Eingeladen Einer, der mit Jesus am Tisch saß, sprach zu ihm: Selig ist der, das Brot isst im Reich Gottes. Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit! Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen. Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird. Predigt beim ökumenischen Gottesdienst Tuningen 14.6.15 Wir hatten Freunde eingeladen zum Abendessen. Wir hatten eingekauft, geschnippelt, gekocht, gebraten, liebevoll den Tisch dekoriert. Einen leckeren Wein ausgesucht. Als wir gerade fertig waren, klingelte das Telefon: Es ist etwas dazwischen gekommen, wir können nicht kommen, tut uns leid, ein anderes mal gern. Ihr könnt euch unsere betröppelten Gesichter vorstellen. Konnten die das nicht früher sagen! Was sollten wir jetzt mit dem schönen Essen machen, frischen Fisch kann man doch nicht noch mal wärmen? Wir alle kennen solche Situationen, wo Gäste, auf die man sich gefreut hat, absagen und die Enttäuschung, die dann entsteht. Aber auch das Umgekehrte, das mulmige Gefühl, wenn ich selber eine Einladung kurzfristig absagen muss. Peinlich! Noch schlimmer, wenn es wie in unserer Geschichte geradezu Absagen hagelt und das ganze Fest auf der Kippe steht. Alles war vorbereitet. Aber die Gäste kommen nicht. Einer nach dem anderen sagt ab. Höflich, aber bestimmt: Nein, du, ich kann nicht. Ich habe gerade Stress in der Firma. Ich muss einfach dran bleiben, damit am Ende des Jahres der Umsatz stimmt. Tut mir Leid. Du, ich habe da ein neues Macbook, das muss ich in Gang bringen, ohne Computer geht bei mir gar nichts. Tut mir Leid. Du, das Haus, das Haus, wir machen ja alles selbst, weißt du, ich kann nicht, ich muss sehn, dass die Kacheln im Bad verlegt werden. Tut mir Leid. Man fragt sich: Sind es schlechte Gründe, die sie vorbringen? Ist es unmoralisch, sich um das Geschäft zu kümmern, ein Haus zu bauen oder sich einen neuen Computer zu erobern? Was ist daran so schlecht? Das alles sind ja mehr als bloß Vorwände oder zufällige Entschuldigungsgründe. Dahinter steckt System, dahinter steckt eine Lebenseinstellung: Eine Lebenseinstellung, deren Muster uns hier in Tuningen gewiss nicht fremd ist: Garten, Haus, Firma, Verein, es geht um die Absicht, sein Leben zu sichern. Es geht um die Sorge für beruflichen Erfolg und soziale Anerkennung. Und genau in dieser Sorge kann sich das Leben ganz schnell verkrampfen. Man kann sich so auf die Karriere und den Erfolg und den Besitz konzentrieren, dass das Leben auf der Strecke bleibt, die Beziehungen zu meinem Nächsten und die Beziehung zu Gott. Und man wird verkrampft und verhetzt und ist dauernd unter Strom. Die Alltagssorge kann einem blind machen für das Himmelreich. Positiv ausgedrückt, es ist als würde Jesus uns sagen: Hört doch auf, euer Leben immer wieder mit den scheinbar so wichtigen Aufgaben zu verhetzen. Da hat die eine einen Laden einzurichten, und ein anderer will unbedingt noch eine Fortbildung machen, und ein anderer hat seinen Garten zu versorgen, und ein vierter möchte unbedingt seine Wohnung neu tapezieren - aber wann gelingt es euch endlich, zum wichtigsten zu kommen. Ihr alle könntet so etwas sein wie Eingeladene, Menschen, die dazugehören so wie sie sind. Euer Leben könnte ein Fest der Freude sein, und so berufen an die Tafel eines Festmahls dürft ihr Platz nehmen und die Sorgen vergessen. Alles andere würde sich zeigen. Es kommt also darauf an, wie wir die Prioritäten in unserem Leben setzen. In einem katholischen Exerzitienhaus habe ich die Regel von den fünf Prioritäten kennen gelernt. Für unser Leben sind fünf Prioritäten wichtig, und zwar in dieser Reihenfolge: 1. Wir brauchen genügend Schlaf – klar, sonst kommt man ganz schnell auf dem Zahnfleisch daher und dann klappt alles andere auch nicht mehr. 2. genügend Bewegung, sonst betreibt man Raubbau am Körper, das gilt gerade auch für Schreibtischmenschen; 3. Zeit zum Gebet, zur Meditation, zur inneren Ausrichtung, also Zeit für Gott; 4. Zeit, die man uneigennützig den Menschen schenkt, mit denen man zusammenlebt (Partner, Familie, Freunde) und erst 5., wohlgemerkt erst an fünfter und letzter Stelle: Zeit für unsere Arbeit. Um das System nicht misszuverstehen, es geht nicht darum, dass man für die Arbeit am wenigsten Zeit einsetzt. Aber es geht bei diesen fünf Prioritäten um die Wertigkeit, was am wichtigsten ist. Und da machen es die zuerst eingeladenen Gäste in unserem Gleichnis eben genau umgekehrt, sie setzen die Arbeit an die erste Stelle. Und deswegen kommen die wichtigsten Dinge bei ihnen zu kurz. Jesus muss das oft erlebt haben, dass man seine Einladung zum Himmelreich, zur Freude, zum Leben im Einklang mit Gott und den Menschen immer wieder mit der Antwort quittierte: „Es geht nicht, wir haben unser Leben zu besorgen, und wenn es uns in den Sorgen auch noch so erstickend erscheint, wir müssen so weitermachen wie wir begonnen haben.“ Einige Ausleger vermuten, dass die Gäste nur später kommen wollten. Aber das ändert an der Logik dieses Lebensmuster nichts, sondern bestätigt es nur. Später: Das Leben findet später statt. Erst wenn dies und das erreicht ist, erst wenn meine Firma wirtschaftlich wieder auf sicherem Boden steht, erst wenn ich diese oder jene Arbeit erledigt habe (so hat man es uns ja auch eingebläut: erst die Arbeit, dann das Spiel), erst wenn ich in Rente bin .... Kurzum das Leben wird vertagt. Aber wer aufschiebt, der verpasst das Himmelreich. Oder wie Gorbatschow es genial formulierte: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Doch die Geschichte geht ja weiter: Geht an die Hecken und Zäune und ladet ein! Dazu fallen mir aktuell natürlich die Flüchtlinge und Asylanten ein. Vielleicht können wir von ihnen lernen, was das Himmelreich bedeutet. Ich habe letzte Woche ein tolles Beispiel erlebt. Wir haben in der Friedenskirche in Schwenningen eingeladen zu einem neuen Projekt, dem KuBu, dem kunterbunten Chor. Deutsche, schon länger hier lebende Ausländer oder wie man neudeutsch sagt Menschen mit Migrationshintergrund und Flüchtlinge sollen durch das gemeinsame Singen in Kontakt miteinander kommen. Wir trauten unseren Augen nicht, über 40 Personen kamen, wir Deutschen waren klar in der Minderheit: Eine Gruppe Eritreer, zwei Schwarze aus Gambia, Iraner, Iraker, Frauen mit Kopftuch, syrische Kinder, eine Familie aus Peru, es war ein buntes, fröhliches Zusammensein, die Eritreer hatten eine Trommel mitgebracht, mit der sie auch uns eher eckige Europäer in Bewegung brachten. Dieses bunte Miteinander, das war ein Eindruck von dem Fest, von dem unser Gleichnis spricht. Das Fest, zu dem in dem Gleichnis eingeladen wird, ist ein Symbol für das Himmelreich, also für das Leben der Menschen, wie Gott es wünscht und wie es eigentlich gemeint ist: Begegnung auf Augenhöhe, Wertschätzung und Dazugehören, unbeschwertes und unbefangenes Miteinander, sich von Gott und den Menschen geliebt wissen, Gott und unseren Nächsten Zeit gönnen, sich füreinander verantwortlich fühlen. Wer die richtigen Prioritäten setzt, hat Teil am Leben, das Gott für uns will. Bei unserem fröhlichen Singen und Tanzen im KuBu, im Kunterbunten Chor am vergangenen Mittwoch war etwas davon spürbar. Wir werden nachher eine Kollekte einsammeln für die Flüchtlingsarbeit hier bei uns und für vom Erdbeben betroffene Menschen in Nepal. Auch das ist ein Stück vom Himmelreich, wenn man über die Hecken und Zäune hinausgeht und weltweite Solidarität übt. Dann ist in Nepal sicher noch nicht gleich wieder der Himmel auf Erden, unsere Hilfen sind ja nur kleine Tropfen. Aber wir hoffen es ja: Wo ein Mensch den andern sieht, nicht nur sich und seine Welt, fällt ein Tropfen von dem Regen, der aus Wüsten Gärten macht. Ihr wollt noch wissen, wie die Geschichte von unserer abgesagten Essenseinladung ausging: Mir kam die Idee, ein junges Paar anzurufen, das vor kurzem in unserer Nähe eingezogen war. Sie kamen spontan vorbei und genossen mit uns den Fisch und den Wein, und das wurde der Beginn einer neuen Freundschaft. Gott lässt sich sein Fest nicht verderben, er lädt alle ein. Setzen wir die richtigen Prioritäten! Lassen wir uns für die Einladung Gottes begeistern! Amen Lied Die Sache Jesu braucht Begeisterte Hans-Ulrich Hofmann
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