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Niederschlagung von Beitragsforderungen – Manfred Geiken – TK Lexikon Sozialversicherung – 1. Januar 2016
Niederschlagung von Beitragsforderungen
HI2703833
Zusammenfassung
LI1923956
Begriff
Die Krankenkasse als Einzugsstelle des Gesamtsozialversicherungsbeitrags hat die Einnahmen in voller Höhe zu
erheben. Sie darf grundsätzlich nicht auf die Einziehung rückständiger Beiträge verzichten. Beitragsansprüche können
nur dann niedergeschlagen werden, wenn feststeht, dass die Einziehung entweder keinen Erfolg haben wird oder wenn
die Kosten des Einzugs in keinem Verhältnis zur Höhe des niederzuschlagenden Anspruchs stehen.
Unter bestimmten Voraussetzungen können Krankenkassen über rückständige Beitragsansprüche einen Vergleich
schließen
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung
Sozialversicherung: Die Niederschlagung von Beitragsansprüchen ist in § 76 Abs. 2 SGB IV und in den §§ 6 bis 8 der
Einheitlichen Grundsätze zur Erhebung von Beiträgen, zur Stundung, zur Niederschlagung und zum Erlass sowie zum
Vergleich von Beitragsansprüchen (Beitragserhebungsgrundsätze) vom 17.2.2010 geregelt. Der Vergleich über
rückständige Beitragsansprüche ist in § 76 Abs. 4 SGB IV normiert.
Sozialversicherung
HI2744473
1 Voraussetzungen für die Niederschlagung von Beiträgen
HI2811175
Die Einzugsstellen haben die Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber rechtzeitig und vollständig zu erheben. Sie dürfen
Beitragsansprüche nur niederschlagen, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten
der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Beitragsanspruchs stehen.
Die Niederschlagung führt nicht zur Vernichtung des Anspruchs; sie ist vielmehr als zeitweise (befristete) oder dauernde
(unbefristete) Unterlassung der Weiterverfolgung des fälligen, aber nicht einziehbaren Beitragsanspruchs anzusehen.
Die Versuche, die Beiträge einzuziehen, werden durch die Krankenkasse eingestellt, wenn
auf absehbare Zeit oder gar nicht mehr damit zu rechnen ist, dass sie zu einem Erfolg führen oder
die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen.
Solche Beiträge können niedergeschlagen werden. Die Voraussetzungen orientieren sich daran, ob Beitragsansprüche
befristet oder unbefristet niedergeschlagen werden sollen.
Hinweis
Schuldner wirkt nicht mit
Für die Niederschlagung von Beitragsforderungen ist ein Antrag des Schuldners nicht erforderlich. Es handelt sich dabei
um eine verwaltungsinterne Maßnahme der Einzugsstelle. Der Schuldner erhält keine Mitteilung über die
Niederschlagung.
1.1 Befristete Niederschlagung von Beitragsansprüchen
HI2811176
Ist damit zu rechnen, dass in Zukunft vielleicht noch eine Möglichkeit besteht, die Beitragsforderung einzuziehen, wird die
Einzugsstelle diese Forderungen zunächst befristet niederschlagen. Bei der befristeten Niederschlagung sind in
angemessenen Zeitabständen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu prüfen; zumindest sind
verjährungsunterbrechende Maßnahmen durchzuführen. [ 1 ]
Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vertreten den Standpunkt, dass über die befristete Niederschlagung
im Einzelfall zu entscheiden ist,
sie grundsätzlich nur bei geschlossenen Arbeitgeberkonten zulässig ist und
die Zwangsvollstreckung mindestens einmal erfolglos verlaufen ist, oder
der Schuldner bereits eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat oder
ein Insolvenzverfahren eröffnet, mangels Masse abgewiesen [ 2 ] oder
die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt wurde und ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt
worden ist und ein entsprechendes Verfahren mangels Masse nicht in Betracht kommt oder
weitere Einziehungsmaßnahmen voraussichtlich keinen Erfolg haben werden.
1.2 Unbefristete Niederschlagung von Beiträgen
HI2811177
Die unbefristete Niederschlagung kommt einem Verzicht auf die Beiträge gleich. Der Eintritt der Verjährung wird dabei bewusst
in Kauf genommen. Die unbefristete Niederschlagung von Ansprüchen auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge, deren Höhe
insgesamt die Bezugsgröße übersteigt (2016 = 34.860 EUR/West), darf nur im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der
Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit vorgenommen werden. Der Erlass stellt ein endgültiges Erlöschen des
Beitragsanspruchs dar. [ 3 ] Voraussetzung ist,
dass die Einziehung wegen der wirtschaftlichen Situation des Schuldners auf Dauer ohne Erfolg sein wird
(ergebnislose Vollstreckung) oder
dass Einziehungsmöglichkeiten nicht mehr bestehen (Tod des Schuldners, keine Erben, keine Gesamt/Haftungsschuldner).
Wegen der hohen Ansprüche einer unbefristeten Niederschlagung kommt in der Praxis der Erlass von
Gesamtsozialversicherungsbeiträgen so gut wie nie in Betracht.
2 Kleinbetragsregelung bei Fehlen meldepflichtiger Beschäftigter
HI2811178
Beitragsansprüche dürfen auch niedergeschlagen werden, wenn der Arbeitgeber mehr als 6 Monate meldepflichtige
Beschäftigte nicht mehr gemeldet hat (sog. Geschlossene Konten) und die Ansprüche die von den Spitzenorganisationen der
Sozialversicherung gemeinsam und einheitlich festgelegten Beträge nicht überschreiten. [ 4 ] Die Grenzbeträge sollen an eine
vorherige Vollstreckungsmaßnahme gebunden werden, wenn die Kosten der Maßnahme in einem wirtschaftlich vertretbaren
Verhältnis zur Höhe der Forderung stehen. Die vereinbarten Grenzbeträge bedürfen der Genehmigung des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).
Grenzbeträge der Kleinstbetragsregelung
Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben folgende vom BMAS mit Schreiben v. 1.8.2007 [ 5 ] genehmigte
Kleinbetragsregelung vereinbart:
bei Beitragsansprüchen unter 4 % der monatlichen Bezugsgröße West (auf 10 EUR nach oben aufgerundet; 2016:
4 % von 2.905 EUR = 116,20 EUR, gerundet 120 EUR) wird auf Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet. Die Beiträge
können ohne Weiteres niedergeschlagen werden,
bei Beitragsansprüchen zwischen 4 % der monatlichen Bezugsgröße West und unter 12 % der monatlichen
Bezugsgröße West (auf 10 EUR nach oben aufgerundet; 2016: 12 % von 2.905 EUR = 348,60 EUR, gerundet
350 EUR) wird auf weitere Vollstreckungsmaßahmen verzichtet. Sie können niedergeschlagen werden.
Die Kleinbetragsregelung ist auch von dem Gedanken getragen, dass bei Beitragsansprüchen unter 4 % der monatlichen
Bezugsgröße West die Kosten einer Vollstreckungsmaßnahme in der Regel in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zur Höhe des
Anspruchs stehen. [ 6 ] Deshalb wird ohne nähere Prüfung bei Ansprüchen unter 4 % der monatlichen Bezugsgröße West auf
Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet.
3 Vergleichsverfahren
HI5647126
Die Krankenkasse kann nach § 76 Abs. 4 SGB IV einen Vergleich über rückständige Beitragsansprüche schließen.
Beim Zustandekommen eines Vergleichs wird bei Zahlung eines vereinbarten Betrags auf die weitere Geltendmachung eines
noch bestehenden Anspruchs verzichtet. Dieser Verzicht auf Beitragsforderungen ist weder ein Erlass noch eine
Niederschlagung.
Die Krankenkasse darf den Vergleich über rückständige Beitragsansprüche, deren Höhe die jährliche Bezugsgröße insgesamt
übersteigt, nur schließen
im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Renten- und der Arbeitslosenversicherung und
wenn dies für die Krankenkasse, die beteiligten Rentenversicherungsträger und die Arbeitslosenversicherung
wirtschaftlich und zweckmäßig ist.
Außerdem kann die Bundesagentur für Arbeit auch allein einen Vergleich abschließen, wenn dies wirtschaftlich und
zweckmäßig ist.
[ 1 ] Verjährung.
[ 2 ] Insolvenz.
[ 3 ] § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV.
[ 4 ] § 76 Abs. 2 Satz 3 SGB IV.
[ 5 ] BMAS, Schreiben v. 1.8.2007, IV a2 - 41645 -76/12.
[ 6 ] § 76 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB IV.