Bezahltaxen für Flüchtlinge: Anzahl der Fahrten wird reduziert

Bezahltaxen für Flüchtlinge: Anzahl der Fahrten wird reduziert
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Bezahltaxen für Flüchtlinge: Anzahl der Fahrten wird reduziert
Bericht: Christin Simon
Mia-Elisabeth Krüger ist mit ihren fast 89 Jahren noch recht mobil. Doch alles geht eben
nicht mehr. Sie braucht Hilfe, vor allem wenn sie zum Arzt muss.
Mia-Elisabeth Krüger:
„Zu Fuß ist mit mir absolut nichts los. Ich habe enorme Schmerzen, ich kann aber keine
Schmerzmittel nehmen, weil ich nur von einer Niere noch 20 Prozent habe. Also ich bin aufs
Auto angewiesen.“
Auto heißt für sie oft Taxi. Etwa 2.000 Euro gibt die Rentnerin im Jahr dafür aus. Muss sie
ausgeben. Beim Taxiunternehmen ist sie mittlerweile Stammkundin.
Mia-Elisabeth Krüger:
„Bei 4884 kennen sie mich sofort, wenn ich anrufe. Der letzte Besuch bei der Augenärztin
kostete mich 45 Euro. Die ist am Connewitzer Kreuz.“
Diese Fahrt bekommt sie nicht erstattet.
Mia-Elisabeth Krüger:
„Das ist ein Arztbesuch, von wegen der Arzt ist frei.“
Rückblick: Wir begleiteten im Januar einen Leipziger Taxi-Fahrer. Er bringt einen Flüchtling
von der Unterkunft zum Arzt.
Frank Förster, Fahrer Löwen-Taxi:
„Da du weißt Bescheid? Ok. Ja, ok, gut. Ciao. Das waren jetzt 13,60 Euro, bezahlt die
Landesdirektion Sachsen.“
Und somit der Steuerzahler. Etwa 800 Flüchtlingsfahrten in drei Monaten macht nur dieses
eine Unternehmen in Leipzig. Kostenpunkt etwa 18.000 Euro. Mia-Elisabeth Krüger hat
Verständnis dafür, dass Flüchtlinge momentan die Bedürftigeren sind.
Mia-Elisabeth Krüger:
„Das Kontingent kann jetzt im Moment für Flüchtlinge ein Stückchen größer sein als für die
anderen. Aber es kann nicht sein, dass man Achseln zuckt bei den Eigenen.“
Die Krankenkasse übernimmt nur wenige Arztfahrten, Hinfahrten oft überhaupt nicht. Und
so entscheidet sich die Rentnerin für einen Arztwechsel. Aus reinen Kostengründen.
Mia Elisabeth Krüger:
„Ich hätte eine andere Augenärztin lieber gehabt, aber die ist hier, in Leutzsch. Und da habe
ich mir überlegt, dass das dann schon der doppelte Preis ist. Also habe ich mir eine neue
Ärztin gesucht.“
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Der Exakt-Bericht vom Januar wirbelt Staub auf. Die Landesseniorenvertretung Sachsen
reagiert kritisch auf die Taxi-Praxis der Behörde.
Konrad Riedel, stellvertretender Vorsitzender Landesseniorenvertretung Sachsen:
„Hier bauen sich wieder Barrieren auf, die wir eigentlich nicht wollen. Wenn Oma vom Dorf,
weil es keine Fachärzte auf dem Land gibt, in die Stadt muss und kriegt dann angenommen
einen Augenarzt in Connewitz vermittelt und kommt aus Crimmitschau oder sonst woher, ob
die das unbedingt findet!? Das bringt Unruhe in die gesamte Gesellschaft.“
Wir fahren nach Chemnitz. Die Landesdirektion Sachsen lädt zum Pressegespräch ein.
Thema: Taxifahrten für Flüchtlinge. Wie funktioniert das denn nun?
Walter Bürkel, Vizepräsident Landesdirektion Sachsen – Asyl und Ausländerrecht:
„Es gilt natürlich immer, wie in allen regeln des öffentlichen Dienstes, der Grundsatz der
wirtschaftlichen Haushaltsführung und das bedeutet hier ganz konkret, dass man immer das
günstigste Verkehrsmittel nutzen muss, um das Ziel zu erreichen. Das heißt vorrangig ist der
öffentliche Nahverkehr in Anspruch zu nehmen und nur in Ausnahmefällen kann auf das Taxi
zurückgegriffen werden.“
Doch die Landesdirektion scheint von ihrem wirtschaftlichen Handeln selbst nicht recht
überzeugt und kündigt an, die Flüchtlingsfahrten künftig zu reduzieren. Und sie überrascht
mit einer weiteren Aussage:
Peter Darmstadt, Leiter Abteilung Asyl und Ausländerrecht:
„Wir haben in der Regel Rahmenverträge. Diese Rahmenverträge sichern uns günstigere
Positionen.“
Die Mehrheit der sächsischen Taxiunternehmen geben der Landesdirektion also Rabatte
für Flüchtlingsfahrten? Wir fragen nach:
Umfrage Taxifahrer:
Reporter: „Fahren Sie zu Sonderkonditionen?
Taxi 1:„Nein, normale Tarife.“
Taxi 2: Das wird ganz normal abgerechnet, da gibt es keinen Sonderstatus für Flüchtlinge.
Taxi 3: Nö, mit Taxameter, also normal, ganz normale Fahrten, allerdings, sie bezahlen nicht,
wir stellen Quittung und dann ist gut.
Reporter: Und sind Sie schon einmal nach Chemnitz gefahren?
Taxi 4: „Ja, einmal.“
Reporter: „Wie war der Tarif?“
Taxi 5: „Normaler Taxitarif, mit Uhr.“
Reporter: „Und der Endbetrag? Können Sie sich noch daran erinnern?“
Taxi 6: „Knapp 300, so 293.“
Und auch wir haben diese Erfahrung gemacht. Wie zuletzt berichtet, begleiteten ExaktReporter im Januar eine Familie von Leipzig nach Chemnitz, zum Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge, zum normalen Taxitarif. Am Ende kostet diese Fahrt 308,90 Euro.
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Peter Darmstadt, Leiter Abteilung Asyl und Ausländerrecht:
„Ich glaube nicht, dass wir hier im größeren Stil unangemessen Kosten produziert haben.“
Der Versuch von Erklärungen. Für den Exakt-Beitrag im Januar bekommen wir kein
Interview. Auch darauf wollten wir eine Antwort.
Reporter: „Warum haben wir eigentlich damals kein Interview bekommen, als wir angefragt
haben?“
Landesdirektion: „Jetzt gehen Sie mal raus hier.“
Reporter: „Warum? Ist doch eine legitime Frage, oder?“
Landesdirektion: „Nö, das brauchen wir jetzt nicht beantworten.“
Zurück bei Mia-Elisabeth Krüger. Die Leipzigerin sieht letztendlich die Nachteile dieser
Taxi-Praxis vor allem für die Flüchtlinge.
Mia-Elisabeth Krüger:
„Am meisten macht es mich nicht so sehr wütend im egoistischen Sinne, sondern ich denke
mir, man befähigt nicht Leute, die aus ganz anderen Lebensverhältnissen kommen, man
befähigt sie nicht in absehbarer Zeit sich hier einzugliedern.“
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