkurrenten der österreichischen E-Wirtschaft nicht an. Überschüssige Regulierungsmaßnahmen benachteiligen Österreichs E-Wirtschaft daher im Wettbewerb mit dem Ausland und stören die Entwicklung im Inland. Die vielfältigen Regulierungsvorgaben sind damit verantwortlich dafür, dass weniger in den technologischen Fortschritt investiert werden kann und senken damit auch das Innovationsniveau. KOMMENTAR 11 Kommentar von Dkfm. Milan Frühbauer Kein Sterbenswörtchen war zu hören: Die monatelange Diskussion zur Steuerreform hat den Begriff gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Ein politisches Schweigekartell von atemberaubender Konsequenz wurde uns da vorgeführt. Der Terminus „Eigenvorsorge“ kommt in der steuerpolitischen Debatte gegenwärtig nicht mehr vor. Weder Regierungskoalition noch Oppositionsparteien „erinnerten“ sich oder die Gesellschaft an den Umstand, dass es mit dem Aufbau der zweiten und dritten Säule der Eigenvorsorge für Alter und Pflegebedürftigkeit nicht zum Besten bestellt ist. Österreich hinkt hier hoffnungslos hinter den Industriestaaten in der OECD nach. Noch immer stammen hierzulande rund 85 Prozent der Pensionseinkommen aus dem Umlageverfahren des ASVG. In anderen vergleichbaren Ländern sind das 60 oder noch weniger Prozent. Österreich steuert auf eine Pensionslücke zu, deren gesellschaftspolitische Sprengkraft wir sträflich unterschätzen. Altersarmut wird in 20 Jahren ein Breitenphänomen werden. Schon ein Blick in das individuelle Pensionskonto – der seit knapp einen Jahr auf Knopfdruck via Online möglich ist – macht ab dem 30. Lebensjahr mehr als nachdenklich. Von der weiterhin steigenden Lebenserwartung und dem jährlichen Anstieg des Bundeszuschusses zur Pensionsversicherung in Milliardenhöhe ganz zu schweigen. Das sind Zeitbomben für das Umlageverfahren. Was läge also näher als durch steuerliche Anreize möglichst viele Österreicher zur individuellen Pensionsvorsorge zu ermuntern und so eine Entlastung vom Druck auf die staatliche Pension zu bekommen. Dazu gäbe es ein breites Instrumentarium. Doch in jüngerer Vergangenheit gab es nur Kürzungen diverser staatlicher Prämien. Die Kursgewinnbesteuerung bei Wertpapieren macht die Eigenvorsorge hingegen noch schwieriger. Und die anhaltende Niedrigzinsphase bläst der Eigenvorsorge als scharfer Gegenwind ins Gesicht. Fiskalische Incentives könnten helfen, doch die in der Gesetzeswerdung befindliche Steuerreform negiert das Thema völlig. Nun war nicht zu erwarten, dass in der aktuellen Situation der Staatsfinanzen, verschärft durch hartes Lager auf dem Absolute Funkstille Hypo-Alpe-Lattenrost, eine breite Diskussion über Steuererleichterungen für Eigenvorsorgende losbricht. Aber ein kleines Signal hätte genügt, um zu zeigen, dass die Politik um die Brisanz des Themas weiß. Vielleicht widmet sich in der parlamentarischen Debatte der eine oder andere Abgeordnete dieser explosiven Ausgangslage für die kommenden Jahrzehnte. Man würde sich schon über Problemerkennung sehr freuen. Oder bleibt etwa die Arbeiterkammer Oberösterreich tonangebend? Deren eingefrorener Posthornton: Die Rente ist sicher, und die Eigenvorsorge ist ein Marketing-Schmäh von Banken und Versicherungen. Und das unter der „Schirmherrschaft“ verfassungsrechtlicher Verankerung. Dkfm. Milan Frühbauer langjähriger Chefredakteur der Wochenzeitschrift „Industrie“, Journalist und Universitätslektor für Öffentlichkeitsarbeit 12 POLITIK Foto: Fotolia/Äggkopp n o v e p p i K r r u e z d Auf Markt- aft h c s der t r i w Plan Mit dem Thema „Überregulierung - wie viel Regulierung verträgt die E-Wirtschaft?“ befasste sich Anfang Mai ein Trendforum von Oesterreichs Energie. Das Resümee: Zu viel Regulierung könnte den Erfolg der Marktliberalisierung in ihr Gegenteil verkehren. Von Klaus Fischer W „ ir brauchen so viel Regulierung wie nötig und so wenig Regulierung wie möglich.“ So fasste Wolfgang Anzengruber, Präsident von Oesterreichs Energie, beim Trendforum im Wiener Ares Tower, das Thema „Über.Regulierung-wie viel Regulierung verträgt die E-Wirtschaft?“ zusammen. Anzengruber erläuterte, als „natürliches Monopol“ müsse der Bereich der Stromnetze selbstverständlich reguliert werden, doch mische sich die Regulierung zunehmend auch in den Wettbewerbsbereich ein, also in Erzeugung sowie Handel und Vertrieb. Immerhin trage die EU-Kommission die Fahne des Wettbewerbs „noch vor sich her“. Doch tendierten die EU-Mitgliedstaaten immer mehr zu einer Renationalisierung ihrer Strommärkte, statt den Energiebinnenmarkt weiterzuentwickeln. Und gerade in Österreich neige die Regulierungsbehörde E-Control dazu, jedes Vakuum auszufüllen, das die Energiepolitik eröffne. Zu Beginn der Liberalisierung habe die Trennung zwischen dem regulierten Netzbereich und dem weitgehend „freien“ Wettbewerbsbereich gut funktioniert. Im „planwirtschaftlich“ organisierten Netzbereich sei es gelungen, die Kosten deutlich zu reduzieren. Mittlerweile nehmen jedoch gerade auch im „marktwirtschaftlichen Bereich“ der Erzeugung, des Handels und des Vertriebs die „planwirtschaftlichen“ Instrumente überhand, kritisierte Anzengruber: „Ich bin üblicherweise ein optimistischer Mensch. Aber wir stehen auf der Kippe. Der bisher marktwirtschaftliche Bereich, der wenig Regulierung haben sollte, kippt wieder zurück in die Planwirtschaft.“ Teilweise sei die E-Wirtschaft aber auch selbst schuld, wenn sie nach Regeln rufe und sich dann wundere, wenn diese eingeführt würden: „Das heißt, wir lassen uns Freiräume, die eingeführt wurden, wieder freiwillig wegnehmen. Wir kämpfen gar nicht mehr darum.“ Die E-Control setze aber auch energiepolitische Maßnahmen, was definitiv nicht zu ihren Aufgaben gehöre: „Der Regulator soll den Markt und dessen Funktionieren überwachen. Aber er macht auch Energiepolitik“, kritisierte Anzengruber. Freiräume werden preisgegeben Ein weiteres Problem seien auch die Doppelgleisigkeiten zwischen den verschiedenen Martkaufsichtsbehörden: „Bei- POLITIK 13 01 02 03 01 Dr. Barbara Schmidt, Generalsekretärin Oesterreichs Energie. 02 Intensive Diskussionen fanden beim Get-together auch noch auf der Terrasse des Wiener Ares Towers statt. 03 Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger, Direktor des Instituts für Föderalismus, Universität Innsbruck 04 V.l.n.r.: Dr. Ulrich Schuh, Forschungsvorstand Eco Austria, Institut für Wirtschaftsforschung; Dipl.-Ing. Walter Boltz, Vorstand E-Control Austria; Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger, Direktor des Instituts für Föderalismus, Universität Innsbruck; Dr. Barbara Schmidt, Generalsekretärin Oesterreichs Energie; Dr. Matthias Strolz, Vorsitzender & Klubobmann NEOS – Das Neue Österreich und Liberales Forum; Dipl.-Ing. Wolfgang Anzengruber, Präsident Oesterreichs Energie. Foto: Oesterreichs Energie/Christian Fischer 04 14 POLITIK spielsweise haben wir eine Bundeswettbewerbsbehörde. Gleichzeitig obliegen aber auch der E-Control Angelegenheiten der Wettbewerbskontrolle.“ Dies führt, laut Anzengruber, zu Unklarheiten und zu Rechtsunsicherheit für die E-Wirtschaft. Für Verwunderung in der Branche sorgt auch die „Whistleblower-Plattform“ der E-Control, mit der diese nach eigenen Angaben Fällen vermeintlichen Marktmissbrauchs auf die Spur zu kommen trachte. Es frage sich, ob damit die E-Wirtschaft unter Generalverdacht stehe. Die Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, Barbara Schmidt, ergänzte, selbstverständlich bedürfe der vergleichsweise junge Energiemarkt der Regulierung. Auch zweifle niemand an der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit der E-Control. Dennoch erweise sich die Vielzahl an Vorschriften, Regeln und Normen bisweilen als kontraproduktiv. ›Der Regulator sieht sich offenbar als Commander und Controller.‹ Anstatt daraus die Konsequenzen zu ziehen und „zurückzurudern“, beharrten die Behörden jedoch auf dem einmal festgelegten Kurs und verschärften dadurch das Problem, sagte Schmidt. Immer neue Novellen des Elektrizitätswirtschaftsund Organisationsgesetzes brächten immer neue und weiter reichende Kompetenzen für die E-Control mit sich. Freilich habe der Regulator die Gesetze auszuführen. Doch verstehe er seine Rolle offenbar als die eines „Commanders und Controllers“ des Energiemarktes und nutze seine Spielräume nicht selten sehr stark aus. Unter anderem sehe er sich als Informationsstelle für Konsumenten. „Im Gegenzug ,verkauft` der Verein für Konsumenteninformation Strom. Das ist doch die verkehrte Welt“, monierte Schmidt. Notwendige Regelungen im Bereich der Netze würden nicht erfolgen, jedoch Verfahren der E-Control gegen Netzbetreiber geführt, „wenn ihre Trafos in der falschen Farbe angestrichen oder mit einem alten Logo versehen sind“. In einer Aussendung zur Whistleblower-Plattform habe die E-Control die Stromkunden dazu aufgerufen, sich bei mutmaßlichen Marktmissbrauchsfällen anonym zu melden: „Das tut dem Vertrauen in den Markt nicht gut.“ Schmidt verwies auf das Arbeitsprogramm der Bundesregierung, dem zufolge diese eine Entbürokratisierung, die „stärkere Konzentration der E-Control auf die Regulierungstätigkeit“ sowie die Zusammenführung aller österreichischen Regulierungsbehörden von der E-Control über den Telekom-Regulator RTR bis zur SchienenControl GmbH für den Eisenbahnbereich anstrebt. Wie Schmidt ausführte, ist diesbezüglich bisher noch nichts geschehen. Speziell auf die Entbürokratisierung und die Konzentration der E-Control auf die Regulierungstätigkeit wird die E-Wirtschaft aber künftig verstärkt drängen, kündigte Schmidt an: „Wir sollten uns bemühen, die Liberalisierung gemeinsam zu einer Erfolgsstory zu machen.“ Noch mehr Regulierung E-Control-Vorstand Walter Boltz räumte ein, dass die Energiemärkte im Prinzip überreguliert sind. Allerdings sei dies nicht den Regulatoren anzulasten. Die EU-Mitgliedstaaten hätten beschlossen, einen Energiebinnenmarkt zu schaffen. Die einfachsten Mittel, um dies zu erreichen, nämlich die Einführung eines grenzüberschreitenden Wettbewerbs sowie die Aufteilung marktbeherrschender Unternehmen, hätten sie jedoch nicht angewandt: „Deshalb gibt es nun eine große Zahl von Regeln und faktisch eine Überregulierung. Weil aber der Markt nach wie vor nicht wie gewünscht funktioniert, wird es vermutlich notwendig sein, noch mehr zu regulieren.“ Die E-Control tue nichts, was nicht gesetzlich gedeckt sei. Allerdings nehme sie ihre Kompetenzen intensiv wahr. Boltz: „Wenn wir schon Aufgaben haben, wollen wir diese auch ordentlich erfüllen.“ Über Details lasse sich immer diskutieren: „Aber die Dinge, die die Energiewirtschaft an der Regulierung wirklich stören, sind EU-rechtlich ziemlich einzementiert.“ ›Whistleblower-Plattformen sind eines Rechtsstaates unwürdig.‹ Die Whistleblower-Plattform verteidigte Boltz: „Schon bisher hätte uns jeder ein anonymes Mail schicken können.“ Dass sich der Nutzen der Plattform in Grenzen hält, gab Boltz zu: Die dort bisher eingegangenen Meldungen wären vor deren Einführung „wohl an die Schlichtungsstelle der E-Control gerichtet worden“. Zu viel des Guten Peter Bußjäger, Direktor des Instituts für Föderalismus der Universität Innsbruck, bezeichnete die Plattform dagegen als „eines liberalen Rechtsstaates unwürdig“ und vermutlich auch nutzlos. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft habe ebenfalls eine solche eingerichtet: „Jetzt ersticken sie in Meldungen von irgendwelchen Querulanten.“ Bußjäger fügte hinzu, eine verstärkte Regulierungsdichte mache den Bestand an Regeln immer undurchschaubarer. Dies führe letztlich zu Unsicherheit und zu Steuerungsunfähigkeit, also zu genau jenen Problemen, POLITIK 15 die die Regulierung ja eigentlich lösen solle. Ulrich Schuh, der Forschungsvorstand des Institutes für Wirtschaftsforschung, Eco Austria, konstatierte, Regulierung sei grundsätzlich „nicht der Feind des Wettbewerbs, sondern die Voraussetzung für dessen Funktionieren“. Allerdings müsse in tauglicher Weise reguliert werden, was oft nicht der Fall sei. Schuh bezeichnete dies als „Handlungsorientierung“ der Regulierung: „Man macht etwas, ohne sich zu überlegen, warum und wozu.“ Als Beispiel nannte Schuh etwa das Agieren der Politik in Bezug auf die Finanz- und Wirtschaftskrise des Jahres 2008. Bis heute sei völlig unklar, wie sich eine neuerliche Krise dieser Art verhindern lasse. Die Politik habe eine „sehr strikte Regulierung eingeführt, die aber nichts bringt“. Gerade in Österreich sei Ähnliches in einer Vielzahl von Politikfeldern der Fall: „Die Politik sagt nicht, welche Ziele sie anstrebt, und sie beauftragt ihre Beamten nicht, die effizientesten Mittel zum Erreichen der Ziele zu wählen. Das ist der Grund für die Überregulierung, die die Unternehmen spüren.“ Es sei dringend geboten, den Gedanken des Wettbewerbs gerade auch auf europäischer Ebene zu propagieren. Die EU-Kommission sei ohnehin bestrebt, „den Wettbewerb zu stärken, und das ist gut“. Nicht zuletzt im Bereich der Energieund Klimapolitik liefen dem jedoch die Ökologisierungstendenzen zuwider: „Wir müssen kritisch hinterfragen, ob wir mit der europäischen Umweltpolitik auf dem richtigen Weg sind.“ Zudem fehle es insbesondere in Österreich an Vertrauen in den Markt und in den Wettbewerb: „Es besteht eine enorme Angst. Viele wollen jeden Wettbewerb bereits im Keim ersticken.“ Ähnlich argumentierte der Vorsitzender der NEOS, Matthias Strolz. Das Ziel der Liberalisierung des Strommarktes sei „nicht so ganz erreicht“ worden. Nach wie vor dominiere die etablierte E-Wirtschaft. Die E-Control „spioniere“ den Energieversorgern nach, was bis dato indessen keine dramatischen Ergebnisse erbracht habe. Kritik übte Strolz am österreichischen Gesetzwerdungsprozedere. Er kritisierte, dass die Entwürfe für Gesetze zumeist immer noch von den Sozialpartnern oder von „Ministerialbürokraten“ verfasst würden. Angesichts der neuen Rahmenbedingungen habe dies speziell im Energiebereich keinen Sinn mehr. In seinem Resümee plädierte Anzengruber jedenfalls für „Vertrauen in den Markt“. Im direkten Vergleich der ökonomischen Systeme in der vormaligen Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) habe sich die Marktwirtschaft eindeutig überlegen gezeigt: „Im Osten hat die Autoindustrie den Wartburg hervorgebracht, im Westen den Porsche.“ „Ohne Mut funktioniert es nicht“ Warum Regulierung nicht notwendigerweise mehr Sicherheit bringt und Deregulierung nicht zwangsläufig zu mehr Unsicherheit führt, erläuterte der Förderalismusforscher Peter Bußjäger in seinem Impulsvortrag beim Trendforum von Oesterreichs Energie. Etwa 2400 Rechtsakte ergingen allein im vergangenen Jahr auf EU-Ebene, davon fast 1400 unmittelbar anwendbare Verordnungen. In Österreich kamen weitere rund 1000 Bundes- und Landesgesetze sowie eine schier unüberschaubare Zahl von Verordnungen und verwaltungsinternen Interessen hinzu, schilderte Bußjäger. Die exakte Zahl der Rechtsnormen lässt sich laut Bußjäger nicht eruieren. Gemeinhin werde eine freie Entfaltung wirtschaftlicher Kräfte durch Deregulierung erwartet. Insofern sei es interessant, dass im Elektrizitätssektor „durch Regulierung erst der Markt hergestellt werden soll. Das ist eine besonders raffinierte Form von Regulierung“. Sorge vor Unsicherheit Die Deregulierung ist laut Bußjäger seit einiger Zeit in Verruf geraten, da – zu Recht oder zu Unrecht – der Eindruck besteht, diese habe zur „Herstellung ungezügelter Finanzmärkte geführt, die die Welt oder zumindest Europa nahe an den Abgrund brachten.“ Kein Mangel ist Bußjäger zufolge auch an „Regulierungsbremsen“. So fürchtet etwa die Verwaltung nicht nur den Verlust eigener Einflussbereiche und Funktionen, sondern auch erreichter Standards etwa im Umwelt- und Sozialbereich sowie das Entstehen „von Ungewissheit und Unsicherheit“. Und gerade „die Sorge der Gesellschaft vor Ungewissheit ist die größte Deregulierungsbremse. Eine Gesellschaft, die größtmögliche Sicherheit sucht, kann mit Deregulierung nichts anfangen.“ Denn diese ermögliche Neues und lasse der Kreativität freien Raum - und damit dem Erfolg wie auch dem Scheitern. Bußjäger warnte indessen: Auch ein Mehr an Regulierung biete keineswegs zwangsläufig ein Mehr an Sicherheit. In vielen Bereichen sei die heutige „Dichte der Regulierung mit der Unüberschaubarkeit der Rechtsvorschriften gar nicht mehr in der Lage, für Rechtssicherheit zu sorgen.“ Die wahre Kunst der Deregulierung bestehe darin, die Bürger und die Wirtschaft zu „entfesseln“, ohne berechtigte öffentliche Interessen aufs Spiel zu setzen. Bußjäger: „Mein Appell ist: Ohne Mut funktioniert es nicht. Deregulierung ist immer mutiger als Regulierung“. 16 POLITIK »Die Energiewende findet im Verteilnetz statt« Vor dem Hintergrund der Energiewende wirken aktuell zwei maßgebliche Entwicklungen auf die Netzwirtschaft ein und beschleunigen den Umbau hin zu einem intelligenten und effizienten Verteilungssystem. Von Roger Kohlmann E Sicherer Netzbetrieb Zweitens stellt das regulatorische Umfeld erhöhte Anforderungen an die datentechnische Vernetzung des Energiesystems. Die Entflechtung von Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung und die Zuweisung spezifischer Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten an eine steigende Zahl von Marktteilnehmern bringen erheblich mehr Schnittstellen sowie einen erhöhten Datenaustausch mit sich. Die Digitalisierung findet in einer zunehmenden Konvergenz von Energiewirtschaft und Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) Ausdruck; ein Prozess der sich aktuell – regulatorisch wie praktisch – im Aufbau des so genannten Energieinformationsnetzes verdichtet: Die Betreiber von Erzeugungsanlagen, Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen, Elektrizitätslieferanten sowie gewerbliche und industrielle Letztverbraucher sind gesetzlich verpflichtet, den Übertragungsnetzbetreibern sowie vorgelagerten Betreibern von Elektrizitätsverteilernetzen auf Verlangen unverzüglich die Informationen einschließlich etwaiger Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bereitzustellen, die für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb notwendig sind. Dieser muss zwecks Handhabbarkeit in intelligenten und automatisierten Prozessen erfolgen. Für die Energiewirtschaft insgesamt, aber insbesondere für die Netzbetreiber hat dies eine umfassende informations- und kommunikationstechnische Umwälzung zur Folge – verbunden mit Risiken und Chancen. Im Grundsatz ist dabei die rasch fortschreitende Digitalisierung der Branche zu beobachten. Aktuell entsteht entlang dieser gesetzlichen Vorgabe im Rahmen eines fünfstufigen Verfahrens die inhaltlich, zeitlich und prozessual konkrete Beschreibung des zukünftigen Daten- und Informationsaustauschs. Dabei handeln das deutsche Wirtschaftsministerium, die Bundesnetzagentur und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in enger Abstimmung. in intelligentes Verteilungssystem wird zukünftig deutlich stärker als bisher durch Informations- und Kommunikationstechnologie vernetzt. Erstens erfordert eine zunehmend dezentrale Erzeugungslandschaft und damit ein sicherer und zuverlässigen Netzbetrieb einen stark erhöhten Bedarf an netzebenenund wertschöpfungsstufenübergreifender Kommunikation. POLITIK 17 Die Arbeiten am Energieinformationsnetz werfen unter anderem hinsichtlich des zukünftigen Rollenverständnisses von Marktteilnehmern, der Aufgabenzuordnung oder der Sicherheit und operativen Abwicklung von Prozessen Fragen auf, deren Beantwortung auf anschauliche Weise zeigt, wie weitreichend die im Zuge der Digitalisierung auf die Branche zukommenden Veränderungen sind. Gleichzeitig können aus diesen Entwicklungen Thesen abgeleitet werden, die über einen mittelfristigen Zeithorizont hinausweisen. Die Energiewende findet im Verteilnetz statt: Gut 90 Prozent der Erneuerbaren-Energien-Anlagen sind an das Verteilnetz angeschlossen. Insbesondere die Gruppe der Flächen- und 110-kV-Netzbetreiber in Deutschland wächst in diesem Zusammenhang schrittweise in eine neue Rolle hinein. In zahlreichen Gegenden Deutschlands, zum Beispiel in Ostdeutschland oder Schleswig-Holstein, übersteigt die installierte regenerative Leistung die regionale Last um ein Vielfaches. Das erfordert eine ganz neue Kommunikation zwischen Verteilnetz- und Übertragungsnetzbetreiber – sei es bei Fragen zur Systemsicherheit, zur Netzplanung oder zur Erbringung von Systemdienstleistungen durch Erneuerbare, um nur einige Aspekte zu nennen. Diese neuen Aufgaben erfordern nicht nur den reibungslosen und raschen Austausch zum Teil großer Datenmengen, sie verändern potenziell auch das Profil der Akteure und ihren Wirkungskreis. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Tendenz hin zu einem möglicherweise neuen Rollenverständnis der Netzebenen wird nicht durch die Digitalisierung ausgelöst, sondern durch den Strukturwandel der Energiewende. Aber es liegt auf der Hand, dass die digitale Verfügbarkeit von Daten in Echtzeit beziehungsweise ihre Nutzung und diskriminierungsfreie Weiterverteilung an Berechtigte neue Verantwortlichkeiten konstituieren und neue Geschäftsfelder eröffnen. Vor diesem Hintergrund haben die Verteilnetzbetreiber im BDEW den Ansatz entwickelt, im Smart Grid als neutrale Akteure das Handlungsfeld für fairen Wettbewerb („level Zur Person Dkfm. Roger Kohlmann ist seit 2009 Mitglied der Hauptgeschäftsführung des deutschen Bundesverbands der Energieund Wasserwirtschaft (BDEW). Er leitet zudem den Geschäftsbereich „Energienetze und Regulierung“. Kohlmann studierte an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Seit 1996 arbeitete er in der Energiewirtschaft: nach der RWE Rheinbraun im Braunkohleunternehmen Laubag; dann leitete er drei Jahre die Kommunikation der RWE Power. 2004 wechselte er als Stellvertretender Hauptgeschäftsführer zum Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), seit 2007 war er Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDEW. Foto: BDEW Veränderungen im Rollenverständnis 18 POLITIK playing field“) herzustellen, das von den Marktparteien für den Handel, die Belieferung von Endkunden und für weitere Dienstleistungen wie etwa dem Anbieten von Demand-Response-Services genutzt werden kann. Aktuell ist offen, ob dieser Ansatz im Rahmen zukünftiger regulatorischer Vorgaben zwecks Definition der Schnittstellen von Markt und reguliertem Bereich berücksichtigt wird. Die Erhebung beziehungsweise Zuleitung relevanter Einsatzplanungs-, Stamm-, Mess- und Online-Bewegungsdaten legt eine zentrale Funktion des Verteilnetzbetreibers nahe. Gleichzeitig stellt diese Aufgabe neue Ansprüche an die Investitionsfähigkeit, IT-Kompetenz und IT-Sicherheit. Daten- und Marktkommunikation entwickelt, welche die wichtigsten Handlungsfelder der nächsten Jahre aufzeigt. Ziel ist es, hinsichtlich der zukünftig notwendigen Ausgestaltung von Prozessen, Codes und Datenformaten mit dem Regulierer ein gemeinsames Verständnis der Inhalte auf einer konkreten und praxistauglichen Zeitachse zu entwickeln. Vier Thesen Aus den vier vorstehend geschilderten Themenfeldern, die in engem Zusammenhang mit dem Energieinformationsnetz zu sehen sind, lassen sich Thesen ableiten, die in der Gesamtheit in Richtung einer neuen Qualität effizienter Smart Grids und ihrer Betreiber weisen: Sicheres Internet der Dinge Das schrittweise Aufbrechen der einst festen System- und Prozessgrenzen der Energieversorgungsunternehmen und der Wertschöpfungsstufen bringt erhebliche Veränderungen mit sich. Wie realistisch die Bedrohung durch externe Angriffe für die Branche ist, zeigen autorisierte Selbstversuche aus der jüngeren Vergangenheit. Angesichts der Kritikalität des Versorgungssystems hat die Energiewirtschaft beim Aufbau des brancheneigenen Internets der Dinge diesen Aspekt im Fokus. Insbesondere mit Blick auf die im IT-Sicherheitskatalog der Bundesnetzagentur geforderte Einführung eines Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) für IKT-Systeme und der Zertifizierung des ISMS gemäß dem internationalen Standard ISO/IEC 27001 werden Netzbetreiber ihre Systeme teilweise ertüchtigen und kontinuierlich auf dem neuesten sicherheitstechnischen Standard halten müssen. Die grundlegende Bedeutung einer zukunftsfähigen Datenund Marktkommunikation für das Internet der Energiewirtschaft wurde bereits angedeutet. Angesicht der erheblichen Kosten für den Auf- und Umbau der Kommunikations- und IT-Landschaft in der Energiewirtschaft müssen Fehlinvestitionen oder permanente, politische Richtungswechsel unbedingt vermieden werden. Vor diesem Hintergrund arbeitet die Branche daran, zu einem gemeinsamen Arbeitsprogramm und einem darauf abgestimmten Regulierungsrahmen mit der Bundesnetzagentur zu kommen. Dazu hat der BDEW eine Roadmap • Vor dem Hintergrund der Energiewende und der zunehmenden Digitalisierung der Branche wird mittel- bis langfristig eine neue Allokation von Aufgaben und Pflichten der Netzbetreiber zwischen den Netzebenen erfolgen. Möglicherweise wird ein Resultat dieser Entwicklung die Erweiterung der Gruppe systemführender Netzbetreiber sein. • Verteilnetzbetreiber, die ihre Digitalisierung als Chance begreifen, werden eine noch zentralere Aufgabe bzw. Rolle im zukünftigen dezentralen Energieversorgungssystem einnehmen. In der Folge wird sich die Kernkompetenz dieser Unternehmen substanziell IKT-orientiert erweitern. • Sicherheit wird ein Treiber der Erweiterung von IKTKompetenz der Netzbetreiber werden. • Die Komplexität der Prozesslandschaft und die Tiefe regulatorischer Vorgaben werden im Zuge der Digitalisierung exponenziell zunehmen. Die Marktkommunikation und damit verbundene Fragestellungen werden in Zukunft stärker in den Fokus strategischer Unternehmensentscheidungen rücken. Die konsequente Verfolgung des Energieinformationsansatzes ermöglicht den Aufbau effizienter Smart Grids. Voraussetzung dafür sind im regulierten Bereich jedoch immer entsprechende Rahmenbedingungen. Sind diese gegeben, verbindet sich damit in der Folge eine große Chance: Innovative Netztechnologien können zum Motor einer durch Strukturwandel geprägten Branche werden und legen die Basis für eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland. KOMMENTAR 19 Kommentar von Dr. Christof Zernatto Österreich ist nicht nur das Land der Berge, sondern auch ein Land umfassender Regulierung. Das zeigte beispielsweise das Impulsreferat von Prof. Peter Bußjäger beim jüngsten Trendforum von Oesterreichs Energie am 7. Mai, in dem er sich unter anderem auf das steirische Tanzschulgesetz bezog. In der Steiermark dürfen demnach nur besonders geprüfte Tanzlehrer bei Bällen Polonaisen einstudieren. Wie es bei Strom zugeht, zeigte das Video von Oesterreichs Energie mit folgendem Text: Bevor wir heute über Strom diskutieren, wollen wir kurz über Tomaten reden, pardon: Paradeiser. Natürlich wissen wir, dass Vergleiche hinken, aber stellen Sie sich Folgendes vor: Ein Händler kauft bei 15 Lieferanten Paradeiser ein. Dafür gibt es natürlich ein eigenes Gesetz, das vorschreibt, dass unser Händler und sämtliche Lieferanten der Aufsichtsbehörde einiges melden müssen: welcher Lieferant, welche Menge, Vertragsdatum, Preis, Nebenbedingungen, Lieferort, Lieferzeitraum, Markanteile etc. Natürlich hat unser Händler seine Paradeiser gesetzeskonform mit Preisschildern versehen. Doch die Paradeis-Control (P-Control Austria) besteht auf genauer Marktaufsicht. Sie fordert Meldungen: Wie viele Paradeiser wurden verkauft, wann wurde geliefert, wie hoch war der Durchschnittspreis, welche Verkäufe gingen an welche Kundengruppen? Weiters muss unser Händler vieles für die P-Control dokumentieren und melden: wenn sich ein Kunde beschwert, dessen Kundengruppe, dessen Haushaltsgröße, seinen Kassabeleg. Ein absurdes Beispiel aus einer fiktiven Paradeiswelt? Nein, das ist die aktuelle Praxis im Strommarkt. Stromerzeugung, -handel und -vertrieb sind offiziell ein liberalisierter Markt, aber diese bürokratischen Hürden würden auch grüne Paradeiser rot werden lassen. Man fragt sich: Wozu braucht der Regulator das? Es muss einen verborgenen Nutzen geben. Seit Kurzem betreibt E-Control auch eine „Whistleblower-Plattform“. Dort kann man lesen: „Wir sind auf SIE angewiesen, um wettbewerbsschädigendes Verhalten zu unterbinden! Sie können uns anonym und nicht zurückverfolgbar Hinweise über derartige wettbewerbswidrige Praktiken übermitteln.“ „Pfeiferlbläser“ im „Paradeisland“ Dazu kommen noch vielerlei andere Regulierungsmaßnahmen, Meldepflichten und Kontrollversuche, die nicht unbedingt mit der ursprünglichen Aufgabe der Netzregulierung zu tun haben. Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich gezeigt, dass jeder Eingriff von außen in den Strommarkt den Bedarf nach weiteren Eingriffen, weiterer Kontrolle, weiteren Meldepflichten und Korrektur von dadurch entstandenen unterwünschten Entwicklungen entstehen ließ. Diesen Kreislauf sollte man dringend unterbrechen, die regulatorische Zwangsjacke weiter schnallen. Das Ziel: So viel Regulierung wie nötig, so wenig Regulierung wie möglich. Dr. Christof Zernatto Sprecher des Forums Versorgungssicherheit 20 BRENNPUNKT EUROPA Follow-up zur Energieunionsmitteilung: EU-Minister diskutieren regionale Kooperationen und erneuerbare Energien Europäische Strategie für den Wärme- und Kältesektor für Ende 2015 geplant Von Ralf Pastleitner Im Mittelpunkt der Debatten bei der informellen Sitzung der Umwelt- und Energieminister in Riga am 15. und 16. April 2015 standen die Themen Biodiversität, vor allem im Zusammenhang mit dem Ausbau erneuerbarer Energien, eine neue Strategie im Wärme- und Kältebereich sowie regionale Kooperationen im Energiesektor. Die Europäische Kommission war durch Umweltkommissar Karmenu Vella, Klima- und Energiekommissar Miguel Arias Cañete sowie Generaldirektor Dominique Ristori vertreten. Im Hinblick auf die für Ende 2015 angekündigte Strategie zum Wärme- und Kältesektor diskutierten die Minister über deren mögliche Inhalte, wobei sie vor allem die Bedeutung von Synergien zwischen verschiedenen Energiesys- Info Dr. Ralf Pastleitner ist Leiter des Brüsseler Büros von Oesterreichs Energie und berichtet in dieser Rubrik über die aktuellen Themen aus der EU-Zentrale. Oesterreichs Energie garantiert mit einem starken Team und einer effizienten Branchenvertretung in Brüssel, dass die Stimme der österreichischen E-Wirtschaft in der EU gehört wird und Entscheidungen im Sinne der Branche getroffen werden. temen hervorhoben. Laut Kommissar Arias Cañete geht es bei diesem Themenkomplex insbesondere um folgende Fragen: • Was ist der Stand der Technik? • Wie kann der Sektor zur Versorgungssicherheit beitragen? • Wie könnte der Sektor im Falle einer Gasversorgungskrise reagieren? • Wie kann die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie in diesem Sektor erhöht werden? • Wie könnten Projekte unter Umständen über den „Juncker-Investitionsplan“ gefördert werden? Bereits im Februar 2015 hatte die Europäische Kommission den Wärmeund Kältesektor und insbesondere die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) im Rahmen einer großen Konferenz „Heating and Cooling in the European Energy Transition“ adressiert und deren Stellenwert für die Energiepolitik der EU aufgezeigt. Erneuerbare Energien und Biodiversität Mit Blick auf das Ziel der Europäischen Union, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2020 zu stoppen, stellt die Nutzung erneuerbarer Energiequellen eine der Herausforderungen zur Zielerreichung dar. Daher lag der Fokus in den Gesprächen der Minister auf der Identifizierung von Lösungen, mit denen sowohl die Biodiversität gewahrt bleibt als auch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen gesteigert werden kann. Eine der angestrebten Maßnahmen ist die Entwicklung der nächsten Generation von erneuerbaren Energie-Technologien sowie Energiespeichern. Dabei wird auf die schon in der Mitteilung zur Energieunion erwähnten Pläne für ein „Erneuerbare Energien-Paket“ verwiesen, welches auch eine neue Strategie für nachhaltige Bioenergie enthalten soll. Auf Basis eines Dokuments der lettischen Ratspräsidentschaft tauschten sich die Energieminister außerdem zum aktuellen Stand der regionalen Zusammenarbeit im Energiesektor aus. Als besondere Herausforderungen empfanden die Minister hierbei unter anderem die fehlende Kooperation zwischen den nationalen Regulatoren, die Notwendigkeit technischer Unterstützung und Koordinierung und die mangelnde Konvergenz technischer und rechtlicher Bedingungen. Einige Mitgliedstaaten sahen daher laut Ratspräsidentschaft in der Praxis einen verstärkten Bedarf an technischer Unterstützung und Koordinierung durch die Europäische Kommission. Gleichzeitig sollten die Kooperationen aber auch von Seiten der Mitgliedstaaten vorangetrieben werden. POLITIK 21 Kurzmeldungen Politik Foto: evwind politik fördern, ohne den Wettbewerb übermäßig zu verzerren, teilte die Kommission mit. Grundsätzlich sind Subventionen in der EU verboten, damit die bezuschussten Unternehmen keine unfairen Vorteile gegenüber der Konkurrenz bekommen. EU erlaubt WindparkSubventionen Die EU-Kommission hat Deutschland erlaubt, 20 Windparks in Nord- und Ostsee mit Steuergeldern zu bezuschussen. Das Vorhaben werde die Ziele der EU in der Energie- und Umwelt- Bayern droht mit Klage Im Streit um geplanten Höchstspannungstrassen behält sich Bayern eine Klage gegen den Bund vor. „Der Bund kann sich nicht einfach über die Länder hinwegsetzen“, sagte der bayrische Finanzminister Markus Söder in München. „Er muss landesplanerische Vorgaben beachten.“ Es wäre gut, wenn es am Ende einen Kompromiss gäbe, sagte Söder zur Debatte über die beiden geplanten Trassen, die künftig Strom aus Nord- und Ostdeutschland nach Bayern leiten sollen. „Wenn das nicht möglich ist, wären wir auch bereit, es juristisch entscheiden zu lassen.“ Bayern hatte die Trassen 2013 im Bundesrat jedoch mitgebilligt und auf Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtet. Die Investitionskosten der 17 Projekte in der Nordsee und der drei in der Ostsee bezifferte die Kommission auf zusammen fast 30 Mrd. Euro. Auf welche Höhe sich die Subventionen belaufen, ist noch nicht zu sagen. Denn sie sollten nicht in fixen Summen, sondern in Form von Prämien zusätzlich zum Marktpreis für den hergestellten Strom gewährt werden. Russland – neue Gasleitung nach Europa Die neue Gaspipeline Turkish Stream soll vom russischen Küstenort Anapa durch das Schwarze Meer über die Türkei bis an die griechische Grenze verlegt werden. Damit Russland dies verwirklichen kann, muss Griechenland dem Weiterbau der Turkisch Stream zustimmen. Dann könnten die Balkanstaaten und auch Italien mit Gas beliefert werden. Das Vorhaben des russischen Staatskonzerns Gazprom ersetzt frühere Pläne für die transeuropäische Pipeline South Stream. Russland will damit von 2019 an auf die krisengeschüttelte Ukraine als bisher wichtigstes Transitland für Gas in die EU ganz verzichten. Erstmalige Sektoruntersuchung Die Europäische Kommission hat Ende April eine beihilferechtliche Sektoruntersuchung in Bezug auf mitgliedstaatliche Maßnahmen zur Sicherung einer ausreichenden Stromversorgung (Kapazitätsmechanismen) eingeleitet. Mit dieser Untersuchung, der ersten, die auf der Grundlage der EU-Beihilfevorschriften durchgeführt wird, soll insbesondere geprüft werden, ob mit den jeweiligen Kapazitätsmechanismen eine ausreichende Stromversorgung gewährleistet wird, ohne den Wettbewerb oder den Handel im EU-Binnenmarkt zu verzerren. Die Kommission wird zunächst ausgewählten Behörden und Marktteilnehmern in elf EU-Ländern – Belgien, Kroatien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Polen, Portugal, Spanien und Schweden – Fragenkataloge vorlegen. Mit Hilfe der Sektoruntersuchung möchte die Kommission bereits bestehende oder geplante Kapazitätsmechanismen besser verstehen. Ferner wird sie prüfen, ob bestimmte Gestaltungsmerkmale der Kapazitätsmechanismen den Wettbewerb zwischen Kapazitätsanbietern verzerren oder den grenzüberschreitenden Handel behindern. 22 POLITIK Interview »Menschen informieren und motivieren« Der technologische Fortschritt im Energiesektor stellt den Menschen als Verbraucher vor immer komplexere Herausforderungen. Den „Faktor Mensch“ rechtzeitig in den Entwicklungsprozess zu integrieren sei daher der Schlüssel zur Zukunft, erklärt Brigitte Bach, Leiterin des Energy Departements am Austrian Institute of Technology. Interview: Gerlinde Maschler Oesterreichs Energie: Die Energiefrage ist eine zentrale Frage unserer Zeit. Wie innovativ ist Österreich in diesem Sektor, und wie schätzen Sie die internationale Technologieentwicklung in den von Ihnen erforschten Bereichen ein? Brigitte Bach: Auch als kleines Land kann man einiges erreichen: Österreich hat mit den beiden Themen „Smart City“ und „Smart Grid“, mit starker Unterstützung des Austrian Institute of Technology (AIT), in Europa bereits viel Anerkennung bekommen und wird als Vorzeigebeispiel gesehen. Beide Bereiche setzen auf Technologieführerschaft in Kombination mit Systemkompetenz. Bei „Smart Grid“ geht es zum Beispiel um Komponenten wie Wechselrichter oder Ortstransformatoren im Kontext eines „smarten“ Niederspannungs- oder Mittelspannungsnetzes. gewinnt man die Menschen für ein Smart-City-Vorhaben, das Verständnis für die Technologien, aber auch für neue Lebensformen erfordert? Brigitte Bach: Das ist ein spannendes Thema. Zu der ohnehin schon komplexen Fragestellung der Vernetzung von Infrastruktur, Energie, Mobilität und gebauter Umwelt kommt plötzlich noch der Faktor Mensch dazu, also eine weitere Dimension. Es ist nicht immer leicht, die interdisziplinäre Forschung zusammenzuführen, doch es ist hochrelevant. „Smart City“ ist ebenfalls ein Systemthema, und dahinter steht die Frage: Wie kann man die Städte der Zukunft effizient und nachhaltig planen? Dazu müssen Gebäudebestand und Raumplanung mit der Energieversorgung, der Mobilität, dem Verhalten von Bewohnern und einigen anderen Fragen vernetzt betrachtet werden. Österreich ist es gemeinsam mit dem AIT gelungen, die interdisziplinäre Forschung schneller und effizienter zu organisieren als dies in anderen europäischen Ländern passiert ist. Die Menschen sollten verstehen, welche Technologien für eine Stadt nützlich sind: im Kontext mit unterschiedlichen Themen wie Klimawandel, Katastrophenschutz, Arbeitsplätze oder Wirtschaftskrisen. Gefordert sind Politik und Stadtverwaltung, die Menschen sensibilisieren und dafür gewinnen muss, dass sie diese Anliegen der Zukunft unterstützen. Die europäische Politik versucht, in ihren Forschungsprojekten diese Herausforderung Schritt für Schritt zu integrieren. Im Bereich der „Smart City“ wird auf unterschiedlichen Ebenen geforscht: Dies beginnt bei der Untersuchung verschiedener Technologien, geht weiter bei Demonstratoren, der Systemintegration und der Idee eines „living labs“, also einer Methode zur Erhebung der Bedürfnisse der Nutzer im Entwicklungsprozess. Oesterreichs Energie: Bei der Entwicklung von „Smart Cities“ geht es nicht nur um neue Technologien, sondern auch um soziale, gesellschaftliche und gesundheitliche Aspekte. Wie Die Menschen sollen integriert und gefragt werden, wie es ihnen mit neuen Technologien geht. Ein Beispiel in Salzburg: die „Rosa Zukunft“ – ein Gebäudekonstrukt, das POLITIK 23 Oesterreichs Energie: Derzeit werden in zwölf österreichischen Modellregionen Smart Grids – teilweise bereits sehr erfolgreich – getestet. Wie beurteilen Sie die bisherigen Ergebnisse, und wie geht es weiter? Brigitte Bach: Es sind große Schritte gelungen, und nun geht es weiter mit der so genannten Skalierbarkeit: Also wie kann man Lösungen, die derzeit im Kleinen als eine Vielzahl an einzelnen Möglichkeiten stattfinden, auf große Netze oder Netzgebiete übertragen, und wie funktioniert „Smart Grid“ in großen Systemen? Österreich könnte dabei in einer Partnerschaft aus Netzbetreibern und Industrie eine bedeutende Rolle spielen. Oesterreichs Energie: Wie wahrscheinlich sind Technologiesprünge bei der Stromerzeugung bzw. bei der effizienten Stromverteilung und neue Trends in den nächsten Jahren? Brigitte Bach: In wenigen Jahren wird es wohl keine Revolution geben. Infrastruktur entwickelt sich in sehr langfristigen Zyklen. Der Trend geht zu verteilter Versorgung. Das zeigt sich auch jetzt schon und hat mit Fotovoltaik und Windkraft bereits eingesetzt. In der Fotovoltaik zum Beispiel werden künftig nicht mehr nur große Anlagen gebaut werden, sondern es sollen alle bebauten Oberflächen für Energieproduktion mit Dünnschichtfotovoltaik-Modulen oder Beschichtungen auf Dächern, Fenstern, Fassaden oder Parkplätzen genützt werden. Langfristig werden alle Oberflächen kostengünstig elektrische Energie erzeugen, und diese wird für lokale Anwendung oder für die Weiterverwendung im Netz zur Verfügung stehen. Technologien, die genau das ermöglichen, werden weiterentwickelt werden. Radikale Sprünge würde ich eher bei einzelnen Erzeugungstechnologien, weniger beim Netz der Zukunft und bei der smarten und thermischen Energieversorgung insgesamt, erwarten. Die Integration muss allerdings besser und effizienter ermöglicht werden. Themen wie Regelung, Automatisierung, Standardisierung und Sicherheit sollten rasch geklärt werden. Zur Person Mag. Dipl.-Ing. Dr. Brigitte Bach studierte Astronomie in Wien und Tübingen und absolvierte ein Studium der Technischen Physik an der TU Wien. Nach mehreren Jahren in Forschung und Wirtschaft trat sie beim Austrian Institute of Technologie (AIT) ein, wo sie seit 2009 das Energy Department leitet. Bach ist unter anderem Mitglied des Executive Committee der EERA (European Energy Research Alliance), Koordinatorin des „EERA Joint Programme Smart Cities“ sowie Vorsitzende der „Horizon 2020 Advisory Group on Energy“. Auf nationaler Ebene hält sie den Vorsitz des externen Expertenbeirates für die Initiative „Smart City Wien“. 2009 erhielt sie die Auszeichnung „Österreicherin des Jahres“ in der Kategorie „Forschung“. Foto: AIT nachhaltig mit Energie versorgt wird und in welchem auch bereits Energiemanagement in der Praxis angewendet wird. Die Bewohner werden informiert und motiviert, damit sie nachhaltige Energie effizient einsetzen. Die wichtigste Frage ist: Wie kann man das so gestalten, dass es für die Menschen selbstverständlich, spannend und vor allem keine Last ist? Das wird der Schlüssel der Zukunft sein. POLITIK Foto: OVE/Matter 24 Den Startschuss für ein lebendiges Networking gab im April ein femOVE-Treffen der Branchenexpertinnen. Frauenpower für die Elektrotechnik Unter dem Namen femOVE hat sich vor sechs Jahren ein Frauennetzwerk für Technikerinnen im Österreichischen Verband für Elektrotechnik gegründet. Jetzt startet frau dort mit neuer Energie durch. Von Gerlinde Maschler M eist sagt ein Bild mehr als tausend Worte: Michaela Leonhardt zeigt als neue Vorsitzende des Frauennetzwerkes femOVE ein Foto, auf dem elf Männer und eine einzige Frau zu sehen sind. Das Grüppchen repräsentierte die Spitze des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik (OVE) vor wenigen Jahren. Heute hat der 17-köpfige OVE-Vorstand immerhin schon drei weibliche Mitglieder, darunter auch die Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, Barbara Schmidt. Doch mit 55 Frauen unter rund 1500 OVE-Mitgliedern ist der Frauenanteil immer noch viel zu gering. Frauen in der Technik sind auch im dritten Jahrtausend eine seltene Spezies und es bedarf mehr als frohe Werbebotschaften, um dies zu ändern, findet Michaela Leonhardt. femOVE wurde innerhalb des OVE bereits im Jahr 2009 gegründet. Vor wenigen Monaten hat die studierte Mathematikerin Leonhardt, die in ihrem Brotberuf Teil des Teams beim Netzwerkbetreiber APG ist, den Vorsitz im femOVE übernommen. „Wir wissen, dass Frauen in technischen Berufen sehr ,verstreut‘ sind und sich untereinander vielfach nicht kennen. Wir möchten POLITIK 25 daher diese Frauen miteinander bekannt machen, denn ein starkes Netzwerk ist die Grundlage für eine erfolgreiche berufliche Karriere“, so die überzeugte Netzwerkerin zu den Aktivitäten von femOVE, und sie ergänzt: „Mit femOVE möchten wir eine attraktive Plattform schaffen, die dazu beiträgt, Synergien zu nutzen, berufliche Kontakte zu intensivieren und den Erfahrungs- und Wissensaustausch unter den Vertreterinnen der Branche zu fördern.“ Den Startschuss für ein lebendiges Networking gab femOVE Ende April unter dem Motto „Smarte Zukunft im Zeichen der Verbindungen – von intelligenten Netzen & Netzwerken“ in Kooperation mit dem Energy Department des Austrian Institute of Technology (AIT). Rund 60 Teilnehmerinnen – Führungskräfte aus der Branche der Elektrotechnik, Informationstechnik und Energiewirtschaft, Professorinnen und Studentinnen – waren dabei, als Michaela Leonhardt ihre Pläne und Ideen für mehr Frauenpower in der Technik präsentierte: Wie macht man Frauen in elektrotechnischen Berufen sichtbarer, wie begeistert man Schülerinnen für einen elektrotechnischen Beruf, wie motiviert man Frauen der Branche zu mehr informellem und fachlichem Erfahrungsund Wissensaustausch und schließlich: Wie kommen mehr Frauen in Führungspositionen? All das sind die grundsätzlichen Fragen, denen sich femOVE in den nächsten Jahren intensiv widmen wird. In ihrer Strategie setzt Leonhardt auf ein breites Spektrum aus persönlichen Netzwerktreffen – etwa als Frühstückstermine mit weiblichen Führungskräften –, auf einen halbjährlichen Newsletter mit Fachartikeln und Interviews, Medienarbeit und auf Kontakte mit Schulen. Denn ein besonderes Anliegen von femOVE ist der weibliche Nachwuchs: Im Rahmen einer Kooperation mit dem Kreativwettbewerb „Technolution“ sollen etwa Oberstufenschülerinnen die Berufslaufbahnen von Frauen in Technik und Naturwissenschaft recherchieren und über sie schreiben. Um auch das Interesse junger Mädchen für technische Berufe zu wecken, setzt femOVE auf die frühe Einbindung von Eltern. Für Herbst dieses Jahres ist im OVE dazu eine Veranstaltung mit der Darstellung neuer Berufsbilder geplant, um die Schülerinnen zur Wahl einer technischen Ausbildung in Lehre, HTL und Universität zu motivieren. Nach dem Überblick über die aktuellen und künftigen Aktivitäten des Frauennetzwerks hatten die Gäste des ersten femOVENetzwerktreffens dann ausreichend Gelegenheit, das Austrian Institute of Technologie (AIT) näher kennenzulernen, bei dem Foto: OVE/Matter 60 Teilnehmerinnen bei ersten Treffen Neue femOVE-Vorsitzende mit vielen Plänen und Ideen: Dr. Michaela Leonhardt (APG) Brigitte Bach, Leiterin des AIT-Energy Departments (siehe Interview Seite 22/23) das Forschungsinstitut nicht zuletzt als attraktiven Arbeitsplatz für Frauen präsentierte: „Wir möchten auch motivierte Frauen für die Forschung aus technischen und naturwissenschaftlichen Fachrichtungen gewinnen, die bei uns viele spannende Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich der Energieforschung und Energietechnik finden.“ Eine von ihnen, die junge Wissenschaftlerin Tara Esterl, stellte die Smart Grids-Aktivitäten am Energy Department des AIT vor, bevor eine Besichtigung des einzigartigen Smart-Grid-Labors sowie „spannende“ Einblicke in die Hochspannungshalle des AIT folgten. Bereits am 22. Oktober findet in Kooperation mit APG das nächste große Netzwerktreffen statt. Frauennetzwerk femOVE • Mitgliederplattform innerhalb des OVE, mit der Frauen in der Elektrotechnik verstärkt unterstützt werden sollen (2009 gegründet) • Vorsitzende: Michaela Leonhardt, Ph.D. • vernetzt Frauen, die in der Elektrotechnik, Informationstechnik und Energiewirtschaft auf unterschiedlichen Hierarchieebenen tätig sind • fördert den Erfahrungs- und Wissensaustausch sowie das Auffinden und Nützen von Synergien • anhand konkreter Rollenbilder sollen Schülerinnen mehr Interesse an technischen Berufen entwickeln und damit verbundene Chancen kennenlernen • Weitere Informationen: https://www.ove.at/mitglieder-plattformen/femove/ 26 WIRTSCHAFT Kurzmeldungen Wirtschaft Energieagentur wird Monitoringstelle Die gemäß Energieeffizienzgesetz auszuschreibende Nationale Energieeffizienz-Monitoringstelle wurde nach Abschluss des Vergabeverfahrens an den Bestbieter, die Österreichische Energieagentur vergeben. Damit wurde gemäß den Vorgaben der EU-Energieeffizienz-Richtlinie und des Energieeffizienzgesetzes eine geeignete Stelle beauftragt, die notwendigen Aufgaben der Bewertung von Effizienzmaßnahmen sowie des Monitorings durchzuführen. Die Energieagentur steht für Gespräche mit den Branchenvertretern zur Verfügung und beginnt unmittelbar mit dem Aufbau der erforderlichen Infrastruktur, damit eine möglichst unbürokratische und praxistaugliche Umsetzung gewährleistet werden kann, heißt es. Um die EU-Richtlinie zu erfüllen, setzt das Gesetz auf strategische Maßnahmen (wie Das Siemens Transformatorenwerk in Weiz konnte Ende April auf die Auslieferung seines 4000sten Leistungstransformators verweisen. Der 150 t schwere Koloss – davon alleine rund 34 t Kupferdraht – wurde für den US-Kunden Exelon-ComEd entwickelt und gefertigt. Transformatoren wie dieser tragen weltweit zur Sicherung einer zuverlässigen Stromversorgung bei. Gewinn gehalten Die Energie Steiermark AG hat 2014 trotz des Rückgangs beim Umsatz – von rund 1,73 auf 1,37 Mrd. Euro – den operativen Gewinn mit 61,6 Mio. Euro (2013: 62,2 Mio.) gehalten. Grund für den Rückgang sei das wärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn, was sich auf den Absatz von Fernwärme, Gas und Strom auswirkte, hieß es. Das Ergebnis vor Steuern lag bei 73,8 Mio. Euro (2013: 33 Mio. Euro). APG schafft Markt für Primärregelenergie Die Austrian Power Grid AG (APG) intensiviert die internationale Zusammenarbeit zum Austausch von Regelenergie. Mit 8. April wurden zwei für die gemeinsame Beschaffung von Primärregelenergie bestehende Kooperationen zusammengeführt. Die Beschaffung benötigter Regelenergie war bis vor Kurzem lediglich innerhalb der Regelzone des jeweiligen Übertragungsnetzbetreibers auf nationaler Ebene möglich. Dank einer Kooperation mit dem Schweizer TSO Swissgrid AG kann die APG seit 2013 jedoch auch Regelenergie in der Schweiz beschaffen – und umgekehrt. Seit Anfang April kann die APG die benötigte Primärregelleistung darüber hinaus in zwei weiteren Ländern beschaffen: Durch die Zusammenführung der bestehenden Kooperationen Foto: APG Foto: Siemens Transformator geliefert etwa die thermische Sanierung) sowie auf ein Verpflichtungssystem. Dabei müssen Energieversorger Effizienzmaßnahmen im Umfang von 0,6 Prozent ihrer Vorjahresenergieabsätze nachweisen. Die Lieferantenverpflichtung gilt erstmals für das Jahr 2015. Im Sinne einer Übergangsphase können aber – wie gesetzlich vorgesehen – auch die schon 2014 gesetzten Maßnahmen für 2015 mitangerechnet werden. Die Zielbewertung erfolgt im Februar 2016 durch die Monitoringstelle. zwischen der APG und Swissgrid sowie jener der deutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission GmbH, Amprion GmbH, TenneT TSO GmbH und TransnetBW GmbH mit der niederländischen TenneT TSO B.V. schreitet die Marktöffnung weiter voran. Durch die Erweiterung des grenzüberschreitenden Austausches von Primärregelleistung werden höhere Liquidität und größerer Wettbewerb am Primärregelenergiemarkt der teilnehmenden Länder erwartet. WIRTSCHAFT 27 Wien Energie investiert in Erneuerbare Energieeffizienz – Zielerreichung fraglich Die heimischen Energieunternehmen erwarten, dass die Ziele des seit Jahresbeginn geltenden Energieeffzienzgesetzes heuer nur zu rund zwei Drittel erreicht werden und sind auch für nächstes Jahr kaum optimistischer. Dies geht aus einer aktuellen Deloitte-Studie hervor. Die Unternehmen müssen eine Einsparung von 0,6 Prozent ihrer Energielieferungen nachweisen. Derzeit geht man von einer Zielerreichung von 65,6 Prozent im ersten Jahr und von 65,1 Prozent in der ersten Folgeperiode aus. 73 Prozent der Unternehmen wünschen sich mehr Klarheit bei der Anrechenbarkeit der Maßnahmen. 85 Prozent gaben an, die Maßnahmen beim Kunden zu setzen, 60 Prozent planen zusätzliche Schritte innerhalb des eigenen Unternehmens. 28 Prozent der Unternehmen haben bereits interne Maßnahmen gesetzt, 80 Prozent setzen auf Energieeffizienzberatung. EU-weit liege Österreich bei der Umsetzung der Energieeffizienz-Richtlinie im guten Mittelfeld. Ein bisschen besser sind Irland und Dänemark, so die Experten des Beratungsunternehmens. 700 Mio. Euro investieren, davon sollen rund 60 Prozent in Erneuerbare fließen, so Thomas Irschik, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung. Bei den Bürgerbeteiligungsmodellen für Solarenergie höre der Boom nicht auf, mittlerweile sind 18 Anlagen in Betrieb. Nun soll das Modell auch auf die Windkraft ausgeweitet werden. Ausgebaut werden soll auch die erneuerbare Wärmeerzeugung. Foto: Wien Energie Die Wien Energie investiert massiv in den Ausbau der erneuerbaren Energien. 2014 lag deren Anteil an der Stromerzeugung bei 21 Prozent und bei der Wärmeerzeugung bei 26 Prozent. Insgesamt wurden knapp 220 Mio. Euro investiert, um 44,3 Prozent mehr als im Jahr davor. Davon entfiel mehr als die Hälfte auf Erneuerbare. In den nächsten fünf Jahren will die Wien Energie mehr als Sturmtief brachte Wind-Rekord Shell will Energiebranche aufmischen Das Sturmtief „Niklas“ hat in Österreich einen neuen Rekordwert bei Windenergie gebracht. Am 31. März lieferte die Windkraft in der Spitze eine Leistung von 2001 MW. Damit wurde erstmals die 2000-MW-Grenze überschritten. Der letzte Höchstwert war am 20. Dezember 2014 mit 1840 MW erzielt worden. Insgesamt war in Österreich per Jahresende 2014 eine Windkrafterzeugungskapazität von 2095 MW installiert, heißt es. In Österreich seien die Windräder in den vergangenen Tagen fast durchwegs auf Nennlast gefahren. In Deutschland habe die installierte Windkraftkapazität Ende des Vorjahres etwas mehr als 38.000 MW betragen. Am 30. März wurden zur Spitzenlastzeit mehr als 30.000 MW an Windkraftleistung geliefert, dazu kamen noch mehr als 13.000 MW aus Solaranlagen, teilte das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) mit. Diese Leistung von zusammen knapp 44.000 MW entspreche einer Leistung von rund 40 durchschnittlichen Großkraftwerken. Unter dem Druck des Ölpreisverfalls hat Shell die größte Übernahme in der Energiebranche seit mehr als zehn Jahren gestemmt und kaufte für umgerechnet 64 Mrd. Euro den britischen Gasproduzenten BG. Der britisch-niederländische Energiegigant will damit zum global führenden Anbieter von Flüssiggas aufsteigen und den Rückstand zum US-Ölweltmarktführer ExxonMobil verringern. Wegen der großen Präsenz beider Unternehmen in der Europäischen Union, in Australien, Brasilien und China rechnet Shell-Chef Ben van Beurden allerdings mit intensiven Verhandlungen mit den Wettbewerbshütern. Es ist die erste Großfusion in der Branche seit den Zeiten um die Jahrtausendwende, als sich die Energiekonzerne wegen sinkender Preise in ähnlichen Schwierigkeiten befanden. Damals kaufte der britische Ölmulti BP die amerikanischen Rivalen Amoco und Arco. Exxon übernahm Mobil, und Chevron schloss sich mit Texaco zusammen. 28 WIRTSCHAFT WIRTSCHAFT 29 Stromhandel – Marktsignale für Investitionen notwendig Im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes hat sich in den letzten 15 Jahren ein nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierter Markt entwickelt. Seit einigen Jahren zeigt sich jedoch wieder ein Gegentrend – gesetzliche Einschränkungen nehmen zu. N Foto: Fotolia ationale und europäische Gesetzgeber setzen immer öfter Maßnahmen, die den liberalisierten Strommarkt wieder beschränken. Ein besonderes Beispiel dafür ist das enorm gestiegene Stromerzeugungsvolumen aus geförderter, nicht marktpreisabhängiger erneuerbarer Energie in Deutschland, welches auf nationale Fördermechanismen und nicht auf eine freie Marktentwicklung zurückzuführen ist. Es ist also ein ständig liquider werdenden Markt zu beobachten, der aber gleichzeitig durch regulative Eingriffe massiv beeinflusst wird, erläutert Erwin Mair, Geschäftsführer der Energie AG Oberösterreich Trading GmbH. Die größte Herausforderung der nächsten Jahre werde deshalb sein, die geförderten Anlagen in die betriebliche Optimierung mit Anlagen, welche unter Wettbewerbsbedingungen agieren, zusammenzuführen. Darüber hinaus ist das Marktdesign so weiterzuentwickeln, dass der Markt geeignete Signale für langfristig richtige Investitionsentscheidungen liefert, so Mair, der weiter ausführt: „Die Liberalisierung des europäischen Elektrizitätsmarktes ist unmittelbar mit einem liquiden und transparenten Stromgroßhandelsmarkt verbunden. Durch die große Anzahl von Marktteilnehmern, die entweder Strom einkaufen oder verkaufen wollen, haben sich seit Beginn der Liberalisierung Marktstrukturen entwickelt, die eine effiziente Abwicklung der Stromgeschäfte ermöglichen. In Österreich wurde am 19. Februar 1999 erstmals der freie Handel mit Strom zugelassen. In der Folge konzentrierte sich die Handelstätigkeit zuerst auf bilaterale Geschäfte.“ 30 WIRTSCHAFT Foto: EEX Quelle: Oesterreichs Energie Volumina Handelsmarkt – Volumina in Fristigkeit Schematische Darstellung der Größenverhältnisse Regelenergie Spotgeschäfte Die deutschen Strombörsen in Leipzig und Frankfurt wurden als organisierte Marktplätze für die Abwicklung von Spotgeschäften im Jahr 2002 zur Energiebörse EEX (European Energy Exchange) mit Sitz in Leipzig fusioniert. Noch im Jahr 2002 folgte die EXAA (Energy Exchange Austria) als österreichische Strombörse, der Handel mit Terminprodukten wurde als weiterer Schritt ab 2003 an der EEX eingeführt. Während in den ersten Jahren vor allem die Entwicklung des Spotgeschäftes im Vordergrund stand, wurde in den Folgejahren insbesondere die Geschäftstätigkeit am Terminmarkt massiv ausgebaut. Der Terminmarkt OTC und an Börsen zeigt Handelsvolumina, die etwa in Deutschland und Österreich beim Achtfachen des physischen Stromabsatzes liegen, schildert der Geschäftsführer der Energie Oberösterreich Trading. Kurzfristhandel im Fokus Durch die Veränderungen im europäischen Strommarkt in Folge der Energiewende speisen mit dem massiven Ausbau von Fotovoltaik- und Windkraftanlagen zunehmend mehr Produktionsanlagen ins öffentliche Netz ein, deren Stromerzeugung abhängig von den Wetterverhältnissen stark schwankt und nicht längerfristig vorhersehbar ist. Dies führt dazu, dass zunehmend mehr Strom kurzfristig am Spotmarkt zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage benötigt wird. Termingeschäfte Fristigkeit Das Ausmaß der an den Börsen abgewickelten Geschäfte spiegelt dies wider, die Volumina im Spothandel sind in den letzten Jahren massiv gestiegen. Aufgrund der kurzen Reaktionszeiten auf Schwankungen der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie gewinnt insbesondere auch der Intraday-Handel als Fahrplanhandel am aktuellen Tag besondere Bedeutung. Auch diese Intraday-Geschäfte werden dem Spotmarkt zugerechnet. Heute werden im gemeinsamen Marktgebiet Österreich-Deutschland rund 64 Prozent des physischen Stromabsatzes im Spotmarkt gehandelt, legt Mair dar. Funktion der Spotmärkte Die Spotmärkte sind die kurzfristigsten Märkte des Stromgroßhandels. Sie dienen den Marktteilnehmern dazu, ihr Erzeugungs- oder Verbrauchsportfolio für Fälligkeiten innerhalb des laufenden Tages oder der Folgetage zu optimieren. Dabei werden typischerweise Überschuss- oder Fehlmengen verkauft oder beschafft, die sich aus dem Verbrauch oder der Erzeugung in den entsprechenden Zeiträumen ergeben. Vor allem erzeugungsseitig kommt den Spotmärkten angesichts des stetig wachsenden Ausmaßes an volatiler Erzeugung aus Wind- und Fotovoltaikanlagen eine wachsende Bedeutung zu, erklärt Michael Pichler von der e&t Energie Handelsgesellschaft, Research & Analysis. WIRTSCHAFT Bezüglich der Spotmarktplätze wird – so wie bei den längerfristigen Terminmärkten auch – grundsätzlich zwischen den so genannten Over-the-counter-(OTC)Geschäften und dem Börsenhandel unterschieden. OTC-Geschäfte werden dabei direkt oder über Vermittlung eines Brokers zwischen zwei Unternehmen abgeschlossen und weisen dementsprechend grundsätzlich eine weitgehende Formfreiheit auf. Allerdings unterliegen OTC-Geschäfte dem Kontrahentenrisiko (Ausfall der Lieferung) und dem finanziellen Erfüllungsrisiko (Nicht-Bezahlung). Diese Risiken werden im regulierten Börsenhandel durch die von den Kontrahenten jeweils hinterlegten Sicherheiten eliminiert. Für den Energiehandel der österreichischen Marktteilnehmer sind als die wichtigsten Spotbörsen die Wiener EXAA sowie die Pariser EPEX SPOT, eine Tochter der Leipziger EEX, zu nennen. An beiden Spotbörsen wird Day-ahead-Handel für die gemeinsame deutsch-österreichische Preiszone durchgeführt – an der EPEX SPOT zusätzlich auch für die französische und Schweizer Preiszone, führt Pichler aus. Am börslichen Day-ahead-Markt wird in Form einer Auktion Strom für den nächsten Tag bzw. die nächsten Tage gehandelt. Hier geben die Marktteilnehmer bis zum Day-ahead-Börsenschluss (10:12 Uhr an der EXAA, 12:00 Uhr an der EPEX SPOT) ihre Kaufs- und Verkaufsgebote für einzelne Stunden oder Stundenblöcke ab: beispielsweise Base (alle Stunden eines Tages) und Peak (08:00 Uhr bis 20:00 Uhr) neben mehreren weiteren Varianten und an der EXAA auch Viertelstundenprodukte – ab. Innerhalb der Preisuntergrenzen von –500 Euro/MWh (EPEX SPOT) bzw. –150 Euro/MWh (EXAA) und Preisobergrenzen von jeweils +3000 Euro/MWh und der Mindesthandelsmenge von 0,1 MWh/h sind sie dabei bezüglich der Anzahl und Kombinationen ihrer Gebote weitestgehend frei, lässt Pichler das Geschehen detailliert Revue passieren. Die Spotbörsen erstellen direkt nach Börsenschluss aus den eingegangenen Geboten je Zeiteinheit unter Berücksichtigung der Blockgebote die aggregierten Angebots- und Nachfragekurven und ermitteln anhand deren Schnittpunkts die Preise sowie die Verkaufs- und Kaufzuschläge. Die Ergebnisse der geschlossenen Auktion werden zeitnah veröffentlicht. Nah am Erfüllungszeitpunkt Pichler: „Noch näher am Erfüllungszeitpunkt als im Dayahead-Markt kann auf den Intraday-Märkten agiert werden. Die EPEX SPOT bietet Intraday-Handel für die vier deutschen und die österreichische Regelzone (APG) an – aber auch für die Schweizer und französische. In einem kontinuierlichen 24-h-Handel können dabei ab 16:00 Uhr des 31 jeweiligen Vortages Minimal- (Verkauf) und Maximalgebote (Kauf) für alle Viertelstunden (diese aber nicht für die APG) und Stunden eines Tages sowie für Stundenblöcke laufend in das Börsenorderbuch eingegeben werden.“ Die minimalen Vorlaufzeiten betragen dabei an der EPEX SPOT 45 Minuten (deutsche Regelzonen) bzw. 75 Minuten vor Beginn der Lieferstunde (APG). Sobald zwei Gebote kompatibel sind – das heißt, der maximale Kaufpreis ist höher als der minimale Verkaufspreis –, werden sie ausgeführt (matching). Für die deutschen Regelzonen organisiert die EPEX SPOT neben dem kontinuierlichen Intraday-Handel zusätzlich auch täglich um 15:00 Uhr Intraday-Auktionen für die 96 Viertelstundenkontrakte des jeweiligen Folgetages, so Pichler. Ausgleich herstellen Der Frage nach dem Nutzen des Spothandels für Stromhändler, insbesondere für ein integriertes Unternehmen, bestehend aus Erzeugung, Handel und Vertrieb, widmet sich Wolfgang Lyssy, Leiter Energiewirtschaft/Handel der Kelag: „Für ein integriertes Unternehmen ist der Spothandel in erster Linie ein geeignetes Instrument, um den Ausgleich zwischen Strombedarf und Stromaufbringung zeitnahe herzustellen. Involviert sind alle Wertschöpfungsstufen, von der Erzeugung über den Handel bis hin zum Vertrieb. Ein integriertes Unternehmen hat zumeist als Asset die Kunden des Vertriebes und die Erzeugung aus eigenen Kraftwerken und aus Beteiligungen. Ohne dass es exakte längerfristige Prognosen gibt, muss versucht werden, die Assets energiewirtschaftlich optimal zu bewirtschaften. Je näher aber die Prognose am Erfüllungszeitraum liegt, desto besser wird sie.“ Die Ungenauigkeiten von Prognosen, wie Temperatur, Bewölkungsgrad, Niederschlag und Wind und deren Umsetzung in Verbrauchs- und Einspeiseprognosen sowie unvorhersehbare Ereignisse, wie Ausfälle von Erzeugungs- und Transportkapazitäten, führen zwangsläufig zu Abweichungen zwischen den erwarteten und den tatsächlich auftretenden Lastgängen und Erzeugungen. Der Spotmarkt bietet die Möglichkeit, sich der Vorgabe einer ausgeglichenen Bilanzgruppe unter Marktbedingungen auch kurzfristig zu nähern, den Ausgleichsenergiebedarf zu minimieren bzw. sich dem Risiko des Ausgleichsenergiemarktes weniger aussetzen zu müssen, sagt Lyssy. Der Spothandel dient darüber hinaus der wirtschaftlichen Optimierung des Einsatzes flexibler Kraftwerksleistungen. Die Erzeugungsstruktur hat sich über die Jahre, zumeist 32 WIRTSCHAFT schon vor der vollständigen Liberalisierung 2001, entwickelt. Die flexiblen Erzeugungsanlagen werden unter heutigen Marktgegebenheiten anders als ursprünglich konzipiert eingesetzt. In den vergangenen zehn bis 15 Jahren wurde sie entsprechend den jeweiligen Marktbedingungen ergänzt. Die Preissignale des Spotmarktes, welche in immer stärkerem Ausmaß durch die fluktuierende Erzeugung der erneuerbaren Energien entstehen, führen zu Einsatzentscheidungen in beide „Lastrichtungen“. Bei Pumpspeicherkraftwerken als flexibelster Anlagentyp, von denen in Österreich beträchtliche Kapazitäten vorhanden sind, stehen höhere Erzeugung oder geringere Pumpleistungen genauso zur Verfügung wie verminderte Erzeugung oder höhere Pumpleistung. Der Vorteil für ein integriertes Unternehmen liegt neben der Generierung zusätzlicher Erlöse für die Kraftwerke auch in der zukunftstauglichen Unterstützung der Energiewende mit ihrem Mix aus den verschiedensten erneuerbaren Energiequellen, unterstreicht Lyssy. Der dritte wesentliche Anwendungsbereich des Spothandels ist das Schließen von Positionen aus einem spekulativen „Positions- oder Margenhandel“. Bewusst – in Erwartung bestimmter Preisentwicklungen – offen gelassene Positionen können auf diesem liquiden Markt kurzfristig glattgestellt werden. Der Handel nutzt immer mehr die Möglichkeiten des Spotmarktes. Rahmenbedingungen im liberalisierten Strommarkt Grundsätzliches Ziel der Liberalisierung war und ist es, über Wettbewerb zu marktgerechten Preisen für Endkunden zu kommen. Strombörsen stellen dabei einen organisierten Marktplatz für den Handel von standardisierten Stromprodukten dar. Voraussetzung für die Entwicklung organisierter Marktplätze sind eine ausreichende Anzahl von Marktteilnehmern und entsprechende Geschäftsvolumina. Dann bilden sich neben der bilateralen Geschäftstätigkeit – zum Beispiel auch über Brokerplattformen – automatisch Börsenhandelsplätze, die eine kostengünstigere Abwicklung als Dienstleistung anbieten, erläutert Markus Watscher, Tiwag-Abteilungsleiter Dispatching. Für den Handel an den Börsen gelten für alle Beteiligten jeweils einheitliche rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen. So unterliegen die Spot- und Intraday-Börsen, wie alle anderen Strombörsen, jener Gesetzgebung, welche für ihren jeweiligen Standort gilt. Genauso wie die Börsen müssen auch die Teilnehmer bzw. Händler an den Börsen den entsprechenden Regelungen und Rahmenbedingungen Genüge tun, etwa der Verordnung über die Integrität und Transparenz des Energiemarktes (REMIT). Dass dann verpflichtende Datenmeldungen direkt von den Börsen weitergemeldet werden können, ist ein zusätzlicher Vorteil für die Börsenmitglieder. „Bidding Zones“ Weiters gelten für die Händler an den Börsen die Regelungen und Vorschriften der jeweiligen Börse selbst. Darunter fallen unter anderem die Einhaltung der Angebotsfristen sowie die Vorschriften zur Abwicklung des Handels und der entsprechenden Sicherheitshinterlegung bzw. allgemein der Zahlungsflüsse. Die Strombörsen bieten dabei die Handelsmöglichkeit für verschiedene Marktgebiete, so genannte Bidding Zones mit jeweils einheitlichen Preisen, legt Watscher dar. ›Die Volumina im Spothandel sind in den letzten Jahren massiv gestiegen.‹ Sollen Energiemengen zwischen verschiedenen Marktgebieten, also Bidding Zones, gehandelt werden, so braucht es dafür eine so genannte Übertragungs- oder Transportkapazität zwischen den relevanten Gebieten. Entweder muss diese „explizit“ erworben werden, dann muss nicht nur ein Vertrag über den Austausch der Energie zustande kommen, sondern auch eine entsprechende Übertragungskapazität zwischen den Handelsgebieten zur Verfügung stehen. Dies bedeutet in der Regel, dass zusätzlich zur Energiemenge auch eine entsprechende Übertragungskapazität zum Beispiel beim Netzbetreiber gekauft werden muss. Oder die Übertragungs- oder Transportkapazität wird „implizit“ erstanden, dabei wird etwa die Übertragungskapazität den involvierten Börsen von den involvierten Netzbetreibern „zugestanden“ und bei der Berechnung des jeweiligen Marktpreises „grenzüberschreitender“ Gebote berücksichtigt, führt Watscher aus. Für den marktgebietüberschreitenden Handel gibt es derzeit je nach Marktgebiet unterschiedliche Regelungen: Im Rahmen der EU-Netzkodizes zur Kapazitätsvergabe strebt die „Guideline on Capacity Allocation and Congestion Management“ (GL CACM) die Entwicklung eines verbindlichen Rechtsrahmens für die grenzüberschreitende Nutzung der Elektrizitätsnetze in Europa an. WIRTSCHAFT Regionale Märkte Im Zuge der Liberalisierung haben sich verschiedene so genannte regionale Märkte mit eigenen Entwicklungsgeschwindigkeiten und Besonderheiten und jeweils nationalen und für eine Region relevanten Börsen-Handelsplätzen herausgebildet. Den Beginn hat dabei NordPool für den skandinavischen Raum bereits am Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gemacht. In Deutschland hat sich die EEX (European Energy Exchange) entwickelt, deren Spotmarkt für Strom 2009 in das neue Unternehmen EPEX SPOT SE mit Sitz in Paris überführt wurde. Daneben hat sich in Österreich die Energiebörse EXAA als Handelsplatz insbesondere für den Day-ahead-Bereich etabliert. ›Das gemeinsame grenzüberschreitende Marktgebiet Österreich-Deutschland bildet eine Besonderheit.‹ Die Bedeutung eines Marktplatzes steigt dabei mit der Liquidität des jeweiligen Marktes, und hierbei gibt es große Unterschiede zwischen den Regionen. Wie Watscher anmerkt, bildet das gemeinsame grenzüberschreitende Marktgebiet Österreich-Deutschland eine Besonderheit und ist auf Basis einer ausgeprägten Liquidität und dadurch nicht vorhandener Marktmacht einzelner Teilnehmer beispielhaft für die europäische Entwicklung. Insbesondere für kleinere und mittelgroße Unternehmen stellt der Zugang zu organisierten Marktplätzen einen erheblichen Vorteil dar. Dies gilt im Besonderen für österreichische Marktteilnehmer, die heute ihre Geschäfte im größeren Marktgebiet Deutschland-Österreich abwickeln können. Bei beschränktem Aufwand ist auf einem liquiden Marktplatz sichergestellt, dass ein fairer und repräsentativer Marktpreis ermittelt wird. Auch die Risiken werden durch die Standardisierung der Produkte und der Abwicklung minimiert. Beschränkungen im Handel Eine große Herausforderung insbesondere für den Handel an den Spotmärkten stellen Handelsbeschränkungen dar. Watscher: „Diese Handelsbeschränkungen werden insbesondere von den Übertragungsnetzbetreibern, als Verantwortliche für die Systemsicherheit des Netzbetriebes, immer wieder ausgerufen.“ Diese Handelsbeschränkungen entstehen wegen Netzengpässen (engpassbehaftete Leitungen) und 33 können einerseits in einem Eingriff der Netzbetreiber in den marktbasierten Kraftwerksbetrieb in Form von so genannten Redispatch-Maßnahmen, andererseits in einem Handelsstopp für definierte Zeiten gipfeln. Beide Maßnahmen stellen auf die eine oder andere Art einen massiven Einschnitt im Ablauf des Handels dar und führen dadurch zu Störungen bei der freien Preisbildung der Spotmärkte. Weiters wird auch die Bewirtschaftung der Bilanzgruppen durch die Händler für den Ausgleich der Bilanzgruppen immer schwieriger, weil die nötige kurzfristige Verfügbarkeit der Werkzeuge des Intraday-Handels nicht immer gewährleistet ist. Dies führt in der Regel zu einem erhöhten Bedarf an Ausgleichsenergie für die Bilanzgruppen, weil möglicherweise durch die Einschränkung der Liquidität bei Aussetzen des grenzüberschreitenden Intraday-Handels in Österreich keine Handelspartner für kurzfristige Handelsgeschäfte zum Bilanzausgleich gefunden werden können. Die entsprechenden geltenden bzw. kommenden Regelungen (zum Beispiel GL CACM) sollen dabei Mechanismen etablieren, die zu einer Beseitigung dieser Engpasssituationen und insbesondere zu einer Minimierung und Marktgestaltung der Handelseinschränkungen führen. Credo für Marktintegration Die gemeinsame Bidding Zone Deutschland-Österreich als einheitlicher Marktplatz zeigt, wie vorteilhaft sich die Schaffung von möglichst großen Marktgebieten auf den Handel auswirkt, unterstreicht Watscher. Die Händler finden eine ausreichende Liquidität und damit Sicherheit, ihre jeweilige Position auszugleichen und damit auch den kurzfristigen Ausgleich ihrer Bilanzgruppen zu fairen Preisen zu bewerkstelligen. Damit wird ein aktiver Beitrag zur Erhöhung der Systemsicherheit und zur Reduktion des Bedarfs an Ausgleichsenergie- und -kosten erbracht. Das Beispiel der gemeinsamen Bidding Zone ÖsterreichDeutschland zeigt aber auch, dass es noch Verbesserungsbedarf gibt, da nicht alle Handelsbedingungen, wie beispielsweise die Vorlaufzeiten für die Abwicklung von Handelsgeschäften, insbesondere der Anmeldung grenzüberschreitender Fahrpläne, gleich sind und damit eine Ungleichbehandlung von Teilnehmern im gemeinsamen Markt besteht. Es zeigt sich, dass sich mit der Integration von Marktgebieten und der Schaffung von größeren Marktgebieten mit möglichst einheitlichen Handelsbedingungen die Ziele der Liberalisierung – marktbasierte, faire Strompreise – am besten erreichen lassen. 34 WIRTSCHAFT Power-Gen am Puls der Energiebranche Die „Power-Gen Europe and Renewable Energy World Europe“ findet von 9.–11. Juni 2015 in Amsterdam statt. Für Mitglieder von Oesterreichs Energie gibt es nicht nur eine Fülle von Informationen sondern auch Sonderkonditionen. Von Harald Hornacek S eit der ersten Konferenz im Jahr 1993 hat sich die Power Gen–Europe and Renewable Energy World Europe zu einem fixen Bestandteil in der Energiebranche entwickelt. Im Vorjahr fand die Veranstaltung in Köln statt, mehr als 11.000 Teilnehmer, 435 Aussteller und über 1000 Delegierte waren dabei. Auch in Amsterdam rechnet man heuer mit einem ähnlichen hohen Interesse des Fachpublikums. Experten aus der Energiebranche aus über 100 Ländern werden erwartet. In Verbindung mit der Renewable Energy World Europe hat sich die Power-Gen zu einem Branchentreffen erster Güte entwickelt. Veranstaltet wird das Event von der PennWell Corporation, einem Medienunternehmen, das sich auf BtB-Kommunikation spezialisiert hat. Im Mittelpunkt der diesjährigen Veranstaltung stehen die dramatischen Veränderungen in der europäischen Energiewirtschaft. Neue und flexible Geschäftsmodelle, die gerade im Entstehen sind, werden ebenso behandelt wie innovative Ansätze für Energiemarkt-Modelle von morgen. Denn eine „grüne Gesellschaft“ verlangt auch neue Lösungen für Konsumenten – und zugleich marktfähige Geschäftsmodelle für die Energiebranche. Daher stehen auf der Power-Gen Europe and Renewable Energy World Europe 2015 folgende Themen im Fokus: • flexible Produktion • Smart-Energy-Systeme • dezentrale Produktion • Clean-Coal-Technologien • Kraftwerksplanung, -betrieb und -modernisierung • Energiespeicherung • Entwicklung der erneuerbaren Energien • veränderte Rolle der Versorgungsunternehmen • Urban Energy Zu den Vortragenden auf der Konferenz zählen unter anderem Maria van der Hoeven, Executive Director International Energy Agency, Marie Donnelly von der Europäischen Kommission (Direktorin DG Energy), Wolfgang Konrad, CEO Distributed Generation Siemens AG Deutschland sowie aus den Niederlanden Ineke Dezentjé Hamming-Bluemink, President FME–Dutch Employers’ Association. Foto: PennWell Power-Gen Europe and Renewable Energy World Europe 9.–11. Juni 2015 Amsterdam Rai, Amsterdam/NL Preise und weitere Veranstaltungsinfos auf: www.powergeneurope.com Für Mitglieder von Oesterreichs Energie gelten beim Messebesuch spezielle Sonderrabatte. KOMMENTAR 35 Kommentar von Dr. Thomas Hofer Fragt man bei österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmern derzeit nach der Befindlichkeit, kann man sich auf emotionale Eruptionen einstellen: Kaum zuvor war die Stimmung so schlecht. Festzumachen ist das an zwei konkreten Punkten. Einerseits wird die Steuer- und Abgabenquote als viel zu hoch empfunden, andererseits bekrittelt man die überbordende Bürokratie und Behördenwillkür. All das führt zum Gedeihen einer Spezies, die man gemeinhin als „Wutbürger“ subsumiert. Konkret auf die Selbstständigen umgemünzt, haben wir es also mit Wu(n)ternehmern zu tun. Selbst Untergruppen sind auszumachen: die Wut-Manager beispielsweise, die den Verfall der Standortqualität beanstanden; oder die zuletzt besonders aktiven Wut-Wirte und Wut-Hoteliers. Letztere veranstalteten gar Protestkundgebungen zur Art der Gegenfinanzierung der jüngsten Steuerreform. Was ist da politisch passiert? Als Hauptgrund ist die vielen immer unmöglicher erscheinende Zusammenarbeit zwischen SP und VP zu erkennen. Beide stehen einander, auch wenn das nach außen gern heruntergespielt wird, skeptisch bis feindlich gegenüber. Die VP sieht sich zwar als Schutzmantelmadonna der Unternehmerschaft und wehrte in der Eigenwahrnehmung erfolgreich Vermögenssubstanzsteuern, das erklärte Lieblingsprojekt des Koalitionspartners, ab. Doch der Preis war hoch: Neben Steuererhöhungen nahm man eben auch die eine oder andere gegen die eigene Klientel gerichtete Maßnahme in Kauf. Auf der anderen Seite steht die SP, welche auf die in der Bevölkerung seit der Finanzkrise 2008 verstärkt verankerte Kontrollsehnsucht baut. Seit dem Auffliegen der Praktiken einiger Banken und Spekulanten stehen die Unternehmer insgesamt unter Generalverdacht. In der einfachen Welt der Politik lässt sich dieser auch rasch in ein Patentrezept gießen: verstärkte Regulierung, um nicht zu sagen: Überwachung. Das ist die Notwehrmaßnahme des unter Druck geratenen politischen Systems. Regulierung suggeriert Sicherheit. Dr. Thomas Hofer Politikberater, Buchautor und Universitätslektor für politische Kommunikation www.hppa.at Das bipolare Wesen Im Widerstreit der Entwürfe von SP und VP kommt es zu grotesken Zuspitzungen: Wer sich etwa jene Passagen im Regierungsprogramm vor Augen führt, die zum breiten Thema Regulierung formuliert wurden, kann nur an eine bipolare Störung des Koalitionswesens glauben. Einerseits ist da von Entbürokratisierung und Entlastung, gar von einer Rückführung auf die Kernaufgaben von Regulierung und der Einsetzung einer Deregulierungskommission die Rede, andererseits stellt man Regulierungslücken und davon ausgehend eine Gefährdung des Wohlstands fest. Dass zwischen Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung in dieser Frage mehr als ein Blatt Papier passt, überrascht nicht. Doch eine Koalition sollte sich doch auf eine gemeinsame Stoßrichtung festlegen. Eineinhalb Jahre nach Antreten dieser Regierung ist diese noch immer nicht gefunden. Foto: Carina Traxler 36 WIRTSCHAFT WIRTSCHAFT 37 Der Wunsch nach Energieautonomie Die Klimadebatte ist in vielen Gemeinden und Regionen bereits seit Langem an der Basis angekommen. Dort hat man schon früh große Anstrengungen unternommen, Strom autonom zu produzieren. Gemeinden wie etwa Neumarkt im Mühlviertel oder Freistadt erlebten dadurch einen wahren Fotovoltaikboom. Eine Reportage. Von Margarete Endl D ie ersten Sonnenstrahlen blitzen in Neumarkt im Mühlkreis durch die Wolken. Sie treffen auf die schimmernden Fotovoltaikpanele am Dach des Gemeindeamtes. Der Wetterbericht kündigt für das Mühlviertel am Morgen leichte Bewölkung und tagsüber viel Sonne an. Die Gemeindebediensteten sitzen an ihren Computern, und auch die Fotovoltaikanlage hat ihr Tagwerk begonnen. Um neun Uhr produziert sie 2,5 kW, das würde reichen, um Computer, Server, Kühlschrank und Kaffeemaschine zu versorgen. Um 13:00 Uhr, als die Sonne vom wolkenlosen Himmel strahlt, erzeugt die 85 m2 große Anlage 10,6 kW. Am Abend zeigt der Zähler eine produzierte Tagesmenge von 75 kWh an. Doch der Stromerzeuger auf dem Amtsdach ist nicht der einzige in Neumarkt. Die Volksschule hat eine 30-kWp-Anlage, und acht Bauern in dem ländlichen Ort haben auf ihren Ställen, auf Scheunen und Wohngebäuden ebenfalls große Fotovoltaikanlagen montiert. Im nahegelegenen Kefermarkt produzieren Polizeistation, Feuerwehr, Schule und das Gemeindeamt sowie etliche private Gebäudebesitzer ihren Strom. In allen zum Bezirk Freistadt zählenden Gemeinden hat Helios Sonnenstrom, eine Tochtergesellschaft des Vereins „Energiebezirk Freistadt“, seit 2012 die Dächer von öffentlichen Gebäuden und privaten Hausbesitzern gepachtet und darauf Fotovoltaikanlagen installiert. Ein Teil der für die Investition nötigen sieben Mio. Euro wurde als Bürgerbeteiligung auf- WIRTSCHAFT Foto: Norbert Miesenberger 38 Harmonie von Alt und Neu: Steinbloß-Bauernhof in Neumarkt mit Fotovoltaikdach. gebracht. In einer zweiten Investitionsrunde drängten auch Gemeinden aus anderen Bezirken auf eine Teilnahme. Privat statt Verpachtung Nun hat Helios 224 Anlagen in 44 Gemeinden, die eine Gesamtleistung von 4,3 MW haben. „Wir haben das größte Sonnenkraftwerk Österreichs gebaut“, sagt Helios-Geschäftsführer Norbert Miesenberger deshalb. Der Bezirk Freistadt und Umgebung erlebt gerade einen Fotovoltaikboom. Denn Helios habe auch eine Dynamik bei Privaten ausgelöst, so Miesenberger. Private Hausbesitzer, die lieber ihre eigene Anlage wollten, statt ihr Dach zu verpachten, installierten in den letzten Jahren rund 1000 Fotovoltaikanlagen und investierten dafür insgesamt rund 20 Mio. Euro. Der Bezirk hat nun 1500 Fotovoltaikanlagen, mit denen, übers Jahr gerechnet, zehn Prozent seines Strombedarfs produziert werden – vor drei Jahren war es nur ein Prozent. Miesenberger ist ein unermüdlicher Verfechter der Energiewende. Er baute den „Energiebezirk Freistadt“ auf, einen Verein, der Beratung für die thermische Gebäudesanierung, die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien und ganz allgemein für eine klimaschonende Lebensweise macht. Im Bemühen, ähnliche Einrichtungen in ganz Österreich zu schaffen, schlugen er und andere Energieaktivisten dem Klimafonds vor, dafür eine Förderschiene zu entwickeln. Seit 2009 gibt es nun das Förderprogramm Klimaund Energiemodellregionen; der Bezirk Freistadt ist eine davon. Energiebewusstsein kann nur schwer von oben verordnet werden, es muss auch von unten entstehen. Das passiert langsam, oft herrscht dabei Stillstand, doch manchmal kommt es zu großen Sprüngen, und dann geht etwas weiter. Konrad Pilgerstorfer etwa ist Landwirt in Windhaag, einer Gemeinde nördlich von Freistadt an der tschechischen Grenze. 1996, als junger Bauer, der am elterlichen Hof mitarbeitete, installierte die Familie einen neuen Hackschnitzelkessel. „Wenn schon eine neue Heizung, dann gleich ordentlich“, sagte er und ließ auch thermische Solarkollektoren installieren. Im Herbst 2000 passierte dann jedoch etwas nicht Planbares, als viele Leute in der Grenzregion zu Tschechien gegen das Kernkraftwerk Temelín protestierten und viele Bauern sich anschlossen. So manche Teilnehmer überlegten WIRTSCHAFT danach, was sie sonst noch tun könnten. „Man kann nicht – nur dagegen sein“, sagte sich etwa Pilgerstorfer – und installierte eine Fotovoltaikanlage auf seinem Dach. Förderungen stoßen Initiativen an Die Klimadebatte ist jedenfalls in vielen Gemeinden und Regionen Österreichs in der einen oder anderen Form angekommen. Da wird sogar hin und wieder geprahlt, wie viele m2 Fotovoltaik man auf dem Hausdach hat und wie weit das Elektroauto fährt. Noch ist es eine Minderheit in der Bevölkerung, doch ihr Anteil wächst – besonders, wenn die Förderung zum Umstieg auf erneuerbare Energien passt. Bei weiten Teilen der Bevölkerung regt vor allem der Autonomiegedanke die Phantasie an. Ländliche Regionen haben bei der Wende zu einer CO2freien, erneuerbaren Energieversorgung spezielle Vorteile und Nachteile: Vorteile sind die Ressourcen an Biomasse und freien Flächen, Nachteile die oft vereinzelten Siedlungen, alte Gebäude mit hohem Energieverbrauch und die Notwendigkeit eines Autos, um mobil zu sein. Ein Vorteil wiederum mag sein, dass Energiepioniere einen ganzen Ort, eine ganze Region mitreißen können. 39 mehr als zehn Hektar Wald haben, eingeladen, Hackgut zu liefern, doch niemand hat sich bereit erklärt, die Versorgung zu übernehmen.“ So lieferten Sägewerke ihre Holzabfälle. Einige Jahre später installierte das Krankenhaus Freistadt eine Hackschnitzelheizung. „Nun haben wir Bauern das Holz von Windhaag nach Freistadt gefahren. Da haben wir uns gefragt, warum wir nicht auch unsere eigene Heizung beliefern“, erzählt Pilgerstorfer. 1999 schließlich gründete eine Gruppe von Landwirten die „Bioenergie Windhaag“ und übernahm die Heizanlage samt Brennstoffversorgung. Da war bereits Alfred Klepatsch Bürgermeister, der in Windhaag als Energiepionier gilt. Doch er hatte es anfangs nicht leicht, die Bevölkerung für seine Ideen zu begeistern. In seinen ersten Jahren als Bürgermeister begann er einen Agenda-21-Prozess. Der lief äußerst zäh, Anerkennung kam oft nur von außen. Als der Freistädter Johann Moser Mitte der 1990er-Jahre einen Ort im Mühlviertel suchte, wo er Windräder aufstellen konnte, was damals eine Pioniertat war, suchte er gemeinsam mit Klepatsch einen Standort und wählte eine Wiese in der Ortschaft Spörbichl. „Das ist mein Grund“, sagte Klepatsch, „da brauchen wir niemanden fragen, wenn wir eine Windmessung machen.“ Die Klimamodellregion Freistadt ist nur eine der Regionen, die durch kleine und große Initiativen die Energieversorgung in eine CO2-arme, erneuerbare Richtung drängen. Bevor durch eine Änderung des Förderregimes der Fotovoltaik-Boom in Österreich begann, setzte gerade die ländliche Bevölkerung primär auf Biomasse. Manche Landwirte hatten sich im Zuge der Modernisierung eine Ölheizung angeschafft, selbst wenn sie Waldbesitz hatten. Nun warfen sie den Ölkessel wieder hinaus und ersetzten ihn durch einen Hackschnitzelkessel. Doch wie unsicher und zögerlich dies in den 1980ern, den Anfangsjahren der neuen Biomasseöfen, anlief, zeigt das Beispiel Windhaag: 43 Prozent der Gemeindefläche sind bewaldet, die Hälfe wird landwirtschaftlich genutzt. Mitte der 1980er Jahre stand der Neubau des Gemeindeamts an. Eigentlich wäre es üblich gewesen, eine Ölheizung einzubauen. Doch der damalige Bürgermeister Hubert Roiss wollte das neue Gebäude und die daneben liegende Schule mit Holz beheizen. Kommunale Biomasse-Nahwärme war damals etwas ganz Neues, die schließlich in Windhaag errichtete Anlage dann eine der ersten in Österreich. Aufbruchstimmung folgte Protesten Eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung habe die sehr großzügige Förderung für den Prototyp gespielt, gesteht Roiss. Aber er dachte auch an die Verdienstmöglichkeiten der Windhaager Bevölkerung: „Ich habe alle Landwirte, die Das Ergebnis der Untersuchung war ein Schock: Windhaag verbrauchte 45 GWh Energie pro Jahr und produzierte nur 37 Prozent dieser Energie selbst. Die Windhaager hatten ein viel besseres Bild von sich selber gehabt, angesichts 1999 errichtete Windhaag zwei Windräder, die über eine Bürgerbeteiligung finanziert wurden. Ein Jahr später waren die Temelín-Proteste an der Grenze. Er hätte viel Kritisches zur Protestbewegung zu sagen, so Klepatsch, doch in Sachen Energie entstand bei vielen eine Aufbruchsstimmung, ein „Jetzt mach ma was!“. Biomasse und Windräder, Temelín-Protest und erste Fotovoltaikanlagen begründeten den Ruf von Windhaag, eine in Sachen Energie progressive Gemeinde zu sein. Prompt folgten Auszeichnungen, etwa der europäische Solarpreis 2002 in Berlin. Doch damit nicht genug. So hatte man die Idee, im örtlichen Museum eine Ausstellung über den Ressourcenreichtum der Gemeinde zu machen. Als Baustein dafür machte die Gemeinde eine genaue Analyse des Energieverbrauchs und der Ressourcen für erneuerbare Energie. Jeder Haushalt, jeder Bauernhof, jedes Gewerbe wurde befragt, 50 Personen beteiligten sich an der Datensammlung. 40 WIRTSCHAFT Der Bezirk Freistadt mit seinen 65.000 Einwohnern verbraucht jährlich 1246 GWh. 60 Prozent davon werden für die Heizung der Gebäude benötigt, 28 Prozent verbraucht der Verkehr, zwölf Prozent der verwendeten Energie ist elektrischer Strom. Das zeigen Energieerhebungen in elf Gemeinden, die der Energiebezirk Freistadt durchführte und dann auf alle 27 Gemeinden hochrechnete. Das ist beispielhaft für fast alle ländlichen Regionen Österreichs. Rund 60 Prozent der verbrauchten Energie stammen aus fossilen Quellen. Das Energieleitbild des Energiebezirks Freistadt ist jedoch ehrgeizig: eine 100-prozentige Eigenversorgung mit erneuerbarer Energie. Noch zu wenig E-Mobilität Das am schwersten zu lösende Problem dabei ist die hohe Mobilität. Rund dreißig Prozent der Einwohner des Bezirks pendeln zur Arbeit nach Linz, zum großen Teil mit dem eigenen Pkw – bis eine großflächige Einführung von Elektroautos kommt, wird der Verkehr weiter auf fossilen Treibstoffen beruhen. Das größte Potenzial zur kompletten Eigenversorgung auf Basis erneuerbarer Energie besteht im Wärmebedarf. Die durchschnittliche Energiekennzahl der Wohngebäude beträgt 232 kWh; der derzeitige jährliche Wärmeverbrauch von 740 GWh könnte durch Dämmen auf unter 300 GWh gedrückt werden. Bleibt der elektrische Strom: Hier ist die Phantasie der Energieunabhängigkeit oft am größten, die Zeichen der Energiewende nach außen hin am sichtbarsten. Aber auch der Frust über die Hürden bei der Realisierung von Fotovoltaikanlagen und Windparks kann groß sein. Der Blitzschutztechniker Franz Zacharias etwa gehörte zu den ersten in Windhaag, die sich eine Fotovoltaikanlage aufs Dach montierten. In der Folge plante er auch für einen Unternehmer eine 110-kW-Anlage. Die elektrizitätsrechtlichen Verhandlungen dauerten ein ganzes Jahr. „Der Kunde war Foto: Norbert Miesenberger der vielen Biomasseheizungen, der Windräder, kleiner Wasserkraftwerke und Fotovoltaikanlagen. Was sie am meisten erschütterte: Die Heizung der Gebäude verschlang 59 Prozent des Energieverbrauchs, und trotz des Waldreichtums der Gemeinde stammte ein Viertel des verbrannten Holzes von auswärts – ganz abgesehen von den noch bestehenden Ölheizungen. „Ich hatte immer geglaubt, dass es noch gewaltige Reserven bei Biomasse gibt und wir alle Heizungen auf Holz umstellen könnten“, sagt Klepatsch. Nun sah er, dass das Brennholzpotenzial angesichts des hohen Verbrauchs der Gebäude zu gering war. Die Kefermarkter Feuerwehr lischt Brände und erzeugt Strom. am Schluss so frustriert, dass er das Projekt hingeworfen hätte, wenn ich ihm nicht alle Behördengänge abgenommen hätte“, sagt Zacharias. Einem anderen Privaten sei wegen der behördlichen Verzögerungen der Kragen geplatzt: „So“, hat er gesagt, „jetzt nehme ich meine 30.000 Euro, gehe ins nächste Autogeschäft und kauf mir ein Auto; dort werde ich anständig behandelt. Baue ich ums gleiche Geld eine Fotovoltaikanlage, werde ich von den Behörden hingegen sekkiert“, schildert Zacharias. Im benachbarten Leopoldschlag wiederum gab es Zwist wegen eines Windparks: Ein lokaler Unternehmer hatte gemeinsam mit einem Projektteam acht Windräder geplant, die auf einem bewaldeten Hügel zwischen Leopoldschlag und Windschlag stehen sollten. Im Herbst 2009 wurde das Projekt vorgestellt. Die Windhaager waren einhellig dafür, in Leopoldschlag formierten sich Gegnerschaft. Fast zwei Jahre wurde hitzig gestritten. Dann schloss der im Februar 2012 veröffentlichte Windmasterplan des Landes Oberösterreich den geplanten Standort aus; er sei ein Wildtierkorridor für Luchse und Bären, hieß es. Der ökonomische Aspekt spielt bei der Energiewende eine mindestens so große Rolle wie der Klimaschutz. Das beobachtet Reinhard Rudlstorfer. Der Heizungsinstallateur hat in den vergangenen Jahren sehr viele Fotovoltaik- und solarthermische Anlagen installiert. Für die meisten Kunden sei das ökonomische Argument bei der Kaufentscheidung ausschlaggebend, sagt er: „Das Geld auf der Bank bringt keine Zinsen, also legt man es faktisch ,lieber aufs Dach‘ und verdient sich etwas.“ Als die Bundesregierung im Vorjahr überlegte, den Eigenverbrauch des selbst erzeugten Solarstroms zu besteuern, sank die Lust der Bürger, ihr Geld in Fotovoltaik zu stecken, allerdings auch wieder schlagartig. ENERGIETRENDS 41 Kommentar von Uwe Fischer Nicht nur Häuselbauer und -sanierer profitieren von immer leistungsfähigeren Solarpanelen, auch bei Kleinstanwendungen macht sich der technische Fortschritt bemerkbar. In Rucksäcke oder Umhängetaschen eingebaute Solarzellen liefern – gutes Wetter vorausgesetzt – ausreichend Strom, um unterwegs sein Handy oder ein Navi aufzuladen. Vor allem für Outdoor-Enthusiasten kann sich die Investition von knapp 100 Euro lohnen, da Smartphone, Actioncam und all die anderen Spielsachen, die der Technik-Liebhaber zum Wandern, Bergsteigen oder Biken mit sich führt, ziemlich heftige Stromfresser sind. Wie bei „richtigen“ Solaranlagen ist es auch bei den mobilen Lösungen wichtig, dass der aus dem Sonnenlicht gewonnene Strom in einem möglichst hochwertigen Akku zwischengespeichert wird, damit die Geräte mit stabiler Spannung versorgt werden. Im Normalfall lädt man diese PufferBatterie vor Beginn des Ausfluges entweder daheim an der Steckdose oder am Zigarettenanzünder im Auto vollständig auf, sodass die Solarzelle später nur noch dafür sorgen muss, dass der Akku immer wieder nachgeladen wird. Würde man sich allein auf die Kraft der Sonne verlassen, müsste man den Rucksack erst mehrere Stunden in der prallen Sonne stehen lassen, um dann tatsächlich das Handy daran aufladen zu können. Neben Rucksäcken und Taschen finden sich auch immer häufiger Akkupacks mit eingebautem Solar-Ladegerät in der Größe eines Smartphones, oder noch kleiner, im Handel; in der Praxis reicht der damit erzeugte Strom allerdings höchstens aus, um im Ernstfall einen Notruf absetzen zu können. Aber über eines muss man sich freilich im Klaren sein: All das, was Solarrucksack und Co. tatsächlich an Strom liefern, ist, wenn man den Gesamtbedarf an Energie betrachtet, weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein. Wer ein paar Solarleuchten in seinem Garten aufstellt oder die Lampe über der Tür mit Sonnenenergie betreibt, spart sich zwar unter Umständen viel Arbeit und auch ein wenig Geld hinsichtlich der Verkabelung, auf der Stromrechnung wird sich dadurch jedoch keine Einsparung bemerkbar machen. Sonnenenergie im Rucksack Ein Vorteil, den all diese Gadgets mit sich bringen, ist allerdings unumstritten: Das Bewusstsein für alternative Energie wird gestärkt. Und dass Kleinvieh doch auch ein bisschen Mist macht, zeigt das junge deutsche Unternehmen Blacksquared GmbH mit seiner Plattform Changers.com auf – ein kleiner, an ein spezielles Solar-Ladegerät angeschlossener Adapter misst, wie viel CO2-freien Strom der Benutzer mit dem Set tatsächlich generiert hat, und belohnt ihn dafür mit so genannten Recoins, die dann gegen Klimazertifikate eingetauscht werden können. Uwe Fischer Redaktionsbüro und Multimedia-Agentur Binatang, www.binatang.at Foto: Siemens 42 WIRTSCHAFT WIRTSCHAFT 43 Mehr Puffer als Speicher In Brandenburg wird Solarenergie regelenergiefähig gemacht. Der Solarpark Alt Daber gilt dafür europaweit als „Leuchtturmprojekt“. Von Stefan May P aneele für Sonnenenergie, so weit das Auge reicht: Vor den endlos langen Reihen schwarz glänzender Bänder stehen zwei weiße Container, zwei Energy Buffer Units (EBU). Sie machen den Solarpark Alt Daber bei Wittstock an der Dosse in Brandenburg, nördlich von Berlin, zum Ersten, der Regelenergie in der Hochspannungsebene erbringt. schichtkraftwerke weltweit, und die Fläche wurde schon als Energiespeicher ausgewiesen, erzählt Jörg Gehrmann, der Bürgermeister von Wittstock an der Dosse: „Die hier produzierten 70 MW ersetzen das Atomkraftwerk in Greifswald, das nach der Wende stillgelegt wurde.“ Lange wird in der Forschung bereits an Speichermöglichkeiten für die volatilen erneuerbaren Energien getüftelt, doch der Stein der Weisen ist noch nicht gefunden – auch in Alt Daber nicht. Der Erbauer, das deutsche Unternehmen Belectric, Spezialist für innovative Speicherlösungen, will nicht von einem Speicher sprechen: „Es handelt sich um eine Puffereinheit“, sagt Vorstand Bernhard Beck. „Man kann kurzfristige Leistungsfluktuationen ausgleichen.“ Fünf Jahre Entwicklungsarbeit Eine Grafik veranschaulicht es: Mit der Batterie werden nicht benötigte Leistungsspitzen abgeschnitten, die Anstiege davor und danach aufgefüllt und somit die Kurven flacher gemacht. „Das System kann auch speichern, aber dafür gibt es keinen Markt“, sagt Beck. Ein Speicher wäre „ökonomischer Unsinn“. Doch er ist überzeugt: „Wir brauchen systemschützende Technologien.“ „Wir müssen dahin kommen, dass die erneuerbaren Energien Systemverantwortung übernehmen“, sagt Beck. Mit der Energy Buffer Unit (EBU) sieht er eine erste technologische Hürde übersprungen. Bei der 36 t schweren Anlage handelt es sich um eine Blei-Säure-Batterie mit einer Kapazität von 2000 kWh, die für den Einsatz in erneuerbaren Energie- und konventionellen Kraftwerken vorgesehen ist. Die Maximalleistung liegt bei 800 kW in 30 Minuten, der Wirkungsgrad bei mehr als 90 Prozent. Belectric hat weltweit bisher mehr als 1000 MWp PV-Leistung installiert. 2002 hat die Firma das erste Freiflächenkraftwerk für Solarenergie in Europa eröffnet. Jene Anlage im Brandenburgischen gehört zu den ganz großen: Es handelt sich um ein ehemalige Kasernengelände. 1993 verließen die Sowjets das Areal. Knapp 20 Jahre später wurde auf der Brache der Solarpark mit einer Gesamtleistung von 67.805 kWp eröffnet. Damals war es eines der größten Dünn- Fünf Jahre lang wurde an dem Speicher gearbeitet. „Heute ist er marktfähig, ausgereift und standardisiert“, sagt Beck. Er wird autonom am Primärenergiemarkt betrieben und erlaubt eine Integration der erneuerbaren Energien innerhalb von einer Sekunde. Dieser Beitrag zur Regelenergie tritt an die Stelle des heutigen Abregelns bei Fluktuationen der Regenerativen. Die Unterbringung im Container macht nicht nur die Einheit leicht transportfähig. Auch die Leistungsbereitstellung der Kraftwerke werde flexibler und das Stromnetz aktiv stabilisiert, führt der Hersteller ins Treffen. An die Politik appelliert Belectric, Speicher als Puffer im WIRTSCHAFT Fotos: beigestellt 44 Bei der Energy Buffer Unit (EBU) handelt es sich um eine Blei-Säure-Batterie mit einer Kapazität von 2000 kWh, die für den Einsatz in Erneuerbaren-Energie- und konventionellen Kraftwerken vorgesehen ist. Netz zu betrachten und administrative Hürden abzubauen, was allein schon die Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen verbessern würde. Von der Industrie erwartet man sich, den Ball aufzunehmen, damit die Kosten künftig gesenkt werden könnten. Beck erinnert dabei an den Preisverfall in der Fotovoltaikentwicklung, aber auch bei Handys. Hoher Bedarf an Speichern Von einem hohen und wachsenden Bedarf an Speichern spricht der skandinavische Konzern Vattenfall, der die EBU von Alt Daber am Primärregelleistungsmarkt vermarktet. Vattenfall ist der größte Betreiber von Pumpspeicherkraftwerken, und auch für Speicher in Ostdeutschland ist er zuständig. „Es gibt auch Speicher im Alpenraum“, sagt der Leiter des Portfolio-Managements bei Vattenfall, Alfred Hoffmann. „Aber das wird nicht reichen.“ Primärregelleistung müsse zeitschnell reagieren, da seien Batterien „unschlagbar“. Die neue Anlage im Brandenburgischen zeige, dass es vorwärts gehe, meint Hoffmann, „wenn es hier auch nur für Systemdienstleister angelegt ist“. Sie ermögliche aber laut Vattenfall eine Win-win-Situation. Noch ist man sich aber nicht einig, welche Priorität der Innovation einzuräumen ist. Jochen Bard vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesysteme schätzt, dass die Größenordnung benötigter Speicher kleiner ausfallen werde, als noch vor einigen Jahren vermutet. Während er der Ansicht ist, dass Speicher mindestens dann benötigt würden, wenn andere Flexibilitätsoptionen wie Biogasanlagen und Netzdienstleistungen ausgereizt seien, spricht sich Joachim Twele, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, dafür aus, alle Möglichkeiten parallel zu verfolgen. „Wir müssen die Kosten runterbringen, darum müssen wir mit der Entwicklung beginnen“, fordert er. Der Entwickler der Anlage zeigt sich jedenfalls zuversichtlich: „Da es nun ein Geschäftsmodell gibt, wird es mehr Leute interessieren und mehr Modelle geben“, sagt Tim Müller von Adensis. „Wir müssen es schaffen, dass sich Speicher › Erneuerbare müssen Systemverantwortung übernehmen. Die Speicher im Alpenraum werden nicht ausreichen. ‹ rechnen.“ Deshalb sei die Anlage in Alt Daber ein „Leuchtturmprojekt“. Ziel sei es, die Regelenergie aus konventionellen Kraftwerken zu ersetzen. „Wir haben hier einen Speicher stehen, der mehr Strom leistet, als er Kapazität hat“, sagte Müller bei der Präsentation der EBU. „Das ist die Herausforderung, der wir uns stellen mussten: diese unglaubliche Leistung zu bändigen.“ Um wettbewerbsfähig zu sein, entschied man sich bei der Entwicklung für einen Standardsolar-Wechselrichter. Dabei handelt es sich um 1500-Volt-Geräte. Die Batterien haben insgesamt 960 Zellen. Die Väter der deutschen Pufferinnovation sind überzeugt: Speicher sind marktfähig, aber die Rechnung ist schwierig. Für das Projekt von Alt Daber war eine 30-Prozent-Förderung durch das Land Brandenburg nötig. Nächstes Jahr sollen zwei weitere Speicher im Land um Berlin ans Netz gehen. Wissen schafft Perspektive. Oesterreichs Energie Akademie ist der führende Anbieter von Seminaren, Fachtagungen, Kongressen und Publikationen im Bereich der E-Wirtschaft. Wir vermitteln jährlich in einer Vielzahl von Veranstaltungen topaktuelles politisches, wirtschaftliches, technisches und rechtliches Know-how mit hohem Praxisbezug. Die Akademie ist damit tragende Säule für die Sicherung und den Ausbau von Kompetenzen in der E-Wirtschaft und gleichzeitig etablierte Kommunikationsplattform der Branche. Mehr zu unseren Veranstaltungen und Publikationen finden Sie im Internet unter www.akademie.oesterreichsenergie.at. 46 WIRTSCHAFT Serie: Energiefokus Teil 3 Großbritanniens Bekenntnis zur Kernenergie Die Atomkraft bleibt ein Schlüsselelement der britischen Energiepolitik. Gleichzeitig sollen aber auch Windkraft und Fotovoltaik gefördert und massiv ausgebaut werden. Von Erich Ebenkofler 47 Foto: Honestbuilding Inc. WIRTSCHAFT D ie Entscheidungen der EU sind nicht immer unumstritten, doch selten sorgte ein Erkenntnis für so viel Unverständnis wie jenes, das die scheidende EU-Kommission im Oktober des Vorjahres traf: Die geplante milliardenschwere staatliche Unterstützung für Bau und Betrieb zweier neuer Reaktoren im Atomkraftwerk Hinkley Point C in Somerset im Südwesten Englands entspreche den europäischen Regeln, urteilte das Gremium nach einer eingehenden Untersuchung des Falles. und „einem gefährlichen Präzedenzfall in der europäischen Energie-Politik“. Greenpeace ging mit der Entscheidung ebenfalls harsch ins Gericht. Bei der staatlichen Beihilfe handle es sich um eine juristisch anfechtbare „Verzerrung der Wettbewerbsregeln“, kritisierte die Umweltschutzorganisation, „für die es absolut keine rechtliche oder umweltpolitische Rechtfertigung gibt“. Als rechtens befunden wurde unter anderem ein von der britischen Regierung mit dem künftigen Betreiber Électricité de France (EDF) vereinbarter, garantierter Stromabnahmepreis in der Höhe von 92,5 Pfund (ca. 118 Euro) plus Inflationsausgleich pro MWh über 35 Jahre. Damit liegt er fast doppelt so hoch wie der im Jahr 2014 in Großbritannien erzielte Marktpreis von rund 49 Pfund (ca. 62 Euro) und sogar über den Einspeisevergütungen, die etwa Betreiber von neuen Windkraftanlagen im vergangenen Jahr in Österreich erhielten. Diese beliefen sich hierzulande auf 94,5 Euro/MWh. Klage gegen Atom-Subvention Entsprechend harsch waren die Reaktionen: Rebecca Harms, Abgeordnete der deutschen Grünen, sprach von einem Skandal Österreichs Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Hinkley Point war Mitte Mai fertig: „Alternative Energieformen und neue Technologien sollen subventioniert werden, nicht die Atomkraft“, hieß es als Begründung dazu im Bundeskanzleramt in Wien. Die Briten sehen das naturgemäß anders. Bereits im „Nuklearen Weißbuch 2008“ hat die britische Regierung die Atomkraft als Schlüsselelement ihrer Energiepolitik definiert und festgehalten, dass die Entkarbonisierung und Versorgungssicherheit unter anderem wesentliche Investitionen in Atomkraft- WIRTSCHAFT Foto: Siemens 48 werke erforderlich mache. Den Plänen zufolge sollen bis 2030 insgesamt acht weitere Nuklearreaktoren gebaut werden. Sie sollen mehrere völlig veraltete Atomanlagen und Kohlekraftwerke ersetzen, die bis 2023 vom Netz genommen werden müssen. Für den Premier David Cameron ist Hinkley Point C daher „ein Symbol für die nächste Generation der Atomkraft in Großbritannien, die für unseren zukünftigen Energiebedarf und die langfristige Sicherheit bei der Versorgung eine wichtige Rolle spielt“. ähnliches Schicksal könnte auch Hinkley Point C ereilen, zumal mit den „Europäischen Druckwasserreaktoren“ (ERP) die gleiche Technologie wie in Finnland zum Einsatz kommt. Die EU-Kommission geht von Baukosten im Umfang von 31 Mrd. Euro aus, EDF und die Regierung in London beziffern sie hingegen mit lediglich 19 Mrd. Euro. Ob die Pläne der britischen Regierung in der angepeilten Form tatsächlich realisiert werden können, ist jedoch mehr als fraglich. Bereits das vorerst letzte, im Jahr 1995 ans Netz gegangene Atomkraftwerk „Sizewell“ hat sich als finanzielles Desaster erwiesen, und besser wird es nicht werden, prognostiziert ein Analysten-Team um den Pariser Energieexperten Mycle Schneider im von der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegebenen „World Nuclear Industry Status Report“. Der Preis pro installierter kWh für neue Reaktoren habe sich „im vergangenen Jahrzehnt nicht zuletzt aufgrund immer höherer Sicherheitsanforderungen verachtfacht“, rechnen die Studienautoren vor – Investitionen in die Atomkraft seien daher unrentabel geworden. Dieses Risiko scheint auch der britischen Regierung zunehmend bewusst zu sein, weshalb sie neben der Atomkraft – derzeit liegt ihr Anteil am Strommix bei rund 20 Prozent – auch den Ausbau der erneuerbaren Energien forciert. Ein leidvolles Lied weiß davon das französisch-deutsche Konsortium aus Areva und Siemens zu singen, das derzeit mit dem Bau des finnischen Atomkraftwerkes „Olkiluoto 3“ befasst ist. Nachdem sich die für 2009 geplante Fertigstellung wegen Sicherheitsmängeln immer weiter verzögert hat, sind die neueren Schätzungen zufolge geplanten Kosten von drei Mrd. Euro auf rund 8,5 Mrd. Euro geradezu explodiert. Ein Rückenwind für Erneuerbare Auf 15 Prozent will das Königreich bis 2020 den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch steigern, beim Stromverbrauch sollen es sogar rund 30 Prozent sein. Das gilt als ambitioniert – 2012 lag die Quote immerhin erst bei 4,1 Prozent. Um entsprechende Investitionen voranzutreiben, hat die Regierung im Dezember 2013 den rund 100 Seiten langen „Electricity Market Reform Delivery Plan“ veröffentlicht, der unter anderem eine Neuregelung der Vergütungen für Ökostrom enthält. Eine Schlüsselrolle wird darin der Offshore-Windkraft zugesprochen, einem Bereich, in dem die Briten schon jetzt weltweit führend sind. Mit einer installierten Kapazität von 4,7 GW liegen sie nach neuesten Zahlen des Global Wind WIRTSCHAFT Energy Councils (GWEC) weit vor dem Zweitplatzierten Dänemerk (2,27 GW) und dem Drittplatzierten Deutschland (1,04 GW), das im Vorjahr Belgien auf den vierten Platz verdrängt hat (712,5 MW). In den kommenden Jahren soll dieser Bereich massiv ausgebaut werden. Die zwei größten Offshore-Projekte sind mit jeweils 7,2 GW Kapazität an der Ostküste Englands geplant, in der Zone der Dogger Bank und East Anglia, ein weiteres mit einer Leistung von vier GW an der Küste von Hornsea. Neue Offshore-Parks in Schottland Besonders ehrgeizig gibt man sich in Schottland, das bereits jetzt rund 60 Prozent der Onshore-Windparks Großbritanniens beherbergt, die über eine Gesamtleistung von 4,85 GW verfügen. Dort sollen im Firth of Forth und im Moray Firth zwei neue Offshore-Parks mit einer Leistung von 3,5 bzw. 1,5 GW hinzukommen, weitere fünf Projekte sind an anderen Standorten der schottischen Hoheitsgewässer geplant. Damit will die schottische Regierung sicherstellen, dass ihre Prognosen, bis 2020 den gesamten heimischen Strombedarf aus regenerativen Quellen decken zu können, auch in Erfüllung gehen. › Die Fotovoltaik konnte im Vorjahr einen regelrechten Boom verzeichnen. ‹ Aufgrund der Insellage als aussichtsreich gelten in Großbritannien zudem Gezeiten- und Meeresströmungskraftwerke. Allerdings ist die hierfür zur Verfügung stehende Technik noch nicht ganz ausgereift, das finanzielle Risiko wird daher von vielen Investoren noch gescheut. Einen regelrechten Boom konnte im Vorjahr die Fotovoltaik verzeichnen. Allein von Jänner bis Juni 2014 verzeichnet die britische Statistik einen Zubau an installierter Leistung von 1,1 GW, womit Großbritannien erstmals den bisherigen Spitzenreiter Deutschland (ein GW im selben Zeitraum) beim Zubau deplatzierte. Insgesamt waren Ende Juni 2014 auf der Insel gut 572.000 Fotovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 3,9 GW in Betrieb. Geht es nach den ehrgeizigen Zielen der britische Solar Trade Association (STA), sollen bis 2015 auf britischen Dächern rund eine Mio. Anlagen installiert sein. Einholen werden die Briten die Deutschen aber wohl dennoch nicht so schnell: Deutschland verfügte Ende 2013 über eine installierte Fotovoltaikleistung von knapp 36 GW. 49 Eine vergleichsweise geringe Rolle spielt im Vereinigten Königreich die Wasserkraft. 2012 betrug ihr Anteil an der Stromerzeugung weniger als 1,5 Prozent. Potenzial für neue Projekte gibt es vor allem in Schottland. Aktuell ist aber lediglich ein einziges Vorhaben geplant, für das die endgültige Investitionsentscheidung zudem noch aussteht: In Coire Glas im Norden Schottlands soll ein 600-MW-Kraftwerk entstehen, das mit einem Investitionsvolumen von 800 Mio. Euro veranschlagt ist. Die Tatsache, dass es den Briten gelungen ist, die CO2-Emissionen seit 1997 um vierzehn Prozent zu senken, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land nach wie vor zu einem erheblichen Teil am Tropf der fossilen Stromerzeugung hängt. Von den 356,7 TWh Strom, die 2013 im Königreich produziert wurden, stammten 129,4 TWh, also rund 36 Prozent, aus Kohlekraftwerken. Auch Gaskraftwerke spielen mit einem Anteil von rund 27 Prozent weiterhin eine große Rolle, wobei die Tendenz bei beiden Energieträgern nach unten weist. Die mit Kohle erzeugte Strommenge sank von 2012 auf 2013 um knapp zehn Prozent, jene von Gas ging im gleichen Zeitraum von 28 auf 27 Prozent zurück. Im Gegensatz dazu konnte die Erzeugung aus erneuerbaren Quellen seit 2010 auf 52,8 TWh verdoppelt und auf einen Anteil am Strommix von rund 15 Prozent gebracht werden. Marode Infrastruktur Um die von der EU formulierten Klimaziele erreichen zu können und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, wird Großbritannien in den kommenden Jahren auch substanzielle Investitionen in die Übertragungsnetze tätigen müssen. Das britische Stromnetz gilt nämlich als so hoffnungslos veraltet und unzureichend, dass Experten zunehmend vor ernsten Black-outs warnen. Neben der Erneuerung der Binnennetze ist dabei unter anderem ein Unterseekabel nach Belgien angedacht, das für den Stromimport und -export konzipiert ist. Das Projekt mit dem Namen „Nemo-Link“ ist nach derzeitigen Schätzungen mit einem Investitionsvolumen von rund 500 Mio. Pfund (ca. 640 Mio. Euro) veranschlagt. Auch im Bereich Smart Grids und Smart Metering stehen große Investitionen an. Nach Angaben des britischen Energieministeriums sollen bis 2020 in rund 30 Mio. Haushalten und kleinen Betrieben die herkömmlichen Stromzähler durch intelligente Lesegeräte ersetzt werden. Verantwortlich für die Umsetzung zeichnen, wie in Österreich auch, die Energielieferanten. WIRTSCHAFT Foto: Siemens 50 Wenn das Büro mitdenkt Mehr als 75 Prozent der Vollkosten eines Gebäudes sind Betriebskosten. Errichter, Betreiber und Mieter sind daher an intelligenten Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz interessiert. Von Harald Hornacek I m Büro lauern eine Menge versteckter Kosten: Gebäude konsumieren heute rund 40 Prozent des weltweiten Verbrauchs an Primärenergie. So beträgt der jährliche Stromverbrauch ohne Heizung und Lüftung in einem österreichischen Büroraum zwischen 30 und 150 kWh/m2, wie die Österreichische Gesellschaft für Umwelttechnik (ÖGUT) im Rahmen einer Studie im Auftrag des Klimafonds festgestellt hat. Der größte Anteil am Stromverbrauch entfällt dabei auf die Beleuchtung. Der Heizenergieverbrauch liegt bei Büros im Durchschnitt bei 200 kWh/m2, wobei bei Objekten in Passivhaus- standard etwa eine Verringerung des jährlichen Heizenergiebedarfes auf neun bis elf kWh/m2 möglich ist. Zur Kühlung: Hier liegt der Primärenergiebedarf bei alten Bürogebäuden bei 65 kWh/m2 pro Jahr, bei neuen Gebäuden bei zehn kWh/m2 – und bei optimierten Gebäuden nur noch bei drei kWh/m2. Zu den größten Energieverbrauchern zählen Krankenhäuser. Deren Energieaufwand kann rasch einmal dem kleinerer Städte entsprechen: Im Jahr 2008 verbrauchten alle Krankenanstalten Österreichs rund 8000 TJ, was rund 0,7 Prozent des gesamten österreichischen Endenergieverbrauchs bzw. vier bis fünf WIRTSCHAFT Prozent des Endenergieverbrauchs des Sektors der Dienstleistungsgebäude (keine Wohngebäude) entspricht. Schon diese Zahlen zeigen: Vor allem in nicht privat genützten Objekten schlummern enorme Energiesparpotenziale. „Wenn wir die Vollkosten eines Gebäudes betrachten, so entfallen nur 15 bis 20 Prozent auf die Errichtung, aber 75 bis 80 Prozent auf den Betrieb“, weiß Walter Michor, Leiter Marketing Solution & Service Portfolio bei Siemens Österreich. Daher liege eine wichtige Herausforderung darin, Gebäude energieautark werden zu lassen. „Sie sollen sich über einen Zeitraum von einem Jahr selbst über ihre Energiespeicher erhalten können“, zeichnet Michor ein Bild der nahen Zukunft. Dazu sei es nötig, möglichst viele Daten über das Gebäude zu sammeln, zu verwerten und in automatisierte Handlungen zu verwandeln. Michor bringt dazu das Beispiel des „selbst einstellenden Raumes“, der automatisch außerhalb der Bürozeiten seine Temperatur regelt oder während der Arbeitszeiten den Sonnenlichteinfall nützt, um Beleuchtungskosten zu senken. 51 Entstanden ist eine Plattform, welche die Gewerke im Gebäude bündelt und zentral steuert: Heizung, Lüftung und Klima, Beleuchtung, Beschattung, Raumautomation, Energiemanagement und Brandschutz sowie Sicherheitsdisziplinen wie Videoüberwachung und Einbruchschutz. Wobei das System offen ist und zahlreiche Standardprotokolle unterstützt: „Nicht alle Lösungen müssen von Siemens kommen, auch wenn wir uns das natürlich wünschen würden“, sagt Karl Helm, Leiter Total Building Solution. Er sieht den großen Vorteil von Desigo CC darin, die Daten, die von den Gebäuden kommen, sinnvoll zu verwenden. „Die meisten Gebäudedaten werden heute nicht zur Optimierung genützt“, weiß Helm, „wir können nun diese Daten in konkrete, automatisierte Maßnahmen zur Kostenreduktion verwandeln.“ Desigo CC bildet den Status der Gewerke in Echtzeit ab und steuert sie, wenn gewünscht, auch remote. Das schafft Synergien und spart Kosten sowohl bei der Installation als auch bei der Schulung der Mitarbeiter, die nur für den Umgang mit einer Plattform trainiert werden müssen. Eine intuitive Bedienoberfläche der Managementplattform sowie die Möglichkeiten, verschiedenen Anwendern unterschiedliche Berechtigungen zu Informationen und Zugriffsmöglichkeiten zu erteilen, runden Desigo CC ab. Integriertes Gebäudemanagement Gebäudeautomationssysteme sind an sich nichts Neues und helfen seit Längerem dabei, Energiekosten möglichst gut im Griff zu haben sowie zu optimieren. So können Raum- und Gebäudeautomationssysteme bereits heute hohe Einsparungen realisieren, indem sie automatisch Heizung oder Kühlung, Belüftung, Beleuchtung und Beschattung dem aktuellen Bedarf anpassen. Brandmeldeanlagen mit leistungsfähigen Sensoren erkennen automatisch einen entstehenden Brand und verständigen die Feuerwehr. Brand- und Sicherheitssysteme können selbstständig entsprechende Maßnahmen auslösen, etwa Löschsysteme aktivieren, Fluchttüren freischalten oder Aufzüge in einer sicheren Position stoppen. Der entscheidende Punkt ist jedoch: Auch wenn entsprechende Systeme für sich genommen gut funktionieren, arbeiten sie in der Regel doch als „separate Gewerke“, die auch separat gemanagt werden müssen. Das bringt erhöhten Kommunikations- und Administrationsaufwand mit sich. Ein wichtiger Schritt nach vorne könnte somit ein integriertes Gebäudemanagement sein, das alle Gewerke und Funktionen in einer einheitlichen Plattform bündelt. Das bietet Siemens mit dem Desigo CC („Control Center“). Wobei Desigo CC nicht die Weiterentwicklung bzw. Funktionserweiterung einer bestehenden Plattform ist, sondern völlig neu konzipiert wurde. Wichtig war für die Entwickler eine hohe Skalierbarkeit sowie ein „mitwachsendes“ System zu erreichen, je nach Objektgröße und -anzahl, denn Desigo CC ist auch für die Steuerung unterschiedlicher Standorte geeignet. Der Bedarf nach solchen Lösungen scheint jedenfalls gegeben: Derzeit werden jährlich rund 130 bis 150 Gebäudemanagementsysteme von Siemens installiert. So ist etwa auch im neuen Krankenhaus Nord in Wien eine, allerdings etwas abgeschlankte, Desigo-CC-Lösung vorgesehen. Bleibt die Frage, was das neue System kostet. „Wenn man damit zehn bis 15 Prozent der Energiekosten sparen kann, rentiert sich das sehr schnell“, meint Michor dazu. Info Gesetzevorgaben wie die Energieeinsparverordnung (EnEV) und Gütesiegel wie Green Building, LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) oder DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen e.V.) definieren Kriterien für Nachhaltigkeit sowie Ökound Energieeffizienz über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Über Einsparungen im Betrieb hinaus wirkt sich die Einhaltung der Kriterien wertsteigernd aus; integrierte Gebäudemanagementsysteme stellen hierzu eine wichtige Datenbasis dar. Foto: EVN / Plutsch Fotos: Stadtarchiv Scheibbs RÜCKBLICK Foto: Stadtarchiv Scheibbs 52 Das E-Werk Mühlhof in Scheibbs 1904 mit dem Schornstein aus dem Kesselhaus. Friedrich Zemank (evn naturkraft), Bürgermeisterin Christine Dünwald. Das Scheibbser Kraftwerk Mühlhof gilt als Modellfall. Serie: Energiegeschichte Teil 5 Kleinwasserkraftwerk Mühlhof als Pionier Die Geschichte des Kleinwasserkraftwerkes Mühlhof in Niederösterreich reicht lange zurück. Bereits 1551 findet Mühlhof in den Geschichtsbüchern der Stadt Scheibbs als Mühle Erwähnung. D ie niederösterreichische Bezirkshauptstadt Scheibbs hat seit Langem – und nicht zuletzt durch die Ausstellung „Lichtjahre – 100 Jahre Strom in Österreich“, die im Wiener Künstlerhaus gezeigt wurde – den Ruf des Vorreiters der Elektrifizierung in Österreich erhalten und gefestigt. Tatsächlich war die Einführung einer elektrischen Beleuchtung im Jahr 1886 ein sehr früher Schritt zur öffentlichen Nutzung der Elektrizität. In den folgenden Jahren tastete sich die Gemeinde an eine allgemeine Versorgung privater Abnehmer mit „Licht- und Kraftstrom“ heran. Verschiedene Kraftwerksstandorte wurden ab 1886 praktisch erprobt, und schließlich wurde im Jahr 1905 das Kraftwerk Mühlhof in Betrieb genommen; wobei der Mühlhof bereits im Jahre 1551 erstmals als Mühle erwähnt wird. Neben der Wasserkraftanlage wurde 1905 zudem ein thermisch betriebener Generator aufgestellt, wodurch Scheibbs durch die frühe Anwendung einer Dampfturbine neuerlich Pioniergeist bewies. 1925 wurde die Wasserkraftanlage mit einem Wasserkraftmaschinensatz erneuert. Dieser Maschinensatz blieb bei der 2015 abgeschlossenen Modernisierung museal erhalten und kann seitdem gleichzeitig mit der neuen Maschine besichtigt werden. Modellfall Elektrifizierung Das Scheibbser E-Werk bzw. das Kraftwerk Mühlhof sind auch hinsichtlich der wechselnden Eigentümer ein Modellfall. Typisch war, dass ausgehend von einer privaten Initiative, RÜCKBLICK 53 echtes Beispielprojekt ist, bei dem sich Denkmalschutz, Tourismus und moderne Technik im Einklang befinden. Das Kraftwerksgebäude und die alte Turbinenanlage stehen nämlich unter Denkmalschutz. Daher wurde das sehr große Kraftwerksgebäude genutzt, um die alte und neue Kraftwerkstechnik unter einem Dach zu präsentieren. Foto: EVN / Plutsch Der Generator, der Riementrieb und das Schwungrad wurden für Ausstellungszwecke vor Ort belassen. Das Kammrad wurde renoviert und ist als Ausstellungsstück im Krafthaus an anderer Stelle wieder aufgebaut. Das revitalisierte Kraftwerk Mühlhof verbindet Historisches und Moderne. nämlich der Installation einer Festbeleuchtung für die neu errichtete Festhalle im Jahr 1886, die Stadtgemeinde die weitere Elektrifizierung übernahm. So wie im Fall anderer niederösterreichischer Kleinstädte übernahmen 1939 die Gauwerke Niederdonau das kommunale E-Werk und gliederten es in das Landesnetz ein. Die damalige NEWAG, eine Vorläuferin des EVN-Konzerns, verkaufte das Kraftwerk 1973 dann an einen privaten Eigentümer. Damals war der Betrieb von Kleinwasserkraftwerken personalintensiv und daher für die NEWAG unwirtschaftlich. In den 1980er Jahren änderte sich das, weil Kleinkraftwerke mittlerweile automatisiert betrieben werden konnten und die gesetzlichen Rahmenbedingungen zugunsten der Kleinwasserkraft geändert wurden. Schließlich kaufte die EVN im Jahr 2012 das Kraftwerk wieder zurück. Daraufhin ging man an die Revitalisierung des historischen Kraftwerkes. „Die Revitalisierung bestehender Kraftwerke spielt beim strategischen Ausbau der erneuerbaren Energien eine bedeutende Rolle“, fasst „evn naturkraft“Geschäftsführer Friedrich Zemanek generell zusammen. Das revitalisierte Kraftwerk erzeugt, ohne dass Fallhöhe und Turbinendurchfluss erhöht wurden, nur aufgrund des neuen Maschinensatzes, der neuen Rechenreinigungsmaschine und der komplett neuen Automatisierungstechnik mit 1,129 GWh um 18 Prozent mehr Strom als das alte Kraftwerk. Schaukraftwerk eingerichtet Christine Dünwald, Bürgermeisterin der Bezirkshauptstadt, unterstreicht ebenfalls, dass das Kraftwerk Mühlhof ein Alle in Betrieb befindlichen Anlagenteile werden mittels durchsichtiger Trennwände geschützt, sodass ein gefahrloses Besichtigen der Kraftwerksanlage für jedermann möglich ist. Ein Umstand, den Dünwald begrüßt, die das Schaukraftwerk Mühlhof als Teil der Scheibbser Stadtführung installierte. Die Tätigkeiten in Scheibbs sind Teil der EVN-Investitionsoffensive in Niederösterreich, bei der die EVN zwischen 2014 und 2018 rund eine Mrd. Euro in Versorgungssicherheit, erneuerbare Energie und sauberes Trinkwasser in Niederösterreich investiert. Die „evn naturkraft“ ist eine 100-prozentige Ökostrom-Tochtergesellschaft der EVN AG. 1999 gegründet, verfügt die „evn naturkraft“ heute über ein Erzeugungsportfolio von 67 Lauf- und fünf Speicherkraftwerken, 14 Windparks mit einer Gesamtleistung von 224 MW, sowie sechs Fotovoltaikanlagen. Darüber hinaus hält das Unternehmen Beteiligungen an Donau- und Innkraftwerken. Pro Jahr werden mehr als 1100 GWh Ökostrom erzeugt und damit rund 640.000 t CO2 eingespart. Info 2012 gingen zwei Kleinwasserkraftwerke - Mühlhof und Brandstatt - ins Eigentum des EVN-Tochterunternehmens „evn naturkraft“ über. Die beiden historischen Kleinwasserkraftwerke an der Erlauf erzeugen mit einer installierten Leistung von 470 kW umweltfreundliche Energie für rund 200 Haushalte in der Region. Der Mühlhof wurde erstmals im Jahre 1551 als Mühle erwähnt. 54 TECHNIK Aktive Filter für bessere Netzqualität ABB weist derzeit besonders auf seine Power-Quality-Filter hin, die der wachsenden Herausforderung von Oberschwingungen im Niederspannungsnetz begegnen. Die Power-Quality-Filter (PQF) ermöglichen einen störungsfreien und effizienten Betrieb von elektrischen Anlagen und empfindlichen Verbrauchern. Darüber hinaus erlauben es die Filter, die strengsten Vorschriften der Energieversorgung einzuhalten. Sie können von den kleinsten bis zu den größten Anwendungen im industriellen und gebäudetechnischen Bereich eingesetzt werden – für Oberschwingungsminderung, Lastsymmetrierung und stufenlose Blindleistungsregelung, heißt es. Die Vorteile des aktuellen Sortiments bestehen in der Kombination aus individueller Einstellbarkeit auf Oberschwingungen bis zur 50ten Ordnung mit vorzugebener Kurvenfunktion und einem geschlossenen Regelkreis. Dies ermöglicht die Einhaltung von Normen wie etwa G5/4, IEEE519. Brennstoffzelle für Autos im Dauertest Mit der Markteinführung von Brennstoffzellen-Autos steigt der Bedarf an Tests weltweit. Im Fokus steht dabei das elektrische Verhalten der Brennstoffzelle unter dynamischen Belastungszustän- Membrane für Methan aus Biogas Eberstalzell – wertvolle Erkenntnisse Wind- und Sonnenkraftwerke liefern oft mehr und oft weniger Energie als gerade benötigt wird. Bei Stromüberschuss könne man aber Methan aus Biomüll herstellen und so die Energie speichern, erklären Forscher der TU Wien. Sie entwickelten spezielle Membrane, die Methan aus Biogas herausfiltern und helfen, es mit Ökostrom-Energie aus CO2 herzustellen. Schon im Industriemaßstab erprobt ist die an der TU Wien hervorgebrachte Gas-Filtertechnologie, um aus Biogas wertvolles Methan herauszubekommen, erklärte Michael Harasek vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften. Mit überschüssigem Ökostrom könne man Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten. „Den dabei gewonnenen Wasserstoff setzen wir mit dem aus dem Biogas abgeschiedenen CO2 um und gewinnen dabei nochmals Methan“, erklärte Harasek. Das von der Energie AG betriebene Fotovoltaik-Forschungskraftwerk Eberstalzell hat in seinen fünf Jahren Bestand wertvolle Erkenntnisse gebracht. So haben die verwendeten Wechselrichter den Wirkungsgrad wesentlich beeinflusst. Durch neu ersetzte beträgt ihr Wirkungsgrad nunmehr 98 und nicht mehr 94 Grad. Die 1000-kWp-Anlage mit 7500 m2 Modulen verschiedener Bauarten kann mehr als 1200 MWh Strom erzeugen. Die Erzeugung bliebe in den einzelnen Jahren völlig konstant. Foto: Energie AG Foto: ABB Kurzmeldungen Technik Voith modernisiert italienische Kraftwerke Voith Hydro erhält den Zuschlag für die Modernisierung von drei Wasserkraftwerken in Italien bis 2016. Voith wird das Kraftwerk „Alessandro Volta“ (Provinz Rom) sanieren. Voith liefert die komplette Ausstattung für zwei Einhei- ten mit 4,5 bzw. 2,7 MW. Im Kraftwerk Pompegnino wird Voith die zwei jeweils 1,1 MW leistenden vertikalen KaplanTurbinen überholen. Im Kraftwerk Pont St. Martin werden vier Francis-Turbinen (2,53 MW Leitung) ersetzt. den, wie sie im täglichen Fahrzyklus auftreten können. Ein Belastungstest der besonderen Art ist jetzt dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) gelungen: Das Institut mit der umfangreichen Brennstoffzellen- und Batterietestinfrastruktur demonstrierte durch Dauerbetrieb einer 100-kWBrennstoffzelle eine wöchentliche Fahrleistung von mehr als 5600 km. Der Wasserstoffverbrauch unter Vollbelastung lag bei 7,8 kg/h, was 1450 Normalliter/min entspricht. STANDARDISATION CORNER 55 Normungsgremien zum Thema Netzverträglichkeit und Spannungsqualität Normen für die Spannungsqualität und die Netzverträglichkeit sind für die Netzplanung und den Netzbetrieb ein wesentliches Thema. Will man den Normenschaffungsprozess vom Ursprung aus beleuchten, so ist man bei IEC an der richtigen Adresse. Im technischen Komitee TC 77 hat die Normenreihe IEC 61000, Basis für die EMV- und Power-Quality-Standardisierung, ihren Ursprung. Aus dem Unterkomitee SC 77A des TC 77 stammen die wichtigsten Normen für die Emissionsgrenzwerte von elektrischen Geräten im niedrigen Frequenzbereich, die bekannten Normen IEC 61000-3-2, 3-3, 3-11, 3-12, aber mit der IEC 61000-4-30 die auch Norm für die Messungen der Netzrückwirkungen. Wäre dies nicht schon unübersichtlich genug, beschäftigt sich auch noch ein TC 8 mit der Spannungsqualität, den Eigenschaften der Spannung in öffentlichen Netzen. Aber auch einzelne Produktkomitees erachten es für notwendig, EMV-Normen für ihre Produkte zu verfassen, die wiederum in das Gesamtsystem wirken. Als jüngstes Beispiel hierfür kann der Normenentwurf zur IEC 61851-21-1 genannt werden, der die elektromagnetische Verträglichkeit von On-Board-Ladegleichrichtern für das Laden von Elektrofahrzeugen behandelt. International existiert zusätzlich CISPR, eine Organisation, die den Schutz der funkbasierten Signalüber- tragung sicherstellen soll und dafür Testlimits sowie Störaussendungs- und Störfestigkeitslimits im Bereich von 9 kHz bis 400 GHz festlegt. Alle internationalen Normungsaspekte sind auf europäischer Ebene nochmals abgebildet. In vielen Bereichen der EMV- und Power-Quality-Normung ist Europa sogar der internationalen Normung voraus. So gibt es in Europa schon seit einiger Zeit eine Norm für die Spannungsqualität EN 50160, bei IEC wird gerade an einer neuen technischen Spezifikation TS 62749 gearbeitet. Für die Übernahme der Reihe 61000 in das europäische Normungswerk ist das CENELEC TC 210 verantwortlich. Wie bei der IEC wird die Spannungsqualität in einem eigenen Gremium, TC 8X behandelt. TC 8X beschäftigt sich wie TC 8 mit den Systemaspekten der elektrischen Energieversorgung. Neben der Norm EN 50160 werden dort auch Anschlusserfordernisse für Parallelerzeugungsanlagen geschaffen, zum Beispiel EN 50438. Relativ neu ist die Behandlung des Frequenzbereichs 9–150 kHz, der federführend derzeit im SC 205 behandelt wird, ein Komitee, das sich eigentlich mit leitungsgebundener Signalübertragung, der Power Line Communication beschäftigt. Hier treffen sich Störung und Nutzsignal im selben Frequenzbereich, was Konflikte vorprogrammiert. National werden alle Normungsaktivitäten der IEC und der CENELEC im Österreichischen Verband für Elektrotechnik OVE behandelt. Der OVE ist einerseits für die Veröffentlichung der Normen als OVE/ÖNORMEN, aber auch für die Kommentierung zu den Normungsprojekten der CENELEC und IEC verantwortlich. Europanormen müssen in das Österreichische Normenwerk unverändert übernommen werden. Umso wichtiger ist die Mitarbeit in den internationalen Normengremien, da die Inhalte für die Normen dort festgelegt werden. Die Erfahrung zeigt, dass Kommentare meist nur dann eine Wirkung zeigen, wenn man aktiv im Normungsgremium mitarbeitet und die Kommentare vor Ort in den Sitzungen auch diskutiert und verteidigt. In der IEC-Normung hat jedes Mitglied eine Stimme. Daher hat hier auch ein kleines Land wie Österreich gute Möglichkeiten der Mitgestaltung. Bei CENELEC ist dies wesentlich schwieriger, da es hier ein gewichtetes System gibt, bei dem große Länder über wesentlich höhere Stimmenanteile verfügen. Die Arbeit in CENELEC und IEC ist einerseits aufwändig, bringt aber andererseits wesentliche Erfolge in der Gestaltung des Normungssystems und damit wesentliche Vorteile für die engagierten Stakeholder. Weiterführende Informationen erhalten Sie bei: Dipl.-Ing. Gert Pascoli, MSc, Oesterreichs Energie, Bereich Netze, Tel.: 01/501 98-233. 56 TECHNIK TECHNIK 57 Mobilität durch indirekte Nutzung von Strom Die Prognose, das Auto der Zukunft werde elektrisch betrieben, widerspricht nur scheinbar der Meinung, dass ein Ende der Ära von Verbrennungsmotoren nicht in Sicht sei. Zwar sind fossile Energieträger nicht unbegrenzt verfügbar, doch diese Probleme lassen sich durch synthetische Verbrennungskraftstoffe umgehen – und zu deren Produktion braucht man elektrische Energie. Foto: Audi Von Peter Kudlicza 58 TECHNIK D er wachsende Anteil der stark volatilen, wettergetriebenen – und daher nicht beeinflussbaren – Wind- und Solarenergie an der Stromerzeugung hat häufig zur Folge, dass die Produktion höher als der Verbrauch ist. Daher sei „in Energiesystemen mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien die Verwertung von Stromüberschüssen eine zentrale Herausforderung“, erläutert Stephan Rieke, Vertriebsleiter der Stuttgarter Etogas, und beschreibt auch gleich eine Lösung: Nach Power-to-Gas (P2G) werde Überschussstrom zunächst genutzt, um Wasser durch Elektrolyse in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Ein Teil des Wasserstoffs lasse sich direkt weiterverwenden; jedoch auch methanisieren - ein Prozess, für den man Kohlendioxid benötige (4H2 + CO2 = CH4 + 2H2O). Neben Methan (CH4), dem Hauptbestandteil von Erdgas, entstehe nur Wasser. Das synthetische Methan könne gespeichert und als Kraftstoff zum Betrieb von Erdgasfahrzeugen genutzt werden. Damit würde, so Rieke, P2G „die Perspektive eines nachhaltigen Transportsektors eröffnen“; der Wirkungsgrad „Strom zu Methan“ erreiche theoretisch bis zu 60 Prozent; bei zusätzlicher Nutzung der Wärme sogar mehr als 80 Prozent. In einer seit mehreren Jahren gemeinsam mit dem Zentrum für Solarenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) betriebenen Pilotanlage sei „ohne jede Optimierungsmaßnahme“ ein Wirkungsgrad von 40 Prozent erzielt worden. Mittlerweile habe Etogas für Audi im niedersächsischen Werlte die weltgrößte P2G-Anlage errichtet, die, sagt Rieke, „die komplette Verfahrenskette nachhaltiger erneuerbarer Langstreckenmobilität von der Windenergie zum ‚e-gas‘Fahrzeug demonstriert“. Und Rupert Stadler, Vorsitzender des Vorstands der Audi AG, sekundiert: „Der Clou an der Sache ist: Wir nutzen überschüssigen Windstrom. Energie, die sonst komplett wirkungslos verpuffen würde. Mit Audi e-gas können 1500 Audi A3 g-tron jährlich jeweils 15.000 km CO2-neutral fahren.“ Der durchaus nützliche Nebeneffekt: Ein Rohstoff für die Methanisierung ist das als schädliches Treibhausgas wahrgenommene CO2. Rieke glaubt, dass man daher künftig mit der CO2-Verwertung sogar Einnahmen lukrieren könnte. Zur Frage nach der Wirtschaftlichkeit heutiger P2G-Anlagen räumte er indes ein, dass diese gegenwärtig noch „um den Faktor drei zu teuer“ seien und das Synthesegas mit dem Preis für russisches Erdgas nicht konkurrieren könne. Längerfristig rechne man jedoch mit einer Halbierung der Kosten. Sprit-Designer als moderne Alchimisten Die Erzeugung von „künstlichem Erdgas“ als Kraftstoff ist indes nur eine von mehreren Möglichkeiten, um mit Hilfe von elektrischer Energie den Betrieb von Verbrennungsmotoren in Kraftfahrzeugen gewissermaßen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu sichern: Sprit-Designer suchen, als moderne Alchimisten, nach einer „goldenen Formel“ für nachhaltige Mobilität. Foto: Emitec/Emissionskonzepte Motoren Es sei bereits großtechnisch möglich, fossile durch nachhaltig hergestellte Kraftstoffe zu ersetzen, berichteten Eberhard Jacob von Emissionskonzepte Motoren UG in Krailling/ Oberbayern und Wolfgang Maus von der Emitec Gesellschaft für Emissionstechnologie in Lohmar bei Köln in ihrem Doppelvortrag beim Wiener Internationalen Motorensymposium 2014. Man müsse sich von der gedanklichen Kopplung „Verbrennungsmotor = fossile Kraftstoffe“ wegbewegen. Ihr Ansatz, vereinfacht dargestellt: Das bei industriellen Prozessen und der (konventionellen) Stromerzeugung anfallende Kohlendioxid CO2 solle als Rohstoff gewonnen werden und gemeinsam mit nachhaltig hergestelltem Wasserstoff als Basis für synthetische Kraftstoffe dienen. Antriebe auf Basis Elektroenergie: Potenzial für „Sub-Zero Emission Vehicle“ (CWtL = Carbon Dioxide & Water to Liquid; OEM = Oxymethylenether) Dabei liege der Fokus jedoch nicht auf Methanol oder Dimethylether (DME), die beide aus CO2 und H2 direkt synthetisierbar seien. Diese, durchaus wertvollen, Energieträger ließen sich wegen ihrer Toxizität und des hohen Dampfdrucks bei Umgebungstemperaturen nur begrenzt als Kraftstoffe einsetzen. So genannte C1-Kraftstoffe auf Etherbasis hätten TECHNIK 59 Jens Hadler von der APL Automobil-Prüftechnik Landau zeigt sich überzeugt, dass nachhaltige Mobilität neben der E-Mobilität wegen der erforderlichen hohen Energiedichte nicht ohne chemisch gebundene Energie umsetzbar sein werde. Hierbei sei jedoch die Realisierung eines emissionsfreien Motors eine objektive Notwendigkeit und von großer gesellschaftlicher Relevanz. Auch Robert Schlögl, Direktor des Max-Planck-Instituts für chemische Energiekonversion in Mülheim/Ruhr, geht davon aus, dass sowohl Strom als auch Kraftstoffe die Basis eines künftigen Mobilitätssystems sein werden. Foto: Emitec/Emissionskonzepte Motoren Audi-Vorstandsvorsitzender Rupert Stadler hebt hervor, dass jedes Antriebskonzept – Batterieelektrik, Brennstoffzelle, Plug-in-Hybride und klassische Verbrennungsmotoren – jeweils Stärken und Schwächen hätte. „Gegeneinander aufrechnen kann man das nicht nach dem Motto ‚Was ist mehr wert: die große Reichweite beim Diesel, oder dass beim batterieelektrischen Auto lokal keine Abgase entstehen?‘ Ein Geschäftsmann mit vielen Dienstreisen antwortet da anders als ein emissionsgeplagter Großstadtbewohner.“ Methanolherstellung (Carbon Dioxide & Water to Liquid – CWtL; oben), OME-Produktion (Oxymethylenether als Basis für einen synthetischen Dieselkraftstoff; Mitte), MTG-Verfahren (Methanol-to-Gasoline; synthetisches Benzin; unten) diese Nachteile nicht und ermöglichten niedrigste Abgasemissionen bei reduziertem Aufwand für die Abgasnachbehandlung. „Ihr Einsatz bietet die Möglichkeit, die Erfolgsstory des Verbrennungsmotors auch für die nächsten Jahrhunderte abzusichern“, erklärten die beiden Experten. Sie beschrieben Versuche mit dem CO2-neutral und nachhaltig herstellbaren flüssigen Kraftstoff Oxymethylenether (OME), der bereits großtechnisch aus Methanol produziert werde, ungiftig sei und durch weitere Zusätze als Ersatz für Diesel- und Ottokraftstoff dienen könne. Hinzu komme, dass Motoren, die mit diesem „Designer-Kraftstoff“ betrieben werden, möglicherweise sogar „negative Emissionen“ (SubZero Emissions) bewirken könnten. Dies würde bedeuten, dass die aus dem Auspuff geblasenen Rückstände „sauberer“ als die angesaugte Umgebungsluft wären. Im Jahr 2030 würden nach aktuellen Studien rund 40 Prozent aller neu zugelassenen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge elektrifiziert oder teilelektrifiziert sein, davon fast zwei Drittel in Form von Hybrid-Antrieben. Stadler: „Das bedeutet im Umkehrschluss: Mehr als 80 Prozent haben dann nach wie vor einen ,Verbrenner‘ an Bord.“ Bleibt noch die Frage nach der direkten Nutzung von Wasserstoff, dem „alles verbindenden Element für die Speicherung von Energie, Verstetigung der Stromversorgung aus regenerativen Quellen und als künftiger Kraftstoff“, so Karl-Friedrich Stracke von Magna Steyr. Die Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie sei eine sinnvolle Erweiterung der Elektromobilität – vor allem für mittlere und längere Strecken. Viele Automobilhersteller hätten in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieben entwickelt; nun bestehe die Herausforderung darin, die Marktakzeptanz für Brennstoffzellen-Pkw zu erhöhen, um wirtschaftliche Stückzahlen zu erzielen und die Kosten zu reduzieren. Denn „Fakt ist, dass alle zum Zeitpunkt existierenden Speichermethoden schwerer, größer, komplexer und folglich auch teurer als Tanksysteme für konventionelle Benzin-/Diesel-Kraftstoffe sind“, so Stracke. Hinzu komme, dass eine Wasserstoffinfrastruktur erst aufgebaut werden müsse; derzeit sei der Betrieb von Brennstoffzellenfahrzeugen auf „sehr wenige Regionen mit H2-Tankstellen begrenzt“. Bei Magna Steyr ist man jedoch überzeugt, dass „durch die fortschreitende Energiewende die Bedeutung von Wasserstoff als Energieträger und Kraftstoff stetig zunehmen“ werde. 60 BLITZLICHTER Blitzlichter Jubiläum voller Energie Die Bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf, Landrat Meyer und Landrat-Stellvertreter Raimund Kneidinger Foto: Tiwag Tiwag – neuer Vorstandsvorsitzender Dr. Bruno Wallnöfer (li) und Mag. Dr. Erich Entstrasser. Die Tiwag erhält mit Jahresbeginn 2016 einen neuen Vorstandsvorsitzenden. Vorstandsdirektor Erich Entstrasser löst Bruno Wallnöfer ab, der in den Ruhestand tritt. Wallnöfer war seit 2003 im Tiwag-Vorstand. Seit 2004 ist er Vorstandsvorsitzender. Entstrasser ist seit 1985 bei der Tiwag tätig, seit 2013 gehört er dem Vorstand an. Das Unternehmen bestellte zudem Thomas Gasser zum künftigen Vorstandsmitglied für Energiewirtschaft und Kraftwerksführung. Gasser wird seine Funktion in den nächsten Monaten übernehmen. sowie Zentrumsleiter Ralf Braun-Reichert, Untergriesbachs Bürgermeister Hermann Duschl und Verbund-Vertreter Herfried Harreiter und der Werksgruppenleiter Karl Maresch eröffneten den Erlebnisweg. Am 22. Mai feierte Paul Kiendler seinen 55. Geburtstag. Der Grazer absolvierte die BHAK II und legte nach der Matura noch die Meisterprüfung als „Getreidemüller“ ab; zwei Jahre danach übernahm er bereits die Verantwortung für den Familienbetrieb. Kiendler führt ein Traditionsunternehmen, das seit 2006, dem 300-Jahre-Jubiläum des Hauses, das Steirische Landeswappen trägt. Bei Oesterreichs Energie engagiert sich der Geschäftsführer der Kiendler GmbH im Hauptausschuss. Oesterreichs Energie gratuliert herzlich! Staatspreis für Energietechnologie ausgeschrieben Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Umweltminister Andrä Rupprechter und Technologieminister Alois Stöger loben gemeinsam den „Staatspreis Umwelt- und Energietechnologie 2015“ aus. Der Staatspreis soll die steigende Bedeutung der Umweltund Energietechnologie – sowohl für die Wirtschaft als auch für Umwelt-, Energie-, Ressourcen- und Forschungspolitik – unterstreichen.Der Staatspreis ist die höchste Auszeichnung der heimischen Energie- und Umwelttechnologiebranche und zeichnet Unternehmen für ihre technologischen Innovationen, hochqualitativen Produkte und Systemleistungen der Umwelttechnik aus. Zudem wird der Sonderpreis „Start-up Ressourceneffizienz“ vergeben. Dieser zeichnet Jungunternehmer aus, die mit ihren Projektideen einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Ressourceneffizienz leisten. Foto: Archiv Der Verbund-Konzern hat anlässlich der Einweihung eines Erlebnisweges beim Haus am Strom in Jochenstein in seiner Lehrwerkstätte in Töging ein ModellLaufrad für einen Erlebnislehrpfad anfertigen lassen. Fünf Lehrlinge arbeiteten an dem maßstabsgetreuen Mini-Laufrad mit Tongenerator und bauten die Maschine, die nun im Gerinne rund um das Haus am Strom aus der Kraft des Wassers ein akustisches Signal erzeugen kann. Foto: Verbund Jochenstein – Erlebnislehrpfad eingeweiht KR Paul Kiendler Energie AG – Beteiligung an weiterem Windpark Die Energie AG hat sich an einem weiteren Windpark beteiligt. Sie fixierte eine Teilübernahme von Anlagen in Munderfing im Bezirk Braunau am Inn. Im Dezember des vergangenen Jahres hatte sie sich in drei Windparks in Niederösterreich eingekauft. Der Windpark in Munderfing umfasst fünf – 2014 in Betrieb genommene – Anlagen für eine Jahresstromerzeugung von rund 32 Mio. kWh, das entspricht dem Bedarf von fast 10.000 Haushalten. BLITZLICHTER Foto: Energie Burgenland Der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich hat Peter Püspök zum neuen Verbandspräsidenten gewählt. Hiermit tritt er die Nachfolge von Josef Plank an, der seit Dkfm. Peter Püspök der Gründung die Obmannschaft inne hatte und jetzt auf eigenes Ersuchen die Präsidentschaft übergibt. Vor seiner Pensionierung war Püspök unter anderem Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank Niederösterreich-Wien. Sereinig als WECPräsident wiederbestellt Die Generalversammlung des Österreichischen Nationalkomitees des Weltenergierates (WEC Austria) bestätigte Johann Sereinig für weitere Dr. Johann Sereinig drei Jahre in seiner Funktion als Präsident von WEC Austria. Neben den bisherigen Präsidiumsmitgliedern Günther Brauner und Wolfgang Hesoun wurden Josef Reisel und Christian Schönbauer ebenfalls für weitere drei Jahre bestätigt. Foto: Verbund Foto: Oikocredit Wechsel bei Erneuerbare Energie Österreich Die neu errichtete Anlage auf den sogenannten Lobäckern im Süden von Eisenstadt ist mit 2300 m2 Freifläche eine der größten Fotovoltaikanlagen des Burgenlandes. „Für die Energie Burgenland ist Fotovoltaik ein weiteres Standbein bei der Ökostromvon links: Mag. Michael Gerbavsits (Vorstandssprecher Energie Burgenversorgung. Die land), Mag. Klaus Grabenhofer (Geschäftsführer Energie Burgenland Sonne ist eine unerService GmbH), Ing. Thomas Torda (Geschäftsführer Energie Burgenland Service GmbH), Dr. Alois Ecker (Vorstand Energie Burgenland) schöpfliche Energiequelle, die wir mit der neuen Anlage Fotovoltaikanlage Lobäcker nun noch besser nutzen Lobäcker in Betrieb können“, sind sich Michael Gerbavsits und Alois Ecker, die VorstandsdirekNeben der Fotovoltaikanlage Lobtoren der Energie Burgenland, einig. äcker, die kürzlich in Betrieb genommen Das Energieunternehmen hat 340.000 wurde, plant die Energie Burgenland Euro in das Projekt investiert und ist heuer noch sechs weitere Anlagen. Errichter und Betreiber der Anlage. 61 OVE veranstaltet Videowettbewerb Bereits zum dritten Mal veranstaltet ScienceClip.at, die Plattform für Wissenschafts- und Technikvermittlung des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik (OVE), in Kooperation mit dem Austrian Institute of Technology (AIT) einen Videowettbewerb für Schüler und Studierende. Während Schüler Videos mit max. fünf Minuten Laufzeit zum Thema „Unter Strom“ einreichen können, werden Studierende vor die Herausforderung gestellt, im Instagram-Stil 15-Sekunden-Einblicke in die Welt der Forschung zu geben. Den besten Videos winken Actionkameras im Gesamtwert von rund 1500 Euro. Neuer VerbundAufsichtsrat Der Verbund-Konzern hat einen neuen Aufsichtsrat. Ende April wurden fünf, bereits bisher dem Aufsichtsrat angehörige, Mitglieder und fünf neue Mitglieder bestimmt. Die neuen Mitglieder sind Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß, Werner Muhm, Susanne Riess, Jürgen Roth und Michael Süß. Dem Verbund-Aufsichtsrat werden künftig Peter Püspök, Reinhold Süßenbacher, Alfred Heinzel und Herbert Kaufmann nicht mehr angehören. Der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Gilbert Frizberg wurde in seiner Funktion bestätigt. Als Stellvertretende Vorsitzende wurden Michael Süß und Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß gewählt. 62 VERANSTALTUNGEN Veranstaltungen: Oesterreichs Energie Akademie 02. bis 03. Juni 2015 Die erste Meile – von der Geschäftsidee zum erfolgreichen Geschäftsmodell Seminar, Wien In diesem zweitägigen Praxisworkshop lernen Sie Schritt für Schritt, wie Sie mit der international erfolgreichsten Methode für Geschäftsmodell-Innovation die zentralen Bausteine Ihres Geschäftsmodells aufbauen und systematisch die größten Chancen und Risiken erkennen. In einer interaktiven Mischung aus Vorträgen, Kleingruppenarbeit und Diskussionsforen arbeiten Sie an aktuellen Geschäftsideen aus der Energiewirtschaft und erfahren die neuesten Strategien, mit denen Sie auf der ersten Meile Ihren Erfolg erhöhen und die Kosten und Risiken drastisch senken können. 09. bis 10. Juni 2015 13. bis 14. Oktober 2015 Basisseminar „Gesamtheitliches Notfall- und Krisenmanagement“ Seminar, Wien Ziel des Seminars ist es, die TeilnehmerInnen anhand eines Szenarios die Anforderungen an Entscheidungsträger bei außergewöhnlichen Ereignissen unmittelbar und persönlich erfahren zu lassen. Dabei müssen im Rahmen der Ereignisbewältigung Entscheidungstechniken auf Basis bisheriger Erfahrungen im Team oder als Einzelperson angewandt, Entscheidungen getroffen und die festgelegten Maßnahmen zeitgerecht intern und extern kommuniziert werden. Abschließend werden aus den Erfahrungen der TeilnehmerInnen Folgerungen für ein Führungssystem zur Bewältigung außergewöhnlicher Ereignisse ausgearbeitet. 17. und 18. Juni 2015 Anschluss und Parallelbetrieb von PV-Anlagen Seminar, Wien Im Zuge des verstärkten Ausbaus der erneuerbaren Energien kommt dem Thema Anschluss und Parallelbetrieb von PV-Anlagen eine immer größer werdende Bedeutung zu. Der erste Tag beschäftigt sich mit den Inhalten wie Netzintegration, Power Quality, Vorschriften für den Netzanschluss, Anschlussbeurteilung sowie netzstützenden Funktionen von dezentralen Erzeugungsanlagen. Der zweite Tag steht ganz im Zeichen der Praxis mit Demonstrationen und praktischen Übungen im Labor. 22. Juni 2015 Von Netzrückwirkungen zur EMV Seminar, Wien Es kommen neue Herausforderungen auf die Mitarbeiter der EVU zu – es wird Verständnis zwischen Ursache und Wirkung im Bereich elektromagnetischer Verträglichkeit benötigt. Das Seminar informiert darüber, welche grundsätzlichen elektrotechnischen Zusammenhänge und Wirkungsmechanismen hier dahinter stehen; letztendlich stellen sich die bekannten Netzrückwirkungen als ein Teilgebiet der EMV heraus. Neben einem Überblick zu den Kopplungsmechanismen werden auch viele praktische Beispiele zu bereits beobachteten EMV-Problemen erörtert. 23. bis 24. Juni 2015 29. bis 30. September 2015 Österreichs E-Wirtschaft kompakt Seminar, Wien Lernen Sie bei diesem Seminar wirtschaftliche und technische Zusammenhänge der E-Wirtschaft kennen, und erfahren Sie mehr über die Hintergründe und die aktuellen Entwicklungen in den Bereichen Erzeugung, Netze, Handel & Vertrieb und Recht. Darüber hinaus erhalten Sie Einblicke in die energiewirtschaftlichen Mechanismen der EU und die wichtigsten technischen Regelwerke von Österreichs Energie. Eine Exkursion zur AustrianPower Grid Control rundet das Angebot ab. 15. und 16. September 2015 Fortbildungsseminar für Brandschutzbeauftragte und Brandschutzwarte Seminar, Linz Entsprechend der Technischen Richtlinie für vorbeugenden Brandschutz – TRVB O 117 – ist für Brandschutzbeauftragte innerhalb von 5 Jahren ein Fortbildungsseminar zu besuchen, um die Verlängerung der Gültigkeit des Brandschutzpasses um darauf folgende 5 Jahre zu erlangen und aktuelle Informationen über Neuerungen auf dem Gebiet des Brandschutzes zu erhalten. Für Brandschutzwarte wird ein Fortbildungsseminar empfohlen (die VERANSTALTUNGEN Fortbildung von Brandschutzwarten hat innerhalb von 5 Jahren zumindest innerbetrieblich durch den Brandschutzbeauftragten zu erfolgen). 16. September 2015 Erst- und wiederkehrende Überprüfung elektrischer Anlagen und elektrischer Betriebsmittel im EVU Seminar, Wien Es ist als positive Entwicklung anzusehen, dass elektrische Anlagen und Betriebsmittel wiederkehrenden Überprüfungen unterliegen. Önormen, Arbeitnehmerschutzgesetz und andere Vorschriften zählen zu den Herausforderungen für Energieunternehmen. Das Seminar gibt einen Überblick zu den wichtigsten Bestimmungen und Normen in diesem Bereich, und Sie erhalten darüber hinaus auch Hinweise zur praktischen Durchführung und der Organisation von Prüfabläufen. 23. September 2015 Elektrische Energietechnik für NichttechnikerInnen Seminar, Wien Dieses Seminar vertieft Ihr Grundverständnis der wirtschaftlich-technischen Zusammenhänge im elektrischen Energiesystem. Ausgehend von den angegebenen Inhalten und unter Berücksichtigung Ihrer Interessenfelder soll sich ein praxisorientierter Seminartag entwickeln. Ziel ist es, die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und den TechnikerInnen in Ihrem Unternehmen effizienter zu gestalten. 6. bis 8. Oktober 2015 Brandschutz in Elektrizitätsunternehmen Seminar, Lebring Diese Basisausbildung ermöglicht Ihnen, einen Brandschutzpass zu erlangen, und wendet sich damit an jene Mitarbeiter in Elektrizitätsunternehmen bzw. Mehrspartenunternehmen, die als Brandschutzbeauftragte tätig sind oder als solche eingesetzt werden sollen, sowie an Mitarbeiter projektierender Abteilungen, die mit Aufgaben des Brandschutzes befasst sind. Auch Brandschutzwarte können diese umfassende Ausbildung besuchen. 20. Oktober 2015 TAEV – Technische Anschlussbedingungen für den Anschluss an öffentliche Versorgungsnetze Seminar, Salzburg Informieren Sie sich aus erster Hand über die aktuellen und wichtigsten Aspekte zu den technischen Festlegungen der Netzbetreiber über die Ausführungen des Hausanschlusses und die technischen Bedingungen des Anschlusses an das öffentliche Netz. Erhalten Sie darüber hinaus einen kompakten Überblick über die geltenden Errichtungsbestimmungen für elektrische Niederspannungsanlagen. 03. bis 05. November 2015 Grundlagenseminar Netzrückwirkungen Seminar, Salzburg Bei diesem Grundlagenseminar 63 erhalten Sie eine Übersicht über die Arten von Netzrückwirkungen sowie eine Einführung in die elektrotechnischen Grundlagen der Entstehung von Oberschwingungen und deren Auswirkungen. Auch das Thema Messtechnik bildet einen praktischen Schwerpunkt des Seminars. Am 3. Tag (Workshop Messtechnik) werden einerseits Grundlagen behandelt, andererseits besteht für die Teilnehmer auch die Möglichkeit, selbstständig Messaufgaben zu wählen. Weitere Termine, Information und Anmeldung: Oesterreichs Energie Akademie, Brahmsplatz 3, 1040 Wien Tel.: +43 1/501 98-304, Fax: +43 1/501 98-902 E-Mail: [email protected], www.akademie.oesterreichsenergie.at Weitere Branchentermine: 15. bis 17. Juni 2015 Prozess- und Datenmanagement in der Energiesteuerung Fachtagung, Berlin marcus evans Germany Ltd, Unter den Linden 21, 10117 Berlin Tel.: + 49 30 89061-283, Fax: + 49 30 89061-434 E-Mail: [email protected], Internet: www.marcusevansde.com Impressum Herausgeber und Medieninhaber: Österreichs E-Wirtschaft, Brahmsplatz 3, A-1040 Wien, Telefon: +43 1/501 98-0, Telefax: +43 1/505 12 18, E-Mail: [email protected], Internet: www.oesterreichsenergie.at Redaktion: Ernst Brandstetter, Chefredakteur; Monika Bachhofer, Chefin vom Dienst Verleger: „Die Presse“ Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG, Hainburger Straße 33, 1030 Wien, Telefon: +43 1/514 14-0, Telefax: +43 1/514 14-405 Anzeigen: Peter Syrch, DW 332, [email protected]; Elisabeth Samadinger-Regner, DW 281, elisabeth. [email protected] | Anzeigentarif 2015 gültig ab 1. Jänner 2015, DVR: 0368491 Abonnement: Aboservice für Oesterreichs Energie, Telefon: +43 1/514 14-281, Telefax: +43 1/514 14-405; E-Mail: [email protected] Preise: Abonnement: Inland: € 135,–, Ausland: € 171,–; Mitglieder Inland: € 83,–, Mitglieder Ausland: € 119,–; alle Preise inklusive Mehrwertsteuer und Versandkosten. Abonnements, die nicht einen Monat vor Ablauf des Bezugsjahres storniert werden, laufen weiter. Projektleitung: Mag. Elisabeth Samadinger-Regner, Die Presse Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG. Projektkoordination & Grafik: Styria Multi Media Corporate GmbH, Mag. Carmen Schlögl, Rosi Horvath, Jennifer Fiala Produktion: m4! Mediendienstleistungs GmbH & Co KG, www.m-4.at Lektorat: www.onlinelektorat.at Druck: Druckhaus Thalerhof GesmbH, A-8073 Feldkirchen/Graz, Gmeinergasse 1–3, www.druckhaus.at Copyright: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beitrage und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. 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Entgeltliche Einschaltungen sind als solche gekennzeichnet und liegen in der redaktionellen Verantwortung des Auftraggebers. Erscheinungsweise: zehnmal pro Jahr Grundlegende Richtung dieser Zeitschrift: Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen aller Mitglieder von Oesterreichs Energie. Offenlegung der Eigentumsverhältnisse nach dem Mediengesetz: Oesterreichs Energie, Brahmsplatz 3, A-1040 Wien Verlags-, Erscheinungs- und Herstellungsort: Wien P.b.b. Verlagspostamt: A-8000 Graz Coverfoto: Hotel Schachner/wk-photography.net. Tourismusregion Donau Niederösterreich/ Nibelungengau. EMCG-A10001-00 Voller Energie für die Netze von heute und morgen Intelligente, digital gesteuerte Energieübertragung und -verteilung Die Energiesysteme überall auf der Welt verändern sich, und das auf allen Spannungsebenen. Neue Herausforderungen im Netzbetrieb erfordern neue technische Lösungen – von der Langstreckenübertragung großer Mengen »grünen« Stroms bis zur umfassenden Automatisierung von Verteilnetzen. Eine unabdingbare Grundvoraussetzung für die erfolgreiche und effiziente Bewältigung dieser Aufgaben ist die Zusammenführung von Betriebs- und Informationstechnik. Als zuverlässiger Partner weltweit verfügt Siemens über hohe Kompetenz in allen Bereichen der Energieübertragung und -verteilung und verbindet dies auf einzigartige Weise mit Automatisierungs-, Antriebs- und Informationstechnik. Neben jahrzehntelanger weltweiter Erfahrung und dem konsequenten Engagement für den Erfolg seiner Kunden ist es diese besondere Verbindung, die Siemens zum Partner der Wahl für sichere, nachhaltige und effiziente Strominfrastrukturen macht. Genau hier kommt Siemens ins Spiel – das Technologieunternehmen mit dem umfassendsten integrierten Angebot an hochwertigen Elektrifizierungs-, Automatisierungs- und Digitalisierungsprodukten sowie entsprechenden Dienstleistungen. Energiemanagement-Technik von Siemens sorgt dafür, dass Strom jederzeit und überall an seinem Ziel ankommt – auf allen Spannungsebenen und mit einer zuverlässigen Roadmap für die Zukunft. Ein ausgezeichnetes Beispiel ist die Rolle von Siemens als »Strategic Partner of Enel for the Smart Grid Technology at EXPO Milano 2015«. siemens.com/energy-management
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