Jahresbericht 2014 - Ombudsstelle Krankenversicherung

Ombudsstelle
Krankenversicherung
Jahresbericht
'14
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Vorwort der Ombudsfrau
Geschätzte Leserinnen und Leser
Nach der Jubiläumsausgabe 2013, in der ich die Geschichte unserer Ombudsstelle seit ihrer Gründung im Jahre 1993 zusammengefasst habe, erscheint für das
Jahr 2014 wieder ein Jahresbericht im gewohnten Stil. Neben den statistischen
Daten sind auch aktuelle Fallbeispiele wiedergegeben, welche die Vielfalt der Anfragen und das von unserem Team geforderte Fachwissen aufzeigen.
Vor dem Hintergrund der weiterhin zunehmenden Bedeutung der elektronischen
Kommunikation wird der Jahresbericht unserer Ombudsstelle von nun an nicht
mehr gedruckt, sondern lediglich im Internet aufgeschaltet und zwar in den drei
Amtssprachen der Schweiz (Deutsch, Französisch und Italienisch).
Ich hoffe, der neue Jahresbericht 2014 findet Ihr Interesse.
Abschliessend möchte ich den Versicherten und den Krankenversicherern für das
in die Ombudsstelle gesetzte Vertrauen und den Mitarbeitern der Geschäftsstelle
für das tägliche Engagement im Interesse der Ratsuchenden danken.
Ihre Ombudsfrau
Morena Hostettler Socha
Luzern, 13. Mai 2015
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Inhaltsverzeichnis
1. Geschäftsstelle
2. Stiftungsrat
3. Zahlen
3.1 Eingänge nach Materien
3.2 Eingänge nach Versicherungssparten
3.3 Eingänge nach Sprachen
3.4 Entwicklung der Eingänge (Zusammenfassung)
4. Erledigungsgrundsätze der Vermittlungstätigkeit
4.1 Wann ist die Ombudsstelle für einen Fall zuständig?
4.2 Wann kann die Ombudsstelle den Versicherten nicht helfen?
4.3 Wer kann die Dienste der Ombudsstelle in Anspruch nehmen und
wie ist dabei vorzugehen?
4.4 Und wenn die versicherte Person eine Rechtsschutzversicherung
hat oder von einem Rechtsanwalt vertreten wird?
4.5 Was können die Versicherten von der Ombudsstelle und ihrem
Team erwarten?
4.6 Kann die Ombudsstelle die Geschäftspolitik der Krankenversicherer beeinflussen?
5. Aus der Praxis der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
5.1 Kassenwechsel
5.2 Prämien
5.3 Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen
5.4 Leistungen
3
6. Aus der Praxis zu den Zusatzversicherungen
6.1 Vertragsabschluss
6.2 Kassenwechsel
6.3 Prämien
6.4 Mahnpflicht des Versicherers; Verzugsfolgen
7. Aus der Praxis der Fälle mit Auslandbezug
7.1 EU
7.2 Ausland ausserhalb der EU
8. Besondere Fälle
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Jahresbericht nur die männliche Form verwendet.
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1
Geschäftsstelle
Die Geschäftsstelle in Luzern wurde im Berichtsjahr von der Ombudsfrau (Morena
Hostettler Socha), von vier juristischen Mitarbeiterinnen (Isabelle Gottraux, Barbara Würmli, Jasmin Schmid und Fabienne Fellmann), von drei Krankenversicherungsexperten (Urs Eigensatz, Charles Lorétan und Eliane Liniger) und einem juristischen Sekretär (Hans-Thomas Scherrer) betreut. Per 31. Dezember 2014 betrug der Personalbestand 6,8 Stellen.
2
Stiftungsrat
Der Stiftungsrat traf sich am 16. April 2014 zur Prüfung der Jahresrechnung 2013
und zur Verabschiedung des Jahresberichts 2013. Am 12. November 2014 traf er
sich zur Behandlung des Voranschlags 2015 und zur Erörterung des Geschäftsjahres zu einer weiteren Sitzung zusammen.
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Zahlen
Fallentwicklung 2006 bis 2014
7000
6000
Fälle
5000
4000
3000
06
3.1
07
08
09
10
11
12
13
14
Eingänge nach Materien
Im Berichtsjahr 2014 sind bei der Ombudsstelle 5004 Fälle eingegangen (2013:
5668). Dies ergibt gegenüber dem Vorjahr eine Abnahme von 11,7 %. Die Aufteilung nach Materien ergibt Folgendes Bild: 2603 Dossiers im Sektor Versicherungsleistungen (2013: 3039), 1501 im Bereich Abschluss oder Wechsel der Versicherung (2013: 1638) und 700 zum Thema Prämien (2013: 678). Die übrigen 200 Fälle betrafen Fragestellungen allgemeiner Art (2013: 313).
5
4%
14%
52%
30%
3.2
Leistungen
Abschluss
Beiträge
Anderes
Eingänge nach Versicherungssparten
2661 Fälle betrafen allein die Grundversicherung (2013: 2859), 911 Fälle nur die
Zusatzversicherung (2013: 1161), 1006 Fälle beide Versicherungssparten gemeinsam (2013: 1161). Die Taggeldversicherung war in 205 Fällen angesprochen
(2013: 226). Die übrigen 221 Fälle betrafen Fragestellungen allgemeiner Art, teils
ohne Zusammenhang mit der Krankenversicherung (2013: 271). Die Gesamtzahl
der Anfragen erreicht langsam das Durchschnittsniveau der letzten 10 Jahre.
0% 4% 4%
18%
53%
20%
Grundversicherung
GZ (Grund- und Zusatzv.)
Zusatzversicherung
keine
Taggeld
SUVA/Privat
6
3.3
Eingänge nach Sprachen
Deutsch
Französisch
Italienisch
Andere
1% 3%
18%
77%
3876 Eingänge entfielen auf Deutsch (2013: 4403), 914 auf Französisch (2013:
1013) und 160 auf Italienisch (2013: 212). Andere Sprachen (Englisch und Spanisch) 54 (2013: 40).
3.4
Entwicklung der Eingänge (Zusammenfassung)
Die Zahl der Anfragen sind nach einem massiven Anstieg im Spitzenjahr 2010 erneut rückläufig, nämlich von 6303 im Jahre 2010 auf 5004 im Jahre 2014, was ungefähr 20% entspricht. Die Fallzahlen haben sich im Berichtsjahr wieder auf ein
langjähriges Durchschnittsniveau eingependelt.
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4
Erledigungsgrundsätze der Vermittlungstätigkeit
Auch dieses Jahr möchten wir die Aufgabe und die Tätigkeit der Ombudsstelle
nochmals darstellen. Diese Wiederholung drängt sich auf, da sich immer noch Personen mit Anliegen an die Ombudsstelle wenden, denen diese nicht nachkommen
kann. So halten Versicherte sie fälschlicherweise für eine unentgeltliche Rechtsvertretung, der sie Weisungen erteilen können, oder aber verwechseln sie mit einer Gerichtsinstanz, deren Anrufung laufende Fristen unterbricht. Leistungserbringer, aber auch andere Institutionen und Interessenvertreter, sehen sie als patente
Rechtsauskunfts- oder Gutachterstelle, deren Meinungsäusserungen sich auch politisch nutzen lassen. Selbst Mitarbeitern der Krankenkassen ist offenbar nicht immer klar, in welchen Fällen sie ihre Versicherten an die Ombudsstelle verweisen
können und in welchen nicht.
Gemäss der Stiftungsurkunde und dem dazugehörenden Reglement besteht die
Hauptaufgabe der Ombudsstelle darin, Missverständnisse zwischen den Versicherten und ihren jeweiligen Versicherern zu beheben und bei Meinungsverschiedenheiten Lösungen zu vermitteln. In diesem Rahmen berät die Ombudsstelle die
Versicherten in Fragen der Krankenversicherung und informiert sie über die geltende Gesetzgebung und die Rechtsprechung des Bundesgerichts. Dabei erteilt sie in
erster Linie Fall bezogene Auskünfte. Bei Anfragen ausserhalb ihres Zuständigkeitsbereichs verweist sie auf andere Beratungsstellen und Hilfsorganisationen.
Schliesslich interveniert die Ombudsstelle bei einem Krankenversicherer nur dann,
wenn die Hilfe suchende Person die notwendigen Unterlagen zur Verfügung stellt.
Die Ombudsstelle hat sich zum Ziel gesetzt, den Versicherten kostenlos und auf
unbürokratische Art und Weise bei der Lösung ihrer Probleme mit ihrer jeweiligen
Krankenkasse behilflich zu sein.
4.1
Wann ist die Ombudsstelle für einen Fall zuständig?
Sie ist zuständig, wenn ein Versicherungsvertrag aus dem Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) und/oder der Zusatzversicherungen nach dem Bundesgesetz über
den Versicherungsvertrag (VVG) vorliegt und wenn es sich bei den involvierten
Parteien, um eine versicherte Person und eine gemäss Art. 11-13 KVG anerkannte
Krankenkasse mit Sitz in der Schweiz handelt.
Im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nach KVG sind es
vor allem folgende Themen, welche die Versicherten beschäftigen:
– Versicherungspflicht (Beitritt, Befreiung, Sistierung),
– Besondere Versicherungsformen (wählbare Franchisen, Versicherung mit
eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer, usw.)
– Kassenwechsel,
– Leistungen (bei Krankheit, Unfall [nur subsidiär], Mutterschaft),
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– Leistungen im Ausland,
– Zahnbehandlungen,
– Prämien und Kostenbeteiligungen,
– Inkasso,
– freiwillige Taggeldversicherung,
– Datenschutz (Mitwirkungspflicht, Akteneinsicht), usw.
Im Bereich der Zusatzversicherungen nach VVG geht es vorwiegend um nachfolgende Themen:
– Versicherungsantrag,
– Anzeigepflichtverletzung,
– Inkasso,
– Begründung des Versicherungsanspruchs,
– Taggeldversicherung
– Schadenminderungspflicht,
– Doppelversicherung, usw.
4.2
Wann kann die Ombudsstelle den Versicherten nicht helfen?
Die Interventionsmöglichkeiten der Ombudsstelle sind zeitlich beschränkt, das
heisst, wenn der Krankenversicherer im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bereits eine Verfügung erlassen hat, ist der Rechtsweg eröffnet
und eine Vermittlung durch die Ombudsstelle ist nicht mehr möglich. Demzufolge
gibt sie auch keine Einschätzungen zu Prozessaussichten und auch keine
Ratschläge zum weiteren Vorgehen in einem laufenden Rechtsverfahren ab.
Nicht zuständig ist die Ombudsstelle für folgende Fälle:
-
Bei Streitigkeiten zwischen Leistungserbringern und ihren Patienten,
wenn es zum Beispiel um Behandlungs- oder Haftpflichtfragen geht. Hier
muss sie die Versicherten an die Ombudsstelle der Ärzte (in der Regel an
ihrem Wohnsitzkanton) oder an eine Patientenorganisation oder einen spezialisierten Anwalt verweisen.
-
Bei Differenzen zwischen Amtsstellen und Bürgern betreffend Prämienverbilligungen oder Ergänzungsleistungen. Je nach Kanton oder Stadt existieren öffentlich-rechtliche Ombudsstellen, an die sich die Bürger wenden
können.
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-
Bei Divergenzen zwischen einzelnen Amtsstellen (beispielsweise Sozialdiensten), die sich über die Aufteilung von Prämienausstände nicht einig
werden.
-
Für die Überprüfung von behördlich genehmigten Grund- oder Zusatzversicherungsprämien. Die Krankenversicherer dürfen nur genehmigte
und damit verbindliche Prämien anwenden, deren Berechnung die Ombudsstelle nicht hinterfragen kann. Sie kann nur intervenieren, wenn jemand innerhalb eines bewilligten Tarifs falsch eingestuft wird.
-
Für das Fehlverhalten von ungebundenen Versicherungsvermittlern, für
das der Versicherer selber nicht einstehen muss.
In all diesen Fällen beschränkt sich die Ombudsstelle auf kurze, mündliche Auskünfte und Hinweise.
4.3
Wer kann die Dienste der Ombudsstelle in Anspruch nehmen und
wie ist dabei vorzugehen?
In erster Linie wenden sich die Versicherten selbst an die Ombudsstelle. Sie tun
dies meist telefonisch oder per Post, in zunehmendem Masse aber auch per EMail. Dieses Medium ermöglicht zwar eine rasche Kontaktaufnahme, ist aber für
medizinische Daten nicht geeignet. Es führt auch dazu, dass viele Anfragen
schlecht dokumentiert erfolgen und zu Rückfragen führen. Die Website der Ombudsstelle (www.om-kv.ch) enthält ein Kontaktformular und entsprechende Hinweise zur Datensicherheit.
Immer öfters wird die Ombudsstelle auch von Leistungserbringern und Sozialdiensten angerufen, die sich für ihre Patienten und Klienten verwenden, welche
Probleme mit ihrem jeweiligen Krankenversicherer haben. Nur wenn die Patienten
oder Klienten dies ausdrücklich wünschen, tritt die Ombudsstelle auch auf solche
Anfragen ein. Es ist jedoch nicht ihre Aufgabe, anderen Organisationen die Arbeit
abzunehmen oder sich in tarifpolitische Streitigkeiten zwischen Leistungserbringern und Versicherern einzumischen. Dafür gibt es andere Stellen. Gegenüber Anfragen von Versicherten, die von Sozialdiensten betreut werden, reagiert die Ombudsstelle daher zurückhaltend und beschränkt sich auf mündliche Rechtsauskünfte. Von Interventionen beim Krankenversicherer sieht sie meist ab, weil sie nicht
die Aufgaben staatlicher Stellen übernehmen kann.
Auffällig oft wird die Ombudsstelle auch immer wieder von Treuhändern in Namen
ihrer Kunden kontaktiert. Auch hier übt sich die Ombudsstelle in Zurückhaltung.
Schliesslich soll ihre unentgeltliche Dienstleistung den Versicherten selbst und
nicht den Unternehmen zugute kommen, die mit Beratung ihr Geld verdienen.
4.4
Und wenn die versicherte Person eine Rechtsschutzversicherung
hat oder von einem Rechtsanwalt vertreten wird?
Die Ombudsstelle wird nicht tätig, wenn Versicherte Ansprüche gegenüber einer
Rechtsschutzversicherung haben oder bereits durch einen Anwalt vertreten sind.
Leider kommt es häufig vor, dass Rechtsschutzversicherungen, statt die versicher10
te Leistung (Rechtsberatung und anwaltliche Vertretung) zu erbringen, die Versicherten direkt an die Ombudsstelle verweisen, damit diese ihnen unentgeltlich hilft.
Diese Versicherten haben somit bei ihrer Rechtsschutzversicherung für eine Leistung Prämien bezahlt, die sie nun nicht erhalten. Zuständig für Streitigkeiten mit
Rechtsschutzversicherungen ist die Ombudsstelle der Privatversicherung und der
Suva in Zürich, der praktisch alle Rechtsschutzversicherungen angeschlossen
sind.
4.5
Was können die Versicherten von der Ombudsstelle und ihrem
Team erwarten?
Versicherte erhalten eine Einschätzung ihrer Probleme und eine Hilfestellung,
wenn sie mit ihrem Krankenversicherer nicht mehr zurecht kommen. Ihre Fragen
werden detailliert geprüft. Gegebenenfalls wird direkt beim Krankenversicherer interveniert. Die Interventionen erfolgen in der überwiegenden Mehrzahl schriftlich
und führen zu schriftlichen Stellungnahmen. Ist die Sache dringend, werden die
Versicherer ausnahmsweise auch telefonisch kontaktiert. Die Ombudsstelle verfügt
bei jedem Krankenversicherer über Ansprechpersonen, die ihre Anfragen direkt
entgegen nehmen, intern prüfen und beantworten. Stellt die Ombudsstelle fest,
dass die versicherte Person selber einem Irrtum unterliegt, dann erläutert sie ihr
die gesetzlichen und die vertraglichen Bestimmungen. Zudem erklärt sie ihr das
Versicherungssystem und gibt Verhaltenstipps zur Vermeidung weiterer Missverständnisse ab.
4.6
Kann die Ombudsstelle die Geschäftspolitik der Krankenversicherer beeinflussen?
Die Tätigkeit der Ombudstelle erfolgt bezogen auf den Einzelfall und gestützt auf
geltendes Recht. Sie ist keine Aufsichtsbehörde für die Krankenversicherer und
kann diesen weder generell noch im Einzelfall Anweisungen erteilen. Ihre Aufgabe
ist die Vermittlung, die das grundsätzliche Vertrauen der versicherten Person wie
des jeweiligen Krankenversicherers voraussetzt. Deshalb gibt sie keine Werturteile
über Institutionen der Krankenversicherung ab.
Das Reglement berechtigt die Ombudsstelle dazu, den Dachverband der Krankenversicherer (santésuisse) oder sogar die Öffentlichkeit zu informieren, wenn sich in
einem Sachbereich die Klagen der Versicherten häufen. Primär wendet sie sich jedoch an den betroffenen Krankenversicherer und regt direkt Verbesserungen an.
Damit dient sie der Qualitätssicherung in der Branche und kann so in Teilbereichen
tatsächlich Einfluss auf die Geschäftspolitik der Krankenversicherer nehmen.
Immer wieder nimmt die Ombudsstelle mit Geschäftsleitungen von Krankenversicherungen Kontakt auf und weist z.B. auf eine Häufung von Problemen hin. In der
Regel begrüssen die Versicherer solche Interventionen und sind meist auch bereit,
Hand zu unbürokratischen Problemlösungen zu bieten.
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5
Aus der Praxis der oblig. Krankenpflegeversicherung
Die Arbeitsweise und Wirksamkeit der Ombudsstelle soll im Folgenden durch Berichte in Form von kurzen Zusammenfassungen ausgewählter Fallbeispiele, die
häufige oder besondere Probleme und Fragestellungen ansprechen, veranschaulicht werden. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes werden Namen und identifizierende Daten weggelassen oder geändert. Sachverhalt, Abklärungen und Erledigungen sind vereinfachend dargestellt.
5.1
Kassenwechsel
Der Kassenwechsel ist immer wieder Gegenstand von Anfragen bei unserer Ombudsstelle, weil nicht allen obligatorisch versicherten Personen bekannt ist, ab
wann der Wechsel als rechtsgültig erfolgt gilt. Das ist der Fall, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ (alle zusammen) erfüllt sind:
1. die Kündigung ist beim bisherigen Versicherer fristgemäss eingegangen;
2. der neue Versicherer hat die Beitrittserklärung seines zukünftigen Versicherten erhalten;
3. der neue Versicherer hat der bisherigen Krankenkasse mitgeteilt, dass die
beitrittswillige Person bei ihm ohne Unterbrechung des Versicherungsschutzes versichert ist (sog. Nachversicherungsbestätigung gemäss Art. 7 Abs. 5
KVG);
4. allfällige Ausstände sind noch vor Übertritt beglichen worden.
Fall 1:
Ein Versicherter wollte auf Ende 2014 seine obligatorische Krankenpflegeversicherung kündigen. Am Freitag, den 28. November 2014, gab er den Brief per Einschreiben am Postschalter auf. In der Folge teilte ihm seine Krankenkasse mit,
dass das Kündigungsschreiben erst am folgenden Montag, den 1. Dezember
2014, und somit zu spät bei ihr eingegangen sei. Er könne deshalb die obligatorische Krankenpflegeversicherung erst zum nächstmöglichen Kündigungstermin
wechseln. Die Nachforschungen des Versicherten ergaben, dass der beim Postamt zuständige Mitarbeiter sein Einschreiben am 29. November 2014 in das dort
für seine Krankenkasse reservierte Postfach gelegt hatte. Der Versicherte wollte
nun von uns wissen, ob die Ablehnung der Kündigung per 31. Dezember 2014
rechtens sei.
Im vorliegenden Fall war der Ablehnungsbescheid der Krankenkasse korrekt und
wir konnten den Versicherten lediglich über den von ihm begangenen Fehler, wie
folgt, aufklären:
Die Kündigungserklärung ist als einseitiges, aufhebendes Gestaltungsrecht stets
empfangsbedürftig und entfaltet ihre Wirkung erst dann, wenn sie in den Machtbereich der angeschriebenen Person gelangt. Diese Wirkung kann sie bei einer Post12
fachzustellung nicht entfalten. Aus diesem Grund gilt die Kündigungsfrist nur dann
als eingehalten, wenn das Kündigungsschreiben am letzten Arbeitstag vor Ablauf
der gesetzlichen Frist beim Versicherer zur gewöhnlichen Geschäftszeit eingegangen ist. Massgebend ist das Eingangsdatum und nicht der Poststempel.
Im Zusammenhang mit eingeschriebenen Briefen ist zudem zu beachten, dass
diese spätestens am siebten Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch
als zugestellt gelten (vgl. Art. 38 Abs. 2bis ATSG). Wir empfehlen den Versicherten
deshalb immer, die (aus Beweisgründen) per Einschreiben versandten Kündigungen spätestens 10 Tage vor Ablauf der Kündigungsfrist abzuschicken.
Wer sich – wie im vorliegenden Fall – kurzfristig für eine Kündigung seiner obliga torischen Krankenpflegeversicherung entscheidet, dem empfehlen wir, am Schalter der nächsten Krankenkassen-Filiale die schriftliche Kündigung in doppelter
Ausführung vorzulegen und sich auf einer der beiden Kopien den Empfang der
Kündigung – mit Ort und Datum sowie Unterschrift und Stempel des Versicherers
versehen – bestätigen zu lassen. Diese Kopie kann der Versicherte dann als Beweis für die Einhaltung der Kündigungsfrist mit nach Hause nehmen. Die andere
muss er dem Krankenversicherer überlassen.
Fall 2:
Eine Versicherte hatte ihre bisherige obligatorische Krankenpflegeversicherung
fristgemäss per Ende 2013 gekündigt und anschliessend bei der Krankenkasse A
eine Beitrittserklärung abgegeben. Wenige Tage später bereute sie ihren Entscheid und erklärte der Krankenkasse B ihren Beitritt. Diese teilte dem bisherigen
Versicherer umgehend per Einschreiben mit, dass die Versicherte ohne Unterbrechung des Versicherungsschutzes ab dem 1. Januar 2014 bei ihr versichert sei.
Die Nachversicherungsbestätigung von Krankenkasse A traf nachweislich erst
nach derjenigen von Krankenkasse B ein. Beide Versicherer hielten am Vertrag
fest und verlangten Prämien von der Versicherten. Diese wollte von der Ombudsstelle wissen, bei wem sie nun definitiv versichert sei.
Im konkreten Fall steht zunächst einmal fest, dass die Versicherte nicht bei beiden
Krankenkassen gleichzeitig versichert sein kann, da im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ein Doppelversicherungsverbot herrscht (vgl.
BGE 130 V 448).
Unsere Abklärungen haben ergeben, dass eine gültige Kündigung für sich alleine
nicht zur Beendigung des bisherigen Versicherungsverhältnisses führt. Dieses endet gemäss Art. 7 Abs. 5 Satz 1 KVG vielmehr erst, wenn der neue Versicherer
dem bisherigen mitgeteilt hat, dass die betreffende Person bei ihm ohne Unterbrechung des Versicherungsschutzes versichert ist (sog. Nachversicherungsbestätigung; BGE 130 V 448, 450 E. 3.1). Der neue Versicherer erfährt normalerweise
durch die Beitrittserklärung, bei wem die beitrittswillige Person bisher versichert
war und somit an wen er die Nachversicherungsbestätigung zu verschicken hat.
Die Beitrittserklärung begründet in der Regel kein neues Rechtsverhältnis, solange
das bisherige Versicherungsverhältnis noch nicht aufgelöst wurde (vgl. E. 2.3 im
nicht publizierten Bundesgerichtsurteil vom 22. Dezember 2010; 9C_930/2010).
Eine diesbezügliche Ausnahme stellen lediglich die Beitrittserklärungen von Eltern
13
für ihr Neugeborenes und jene von Personen, die vom Ausland kommend zum
ersten Mal in der Schweiz ihren Wohnsitz begründen, dar, weil es in diesen Fällen
kein bisheriges Rechtsverhältnis aufzulösen gibt und eine Nachversicherungsbestätigung nicht notwendig ist. Da im Rahmen eines Kassenwechsels der Beitrittserklärung bis zur erfolgten Nachversicherungsbestätigung kein konstitutiver Charakter beizumessen ist, kann unseres Erachtens zwischen der Versicherten und
der Krankenkasse A kein rechtsgültiges Versicherungsverhältnis gemäss KVG entstanden sein. Im vorliegenden Fall ist die Krankenkasse B mit ihrer per Einschreiben versandten Nachversicherungsbestätigung dem Versicherer A zuvor gekommen. Der Wechsel zur Krankenkasse B hätte nur noch durch die Versicherte selbst
verhindert werden können, wenn sie allfällig noch bestehende Ausstände beim bisherigen Versicherer nicht bezahlt hätte. Dies war jedoch nicht der Fall.
Leider wollte oder konnte die Krankenkasse A unserer Argumentation nicht folgen,
weshalb der Versicherten nur noch der Rechtsweg verblieb, wenn sie der Krankenkasse A nicht beitreten wollte. Dies tat sie. Das Urteil steht noch aus.
Fall 3:
Ein Versicherter beklagte sich bei der Ombudsstelle, dass er nach dem Kassenwechsel per 1. Januar 2014 immer noch Prämienrechnungen von seiner bisherigen Krankenkasse erhalte, obwohl er fristgemäss gekündigt habe, einem neuen
Versicherer beigetreten sei und bei der bisherigen Krankenkasse keine Schulden
gehabt habe.
Unsere Abklärungen haben ergeben, dass der neue Krankenversicherer die Nachversicherungsbestätigung erst im Januar 2014, statt vor dem vorgesehenen Übertritttermin (1. Januar 2014) an die bisherige Krankenkasse verschickt hatte. Aus
diesem Grund musste der Kassenwechsel auf den 1. Februar 2014 verschoben
werden.
Da der Versicherte den Beitritt rechtzeitig erklärt hatte und ihn somit keine Schuld
an der verspäteten Nachversicherungsbestätigung traf, hatte die neue Krankenkasse gemäss Art. 7 Abs. 5 KVG dafür einzustehen. Das bedeutet, dass sie dem
Versicherten einen allfälligen Schaden, der ihm durch die Verschiebung des Kassenwechsels entstanden ist, zu ersetzen hat. In der Regel besteht dieser Schaden
in der Prämiendifferenz, wenn z. B. die Januar-Prämie 2014 beim bisherigen Versicherer höher ist als jene beim neuen Versicherer.
Fall 4:
Ein Versicherter wollte per 1. Januar 2014 einem neuen Krankenversicherer beitreten. Da er bei der bisherigen Krankenkasse noch Prämienschulden hatte, wofür
er bereits betrieben wurde, ging er Ende Dezember 2013 zum Betreibungsamt und
zahlte dort seine Prämienausstände mitsamt allen Unkosten (auch jene des Betreibungsamts). Wenige Wochen später teilte ihm die bisherige Krankenkasse mit,
die Ausstände, die er beim Betreibungsamt beglichen habe, seien zu spät auf ihr
Bankkonto überwiesen worden. Aus diesem Grund könne er den Versicherer nicht
per 1. Januar 2014 wechseln. Der Versicherte wollte von uns wissen, ob dies rechtens sei.
14
Nach Art. 64a Abs. 6 KVG in Verbindung mit Art. 105l Abs. 2 KVV müssen die bis
einen Monat vor Ablauf der Kündigungsfrist gemahnten Prämien, Kostenbeteiligungen und Verzugszinse sowie die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Betreibungskosten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vollständig bezahlt sein. Ist dies
nicht der Fall, kann die Kündigung keine Wirkung entfalten und die übertrittswillige
Person kann den Versicherer nicht wechseln.
Laut Art. 12 Abs. 1 SchKG hat das Betreibungsamt Zahlungen für Rechnung des
betreibenden Gläubigers entgegen zu nehmen. Die Schuld erlischt durch die Zah lung an das Betreibungsamt (Abs. 2).
Zudem gilt gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Zahlungsfrist als
eingehalten, wenn die Begleichung der Rechnung am letzten Tag der angegebenen Frist mittels Post-Einzahlungsschein am Postschalter erfolgt ist (BGE 124 III
145).
Gegenüber der Krankenkasse hat die Ombudsstelle argumentiert, dass die Zahlung an das Betreibungsamt analog der Barzahlung am Postschalter beurteilt werden muss. In beiden Fällen ist der Schuldner zum Zeitpunkt der Einzahlung befreit.
Es ist nicht – wie vom Versicherer geltend gemacht – auf den Zeitpunkt der Gut schrift auf dem Gläubigerkonto abzustellen. Die Krankenkasse ist unserer Argumentation gefolgt und hat den Versicherten ziehen lassen.
Anders wäre zu entscheiden gewesen, wenn der Schuldner seine Bank angewiesen hätte, den Betrag an einem bestimmten Datum an die Krankenkasse zu überweisen. In einem solchen Fall muss auf den Zeitpunkt der Gutschrift auf dem
Gläubigerkonto abgestellt werden, da ein Bankkunde seine zuvor erteilte Anweisung wieder annullieren könnte, was bei der Zahlung am Postschalter oder beim
Betreibungsamt nicht mehr möglich ist. Zudem muss der Bankkunde für Fehlleistungen der Bank persönlich einstehen, wie wenn er sie selbst begangen hätte.
5.2
Prämien
Die bevorstehende Prämienkorrektur von 2015 bis 2017 wegen des im Zeitraum
vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2013 akkumulierten Ungleichgewichts
zwischen den Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und den
Kosten für die medizinischen Leistungen in den Kantonen war bei unserer Ombudsstelle im Jahr 2014 ein relativ grosses Thema.
Das eidgenössische Parlament hatte am 21. März 2014 eine Revision des Krankenversicherungsgesetzes verabschiedet mit dem Ziel, die zwischen den Kantonen festgestellten Ungleichgewichte teilweise zu kompensieren. Die anstehende
Korrektur der Prämien beläuft sich auf 800 Millionen Franken und dauert drei Jahre (2015-2017). Sie wird zu gleichen Teilen von den Versicherten mit Wohnsitz in
den Kantonen, in denen zwischen dem 1. Januar 1996 und dem 31. Dezember
2013 zu wenig Prämien bezahlt wurden, von den Versicherern und vom Bund finanziert.
Bei der Bestimmung, wer im Rahmen der Prämienkorrektur einen Prämienzuschlag zahlen muss und wer einen Betrag zurück erhält, ist das ausschlaggebende Kriterium der Wohnsitz der versicherten Person am 1. Januar jeden Jahres, in
dem die Korrektur vorgenommen wird. Die Korrektur ist für alle Versicherten des
15
gleichen Kantons identisch, unabhängig von ihrem Versicherer, ihrem Alter, ihrer
Franchise oder ihrem Versicherungsmodell.
Die Korrektur in den verschiedenen Kantonen wird, wie folgt, durchgeführt:
Kantone mit PrämienZuschlag
Kantone mit PrämienRückerstattung
Kantone ohne Prämienkorrektur
BE, LU, UR, OW, NW,
GL, SO, BL, SH, AR,
SG, VS und JU
ZH, ZG, FR, AI, GR,
TG, TI, VD und GE
SZ, BS, AG und NE
Die vom Parlament beschlossene Prämienkorrektur führt auf individueller Ebene
nicht in jedem Fall zu einer gerechten Lösung. Der Ausgleich erfolgt allein kanto nal und nicht individuell.
Fall 5:
Bei der Ombudsstelle meldeten sich vor allem Versicherte, die über Jahre in einem
Kanton lebten, in dem zu hohe Prämien bezahlt wurden, und durch einen Umzug
in einen Kanton, der bis zum 31. Dezember 2013 zu tiefe Prämien bezahlt hatte,
ab 2015 einen Prämienzuschlag zahlen müssen. Sie beanstandeten die Prämienkorrektur, weil sie damit doppelt bestraft würden.
Diesen Versicherten mussten wir erklären, dass eine individuelle Korrektur in Anbetracht des zu verteilenden Betrages von maximal 1 bis 5 Franken pro Monat und
der Hunderttausenden von Kantons-Wechseln, Ein- und Ausreisen, usw., viel zu
kostenintensiv wäre. Das eidgenössische Parlament hat deshalb ganz bewusst individuelle Ungerechtigkeiten in Kauf genommen.
5.3
Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen
Die Ombudsstelle erhält oft Anfragen von Versicherten bei Streitigkeiten mit der
Krankenkasse wegen Prämienausständen, Inkassoverfahren und Leistungssistierungen.
Bis zum 31. Dezember 2011 war das Verfahren bei Prämienausständen einheitlich
geregelt. Die Krankenversicherer mussten bei ausstehenden Prämien nach Art.
64a KVG ein Betreibungsverfahren einleiten und die Leistungen bis zur vollständigen Zahlung aller Ausstände sistieren. Dies führte zu einem Anstieg von ungedeckten Rechnungen bei den Leistungserbringern und zu einem immer grösser
werdenden Anteil der Bevölkerung, der wegen Zahlungsausständen von einer
Leistungssistierung betroffen war. Man sah den Sinn und Zweck des Obligatoriums der Krankenpflegeversicherung in Frage gestellt, sollte doch gerade das Obli16
gatorium eine flächendeckende Gesundheitsversorgung gewährleisten. Folglich
wurde Art. 64a KVG revidiert.
Die Gesetzesrevision, welche per 1. Januar 2012 in Kraft trat, hat dazu geführt,
dass die Leistungssistierung durch die Krankenversicherer bei Zahlungsausständen abgeschafft wurde, und dass die Kantone die Pfändungs- und Konkursverlustscheine zu 85% zu übernehmen haben. Die Kantone haben indessen neu die
Kompetenz erhalten, eine Sperrliste mit säumigen Prämienzahlern zu führen und
die Übernahme der Kosten für Leistungen, mit Ausnahme von Notfallbehandlungen, bis zur vollständigen Begleichung der Ausstände aufschieben zu lassen.
Einige Kantone haben von diesem Recht Gebrauch gemacht und haben eine
Sperrliste mit säumigen Prämienzahlern eingeführt. Die Umsetzung gestaltet sich
jedoch sehr heterogen. Dies führt zu einem grösseren Verwaltungsaufwand bei
den Versicherern, offenen Rechtsfragen und einem erhöhten Koordinationsbedarf
zwischen den Kantonen, aber auch der Kantone mit den Versicherern.
Fall 6:
Ein Versicherter mit Wohnsitz im Kanton Thurgau konnte seit längerem seine Prämien nicht mehr bezahlen und wurde von der Krankenkasse betrieben. Da der
Kanton Thurgau eine Sperrliste säumiger Prämienzahler führt, war er auf dieser
Liste erfasst und die Krankenkasse hatte die Leistungen auf Anordnung des Kantons aufzuschieben.
Im Februar 2014 zog der Versicherte in den Kanton Zürich um. Da der Kanton Zürich keine Sperrliste kennt und folglich auch keinen Leistungsaufschub anordnen
kann, ging der Versicherte davon aus, dass die Krankenkasse seine Arztrechnungen ab Februar 2014 wieder übernehmen müsse.
Seine Krankenkasse lehnte indessen die Übernahme der Leistungen auch nach
seinem Wohnortswechsel weiterhin ab, mit der Begründung, dass, solange der
Kanton Thurgau den Leistungsaufschub nicht aufhebe, sie keine Leistungen erbringen könne. Der Kanton Thurgau weigerte sich aber, den Versicherten von der
Sperrliste zu streichen, da er nach wie vor Prämienausstände aus der Zeit vor seinem Wohnortswechsel hatte.
Da es sich in diesem Fall um eine Streitigkeit zwischen den Kantonen handelte,
konnte die Ombudsstelle wegen fehlender Zuständigkeit nicht intervenieren. Wir
rieten dem Versicherten aber, sich mit der Gesundheitsdirektion des Kanton Zürichs in Verbindung zu setzen. In der Folge mussten die zuständigen Stellen der
beiden Kantone das Gespräch miteinander suchen und eine Lösung finden.
Seit der Gesetzesrevision handelt es sich beim Leistungsaufschub in der Tat um
eine kantonale Anordnung. Die Krankenversicherer dürfen erst aufgrund der kantonalen Mitteilung über den Sperrlisteneintrag einen Leistungsaufschub über ihre
Versicherten verhängen. Seit der Wohnsitznahme des Versicherten im Kanton Zürich war aber der Kanton Thurgau nicht mehr befugt, am verhängten Leistungsaufschub festzuhalten. Folglich hatte der Kanton Thurgau der zuständigen Versicherung die Aufhebung des Leistungsaufschubes mitzuteilen.
17
Fall 7:
Eine im Kanton Luzern wohnhafte Versicherte wollte per Ende 2013 ihre obligatorische Krankenpflegeversicherung zu einem neuen Anbieter wechseln und kündete
fristgerecht. Ihre bisherige Krankenkasse stellte ihr aber weiterhin Prämienrechnungen zu. Inzwischen bezahlte die Versicherte bei ihrem neuen Versicherer regelmässig ihre Prämien. Sie ging von einem Versehen ihres bisherigen Versicherers
aus, zumal sie ja fristgerecht gekündigt hatte und ihr die Kündigung auch bestätigt
wurde. Auf ihre telefonische Nachfrage erhielt sie von ihrem bisherigen Versicherer
keine Auskunft, ausser, dass sie nach wie vor bei ihm versichert sei und die Prämien zu zahlen habe. In der Folge wurde die Versicherte betrieben und sie wurde auf
der Sperrliste säumiger Prämienzahler im Kanton Luzern erfasst.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ein Doppelversicherungsverbot (vgl. BGE 130 V 448). Die
Ombudsstelle hatte daher zuerst zu klären, bei welcher Krankenkasse die Versicherte versichert war.
Das Versicherungsverhältnis endet beim bisherigen Versicherer erst, wenn die versicherte Person fristgerecht gekündigt und der neue Versicherer der bisherigen
Krankenkasse eine Nachversicherungsbestätigung zugestellt hat (BGE 130 V 448,
450 E. 3.1).
Unsere Abklärungen bei den beiden Versicherern ergaben, dass der neue Versicherer es versäumt hatte, der bisherigen Krankenkasse eine Nachversicherungsbestätigung zukommen zu lassen. Demzufolge war die Versicherte bis zum Eintreffen der Nachversicherungsbestätigung weiterhin bei ihrer bisherigen Krankenkasse
versichert. Der neue Versicherer hatte nach Art. 7 Abs. 5 KVG der versicherten
Person den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen, insbesondere die Prämiendifferenz sowie die Betreibungskosten. Zudem hatte die Versicherte Anspruch
auf Löschung von der Sperrliste sowie Aufhebung der Leistungssistierung.
5.4
Leistungen
Der überwiegende Anteil von Anfragen an die Ombudsstelle betrifft Leistungen.
Diese häufen sich insbesondere mit der Einführung von Gesetzes- und Verordnungsänderungen. So ist z. B. im Berichtsjahr am 1. März 2014 eine Gesetzesänderung im Zusammenhang mit der Kostenbeteiligung bei Mutterschaft in Kraft getreten, die für Verunsicherung sowohl bei den Versicherten als auch bei den Mitarbeitern der Krankenkassen selbst gesorgt hat.
Fall 8:
Eine Versicherte erlitt in der 22. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt. In der
Folge rechnete ihr die Krankenkasse die Behandlungskosten im Rahmen der Fehlgeburt mit Kostenbeteiligung ab. Damit war ihr Ehemann nicht einverstanden.
Zu Recht. Unsere Abklärungen hatten ergeben, dass mit der Einführung des neuen
Art. 64 Abs. 7 KVG Frauen bei Krankheit (z. B. Komplikationen) ab der 13.
18
Schwangerschaftswoche bis 8 Wochen nach der Geburt keine Kostenbeteiligungen mehr bezahlen müssen. Die neue Regelung besagt u. a. :
Der Versicherer darf für Leistungen nach den Artikeln 25 und 25a KVG, die ab der
13. Schwangerschaftswoche, während der Niederkunft und bis acht Wochen nach
der Niederkunft erbracht werden, keine Kostenbeteiligung erheben.
Im vorliegenden Fall erlitt die Versicherte in der 22. Schwangerschaftswoche eine
Fehlgeburt und musste stationär behandelt werden. Bei der stationären Behandlung handelt es sich um eine Leistung nach Art. 25 KVG, weshalb gemäss Art. 64
Abs. 7 lit. b KVG keine Kostenbeteiligung erhoben werden darf.
Aus der Stellungnahme des Versicherers ging hervor, dass er meinte, es müsse
eine Niederkunft vorliegen, damit der neue Art. 64 Abs. 7 lit. b KVG angewendet
werden könne und da gemäss Art. 105 Abs. 2 KVV eine Totgeburt erst nach der
23. Schwangerschaftswoche als Niederkunft gilt, stellte er der Versicherten die
Kostenbeteiligung in Rechnung. Auf unsere Intervention hin korrigierte er seinen
Entscheid.
19
6
Aus der Praxis der Zusatzversicherungen
6.1
Vertragsabschluss
Die Probleme mit Versicherungsmaklern stellen seit Jahren einen Dauerbrenner
bei der Ombudsstelle dar, so auch im Jahre 2014. Oft wird uns mitgeteilt, dass die
Versicherungsberater die Versicherten unter Angabe falscher Informationen zu einer Unterschrift bewegen konnten. Beispielsweise wird den Kunden erzählt, dass
sie eine Unterschrift zur Einholung einer Offerte oder zur Bestätigung ihrer erfolgten Beratung benötigen. In der Tat unterschreiben die Versicherten aber einen Versicherungsantrag und schliessen damit oft Mehrjahresverträge ab.
Nun häufen sich jedoch auch Anfragen von Versicherten, welche behaupten, dass
ihre Unterschrift gefälscht worden sei. Immer öfter lassen die Versicherungsberater
ihre Kunden nicht mehr auf Papier, sondern auf Tablets unterzeichnen. Es ist für
die Kunden folglich weniger klar ersichtlich, was genau sie unterschreiben und die
Gefahr des Missbrauchs einer Unterschrift steigt um ein Mehrfaches.
Fall 9:
Ein Versicherter meldete sich bei unserer Ombudsstelle und teilte uns mit, dass ein
Versicherungsmakler seine Unterschrift gefälscht und an seiner Stelle die Antragsformulare unterzeichnet habe. Er habe diesbezüglich bereits erfolglos bei der
Krankenkasse reklamiert. Da diese weiterhin am Abschluss der Versicherungsverträge festhalte, habe er gegen den Versicherungsmakler Strafanzeige wegen Urkundenfälschung erhoben.
Wir intervenierten beim Krankenversicherer und baten ihn, den Vorwürfen des Versicherten nachzugehen und gegebenenfalls die Versicherungsverträge zu annullieren. Daraufhin verhängte die Krankenkasse zunächst einmal einen Mahnstopp und
hielt vorläufig am Abschluss der Versicherungsverträge fest. Zu einem späteren
Zeitpunkt teilte uns der Versicherte mit, dass besagte Verträge inzwischen aufgehoben wurden.
6.2
Kassenwechsel
Viele Versicherte scheinen nicht zu wissen, dass die im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom Gesetzgeber gewährte ausserordentliche
Kündigungsfrist gemäss Art. 7 Abs. 2 KVG (z. B. jene per Ende November) nicht
auf die Zusatzversicherungen nach VVG angewendet werden kann. In der Tat gelten im Bereich der Zusatzversicherungen, die dem Privatrecht unterstellt sind, andere Kündigungsregeln als in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, die
vom öffentliche Recht geregelt ist. Aus diesem Grund können nur in seltenen Fällen die Zusatzversicherungen mit der obligatorische Krankenpflegeversicherung
gleichzeitig ausserordentlich (d.h. vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit) gekündigt
werden.
20
Fall 10:
Ein Versicherter kündigte Mitte November per Ende 2014 nebst der obligatorischen Krankenpflegeversicherung auch seine sämtlichen Zusatzversicherungen.
Die Krankenkasse akzeptierte lediglich die Kündigung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Der Versicherte war damit nicht einverstanden.
Unsere Abklärungen haben ergeben, dass alle Prämien der Zusatzversicherungen
gleich hoch geblieben waren wie im Vorjahr. Demzufolge lag keine einseitige Vertragsänderung durch die Krankenkasse vor, die den Versicherten berechtigt hätte,
die ausserordentliche Kündigung einzureichen. Der Entscheid der Krankenkasse
ist somit nicht zu beanstanden.
Fall 11:
Ein Versicherter wollte bei einer neuen Krankenkasse Zusatzversicherungen nach
VVG abschliessen. Aus diesem Grund kündigte er seine bisherigen Zusatzversicherungen X, Y und Z mit Schreiben vom 31. Oktober 2013. Daraufhin teilte ihm
die Krankenkasse am 4. Januar 2014 mit, dass die ordentliche Kündigungsfrist bereits am 30. September 2013 abgelaufen sei. Aus diesem Grund könnten die Zusatzversicherungen erst auf den nächstmöglichen Termin (31. Dezember 2014)
aufgehoben werden. Der Versicherte reagierte am 9. Januar 2014 mit einer neuen
Kündigung und kündigte die Zusatzversicherungen X und Y, nicht jedoch die Zusatzversicherung Z per Ende 2014 und verlangte dafür eine Bestätigung. Diese
traf nie ein. Nachdem der Versicherte im Oktober 2014 die neue Versicherungspolice erhielt und feststellen musste, dass auch die Zusatzversicherung Z aufgehoben wurde, ersuchte er den Krankenversicherer, diese bestehen zu lassen. Daraufhin teilte ihm dieser mit, da er mit seinem Schreiben vom 31. Oktober 2013 alle
Zusatzversicherungen gekündigt habe, sei auch diese Zusatzversicherung unwiderruflich aufgehoben.
Aus dem Zeitpunkt des ersten Kündigungsschreibens (31. Oktober 2013), d.h.
nach Erhalt der Versicherungspolice gültig ab Januar 2014, liess sich entnehmen,
dass der Versicherte der Meinung war, er sei berechtigt, die Zusatzversicherungen
ausserordentlich zu kündigen. Die Krankenkasse ging hingegen von einem verpassten ordentlichen Kündigungstermin aus und verschob deshalb die Wirkung
auf den nächstmöglichen Kündigungstermin (31. Dezember 2014).
Die ausserordentliche Kündigung des Versicherten, welche wegen Nichterfüllung
der Bedingungen als nicht wirksam hätte qualifiziert werden müssen, wurde demzufolge von der Krankenkasse einfach in eine ordentliche Kündigung umgewandelt. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist dies jedoch nicht zulässig.
Eine unwirksame ausserordentliche Kündigung kann nicht in eine wirksame ordentliche Kündigung konvertiert (umgewandelt) werden (BGE 135 III 441, E. 3; vgl.
auch BGE 138 III 304, E. 11).
Die Krankenkasse hat auf unsere Intervention hin die Zusatzversicherung Z wieder
reaktiviert.
21
6.3
Prämien
Fall 12:
Eine Angehörige eines am Monatsanfang verstorbenen Versicherten wollte am Telefon von uns wissen, ob sie als Erbin ihres Vaters von der Krankenkasse einen
Teil der Monatsprämie für die Zusatzversicherungen zurückfordern könnte.
Wir teilten ihr mit, dass im Bereich der Zusatzversicherung nach VVG – im Gegensatz zur obligatorischen Krankenpflegeversicherung nach KVG – das Prinzip der
Teilbarkeit der Prämie gelte. Dies bedeute in ihrem Fall, dass bei Beendigung des
Versicherungsvertrages nach VVG durch den Tod des Versicherten die Prämie nur
für die Zeit bis zur Vertragsauflösung geschuldet ist (vgl. Art. 24 Abs. 1 Satz 1
VVG). Demzufolge habe sie Anspruch auf eine teilweise Rückerstattung der VVGPrämie, nicht jedoch der KVG-Prämie, wo das Prinzip der Unteilbarkeit der Prämie
gilt.
6.4
Mahnpflicht des Versicherers; Verzugsfolgen
Im Bereich der Zusatzversicherungen haben die Mahnungen der Versicherer immer wieder Anlass zu Beanstandungen gegeben, weil die Krankenkassen sich
nicht immer an die formellen Voraussetzungen im Sinne von Art. 20 und 21 VVG
halten.
Zum Vorverständnis sind die Kernpunkte der gesetzlichen Ordnung hervorzuheben: Wird die Prämie zur Verfallszeit oder während der im Vertrage eingeräumten
Nachfrist nicht entrichtet, so ist der Schuldner unter Androhung der Säumnisfolge
auf seine Kosten schriftlich aufzufordern, binnen 14 Tagen, von der Absendung
der Mahnung an gerechnet, Zahlung zu leisten (Art. 20 Abs. 1 VVG). Bleibt die
Mahnung ohne Erfolg, so ruht die Leistungspflicht des Versicherers vom Ablaufe
der Mahnfrist an (Art. 20 Abs. 3 VVG). Die Leistungspflicht der Kasse lebt in dem
Moment wieder auf, als die Prämien samt Zinsen und Kosten bezahlt sind (Art. 21
Abs. 2 VVG). Wird die Prämie nicht binnen zwei Monaten nach Ablauf der Mahnfrist rechtlich eingefordert, so wird angenommen , dass der Versicherer, unter Verzicht auf die Bezahlung der rückständigen Prämie, vom Vertrage zurücktritt (Art.
21 Abs. 1 VVG). Wird die Prämie vom Versicherer eingefordert oder nächträglich
angenommen, so lebt seine Haftung mit dem Zeitpunkt, in dem die rückständige
Prämie samt Zinsen und Kosten bezahlt wird, wieder auf (Art. 21 Abs. 2 VVG).
Ein Prämienzahlungsverzug kann einschneidende Folgen haben, wobei insbesondere der Vertragsrücktritt hervorzuheben ist. Im Gegensatz zu anderen Bereichen
kann in der Krankenversicherung ein Vertragsrücktritt häufig irreparabal sein,
dann nämlich, wenn die versicherte Person wegen ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes keine Chance hat, die verlorene Zusatzversicherung beim bisherigen oder einem anderen Versicherer wieder abschliessen zu können. Umso wichtiger ist es, dass das Vorgehen des Versicherers rechtlich widerspruchsfrei ist und
den strengen Anforderungen von Art. 20 und 21 VVG in allen Punkten vollumfänglich genügt.
22
Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit der dargelegten Sanktionen ist, dass eine
korrekte Mahnung vorliegt. Diese muss verständlich sein, den genauen Betrag der
ausstehenden VVG-Prämien angeben und die Monate nennen, für die ein Ausstand besteht. Ein zu hoher Forderungsbetrag macht die Mahnung unwirksam. In
der Praxis treten Mängel in diesem Zusammenhang gerne dann auf, wenn der
Krankenversicherer KVG- und VVG-Prämien auf dem gleichen Formular mahnt.
Fall 13:
Die Eltern hatten vor Jahren für ihre zwei Kinder (Jahrgang 2003 und 2006) je eine
Zahnpflegeversicherung nach VVG abgeschlossen, in denen auch die Deckung für
kieferorthopädische Behandlungen mitenthalten war. Infolge von Prämienausständen verhängte die Krankenkasse eine Leistungssperre über die besagten Zusatzversicherungen und hob diese per Ende Februar 2014 auf. Damit waren die Eltern
nicht einverstanden.
Unsere Abklärungen ergaben, dass sowohl die Leistungssperre als auch die Aufhebung der Zusatzversicherungen aus rechtlicher Sicht fragwürdig waren.
Die Krankenkasse hatte die Versicherten in der Mahnung vom 9. November 2013
dahingehend informiert, dass ihre Leistungspflicht nach Ablauf der 14-tägigen Frist
gemäss Art. 20 Abs. 3 VVG erlösche und dass sie nach Ablauf dieser Frist ohne
weitere Mitteilung vom Vertrag zurücktreten würde. Die Zusatzversicherungen wür den dann auf diesen Zeitpunkt enden. Die neu geltende Versicherungsdeckung
könnten sie anschliessend den neuen Policen entnehmen.
Entgegen den angedrohten Säumnisfolgen trat die Krankenkasse nach Ablauf der
14-tägigen Frist nicht vom Vertrag zurück, sondern liess den Versicherten weiter hin Einzahlungsscheine zukommen und nahm die von den Versicherten bezahlten
Prämien an. Damit hielt sie de facto an der Weiterführung des Versicherungsvertrages fest. Weiter stellte sie den Versicherten entgegen der Aussage im Mahnschreiben keine neuen Versicherungspolicen zu.
Wir teilten dem Versicherer mit, dass seine Vorgehensweise unseres Erachtens
ein widersprüchliches Verhalten darstelle, welches das Vertrauensprinzip verletze.
Zudem wiesen wir ihn darauf hin, dass eine Mahnung nach Art. 20 Abs. 1 VVG
sämtliche Säumnisfolgen zu nennen habe (BGE 138 III 2 ff., E. 4.2). Da die Mahnung vom 9. November 2013 weder explizit das Ruhen der Leistungen (sog. Leistungssperre) gemäss Art. 20 Abs. 3 VVG noch die Rücktrittsvermutung nach Art.
21 Abs. 1 VVG erwähnte, genüge sie den Anforderungen an eine rechtswirksame
Mahnung nicht und sei daher als unvollständig zu bezeichnen. Damit kann sie
auch die gesetzlichen Säumnisfolgen nicht entfalten (BGE 138 III 2, E. 5.2.1).
Die Krankenkasse stimmte unserer Argumentation zu und machte ihren Entscheid
betreffend Leistungssperre und Aufhebung der Zusatzversicherungen rückgängig.
23
7
Aus der Praxis der Fälle mit Auslandbezug
In den letzten Jahren ist die Anzahl der Fälle mit Auslandbezug stark angestiegen,
insbesondere jene mit der EU. Jeder Fall stellt eine grosse Herausforderung dar,
weil die einzelnen EU-Staaten in verschiedener Hinsicht spezielle Regelungen z.B.
in Bezug auf die Kostenbeteiligung, Betreibungsmöglichkeiten, usw. haben.
7.1
EU
Fall 14:
Ein Versicherter hatte während eines Ferienaufenthalts in Deutschland Leistungen
in der Höhe von EUR 1'473.18 bezogen. Nach seiner Rückkehr reichte er die
Rechnung bei seiner Krankenkasse ein, die ihm jedoch lediglich EUR 534.85 rückvergütete. Er wollte von uns wissen, ob die Abrechnung korrekt sei.
Im vorliegenden Fall kommt das Freizügigkeitsabkommen (FZA) zwischen der
Schweiz und der EU zur Anwendung. In dessen Anhang II wird auf die Koordination der Krankenversicherung Bezug genommen und betreffend das anwendbare
Recht auf die Verordnung (VO Nr. 883/2004) verwiesen. Diese wird in der Durchführungsverordnung (DVO Nr. 987/2009) konkretisiert und gilt für die Schweiz in allen Beziehungen zu den EU-Mitgliedstaaten ab dem 1. April 2012. Gemäss Art. 19
Abs. 1 VO Nr. 883/2004 hat der Versicherte bei Aufenthalt in einem anderen als
dem Wohnstaat Anspruch auf Sachleistungen nach den im Aufenthaltsort geltenden Rechtsvorschriften (Leistungskatalog) und zwar so, als ob die Person vor Ort
versichert wäre. Das heisst, der Leistungsanspruch ist mit dem eines Einheimischen identisch. Der Versicherte muss seinen Anspruch mittels einer Anspruchsbescheinigung nachweisen (Art. 25 Bst. A Abs. 1 DVO Nr. 987/2009). Dies ist die Eu ropäische Krankenversicherungskarte (EHIC) oder wenn diese z.B. zu Hause vergessen wurde, eine provisorische Ersatzbescheinigung (PEB). Die Kostenrückerstattung wird in den Art. 25 Bst. B Abs. 4 - 6 DVO Nr. 987/2009 geregelt. Bei ambulanter Behandlung stellt der Leistungserbringer (z.B. der behandelnde Arzt) die
Rechnung meist direkt der versicherten Person zu. Nach Bezahlung der Rechnung
bestehen drei Möglichkeiten, wie der Versicherte seinen Anspruch auf Erstattung
der Behandlungskosten geltend machen kann:
1. Erstattung durch den aushelfenden Träger im Aufenthaltsstaat nach dessen
Rechtsvorschriften (Tarife und Erstattungssätze): Art. 25 Bst. B Abs. 4 DVO
Nr. 987/2009.
2. Erstattung durch den zuständigen Träger (dem eigenen Krankenversicherer) nach dem Recht des Aufenthaltsstaates (Tarife und Erstattungssätze):
Art. 25 Bst. B Abs. 5 DVO Nr. 987/2009. Dies stellt den Regelfall dar.
3. Erstattung durch den zuständigen Träger (dem eigenen Krankenversicherer) nach Schweizer Recht (Tarife und Erstattungssätze): Art. 25 Bst. B Abs.
6 DVO Nr. 987/2009. Dies ist nur bei Einverständnis der versicherten Person möglich.
24
Im vorliegenden Fall hatte der Versicherte die Rechnungen des deutschen Leistungserbringers direkt seiner Krankenkasse in der Schweiz eingereicht. Die Rückvergütung erfolgte nach Art. 25 Bst. B Abs. 5 DVO Nr. 987/2009 bzw. nach deutschem Recht. Das heisst, die schweizerische Krankenkasse des Versicherten
übernahm die Kosten nach den in Deutschland massgebenden Tarifen abzüglich
den dort geltenden Kostenbeteiligungen und Franchisen. Zur Bestimmung der
Höhe der Kostenrückerstattung hatte sie die massgeblichen Tarife und Erstattungssätze mittels Formular E 126 in Deutschland angefragt. Aus dem uns vorge legten Formular E 126 ergab sich ein Rückerstattungsbetrag von lediglich EUR
534.85. Dem Versicherten hatte der behandelnde Arzt einen Betrag von EUR
1'473.18 in Rechnung gestellt. Die Krankenkasse des Versicherten begründete die
geringe Rückvergütung damit, dass es sich bei den durchgeführten Behandlungen
zum Teil um Nicht-Pflichtleistungen gemäss deutschem Recht handelte. Nach Abschluss unserer Abklärungen bestätigten wir dem Versicherten die Rechtmässigkeit der Leistungsabrechnung und ergänzten die Begründung der Kasse indessen,
wie folgt:
Der Versicherte hatte es – gemäss seinen eigenen Angaben – versäumt, dem behandelnden Arzt vor Beginn der Behandlungen in Deutschland seine Europäische
Krankenversicherungskarte (EHIC) vorzuweisen. Dies wäre indessen notwendig
gewesen, damit er die beanspruchten Leistungen zu den gleichen Tarifen wie ein
Einheimischer hätte beziehen können. Da er seine Karte nicht vorgelegt hatte,
stellte ihm der Leistungserbringer den Privattarif - und nicht den tieferen Sozialtarif
gemäss Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 – in Rechnung. Der schweizerische Krankenversicherer ging indessen bei der Leistungsabrechnung – wie üblich – vom
tieferen Sozialtarif aus. Der ungedeckte Betrag ging somit zu Lasten des Versicherten oder allenfalls zu Lasten seiner Zusatzversicherung – sofern vorhanden – ,
soweit eine Leistungspflicht gemäss den allgemeinen Versicherungsbedingungen
bestand.
Fall 15
Ein Ehepaar verlegte seinen Wohnsitz im Jahre 2013 von der Schweiz nach
Deutschland. Da zur Koordination der Versicherungspflicht im Bereich Krankenpflege zwischen der Schweiz und der EU das Erwerbsortsprinzip gilt, unterstanden
der Mann als Rentner mit einer Rente aus der Schweiz und die Frau als Grenzgängerin mit Erwerbstätigkeit in der Schweiz nach wie vor der obligatorischen Versicherungspflicht in der Schweiz. Da die Versicherten von ihrem Wahlrecht keinen
Gebrauch gemacht hatten und sich auch nicht von der Versicherungspflicht in der
Schweiz zugunsten Deutschlands befreien lassen wollten, wurde ihre obligatorische Krankenpflegeversicherung bei der Schweizer Krankenkasse weitergeführt
und die EU-Prämie erhoben. Irgendwann gerieten die Versicherten in Zahlungsschwierigkeiten. Die Krankenkasse beauftragte die Intrum Justitia International mit
der Eintreibung der Ausstände. Gleichzeitig verhängte sie über die Versicherten
einen Leistungsaufschub gestützt auf Art. 64a Abs. 9 KVG in Verbindung mit Art.
105m Abs. 2 KVV. Damit waren die Versicherten nicht einverstanden.
Unsere Abklärungen ergaben, dass das Vorgehen der Krankenkasse nicht korrekt
ist. Da zwischen der Schweiz und Deutschland ein Abkommen betreffend die
25
Amtshilfe in Betreibungssachen existiert, kommt der Abs. 1 und nicht der Abs. 2
von Art. 105m KVV zur Anwendung. Demnach hätte die Krankenkasse gegen die
Grenzgängerin eine Betreibung im Kanton ihres Arbeitsortes einleiten müssen (Art.
64a Abs. 9 KVG in Verbindung mit Art. 105m Abs. 1 lit. a Ziff. 1 KVV). Erst nach ei nem allfälligen Eintrag auf der schwarzen Liste säumiger Prämienzahler hätte der
Versicherer auf Meldung des Kantons die Leistungen aufschieben dürfen. Die Betreibung gegen den Rentner hätte hingegen über die deutsche Verbindungsstelle
DVK in Bonn erfolgen müssen. Da bei Rentnern gemäss Art. 64a Abs. 9 KVG in
Verbindung mit Art. 105m Abs. 1 lit. b KVV die Bestimmung von Art. 64a Abs. 7
KVG nicht anwendbar ist, durfte kein Leistungsaufschub über den Rentner verhängt werden. Nach zweimaliger Intervention beim Versicherer musste die Ombudsstelle den Vermittlungsversuch für gescheitert erklären, da die Krankenkasse
ihre Vorgehensweise nicht ändern wollte. Wir mussten den beiden Versicherten
den Entscheid überlassen, ob sie noch den Rechtsweg beschreiten wollen.
7.2
Ausland ausserhalb der EU
Fall 16:
Eine Versicherte erlitt eine lebensgefährliche Hirnblutung während eines Ferienaufenthaltes in Thailand. Für die Behandlungskosten vor Ort kam die obligatorische
Krankenpflegeversicherung auf. Sie weigerte sich indessen die Transportkosten für
die Repatriierung in die Schweiz zu übernehmen. Zu diesen Kosten zählte sie
auch den Transport vom Flughafen Zürich-Kloten zum Kantonsspital am Wohnort
der Versicherten. Aus Sicht des Versicherers war der Transport in der Schweiz Teil
der Repatriierungskette. Die Versicherte kontaktierte die Ombudsstelle und bat um
Rat.
Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten von Behandlungen, die in Notfällen im Ausland erbracht werden (Art. 34 Abs. 2 KVG in Verbin dung mit Art. 36 Abs. 2 KVV). Dabei ist zu beachten, dass Transportkosten keine
Behandlungen sind, weshalb dafür keine Rückvergütungen vorgesehen sind.
Ganz anders sieht es aus, wenn der Transport oder die Rettung einer versicherten
Person innerhalb der Schweiz medizinisch notwendig ist. In diesem Fall zahlt die
obligatorische Krankenpflegeversicherung einen Beitrag an die Kosten auf Grund
des Territorialprinzips (Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG in Verbindung mit Art. 26 KLV bzw.
Art. 27 KLV.
Im vorliegenden Fall lehnte die Krankenkasse die Kostenübernahme für die Repatriierung von Thailand in die Schweiz zu Recht ab. Wir waren indessen der Meinung, dass sie die Kosten für den Transport vom Flughafen ins Kantonsspital am
Wohnort der Versicherten zu übernehmen habe. Schliesslich erfolgte dieser Transport mit der Ambulanz auf Schweizer Boden und war medizinisch indiziert und notwendig. Auf unsere Intervention hin hielt die Krankenkasse an ihrem Entscheid
fest, wonach die strittige Leistung Teil der Repatriierungskette darstelle, wofür sie
nicht aufzukommen habe. Erst als die Versicherte eine Verfügung verlangte, um
den Rechtsweg zu beschreiten, lenkte die Krankenkasse ein und übernahm die
besagten Transportkosten.
26
8
Besondere Fälle
In einem multikulturellen Land wie die Schweiz darf man erwarten, dass ein auf
nationaler Ebene tätiger Krankenversicherer mit seinen Kunden in den drei geläufigen Nationalsprachen der Schweiz (Deutsch, Französisch und Italienisch) in Wort
und Schrift kommunizieren kann. Leider ist dies nicht immer der Fall.
Fall 17:
Eine ältere Dame aus dem Tessin meldete sich bei unserer Ombudsstelle und be schwerte sich über ihre Krankenkasse, weil diese ihr Versprechen nicht einhalten
würde. Die Krankenkasse habe ihr im Herbst ein Schreiben betreffend die Prämien
2014 zukommen lassen, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass sich die Prämien für die
obligatorische Krankenpflegeversicherung minimal erhöht hätten und jene für die
Zusatzversicherungen entweder gleich geblieben seien oder sich gar reduziert hätten. Dies sei sehr erfreulich. Es gäbe aber noch viele weitere Gründe, um sich bei
ihnen gut aufgehoben zu fühlen. Der Satz der zur Beanstandung führte, lautete:
„Vi sono però anche tanti altri motivi per cui potete considerarvi in buone mani con
noi: (...); la gratuità delle assicurazioni complementari nel mese di compleanno;
(...)“.
Für jeden Versicherten italienischer Muttersprache bedeutet dies, dass er für den
Monat, in dem er Geburtstag hat, keine Prämie zahlen muss, so hat dies auch die
besagte Dame aus dem Tessin verstanden und die VVG-Prämie für April 2014
nicht bezahlt. Die Krankenkasse wollte davon nichts wissen und setzte ihre Versicherte in Betreibung. Diese wollte nun von uns wissen, ob das Vorgehen ihres Versicherers korrekt sei.
Auf unsere Intervention hin berief sich die Krankenkasse auf einen offensichtlichen
Übersetzungsfehler. Es sei der Monat der Geburt des Kindes gemeint gewesen
und nicht der Monat an dem man jedes Jahr seinen Geburtstag feiere. Eine andere Interpretation sei weder im Versicherungsvertrag noch in den allgemeinen Versicherungsbedingungen enthalten, weshalb sie auf die Zahlung der Prämien bestehen müssten. Auf eine kulante Lösung wollte sie nicht eintreten.
Fall 18:
Ein Versicherter beklagte sich darüber, dass seine Krankenkasse mit Sitz in der
Deutschschweiz ihm nur Unterlagen auf Deutsch zukommen lasse, obwohl er in
der Romandie lebe. Auf seine Reklamation hin habe man ihm geantwortet, dass
bei ihr die Anzahl von Versicherten mit Wohnsitz in der Romandie verschwindend
klein sei, weshalb es sich nicht lohne, die Unterlagen übersetzen zu lassen. Ähnliche Reklamationen erhielten wir auch aus den italienisch sprechenden Gebieten
der Kantone Graubünden und Tessin.
Unsere Abklärungen bei der zuständigen Aufsichtsbehörde ergaben, dass es gesetzlich nicht festgelegt sei, in welcher Sprache ein Krankenversicherer mit den
27
Versicherten kommunizieren müsse. Aus diesem Grund werde dies auch nicht
kontrolliert.
Die Ombudsstelle hat daraufhin auf eine Intervention beim Versicherer verzichtet.
Luzern, den 13. Mai 2015
Morena Hostettler Socha, Ombudsfrau
28
STIFTUNG OMBUDSTELLE KRANKENVERSICHERUNG
Stiftungsrat (Stand 31. Dezember 2014):
MOSER Markus
Präsident, Dr. iur.; 3172 Niederwangen
BRÄNDLI Christoffel
Vizepräsident, mag. oec. HSG, alt Ständerat,
Präsident von santésuisse; 7302 Landquart
D'ANDREA JÄGER Mariantonia Dr. med. Psychiatrie und Psychotherapie;
3007 Bern
DITTLI Nikolai
CEO der CONCORDIA; 6020 Emmenbrücke
LANGENBERGER Christiane
Alt Ständerätin; 1122 Romanel-sur-Morges
MONIGATTI Fabiola
lic. iur. LL.M; 7742 Poschiavo
SCHWALLER Urs
Dr. iur., Ständerat, RA; 1700 Fribourg
Geschäfsstelle in Luzern (Stand 31. Dezember 2014):
HOSTETTLER SOCHA Morena
Ombudsfrau, lic. iur., Rechtsanwältin
EIGENSATZ Urs
Dipl. Krankenversicherungsexperte
FELLMANN Fabienne
MLaw, Rechtsanwältin
GOTTRAUX Isabelle
lic. iur., Juristin
LINIGER Eliane
Krankenversicherungs-Fachfrau mit
eidg. Fachausweis
LORÉTAN Charles
Dipl. Krankenversicherungsexperte
SCHERRER Hans-Thomas
lic. iur., Jurist und Sekretär
SCHMID Jasmin
MLaw, Juristin
WÜRMLI Barbara
MLaw, Juristin
29
Kontakt
Schriftlich:
Ombudsstelle Krankenversicherung
Morgartenstrasse 9, PF 3565
6002 Luzern
Telefax:
041 226 10 13
Website:
www.om-kv.ch
(mit Kontaktformular)
Mündlich:
Telefonischer Auskunftsdienst von MO-FR zwischen 09.00 – 11.30 Uhr:
auf Deutsch:
041 226 10 10
auf Französisch:
041 226 10 11
auf Italienisch:
041 226 10 12
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