Zentrum für Wissenschaftsmanagement e.V. Jahrestagung: State of the Art 2015 Die Zukunft der wissenschaftlichen Arbeit: Nach der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes Der rechtliche Rahmen Viel Lärm um wenig? – Haushalts-, zuwendungs- und personalrechtliche Herausforderungen der Novellierung Dr. Michael Hinz Kanzler der Universität Erfurt a.D. Freier Mitarbeiter Beratung im ZWM e.V. Berater, Dozent und Coach für Wissenschaftsinstitutionen www.hinz-ohne-kunz.de 02.12.2015 1 Ouverture: … neulich, ganz in der Nähe … Wenige weise Gesetze machen ein Volk glücklich; viele Gesetze verwirren die Rechtsprechung … Friedrich der Große, Philosophische Schriften 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 2 Es soll der Versuch unternommen werden, die Neuregelungen im WissZeitVG im Hinblick auf die gesetzgeberische Qualität zu hinterfragen. Hierbei sollen aus Zeitgründen allerdings nicht redaktionelle Aspekte, wie Gliederung, Aufbau und Systematik, und die Einpassung in die bestehende Rechtsordnung - Widerspruchsfreiheit/Konsistenz und ggf. Wechselwirkungen mit anderen Rechtsgebieten wie Haushalts- und Zuwendungsrecht – im Mittelpunkt stehen, sondern insbesondere Praktikabilität und Vollzugstauglichkeit, die entscheidend davon abhängen, inwieweit die Neuregelung Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schafft. Hinzu kommt die elementare Frage möglicher Herausforderungen im Rahmen der Anwendung und Interpretation der Rechtsvorschriften durch die Fachgerichte. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 3 Die in der Folge zu diskutierenden Fragen sind deshalb für die Hochschulen und Forschungseinrichtungen von so erheblicher Relevanz, weil über allem das „Damoklesschwert“ der Folge unwirksamer Befristungen von Arbeitsverträgen schwebt: der Automatismus, dass das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit, d.h. unbefristet, geschlossen gilt und einseitig nur noch durch Kündigung mit all den diesbezüglichen kündigungsschutzrechtlichen Einschränkungen beendet werden kann. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 4 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion § 2 Abs. 1 neu: Die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 1 Satz 1 genannten Personals, das nicht promoviert ist, ist bis zu einer Dauer von 6 Jahren zulässig, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt. … Die vereinbarte Befristungsdauer ist jeweils so zu bemessen, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen ist. … (gemeint: „ … auch zur Förderung …“, dies kommt in der Begründung des Regierungsentwurfs deutlich zum Ausdruck) 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 5 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion Vorfrage: sachgrundlose Befristung oder Befristung mit Sachgrund? Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung: „… Die als „typisierte Qualifizierungsphase“ konzipierte sachgrundlose Befristung wird damit nicht zu einer Sachgrundbefristung. Innerhalb des Befristungsrahmens ist auch weiterhin für einzelnen Befristungen kein spezifischer Sachgrund erforderlich.“ 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 6 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion Die in der Begründung vertretene Auffassung ist zumindest in ihrer Selbstverständlichkeit fraglich. Das Erfordernis der Angemessenheit im Hinblick auf die Qualifizierung erfordert zwingend, Art und Inhalt der Qualifizierung nicht abstrakt typisierend zu bestimmen, sondern im konkreten Einzelfall. Die Verbindung von konkreter Qualifizierung mit einem dafür angemessenen Zeitraum könnte gerade auch als Sachgrund interpretiert werden, der die Befristung zulässig macht. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 7 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion Einer solchen Interpretation steht auch die Festlegung eines Maximalzeitraums von 6 Jahren nicht entgegen. Im allgemeinen Befristungsrecht macht sich mangels gesetzlicher Vorgaben seit jeher die Rechtsprechung über die zeitlichen Höchstgrenzen von Sachgrundbefristungen Gedanken (Stichwort: „Kettenarbeitsverträge“). Praktisch dürfte die Frage, ob die Befristung auch in der Neufassung des WissZeitVG eine sachgrundlose ist, allerdings weniger von Bedeutung sein. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 8 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion „Eigene wissenschaftliche oder künstlerische Qualifizierung“ ist ebenso ein sog. unbestimmter Rechtsbegriff wie „angemessen“. Der Inhalt unbestimmter Rechtsbegriffe in gesetzlichen Regelungen ist durch Auslegung nach den anerkannten Auslegungsmethoden zu bestimmen, insbesondere nach dem Wortlaut, nach der systematischen Stellung im Normensystem, nach dem Willen und den Motiven des Gesetzgebers sowie nach Sinn und Zweck der Norm. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 9 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion Bei einer gesetzlichen Neuregelung wie der WissZeitVGNovelle ist zu erwarten, mindestens aber zu hoffen, dass eine Übereinstimmung zwischen dem Willen und den Motiven des Gesetzgebers einerseits und dem Sinn und Zweck der Norm andererseits besteht. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 10 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion „Eigene wissenschaftliche oder künstlerische Qualifizierung“ Die Regelungen verschiedener Hochschulgesetze legen eine formale Betrachtungsweise dahingehend nahe, dass es sich um die Promotion handelt. Die Begründung des Regierungsentwurfs geht jedoch ausdrücklich darüber hinaus: „Im ersten Teil der Qualifizierungsphase wird zwar in hohem Maße eine Promotion angestrebt, doch gilt dies nur für die wissenschaftliche und kaum für die künstlerische Qualifizierung. Aber auch da, wo üblicherweise im ersten Teil der Qualifizierungsphase eine Promotion angestrebt wird, war es weder bislang so, noch ist dies für die Zukunft gewollt, dass das Anstreben einer Promotion als obligatorisches Element der wissenschaftlichen Qualifizierung festgeschrieben wird.“ 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 11 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion Was jenseits der Promotion „eigene wissenschaftliche Qualifizierung“ ist bzw. sein kann, ist deshalb so entscheidend, weil im Hinblick auf den Inhalt im Einzelfall die Angemessenheit der beabsichtigten Befristungsdauer zu bestimmen ist. Die Begründung spricht allgemein von „Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen“ und nennt als ein konkreteres Beispiel den „Erwerb von Fähigkeiten und Kenntnissen etwa in Bezug auf Projektmanagement im Bereich der Wissenschaft“. Weiter wird ausgeführt: „Im Ergebnis muss Qualifizierung in der Wissenschaft zu einer erfolgreichen beruflichen Karriere auch und gerade außerhalb der Wissenschaft befähigen, sei es in der Wirtschaft, als Selbständiger oder in anderen gesellschaftlichen Lebens- und Arbeitsbereichen. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 12 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion „Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen“ durch - - - Vorbereitung eines Vortrages zum Thema X und Präsentation/Diskussion im Rahmen eines Kolloquiums? Angemessene Befristungsdauer 2 Monate? Erstellung einer Publikation zum Thema Y? 4 Monate? Organisation einer wissenschaftlichen Tagung? 6 Monate? Erlernen mehrerer biochemischer Labormethoden? 3 Monate? Erstellen eines Posters für eine Postersession im Rahmen eines Kongresses? 5 Monate? Erarbeiten eines Exposés für ein Promotionsvorhaben? 9 Monate? … 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 13 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion Da es sich beim WissZeitVG um eine arbeitsrechtliche, nicht um eine verwaltungsrechtliche Materie handelt, haben die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe keinen sog. Beurteilungsspielraum, der ggf. nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar wäre. D.h. letztlich werden die Arbeitsgerichte vollumfänglich darüber entscheiden, was sie jenseits der Promotion als „eigene wissenschaftliche Qualifizierung“ und die dafür „angemessene“ Vertragsdauer ansehen. (Hierauf hat zuletzt auch Prof. Ulrich Preis, Universität zu Köln, als Sachverständiger in der Anhörung im BT-Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am 11.11. 2015 hingewiesen.) 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 14 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion Fraglich ist dabei u.a., welche Rolle es konkret für die Gerichte spielen wird, dass nach der Zielsetzung des Gesetzes kurzfristige Arbeitsverträge künftig nur noch in Ausnahmefällen möglich sein sollen, die „eigene wissenschaftliche Qualifizierung“ aber andererseits ausdrücklich weit verstanden werden soll und in der Begründung mit der „Überbrückungsbeschäftigung“ zwischen zwei Drittmittelprojekten ein Beispiel für eine Ausnahme gewählt wird, das so durch den neuen Gesetzeswortlauf gar nicht abgedeckt sein dürfte. Eine „Überbrückungsbeschäftigung“ dürfte vielmehr nur noch zulässig sein, wenn der diesbezügliche befristete Arbeitsvertrag an einen konkreten Tatbestand der „eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung“ anknüpft und die Dauer im Hinblick darauf „angemessen“ ist. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 15 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion Zur „Angemessenheit“ der Befristungsdauer bei Verträgen, in denen es nicht um ein formales Qualifikationsziel geht, heißt es in der Begründung: „… sollte die konkrete Befristungsdauer funktional sein, das heißt sich primär daran orientieren, welche Zeiträume im Hinblick auf die wissenschaftliche oder künstlerische Qualifizierung sinnvoll sind.“ Dies ist ebenso vordergründig einleuchtend wie offen in der Anwendung. Zudem stellt sich die Frage, woran sich die Dauer denn darüber hinaus (sekundär) orientieren kann und soll. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 16 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion Die Arbeitsgerichte „lieben“ bekanntlich Einzelfallentscheidungen („… unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen …“). Es ist mit divergierenden erstinstanzlichen Urteilen und ggf. auch mit unterschiedlicher Rechtsprechung der LAG zu rechnen. Für Rechtssicherheit können erst Urteile des BAG und letztlich des EuGH zu unterschiedlichen Konstellationen sorgen, was Jahre dauern kann. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 17 A. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung vor der Promotion „Angemessenheit“ der Befristungsdauer, wenn die Qualifizierung in der Promotion liegt Die Gerichte werden vermutlich akzeptieren - - - - Berücksichtigung des Standes des konkreten Promotionsvorhabens bei Vertragsschluss eine fachbezogene Orientierung an durchschnittlichen Promotionsdauern (Korridore) (auch jenseits der amtlichen Statistik?) den Einbau einer Zwischenevaluierung nach einer diesbezüglich angemessenen Zeit eine Orientierung der Vertragslaufzeiten an Empfehlungen, vertraglichen Selbstverpflichtungen, Codices ? 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 18 B. Haushaltsfinanzierte befristete Beschäftigung nach der Promotion In der Postdoc-Phase stellt sich die Frage, was eine „eigene wissenschaftliche Qualifizierung“ ist, umso schärfer, als der Anteil derjenigen, die die zweite Qualifizierungsphase mit einer formalen Habilitation abschließen (wollen), deutlich geringer ist, als der Anteil der Doktorand/innen in der ersten Qualifizierungsphase. Hier wird daher die Rechtsprechung voraussichtlich noch stärker gefordert sein, auch im Hinblick auf die Frage der „Angemessenheit“. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 19 C. Drittmittelbefristung Änderung § 2 Abs. 2 S. 1: „ … ; die vereinbarte Befristungsdauer soll der Dauer der Mittelbewilligung entsprechen.“ Aus der Begründung: „ … maßgeblicher Orientierungspunkt ist der bewilligte Projektzeitraum“. „Insbesondere bei längeren Bewilligungszeiträumen kann aber auch eine beispielsweise an definierte Projektabschnitte anknüpfende Vereinbarung der Vertragslaufzeit angemessen und sinnvoll sein.“ 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 20 C. Drittmittelbefristung Was bedeutet „soll“ ? Der soeben zitierte Passus aus der Begründung legt das verwaltungsrechtliche Verständnis nahe, wonach die angeordnete Verfahrensweise im Regelfall zwingend ist, es in atypischen Fällen oder bei besonderen Umständen aber möglich ist, ausnahmsweise davon abzuweichen. Wir befinden uns jedoch weiterhin im Arbeitsrecht. Hier bedeutet „soll“, dass es sich um eine zwingende Regelung handelt, wobei ein Verstoß jedoch nicht zur Unwirksamkeit des befristeten Vertrages und somit zum Entstehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses führt. Allerdings führt die Missachtung der Soll-Vorschrift dazu, dass das Vorliegen des entsprechenden Sachgrundes als zweifelhaft anzusehen ist. Auch hier wird spannend sein, was die Arbeitsgerichte entscheiden. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 21 C. Drittmittelbefristung Herausnahme des nichtwissenschaftlichen Personals aus dem Anwendungsbereich des WissZeitVG durch Streichung von § 2 Abs. 2 S. 2 - gesetzessystematisch wohl konsequent Befristung künftig (wieder) nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG: Ein Sachgrund für die Befristung liegt vor, wenn „der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht“ 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 22 C. Drittmittelbefristung Herausnahme des nichtwissenschaftlichen Personals Dieser Sachgrund ist von der Rechtsprechung für Drittmittelprojekte grundsätzlich akzeptiert, jedoch erhöhen sich im Vergleich zur Regelung im Rahmen des WissZeitVG die Risiken für die öffentlichen Arbeitgeber aufgrund der Entwicklung der Rechtsprechung im Hinblick auf die Zulässigkeit von sog. „Kettenarbeitsverträgen“ (u.a. sich steigernde Anforderungen an die Prognose über den tatsächlichen Wegfall der Arbeitsaufgaben). Zu beobachten sein wird auch, ob die Gerichte in diesem Zusammenhang den Blick nicht zunehmend weg vom einzelnen Drittmittelprojekt hin auf die Drittmittelforschung der Institution insgesamt oder ihrer Substrukturen richten werden. Überlegenswert wäre ein Modell, in dem ein höherer Anteil an unbefristetem nichtwissenschaftlichen Personal mit einer Flexibilisierung des Zuwendungsrechts im Hinblick auf die (teilweise) Refinanzierung dieses Personals durch Drittmittel kombiniert würde. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 23 D. Weiteres - - - Erweiterung/Vereinheitlichung der „familienpolitischen Komponente“ – aber kein individueller Rechtsanspruch auf Vertragsverlängerung Schaffung einer klaren Grundlage zum Abschluss befristeter Arbeitsverträgen mit Studierenden, die wissenschaftliche oder künstlerische Hilfstätigkeiten erbringen Beibehaltung der Tarifsperre 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 24 E. Fazit I Die hehre Zielsetzung der Novelle – zum Wohle des wissenschaftlichen Nachwuchses klare Signale gegen „unsachgemäße“ Kurzzeitverträge setzen und zugleich dem Vorwurf begegnen zu wollen, aus Sicht der Wissenschaftsinstitutionen notwendige Flexibilitäten zu rigoros eingeschränkt zu haben – hat zu einem Kompromiss geführt, der an entscheidenden Stellen mit einem hohen Maß an Rechtsunklarheit und Rechtsunsicherheit erkauft wird. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 25 E. Fazit II Dies hat erhebliche negative Auswirkungen auf die Praktikabilität und die Vollzugstauglichkeit der Neuregelungen. Es bleibt abzuwarten, ob die Unsicherheiten bis zur Entwicklung einer belastbaren Kasuistik durch die Arbeitsrechtsprechung nicht allein zu dem angestrebten Ziel längerer Vertragslaufzeiten führen, sondern auch dazu, dass bestimmte Verträge lieber gar nicht geschlossen werden und damit Beschäftigte aus dem System herausfallen bzw. gar nicht erst die Möglichkeit des Eintritts in das System bekommen. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 26 E. Fazit II Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Hochschulen und Forschungseinrichtungen v.a. im Anwendungsbereich „vor der Promotion“ wo immer möglich versuchen werden, die Risiken einer Befristung nach dem WissZeitVG durch Befristungen nach dem TzBfG zu vermeiden, was durch die Beibehaltung von § 1 Abs. 2 WissZeitVG möglich bleibt. Hier bietet sich unter Berücksichtigung des „Vorbeschäftigungsverbotes“ des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG an, die innerhalb einer Höchstbefristungsdauer von 2 Jahren eine bis zu dreimalige Verlängerung ermöglicht. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 27 E. Fazit II Auch der Befristungsgrund gem. § 1 Abs. 1 Ziff. 2 TzBfG – „… im Anschluss an … ein Studium, um den Übergang des Arbeitsnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern …“ - könnte an Bedeutung gewinnen. Letztendlich dürfte in einigen der Fälle, in denen Verträge nach der Intention der Gesetzesnovelle tatsächlich von vorherein auf einen längeren Zeitraum von zwei oder sogar drei Jahren abgeschlossen werden, die Anwendung der Vorschriften über die jenseits des Willkürverbotes quasi voraussetzungslose Probezeitkündigung größere praktische Relevanz erlangen. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 28 E. Fazit III - Reprise Wenige weise Gesetze machen ein Volk glücklich; viele Gesetze verwirren die Rechtsprechung … In diesem Sinne erscheint die Novellierung des WissZeitVG in wesentlichen Punkte als nicht übermäßig weise. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 29 Nachbemerkung Die auch für die Wissenschaftsinstitutionen elementaren haushalts- und zuwendungsrechtlichen Vorschriften sind vom Ausgangspunkt her typische „Misstrauensregelungen“. Bei den Zuwendungsgebern, insbesondere bei der DFG, darf im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sie – freilich auch nur im Rahmen der teilweise eben von Misstrauen geprägten zuwendungsrechtlichen Vorschriften – Wissenschaft fördern und nicht behindern wollen. Im Haushaltsrecht waren die weitreichenden Flexibilisierungen für die Wissenschaftsinstitutionen („Finanzautonomie“) ebenfalls Ausdruck eines besonderen Vertrauens. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 30 Nachbemerkung Es stimmt bedenklich, wenn es hinsichtlich der Autonomie der Wissenschaftsinstitutionen insgesamt, insbesondere aber auch hinsichtlich haushaltsrechtlicher Flexibilität, RollBack-Tendenzen zu beobachten gibt, sei es (noch?) nur in rhetorischer Hinsicht, sei es bereits in konkreten Gesetzesänderungen. Es bleibt dringend zu hoffen, dass sich die WissZeitVG-Novelle in der Retrospektive nicht als ein weiterer Baustein einer wachsenden „Misstrauenskultur“ darstellen wird, die der Leistungsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems keinesfalls zuträglich sein kann. 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 31 Ich danke für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit! Dr. Michael Hinz Kanzler der Universität Erfurt a.D. Freier Mitarbeiter Beratung im ZWM e.V. Berater, Dozent und Coach für Wissenschaftsinstitutionen www.hinz-ohne-kunz.de 02.12.2015 Dr. Michael Hinz - Kanzler der Universität Erfurt a.D. 32
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