Hoher Hygienestandard kann Ausbruch verhindern

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BAUERNBLATT l 6. Juni 2015 ■
Afrikanische Schweinepest und Biosicherheit
Hoher Hygienestandard kann Ausbruch verhindern
Bisher gab es bei Hausschweinen
noch keinen Fall von Afrikanischer
Schweinepest in Deutschland. Damit das auch so bleibt, müssen die
Schweine haltenden Betriebe
schon aus eigenem Interesse einen
hohen Biosicherheitsstandard erfüllen. Der folgende Artikel führt
grundlegende Maßnahmen der Biosicherheit und Hygiene auf.
Seit 2007 tritt die Afrikanische
Schweinepest (ASP) gehäuft im Kaukasus und in Russland auf. Auf der
italienischen Insel Sardinien gilt sie
inzwischen als endemisch, also regional gehäuft. Jüngst wurden zwei
Fälle auf Sardinien bei Hausschweinen in diesem März gemeldet, in Polen ein weiterer Fall Ende März. Der
dortige Ausbruchsbestand befindet
sich im Gebiet an der Grenze zu
Weißrussland, in dem die Afrikanische Schweinepest seit Februar 2014
immer wieder aufgetreten ist. In den
anderen Ländern der EU galt sie bis
zu den Ausbrüchen im Herbst 2014
in Litauen und Polen bei Wildschweinen als ausgemerzt. Zuletzt wurde
die ASP am 27. März 2015 in Estland
bei 38 Wildschweinen nachgewiesen.
Hochansteckend,
aber nicht für Menschen
Die Afrikanische Schweinepest ist
eine anzeigepflichtige, fieberhafte,
hochansteckende Erkrankung der
Schweine mit seuchenhaftem Verlauf, hoher Krankheitshäufigkeit
und hoher Sterblichkeit. Sie kann klinisch nicht von der Klassischen/Europäischen Schweinepest (ESP) unterschieden werden, da sie sich ebenfalls durch unspezifische Krankheitsanzeichen und -verläufe wie Schwäche, Fressunlust, Bewegungsstörungen, Atemprobleme oder blutigen
Durchfall äußern kann. ASP wird
durch ein Virus aus der Familie der
Asfarviridae (ASPV) verursacht. Das
Virus ist ein großes und komplexes,
behülltes DNA-Virus. Da es behüllt
ist, wirken nicht alle Desinfektionsmittel. Seine Wirte sind Haus-, Wildund Warzenschweine sowie eine bestimmte Lederzeckengattung, Ornithodorus, in Afrika. ASP ist aber keine Zoonose, sie wird also nicht auf
Menschen übertragen. Das Virus hat
viele Mechanismen, dem Immunsystem seiner Wirte zu entgehen. Dies
erschwert die Impfstoffentwicklung.
Ausbreitung vorbeugen
und eindämmen
Vorsicht beim Umgang mit Wildschweinen: Jagende Landwirte sollten keine
Wildschweine in der Nähe ihrer Schweineställe aufbrechen und zerwirken und
Jagdhunde nicht in den Schweinestall lassen.
Foto: Ulrike Amler
Karte: Afrikanische Schweinepest in Estland, Lettland,
Litauen und Polen 2014/2015
Quelle: ADNS (Stand: 13.5.2015, 10 Uhr) nach Anhang des Durchführungsbeschlusses 2014/709/EU
Als Übertragungswege kommen
der Handel von Tieren und Fleisch,
Wildschweine auf Wanderung sowie Personen und Fahrzeuge infrage. Die „Wurstbrot“-Theorie geht
von einem Einschleppungsrisiko
über infizierte Schweinefleischprodukte und das Wegwerfen von Speiseabfällen aus, sodass überall an Autobahnraststätten oder Flughäfen
mehrsprachige Merkblätter liegen,
die vor dem unvorsichtigen Wegwerfen von Fleischerzeugnissen warnen. Essensreste auf Autobahnraststätten, Parkplätzen oder Autohöfen sollten nur in fest verschlossene
Müllbehälter entsorgt werden. Das
Virus ist sehr widerstandsfähig: In
gesalzenem Schinken bleibt es bis zu
140 Tage infektiös, in gekühltem
Fleisch hält es sich ebenfalls mehrere
Wochen, in gefrorenem Fleisch sogar jahrzehntelang. Für den Menschen geht aber kein Risiko vom Verzehr von Fleisch- und Wurstprodukten aus. Ein ASP-Ausbruch in
Deutschland hätte weitreichende
wirtschaftliche Folgen. So sind die
vorgeschriebenen Stand-still-Zeiten
bei der Afrikanischen Schweinepest
wesentlich länger als bei der Europäischen Schweinepest. Nur mit einem hohen Biosicherheitsstandard
ist die Ausbreitung aufzuhalten. Das
Einschleppungsrisiko besteht, sodass
alle Personen, die beruflich mit lebenden Schweinen, Schweinefleisch
und dessen Erzeugnissen zu tun haben, sensibilisiert werden müssen.
Da die Krankheit in Deutschland bisher noch nicht aufgetreten ist, richtet sich das Augenmerk der Behörden auf die Seuchenfrüherkennung.
Gesetzliche Grundlagen
der Bekämpfung
Die wichtigsten europäischen
rechtlichen Grundlagen sind die
Richtlinie 2002/60/EG des Rates: Festlegung von besonderen Vorschriften
für die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest und die Entscheidung 2003/422/EG der Kommission: Genehmigung eines Diagnosehandbuchs für die Afrikanische
Schweinepest. Im Bundesrecht gibt
es die Verordnung zum Schutz gegen die Schweinepest und die Afrikanische Schweinepest (Schweinepestverordnung) in der jeweils gel-
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Tabelle: Häufigkeit des
Nachweises der Afrikanischen
Schweinepest in der EU 2015,
Zeitraum: 1.1. bis 11.5.2015
Mitgliedsstaat
Datum des Anzahl
letzten der NachNachweises weise
Nachweise bei Hausschweinen
6
Italien (Sardinien) 30.4.2015
31.1.2015
1
Polen
gesamt
7
Nachweise bei Wildschweinen
Estland
8.5.2015
56
17
Italien (Sardinien) 24.4.2015
82
Lettland
8.5.2015
29
Litauen
8.5.2015
28
Polen
29.4.2015
212
gesamt
Quelle: Animal Disease Notification System
(ADNS) der Europäischen Kommission
(http://ec.europa.eu/food/animal/diseases/
adns/index_en.htm)
tenden Fassung. Auch die Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV) und
die Schweinehaltungshygieneverordnung (SchHaltHygV) enthalten
Hygienebestimmungen gegen die
Verbreitung von Tierseuchen. Die
Schweinehaltungshygieneverordnung fordert beispielsweise bei gehäuftem Auftreten von Todesfällen,
Kümmerern, Erkrankungen mit hohem Fieber, ungeklärten Todesfällen, erfolgloser zweimaliger Antibiotikabehandlung in allen Schweinebetrieben oder erhöhten Umrauscherraten und Aborten bei Zuchtbetrieben, dass der Hoftierarzt die
Ursache erforscht und dabei auch
ESP und ASP differenzialdiagnostisch untersucht.
Schweinepest-Monitoring
zur Früherkennung
Das neue Tiergesundheitsgesetz
(TierGesG) ist seit Mai 2014 in Kraft
und regelt die Biosicherheit auf
landwirtschaftlichen Betrieben. Der
Tierhalter ist dafür verantwortlich,
dass keine Tierseuchen in den Bestand eingeschleppt oder aus dem
Bestand ausgetragen werden. Wurden die Maßnahmen nicht ordnungsgemäß ausgeführt, kann die
Tierseuchenkasse im Seuchenfall die
Entschädigung verweigern. Einzelne
Bundesländer haben Früherkennungs-Monitoringprogramme ins
Leben gerufen.
Biosicherheit in
Handlungen umsetzen
Biosicherheit ist kein abstrakter
Begriff. Sie kann mit Leben gefüllt
werden, indem konkrete Handlun-
gen umgesetzt werden. Letztendlich dient
Biosicherheit
dem
Grundinteresse eines
jeden Tierhalters an einem gesunden Tierbestand und an einer erfolgreichen
Tierhaltung. Zur Betriebshygiene gehören unter
anderem die Umzäunung des Betriebes, eine Verladerampe, eine
Hygieneschleuse, Tierzukauf nur aus Betrieben mit bekanntem
Gesundheitsstatus sowie ein Quarantäne- Schadnagerbekämpfung: Zur Biosicherheit zählt
stall. Die Mitarbeiter- auch die konsequente Schadnagerbekämpfung.
hygiene erfordert eine
konsequente
Schwarz-Weiß-Tren- ● Haustiere wie Hunde und Katzen
nung, betriebseigene Kleidung, ge- vom Schweinestall fernhalten
trennte Aufbewahrung von Straßen- und Stallkleidung, Dusche, Jäger sind wichtige Helfer
Handwaschbecken im Stall, das Trazur Vorbeuge
gen von Handschuhen bei Behandlungen, Schuhdesinfektion und StieDa hohe Schwarzwildbestände
felwaschanlage. Fremde Besucher die Ausbreitung von Krankheiten
müssen klingeln oder anrufen und begünstigen können, sind die Jäger
sich in eine Besucherliste eintragen. in ihren Revieren aufgerufen, die BeDie wichtigsten externen Biosi- stände, besonders Frischlinge und
cherheitsmaßnahmen für Schweine- Überläuferbachen, beispielsweise
haltungen sind:
durch Gemeinschafts- und revier● alle Transportfahrzeuge nach je- übergreifende Jagden zu verrinden Gebrauch reinigen und desinfi- gern. Derzeit laufen Untersuchunzieren
gen zur Dynamik der ASP in
● Futter und Einstreu wildschwein- Schwarzwildbeständen durch das
sicher lagern
Friedlich Loeffler-Institut, FLI, und
● Auslauf- und Freilandhaltung das Helmholtz-Zentrum für Umweltmüssen beim Veterinäramt geneh- forschung. Schweinehalter, die auch
migt und durch einen schwarzwild- Jäger sind, sollten zusätzlich zu den
sicheren Zaun geschützt werden
allgemeinen Biosicherheitsmaßnah● keine Lebensmittelabfälle und men auf die folgenden VorsichtsSpeisereste an Schweine verfüttern maßnahmen achten:
● Schadnager und Schädlinge tur- ● mögliche
Übertragungswege
nusmäßig bekämpfen
durch Kleidung, Schuhe, Gerätschaf● abgesicherte Kadaverlagerung ten, Messer, Abfälle oder Trophäen
außerhalb des Betriebsgeländes
insbesondere bei Jagdreisen in an-
dere Reviere oder im Ausland vermeiden, Jagdgegenstände sorgfältig reinigen und desinfizieren, nicht
mit Jagdbekleidung oder Jagdausrüstung in den Stall gehen
● nach der Jagd den Stall erst nach
gründlicher Reinigung (Dusche) betreten
● die strikte räumliche Trennung
von jagdlicher Kühlkammer und
Schweinestall einhalten, keine Wildschweine auf dem Hof zerwirken
● den Aufbruch nicht zum Kirren
verwenden und sachgerecht entsorgen
● tot aufgefundene Wildschweine
(Fallwild) untersuchen lassen, Tierkörper oder Tupferprobe beim Veterinäramt abgeben
● erlegte verhaltensauffällige Tieren oder Tiere mit Organveränderungen unverzüglich der Jagd- und
Veterinärbehörde melden
Reinigung und Desinfektion
oberstes Gebot
Da das Virus behüllt ist, wirkt
nicht jedes Desinfektionsmittel. Das
Virus ist empfindlich gegenüber
Chlor-, Jod- und Phenolverbindungen, quaternären Ammoniumverbindungen, Lipidlösungsmitteln,
Detergenzien und oxidierenden
Agenzien. Eine gewissenhafte Reinigung und Desinfektion sind die
Basis der Biosicherheit in der Tierhaltung. Vor der Desinfektion müssen die Abteile sorgfältig gereinigt
werden. Ist der Stall trocken besenrein gemacht, werden die Schweinebuchten mehrere Stunden eingeweicht und anschließend per Hochdruckreiniger mit genügend Druck,
mindestens 75 bar, gereinigt. Erwärmtes Wasser erhöht die Reinigungswirkung, und Tenside erleichtern das Lösen wasserunlöslicher
Fettfilme. Nachdem das Spülwasser
frei von Schmutzpartikeln und wieder klar ist, müssen die Flächen vollständig abgetrocknet und Wasserreste aus Tränken und Futtertrögen
entfernt sein, damit sich das Desinfektionsmittel nicht verdünnt. Das
eingesetzte
Desinfektionsmittel
sollte DVG-geprüft sein. Da die Mittel unterschiedliche Wirkungen gegen Bakterien, Viren, Pilze, Kokzidien oder Wurmeier haben, ist der
Wirkstoff regelmäßig zu wechseln,
damit alle Erreger erreicht werden
und es nicht zu einer Resistenzbildung kommt. Desinfektionsmittel
dürfen auf keinen Fall vermischt
werden, da sie sich teilweise in ihrer
Wirkung aufheben und im Extremfall giftige oder sogar explosive MiDas Futter darf nicht für Wildschweine zugänglich sein, Futtermittelreste zie- schungen entstehen. Die Gebrauchsanweisung bezieht sich auf
hen Schadnager und Vögel an.
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eine Temperatur von 20 °C, dies entspricht der Temperatur in der Mittelprüfung. Bei niedrigeren Temperaturen können die Wirkstoffe an
Wirksamkeit verlieren. Dann ist die
Konzentration zu erhöhen. Die gebrauchsfertige Lösung sollte nur
mit einem geringen Druck ausgebracht werden, wobei die notwendige Einwirkzeit unbedingt einzuhalten ist, damit die gewünschte
Wirkung auch eintritt. Vor der Neubelegung müssen eventuelle Desinfektionsmittelreste wieder entfernt
werden.
Die Futteraußenlagerung sollte wildschweinsicher sein.
Fotos (3): Angelika Sontheimer
Angelika Sontheimer
freie Autorin
Tel.: 0 50 56-97 14 06
[email protected]
FAZIT
Die Afrikanische Schweinepest,
ASP, ist eine anzeigepflichtige
Tierseuche. Zuletzt wurden Ausbrüche bei Hausschweinen in
Sardinien und Polen sowie
Wildschweinen in Polen, Estland, Lettland und Litauen gemeldet. In Deutschland wird auf
ASP im Rahmen des Schweinepestmonitorings zur Früherkennung und Gefahrenabwehr untersucht. Schweinehalter sollten, insbesondere wenn sie zugleich Jäger sind, auf ihren Betrieben die Biosicherheitsmaßnahmen überprüfen und konsequent umsetzen.
Betriebsrundgang in Gönnebek
Beim Algenzüchter umgeschaut
Teilnehmer am Algenseminar der
Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) besuchten die Sea &
Sun Organic in Gönnebek. Gesellschafter Heinz Schelwat vermittelte die Praxis der Algenzucht sehr
anschaulich. Die Landwirte erfuhren in vielen interessanten Gesprächen, was für beachtliche wirtschaftliche Möglichkeiten in den
unscheinbaren Mikroalgen stecken.
Algen haben unter optimalen Bedingungen eine sehr hohe Wachstumsrate. Sie sind allein auf das Element Wasser angewiesen. Seine vorhandenen und zugesetzten Nähr-
stoffe zusammen mit Sonnenlicht
und Wärme reichen aus, damit sie
schnell und ertragreich wachsen.
Seit 2011 forscht Sea & Sun in einem
ehemaligen Gartenbaubetrieb in
Gönnebek an der Produktion von
Mikroalgen unter Glas. Dafür wurde
ein hocheffizienter Photobioreaktor
entwickelt. Für Vorkulturen kommen einfache Säulenreaktoren zum
Einsatz. Große Algenmengen lassen
sich in sogenannten Raceway Ponds
mit 80.000 l Fassungsvermögen produzieren. Durch die künftige Anwendung Regenerativer Energietechnik wie Photovoltaik und Geothermie sei beabsichtigt, die Mikroalgenproduktion bewusst nachhal-
DLG-Seminargruppe vor dem Raceway Pond, li.: Prof. Dr. Rüdiger Schulz .
tig zu gestalten, führte Heinz Schel- rund 300.000 existierenden Algenarten erforscht sei, könne das enorme
wat aus.
wirtschaftliche Potenzial der Algenproduktion noch gar nicht überblickt
Nahrungsergänzung
werden. Heinz Schelwat sieht für die
für Mensch und Tier
Mikroalgenerzeugung einen „Markt
Heinz Schelwat hat viele innovative der unbegrenzten Möglichkeiten“
Ideen für sein Unternehmen. So sei ge- voraus – Millionengeschäfte könnten
plant Nahrungsergänzungsmittel, wie Wirklichkeit werden. Ein Seminarteilbeispielsweise Omega-3-Fettsäuren, nehmer meinte dazu, dass ein betriebProteine und Vitamine für die licher Alleingang durch die erforderlimenschliche und tierische Verwen- che Labortechnik derzeit nicht machdung in Gönnebek zu erzeugen, teilte bar sei. Realistisch dagegen wäre ein
er den aufmerksamen Seminarteil- Zusammenschluss mehrerer landwirtnehmern mit. Dafür kämen unter- schaftlicher Unternehmen, die geschiedlicheAlgenartenmitjeweilsspe- meinsamen diesen neuen Betriebsziellen Eigenschaften zum Einsatz. zweig bearbeiten.
Weil erst ein geringer Prozentsatz der
Freisetzen von
landwirtschaftlicher Fläche
Alternativ zu den landbasierten Algenzuchten ließen sich Anlagen auch
auf der Ostsee positionieren. Über
Testversuche aus der Kieler Bucht berichtete Professor Dr. Rüdiger Schulz
von der Universität Kiel. Diese Offshoretechnik, in großem Maßstab angewendet, könne sich weitreichend
und positiv auf die traditionelle Landwirtschaft auswirken, führte Seminarorganisatorin Dr. Birgit SchmidtPuckhaber von der DLG aus. Maismonokulturflächen für die Biomasseerzeugung könnten alternativ genutzt
werden, wenn Biomasse für die Biogasanlagen aus dem Meer käme. Dies hätte günstige Auswirkungen auf
die Pachtpreishöhe landwirtschaftlicher Nutzflächen.
Foto: Dr. Jörg Krapoth
PM, Dr. Kerstin Tina Hamann