Medikamente mit schädlicher Wirkung auf die Beatmung

Medikamente mit schädlicher
Wirkung auf die Beatmung
Kongress für außerklinische
Intensivpflege & Beatmung 2015
Berlin, 14.10.2015
KAI 2015
Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Themengebiete
Was sind schädliche Wirkungen ?
Wie kommt es zu schädlichen Wirkungen ?
Welche Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen rufen insbesondere schädliche
Wirkungen hervor ?
Wie sind schädliche Wirkungen erklärbar ?
Was sind die Ursachen schädlicher Medikamentenwirkungen ?
KAI 2015
Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Missbrauch
KAI 2015
Missbrauch
Keine Indiktion
Indikation, aber Überdosis
Fehlgebrauch
Fehlgebrauch
Indikation, falsche Dosis
Gebrauch
Gebrauch
Indikation, richtige Dosis
Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Ursachen
- zu niedrige Dosis
- zu hohe Dosis
- Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln
- Wechselwirkungen mit Lebens- oder
Genussmitteln
- pharmakokinetische Aspekte
Fehlgebrauch
Auswirkungen
- keine gewünschte Wirkung
- übermäßige pharmakodynamische Wirkungen
- vermehrtes Auftreten unerwünschter Wirkungen
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Pharmakodynamik
- ist ein Teilgebiet der Pharmakologie und beschäftigt sich mit dem Einfluss
des Arzneimittels auf den Organismus
- beschreibt die Art der Arzneimittelwirkung im Körper, also die Wirkung
des Wirkstoffes am Rezeptor
Pharmakokinetik
- ist ein Teilgebiet der Pharmakologie und beschäftigt sich mit der
Einwirkung des Körpers auf ein eingenommenes Arzneimittel in
Abhängigkeit von der Zeit.
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Aspekte der Pharmakokinetik
L
Liberation
Bioverfügbarkeit
A
Absorption
D
Distribution
M
Metabolismus
Verteilung / V.-Volumen
Clearence
E
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Exkretion
Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Arzneistoffe mit möglichen Atemstörungen
Schlafmittel / Beruhigungsmittel
Benzodiazepine
Diazepam, Midazolam, Bromazepam, Triazolam
Zolpidem
Diphenhydramin, Doxylamin
Chloralhydrat
Opiate / Opioide
Morphin
Methadon
Fentanyl
Tilidin
Tramadol
!! Bei gleichzeitiger Gabe der o.a. Arzneistoffe ist auf verstärkte
Wirkungen aufgrund von Wechselwirkungen zu achten !!
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Arzneistoffe mit möglichen Atemstörungen
Virustatika
Ribavirin
Boceprevir
Diverse
Amilorid
Verapamil
Amlodipin,
Nifedipin
Baclofen
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Beispiele
KAI 2015
Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Tramadol
Anwendung
mäßig starke bis starke Schmerzen
Unerwünschte Wirkungen / Intoxikation
Müdigkeit, Schwindel, Benommenheit, Tachykardie, Kreislaufkollaps,
Blutdruckabfall, Krampfanfälle, Bewußtseinsstörungen bis hin zum
Koma, Atemdepression bis hin zum Atemstillstand
Dosierung
Einzeldosis
Tageshöchstdosis
Plasmakonzentration
therapeutisch
toxisch
komatös/letal
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50 – 100 mg
400 mg
0,1 - 1 µg/ml
> 1 µg/ml
> 2 µg/ml
Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Pharmakokinetische Berechnung
C/t-plot of Tramadol (oral administration)
Concentration [µg/l]
Tramadol
200
180
160
140
120
100
80
60
40
20
0
0
2
4
6
8
10
12
14
Time [Hours]
Tramadoldosis
Körpergewicht
Verteilungsvolumen
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100 mg
70 kg
4 l/kg KG
Normale Freisetzung
Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Pharmakokinetische Berechnung
C/t-plot of Tramadol (oral administration)
Tramadol
Concentration [µg/l]
120
100
80
60
40
20
0
0
2
4
6
8
10
12
14
Time [Hours]
Tramadoldosis
Körpergewicht
Verteilungsvolumen
KAI 2015
100 mg
70 kg
4 l/kg KG
Retardform
Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Pharmakokinetische Berechnung
C/t-plot of Tramadol (oral administration)
Tramadol
Concentration [µg/l]
300
250
200
150
100
50
0
0
12
24
36
48
60
72
84
Time [Hours]
Tramadol
2 x tgl. 100 mg
Körpergewicht
70 kg
Verteilungsvolumen 4 l/kg KG
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Retardform
Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Concentration [µg/l]
normal
retard
TramadolGabe
1.000
900
800
700
600
500
400
300
200
100
0
Dosis:
einmalig
200 mg
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
22
24
Frau
80 Jahre
Gewicht: 41 kg
Time [Hours]
normal
retard
Concentration [µg/l]
1.600
1.400
1.200
1.000
Dosis:
regelmäßig
2 x tgl. 200 mg
800
600
400
200
0
0
12
24
36
48
60
72
84
Time [Hours]
96
108
120
132
144
Kritische Anmerkungen
1.
Bei der Dosiswahl ist auf das Körpergewicht und auf das Lebensalter
zu achten, da ansonsten hohe Gefahr einer Überdosierung mit u.U.
starken Nebenwirkungen besteht.
2.
Galenische Zubereitung muss beachtet werden: bei Beschädigung von
z.B. einer retardierte Zubereitung besteht die Gefahr einer massiven
Überdosierung.
Grund: geänderte Bioverfügbarkeit und erhöhte Wirkstoffkonzentration im Blutplasma.
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Fentanylpflaster sind in Deutschland zum stark wirksamen Opioid der ersten
Wahl geworden. Bei Verordnung und Umgang werden jedoch Empfehlungen
für eine sichere Anwendung nicht immer beachtet: So werden Fentanylpflaster
häufig bei opioidnaiven Patienten eingesetzt und durch die Verordnung von
zu hohen Dosierungen bei Therapiebeginn können vor allem ältere und
multimorbide Patienten gefährdet werden. Trotz Kontraindikation werden
Fentanylpflaster auch bei akuten Schmerzen verordnet, und nur bei einem
Viertel der Patienten liegen Erkrankungen vor, die z. B. wegen
Schluckstörungen eine transdermale Schmerzmittelgabe erforderlich machen.
Dies zeigt eine Untersuchung von Krankenversicherungsdaten aus den Jahren
2004 bis 2006 .
Deutsches Ärzteblatt, 06.04.2012
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Fentanylpflaster
Dosis:
25 µg/h
50 µg/h
75 µg/h
100 µg/h
Wirkstoffmenge
pro Pflaster
4,125 mg
8,25 mg
12,375 mg
16,6 mg
Achtung: Ein “ verbrauchtes Pflaster “ enthält noch mehr
als 50 % der ursprünglichen Wirkstoffmenge !!
Fentanyl ist ca. 200 mal wirksamer als Morphin !!
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
aus Bericht der EMA ( European Medicines Agency )
vom 7.3.2014 zur Risikobewertung von Zolpidem
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Wechselwirkungen
Arzneimittel / Lebensmittel
Beispiel
Bei gleichzeitiger Aufnahme von Simvastatin oder Zolpidem mit
Grapefruit besteht Gefahr einer übermäßigen pharmakodynamischen
Wirkung der Wirkstoffe.
Ursache:
Grapefruit hemmt die „Aktivität“ des Enzyms CYP 3A4, das
an dem Metabolismus von z.B. Simvastatin maßgeblich beteiligt ist.
Folge:
erhöhte Simvastation-Konzentration im Blutplasma,
erhöhte pharmakodynamische Wirkung; Intoxikation
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Kritische Anmerkungen
1.
Auch Lebensmittel können einen Einfluss auf die Wirkung von
Arzneimitteln haben.
2.
Bei übermäßigen pharmakodynamischen Wirkungen auch nach
Nahrungsgewohnheiten in Betracht ziehen.
Verzicht auf Grapefruit !!
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Wechselwirkungen
Arzneimittel / Genussmittel
Beispiel
Bei gleichzeitigem Gebrauch von Theophyllin und Nikotin besteht Gefahr
einer zu niedrigen pharmakodynamischen Wirkung des Theophyllin.
Ursache:
Nikotin / Tabakrauch erhöht die „Aktivität“ des Enzyms CYP 1A2, das
an dem Metabolismus von Theophyllin maßgeblich beteiligt ist.
Folge:
zu niedrige Theophyllin-Konzentration im Blutplasma,
zu geringe pharmakodynamische Wirkung
Vorgehensweise:
Theophyllin-Dosis anpassen.
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Aus NVL Asthma August 2013
Dosierungsempfehlung laut Fachinformation:
Erwaschene
Nichtraucher
Raucher
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Körpergewicht
60 – 70 kg
Dosis Gesamtdosis Häufigkeit
mg/kg
mg
der Gabe
11 – 13
660 – 910
1–2
18
1080 – 1260
2
Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Kritische Anmerkungen
1.
Bei der Dosiswahl sind Lebensgewohnheiten zu beachten:
Dosis für Nichtraucher führt bei Rauchern zu einer zu geringen
pharmakodynamischen Wirkung;
2.
Therapiekontrolle durch häufigere Bestimmung des Wirkstoffes im Plasma.
3.
Bei Änderung der Rauchgewohnheiten besteht Gefahr einer Intoxikation;
Kontrolle der Wirkstoff-Konzentration im Plasma;
Dosisanpassung !!
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Literaturempfehlungen
Dosierungsempfehlungen bei Niereninsuffzienz
www. dosing.de
Priscus-Liste: potenziell inadäquate Medikation für ältere Menschen
www.priscus.net/download/PRISCUS-Liste_PRISCUS-TP3_2011.pdf
Interaktionstabellen (eher für „Fortgeschrittene“)
http://medicine.iupui.edu/clinpharm/ddis/clinical-table
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten
Zusammenfassung
1.
Bei jeder Pharmakotherapie muss mit unerwünschten Wirkungen
gerechnet werden.
2.
Schädliche Wirkungen sind häufig dosisabhängig.
3. Biopharmazeutische oder pharmakokinetische Aspekte ( z.B. Alter,
Gewicht, galenische Zubereitung ) beeinflussen in unterschiedlichem
Maße jede Medikamentenwirkung.
4. Bei unvorhersehbaren und ungewöhnlichen pharmakodynamischen
Effekten muss immer auf mögliche Wechselwirkungen zwischen
mehreren Medikamenten geachtet werden.
5. Bei unvorhersehbaren und ungewöhnlichen pharmakodynamischen
Effekten müssen auch Lebens- und Nahrungsgewohnheiten hinterfragt
werden.
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Schädliche Wirkungen von Medikamenten