42 Tier BAUERNBLATT l 6. Juni 2015 ■ Afrikanische Schweinepest und Biosicherheit Hoher Hygienestandard kann Ausbruch verhindern Bisher gab es bei Hausschweinen noch keinen Fall von Afrikanischer Schweinepest in Deutschland. Damit das auch so bleibt, müssen die Schweine haltenden Betriebe schon aus eigenem Interesse einen hohen Biosicherheitsstandard erfüllen. Der folgende Artikel führt grundlegende Maßnahmen der Biosicherheit und Hygiene auf. Seit 2007 tritt die Afrikanische Schweinepest (ASP) gehäuft im Kaukasus und in Russland auf. Auf der italienischen Insel Sardinien gilt sie inzwischen als endemisch, also regional gehäuft. Jüngst wurden zwei Fälle auf Sardinien bei Hausschweinen in diesem März gemeldet, in Polen ein weiterer Fall Ende März. Der dortige Ausbruchsbestand befindet sich im Gebiet an der Grenze zu Weißrussland, in dem die Afrikanische Schweinepest seit Februar 2014 immer wieder aufgetreten ist. In den anderen Ländern der EU galt sie bis zu den Ausbrüchen im Herbst 2014 in Litauen und Polen bei Wildschweinen als ausgemerzt. Zuletzt wurde die ASP am 27. März 2015 in Estland bei 38 Wildschweinen nachgewiesen. Hochansteckend, aber nicht für Menschen Die Afrikanische Schweinepest ist eine anzeigepflichtige, fieberhafte, hochansteckende Erkrankung der Schweine mit seuchenhaftem Verlauf, hoher Krankheitshäufigkeit und hoher Sterblichkeit. Sie kann klinisch nicht von der Klassischen/Europäischen Schweinepest (ESP) unterschieden werden, da sie sich ebenfalls durch unspezifische Krankheitsanzeichen und -verläufe wie Schwäche, Fressunlust, Bewegungsstörungen, Atemprobleme oder blutigen Durchfall äußern kann. ASP wird durch ein Virus aus der Familie der Asfarviridae (ASPV) verursacht. Das Virus ist ein großes und komplexes, behülltes DNA-Virus. Da es behüllt ist, wirken nicht alle Desinfektionsmittel. Seine Wirte sind Haus-, Wildund Warzenschweine sowie eine bestimmte Lederzeckengattung, Ornithodorus, in Afrika. ASP ist aber keine Zoonose, sie wird also nicht auf Menschen übertragen. Das Virus hat viele Mechanismen, dem Immunsystem seiner Wirte zu entgehen. Dies erschwert die Impfstoffentwicklung. Ausbreitung vorbeugen und eindämmen Vorsicht beim Umgang mit Wildschweinen: Jagende Landwirte sollten keine Wildschweine in der Nähe ihrer Schweineställe aufbrechen und zerwirken und Jagdhunde nicht in den Schweinestall lassen. Foto: Ulrike Amler Karte: Afrikanische Schweinepest in Estland, Lettland, Litauen und Polen 2014/2015 Quelle: ADNS (Stand: 13.5.2015, 10 Uhr) nach Anhang des Durchführungsbeschlusses 2014/709/EU Als Übertragungswege kommen der Handel von Tieren und Fleisch, Wildschweine auf Wanderung sowie Personen und Fahrzeuge infrage. Die „Wurstbrot“-Theorie geht von einem Einschleppungsrisiko über infizierte Schweinefleischprodukte und das Wegwerfen von Speiseabfällen aus, sodass überall an Autobahnraststätten oder Flughäfen mehrsprachige Merkblätter liegen, die vor dem unvorsichtigen Wegwerfen von Fleischerzeugnissen warnen. Essensreste auf Autobahnraststätten, Parkplätzen oder Autohöfen sollten nur in fest verschlossene Müllbehälter entsorgt werden. Das Virus ist sehr widerstandsfähig: In gesalzenem Schinken bleibt es bis zu 140 Tage infektiös, in gekühltem Fleisch hält es sich ebenfalls mehrere Wochen, in gefrorenem Fleisch sogar jahrzehntelang. Für den Menschen geht aber kein Risiko vom Verzehr von Fleisch- und Wurstprodukten aus. Ein ASP-Ausbruch in Deutschland hätte weitreichende wirtschaftliche Folgen. So sind die vorgeschriebenen Stand-still-Zeiten bei der Afrikanischen Schweinepest wesentlich länger als bei der Europäischen Schweinepest. Nur mit einem hohen Biosicherheitsstandard ist die Ausbreitung aufzuhalten. Das Einschleppungsrisiko besteht, sodass alle Personen, die beruflich mit lebenden Schweinen, Schweinefleisch und dessen Erzeugnissen zu tun haben, sensibilisiert werden müssen. Da die Krankheit in Deutschland bisher noch nicht aufgetreten ist, richtet sich das Augenmerk der Behörden auf die Seuchenfrüherkennung. Gesetzliche Grundlagen der Bekämpfung Die wichtigsten europäischen rechtlichen Grundlagen sind die Richtlinie 2002/60/EG des Rates: Festlegung von besonderen Vorschriften für die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest und die Entscheidung 2003/422/EG der Kommission: Genehmigung eines Diagnosehandbuchs für die Afrikanische Schweinepest. Im Bundesrecht gibt es die Verordnung zum Schutz gegen die Schweinepest und die Afrikanische Schweinepest (Schweinepestverordnung) in der jeweils gel- Tier ■ BAUERNBLATT l 6. Juni 2015 Tabelle: Häufigkeit des Nachweises der Afrikanischen Schweinepest in der EU 2015, Zeitraum: 1.1. bis 11.5.2015 Mitgliedsstaat Datum des Anzahl letzten der NachNachweises weise Nachweise bei Hausschweinen 6 Italien (Sardinien) 30.4.2015 31.1.2015 1 Polen gesamt 7 Nachweise bei Wildschweinen Estland 8.5.2015 56 17 Italien (Sardinien) 24.4.2015 82 Lettland 8.5.2015 29 Litauen 8.5.2015 28 Polen 29.4.2015 212 gesamt Quelle: Animal Disease Notification System (ADNS) der Europäischen Kommission (http://ec.europa.eu/food/animal/diseases/ adns/index_en.htm) tenden Fassung. Auch die Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV) und die Schweinehaltungshygieneverordnung (SchHaltHygV) enthalten Hygienebestimmungen gegen die Verbreitung von Tierseuchen. Die Schweinehaltungshygieneverordnung fordert beispielsweise bei gehäuftem Auftreten von Todesfällen, Kümmerern, Erkrankungen mit hohem Fieber, ungeklärten Todesfällen, erfolgloser zweimaliger Antibiotikabehandlung in allen Schweinebetrieben oder erhöhten Umrauscherraten und Aborten bei Zuchtbetrieben, dass der Hoftierarzt die Ursache erforscht und dabei auch ESP und ASP differenzialdiagnostisch untersucht. Schweinepest-Monitoring zur Früherkennung Das neue Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) ist seit Mai 2014 in Kraft und regelt die Biosicherheit auf landwirtschaftlichen Betrieben. Der Tierhalter ist dafür verantwortlich, dass keine Tierseuchen in den Bestand eingeschleppt oder aus dem Bestand ausgetragen werden. Wurden die Maßnahmen nicht ordnungsgemäß ausgeführt, kann die Tierseuchenkasse im Seuchenfall die Entschädigung verweigern. Einzelne Bundesländer haben Früherkennungs-Monitoringprogramme ins Leben gerufen. Biosicherheit in Handlungen umsetzen Biosicherheit ist kein abstrakter Begriff. Sie kann mit Leben gefüllt werden, indem konkrete Handlun- gen umgesetzt werden. Letztendlich dient Biosicherheit dem Grundinteresse eines jeden Tierhalters an einem gesunden Tierbestand und an einer erfolgreichen Tierhaltung. Zur Betriebshygiene gehören unter anderem die Umzäunung des Betriebes, eine Verladerampe, eine Hygieneschleuse, Tierzukauf nur aus Betrieben mit bekanntem Gesundheitsstatus sowie ein Quarantäne- Schadnagerbekämpfung: Zur Biosicherheit zählt stall. Die Mitarbeiter- auch die konsequente Schadnagerbekämpfung. hygiene erfordert eine konsequente Schwarz-Weiß-Tren- ● Haustiere wie Hunde und Katzen nung, betriebseigene Kleidung, ge- vom Schweinestall fernhalten trennte Aufbewahrung von Straßen- und Stallkleidung, Dusche, Jäger sind wichtige Helfer Handwaschbecken im Stall, das Trazur Vorbeuge gen von Handschuhen bei Behandlungen, Schuhdesinfektion und StieDa hohe Schwarzwildbestände felwaschanlage. Fremde Besucher die Ausbreitung von Krankheiten müssen klingeln oder anrufen und begünstigen können, sind die Jäger sich in eine Besucherliste eintragen. in ihren Revieren aufgerufen, die BeDie wichtigsten externen Biosi- stände, besonders Frischlinge und cherheitsmaßnahmen für Schweine- Überläuferbachen, beispielsweise haltungen sind: durch Gemeinschafts- und revier● alle Transportfahrzeuge nach je- übergreifende Jagden zu verrinden Gebrauch reinigen und desinfi- gern. Derzeit laufen Untersuchunzieren gen zur Dynamik der ASP in ● Futter und Einstreu wildschwein- Schwarzwildbeständen durch das sicher lagern Friedlich Loeffler-Institut, FLI, und ● Auslauf- und Freilandhaltung das Helmholtz-Zentrum für Umweltmüssen beim Veterinäramt geneh- forschung. Schweinehalter, die auch migt und durch einen schwarzwild- Jäger sind, sollten zusätzlich zu den sicheren Zaun geschützt werden allgemeinen Biosicherheitsmaßnah● keine Lebensmittelabfälle und men auf die folgenden VorsichtsSpeisereste an Schweine verfüttern maßnahmen achten: ● Schadnager und Schädlinge tur- ● mögliche Übertragungswege nusmäßig bekämpfen durch Kleidung, Schuhe, Gerätschaf● abgesicherte Kadaverlagerung ten, Messer, Abfälle oder Trophäen außerhalb des Betriebsgeländes insbesondere bei Jagdreisen in an- dere Reviere oder im Ausland vermeiden, Jagdgegenstände sorgfältig reinigen und desinfizieren, nicht mit Jagdbekleidung oder Jagdausrüstung in den Stall gehen ● nach der Jagd den Stall erst nach gründlicher Reinigung (Dusche) betreten ● die strikte räumliche Trennung von jagdlicher Kühlkammer und Schweinestall einhalten, keine Wildschweine auf dem Hof zerwirken ● den Aufbruch nicht zum Kirren verwenden und sachgerecht entsorgen ● tot aufgefundene Wildschweine (Fallwild) untersuchen lassen, Tierkörper oder Tupferprobe beim Veterinäramt abgeben ● erlegte verhaltensauffällige Tieren oder Tiere mit Organveränderungen unverzüglich der Jagd- und Veterinärbehörde melden Reinigung und Desinfektion oberstes Gebot Da das Virus behüllt ist, wirkt nicht jedes Desinfektionsmittel. Das Virus ist empfindlich gegenüber Chlor-, Jod- und Phenolverbindungen, quaternären Ammoniumverbindungen, Lipidlösungsmitteln, Detergenzien und oxidierenden Agenzien. Eine gewissenhafte Reinigung und Desinfektion sind die Basis der Biosicherheit in der Tierhaltung. Vor der Desinfektion müssen die Abteile sorgfältig gereinigt werden. Ist der Stall trocken besenrein gemacht, werden die Schweinebuchten mehrere Stunden eingeweicht und anschließend per Hochdruckreiniger mit genügend Druck, mindestens 75 bar, gereinigt. Erwärmtes Wasser erhöht die Reinigungswirkung, und Tenside erleichtern das Lösen wasserunlöslicher Fettfilme. Nachdem das Spülwasser frei von Schmutzpartikeln und wieder klar ist, müssen die Flächen vollständig abgetrocknet und Wasserreste aus Tränken und Futtertrögen entfernt sein, damit sich das Desinfektionsmittel nicht verdünnt. Das eingesetzte Desinfektionsmittel sollte DVG-geprüft sein. Da die Mittel unterschiedliche Wirkungen gegen Bakterien, Viren, Pilze, Kokzidien oder Wurmeier haben, ist der Wirkstoff regelmäßig zu wechseln, damit alle Erreger erreicht werden und es nicht zu einer Resistenzbildung kommt. Desinfektionsmittel dürfen auf keinen Fall vermischt werden, da sie sich teilweise in ihrer Wirkung aufheben und im Extremfall giftige oder sogar explosive MiDas Futter darf nicht für Wildschweine zugänglich sein, Futtermittelreste zie- schungen entstehen. Die Gebrauchsanweisung bezieht sich auf hen Schadnager und Vögel an. 43 44 Tier BAUERNBLATT l 6. Juni 2015 ■ eine Temperatur von 20 °C, dies entspricht der Temperatur in der Mittelprüfung. Bei niedrigeren Temperaturen können die Wirkstoffe an Wirksamkeit verlieren. Dann ist die Konzentration zu erhöhen. Die gebrauchsfertige Lösung sollte nur mit einem geringen Druck ausgebracht werden, wobei die notwendige Einwirkzeit unbedingt einzuhalten ist, damit die gewünschte Wirkung auch eintritt. Vor der Neubelegung müssen eventuelle Desinfektionsmittelreste wieder entfernt werden. Die Futteraußenlagerung sollte wildschweinsicher sein. Fotos (3): Angelika Sontheimer Angelika Sontheimer freie Autorin Tel.: 0 50 56-97 14 06 [email protected] FAZIT Die Afrikanische Schweinepest, ASP, ist eine anzeigepflichtige Tierseuche. Zuletzt wurden Ausbrüche bei Hausschweinen in Sardinien und Polen sowie Wildschweinen in Polen, Estland, Lettland und Litauen gemeldet. In Deutschland wird auf ASP im Rahmen des Schweinepestmonitorings zur Früherkennung und Gefahrenabwehr untersucht. Schweinehalter sollten, insbesondere wenn sie zugleich Jäger sind, auf ihren Betrieben die Biosicherheitsmaßnahmen überprüfen und konsequent umsetzen. Betriebsrundgang in Gönnebek Beim Algenzüchter umgeschaut Teilnehmer am Algenseminar der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) besuchten die Sea & Sun Organic in Gönnebek. Gesellschafter Heinz Schelwat vermittelte die Praxis der Algenzucht sehr anschaulich. Die Landwirte erfuhren in vielen interessanten Gesprächen, was für beachtliche wirtschaftliche Möglichkeiten in den unscheinbaren Mikroalgen stecken. Algen haben unter optimalen Bedingungen eine sehr hohe Wachstumsrate. Sie sind allein auf das Element Wasser angewiesen. Seine vorhandenen und zugesetzten Nähr- stoffe zusammen mit Sonnenlicht und Wärme reichen aus, damit sie schnell und ertragreich wachsen. Seit 2011 forscht Sea & Sun in einem ehemaligen Gartenbaubetrieb in Gönnebek an der Produktion von Mikroalgen unter Glas. Dafür wurde ein hocheffizienter Photobioreaktor entwickelt. Für Vorkulturen kommen einfache Säulenreaktoren zum Einsatz. Große Algenmengen lassen sich in sogenannten Raceway Ponds mit 80.000 l Fassungsvermögen produzieren. Durch die künftige Anwendung Regenerativer Energietechnik wie Photovoltaik und Geothermie sei beabsichtigt, die Mikroalgenproduktion bewusst nachhal- DLG-Seminargruppe vor dem Raceway Pond, li.: Prof. Dr. Rüdiger Schulz . tig zu gestalten, führte Heinz Schel- rund 300.000 existierenden Algenarten erforscht sei, könne das enorme wat aus. wirtschaftliche Potenzial der Algenproduktion noch gar nicht überblickt Nahrungsergänzung werden. Heinz Schelwat sieht für die für Mensch und Tier Mikroalgenerzeugung einen „Markt Heinz Schelwat hat viele innovative der unbegrenzten Möglichkeiten“ Ideen für sein Unternehmen. So sei ge- voraus – Millionengeschäfte könnten plant Nahrungsergänzungsmittel, wie Wirklichkeit werden. Ein Seminarteilbeispielsweise Omega-3-Fettsäuren, nehmer meinte dazu, dass ein betriebProteine und Vitamine für die licher Alleingang durch die erforderlimenschliche und tierische Verwen- che Labortechnik derzeit nicht machdung in Gönnebek zu erzeugen, teilte bar sei. Realistisch dagegen wäre ein er den aufmerksamen Seminarteil- Zusammenschluss mehrerer landwirtnehmern mit. Dafür kämen unter- schaftlicher Unternehmen, die geschiedlicheAlgenartenmitjeweilsspe- meinsamen diesen neuen Betriebsziellen Eigenschaften zum Einsatz. zweig bearbeiten. Weil erst ein geringer Prozentsatz der Freisetzen von landwirtschaftlicher Fläche Alternativ zu den landbasierten Algenzuchten ließen sich Anlagen auch auf der Ostsee positionieren. Über Testversuche aus der Kieler Bucht berichtete Professor Dr. Rüdiger Schulz von der Universität Kiel. Diese Offshoretechnik, in großem Maßstab angewendet, könne sich weitreichend und positiv auf die traditionelle Landwirtschaft auswirken, führte Seminarorganisatorin Dr. Birgit SchmidtPuckhaber von der DLG aus. Maismonokulturflächen für die Biomasseerzeugung könnten alternativ genutzt werden, wenn Biomasse für die Biogasanlagen aus dem Meer käme. Dies hätte günstige Auswirkungen auf die Pachtpreishöhe landwirtschaftlicher Nutzflächen. Foto: Dr. Jörg Krapoth PM, Dr. Kerstin Tina Hamann
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