Failing to plan is planning to fail

"Failing to plan is planning to fail" - Erfahrungen
mit dem neuen Erwachsenenschutzrecht im
klinischen Alltag und das Konzept des "Advance
care Planning"
Tanja Krones, Leitende Ärztin Klinische Ethik,
UniversitätsSpital Zürich/Institut für Biomedizinische
Ethik und Medizingeschichte, Universität Zürich
Gesundheit/Krankheit/
Wiederherstellung
Diagnose:
Schwere Erkrankung;
Therapie: Alternative
kurative Therapieoptionen
Diagnose:
Fortschreiten/Nicht Heilbarkeit,
stabile Palliative Phase,
Therapie:: Lebensverlängernde
und palliative Konzepte
Diagnose:
Präterminale Phase
Therapie: Comfort
care/Sterbeort
Diagnose:
Instabile Palliative
Phase/“Decline“;
Therapie: Re-evaluation
Tod
Hilfestellung für die
Angehörigen
Careum Weiterbildung | Tagung | Das Ende planen? - Sterben und Tod in Gesellschaften des langen Lebens | 25. Juni 2015
In der klinischen Ethik geht es sehr häufig um menschliches
Handeln und Entscheidungen unter Unsicherheit in
komplexen Problem- und/oder Dilemmasituationen
Man kann nicht nicht entscheiden
Unterscheiden von
Können, Müssen und Sollen
(Man muss selten)
Juristischer Haupt- und ethischer Mitverantwortung aller
Handelnden
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Ärztliche Ethik heute (eigentlich)
Salus aegroti suprema lex
Voluntas aegroti suprema lex
Doctor knows
best!
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Sapere aude! (Habe
Mut, dich deines
eigenen Verstandes zu
bedienen!)
Zentrale Berücksichtigung des Willens auch bei
urteilsunfähigen Patienten
aktuell erklärter Wille des aufgeklärten und
einwilligungsfähigen Patienten (Immer gültig)
wenn nicht
gegeben
vorausverfügter Wille, in Patientenverfügung
(Vorsorgevollmacht) niedergelegter Wille, sofern
dieser auf die aktuelle Situation anwendbar ist
wenn nicht
vorhanden
„substituted
judgement
standard“
mutmaßlicher Wille mit Hilfe von Angehörigen,
Freunden, Hausarzt aus früheren Äußerungen und
Wertvorstellungen zu ermittelnder Wille
wenn nicht
ermittelbar
Aufgabe der gesetzlichen
Vertreter: Kommunikation und
Durchsetzung des
mutmasslichen Willens, nicht:
Festlegung der Behandlung
„best interest standard“
Entscheidung im besten Interesse und zum Wohle
des Patienten, da keine Informationen zum mutmaßlichen
Patientenwillen eruierbar/feststellbar sind
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Das neue Erwachsenenschutzrecht
• Paradigmenwechsel
• „Ist ein Patient nicht urteilsfähig,
darf der Arzt nach neuem Recht
nur noch im Notfall* eigenmächtig
handeln.
Sonst braucht er die Einwilligung einer
Drittperson. Auch diese hat sich
am allenfalls in einer
Patientenverfügung formulierten Willen
zu orientieren.“
• (* recte: bei Dringlichkeit)
• Neue Zürcher Zeitung, 14.12.2012
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Beispiel 1
• Eine 28 –jährige Patientin mit gestreutem Tumorleiden wurde seit
mehreren Jahren in einer Abteilung eines Spitals behandelt. Die
Patientin ist wegen Schmerzen und zunehmender Schwäche seit 2
Wochen stationär. Seit 3 Monaten sind Ableger im Hirn sowie im
Knochenmark bekannt. Die Blutplättchenzahl ist daher extrem
niedrig
• Die Patientin hat ein sehr abhängiges Verhältnis zu den Eltern, die
immer wieder betonen, dass „alles getan werden soll. Über Herz
Lungen Wiederbelebung und Verlegung auf die Intensivstation
wurde nicht gesprochen, der Status ist auf voll gesetzt. Am frühen
Morgen beginnt die Patientin akut und massiv aus Mund und Nase
zu bluten und bricht kurz darauf zusammen. Die diensthabende
Assistentin löst den REA Alarm aus. Ein Stunde später verstirbt die
Patientin unter Gabe von Blutprodukten unter Reanimation.
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Beispiel 2
• Eine 83 jährige Patientin liegt auf einer Intensivstation nach
Katheder-Stenteinlage nach Herzinfarkt. Die Patientin war vor der
Einlieferung komplett selbstständig, zum Zeitpunkt der Einlieferung
nicht mehr urteilsfähig und ist es nach dem Ereignis ebenfalls nicht.
Der Ehemann, der seine Frau leblos im Garten gefunden hat und
den Notarzt gerufen hat, kommt am 3. Tag auf Station mit einer
Patientenverfügung, in welcher die Patientin verfügt, dass sie im
Falle einer schweren Erkrankung keine lebensverlängernden
Massnahmen erhalten wolle- Sie habe ihr Leben gelebt. Die
Patientenverfügung ist unterschrieben und vor einem Jahr datiert.
Einen Tag später wird die Patientin wiederbelebungspflichtig und
wird in Rücksprache mit Herzspezialisten reanimiert. Sie stirbt 5
Tage später infolge der Gesamtsituation mit beginnendem
pulmonalen Infekt. Der Ehemann ist im Nachgespräch hoch
traumatisiert und sicher, dass seine Frau dies nicht so gewollt
habe.
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Schlechte Nachrichten...
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Gründe ?
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Problem 1) Patientenverfügung (PV)
aus dem Internet
a) Die palliative „Normal“ Beschreibung
b) Ausfüllen alleine ohne adäquate Information,
c) ohne Aufklärungs-/Beratungsprozess,
d) ohne Anpassung
an den jeweiligen Gesundheitszustand
=
Risiko nicht schlüssig/umsetzbar zu sein
trotz rechtlicher Geltung
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FMH SAMW
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Problem 2)
Fehlende, zu späte,
unpassende Kommunikation über Lebens- und
Sterbensvorstellungen,
mögliche Ereignisse
und Planung durch Behandlungsteams
mit Patient und Angehörigen
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IPS
Wollen SieN
• Intubiert werden oder nicht???
• Auf die Intensivstation oder sterben???
Was fehlt???
Was ist das Problem???
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Lynn et al 2003
120%
100%
80%
60%
40%
20%
0%
US Physicians wanting terminal sedation vs
intubation in end stage lung disease
US Physicians talking with patients facing end
stage lung disease about terminal sedation
versus intubation
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Problem 3)
Fehlendes Ineinandergreifen in
Behandlungsketten
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Komplexität
z.B. erfolgreiche Reanimation, Umsetzen einer
Patientenverfügung braucht ein komplettes System und
Qualitätsprozess
Patient
gefunden
Diagnose
Herzstillstand
144
Herzalarm zum
Herzteam
Team zum
Patienten
Sicherer Transfer
zur IPS
Rollen und
Interaktionen klar
Notwendiges
Equipment beim
Patienten
Qualitästmanagement
Team fähig zur
REA
Equipment
funktioniert
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Problem 4) Fehlendes Wissen
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• Reanimation
Im virtuellen TV-Emergency
Room sind Reanimationen
zu
75% -90 % erfolgreichN
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Und in der RealitätN..
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Reanimation: Evidenzbasierte Entscheidungshilfe
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Fall 1
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Lösungsvorschlag?
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Konsens?! Behandlungsteams wollen
• Den Patienten bestmöglich behandeln
• Dem Patienten nicht alle Hoffnung nehmen
• Sich mit dem Patienten auf realistische Therapieziele und daran
angepasste Massnahmen einigen
• Ihn und die Angehörigen unterstützen und begleiten, auch dann, wenn
Heilung oder Lebensverlängerung nicht mehr möglich ist
• Keine Massnahmen durchführen die der Patient nicht möchte
• Keine Massnahmen durchführen die medizinisch nicht (mehr) sinnvoll
sind
• Aber
• Man will insbesondere in Notfallsituationen sicher sein, dass das, was wir
tun oder was wir unterlassen, das ist was der Patient für sich informiert
gewollt oder nicht gewollt hat und die Angehörigen dies ebenfalls so
sehen
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Gute Nachrichten ☺
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Was ist bestmögliche
Vorausplanung
(Advance Care Planning, ACP ?)
"... Ein Prozess der den Patienten befähigt, seine
Winsche gemeinsam mit seinem Behandlungsteam,
seiner Familie und anderen wichtigen Bezugspersonen
auszudrücken. Gegründet auf dem ethischen Prinzip der
Patientenautonomie und der legalen Bestimmung einer
informierten Zustimmung hilft eine bestmögliche
Vorausplanung, das Konzept der Zustimmung auch
tatsächlich zu respektierten, wenn der Patient nicht
mehr in der Lage ist, aktiv an medizinischen
Entscheidungen teilzunehmen" (Singer, Robertson, Roy
1996)
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Was ist ACP nicht?
•
•
•
•
Gespräch über grundsätzliche Therapielimitierung
Beschneidung der Arzt-Patientenbeziehung
Einmalige Situation
Ziel einer Kostenreduktion/Vorenthalten effektiver
Massnahmen
Es geht darum
Praktisch sicherzustellen, dass Patienten die Therapie
und Massnahmen erhalten, die in Ihrem Sinne sinnvoll
sind in Situationen, in denen die Kommunikation
schwierig oder nicht mehr möglich ist
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ACP Interprofessionell
•
Patientenverfügung alleine –
rechtliche Klärung, Infos etc
•
Frühzeitige strukturierte Gespräche mit geschulten
behandelnden Ärzten
effektiv
•
Frühzeitige strukturierte Gespräche mit geschulten
Health care professionals (Pflege, Sozialarbeit)
und komplexe System-Einbindung mit Feed back;
Notfallbogen ärztlich unterschrieben
Hoch
effektiv
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Nicht
effektiv
Respecting Choices
La Crosse, Wisconsin
Von allen in La Crosse/Wisconsin (51 000 Einwohner)
verstorbenen Patienten hatten
85% eine Patientenverfügung
95% der Patientenverfügungen waren in der Patientenakte
98% der dort dokumentierten Wünsche/Willenserklärungen
wurden konkret umgesetzt
(Hammes et al Arch Int Med 158:383-390 1998 (!) ).
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• The impact of advance care planning on end of life
care in elderly patients: randomised controlled trial.
• Detering et al BMJ. 2010 Mar 23;340:c1345.
• CONCLUSIONS:
• Advance care planning improves end of life care and
patient and family satisfaction and reduces stress,
anxiety, and depression in surviving relatives.
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ACP- Wie geht’s??
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Grunderfahrungen....
•„Es ist immer zu früh bis es zu spät ist“
•„Wenn man scheitert zu planen plant
man zu scheitern“
•„Hoffe das Beste aber plane auch für
das Schlechteste“
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Schritt 1 Wann ??
•«Es ist immer zu früh bis es zu
spät ist» !
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N
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Schritt 2 Was??
«Hoffe das beste aber plane auch für
das schlechteste»
1) Gesunde (ältere ) Patienten: (mindestens)
vertretungsberechtigte Person, chronische Urteilsunfähigkeit
ist meist auch relevant
2) Chronisch kranke Patienten: (mindestens) zusätzlich
Besprechung der Lebensqualität, Hoffnungen, Befürchtungen
und Grenzen einer lebensverlängernden Behandlung; Re
Evaluation des Konzepts bei Verschlechterung und
Krisensituationen
3) Sehr alte und schwerst kranke Patienten (über 80,
„surprise“ Frage positiv «Ich wäre nicht erstaunt, wenn mein
Patient in den nächsten 12 Monaten stirbt»): Auch
Besprechung von Betreuung letzte Lebensphase, Wichtigkeit
(nicht) im Spital zu sterben, konkrete Notfallplanung
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Schritt 3 «Wie»? «Welche Ressourcen»?
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http://www.health.vic.gov.au/acp/
http://health.vic.gov.au/chi/training-videos.htm
http://www.youtube.com/watch?rel=0&v=K9_XV4H00k0
http://www.youtube.com/watch?rel=0&v=L92edggIC3E
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Biographische Arbeit...
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Klärung Generelle Therapieziele
• Lebensverlängerung in jedem Fall
• Lebensverlängerung in
ausgewählten Fällen
• Lebensqualität in jedem Fall
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Evidenz-Basierte Entscheidungshilfen
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Ein gut begleiteter Tod zuhause...
Patient
schwerst
krank
Diagnose
gemäss
PV
ÄNO
vorhanden
Team/ Familie
beim Patienten
gemäss Plan
Sicheres
Verbleiben
zuhause
Notwendige
Medikation beim
Patient
Rollen und
Interaktion klar
Team fähig
notwendige
palliative
Massnahmen zu
ergreifen
Medikation ist
ausreichend
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‘weder die Wissenschaft noch die Ökonomie (noch
die Ethik TK) wird uns den Schmerz der Entscheidung
abnehmen. Das beste was wir hoffen können, ist es,
den Prozess zu verbessern, durch den wir
Entscheidungen fällen’
Rudolf Klein
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